Coming Closer von Nea-chan (Wer sagt, dass Liebe einfach ist?) ================================================================================ Kapitel 1: Marmelade -------------------- 01 Marmelade ****Plötzlich… die Ahnung einer wunderbaren Begegnung. Auch jetzt springt mein wild schlagendes Herz noch. Die Worte für dieses Gefühl, kann ich nicht finden, können nicht gefunden werden. Ich kann nichts sagen außer, jetzt will ich dich… so ansehen. Ob wir uns wiedertreffen können? Dich wieder sehen wollend, suche ich dich. Damit es nicht nur eine flüchtige Begegnung war, suche ich dich.**** „Verdammt, wenn ich doch nur nicht solchen Hunger hätte…“, jammerte Nina. „Och, ich spür meinen Magen schon gar nicht mehr.“, gab Chrissie dazu. Eine Stewardess näherte sich den Beiden, da ihr der Schrei nach Essbarem nicht verborgen geblieben war. „Kann ich den Damen was zu Essen anbieten?“, fragte die junge Frau freundlich. „Nur wenn sie Sushi im Angebot haben, für alles andere ist uns unser Geld zu schade.“, antwortete ihr das dunkelhaarige Mädchen ohne dabei ausfallend zu wirken. „Dann wünsche ich ihnen noch einen angenehmen Weiterflug.“ Chrissie sah der Frau noch kurz hinterher bevor sie Nina einen mitleidserregenden Blick zuwarf. „So teuer ist das Zeug hier doch gar nicht.“ „Mag sein, aber ich hab mir in den Kopf gesetzt, dass, wenn ich Geld für Essen ausgebe, dann nur für was original Japanisches.“ „Dann musst du aber noch knapp fünf Stunden warten.“ Das Gespräch wurde unterbrochen, da Nina auf einmal von einem eingewickelten Salamibrötchen am Kopf getroffen wurde. Ein Käsebrötchen verfehlte sie nur knapp und wurde von der haltlos lachenden Chrissie aufgefangen. „Kommt ein Brötchen geflogen, knallt voll gegen meinen Kopf! La la la la la…“, fing Nina beleidigt an zu singen, so dass auch sie sich nicht mehr beherrschen konnte und in Chrissi’s inzwischen lautloses Lachen mit einsetzte. „Von wem kam denn die unverhoffte Luftpost?“ Schon spähte sie in die Sitzreihen hinter ihrer Freundin, etwa zwei Reihen hinter ihr saßen zwei Japaner und winkten ihnen grinsend zu. „Anscheinend haben wir so was wie Fans.“, flüsterte sie Nina zu. Diese lugte über die Schulter und schenkte den beiden Kerlen ein gekünsteltes Lächeln. „Scheiße, sehen die scheiße aus!“, gab sie der Älteren zu verstehen, als sie sich ihr wieder zuwendete. „Egal, Hauptsache wir haben was zum Essen.“, faxte Chrissie und begann ihr Brötchen zu entpacken. Nina spähte abermals nach hinten, die beiden Männer waren wohl kaum älter als sie selbst, allerdings gefiel ihr deren dreckiges Grinsen überhaupt nicht. „Ich sag dir was Chrissie, sobald wir hier raus sind schnappen wir uns unsere Taschen und machen uns aus dem Staub. Die beiden Kerle sind mir nicht ganz geheuer.“ Chrissie nickte unauffällig und schluckte genüsslich den ersten Bissen hinunter. Seufzend biss auch Nina in ihr Brötchen und konzentrierte sich wieder auf die Aussicht. „Ich bin ja mal auf unser Hotel gespannt.“, fügte sie noch abschließend hinzu. „Hm…“ Plötzlich fing ihre blauäugige Freundin an zu husten. „Was? Hast du dich verschluckt?“, fragte Nina besorgt. Chrissie nickte, während sie versuchte ihren Bissen wieder in die richtige Röhre zu husten. >>Oh verdammt! Ich hab’s total verplant! Das kann ich ihr doch unmöglich erzählen! Was mach ich denn jetzt?<< „Wow! Schau dir das an! Die hohen Gebäude da vorne!“, jubelte Nina. Es waren inzwischen über fünf Stunden vergangen, endlich steuerten sie ihre Landebahn an. „Die Sonne geht gerade auf, Wahnsinn!“ Beide starrten gen Himmel, sofern es ihnen möglich war und betrachteten die roten Sonnenstrahlen, die die hohen Gebäude in angenehm warme Farben tauchten. „Wir bitten sie, sich wieder an ihre Plätze zu begeben und die Gurte anzulegen, wir werden in Kürze landen.“, hallte die freundliche Stimme der Stewardess durch den Lautsprecher. Sie wiederholte denselben Satz noch einmal auf Englisch und Japanisch, ruhig zu bleiben war den Freundinnen eigentlich fast unmöglich. Völlig aufgekratzt rutschten sie in ihren Sitzen hin und her. Als das Flugzeug unsanft aufsetzte, quietschte Nina kurz, ihre Flugangst hatte sie bis eben noch so wunderbar vergessen können, wie gesagt, bis gerade eben. „Mou! Und das muss ich auf dem Rückflug auch noch mal durchstehen!“, maulte sie betreten. „Jetzt hab dich nicht so! Wir haben’s überlebt und nun machen wir uns zwei wunderschöne Wochen in Japan!“, ermunterte sie Chrissie wieder. Sie hatte sich den Rest des Fluges über in Schweigen gehüllt, sie hatte noch immer keine Idee, wie sie Nina beibringen sollte, dass es kein Hotel gab und sie sich jetzt erst durch die Stadt kämpfen müssten, um noch irgendwo was Freies zu finden. „Wir hoffen, sie hatten einen angenehmen Flug!“, verabschiedete sich draußen das Fugpersonal von den Passagieren. Übermütig stürmten die beiden Mädchen von den Gates zu ihren Reisetaschen, luden sich Diese auf und verließen aufgekratzt die überfüllte Halle. Wo sie auch hinsahen waren dunkelhaarige Japaner, von denen mindestens 70% kleiner als sie waren. Sie vielen also richtig auf. Gerade Chrissie mit ihren rotblonden Haaren und den blauen Augen. Nina vielleicht höchstens durch ihre Größe und denen zur Hälfte ausgewachsenen Haaren. Vielleicht wurden die beiden aber auch wegen ihrer Kleidung genau gemustert. Sie sahen nicht eine Frau, die wie sie, in Jeans durch die Halle streifte. „Anou… Chrissie, wie kommen wir jetzt hier weg?“ „Öhm, gute Frage, nächste Frage…“, antwortete sie mit einem Stimmungsschwanken im Satz. Verloren standen sie mit ihren großen Taschen vor den Toren des Flughafens und sahen neidisch den Leuten zu, die von ihren Liebsten abgeholt wurden. „Ich hab keinen Plan, wie wir hier an ein Taxi kommen.“ Chrissie hüstelte wieder künstlich, immerhin musste sie Nina ja noch eine unangenehme Überraschung offenbaren. „Nina?“, begann sie schüchtern. „Ja?“ „Hello girls!“, ertönte hinter ihnen eine schräge Männerstimme, überrascht drehten sich die Mädchen um. Sie erstarrten, da waren die beiden Männer aus dem Flugzeug wieder. Sie waren nur ganz knapp größer als sie selbst und entsprachen genau dem Gegenteil eines jeden Schönheitsideals. „Hello…“, würgte Nina abgeneigt hervor. „Are you from Amerika?“, fragte der größere Kerl mit der Sonnenbrille. „No, from Germany.“, antwortete Chrissie. Die Kerle warfen sich überraschte Blicke zu, doch dann grinsten sie mit einem eindeutigen Funkeln in den Augen. Sie hatten natürlich nicht die geringste Ahnung, dass die beiden Mädchen durchaus auch imstande waren, Japanisch zu sprechen. „Well, we would like to bring you in your hotel.“ Langsam fingen Chrissie und Nina an zu schwitzen, was sollten sie in so einer Situation machen? Die anderen Leute warfen ihnen schon seltsame Blicke zu. „Nina, lass uns abhauen.“, flüsterte Chrissie nervös. „What?“, fragte der Kleinere skeptisch. „Nothing! She is a little bit nervous, maybe… AUTSCH!“ Chrissie hatte Nina ihren Ellenbogen in die Seite gerammt und zottelte sie ein Stück weiter weg. „Was soll das?! Bist du noch ganz dicht?“, schimpfte sie leise. „Menno! Sei nicht immer so grob! Vielleicht lassen wir uns einfach mal ein Stück weit mitnehmen.“ „Spinnst du?! Hast du nicht selber gesagt, dass dir die Beiden nicht geheuer sind?“ „Pst! Nicht so laut!“, ermahnte sie Nina. Sie sah sich kurz nach den beiden Männern um, die ihnen scheinheilig winkten. „Wir wimmeln sie in der Stadt einfach ab.“ Chrissie verschränkte die Arme und setzte ihren sturen Gesichtsausdruck auf. „Ich habe auch ein verdammt ungutes Gefühl dabei, aber wenn die uns an die Wäsche wollen, können die was erleben! Hast du dir diese Hämpflinge mal angesehen? Kaum größer als wir, dürr und nur minimale Ansätze von Muskulatur, die haben noch nie Bekanntschaft mit meinen Waden geschlossen!“ Chrissie schmunzelte. „Na was soll’s…“, gab sie sich geschlagen. „Fein!“, freute sich ihr Gegenüber. Selbstbewusst schritten sie wieder zu ihren vermeintlichen Fahrern hinüber. Der eine schob seine Brille etwas weiter nach vorn, um mit Nina festen Augenkontakt zu schließen. „Are you ready?“ „Yes, let’s go.“ Chrissie schüttelte im Geheimen schmunzelnd den Kopf. „Du und Englisch.“, ließ sie mit spielerischem Unterton verlauten. „Also bisher hat es doch ganz gut funktioniert, oder siehst du das anders?“ „Warts ab, spätestens wenn sich die Konversation zuspitzt hinkst du wieder hinterher.“ „Genau dafür hab ich ja dich, außerdem haben wir doch Japanisch gelernt, das mir in Englisch die Vokabeln fehlen, ist nicht meine Schuld.“ „War auch nur zur Hälfte ernst gemeint.“ Inzwischen hatte man sie zum Auto der Beiden geleitet. Höfflich baten die Mädchen darum, ihre Taschen auf ihrem Schoß behalten zu können, auch wenn in dem Kofferraum noch soviel Platz war. Anscheinend konnten die beiden Männer ihren Begleiterinnen diese Bitte nicht abschlagen, allerdings wurde es ihnen verwehrt, dass sie sich nebeneinander auf den Rücksitzen platzierten. So landete Nina vorne neben dem Sonnenbrillenträger und Chrissie hinter ihr neben dem kleineren Typen. „Chrissie, wo ist das Hotel?“ Ihre Freundin zuckte bei dieser Frage zusammen. „Also…“ Schon drückte der Fahrer aufs Gaspedal und reihte sich in den relativ flüssigen Verkehrsstrom ein. Nina und Chrissie schlug das Herz bis zum Hals, die Tatsache, dass man sich nicht nach ihrem Ziel erkundigte, verstärkte ihren Verdacht, dass sie gerade dabei waren verschleppt zu werden. >>Na das fängt ja gut an!<<, dachte Chrissie bei sich. Etwa eine halbe Stunde lang fuhren sie durch die noch schwach beleuchteten Straßen Kyoto’s, schweigend, nicht mal das Autoradio lief. Die beiden Mädchen hatten eine solche Angst, dass sie überhaupt keinen Blick auf die Plakate oder Gebäude warfen. Doch dann zündete sich der Fahrer eine Zigarette an, argwöhnisch begutachtete Nina den qualmenden Glimmstängel. „Ähm, sorry, but I don’t like the smoke. Can I open the window, please?” Der Kerl nickte nur, das Lächeln war längst aus den Gesichtern der beiden Kumpels gewichen. Nina zwinkerte Chrissie im Seitenspiegel beruhigend zu und öffnete das Fenster bis zum Anschlag. Erst jetzt realisierten sie beide ein wenig von dem, was draußen so geschah. Chrissie las von ihrem Handy die Uhrzeit ab, hier war es schon gegen sechs Uhr, daheim gingen sie wahrscheinlich gerade alle schlafen. Nina ließ sich den Wind durch die Haare fahren und überlegte krampfhaft, wie sie sich und ihre Freundin aus dieser pikanten Situation befreien könnte. Langsam hörte sie, wie sich eine Melodie näherte, das Lied wurde immer deutlicher. >>Kommt mir bekannt vor…<< Schließlich wurde sogar der Text wahrnehmbar, Chrissie trat ihr bereits aufgeregt gegen ihren Sitz. >>Hm… Moment… Boku wa kimi no…!<< „VANILLA!!!“, kreischte Nina plötzlich. Ihr aprubbtes Hochfahren und Kreischen brachte ihren Sitznachbarn vollkommen aus dem Konzept. Schlingernd raste er auf den Stehstreifen zu, überfuhr die Bordsteinkante und bremste schließlich unsanft. Nina überlegte nicht lange und riss die Autotür auf, um anschließend dem Griff des Japaners auszuweichen und ihre Freundin aus dem Auto zu ziehen. Da lagen die beiden Männer nun unkoordiniert auf ihren Sitzen und sahen sie perplex an. Die Mädchen setzten sich ein belustigtes Grinsen auf und winkten. „Bye, bye!“ Den Kerlen schien ihr Verhalten allerdings gar nicht zu gefallen, ihre Mienen verfinsterten sich und sie machten Anstalten, sich von ihren Gurten zu befreien. „Schnell!“, trieb Chrissie Nina an und zerrte sie hinter sich her. So schnell sie konnten flüchteten sie durch die sich langsam füllenden Bürgersteige und Straßen. Immer wenn sich dachten, sie wären endlich in Sicherheit, tauchten ihre Verfolger hinter irgendeiner Hausecke wieder auf. „Verdammt! Wenn wir doch nur unsere Taschen nicht hätten!“, fluchte Nina außer Atem. „Spar dir deine Luft! Da! Schnell runter in die U-Bahn!!!“ Der Anblick der vielen Stufen war grausig, da sollte Nina mit ihren hohen Sohlen runterstürmen? Beide übersprangen einfach mehrere Stufen gleichzeitig, nebenbei entschuldigten sie sich bei jedem zweiten Japaner der ihnen entgegen kam. Einer nach dem anderen wurde umgerannt oder zumindest angerempelt. Die letzte Hürde stellten die Bahnsteigsschranken für sie da, die zur Vermeindung von Schwarzfahrern gebaut waren. Mit einem Satz sprangen die verängstigten Mädchen über sie hinweg. Ihre Unerlaubte Tat ging zu ihrem Glück in der Menge unter. Eine U-Bahn fuhr ein, sofort drängten sie beide in den Menschenstrom und setzten alles daran, noch hinein zu kommen. „Sie sind hinter uns!“, schrie Nina ihrer Freundin zu. Mit einem lauten Quietschen schlossen sich endlich die Türen der überfüllten Bahn und ihre Verfolger drückten sich die Nase an den Scheiben platt. „Wir… wir haben’s geschafft!!!“, jubelte die Jüngere mit Tränen in den Augen. „Scheiße! Mann haben wir ein Glück!“, fügte sie noch hinzu und umarmte ihre kleinere Freundin, die nicht weniger erleichtert war. „Tut mir leid, ich wollte uns nicht so tief in Schwierigkeiten bringen.“ „Wir leben noch, sehen wir lieber zu, dass wir an der nächsten Haltestelle wieder rauskommen, immerhin fahren wir gerade schwarz.“ Nina nickte und versuchte sich wieder zu beruhigen, so was war ihnen noch nie passiert. „Mir ist schlecht…“, beklagte sich Chrissie als sie wieder das Tageslicht erblickten. „Glaub ich dir, wie spät haben wir es denn jetzt?“ Chrissie grinste ihre Freundin an. „Wir sind jetzt hier in Japan, wie sagt man das hier?“ Nina grinste zurück. „Ano~… Ima nanji desu ka?“ Chrissie begann zu lachen, Nina hatte das mit einem herrlichen Gesichtsausdruck gefragt, sie setzte jetzt ebenfalls ins Gelächter mit ein. Plötzlich verstummte die Größere wieder und starrte gebannt hinter Chrissie. „Was ist denn?“ Stumm zeigte Nina auf ein riesiges Plakat an dem Gebäude hinter ihr. Es war ein Werbeplakat, ganz eindeutig, wieder hörten sie Vanilla. „Vanilla, Gackt… GACKT!“ „Ein Werbeplakat von seiner neusten Tour!“, stellte Chrissie freudig fest. Beide rätselten einen Moment, was noch mal die Zeichen auf dem Plakat für eine Bedeutung hatten. „Heute hat er wieder einen Gig!“ „Wo? Wo Chrissie, WO?“, fragte Nina ungeduldig. Beide lasen weiter, ihre Augen fielen ihnen beinahe aus den Köpfen, aber zuerst gesellten sich ihre Unterkiefer zu ihren Knien. „HIER!!!“, brüllten sie beide ungehalten. Verlegen lächelten sie den Passanten zu, die sie schon mit hochgezogenen Augenbrauen musterten. „Lass uns woanders weiterreden.“, schlug Chrissie vor. Nina nickte zustimmend, schnappte ihre Tasche und ging voraus. „Ich verhungere eh gleich…“ Bestätigend knurrte ihr Magen die Umgebung von drei Metern zusammen, Chrissie grinste breit. „Nein, ich sag jetzt nichts dazu.“ Geschlagene drei Stunden verbrachten sie in einem recht einfachen Café am anderen Ende der Straße, allerdings deckten sie sich in dieser Zeit großzügig mit sämtlichen japanischen Speisen ein, die sie sich leisten konnten, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu bekommen. Während sie aßen unterhielten sie sich aufgeregt über den Tour Gig von Gackt, der noch am Abend in einer großen Halle hier in der Nähe stattfinden sollte. „Das Hotel ist nicht zufällig hier in der Nähe?“, fragte Nina nachdem sie auch endlich mit ihrem Dessert fertig geworden war und sich genüsslich streckte. „Ähm, nicht wirklich…“, brabbelte Chrissie in ihr Colaglas hinein. >>Vielleicht sollte ich langsam mal die Worte finden, ihr die freudige Nachricht zu beichten.<< „Und? Wann machen wir uns auf um Karten zu kriegen?“ Chrissie warf einen Blick auf ihr Handy. „Wir haben es gerade kurz vor zehn, am besten demnächst. Ich habe keinen Plan, wie hoch die Rate der bereits verkauften Karten ist, vielleicht kriegen wir gar keine mehr.“ „Beschwöre es mal noch herauf! Ich krieg einen Schreikrampf, wenn dieser Fall eintrifft!“, jammerte sie vorwurfsvoll. „Den bekommst du doch so oder so.“, meinte sie ungerührt. Beide rafften sich auf, zahlten und verließen anschließend das Café wieder. „Hattest du nicht den Stadtplan eingesteckt Nina?“ „Nicht das ich wüsste, aber ich kann dir einen Reiseführer anbieten.“ Sie stoppte um ihre große Tasche zu öffnen, zu ihrem Vorteil hatte sie das handliche Heft zuoberst eingepackt. Ihre ältere Freundin ließ sich nicht lange bitten und forschte sogleich in ihm nach. Plötzlich schlug sie sich ihre Hand vor die Augen. „Was denn? Sag nicht, das wir am ganz falschen Ende der Stadt sind!“ Nina rutschte schon wieder das Herz in die Hose, das war in diesem Moment das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte. Doch Chrissie schüttelte aufgeregt den Kopf. „Quatsch! Dreh dich doch mal um, da! Unter dem riesigen Plakat!“ Nina neigte ihren Kopf in diese Richtung, verstand aber nicht ganz, was ihre Freundin ihr damit sagen wollte. „Geiles Pic, würde ich gerne mit nach Hause nehmen, aber ich bezweifle, dass du das damit gemeint hast.“ Chrissie seufzte entnervt. „Nein, ich meinte etwas weiter unten.“ Ihr Ton war schon ein wenig gereizt, also spurte Nina und tat so, als würde sie mit großem Interesse die unter dem Plakat liegenden Läden begutachten. Da sprang ihr auf einmal eine Schlange von etwa zwanzig Mann ins Auge. „Sag bloß, die Kasse ist der kleine Stand da drüben!“, sagte sie verblüfft. „Das und gleichzeitig ist hinter diesem riesigen Plakat auch die Halle versteckt.“ Nina verschlug es im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache, überall hätte sie die Halle vermutet, aber doch nicht hier, an diesem unscheinbaren Ort! „Das ist mal wieder typisch Gackt!“ „Nein Nina, das bist typisch du, Gackt sucht sich immer kleinere Hallen aus. Du hast einfach mal wieder kein Gedächtnis.“, widersprach sie sarkastisch klingend. „Oder keinen Orientierungssinn.“, fügte Nina verlegen grinsend hinzu. Beide lachten kurz auf und flitzten dann geradeaus zur Schlange, um sich ebenfalls anzustellen. In ihren Mägen machte sich ein unbekanntes Gefühl breit, außerdem fühlte es sich so an, als könnten sie jeden Moment vor Freude und Anspannung weinen. „Ich kann es noch gar nicht glauben…“, murmelte Nina als sie ihre eigene Karte in den Händen hielt. Wie apathisch starrte sie auf das kleine Stück Papier in ihren Händen, welches sie nebenbei kurzer Hand etwa 7000 Yen gekostet hatte. „Ich brauche dringend Knuddeleinheiten und zwar auf der Stelle.“ „Ooh, du bist doch nicht etwa aufgeregt?“, zog sie Chrissie auf, während sie ihre Arme um die größere Freundin schlang und ihr beruhigend über den Rücken streichelte. „Überhaupt nicht, wie kommst du nur darauf?“, stammelte Nina ironisch klingend in ihre rotblonden Haare hinein. „Suchen wir vorher unser Hotel auf? Ich habe keine Lust, die Taschen mitzunehmen.“ Schon ließ Chrissie wieder von Nina ab und wich ihren Blicken aus. „Sag mal, stimmt irgendwas nicht? Jedes Mal, wenn ich dich auf unser Hotel anspreche wirst du plötzlich ganz still und stammelst vor dich hin.“ „Ach was, das bildest du dir ein!“ Nina zog eine Augenbraue hoch und verschränkte ihre Arme. „Ist es Absicht, dass du dich so ironisch anhörst?“ „Lass uns unsere Taschen in Schließfächern verschanzen gehen, eh wir im Hotel sind, uns fertig gemacht haben und dann wieder hier sind, hat das Konzert schon längst angefangen.“ „Hey! Versuchst du mir auszuweichen?“ Chrissie hakte sich bei ihr ein und suchte die nächste Gelegenheit auf, wo sie ihre Taschen abgeben konnten. Nina hakte nicht weiter nach, es war eigentlich unmöglich, dass ihrer eigentlich immer gewissenhaften Freundin ein Fehler unterlief, sie vertraute ihr da einfach blind. Die folgenden Stunden taten sich schwer zu vergehen, immer wenn den Beiden der Gesprächsstoff ausging, zeichnete Nina oder tüftelte in ihrem roten Schmierheft an einer Fanfiction weiter. Chrissie vertrieb sich die Zeit entweder ebenfalls damit an einer Fanfiction zu schreiben, oder spielte Game Boy. Sie hatten sich an die Stufen zur U-Bahn hin platziert und brutzelten in der Sonne nun so vor sich hin. „Ich hätte es wissen müssen, warum habe ich meine Sonnenbrille nicht aus der Tasche genommen? Kannst du mir das mal bitte erklären?“ „Keine Ahnung, hast wahrscheinlich nicht dran gedacht. Sei lieber froh, dass du eine Bluse anhast, ein Sonnenbrand wäre, glaube ich, wesentlich unangenehmer für dich.“ Chrissie warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, doch Nina war so in ihre Zeichnung vertieft, dass ihr das gar nicht auffiel. „Pass auf das du keinen bekommst, zumindest dein Nacken und deine Schultern sind in akuter Gefahr.“ „Ach was, ich verbrenne nicht so schnell. Ich werde meistens erst ein wenig rot und dann schließlich braun. Ist zwar auch nicht unbedingt das, was ich so toll finde, aber was soll’s.“ Chrissie nickte desinteressiert und widmete sich wieder ihrem Spiel. Erst als nach einigen Stunden ihre Batterien den Geist aufgaben, schaute sie wieder auf und prüfte die Uhrzeit. „Nina! Es ist schon 18 Uhr 45! Pack deine Handtasche zusammen und beeil dich, die stehen da alle schon, anscheinend ist gerade Einlass.“ Nina’s weiße Handtasche war schnell eingepackt, außer ihrem Skizzenblock, ihrem Portmornaie mit dem Ausweis und der EC-Karte und ihrem Handy, hatte sie ja nicht mehr dabei. Sie sprangen von einem Bein aufs andere als sie inmitten der Schlange standen und warteten. Rund 80% der anderen waren Japanerinnen, die ihnen argwöhnische Blicke zuwarfen, aber auch einige Männer waren dabei, wenn auch Teilweise wahrscheinlich nur als Begleiter ihrer Freundin. Dem Duo blieb nicht verborgen, dass sie mal wieder im Mittelpunkt standen. „So wie die gucken, komme ich mir wie ein Staatsfeind vor, warum musst du auch so auffällige Haare und Augen haben?“ „Du bist doch auch nicht viel besser, allein dein Größe spricht für sich!“, konterte Chrissie. „Und ich hielt mich in Deutschland immer für etwas klein geraten.“ „Falls du es nicht bemerkt haben solltest, wir sind hier nicht in Deutschland. Alles was hier weiblich ist und die 160cm Grenze überschreitet, ist hier ein Sonderfall.“ „Mou, ich wusste ja schon immer, dass ich nicht normal bin.“ Sie grinste und Chrissie grinste zurück. Endlich war es soweit und sie wurden in die Halle hineingelassen. Ohne Rücksicht auf Verluste drängten die beiden Mädchen Händchen haltend nach vorne in die ersten Reihen. Es erschien ihnen wie ein Wunder, als sie sich in der Mitte der ersten Reihe platziert fanden. „Kneif mich mal Chrissie, ich krieg hier gleich einen mittelschweren Herzkasper!“, quietschte Nina mit Schweißperlen auf der Stirn. „Aua!“ „Du hast mich aufgefordert.“, meinte Chrissie grinsend. Sie konnten die neidischen Blicke ihrer Hintermänner förmlich durch ihre Brust bohren spüren. Die Bühne war ihnen so nah, sie war höchstens zwei Meter von ihnen entfernt. Das Schlagzeug stand in der Mitte aufgebaut, umgeben von einzigartigen Bühnenbildern. An der Decke waren haufenweise Lichtspots angebracht, alles in Einem schien das wie gewohnt, eine einzigartige Show zu werden und sie waren zum ersten Mal in ihrem Leben hautnah dabei! „Ein hoch auf die Kontaktlinsen!“, freute sich Nina. Schlagartig wurde es stockfinster und alle begannen zu grölen, die Luft war heiß von der riesigen Spannung. Immer wieder schrieen die Leute seinen Namen. Dominierend kreischten die Frauen nach ihm. „GACKT-SAN!!!“ Chrissie und Nina konnten nicht anders und stimmten mit ein. Die Spots schalteten sich ein und Rauchschwaden vernebelten ihre Sicht, es wurde leiser. Ein Schrei durchbrach die andächtige Stille mit einem Schlag, alles schrie. Wieder forderte seine Stimme nach mehr, sie alle schrieen lauter als zuvor. Dasselbe Spiel wiederholte sich noch einige Male, voller Anspannung fieberten die Mädchen seinem Erscheinen entgegen. Musik setzte ein und das Licht ging an, ein Schwall von unbändiger Begeisterung flutete die Halle, das Konzert begann. Es war unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, so laut sie nur konnten sangen Nina und Chrissie jedes Lied mit, dessen Text sie auch nur ansatzweise mächtig waren, sprich also alle. Wie erwartet wurde zur Halbzeit Mirror gespielt, in dessen Pause Gackt von der Bühne sprang und an seinen Fans vorüber zog. Das war der Augenblick, wo beide regungslos an ihren Plätzen verharrten. >>Er kommt her, er kommt tatsächlich auf uns zu!!!<<, jagte es Nina durch den Kopf. Gackt lächelte geschafft als er näher rückte, so wirklich schien er sich nicht auf seine Fans zu konzentrieren. Das war ihm allerdings keineswegs zu verübeln, die atemberaubende Performance, die er bisher geliefert hatte, konnte ihm einfach nur wahnsinnige Kräfte gekostet haben. Mit einer Handbewegung fuhr er sich durch seine dunkelbraunen Haare, sein Atem hallte in seinem Mikro wieder, so dass es Chrissie und Nina eiskalt über den Rücken lief. „Nina! Nina er kommt!“, kreischte ihr ihre Freundin ins Ohr um die anderen zu übertönen. Sie fassten sich fest an den Händen und ließen einender nicht los, die nächsten Sekunden spielten sich vor ihnen wie in Zeitlupe ab, sämtliche Geräusche blendeten sie einfach aus. In aufrechter Haltung und mit einem natürlichen Lächeln auf dem Gesicht, trat er schließlich vor sie. Nein! Er konnte doch unmöglich vorhaben, genau vor ihrer Nase weiter zu singen, oder etwa doch?! Beide hatten mit ihren Hintermännern zu kämpfen, alle versuchten an ihnen vorbei zu greifen und an Gackt zu kommen, etliche Bodyguards stemmten sich gegen das Geländer um den Gegendruck aufrecht zu erhalten. Langsam ging den Freundinnen die Luft aus, es war eine regelrechte Tortur! Doch auf die Idee, selber nach Gackt zu greifen, kamen sie nicht, irgendwie würden sie sich albern dabei vorkommen. Es war doch nichts Besonderes, sich der Masse anzuschließen, immerhin waren sie Individuen, sie vergötterten Gackt auf ihre Weise. Seine Stimme erhob sich und er begann Mirror weiter zu singen. Just in diesem Moment blickte er zu ihnen hinab. Ihnen blieb das Herz für einen Schlag lang stehen, doch noch bevor sie es richtig realisiert hatten, wendete er sich auch schon wieder ab und ließ sich zurück auf die Bühne helfen. Der Rest des Konzertes entschädigte sie für ihre erlittene Atemnot mehr als genug, mit Tränen in den Augen sahen sie ihm nach als er nach seinem letzten Song von der Bühne verschwand. Der Blick, den er ihnen aber während Mirror geschenkt hatte, war fest in ihren Köpfen eingebrannt. Langsam leerte sich die Halle wieder, wie hypnotisiert verharrten sie beide jedoch noch immer an ihren Standort. „Es… es war einfach genial… So fantastisch…“, murmelte die Dunkelhaarige unter ihnen. „Unbeschreiblich…“, war das Kommentar, was Chrissie dazugeben konnte. Da fiel ihr Nina um den Hals und schluchzte leise, Chrissie fragte nicht weiter nach und streichelte ihren Rücken. Wem war denn in dieser Situation nicht zum Heulen? Da trifft man zum ersten Mal in seinem Leben den Menschen, der einen ganz besonderen Wert für einen hat und dann verschwindet er einfach wieder und zurück bleibt nur die Erinnerung. „Leave the hall right now, please!“, forderte eine tiefe Stimme hinter ihnen in einem unfreundlichen Tonfall. Überrascht drehten sie sich langsam um. Da stand ein gewaltiger Mann vor ihnen, schwarz gekleidet, mit Sonnenbrille und mindestens so groß wie ein Schrank. Ihnen war gar nicht aufgefallen, dass sie die Letzten in der Halle waren, wie lange hatten sie denn noch hier gestanden? Fünf Minuten? Zehn Minuten, oder vielleicht sogar Fünfzehn? „Ähm, I’m sorry.“, versuchte sich Nina zu entschuldigen. Chrissie ahnte, dass dies der Moment war, wo sie Nina wohl aufklären musste. Der große Kerl packte Nina grob am Arm, so dass sie aufstöhnte. „Ouch! That hurt’s!“, beschwerte sie sich. „Please let her go!“, bettelte Chrissie mit einem sachlichen Blick. Doch der stämmige Typ ignorierte ihre Bitte und packte schließlich auch sie. „SAG MAL BIST DU TAUB?! DU TUST UNS WEH!“, keifte Nina ihn aus vollem Leibe an, dass es noch lange in seinen Ohren hallen würde. „You are only little brat’s! Go home!“, schrie der Mann zurück, wenn auch bei Weitem nicht so laut wie Nina. „Then let us go alone! We aren’t to week to walk the way out of this hall!“, beschwerte sich nun auch Chrissie eindringlich. „Mann! Wie ich solche Typen hasse! Der kapiert es anscheinend einfach nicht!“ „Don’t speek in a another language!“ Grob zottelte er an ihren Armen, so dass ihnen langsam bange wurde. War es denn normal, dass man so mit treuen Anhängern seines Vorgesetzten umging? Auf einmal hörten sie Schritte hinter sich. „Koko ni nan da yo?“, fragte eine angenehm tiefe Stimme. STILLE Mit einer ruckartigen Bewegung fuhren ihre Köpfe herum, sie trauten ihren Augen nicht. „Ga- Gackt?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)