Ten forgotten Years von abgemeldet (Fortsetzung von "Ich Severus Snape" - 9 Kapitel Noch nicht abgeschlossen - hoffe es geht irgendwann man weiter - trotzdem lesenswert - denk ich mal!) ================================================================================ Kapitel 8: Another lonely Year ------------------------------ Kapitel 8 1986 – Another lonely Year 8 . Januar 1986 Der Unterricht hat wieder begonnen. Natürlich habe ich den Jahreswechsel allein verbracht, so wie ich es beabsichtigt hatte – unten in meinen Ver-liesen. Doch ich hätte ihn auch am Astroturm verbrin-gen können, ohne den Alten dort zu stören, er war näm-lich bei Freunden in Edinborough. Wie auch immer, ich hatte auch in meinen Verliesen so schlechte Laune, dass ich damit Bixby vergrault habe. Er hat das Handtuch geworfen und der Reigen der stetig wechselnden Hausel-fen, die für mich zuständig sind, hat von Neuen begon-nen – ich bin bereits wieder bei Nummer drei. Momentan kann ich mich noch nicht mal selbst leiden, da aber die Kids nun wieder in der Schule sind, bekom-men sie das voll ab, was einerseits zwar ein nettes Ventil ist (wenigstens am Anfang), mich aber hinterher dazu bringt, mich schrecklich über mein Verhalten zu schä-men und das recht ausführlich – leider hindert mich die-ses üble Gefühl nicht im Geringsten daran, meine Schü-ler schon am nächsten Tag wieder hämisch anzuschnar-ren und sie fertig zu machen. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich gespannt, wie lange Albus mir das noch durchgehen lassen wird. Minerva redet auf jeden Fall nicht mehr mit mir, nachdem ich sie angefaucht habe, dass ich auch weiterhin so viele Punk-te abziehen werde, wie ich es für richtig halte. Eigentlich schade, denn ihn Wahrheit achte und schätze ich gerade diese Frau sehr hoch. Sie hat einfach was von einer alten Löwin, die ihre Jungen beschützt und das finde ich echt gut – mich hat nie wer beschützt... Ich weis gar nicht, warum ich eigentlich so schlecht drauf bin. Keiner hat mir neuerdings was angetan oder mich gar ernsthaft beleidigt: Ich hab ja nach dieser ach so wundervollen Weihnachtsfeier den ganzen Rest der Ferien noch nicht mal wen gesehen (menschlicher Na-tur), wer hätte mir also was antun sollen? Trotzdem bin ich unruhig und gereizt und einfach absolut unfähig, mich zusammen zu nehmen, wenn mich jemand auch nur anspricht. In jedem Wort und sei es nur ein „Guten Morgen“ sehe ich gleich eine zweideutige Anspielung oder gar eine versteckte Anfeindung – auch wenn mir hinterher nur zu schnell klar wird, dass es sicher nichts dergleichen war, doch dann habe ich die Kollegen be-reits beleidigt und vergrault – dass ich für eine Ent-schuldigung zu stolz bin (ich will nicht kriechen), macht es auch nicht besser. Ich ertrage die Schüler nicht, die Kollegen nicht, die Hauselfen nicht und schon gar nicht mich selbst. Doch leider bin ich mit meiner Gesellschaft geschlagen und das lässt sich auch nicht ändern, außer vielleicht, wenn ich mich selbst obliviere. Wobei ich bezweifle, dass man diesen Spruch auf sich selbst anwenden kann – und auch wenn es doch funktionieren sollte und ich alles vergesse, so wäre ich doch immer noch dieser jämmerli-che Mistkerl, der ich nun mal bin – daran kann wohl der beste Spruch nichts ändern... Ich sitze mal wieder über einem ganzen Stapel Aufsätze (die ich den Kids überreichlich aufgebrummt hatte) und der Bockmist, den ‚die lieben Kleinen’ da verzapfen, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Ich versprühe jede Menge Häme mit roter Tinte über die Pergamente und verteile schlechte Noten, dass es eine wahre Pracht ist – doch auch das bessert meine Laune kein bisschen. Wie kann man nur so närrisch und tölpelhaft sein, die hohe Kunst des Trankbrauens nicht ernst zu nehmen? Ich hasse Stümper jeder Couleur und besonders auf mei-nem Fachgebiet, denn es ist nicht nur zum aus der Haut fahren, es ist auch gefährlich – sie werden sich noch alle vergiften oder gleich in die Luft jagen und mit sich das halbe Schloss oder wenigstens meine Kerker... Gut, es gibt auch ein paar Ausnahmen und einige weni-ge sind gar nicht so schlecht, aber selbst bei denen ver-misse ich das gewisse Etwas – die Brillanz. Severus, Severus – nicht jeder kann so genial sein, wie du, mischt sich meine innere Stimme ein (Verdammt, warum hilft bei der blos kein Silencio?) ‚Weis ich’, erwidere ich ihr. ‚Wer spricht denn von je-dem? Das erwarte ich nun wirklich nicht – ich bin rea-listisch – aber so gar keiner?’ Darauf hat noch nicht mal sie eine Antwort und schweigt – das dürfte ein kleiner Rekord sein. So bringt man sie also zum Schweigen! Es ist Abend und ich war den ganzen Tag (ehrlich gesagt alle Tage, da nun wieder Unterricht ist) nicht in den o-beren Gefilden des Schlosses. Was wohl auch bedeutet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Alte hier un-ten auftaucht und mich fragt, was eigentlich mit mir los ist – ich wünschte, ich hätte eine Antwort für ihn, aber ich habe noch nicht mal für mich selbst eine. Wollte er mich nicht mindestens einmal am Tag sehen? Wollte er! Aber ich will sicher meine Stinklaune nicht an ihm auslassen, an jedem anderen ja, aber gewiss nicht an ihm. Ich mag ihn und er vertraut mir und mag mich und ich weis das wirklich zu schätzen, denn das tut sonst keiner. Nicht so gern mag ich allerdings die lästige Fürsorge, die er mir manchmal angedeihen lässt. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand sich Sorgen um mich macht oder mich gar betüttelt – ich komme schon alleine klar – kam ich ja schon mein ganzes Leben – mehr oder weniger gut – eher weniger, wenn ich ehrlich bin – aber egal – ich brauche auf jeden Fall keinen, der mir anschafft, was ich tun soll – wenigstens nicht, wenn es um persönliche Dinge geht... ...und der Alte tut genau das und wenn er das tut, kom-me ich mir wie ein sehr kleiner Junge auf Abwegen vor, den sein weiser Großvater auf den richtigen Weg zurück-führen muss. Keiner hat mir wirklich je gesagt, wo es lang geht als ich noch ein Junge war, deswegen bin ich ja auch auf die schiefe Bahn geraten (wie die Muggel so außerordentlich zutreffend sagen), aber ich bin auch ohne fremde Hilfe wieder auf den richtigen Weg zurück-gekommen (wenigstens so ungefähr – ein ‚normaler’ Mensch werde ich wohl nie sein) und jetzt, mit bald dreißig Jahren, brauche ich sicher keinen mehr für was auch immer. Wer auch immer sowas noch versuchen will, kommt damit um viele Jahre zu spät, auch der Alte, selbst wenn ich weis, dass er es wirklich nur gut mit mir meint. Ich vertraue ihm vollkommen, aber so manch einer hat schon behauptet, es gut mit mir zu meinen und hat mich nur noch weiter in den Abgrund hinunter geschoben. Nicht, dass der Alte jemals sowas tun würde, dazu ist er einfach zu weiß. Doch es könnte sein, dass ich einfach davonlaufe, wenn es mir zu viel wird – fliehe – und sei es geradewegs in mein eigenes Verderben hinein – wäre ja auch nichts Neues. Ja, man könnte durchaus sagen, dass ich mich um mich selbst kümmern kann, aber ob das, was ich dabei tue wirklich immer so gut für mich ist? – Ach Shit! Ich seufze schwer und packe die Aufsätze weg – kommt heute ohnehin nur sarkastischer Bockmist raus und den haben wirklich nicht alle verdient. Ein weiterer schwerer Seufzer entringt sich mir und ich mache mich daran, mir einen Tee zu kochen – der muss für heute mal wieder reichen, denn einen Hauselfen ertrage ich jetzt echt nicht. Klar, ich könnte mir auch selbst was zum Essen kochen und das sogar wirklich gut (wer problemlos schwierige Tränke brauen kann, hat mit einem einfa-chen Kochrezept wohl kaum Schwierigkeiten), aber ich habe keine Lebensmittel hier und auch nicht die gerings-te Lust welche zu besorgen (die meisten davon würden bei meinem mangelnden Appetit ohnehin nur verder-ben). Ich bin ziemlich dünn, aber das spielt nicht wirklich eine Rolle, denn das war ich ja schon immer. Es sieht zwar hässlich aus, wenn man die eigenen Rippen wie die Tas-ten auf einem Klavier zählen kann und die Adern wie bläuliche oder violette Würmer unter der Haut pulsie-ren, aber ich muss ja wohl auch keinem gefallen – noch nicht mal mir selbst, was das betrifft. Jedenfalls war ich noch nie attraktiv, anziehend oder gar gut aussehend – was sollte sich daran ändern, selbst wenn ich mehr es-sen würde oder so? Andererseits will ich ja auch gar nicht irgendwie anziehend sein, denn es könnte Auf-merksamkeit erregen und jemand könnte sich veranlasst fühlen, mir in der einen oder anderen Art näher kom-men zu wollen und das muss ich mit aller Macht verhin-dern. Ich kann es nicht brauchen, dass mir jemand zu nahe kommt – schon gar nicht emotional – denn dann werde ich nur wieder verletzt – ich weis es einfach, was auch immer der Alte dazu sagen mag. Wer liebt, leidet. Genau! Und darum will ich auch nie wieder lieben! Es klopft und reißt mich aus meinen wild-wütenden Ge-danken – vielleicht besser so... „Severus?“ ertönt diese Stimme jener Person, die ich schon seit einiger Zeit erwarte, von der ich aber gehofft hatte, dass sie auch noch eine ganze Zeit auf sich war-ten lassen wird – wie üblich vergeblich – aber ich hatte ja noch nie Glück... „Ja“, brumme ich und wie erwartet nimmt die Stimme das als Einladung und wie ebenfalls erwartet, hat sie ihren Besitzer dabei und so kommt Albus in mein Büro. Er winkt sich seinen üblichen Sessel herbei und lässt sich darin ziemlich majestätisch nieder. Ich biete ihm mit einer Geste Tee an und er lässt sich eine Tasse von mir in die Hand drücken, schenke mir selbst einen ein – alles ohne ein Wort zu sagen – keiner von uns spricht. Oh-oh, Severus, ich glaube, das ist ein gewaltiger Anschiss fällig, wenn er so ruhig ist. Vorerst schweigt er nämlich auch weiterhin und macht mich damit nervös. Erneut komme ich mir wie ein unge-zogener kleiner Junge vor, der mal wieder was ausge-fressen hat und nun auf seine Strafe wartet – ich hasse dieses Gefühl. Ich rutsche unruhig in meinem Sessel her-um und ich weis, dass der Alte es nur zu genau sehen kann – Verdammt, Severus, reiß dich zusammen! Seine freundlichen blauen Augen ruhen unverwandt und prüfend auf mir und ich werde immer nervöser, winde mich innerlich regelrecht. Mit einem Mal wird mir klar, was für eine mächtige Waffe es sein kann, einfach nur zu schweigen. Ich will losplappern, etwas sagen, einfach nur diese schier unerträgliche Stille zu brechen, doch gleichzeitig weis ich, dass er es genau darauf anlegt, dass ich mehr ausplaudere, als ich es je wollte und so nehme ich mich so sehr zusammen, wie ich nur kann und schweige ebenfalls, beobachte ihn so, wie er mich beobachtet. Der Alte ist sicher nicht mein Feind – im Gegenteil – er steht auf meiner Seite, hat mir schon oft geholfen und mich vor gewissen sehr üblen Dingen bewahrt. Doch das hier ist wie ein vertracktes Spiel und ich will es nicht verlieren und ich werde es verlieren, wenn ich als erster rede ... oder...? „Severus, mein Junge, was ist mit dir?“ beginnt er den-noch zu sprechen und ich weis, ich habe verloren, auch wenn ich eben noch dachte, gewinnen zu können, so hatte ich doch schon verloren, als er herein kam. „Fehlt dir etwas? Bist du krank?“ will er weiter wissen. Wieder dieses verdammte Bemuttern, wieder diese ver-flixte Sorge um mich. Das soll er nicht – ich will das nicht – ich bin das nicht wert! Ja, genau das ist der wahre Grund, warum ich sowas nicht leiden kann – ich bin es einfach nicht wert! „Nein, ich bin nicht krank und mir fehlt auch nichts“, murmle ich, denn sein durchdringender Blick verlangt eine Antwort. „Etwas stimmt doch nicht mit dir“, fährt er fort. „Du hast eine Laune wie ein Drache mit Zahnschmerzen, du sprichst kaum und wenn du redest, schnarrst du alle und jeden nur an. Du erscheinst nicht bei den Mahlzei-ten und ich weis von den Elfen, dass du dir auch so gut wie nichts hier runter bringen lässt. Du lässt dich gar nicht mehr blicken und jetzt sehe ich, dass du ganz blass uns dünn geworden bist. Severus, ich respektiere deine Privatsphäre – immer und unbedingt – aber denkst du nicht, dass es etwas übertreiben ist, was du da be-treibst?“ Ich schlucke schwer und versuche eine unverbindliche Antwort zu formulieren, aber mir fällt auf die Schnelle nichts anderes als die Wahrheit ein – wenigstens eine Version davon. „Ich will keinen mit meiner miesen Laune auf den We-cker fallen“, flüstere ich daher sehr leise und hoffe fast, dass er es nicht hören kann. Aber entweder kann der Alte wesentlich besser hören, als ich es mir auch nur vorstellen konnte oder er ist in der Lage von den Lippen zu lesen. „Warum hast du denn so schlechte Laune?“ will er im-mer noch freundlich lächelnd wissen. „Keine Ahnung“, erwidere ich achselzuckend und wahr-heitsgemäß, immer noch sehr leise. „Warum gehst du nicht einfach mal ein bisschen aus?“ fragt er weiter. „Einen Trinken, andere Leute treffen, mal was anderes sehen?“ Wieder zucke ich die Schultern und raffe mich zu einer Erklärung auf, die er mir vielleicht abnimmt. „Ich mag keinen Alkohol, an Leuten liegt mir nichts und was sollte ich mir denn schon ansehen wollen?“ „Ah ja“, meint er gleichzeitig verschmitzt und ein wenig traurig. „Ich erinnere mich – ich rede hier ja mit dem Mann, den noch nicht mal das Pariser Nachtleben ge-reizt hat...“ Er kann verdammt spöttisch sein, aber ich weis, dass er es nicht böse meint – er will mir doch nur helfen, aber ich habe ihn nicht um Hilfe gebeten – warum muss er nur immer versuchen, sich in mein Leben einzumischen? Also brumme ich nur unbestimmt, denn ich will ihn si-cher nicht beleidigen und wer weis, was herauskäme, wenn ich den Mund aufmache... „Was reizt dich denn überhaupt?“ will er weiter wissen. „Tränke, Bücher, Verteidigungskünste“, murmle ich – eigentlich sollte er das ja von mir wissen. „Grundgütiger, Severus, du bist doch noch ein junger Mann“, bricht es aus ihm heraus. „Was ist mit Freunden, Bekannten - Frauen? Himmel, du musst doch auch so deine Bedürfnisse haben...“ Ich werde ziegelrot und kann die Hitze in meinem Ge-sicht bis zu meinem Hals und an meinen Ohren spüren. Da spricht er ein Thema an, dass mir mehr als nur un-angenehm ist – Frauen – das will ich sicher nicht mit ihm diskutieren und schon gar nicht meinen (gewaltsam unterdrückten) Sexualtrieb – ich bin froh, wenn ich da-mit meine Ruhe habe. „Entschuldige“, sagt er sofort, als er meine Reaktion be-merkt. „Ich gebe zu, dass das ein wenig zu persönlich war und ich weis ja, dass es nie jemand für dich gab au-ßer...“ „Bitte nicht“, unterbreche ich ihn mir rauer Stimme, denn ich kann mir nur zu gut vorstellen, was er sagen wollte – außer ihm weis nämlich keiner mehr von meiner heimlichen Liebe zu Lily Evans und ich will noch nicht mal ihren Namen hören – das würde nur alte, aber immer noch nicht ganz verheilte Wunden in mei-nem Inneren wieder aufreißen ... muss nicht sein. Er winkt ab. „Dann nicht“, stimmt er meiner Bitte zu. „Aber trotzdem muss es da doch noch etwas geben, das dir etwas abgibt. Großer Merlin, mein Junge, ich kann doch sehen, dass dich hier alles nur noch unendlich nervt und dir hier unten die Decke auf den Kopf fällt, auch wenn du dich hier unten regelrecht vergräbst – Severus, es tut dir nicht gut, was du da mit dir machst...“ „Ich weis“, formen meine Lippen tonlos und ohne meinen Willen. „Aber...“ „Dann ändere es!“ fordert er mich nachdrücklich auf. „Wie denn?“ bricht es aus mir heraus. „Verdammt, Albus, ich weis nicht wie! Ich bin kein geselliger Mensch – ich will es auch gar nicht sein! Ich will mich nie wieder ver-letzen lassen – ICH WILL NICHT!“ „Dann wirst du einsam sein“, sagt er und seine Stimme klingt wie eine Totenglocke bei einem Begräbnis. Ja, meine grenzenlose Einsamkeit ist es, um die sich in Wahrheit alles dreht – manchmal wird sie auch mir zu viel – doch was gibt es denn schon für Alternativen? „Ich weis“, hauche ich erneut. „Ich bin es bereits – schon mein ganzes Leben lang...“ „Severus“, unterbricht er mich tröstend – doch es gibt keinen echten Trost – nicht für einen wie mich. „Nein Sir“, gebe ich daher in einem Ton zurück, der be-sagt, dass ich dieses Thema beenden will – es ist nun mal so wie es ist und auch er wird das nicht ändern können. „Besser einsam sein, als nur wieder so scheußlich verletzt zu werden.“ „Es muss nicht so sein“, entgegnet er. „Man muss nicht verletzt werden, wenn man Freundschaften schließt.“ „Kann sein ... ich weis es nicht ... bei mir war es jeden-falls immer nur so“, murmle ich und ich glaube leider wirklich was ich da sage. Er seufzt schwer. „Ach mein Junge, ich wünschte...“ „Ich weis, Sir, ich auch, aber es ist nun mal so wie es ist und ich bin nicht wie ‚normale’ Menschen – für mich kann es keine Freunde geben...“ Er wirft mir einen un-säglich traurigen Blick zu und seufzt erneut schwer. „Machen sie sich keine Sorgen um mich“, meine ich und versuche nun, ihn zu trösten. „Ich komme schon klar...“ „Ja, ich weis“, erwidert er. „Aber so wie es im Augenblick aussieht, nicht besonders gut, oder?“ Die Kollegen müssen sich wirklich bitter über mich be-schwert haben, auch wenn er nichts darüber sagt und eher nach den Ursachen für meine Launen sucht, als dass er mich deswegen zu Recht weisen will. „Das wird schon wieder – bestimmt“, gebe ich zurück und kann nicht verhindern, dass er wie das Versprechen eines kleinen Jungen klingt, in Zukunft brav zu sein. „Nun gut, mein Junge“, entgegnet er und erhebt sich, um zu gehen. „Ich hoffe es – vor allem für dich selbst – es tut mir weh, dich so unglücklich zu sehen – Gute Nacht, Severus.“ Er nickt mir verabschiedend zu und verlässt mit einem fröhlichen Summen meine Räume. Ich atme tief durch. Nun, immerhin bin ich um einen Anpfiff wegen meines unmöglichen Benehmens (und ich weis nur zu genau, wie unmöglich ich derzeit bin) herum gekommen. Aller-dings wusste ich nicht, dass ich ihm so wichtig bin, dass es ihm wehtut, wenn es mir schlecht geht – das will ich sicher nicht – ich will ihn nicht verletzen und bekomme ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich ihn veranlasst habe, so zu empfinden. Ich kann meine Launen nicht wirklich ändern, aber ich kann meine Masken verbes-sern, damit er nichts mehr davon merkt – er nicht und auch kein anderer – Ich muss ja nicht gleich freundlich werden (ich wüsste ja auch gar nicht wie), es reicht ja schon, wenn ich mich ein wenig beherrsche, wenn ich mit anderen umgehen muss und ich kann mich sicher auch einmal am Tag beim Alten blicken lassen, damit er nicht wieder hier runter kommt und nachforscht, was mit mir los ist. Ich nehme mir ganz fest vor, diese Über-legungen zu beherzigen und beschließe einfach jetzt erst mal ins Bett zu gehen. Heute werde ich ohnehin nichts mehr Rechtes mit mir anfangen können... Doch dort gelingt es mir nicht einzuschlafen (hatte ich wirklich erwartet, das mal zu können?) und so wälze ich mich nur ruhelos von einer Seite auf die andere – was mir am nächsten Tag jede Menge Möglichkeiten bietet, meine neue, stoische Maske zu üben...  17 . Januar 1986 Langsam aber sicher sitzt diese neue Maske nur zu perfekt und täuscht alle – sogar den Alten, hoffe ich wenigstens. Ich achte darauf, wenigstens bei einer Mahlzeit am Tag zu erscheinen, damit Dumbledore be-ruhigt ist. Auf einen Gruß antworte ich mit einem Brummen und einem Nicken (beides so halbwegs freund-lich) und die Kollegen haben sich erstaunlich schnell daran gewöhnt. Vielleicht gefällt ihnen das nicht wirk-lich – das kann ich nicht sagen – aber sie akzeptieren es. Im Unterricht rede ich nur das Nötigste und bemühe mich, die Kids nicht zu sehr anzufauchen, wenn sie – wie ich es nicht anders kenne – mal wieder Mist bauen. Ich passe genau auf, dass nicht wirklich etwas Schlimmes mit ihren Kesseln passiert und ziehe ihnen natürlich Punkte dafür an und versprühe Sarkasmus – kommt vielleicht nicht gut an, ist aber sicherer so, da sie meine scharfe Zunge fürchten und somit besser aufpassen, a-ber immerhin gebe ich mir Mühe, sie nicht vollkommen fertig oder gar in Tränen aufgelöst (was schon hin und wieder mal vorgekommen ist) aus meiner Stunde zu ent-lassen. Nichts, aber auch gar nichts soll mich noch aus der Ru-he bringen, wenigstens soll es mir keiner anmerken, wenn dem doch so ist – auch ich habe nur Nerven und die sind ehrlich gesagt nicht besonders gut – doch auch das muss keiner wissen. Besser düster und unbeliebt, als wieder zur Zielscheibe von Spott und Hohn zu werden. Wann immer ich kann, ziehe ich mich in meine Räume zurück, denn was auch immer ich wem auch immer vor-spiele – in Wahrheit könnte ich nur noch schreien, wü-ten, toben – etwas kaputt schlagen ... Doch das darf nicht sein, ich muss mich beherrschen, keiner darf auch nur ahnen, wie es wirklich in mir aussieht. Manchmal hilft es ja auch ein wenig, auf Altgriechisch bis hundert zu zählen, denn darauf muss ich mich so sehr konzent-rieren, dass ich meinen Jähzorn damit unter Kontrolle bringen kann. Ich bin immer noch schrecklich schlecht drauf, rastlos, unruhig, nervös – gereizt, aber in leider hat Albus nur zu Recht – es tut mir nicht gut, was ich mir damit selbst antue. Oft habe ich den Drang, mich einfach zu bewegen, zu gehen, zu laufen oder gar zu rennen – nur um diesen elenden, wütenden Gefühlen zu entkommen. Doch ich kann nicht nach draußen, der strenge Winter hat das Land immer noch fest im Griff. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als stundenlang durch die Gänge des Schlosses zu wandern, wenn der Bewegungsdrang zu stark wird – natürlich nur nachts, wenn mir außer Filch oder ein paar Geistern keiner begegnen kann (so wie ich es auch als Junge schon gemacht habe). Wenn ich das tue, komme ich natürlich nur wenig zum Schlafen, aber das kann ich ohnehin nur selten und so spielt das kaum eine Rolle. Ja, ich bin wirklich um einen Anpfiff von Al-bus herum gekommen und wenn ich diese perfekte stoi-sche Maske weiterhin aufrecht halte, wird wohl auch so bald keiner fällig werden – ich will den Alten nicht ent-täuschen. Wieder mal habe ich mich in meine Räume verzogen nachdem mir in der für heute letzten Stunde wieder ei-ner dieser jämmerlichen Narren einen Kessel hochgejagt hat. Der dabei unterdrückte Wutanfall hat sich wie ein heißer Klumpen Wachs in meinem Magen zusammenge-ballt und der windet sich mal wieder wie eine sterbende Schlange. Nur gut, dass ich heute schon beim Mittages-sen oben in der Großen Halle gewesen bin (und sogar ein wenig gegessen habe), denn jetzt bekäme ich sicher nichts mehr runter. Ich versuche, das gereizte Ding in meiner Körpermitte mal wieder mit heißen, süßen, schwarzen Tee zu bestechen – was meistens auch klappt, auch wenn mich die Unmengen an teeinhaltiger Flüssig-keit häufig nachhaltig am Schlafen hindern. Döse ich doch mal weg, bin ich kurz darauf auch schon wieder wach, weil ich dringend zum Pinkeln aufs Klo muss – Echt Klasse das! Ich habe im Augenblick keinen Nerv dafür, Aufsätze zu korrigieren (ich würde sie ohnehin nur wieder mit all meinem Zynismus verreißen) und so habe ich nicht in meinen alten, schweren, geräumigen Lehnsessel im Schlafzimmer verzogen. Ein freundliches Feuer knistert wohlig im Kamin und hin und wieder platzt ein harziges Holzscheit mit einem lauten Knall, bringt mich zum Zu-sammenzucken. Ich starre in die Flammen, versuche mich mit ihrem uralten Tanz zu beruhigen, ein wenig Ruhe und Frieden darin zu finden – aber ich fürchte, sowas gibt es nicht für einen für mich. In letzter Zeit war ich nicht nur immer so maßlos gereizt, ich kann mich auch nicht mit irgendwas damit ablenken. Die Aufsätze nerven mich wie gesagt nur und machen meine Laune nur noch übler. Zum Forschen finde ich nicht die nötige innere Ruhe, ganz zu schweigen von der dazu un-bedingt erforderlichen Konzentration. Poppy hat alles, was sie derzeit braucht, also macht es noch nicht mal Sinn, das altbekannte Zeug zu brauen (und mich damit ein wenig zu beruhigen – was sonst manchmal eine Op-tion ist). Was lesen mag ich auch nicht, denn meine Au-gen brennen und beginnen zu tränen, wenn ich versu-che, sie auf die gedruckten Seiten eines Buches zu fokus-sieren – ganz abgesehen davon, dass selbst ich zum Le-sen ein wenig Licht brauche und das sticht nach einem langen Tag wie tausend Nadeln in meinen Augen. Das Halbdunkel des Kaminfeuers (das die einzige Lichtquelle in meinem Schlafzimmer ist), fühlt sich wesentlich an-genehmer an. Ich kann also eigentlich nur vor mich hinstarren und gar nichts tun. Leider habe ich es noch nie geschafft, meinen immer regen Verstand dazu zu bringen, nichts zu tun. Der arbeitet einfach immer und bewegt sich häufig auf Pfaden, die mir alles andere als angenehm sind – leider bin ich ein Mann mit zuviel Vergangenheit, nur sehr wenig Gegenwart und so gut wie gar keiner Zukunft, ich lebe nur von einem Tag auf den anderen – ich kann also noch nicht mal irgendwelche Pläne ma-chen, die über das unmittelbare ‚Morgen’ hinausgehen. Albus hat schon Recht – ich sollte mir wirklich ein Hob-by suchen, denn darauf lief ja seine kleine Rede wohl hinaus. Aber was? Nun, vielleicht wäre es eine gute Idee, noch ein paar Sprachen zu lernen. Ich habe da nämlich ein paar sehr alte Trankrezepte, die ich zu ger-ne ausprobieren würde, die ich aber nicht so ganz über-setzen kann, weil sie in Gälisch, keltisch oder walisisch geschrieben sind. In Sprachen also, die kaum mehr oder nur in sehr abgelegenen Gebieten gesprochen werden. Nun, das ist sicher keine schlechte Idee, aber auch dazu müssen meine Augen halbwegs brauchbar sein und nicht in einem jämmerlichen Zustand wie jetzt. Viel-leicht werden sie ja wieder besser, wenn nicht mehr so viel Schnee liegt und mich die ganze Zeit blenden kann. Ich muss zugeben, dass heute zu meiner inzwischen schon beinahe gewohnten Gereiztheit auch noch eine nervtötende Langeweile kommt. Ich hab noch nicht mal Lust mit mir selbst zu streiten und damit ein wenig Zeit tot zu schlagen. Was könnte ich sonst noch tun? Vielleicht eine Dusche nehmen oder sogar ein heißes Bad – auch das entspannt mich manchmal ein wenig. Außerdem ist mir mal wieder kalt und weder das prasselnde Feuer noch die flauschige Wolldecke bringen viel dagegen. Wie gesagt, ein Großteil der Kälte kommt aus meinem Inneren und das hilft das beste Heizen oder Warmhalten nur wenig. Mein Inneres ist wie gefroren von dieser zynischen Kälte, die ich nach außen hin verbreite. Ich meine, sie muss ja wohl irgend-eine Quelle haben, denn ein so guter Schauspieler bin noch nicht mal ich, dass ich etwas darstellen könnte, was nicht irgendwie in mir vorhanden ist. Ich hasse Käl-te und weil sie so sehr ein Teil von mir ist hasse ich auch mich, aber sie ist sicher nicht der einzige Grund warum ich mich hasse... Wieder reißt mich ein lautes Krachen aus dem Kamin aus meinen Gedanken und ich seufze schwer. Kann ich mich noch nicht mal in mir selbst verlieren, ohne dass mich irgendwas von außen wieder gewaltsam in die Wirklichkeit zurück reißt? Derzeit komme ich noch nicht mal mit mir selbst klar. Ich würde gerne weglaufen und mich irgendwo verstecken. Aber auch das würde nichts bringen, denn was auch immer ich hinter mir zurücklas-se, mich selbst muss ich doch mitnehmen, das ist ja die Krux – ich selbst bin es ja, der mir die meisten Probleme bereitet. Warum mag ich mich nur selbst so überhaupt nicht? Ich bin kein netter Kerl, aber das war ich ja noch nie, ich sollte es also eigentlich gewohnt sein ... Ich habe als junger Kerl einen schlimmen Fehler gemacht, aber das, was ich dabei angerichtet habe, versuche ich ja bereits seit einiger Zeit wieder gut zu machen und eine Wieder-gutmachung dauert eben, wenn es an Gelegenheiten dazu mangelt. Ich habe meinen Vater den alten Bastard gehasst und hasse ihn immer noch, doch ich habe mich auch nie gegen ihn gewehrt, bis auf dieses eine, letzte Mal und da spielte es nicht wirklich noch eine Rolle, denn als ich ihn das nächste Mal sah, hatte er sich be-reits tot gesoffen – und das ist einer der Gründe, warum ich mich hasse – dass ich mich erst gegen ihn gewehrt habe, als es eigentlich schon viel zu spät dazu war. Auch meine Mutter konnte ich nie leiden und auch wenn ich sie nicht hasse, so verachte ich sie doch. Nie war sie für mich da, wenn ich sie mal gebraucht hätte, immer war sie so hilflos weinend und passiv erduldend ... und doch ist sie gestorben, weil sie wohl so irgendwie versucht hat, mich vor dem alten Bastard zu schützen – deswegen hat er sie wohl auch vergiftet (wie ich vermute – ich weis es nicht sicher). Ich hasse mich dafür, dass ich sie nie lieben konnte, wie ein Sohn seine Mutter wohl lieben sollte – sie hat es einfach nicht zugelassen. Ich war nicht da als sie starb, konnte mich noch nicht mal von ihr verabschieden, weis noch nicht mal, wo ihr Grab liegt – und das schlimmste ist, dass mich das alles noch nicht mal wirklich interessiert – auch dafür hasse ich mich. Karkaroff zog mich und Hieratus in Voldemorts Fänge und Hieratus starb für mich, als ich wieder von dort weg wollte. Ich hasse mich dafür, dass ich so schwach war, dass ich mich von Karkaroff beschwatzen ließ und dass es bereits zu spät war, als ich es endlich ändern wollte – immerhin habe ich diese menschenverachtenden Spiel-chen mehrere Jahre mit angesehen und zum Teil sogar mitgespielt. Ich hasse mich dafür, dass ich nie begriffen habe, dass Hieratus mich so sehr liebte, dass er bereit war für mich zu sterben und dafür, dass es umgekehrt nicht so gewesen ist. Ich bin nicht in der Lage, einen an-deren Menschen so sehr zu lieben, dass ich für ihn ster-ben würde (ich weis es nicht wirklich, aber ich schätze mich nicht so ein, als dass ich das könnte) – und das ist jämmerlich. Ich meide andere Menschen aus Angst, sie könnten mich verletzen und auch das ist jämmerlich und noch dazu feige – wieder ein Grund mehr, mich zu hassen... Ich habe mich auch nicht gewehrt, als Voldemort und die Todesser mich grässliche Gifte und Schadenstränke brauen ließen – Im Gegenteil ich ließ mich von ihnen da-für immer sehr gut bezahlen (den Todessern - Voldemort ließ sich das Zeug immer von mir schenken – als Gabe eines treuen Dieners an seinen Herren). Ich hasse mich dafür, weil ich fast fünf Jahre lang damit weiter ge-macht habe, auch wenn ich nur zu genau wusste, wie falsch das Alles ist und es trotzdem getan habe. Ich has-se mich auch dafür, dass ich meine Schüler so sehr schi-kaniere und doch nur zu genau weis, wie beschissen sich sowas anfühlt (ich hatte es als Junge selbst viel zu lange zu erdulden) und trotzdem mache ich damit weiter, weil ich die Macht dazu habe – und früher doch so ohnmäch-tig war. Sie müssen mich respektieren, weil ich doch der Lehrer bin und sie bestrafen kann (und das auch ausgie-big tue), wenn sie es nicht tun. Keiner hat mich je res-pektiert, wenn ich ihn nicht dazu gezwungen habe – im Gegenteil – ich wurde bei jeder sich bietenden Gelegen-heit nur verspottet, gedemütigt und lächerlich gemacht und ich hasse mich dafür, dass ich es zuließ. Alles in allem bin ich also eine äußerst unzureichende und jämmerliche Person und mehr als nur wertlos – ein Grund mehr, mich zu hassen – wie könnte man denn auch für einen wie mich etwas anderes empfinden kön-nen oder auch nur wollen? Das wäre doch nur Ver-schwendung von Gefühlen...  30 . Januar 1986 Ich habe es doch tatsächlich geschafft, anzufangen, diese alten Sprachen zu lernen und das macht mich doch tatsächlich ruhiger und ein bisschen weniger unleidlich. Ja es fühlt sich beinahe schon gut an, nicht mehr gar so sehr unter Strom zu stehen. Das ist es also, was ich tun muss, einfach nur dafür zu sorgen, dass ich mich nicht langweile und mein Geist beschäftigt ist... Es ist auch eine gute Sache, wenn ich anfangen kann, diese alten, aber interessanten Rezepte zu übersetzen und sie dann vielleicht sogar nachbrauen kann – yeah, das hat echt was. Dass es draußen zwar immer noch recht kalt und auch trüb ist, der Schnee aber geschmol-zen ist, hat meine Laune auch ein bisschen gebessert. Es hängt sogar schon ein Hauch von Frühling in der Luft und den habe ich schon immer geliebt. Nun, ich werde sicher noch ein wenig warten müssen, bis es wirklich so weit ist und die Sonne wieder in den grünen Blättern der Bäume im Verbotenen Wald spielt, aber es wird gesche-hen...  7 . Februar 1986 Also sowas Tollpatschiges wie diese Nymphadora Tonks ist mir noch nie untergekommen – noch nicht mal Pettigrew, diese kleine Ratte war in dieser Hinsicht so schlimm. Nicht, dass das Mädel so eine miese Hexe wäre (auch wenn sie halbblütig ist), doch sie ist so dermaßen ungeschickt und stolpert regelmäßig wortwörtlich über ihre eigenen Beine. Sie kann noch nicht mal einen Kessel ansehen, ohne dass etwas Unvorhersehbares geschieht. Nicht, dass sie die Rezepte nicht begreifen würde (sie ist wirklich kein bisschen dumm), doch wenn sie eins brauen soll, ist einfach alles zu spät. Es kocht über (und löscht das Feuer), brennt an (und stinkt dabei schlimmer als eine Müllkippe) oder sprüht Funken (und treibt damit jeden im Umkreis in die Flucht) – ganz abgesehen davon, dass es mir den letzten Nerv raubt. Arbeitet sie dann auch noch mit Bill Weasley zusammen, ist es äußerst ratsam, sehr schnell aus der Reichweite der beiden zu kommen. Nicht, dass er nicht brauen könnte – er ist sogar ziemlich gut – aber er ist auch ein Spaßvogel und findet es witzig, wenn etwas schief geht. Ich versuche, die beiden getrennt zu halten, doch das klappt nicht immer... „Nymphadora“, schnarre ich sie heute mal wieder an (sie hasst ihren Vornamen und weil ich das weis, spreche ich sie auch immer so an – auch wenn ich sonst nie einen Schüler beim Vornamen nenne). „Was soll das da in ih-rem Kessel darstellen?“ „Das ist ein Färbetrank“, murmelt sie schuldbewusst. Sowohl ihr Gesicht als auch ihr Haar verändern sich. Sie ist ein Metamorphmagus und wenn sie nervös ist, dann neigt sie dazu, unabsichtlich ihr Aussehen zu verändern – für mich ist das absolut nervtötend, ihr dabei zusehen zu müssen und ich muss meine ganze Beherrschung auf-bringen, um nicht völlig auszurasten – mir bleibt nur die Option, mich in meinen beißenden Sarkasmus zu flüch-ten, um Dampf abzulassen. „Aha“, schnarre ich daher. „Und welche Farbe sollte die-se Pampe ergeben?“ Das Zeug in ihrem Kessel sieht nämlich wie Drachen-dung aus, klebt wie Kleister im Kessel und stinkt er-bärmlich – eigentlich sollte es einen schimmernden Rot-ton haben und ein wenig dickflüssig sein. „Pink“, stammelt sie und ihr Haar nimmt den entspre-chenden Farbton an – er beleidigt schmerzhaft meine Augen – Grundgütiger – Rosa! „Ungenügend, Nymphadora“, zische ich. „Absolut unge-nügend. Machen sie das sauber – eine Rolle Pergament darüber wie es richtig geht und zehn Punkte von Gryf-findor.“ Ich lasse sie einfach über diesem stinkenden Debakel stehen und eile mit fliegender Robe zu meinem Pult hin-über. Aus dem Hintergrund ertönt leises Gelächter und ich frage mich, was nun schon wieder ist – es stammt nämlich nicht von meinen Schlangen. Ich wirble herum und ertappe Tonks und Weasley dabei, wie sie kichern. Ihre Nase hat die Größe und die Form der meinen ange-nommen und sieht in dem Mädchengesicht lächerlich, ja geradezu pervers aus, außerdem ist ihr Haar schwarz lang und eindeutig sehr fettig geworden. „Nochmal zehn Punkte Abzug und heute Abend nachsit-zen, Nymphadora“, fauche ich. „Und sollte ich nochmal sowas von ihnen sehen, dann werden es fünfzig sein und sie werden für den Rest des Jahres jeden Abend nachsit-zen!“ Sie haben es darauf angelegt, die beiden haben es wirk-lich darauf angelegt, denn auch wenn sie ein wenig be-schämte Gesichter machen, so ist das spöttische Leuch-ten nicht aus ihren Augen verschwunden. Ich bin heil-froh, als die Stunde zu Ende ist und ich die immer noch heimlich feixende Klasse entlassen kann. Ich hasse es, verspottet zu werden und das haben sie eindeutig und ich kann leider nicht mehr dagegen tun, als ihnen Punke abzuziehen und mit Strafarbeiten um mich zu werfen. Gut, sie muss nachsitzen und das kann man sicher recht nachhaltig gestalten, doch es ist nicht nur ihr Abend, der dabei drauf geht, es ist auch meiner – und ich hatte mich schon so darauf gefreut, heute mit einem dieser alten Rezepte anfangen zu können, denn die erste Übersetzung ist so weit fertig, dass ich einen Versuch wagen kann. Das geht natürlich nicht, wenn mir eine aufmüpfige Schülerin dabei zuschauen kann, denn so-was ist nicht immer erfolgreich und ich werde mir sicher nicht die Blöße geben, dass wer mitbekommt, wenn bei so einem Trank nicht das rauskommt, was es eigentlich sollte. Wie auch immer, ich werde diese verwandlungsfreudige Nervensäge heute Abend beschäftigen müssen und zwar mit etwas, das möglichst nachhaltig wirkt. Nun, es ist immer eine nette Idee, Ratten oder Kröten ausnehmen zu lassen, ganz abgesehen davon, dass die glitschigen Eingeweide wunderbar eklig sind, stinkt es auch erbärm-lich und man bekommt das Zeug nur sehr schlecht wie-der unter den Fingernägeln heraus. Ich weis das nur zu genau und es ist einer der Gründe warum meine Finger-nägel immer kurz sind und meine Hände immer sauber geschrubbt. Wenn ich jetzt noch wüsste, wovor sich das Mädel ekelt, dann würde ich sie genau das machen las-sen. Gewöhnlich sind es bei weiblichen Wesen Spinnen und Küchenschaben, doch ich schätze Nymphadora nicht so ein, die ist zäher, sie neigt gewiss nicht dazu zu quietschen und zu kreischen, wenn ihr was auch immer an ekligen Dingen über den Weg läuft. Nun, dann müssen es eben die Eingeweide tun, bis mir irgendetwas auffällt, was ihr noch unangenehmer ist. Die notwendigen Tiere sind schnell besorgt. Ratten habe ich immer genügend in den Käfigen und Kröten sind auch nicht so schwer zu beschaffen. Ich töte die Viecher mit einem kleinen Zauber (nicht den Averda – ich hasse die Unverzeihlichen – es gibt bei so kleinen Tieren ande-re Zauber, die genau so gut wirken – bei größeren Lebe-wesen funktionieren sie allerdings nicht). Ich lasse das Abendessen ausfallen, um alles so richtig schön fies vor-zubereiten und muss gestehen, dass es einem gemeinen Teil in mir ganz schön was abgibt. Wahrscheinlich wer-de ich mich später deswegen mal wieder ziemlich schä-men, aber im Augenblick fühlt es sich sehr gut an. Als meine Uhr die sechste Stunde anzeigt, klopft es unsi-cher an die Klassenzimmertür und ich rufe „Herein“. Wie erwartet ist es Nymphadora und sie kann mir nicht in die Augen schauen. Ich deute auf die beiden Eimer mit den toten Tieren und sie schluckt schwer. „Nehmen sie die aus, Nymphadora, schön getrennt nach Ratten und Kröten und ordnen sie auch die inneren Or-gane“, weise ich sie an. „Sie werden keine Handschuhe dazu brauchen.“ Das wird für die nötige Nachhaltigkeit sorgen. Sie schluckt erneut schwer, nickt unsicher und beginnt mit der widerlichen Arbeit. Selbst ich mag es nicht beson-ders, wenn ich das tun muss, aber viel macht es mit ei-gentlich nicht aus, dazu habe ich es schon zu oft getan und sowohl meine Nase als auch mein Magen sind es gewohnt. Ich habe mich mit den Schüleraufsätzen an mein Pult zurückgezogen und mache mich daran, sie zu korrigie-ren. Wenn ich schon nicht mit meinen Forschungen wei-ter machen kann, so ist das jetzt doch eine gute Gele-genheit, mich um diese Sachen zu kümmern. Ich habe sie in letzter Zeit ein wenig liegen lassen, weil sie mich so schrecklich angenervt haben, doch leider macht sich die Arbeit nicht von alleine und ich sollte mir wirklich nicht allzu lange Zeit lassen, den Kids ihre jämmerlichen Machwerke zurück zu geben – natürlich mit den ent-sprechenden Bemerkungen und wenn es angebracht ist, teile ich auch Extraarbeiten aus – mancher kapiert es nie, doch es besteht die Möglichkeit, ihnen noch ein biss-chen mehr einzuhämmern, wenn sie Zusatzaufgaben erledigen müssen. Immer wieder höre ich, wie das Mädel an ihrem Schüler-tisch erneut schwer schluckt. Nun, das scheint ja schon recht gut zu wirken. Langsam breitet sich auch der Ge-stank von Blut und Eingeweiden im Raum aus und Tonks beginnt zu würgen – sehr schön... Ich tue so, als würde ich davon nichts mitbekommen und arbeite ungerührt weiter. Ein schneller Blick zeigt mir, dass sowohl der Haufen der ausgenommenen Kada-ver als auch die der Innereien wachsen – wie sehr sie sich auch ekeln mag, sie arbeitet rasch und sorgfältig. Warum stellt sie sich dann nur so an, wenn sie was brauen muss? Immer noch blitzt das Messer auf und die leeren Schüsseln füllen sich langsam. Doch plötzlich springt sie auf, wirft mir einen gequälten Blick zu und rennt aus dem Raum. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie kotzen muss – mal sehen, ob sie wieder auftaucht oder ob sie desertiert – nun, ich denke nicht, dass sie letzteres wagt. Ich habe Recht und schon kurz darauf ist sie wieder zu-rück, ihr Gesicht ist grünlich und sie hat jegliche Ver-wandlungsspielchen aufgegeben. Was ich daran erken-ne, dass ihr Haar nicht pink ist sondern mausbraun ist und ihr Gesicht nicht irgendwelche eigenartigen Formen annimmt. Sie wirkt ziemlich geknickt – gut so, das wollte ich ja auch bezwecken – Tonks wird mich wohl nie wie-der nachäffen. Sie schnippelt weiter an den Kadavern herum und ist immer noch schwer am Schlucken. Die beiden Eimer werden schon bald leer sein und ich frage mich, ob ich sie nochmal auffüllen sollen oder ob sie ihre Lektion bereits gelernt hat. Ich hasse es einfach, ver-spottet zu werden und wenn sich wer über mich lustig macht, dann raste ich regelrecht aus. Gut, ich habe heu-te habe ich weder einen Wutanfall bekommen, noch rumgetobt oder gar gebrüllt, doch ich muss gestehen, dass sich mein Magen schon wieder mal ziemlich ungut verkrampft hat und dass das auch einer der Gründe war, warum ich auf mein Abendessen verzichtet habe. Die Kleine sägt und schneidet noch immer und inzwi-schen sieht ihr Gesicht regelrecht teigig aus, Schweiß rinnt ihr in Strömen darüber und ihr Schlucken sieht direkt krampfhaft aus. Tut sie mir vielleicht leid? Nee, sicher nicht, ich lasse mich nicht verarschen und das hat sie eindeutig getan – ich will dafür sorgen, dass sie nie wieder auf eine solche dumme Idee kommt – ich lass mich doch nicht vor einer ganzen Klasse lächerlich ma-chen! Die Eimer mit den toten Tieren haben sich inzwi-schen geleert und die Haufen in den Schüsseln mit den Innereinen sind gewachsen. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es bereits halb neun ist und sie sollte um neun oben in ihrem Turm sein. Nun, ihre Strafaufgabe hat sie ja erledigt und wenn sie hier noch sauber macht, dann sollte es OK sein. Ich gleite zu ihr hinüber und gebe mir alle Mühe, furchterregend auszusehen – keine große Kunst, die Kids bezeichnen mich wegen meiner schwar-zen Kleidung ohnehin als übergroße Fledermaus, alte Krähe oder auch als Vampir – und ich habe natürlich gelernt, das für meine Zwecke auszunutzen. „Räumen sie das Zeug weg“, flüstere ich mit meiner sei-diggiftigen Stimme und sie zuckt erschrocken zusam-men, sie hat wohl nicht bemerkt, dass ich zu ihr hin ge-gangen bin (ich kann verflixt leise sein, wenn ich es dar-auf anlege). „Dann schrubben sie den Tisch – ich will nicht, dass da drauf was vergammelt und wenn sie da-mit fertig sind, können sie gehen.“ Sie schluckt schwer und nickt. Sie hat die ganze Zeit noch kein einziges Wort gesagt und das halte ich auch für besser. Wenn es nämlich das Falsche gewesen wäre, oder mir auch nur ihr Tonfall nicht gefallen hätte, dann hätte ich sie gleich morgen Abend nochmal herbestellt und das muss ich nicht wirklich haben, denn ganz abgesehen davon, dass es ihre Zeit kostet (was mir echt egal ist), kostet es auch meine Zeit (und das muss ich nicht haben – ich habe andere Pläne). Mit spitzen Fingern schiebt sie den Rest der Eingeweide in eine der Schüsseln, dann beginnt sie die Überreste vom Tisch zu kratzen und sie in einen der Eimer zu fe-gen. Ich kann die Gewebefetzen sehen, die unter ihren Fingernägeln kleben – na dann viel Spaß, Nymphadora, die auch wieder raus zu bringen – da kannst du lange schrubben und wenn du es nicht sorgfältig machst, dann stinken deine Finger noch in einer Woche. Sie holt sich Wasser und einen Lappen und beginnt den Tisch abzuwaschen. Die rote Brühe spritzt in alle Rich-tungen und durchtränkt auch ihre Robe. Selbst im Ge-sicht und in den Haaren hat sie etwas davon kleben. Sie putzt mit einer derartigen Wut, dass schon bald größere und kleiner Lachen am Boden zu sehen sind. Ich habe mich wieder an mein Pult zurückgezogen und beobachte unter gesenkten Wimpern aus den Augenwinkeln. Ja, das dürfte durchaus nachhaltig gewesen sein – so bald wird sie es sicher nicht wagen, wieder Ärger zu machen oder gar aufmüpfig zu werden. Ich habe meine Autorität gewahrt und den Respekt wieder hergestellt – vielleicht auch nur die Furcht, die die Kids vor mir haben – ich will das so, denn Furcht hat was mit Ehrfurcht zu tun. Sie schrubbt noch immer an dem Tisch herum und hält den Kopf gesenkt. Weint sie? Kann sein, aber es ist mir egal, sie hat nur bekommen, was sie verdient hat. Schließlich glänzt der Tisch geradezu und sie macht sich daran die Schweinerei, die sie dort veranstaltet hat vom Boden aufzuwischen. Eine eklige rotbraune Brühe rinnt in den Eimer, als sie den Lappen auswindet. „Auswinden allein reicht nicht, Nymphadora“, schnarre ich sarkastisch. „Sie müssen auch mal das Wasser wech-seln – so verschmieren sie das Zeug nur über den ganzen Fußboden.“ Wieder schluckt sie nur wortlos und kommt der Anwei-sung nach. Sie schüttet die Brühe in den Ausguss und füllt den Eimer mit sauberem Wasser, würgt leise und schluckt schwer. Ich weis, dass sie alle Selbstbeherr-schung aufbringen muss, um nicht einfach in das Becken zu kotzen. Aber sie tut mir immer noch nicht Leid. Dann geht sie wieder an ihren Arbeitsplatz heran und putzt weiter. Langsam wird es richtig sauber und ich nehme mir vor, den nächsten, der nachsitzen muss, das ganze Klassenzimmer putzen zu lassen – es wäre mal an der Zeit, dass es hier wieder richtig sauber ist. „Kann ich jetzt gehen?“ fragt sie schließlich und es ist der erste Satz, den sie sagt. Ich gehe zu ihr hin und prüfe ihre Arbeit – eher um sie wieder zu erschrecken als sonstwas – ich habe ja beo-bachtet, was sie getan hat und weis, dass es sauber ist. Ich lasse mir extra viel Zeit und begutachte die ausge-nommenen Eingeweide und die ausgeweideten Kadaver. Sie wird immer kleiner und sinkt regelrecht in sich zu-sammen, scheint zu befürchten, dass ich noch was habe, was sie tun soll. Ich schnaube verächtlich und sie zuckt erschrocken zusammen. „Eine Spitzenleistung ist das ja nicht eben“, schnarre ich. „Haben sie denn Zuhause nicht gelernt, wie man richtig putzt? Aber es soll genügen – sie können gehen.“ Sie wirft mir einen entsetzten Blick zu und ist dann schneller als ich schauen kann aus dem Raum ver-schwunden. Mit einem Zauber vernichte ich die Tierlei-chen und dann hole ich mir Gefäße aus meinem Büro, in denen ich die Eingeweide aufbewahren kann. Natürlich fasse ich das Zeug nicht mit bloßen Händen an, sondern lasse es mit einem kleinen Zauber in die Behältnisse schweben – Ich habe nämlich nicht unbedingt Lust, mir jetzt eine Stunde lang meine Finger zu schrubben...  20 . Februar 1986 Die Tage und Wochen vergehen und meine Maske wird immer besser, bei den Kindern setze ich noch zusätzlich die Wirkung meines schwarzen Umhangs ein, damit sie auf keine dummen Ideen kommen – es funktioniert, auch wenn mein Ruf in der Schule und auch bei meinen Kollegen immer übler wird. Es heißt jetzt nicht nur mehr nur hinter vorgehaltener Hand, ich würde gepökelte Rattenhirne zum Frühstück verspeisen und man könne nie wissen, was ich nicht des Nachts so alles treibe, denn man habe mich schon wie einen blutdurstigen Vampir durch die Gänge des Schlosses streifen sehen. Es sei besser, mir aus dem Weg zu gehen und mich außer mit einem knappen Gruß gar nicht erst anzusprechen. Nun, mir soll das Recht sein, dann lassen sie mich wenigstens in Ruhe. Albus ist zufrieden, wenn er mich einmal am Tag zu sehen bekommt und wenn er auch keine größeren Klagen über mich hört (außer dem üblichen Lamento), macht er auch keine Probleme oder stöbert mich gar in meinen Räumen auf. Sicher weis ich, dass er nur wissen will, ob es mir gut geht – tut es zwar nicht besonders, aber das braucht er ja nicht zu wissen – seine Versuche, mich aufzumuntern sind nämlich nichts für einen wie mich und machen ehr-lich gesagt alles nur noch schlimmer. Zum Glück wirkt meine Maske auch vor ihm, wenigstens, wenn er mich nicht zu genau sehen kann und damit kann ich zufrie-den sein – ich bin ziemlich gut darin geworden, mich zwar blicken zu lassen, aber allen und jedem so ziemlich aus dem Weg zu gehen. Mal wieder sitze ich über einem dieser alten Rezepte und übersetze es. Es klingt recht interessant, aber es benötigt Zutaten, die es gar nicht mehr oder so gut wie nicht mehr gibt. Ich will sicher kein kleines Vermögen ausge-ben, nur um einen Trank zu brauen, der mit Schimmel aufräumt – da gibt es andere Sachen und die sind einfa-cher herzustellen. Es mag ja so sein, dass diese speziellen Zutaten vor fünfhundert Jahren leicht zu besorgen wa-ren, heute sind sie das sicher nicht mehr. Aber egal, es ist eine gute Übung, die richtigen Bezeich-nungen zu suchen und mich an die alten Begriffe für die einzelnen Ingredienzien zu gewöhnen, denn ich habe noch eine Unmenge an derartigen Rezepten. Es ist ein Hobby, sowas zu tun und es ist eine Beschäfti-gung, die nichts mit meiner eigentlichen Arbeit zu tun hat und doch eine meiner Leidenschaften betrifft. Trän-ke konnten mich schon immer fesseln und viel zu lange, schlaflose Nachtstunden ausfüllen. Natürlich schlafe ich auch inzwischen nicht besser und ich glaube auch nicht, dass ich es je wieder können würde, aber meine nächtli-chen Wanderungen habe ich ein wenig eingeschränkt – es reicht mir mit diesen Tuscheleien, wohin ich dann wohl gehe. Ich bin nämlich sicher nicht auf der Jagd nach weiblichen Kollegen, wie Vector regelmäßig im Lehrerzimmer vermutet, wenn sie glaubt ich könne es nicht hören – oder hofft sie vielleicht, dass ich es höre und ihr einen Besuch abstatte – die frustrierte Zicke. Sie war schon verlobt, als sie hier als Lehrerin angefangen hat, aber der Kerl scheint nicht ernst machen zu wollen und sie zu heiraten, ganz abgesehen davon, dass ich be-zweifle, dass sie ihn öfter als vielleicht jedes dritte Wo-chenende oder in den Ferien überhaupt nur sieht. Soll sie ihre sexuellen Spannungen doch anders abbauen, als in gewisser Weise hinter jedem zwischen zwanzig und fünfzig her zu sein und ihn doch nicht zum Zuge kom-men zu lassen. Sie hat schon mehrere junge Lehrer mit gebrochenen Herzen die Schule verlassen lassen (besonders die Typen, die Verteidigung unterrichten, denn die wechseln ohne-hin häufig). Genug mit dieser Person – ich mag sie nicht und selbst wenn sie mich reizen würde, so habe ich doch nicht die geringste Lust mir die Finger an ihr zu ver-brennen und dann wie der letzte Trottel dazustehen. Hatte ich schon ein paar Mal und brauche es sicher nie wieder – grade in Bezug auf Frauen. Dann doch lieber selber machen, als sowas... Ach Shit – das ist also heute mal wieder mit mir los, Ich hatte mich schon gefragt, warum mir Vectors Erschei-nung heute so gar nicht aus dem Kopf gehen will. Mein Körper macht mir mal wieder Ärger und erinnert mich daran, dass, auch wenn er in gewissen Funktionen doch sehr unterbeschäftigt ist, er noch nicht wirklich abge-storben oder gar tot ist. Es ist noch nicht besonders spät, aber ich bin schon wieder mal scheußlich müde, auch wenn ich keine große Hoffnung habe, schlafen zu können, wenn ich mich jetzt ins Bett lege. Verdammt, Severus, du weist genau, was jetzt zu tun ist, warum tust du es nicht einfach? Meine innere Stimme hat mal wieder ihren Auftritt und sie ist mal wieder nur zu spöttisch. Ich kenne das nur zu gut und seufze schwer. Ich würde gerne noch ein biss-chen hier weiter arbeiten, aber ich weis, dass es keinen Sinn mehr macht, ich würde die nötige Konzentration dafür nicht aufbringen. Mit einem weiteren kleinen Seufzen erhebe ich mich und beschließe, mich erst mal ausgiebig in meine Badewanne zu setzen. Meine Schul-termuskeln protestieren, denn es ist Wochenende und ich sitze schon den ganzen Tag über diverse Unterlagen gebeugt an meinem Schreibtisch – tut meinen Wirbeln nicht eben gut, wenn ich mich so lange so gut wie nicht bewege. Ich recke und strecke mich und meine Knochen knacken protestierend. Yeah – ein heißes Bad wäre wirk-lich mal wieder angesagt, vielleicht wasche ich mir auch wieder mal die Haare, vielleicht aber auch nicht, man soll es ja nicht übertreiben. Ich schüttle den Kopf über mich selbst und gehe in mein Schlafzimmer hinüber, suche mir frische Kleidung her-aus und ein sauberes Nachthemd – das von gestern ist schon wieder mal von einem Alptraum durchgeschwitzt – nicht, dass ich lange geschlafen hätte, aber lange ge-nug, einen heftigen Alptraum über einen angreifenden Werwolf zu haben (ich fürchte, dieses spezielle Traume werde ich nie loswerden). Meine Klamotten lasse ich ein-fach fallen, wo ich gehe und stehe und weis, dass sich die Hauselfen schon darum kümmern werden – sie sind damit recht aufmerksam, auch wenn ich es absolut nicht schätze, wenn sie in meinen Sachen rumkramen. Meine Räume mögen zwar gewöhnlich gegen menschli-ches Eindringen recht gut geschützt sein, aber Hauselfen kommen überall hin und das ließe sich nur mit einem Übermaß an Magie abstellen und das macht keinen Sinn – ich will ja saubere Wäsche haben und das geht ja nur, wenn die Elfen die schmutzige abholen können. Au Shit, ist das mal wieder ein verworrener Gedanken-gang – will ich mich nur von den Bedürfnissen meines Körpers ablenken? Denke schon, es wäre ja mal wieder typisch für mich, dass ich mit meiner Sexualität nicht klar komme – kam ich ja noch nie und es nahm auch schon seltsame und obskure Formen an. Nun, heutzuta-ge sehe ich davon ab, mir käufliche Liebe zu suchen und ich zerfetze mir auch nicht mehr meinen Rücken oder wickle mir Stacheldraht um den Penis – es war völlig verkorkst, sehr schmerzhaft und außerdem hat es nicht das Geringste gebracht. Wieder schüttle ich den Kopf über mich selbst – ich bin verkorkst und das weis ich ja wohl selbst am besten. Ist es denn so schwer, Severus, einfach dazu zu stehen, was du brauchst, was dein Körper verlangt und was ganz nebenbei für einen Mann deines Alters auch völlig normal ist? Sieht so aus und ich mag es nicht, wenn mein Körper meinen Geist ablenkt und von mir Dinge fordert, für die ich mich ehrlich gesagt schäme. Ich weis noch nicht mal wirklich warum. Vielleicht weil ich als Junge so oft von meinem eigenen Vater vergewaltigt wurde und dabei gelernt habe, alles zu hassen, was mit meiner Sexualität zu tun hat. Vielleicht weil ich in solchen Situationen nur von den Mädels ausgelacht wurde, die mich dort rein gebracht hatten oder weil ich dafür bezahlt habe und es immer nur kalt, leer und unpersönlich war. Vielleicht auch, weil ich schon als Junge auf zwei gewisse Leute gestanden habe, die ich nie hätte haben können – ich konnte nur hilflos von ihnen träumen und mich dabei elend fühlen... Ich habe mir Wasser eingelassen und ein paar Kräuter-extrakte hineingekippt, die mich vielleicht dazu bringen können, mich endlich mal ein wenig zu entspannen. Mit einem weiteren Seufzen lasse ich mich hinein sinken. Es tut wirklich gut, die Wärme in die kalten Knochen si-ckern zu lassen und mir ist ja bekanntlich immer kalt. Das Wasser umschmeichelt meinen dürren Körper und er treibt ein wenig in der Wanne. Ich kann zwar nicht schwimmen, aber das muss ich hier ja auch nicht. Meine Hände suchen nach einem Schwamm und ich beginne mich damit abzuwaschen. Ich bin eigentlich nicht schmutzig – natürlich war ich heute früh unter der Du-sche – so durchgeschwitzt wie ich war, aber ich mag das Gefühl, wenn ich mich damit abreibe. Es fühlt sich an, als würde alles besser durchblutet werden und ich fühle mich dann ein wenig lebendiger. Ich habe ja ohnehin Probleme, etwas zu empfinden, was über das elementare hinausgeht – und selbst das spüre ich manchmal nicht – wie oft habe ich mich nicht schon geschnitten, verbrüht oder gar verbrannt und es erst bemerkt, als die Blasen aufgeplatzt sind oder etwas in die Schnittwunde kam. Ich bin wirklich ein völlig verkorkster Typ. Der Schwamm streicht über meine Haut und ich gebe mich den Empfindungen hin, die das in mir auslöst. Nee, offenbar bin ich noch nicht wirklich ganz abgestorben, ich kann noch was fühlen, auch wenn ich das wohl nicht tue, wenn ich abgelenkt bin. Doch das bin ich nicht, ich konzentriere mich vollkommen darauf, meine rasenden Gedanken werden ein wenig langsamer und ziehen sich aus meinem Bewusstsein zurück. Nur noch die Berührungen auf meiner Haut und das, was sie in meinem Unterleib auslösen. Selbstverständlich reagiert der darauf, er bekommt das viel zu selten und nimmt, was er kriegen kann und das ziemlich heißhung-rig. Warum mache ich das nur nicht öfter, es tut mir doch so gut? Nun, vielleicht weil ich die meiste Zeit noch nicht mal daran denke, dass ich das tun könnte. Weil ich viel arbeite und wenig schlafe, zu müde bin, zu abge-spannt, schlicht und ergreifend mit anderen Dingen be-schäftigt. Ich beginne an mir herumzuspielen, der Schwamm ent-gleitet meinen Händen, mein Kopf sinkt nach hinten und mein Nacken verhakt sich am Badewannenrand. Meine Augen schließen sich und mein Mund ist leicht geöffnet, mein Atem wird schwerer und ich beginne leise zu keu-chen und sogar zu stöhnen. Es tut wirklich so verdammt gut, das mal wieder zu tun. Ich sollte das wirklich öfter machen, aber wie denn, wenn ich gar nicht daran den-ke? Vielleicht würde ich mich dann auch daran gewöh-nen und aufhören mich dafür zu schämen oder gar Schuldgefühle zu entwickeln. Sowas denke ich häufig, wenn ich gerade dabei bin, mich zu befriedigen, aber es ist sofort wieder weg, wenn ich meinen üblichen Tätig-keiten nachgehe. Es ist wirklich herrlich, einfach entspannt im warmen Wasser zu liegen, den beruhigenden Duft der Kräuter zu riechen und langsam und gemächlich an sich selbst her-um zu spielen. Es ist, als wären alle Nervenenden dort unter meiner Hand vereint, als wäre dort im Augenblick die Quelle meines Seins. Ein angenehmes Kribbeln rinnt von dort aus durch meinen Körper und eine Gänsehaut bildet sich darauf, obwohl ich bis zum Kinn im warmen Wasser liege. Wieder kommt die Frage in mir hoch, wie es sich wohl anfühlen mag, wenn das ein anderer mit mir macht und ich habe darauf nur die ewig selbe Antwort – ich weis es nicht, ich kann es mir auch nicht vorstellen und ich werde das wohl nie wissen, weil ich keinen je so nahe an mich heranlassen werde, als dass er mich auch nur be-rühren kann, geschweige denn mich so anfassen und damit werde ich wohl leben müssen, denn ich will nicht wirklich an diesem Zustand etwas ändern – ich will nie wieder verletzt werden... Außerdem kann ich es bei den meisten Menschen nicht ertragen, wenn sie mich berühren, es widert mich an, erschreckt mich, macht mir Angst und die Erinnerungen an meine schreckliche Kindheit treiben so schnell in mein Bewusstsein, dass ich einen alles überwältigenden Fluchttrieb verspüre und dem dann auch nachgebe – in aller Würde, die ich dann noch aufbringen kann - bevor ich zu viel über mich selbst verrate. Ich bin verkorkst und auch jämmerlich, aber keiner soll wissen, wie weit das wirklich geht – es ist besser sie fürchten mich, aber sie geben mir auch einen gewissen Respekt... Mein Unterleib krampft sich zusammen und mein Kör-per beginnt zu zucken, gehorcht nicht mehr meinem Willen, sondern nur noch meinen Trieben. Ein heftiger Orgasmus schüttelt mich und meine Muskeln erschlaf-fen, mein Leib entspannt sich und eine tiefe Müdigkeit überkommt mich. Ich sehe zu, dass ich aus dem Wasser komme und mich abtrocknen kann. Dann schleppe ich mich hinaus ins Schlafzimmer, werfe mir mein Nacht-hemd über (sonst wache ich auf, weil ich friere) und las-se mich in mein Bett fallen, wickle meine Zudecke um mich und meinen Körper um mein Kopfkissen – es fühlt sich gut an, wenigstens das im Arm zu halten, auch wenn meine Phantasie nicht stark genug ist, um mir zu suggerieren, es könne etwas (jemand) anderes sein, als eben nur ein Kopfkissen – doch trotzdem löst es ein klei-nes Gefühl von Geborgenheit und Wohlbefinden in mir aus. Grundgütiger – ich bin so einsam und leer, dass ich jetzt schon ver-suche, diese Leere mit einem Kopfkissen zu füllen – ich muss noch verkorkster sein, als ich dachte... Aber es fühlt sich doch so gut an! Warum sollte ich auch darauf verzichten? Ein Kopfkissen wird mich nie verra-ten oder sich über mich lustig machen – es ist ein toter Gegenstand und ich kann damit machen, was ich will, oder?! Es ist auf eine fast quälende Art schön, sich so darum zu wickeln, die Wärme zu spüren, die davon aus-geht, die Tatsache, dass meine Arme nicht leer sind, auch wenn das Kissen sicher nicht in der Lage ist, mich ebenfalls zu umarmen. In mir ist eine seltsame Sehnsucht, die ich nicht einord-nen kann, ich weis nicht, nach was ich mich so sehr sehne – vielleicht nach ein bisschen Wärme und Gebor-genheit, nach Gesellschaft – nach Liebe ... doch wer soll-te mich schon lieben? Ich bin nicht liebenswert – ich bin kein netter Kerl – ich bin vollkommen verkorkst. Wer würde sich schon näher mit mir abgeben wollen? Selbst wenn ich ihn soweit an mich heran ließe – niemand, kei-ner – das ist es ja ... es ist so wie es ist und es wird sich auch nie ändern – besser gar nicht erst daran denken, als so triste Gedanken zu wälzen. Doch weder meine Gedanken noch mein Gefühle lassen sich wirklich abstellen, sie sind einfach da, ein Teil von mir, auch wenn ich das nicht will, so gehören sie doch zu mir, wie meine große, krumme Nase, meine fettigen, schwarzen Haare und meine etwas schiefen gelben Zäh-ne. Ich würde so gerne ein bisschen schlafen und mein Körper wäre ja auch ruhig und entspannt genug dazu, aber mein Kopf und heute auch meine Empfindungen lassen mich nicht wirklich Ruhe finden. Noch nie war mein Bett so leer und einsam wie heute. Ich würde gerne ein wenig weinen, um mich zu erleichtern, aber ich kann es nicht, schon viel zu lange nicht mehr und meine Au-gen beginnen schon wieder mal wie glühende Kohlen zu brennen. Oh gütiger Merlin, es ist eine so elende Plage nicht wei-nen zu können, wenn man es doch so sehr will. Warum nur, warum kann ich nicht mehr weinen? – nicht mehr seit damals, als ich diesen Anfall auf meiner Lichtung in Yorkshire hatte und all den Schmerz, die hilflose Wut und den grässlichen Selbstekel aus mir herausgeschrieen habe – es ist fast so, als hätte die nachfolgende Lungen-entzündung alles aus mit heraus gebrannt, was mich wirklich zu einem Menschen gemacht hat. Ich kann nicht mehr weinen, kaum mehr schlafen, nur sehr wenig essen, kaum etwas macht mir noch Freunde und die meiste Zeit schäme ich mich meiner Taten, schleppe so grenzenlose Schuld mit mir herum. Leeres Sein – viel mehr bin ich nicht – da ist nicht wirk-lich noch was, was mich als einen Menschen erscheinen lässt, denn ich bin auch nicht in der Lage jemand (außer Dumbledore) so weit zu trauen, dass ich auch nur eine zurückhaltende Freundschaft schließen könnte – und wenn ich was von ‚normalen’ Menschen weis, dann dass sie gewöhnlich Freunde haben und auch mehr... Ich bin wirklich nicht normal – irgendetwas fehlt mir – irgendwelche Sinne oder Empfindungen, die ‚normale’ Menschen haben. Ich bin eine Missgeburt, ein Kretin, gar nicht wert, auf dieser Welt zu sein und sie mit mei-ner Gegenwart zu beflecken. Wertlos, absolut wertlos und jämmerlich – es wäre wohl besser, wenn ich nie ge-lebt hätte – alle wären besser dran ohne mich... Tue ich mir schon wieder mal Leid? Yeah, eindeutig und zwar sehr ausführlich. Ich kuschle mich noch fester um mein Kissen, knülle es unter meinem Leib zusammen und klammere mich beinahe hilflos daran fest – es ist mein einziger Halt in der Dunkelheit meines Schlafzimmers und auch wenn ich es sonst mag, wenn es nicht so hell ist, so ist es im Augenblick beklemmend, regelrecht be-ängstigend. Ich komme mir so verlassen, so schutzlos und alleine vor, so voller Sehnsucht nach einem was auch immer – doch noch nicht mal meine Träume können mir zeigen, was dieses was-auch-immer denn sein könnte, wie es sich anfühlen sollte, es zu finden. Wie kann man denn auch etwas finden, wenn man doch so gar nicht weis, wie es überhaupt aussehen soll? Und warum sollte man etwas suchen, wenn man sich doch nicht sicher ist, ob man es überhaupt haben will? Wieviele schlaflose Nächte habe ich schon hinter mir, wieviele davon liegen noch vor mir? Ich weis nicht, wie lange ich leben werde, ich weis noch nicht mal, ob ich überhaupt lange leben will. Wie sollte sich das denn wirklich wollen, wenn ich doch weis, dass jeder einzelne Tag in der Zukunft, so einsam und leer sein wird, wie es jeder einzelne in der Vergangenheit war. Die Vorstellung ist grässlich, dass sich nichts für mich ändern wird, weil ich es nicht ändern kann oder auch gar nicht ändern will. Soll ich dem ein Ende setzen – einfach so – gleich hier und jetzt? Ich müsste ja nur an eins meiner Regale gehen und mir eins meiner Gifte holen, doch etwas in mir will noch nicht sterben, etwas in mir findet, dass ich noch lange noch nicht genug gelitten habe und es schon gar nicht wieder gut gemacht habe. Meine Schuld ist noch nicht abgetragen, ich habe hier noch Verpflichtun-gen und es gibt noch ein paar Schwüre, die noch nicht erfüllt sind, Dinge, die ich noch nicht zu Ende gebracht habe und die ich zu Ende bringen will und muss, bevor ich mir selbst ein Ende setze... Außerdem gibt es da einen gütigen, alten Mann, den ich liebe wie einen Vater, dem ich damit wehtun würde – wenn es schon sonst keinen berühren würde, dass es mich nicht mehr gibt – und diesen alten Mann will ich nicht verletzen, ich habe geschworen, ihn nie zu enttäu-schen. Also muss ich weiter leben, weiter leiden und mich auch weiter sehnen ... nach was auch immer...  1 . März 1986 Endlich ist es wirklich Frühling geworden und das schöne Wetter vertreibt ein wenig die düsteren Ge-danken, die ich nahezu jede Nacht in den letzten vier-zehn Tagen gewälzt habe. Ich habe weitere Rezepte übersetzt und ich habe dabei erfahren, dass ich be-stimmte Wurzeln und Kräuter brauche, die wohl durch-aus im Verbotenen Wald zu finden sein dürften. Ich muss also nur warten, bis es warm genug geworden ist, dass etwas wächst und ich in der feuchten Erde herum-wühlen kann, ohne mir dabei die Finger abzubrechen, weil sie noch halb gefroren ist. Doch heute scheint die Sonne und die Luft ist mild und warm, außerdem ist mal wieder Wochenende und nichts hält mich davon ab, in den Wald zu gehen, wenn ich das tun will. Also mache ich mich auf den Weg durch die Eingangshalle hinauf und übers Gelände zum Wald hin-über. Hagrid ist vor seiner Hütte und macht sich für die warme Jahreszeit bereit. Er winkt mir freundlich von weitem, aber er sagt nichts. Ich bin froh, dass er mich nicht anspricht, denn mir ist nicht nach Reden. Ist es mir eigentlich selten, Schweigen ist besser und man ver-rät dabei weniger über sich selbst und man muss auch nicht aufpassen, was man wie sagt, um keinen vor den Kopf zu stoßen – was mir in den meisten Fällen zwar völlig egal ist, aber Hagrid mag ich und da sollte ich doch die Höflichkeit wahren – was mir nicht unbedingt leicht fällt. Ich habe einen Spannkorb dabei und ein starkes, schar-fes Messer und so muss der Halbriese wohl wissen, was ich vorhabe und warum ich in den Wald hinein will. Er hat mich auch noch nie davon abgehalten, seit ich ein Erwachsener bin (als Junge schon). Die Bäume sind noch ziemlich kahl, aber einige winzige Knospen sind bereits zu sehen – es geht nichts über diese Farbe des ersten Grüns im Frühling und es ist jedes Mal fast ein Gefühl, wie neu geboren zu werden. Ich habe den Frühling schon immer geliebt und ich habe auch Wälder schon immer geliebt. Sie sind so behütend und haben etwas von Ewigkeit in sich. Schon bald habe ich die ersten Pflanzen gefunden, hinter denen ich her war und ich schneide sie vorsichtig über den Wurzeln ab, die nehme ich nämlich nur, wenn ich sie wirklich brauche – es wächst nichts mehr im nächsten Jahr, wenn ich zu sehr plündere. Ich lasse auch immer ein paar Pflanzen stehen, damit sie sich vermehren können. Sogar ein paar Einhornhaare schimmern an einem sta-cheligen Busch und ich klaube sie erfreut herunter. Das Zeug ist sehr teuer, da es nicht mehr allzu viele Einhör-ner gibt, doch wir haben hier im Verbotenen Wald eine durchaus überlebensfähige Population und so ist es durchaus möglich hier sowas zu finden. Trotzdem freue ich mich wie ein kleines Kind, dieses Glück zu haben. Ich finde auch ein paar Hippogreifen Federn und eine Klaue eines richtigen Greifs. Alles wichtige und wertvolle Trankzutaten, die ich gut gebrauchen kann. Auch die Wurzeln, die ich suche, stöbere ich auf. Noch wächst nichts aus ihnen (dazu ist es noch zu früh im Jahr), aber ich kenne die Anzeichen und so kann ich auch ausbuddeln, was ich haben will – wie gesagt nicht alle, damit wieder was wachsen kann. Es ist herrlich sich an der frischen Luft zu bewegen, die Sonne scheint zwar, ist aber hier im Wald nicht zu grell oder gar blendend und so kann ich diesen Frühlingstag wirklich genießen – etwas, das ich nur selten tun kann – etwas aus ganzen Herzen zu genießen ... vielleicht auch, weil ich nicht glaube, sowas verdient zu haben. Ich habe zwar inzwischen alles, was ich haben wollte, aber ich will noch nicht ins Schloss zurück und so besu-che ich mal wieder Pixis Grab. Es ist das einzige Grab, das ich je besuchen wollte und ich vermisse die kleine Elfe immer noch. Keiner, der mich glaubt mich zu ken-nen, würde auch nur vermuten, dass ich so sentimental sein könnte – und das wird auch gut so sein. Nein, ich bin nicht wirklich die Person, die ich gewöhnlich der Öf-fentlichkeit zeige. Der Steinhaufen ist ein wenig von Moos überwuchert worden und ich kratze es herunter. Ich will nicht, dass dieser Ort einfach wieder mit der Umgebung ver-schmilzt. Will nicht, dass sie einfach so vergessen wird, auch wenn ich wohl der Einzige bin, der sich an sie er-innert. Doch das spielt keine Rolle, irgendwie ist es mir wichtig und so tue ich, was ich für richtig halte – ich bin niemand darüber Rechenschaft schuldig. Ich setze mich neben ihr Grab ins weiche Moos und be-ginne mich mit ihr zu unterhalten, wie ich es häufig ge-tan habe, als sie noch lebte. Sie war meine Vertraute, das einzige Wesen, dem ich nicht lästig fiel, das mich wirklich mochte, seit vielen, sehr vielen Jahren (mal wieder außer Albus, aber mit dem kann ich sicher nicht über alles reden – es wäre mir zu unangenehm und mehr als nur peinlich). Ich starre durch die immer noch wie tot aussehenden Zweige in den blauen Himmel und ein leichter Wind be-ginnt mit meinen langen Haaren zu spielen. Sie hängen bis weit auf meinen Rücken hinunter und ich sollte sie mal wieder kürzen, denn sie verheddern sich inzwischen so sehr, dass ich beinahe nicht mehr mit einem Kamm durchkomme – vielleicht sollte ich sie auch mal wieder gründlich waschen und nicht immer nur nass machen. Aber egal. Darum kann ich mich später kümmern (oder auch nicht), jetzt will ich einfach nur diesen herrlichen Frühlingstag genießen. Ich halte mich ruhig, bewege mich kaum, lausche nur und fühle ... den Wind, die Son-ne, die Natur um mich herum. Kleine Vögel schwirren in den Büschen und Bäumen herum, Kaninchen hoppeln zur Quelle und sogar ein Hirsch tritt unter den Bäume auf die Lichtung heraus. Ich rege mich nicht, beobachte nur nahezu atemlos. Es hat was, einfach nur hier zu sit-zen und die Tiere zu sehen. Sie scheinen mich nicht zu fürchten, ja noch nicht mal wirklich zu bemerken. Auch der Hirsch tritt auf die Quelle zu, senkt sein edles Haupt und trinkt einen Schluck Wasser, dann äugt er neugierig über die Lichtung, doch er sieht mich immer noch nicht, denn ich bin regelrecht erstarrt, ich will nicht, dass ich hier zum Störfaktor werde, bin hier nur ein Besucher, ein Gast und kein Bewohner, ich gehöre nicht wirklich hier her – wobei sich die Frage stellt, wohin ich über-haupt gehöre ... doch die wird bis zu einer anderen Gele-genheit warten müssen, denn jetzt will ich einfach nur schauen und das alles hier in mich aufnehmen. Es gibt mir ein wenig von dem Frieden, den ich oben im Schloss die meiste Zeit so vergeblich suche. Keiner will mir hier etwas Böses, will überhaupt was von mir, ich werde ein-fach in Ruhe gelassen und sogar ignoriert – aber nicht auf eine beleidigende Art – sondern in einem tiefen Frie-den der sich wohltuend um mein Innerstes legt. Vielleicht sollte sich wirklich öfter einfach mal hierher kommen, wenn mir das so gut tut. Aber wann tue ich schon mal was, das mir gut tut – meistens lasse ich so-was nicht zu, weil ich der Meinung bin, es einfach nicht zu verdienen und denke, dass ich mich immer noch für viele Dinge bestrafen muss, die ich einst verbrochen ha-be. Doch wie lange kann ich noch mit mir selbst leben, wenn ich mir nicht wenigstens hin und wieder etwas Gutes angedeihen lasse? Hier fühle ich mich ausgespro-chen wohl, zufrieden, ruhig ... einfach nur gut und als Teil der Szenerie, der nicht stört, sondern einfach nur dazu gehört ... etwas, das ich sonst nirgends tue ... ein-fach nur dazu gehören... Ich weis nicht, wie lange ich so da sitze und einfach nur die Umgebung in mich aufnehme, den Frieden des Wal-des auf mich wirken lasse, aber es müssen viele Stunden sein. Ich verliere mich nahezu in mir selbst und diesem Ort hier (ich hielt diese Quelle schon immer für etwas Besonderes, ja fast sogar Heiliges). Als ich wieder zu mir komme, ist es, weil der sich nähernde Abend Schatten über den Boden wirft und die Sonne bereits dabei ist, hinter den Bergen, die den Talkessel von Hogwarts be-grenzen, unter zu gehen. Ich rufe mich zur Ordnung, recke und strecke mich und sehe zu, dass ich wieder auf die Beine komme. Mein Ho-senboden ist feucht und meine Muskeln sind kalt gewor-den, es kribbelt in meinem ganzen Körper, als sei so Ei-niges davon eingeschlafen. Doch das ist gleich vorbei und so nehme ich meinen Spannkorb und mache mich wieder auf den Weg nach Hause ins Schloss. Ich bezweif-le, dass mich dort jemand vermisst hat oder auch nur bemerkt hat, dass ich nicht da war und irgendwie ist mir das nur zu Recht, aber irgendwie tut es auch weh – dort, an dieser Stelle in meinem Inneren, wo zuvor die-ser Frieden einen Platz gefunden hatte. Ich weis nicht, wie lange er dort verharren wird, aber ich hoffe doch für einige Zeit ... für mich gibt es einfach zu wenig da-von, als dass ich darauf verzichten wollte, wenn ich doch mal was davon finde.  8 . März 1986 Ich habe weiter an meinen alten Rezepten gearbeitet und festgestellt, dass ich dafür einige Zutaten brauche, von denen ich beim besten Willen nicht weis, wo ich sie herbekommen soll – geschweige denn, wo sie die Leute aus dieser Zeit besorgt haben. Hyänenhaar, Nashorn-horn, Straußenfedern, Lemurenkot, Geiereier ... und, und, und... Die reinste Menagerie ... doch halt, das ist die Idee! Muggel halten exotische Tiere in so genannten Zoos. Dort dürfte sich alles tummeln, was auch immer ich brauche, doch ich glaube kaum, dass ich einfach zu die-sen Muggeln hingehen kann und ihnen meine Wunsch-liste vorlegen. Die halten mich ja für bekloppt, denn auch wenn ich nicht viel über nichtmagische Menschen weis, so weis ich doch, dass sie es sicher nicht für normal halten würden, wenn ich Lemurenkot von ihnen verlan-gen würde. Was also kann ich tun? Nun, ich bin ein Magier und ich kann apparieren, somit bin ich nicht an irgendwelche Öffnungszeiten gebunden. Ich kann dort auftauchen und auch wieder verschwinden, wie ich will. So ein Ort wird sicher bewacht werden, aber ich bezweifle, dass wie auch immer geartete Schutzbänne darauf liegen, die mich hindern könnten. Trotzdem – das alles will gut ge-plant sein. Keiner sollte davon wissen und ich sollte mich mit Sicherheit dort nicht erwischen lassen. Nun, es nähert sich ein langes Osterwochenende und keiner wird fragen, wenn ich es nicht im Schloss ver-bringe – außer vielleicht Albus, aber für den fällt mir schon eine eingängige Ausrede ein. Natürlich mache ich auch meine gewöhnliche Arbeit und ich habe sogar schon ein Opfer gefunden, das mir mein Klassenzimmer auf Hochglanz putzen musste und das stellt mich doch ziemlich zufrieden. Meine absolut schlechte Laune hat sich mal wieder weitgehend verzogen und ich denke, das ist, weil das Wetter besser geworden ist und wir einen geradezu herrlichen Frühling bekommen haben, der mich so ziemlich für den grässlichen kalten Winter ent-schädigt. Wer würde schon glauben, dass ich was für schönes Wetter und milde Luft übrig habe? Ist aber so und ich bin sogar wieder ein paar Mal am Astroturm oben gewe-sen, um das zu genießen – natürlich ohne mich dabei ertappen zu lassen. Wo käme ich denn da hin? Auch Al-bus ist mit mir zufrieden, weil er denkt, dass ich genü-gend esse, schlafe und dass es mir gut geht. Nun, schlecht geht es mir ja auch nicht – eigentlich sogar sehr gut für meine Verhältnisse, aber das mit dem Essen und Schlafen ist kaum mehr als Tarnung. Sicher bin ich nicht wirklich glücklich, aber das bin ich ja nie. Ich bin ein wenig ruhiger geworden und stehe nicht mehr ganz so unter Strom – wenigstens habe ich nicht mehr an-dauernd den Impuls etwas kaputt zu schlagen oder ei-nen Kessel zu sprengen, nur weil es so schön kracht. Ich arbeite auch an Verbesserungen bekannter Rezepte und die alten Übersetzungen helfen mir dabei, bringen mich auf ein paar gute Ideen, aber denen werde ich erst nachgehen können, wenn ich in einem Zoo geplündert habe. Unter uns Magiern ist es nicht üblich, magische Wesen in einen Zoo zu sperren, denn es ist schlichtweg unmöglich, derartige Wesen versteckt vor Muggelaugen in großer Menge zu halten. Im Verbotenen Wald geht sowas natürlich, aber dort sind diese Geschöpfe frei und außerdem ist das ganze Gebiet für die Muggel – nun – vielleicht nicht unsichtbar – aber sie verspüren nicht den Wunsch, es zu betreten. Es gilt als unheimlich, ge-fährlich und vollkommen uninteressant und das wird auch gut so sein. Wenn ich mir vorstelle, dauernd neu-gierige Leute vertreiben zu müssen, die eine uralte Schlossruine besichtigen wollen (so sieht Hogwarts näm-lich für unwissende Augen aus), dann wäre das doch wohl recht heftig. Ich sitze an meinem Schreibtisch und arbeite. Um mich herum türmt sich ein Wust aus Pergamenten, teils meine eigenen Notizen, teils übersetze Rezepte und teils Schü-leraufsätze, die ich mal wieder korrigieren soll und hier liegen habe, damit ich sie nicht so gaaanz zufällig ver-gesse – wie ich es manchmal nur zu gerne tun würde. Ich bin unkonzentriert, denn mir geht diese Aktion mit dem Muggel Zoo einfach nicht aus dem Kopf. Ich weis ja schließlich nur, dass es sowas gibt, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie eine derartige Anlage aus-sieht. Auch mein ‚Lexikon der Muggelbegriffe’ hilft mir dabei kein bisschen. Ich halte es auch für keine gute I-dee, mir das Ding erstmal als Besucher anzusehen, denn ich weis, dass ich beim besten Willen nicht wie ein Mug-gel aussehe und daher mit Sicherheit auffallen würde. Ich mag auch nicht versuchen, mich wie ein Muggel zu kleiden, denn ich weis, dass die meisten Zauberer, die sowas versuchen nur noch mehr auffallen, weil sie so gar keine Ahnung haben, wie sich Muggel wirklich an-ziehen – nicht, dass ich die hätte. Ich war nur einmal mit Hieratus in Muggel London in einem Tanzschuppen, aber ich bezweifle, dass diese Kleidung, die ich dabei ge-tragen habe, passend für einen Besuch im Zoo wäre. Ganz abgesehen davon, das ich die Klamotten auch gar nicht mehr habe. Ich habe sie damals gleich am nächs-ten Tag weggeworfen, weil der Abend in einem ziemli-chen Fiasko endete und ich sicher nicht mehr daran er-innert werden wollte. Also echt nichts mit einem offiziellen Besuch. Aber viel-leicht sollte ich mehrere Nächte für diese Aktion einpla-nen und meine Tage im Tropfenden Kessel verbringen – ein Abstecher in die Winkelgasse wäre ohnehin wieder mal angesagt – ich brauche auch noch andere Zutaten und die Qualität der letzten Kessellieferung ließ doch etwas zu wünschen übrig – es war wohl ein günstiger Sonderposten aus zweifelhaften Quellen. Sowas muss ich wirklich nicht nochmal haben. Dann brauche ich din-gend neue Schuhe – wohl mehr als nur ein Paar, wie ich es in den letzten Jahren immer hatte – und das im letz-ten Winter so ziemlich das Zeitliche gesegnet hat. Meine Halbstiefel werden nämlich nur noch von ein paar mächtigen Elfenzaubern und sehr viel gutem Willen zu-sammen gehalten. Shit – ich hasse es einkaufen zu müssen. Aber Schuhe sind nicht ganz so schlimm wie Kleidung – hoffe ich we-nigstens. Sicher könnte ich sie mir auch in Hogsmeade besorgen, aber es ist ein zu guter Vorwand, um nach London zu gehen. Allerdings sollte ich mich auch noch unauffällig erkundigen, wo eigentlich dieser Zoo liegt, denn die Stadt ist dann doch verdammt groß, um sie ein-fach so abzusuchen. Ach verflixt – immer neue Probleme. Wen soll ich denn fragen ohne mich als dämlichen Aus-länder oder gar als ganz was Fremdes (und das sind Ma-gier nun mal für Muggel) zu outen. Ich mache mich nicht gerne zum Trottel und wenn ich unbedarft frage, dann werde ich das mit Sicherheit. Am liebsten würde ich meine Pläne schon wieder mal aufgeben, mit all diesen Fußangeln, die darin liegen, a-ber dann fällt mein Blick wieder auf diese Rezepte und es kribbelt mich regelrecht in den Fingern, sie zu brauen und wenn ich das so dringend will, dann werde ich mir wohl die nötigen Zutaten besorgen müssen.  29 . März 1986 Meine Pläne sind so weit fertig, das Osterwochenende ist auch da, Albus weis, dass ich nach London will, um ein paar Dinge zu erledigen (wobei sich diese Dinge seines Wissens nach in der Winkelgasse abspielen werden), ich habe ein paar Sachen zusammen gepackt, die ich mitnehmen will. Unter anderem auch so einige Behältnisse und Beutel in die ich meine Beute zu packen gedenke. Mein Zauberstab steckt sicher in der Innenta-sche und ich habe einen Portschlüssel verzaubert. Das scheint mir eine bessere Idee zu sein, als das Schloss auf einem anderen Weg zu verlassen. Ich werfe noch einen schnellen Blick durch meine Räu-me, ob ich auch alles habe, was ich brauchen werde und benutze den Portschlüssel, um in den Hinterhof des Kes-sels zu gelangen. Es ist die übliche unangenehme Reise und ich mag es nicht besonders, so unterwegs zu sein, aber so viele Alternativen gibt es für einen Zauberer nun mal nicht und ich mag eigentlich keine davon besonders – außer vielleicht den Hogwarts Express, doch der hält in Kings Cross und der Tropfende Kessel ist in einer ganz anderen Ecke von London. Ich gehe in den Pub hinüber und nehme mir ein Zimmer für ein paar Tage. Tom ist erfreut mich wieder mal zu sehen und gibt mir zur Feier des Tages ein Butterbier aus. Er gehört zu den wenigen Leuten, die ein bisschen mehr über mich wissen und dennoch mit mir klar kom-men. Vielleicht, weil er selbst ein bisschen was von einem seltsamen Kauz an sich hat. „Wie geht es ihnen, Sir?“ will er wissen. „Ich hab sie ja ein paar Jahre lang nicht mehr gesehen.“ „Das hatte schon seine Gründe Tom, aber die spielen jetzt keine Rolle mehr“, erwidere ich. „Ich werde zuse-hen, dass ich mal öfters vorbei kommen kann.“ „Wo sind sie jetzt?“ „In Hogwarts als Tränkeprofessor“, gebe ich zurück. Tom wusste von meinen Plänen, denn er hatte mir schließlich geholfen, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. „Es hat also geklappt?“ fragt er weiter. „Doch“, entgegne ich. „Könnte man so sagen.“ „Gut, gut, das freut mich“, meint er. Er beginnt ein wenig über die Stimmung in der Zaube-rergemeinschaft zu plaudern und es ist recht interessant für mich, denn ich bin in Hogwarts doch recht abge-schieden und beziehe mein diesbezügliches Wissen hauptsächlich aus dem Tagespropheten. Tom weis we-sentlich mehr und er beschönigt weder, noch hält er mit dem hinter dem Berg, was er als Wahrheit erkannt zu haben denkt. Ich stelle Fragen, wo ich es noch genauer wissen will und Tom teilt mir sehr bereitwillig seine Meinung zu den einzelnen Gegebenheiten mit. Ich hatte nicht gewusst, dass Crouch an Einfluss verloren hat und ein gewisser Cornelius Fudge als neuer Minister für Zauberei gehandelt wird, sollte sich die jetzige Ministe-rin zurückziehen wollen. Doch auch Dumbledore hat seine Meriten, auch wenn Tom bemerkt, dass sie ihn schon mehrmals zum Minister hatten machen wollen und er hat nie so recht gezogen. Der Wirt meint, der Alte würde wohl keine Politik mögen. Nun, das weis ich nicht, aber ich wäre ziemlich unglück-lich, wenn Albus nicht mehr länger Direktor von Hog-warts wäre, denn ich weis nicht, ob mich ein Nachfolger würde behalten wollen und dann hätte ich wirklich kei-nen Ort mehr, wo ich willkommen bin. Wie auch immer, das sind noch ungelegte Eier und ich sollte erst anfan-gen, mir ernsthafte Sorgen zu machen, wenn das alles spruchreif ist. Sehr vorsichtig frage ich schließlich nach einem Zoo in London und Tom weis Bescheid. Er fragt mich noch nicht mal, was ich mit einer derartigen Ein-richtung überhaupt will. Er gibt mir eine Wegbeschrei-bung, mit der ich was anfangen kann und mein erstes Problem hat sich erledigt. Ich entschließe mich, erstmal meinen Koffer ins Zimmer nach oben zu bringen und dann in die Winkelgasse zu gehen. Es ist derselbe Raum, den ich vor so vielen Jahren bewohnt habe und ich den-ke, Tom hat ihn mir absichtlich gegeben. Nun, ich bin sicher nicht so sentimental, aber dennoch fühle ich mich hier fast wie Zuhause. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir das rege Treiben auf den Straßen von Muggel Lon-don – die Fenster zur Winkelgasse sind in den Zimmer auf der anderen Seite des Gangs. Ich habe die unange-nehme Furcht dort mal wieder jemand zu treffen, den ich sicher nicht sehen will, aber ich kann mich nicht auf Dauer davor drücken, mich in unserer Welt zu bewegen. Ich bin nicht mehr auf Bewährung, schon seit einiger Zeit nicht mehr und trotzdem habe ich diese Tatsache seit diesem einen ersten Ausflug nicht mehr wirklich ausgenutzt. Ich bin schon ein seltsamer Typ und so verdammt men-schenscheu. Vor was habe ich den eigentlich Angst, dass mich einer darauf anspricht, dass ich einst ein Todesser war? Jeder, der mich darauf ansprechen könnte, war selbst einer und hat jeden Grund, sich ziemlich bedeckt zu halten. Auroren fürchte ich nicht wirklich, denn nur wenige von ihnen wissen, wie ich aussehe und die wer-den wohl nicht ausgerechnet dann in der Winkelgasse rumlaufen, wenn ich mich mal dort aufhalte. Himmel – ich bin wirklich verkorkst, da hadere ich fast eine Stunde mit mir selbst, nur um sowas Normales zu tun, wie Einkaufen zu gehen. Ich schelte mich selbst, nehme mich zusammen und verlasse den Kessel durch den Hinterausgang. Rasch den richtigen Ziegel ange-tippt und schon stehe ich in der Winkelgasse, wo es alles gibt, was ein Zauberer sich auch nur wünschen kann. Ich mache mich als erstes zu dem Kesselhändler auf, der mir so mangelhafte Ware geliefert hat. Es braucht eine ganze Weile, bis der Verkäufer einen Verantwortlichen geholt hat. Meine Laune ist in der Zwischenzeit ziemlich übel geworden und ich bin so richtig schön in Stimmung jemanden nach allen Regeln der Kunst zur Schnecke zu machen. Ein vierschrötiger Mann erscheint und er sieht beinahe so aus, als würde er seine Kessel selbst schmieden. „Sir?“ spricht er mich an. „Mr Cauldren, nehme ich an?“ Er nickt. „Ich bin im Auftrag von Hogwarts unterwegs und ich will mich über die Qualität der letzten Lieferung an Kes-seln beschweren“, setze ich an. „Salamanderblut brennt Löcher hinein und die Böden schmelzen sobald man sie ein wenig länger auf der Brennstelle lässt...“ „Wir haben da einen sehr günstigen Posten bekommen“, wirft der Besitzer ein. „Und wir sind immer daran inte-ressiert, günstige Preise an unsere guten Kunden weiter-zugeben.“ „An den günstigen Preisen sind wir sicher interessiert“, schnarre ich. „Aber nicht an schlechter Qualität! Hog-warts ist immerhin eine Schule und dort arbeiten Kinder an diesen Kesseln. Können sie es verantworten, dass Kinder verletzt werden, nur weil sie mangelhafte Ware geliefert haben?“ Ich habe mich zu meiner vollen Größe aufgerichtet und mein voluminöser Umhang lässt mich wesentlich wuch-tiger erscheinen, als ich es in Wahrheit bin. Mein Blick ist so scharf, dass ich damit so manchen nur damit zum Erzittern bringen kann und er wirkt auch auf diesen Mann. Ich habe mich vor ihm am Tresen abgestützt und habe mich sehr nahe zu ihm hin gebeugt. Meine Schüler sind immer kurz davor unter ihre Tische zu kriechen, wenn ich sowas bei ihnen mache. Hier zieht sich nur der Verkäufer mit vorsichtig tastenden Schritten ins Hinter-zimmer zurück. Der Besitzer schluckt schwer und es ist deutlich, dass er mich so schnell wie nur möglich loswerden will, aber ich werde erst gehen, wenn ich absolut sichergestellt habe, dass er mir nie wieder so minderwertige Ware liefert. „Um ... um ... um ... wieviele Kessel handelt es sich denn?“ beginnt er zu stammeln. „Ein dutzend, geliefert Anfang März“, erwidere ich mit seidig schneidender Stimme. „Wir werden sie noch diese Woche austauschen“, keucht er. „Ohne zusätzliche Kosten.“ „Das ist das Mindeste, was sie tun können, um mit Hog-warts im Geschäft zu bleiben“, schnarre ich. „Sollte so-was nochmal passieren, dann werden wir uns um einen anderen Lieferanten umsehen – der ein wenig – nun, sagen wir mal – zuverlässiger ist und nicht so sehr auf günstige Preise schaut, wie auf die Qualität der Ware.“ Sein Blick ist flackernd und unsicher geworden und er kritzelt fahrig auf einem Bestellzettel herum. „Dann sollte das wohl geregelt sein“, flüstere ich gefähr-lich leise. „Ihnen noch einen Guten Tag, Mr Cauldren.“ Ich wirble herum, dass sich mein Umhang hinter mir bläht und verlasse mit langen Schritten den Laden, wer-fe hinter mir schwungvoll die Tür zu, sodass die Scheibe klirrt. Oh ja, das hat jetzt gut getan! Ich kann sicher alleine mit meiner Stimme das erreichen, wozu andere wüste Drohungen brauchen und das weis ich. Irgendwie ist es ein herrliches Spiel, auf diese Art solche geldgieri-gen Nieten einzuschüchtern. Man muss nicht wirklich eine Drohung aussprechen, alleine der Tonfall beinhal-tet schreckliche Konsequenzen und regt die Phantasie des Betroffenen an, sich was auch immer Schreckliches vorzustellen. Yeah – nett, echt nett. Ich lenke meine Schritte zum ersten Händler für Trank-zutaten und kaufe dort, was ich für angemessen halte und handle ihn ein ganzes Stück herunter, prüfe seine Ware sehr gründlich und nehme nur das Beste. Der Mann ist nicht dumm und nachdem ich zwei Ingredien-zien abgelehnt habe, weil die eine schlecht zubereitet war und die andere kurz vor Ende ihrer Haltbarkeit an-gelangt, legt er mir nur noch Spitzenqualität vor. Ja, das sollte man wirklich persönlich machen, wenn man anständige Ware haben will. Am Ende macht er mir einen fairen Preis und ich bin mir sicher, dass er erleichtert aufatmet, als ich seinen Laden wieder verlasse. Die meisten Händler sind ein wenig Ga-noven, entweder bei den Preisen oder bei der Qualität, denn sonst kämen sie sicher auf keinen grünen Zweig – aber nicht mit mir! Sollen sie sich andere Dumme su-chen, die ihnen helfen, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Auf dieselbe Art klappere ich noch weitere Händler ab, bis ich alles habe, was ich brauche – und zwar in der Qualität, die ich haben will. Ich weis, dass ich mich hier damit sicher nicht beliebt mache, aber wer will schon beliebt sein? Auf jeden Fall kann ich sicher sein, dass ich auch dann nur beste Ware bekomme, wenn ich mal von Hogwarts aus bestellen muss und dass ich bevorzugte Behandlung genieße, wenn ich hier mal wieder auftau-che und mir somit nicht mehr die Mühe machen muss, ihnen zu beweisen, dass ich mich mit der Ware auskenne und mir keinen Schrott andrehen werden lasse. Ich könnte auch mal wieder neue Werkzeuge, Waagen und Ähnliches brauchen und so suche ich nach einem ent-sprechenden Laden. Schon bald habe ich ihn gefunden und tobe mich auch dort ein wenig aus. Albus gewährt mir immer ein großzügiges Budget für meine Bedürfnisse und dieses Mal bin ich entschlossen, es ein wenig zu strapazieren, denn ich muss zugeben, dass es mir ganz schön Spaß macht, derartige Dinge zu kaufen. Mit weiteren Paketen bepackt, mache ich mich wieder auf nach draußen auf die Straße. Etwas zurückgesetzt finde ich einen neuen Laden, der Präparate vertreibt, wie sie ein Trankmeister oder auch Alchemist braucht. Ich weis, dass die Kinder diese Sachen als ‚Snapes Samm-lung gruseliger Kreaturen in Einmachgläsern’ bezeich-nen. Aber ich habe die meisten davon vom alten Leech geerbt und ich mag das Zeug, es hat echt was. Nun, wa-rum nicht die Sammlung fortführen? Schließlich habe ich ja auch eigenes Gold, denn ich bezweifle, dass Albus Budget auch sowas mit abdeckt – aber Versuch macht klug und vielleicht kann ich ihm ja erzählen, dass ich die eingemachten Viecher für ein paar spezielle Tränke brauche. Glowlags (so nennt sich der Laden) Angebot ist wirklich reizvoll, das Plaudern des Besitzers ist es weniger. Will er mir doch nicht tatsächlich weiß machen, dass er die meisten der Viecher nicht nur selbst präpariert hat, sondern auch noch selbst gejagt oder gefangen? Nun, soll er doch, solange er sich das Zeug nicht mit Gold auf-wiegen lässt, dann kann er mir erzählen, was er will und ich muss ja nur auf Durchzug schalten, wie ich es tue, wenn die Kollegen mal wieder was an mir auszusetzen haben – ich sollte also Übung darin haben. Er verlangt Mondpreise, aber auch ihn kann ich ein we-nig herunter handeln, allerdings muss ich mich wirklich ein wenig zusammennehmen, denn am liebsten würde ich seinen halben Laden kaufen und dafür reicht weder mein Gold noch mein Budget. Ich entscheide mich für drei besonders schöne Exemplare. Einen hübschen Knee-wool (ein sechsbeiniges, türkises, wollhaariges Wesen mit Flügelstummeln, das so gut wie ausgestorben ist), einen Volvox (eine Ansammlung perlartiger Kugeln, die ein oder auch mehrere Wesen darstellen können) und eine Horaxpflanze (sie ist mir der Alraune verwandt, a-ber sieht im Gegensatz zu der sehr hübsch aus). Es gibt durchaus Tränke, in denen man Teile davon verwenden kann, aber es täte mir wirklich Leid, etwas davon zu verbrauchen. Der Händler redet von seinen besten Stücken und das glaube ich ihm sogar, doch ich lasse mir das nicht an-merken, denn das würde nur den Preis nur noch weiter in die Höhe treiben und der ist bereits jetzt horrend. A-ber warum sollte ich das nicht kaufen? Ich gönne mir ja sonst nichts. Trotzdem beginne ich zu handeln und finde in dem Mann einen wirklich würdigen Gegner für mein diesbezügliches Talent. Ich kann zwar nicht richtig mit Gold umgehen, aber ich habe ein Gespür dafür, wenn mich jemand übervorteilen will und ich liebe es zu han-deln. Als ich den Laden mit meiner Beute verlasse, sind wir wohl beide zufrieden. Der Händler hat seinen Schnitt gemacht und ich habe was ich wollte, zu dem Preis, den ich zu zahlen bereit war. Jetzt brauche ich nur noch neue Schuhe, denn die mei-nen haben begonnen unangenehm zu drücken und ich weis, dass die Zauber, die darauf liegen nun endgültig den Geist aufgeben. ‚Boots and more’ bietet eine recht gute Auswahl an al-lem, was sich ein Zauberer in dieser Hinsicht nur wün-schen kann. Nun, ich bin nicht Albus und stehe sicher nicht auf violette Schnabelschuhe oder knallrote, flau-schige Hausslipper, aber hier bekomme ich auch dezen-tere Modelle. Schnell habe ich mich für ein paar feste gefütterte Stiefel für den nächsten Winter, die der Ver-käufer als ein Auslaufmodell deklariert und mir einen Sonderpreis dafür macht. Er scheint froh zu sein, die Dinger los zu werden, aber mir gefallen sie und natür-lich sind sie schwarz, ganz abgesehen davon, dass sie auch sehr bequem sind. Er zeigt mir ein paar Halbstiefel für die gegenwärtige Jahreszeit, die er als den ‚letzten Schrei’ bezeichnet. Nun, den hätte ich beinahe auch ausgestoßen, denn die Dinger sind grässlich. Sie sind aus Donnerechsenhaut und schillern in sämtlichen Regenbogenfarben, wenn auch eine etwas düstere Art, außerdem sind sie so spitz, dass sie sicher in einer Wand stecken bleiben würden, wenn man dagegen tritt (was ich durchaus manchmal tue, wenn ich gewaltsam versuche, einen Wutanfall zu unterdrücken und damit keinen rechten Erfolg habe). Der Verkäufer sieht meine ablehnende Reaktion und kommt mit einem etwas nüchterneren Paar zurück. Es ist schwarz und glatt (keine Schuppen!) so wie ich es ha-ben will und ich probiere sie an, wobei ich feststellen muss, dass ich sie gut zwei Nummern größer brauche. Er sieht das Problem und holt sofort andere. Diese passen und ich bin es zufrieden. Dann bietet er mir noch ein paar gewöhnliche leichte Halbschuhe für den Sommer an und auch die gefallen mir. Der Kerl ist recht tüchtig und begreift sehr rasch die Wünsche seiner Kunden. Die Schuhe haben feste Sohlen und werden auch im Verbo-tenen Wald keine Probleme machen. Nun, ich denke, die drei Paare reichen – soviele passende Schuhe hatte ich noch nie und komme mir damit regel-recht reich vor. Ich ziehe die neuen Halbstiefel an und lasse meine Alten in einen für solche Fälle bereit stehen-den Abfalleimer fallen, dann zahle ich und bin über den günstigen Preis überrascht. Schließlich mache ich mich wieder auf zurück in den Tropfenden Kessel, denn ich sollte vor meinen geplanten nächtlichen Aktivitäten noch was essen und ich muss zugeben, dass mich mein ausführlicher Einkaufsbummel durchaus hungrig gemacht hat. Schnell habe ich alles in meinem Zimmer verstaut und mache mich auf in den Schankraum hinunter. Es ist noch nicht sehr viel los und wohl auch noch ein wenig zu früh für ein Abendessen. Ich kann mir also einen Tisch in einer Nische mit dem Rücken zur Wand suchen, wo ich kaum gesehen werde, aber alles sehen kann. Ich ziehe es wirklich vor, wenn dem so ist. Zu lange hing mein Überleben davon ab, dass ich weis, wie ich recht-zeitig verschwinden kann und dass ich nicht zulasse, dass sich mir jemand von hinten nähern kann (Todesser sind nun mal keine angenehmen Zeitgenossen und nüt-zen Fehler oder Schwäche anderer gnadenlos aus). Ich fürchte diese Übervorsicht werde ich nie verlieren, auch wenn diese üblen Tage schon recht lange vorbei sind. Tom bringt mir noch ein Bier und fragt, ob ich auch et-was essen möchte. Ich möchte und lasse mich von ihm beraten, was er so anzubieten hat. Es ist eine ganze Menge und ich entscheide mich für eine Schüssel Stew, denn ich erinnere mich, dass diese Speise hier immer recht gut war. Tom nickt und geht in die Küche, um zu bestellen. Ich schaue mein Bier nur an und frage mich, ob es ratsam ist, es auch zu trinken, angesichts dessen, was ich heute noch vorhabe, dabei sollte ich nämlich besser nüchtern sein, aber ich denke, eins geht schon, besonders, wenn ich auch etwas esse. Es dauert nicht lange, bis Tom die Schüssel vor mich hinstellt und ich mache mich darüber her. Als ich damit fertig bin, will ich noch nicht in mein Zimmer hinaufgehen, denn dort ist es nur langweilig und ich habe heute keine Bücher gekauft – vielleicht ein Fehler, denn es sollte wohl mindestens zehn Uhr sein, bevor ich auf meine Mission gehe. Langsam füllt sich der Pub und ich denke, die meisten Leute sind Stammgäste, denn sie benehmen sich, als wä-ren sie hier Zuhause. Ein paar rauchen Pfeife und plau-dern mit Bekannten, ein paar spielen Karten und einer brütet über einem Schachbrett und wartet wohl auf ei-nen Partner für das Spiel. Im Augenblick spielt er näm-lich gegen sich selbst und scheint sich dabei ziemlich zu langweilen. Ob ich ihn vielleicht frage, ob er einen Geg-ner braucht? Ich bin nicht schlecht in diesem Spiel und habe es immer gerne gegen Hieratus gespielt – auch wenn es lange her ist und es schon mal wieder wehtut, sich daran zu erinnern, aber ich fürchte, ich kann nicht alles vermeiden, was mich an ihn erinnert, denn dann könnte ich nur noch sehr wenig tun. Der Mann bemerkt wohl, dass ich ihn beobachte, denn er tritt an meinen Tisch heran. „Sir?“ fragt er. „Kennen wir uns?“ „Nein, Sir“, erwidere ich. „Ich glaube nicht.“ „Weil sie mich so unverwandt ansehen“, fährt er fort. „Nur wegen dem Schachbrett“, meine ich. „Spielen sie?“ will er wissen. „Ich suche einen Gegner.“ „Nun“, meine ich einfach. „Warum nicht.“ Er wirft mir ein erfreutes Grinsen zu, das mir nicht recht behagen will und holt das Spielbrett, stellt es zwischen uns auf den Tisch und baut die Figuren auf. „Als Neuling haben sie weiß“, sagt er und dreht mir die entsprechende Seite hin. Es ist wirklich lange her, dass ich gespielt habe und muss mich erstmal wieder auf die möglichen Züge be-sinnen, aber die fallen mir sehr schnell wieder ein. „Einen Sickel pro verlorenen Spielstein, eine Galleone für den Sieg“, schlägt er vor und ich gebe dieselbe Antwort wie zuvor. „Warum nicht.“ Ich traue mir durchaus zu, gut genug zu spielen, um kein Vermögen zu verlieren. Es reizt mich auch irgend-wie, um Gold zu spielen und ein Sickel ist sicher nicht die Welt. Sehr schnell merke ich, dass ich einen geübten Spieler vor mir habe und in den ersten beiden Partien verliere ich beinahe fünf Galleonen, doch dann bin ich wieder drinnen und beginne zu gewinnen. Sehr schnell wird mein Gegner unruhig und seine Züge werden toll-kühn, um seinen Sieg zu erzwingen, doch ich erkenne seine Fallen instinktiv und kann sie auch umgehen. Ei-gentlich kein Wunder bei meinem Vorleben, man be-kommt eine Nase für Gefahren, sei es unter Menschen oder auch nur bei einem Spiel. Der Münzenstapel, den er vor sich aufgebaut hat, wird recht schnell kleiner und der vor mir wächst. Der Mann versucht nicht, mich in ein Gespräch zu verwickeln und das sagt mir mehr als alles andere, dass er ein Profi sein muss und ich bin nur ein Amateur – aber anscheinend ein recht guter – nun, Hieratus war ein ausgezeichneter Lehrer und freute sich immer, wenn ihn sein Schüler schlagen konnte – sowas macht Mut und so habe ich schnell gelernt. „Letztes Spiel“, brummt er schließlich, als der Münzsta-pel vor ihm so gut wie verschwunden ist. „Das reicht nicht“, erwidere ich und deute auf das Geld. „Das ist zu wenig, wenn sie wieder verlieren.“ „Ich setze mein Brett ein“, schlägt er vor. „Als Preis für den Besseren – gegen die ganzen Münzen, die da vor ih-nen liegen.“ Da muss ich erstmal ein wenig überlegen. Das sind über zwölf Galleonen, das ist zwar kein Vermögen, aber den-noch eine ganze Menge Gold – man bekäme dafür Olli-vanders teuersten Zauberstab. Andererseits ist es ein sehr schönes Schachspiel, mit sorgfältig gearbeiteten (belebten) Figuren, die mir sehr alt und wertvoll erschei-nen und vielleicht schon seit mehreren Generationen im Besitz der Familie dieses Mannes sind. Sowas bekommt man heutzutage gar nicht mehr und wenn doch, dann nur für ein kleines Vermögen – sicher mehr als das Gold, das da vor mir auf dem Tisch liegt. „In Ordnung“, sage ich daher. „Letztes Spiel und das Brett gegen das Geld am Tisch.“ Er nickt eindringlich und brummt zustimmend, dann beginnt er die Partie, denn er ist mit weiß dran. Der Mann spielt konzentrierter denn je und stellt mir kom-plexere Fallen als zuvor, doch in bin inzwischen so sehr in dem Spiel drinnen, dass ich nicht nur einzelne Züge plane, sondern die ganze Partie. Irgendwie habe ich das Gefühl noch nie so gut gespielt zu haben und noch nie ein so aufregendes Spiel erlebt zu haben. Ich habe den Eindruck mir in die Hose zu pissen, wenn ich nicht bald aufs Klo verschwinden kann, aber ich will nicht gehen, denn die Partie nagelt mich regelrecht auf meinem Stuhl fest und es ist noch nicht wirklich schlimm, weil ich es ja gewohnt bin, mir solche Körperfunktionen eine ganze Zeit zu verkneifen. Meine Hände beginnen zu schwitzen und meine Füße wollen nervös über den Boden scharren, aber das lasse ich nicht zu, denn ich habe es schon sehr lange gelernt, dass es nie eine gute Idee ist Schwäche zu zeigen. Auch mein Gegenüber ist unruhig geworden und dicke Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Es sind nur noch sieben Figuren am Brett und nur drei davon gehören mir. Allerdings habe ich es geschafft, mir meine Dame zurückzuholen, doch die andere ist nur ein Bauer. Er hat noch einen Turm, einen Springer und ebenfalls einen Bauern. Allerdings bedroht mein Bauer seinen König und meine Dame sichert ihn nach allen Seiten ab. Welchen Zug er auch macht, er wird eine Figur verlieren. Tat-sächlich opfert er seinen Turm (der Bauer ist zu weit hinten am Brett) und kann dann mit seinem Springer meine Dame schlagen, doch mein Bauer setzt seinen Kö-nig matt und sein Springer kann nichts mehr dagegen unternehmen. „Sie haben gewonnen“, meint er und seine große Hand kippt den König um. „Das Spiel gehört ihnen.“ „Ja“, erwidere ich nur und schiebe ihm die Hälfte des Goldes über den Tisch. „Aber sie haben sich gut geschla-gen. Das sollten sie haben.“ „Ja“, sagt nun auch er. „Das ist gerecht. Sie sollten etwas wissen. Mit diesem Brett und diesen Figuren können sie nur verlieren, wenn ihr Gegner keinen einzigen Fehler macht. Die Figuren haben bei ihnen geschwiegen und so wusste ich, dass sie ein wirklich außerordentlicher Spie-ler sind, darum habe ich auch zuletzt das Brett gesetzt, denn es sollte dem Besseren gehören und ich wollte be-weisen, dass ich derjenige bin, der besser ist – oft habe ich auf diese Art schon ein kleines Vermögen gewonnen, aber heute nicht, heute haben sie gewonnen und das kann nur ein echter Meister.“ „Ich bin ein Meister“, murmle ich gedankenverloren. „Wenn auch nicht im Schachspiel. Ich bin Meister der Zaubertränke.“ „Oh“, erwidert er. „Das hätte ich vorher wissen sollte, denn Meister ist Meister und das Brett spürt das. Doch sie sehen sehr jung für einen Meister aus.“ „Ich bin alt genug“, brumme ich, denn ich kann es nicht leiden, auf meine Jugend angesprochen zu werden, denn immerhin bin ich inzwischen achtundzwanzig und da-mit sicher kein kleiner Junge mehr. „Meister der Zaubertränke“, murmelt er und schaut mich durchdringend an. Ich erwidere seinen Blick unge-rührt. „Ja, ich hätte erkennen sollen, wer sie sind. Sie ähneln ihrem Vater sehr.“ „Was soll das heißen?“ platze ich heraus. Der Kerl wird doch nicht den alten Bastard gekannt ha-ben? „Ich bin mit ihm zur Schule gegangen, zwei Klassen un-ter ihm“, gibt er zurück. „Und ich mochte ihn nicht – die wenigsten mochten ihn, aber sie scheinen anders zu sein – nun, egal – einen schönen Abend wünsche ich ihnen noch, Mr Snape.“ Er steht auf, steckt das Gold ein, das ich ihm hingescho-ben habe und geht zur Tür hinaus, aber mit dem letzten Satz hat er mir gezeigt, dass er wirklich weis, wer ich bin. Das Brett mit den Figuren steht vor mir und ich starre es unsicher an. Eigentlich hätte ich spüren müs-sen, dass in diesem Spiel mehr Magie liegt, als nur die Offensichtliche und das heißt, dass es noch wertvoller ist, als ich dachte – wahrscheinlich auch gefährlicher. „Jack Mercy hat also verloren“, ertönt plötzlich Toms Stimme vor mir. „Ich hatte mich schon gefragt, ob er heute in ihnen seinen Meister gefunden hat.“ „Was hat es mit dem auf sich?“ will ich von Tom wissen. „Oh, man nannte ihn hier den Eternal Gambler, denn er hat immer wieder Leute aufgefordert mit ihm zu spielen und er hat meistens auch gewonnen. Wer ein paar Mal mit ihm gespielt hatte, ging ihm aus dem Weg, aber Fremde haben doch immer wieder mal angebissen. Er hat sich damit seinen Lebensunterhalt verdient und so manch einer ging wesentlich ärmer hier raus, als er he-reinkam.“ „Zwingt einem das Brett dazu zu spielen?“ frage ich wei-ter. „Ist es verflucht oder so?“ „Nein, soweit ich weis nicht“, erwidert Tom. „Allerdings sollten sie vielleicht besser nicht damit anfangen, damit um Gold zu spielen. Gewöhnliche Spiele sollten aller-dings harmlos sein.“ „Oh“, meine ich nur und werfe einen noch schärferen Blick auf das Brett und die Figuren. „Ob man es vielleicht enthexen sollte?“ „Nein“, entgegnet Tom. „Ich denke, das wird nicht mög-lich sein. Es heißt, das Brett sei von Abraxas von York geschaffen worden, aber nicht mit schwarzer Magie, sondern für einen Wettbewerb um den besten der Spie-ler. Es hat häufig den Besitzer gewechselt, denn wenn es einen findet, der sein neuer Meister werden soll, dann bringt es den Vorbesitzer dazu, es als Preis einzusetzen.“ „Oh“, kann ich nur wieder sagen. „Dann ist es wohl sehr wertvoll, oder Tom?“ „Es ist unschätzbar“, gibt er zurück. „Aber man kann es nicht verkaufen, nur gewinnen oder verlieren und es kann nicht zweimal denselben Besitzer haben, verloren ist verloren – doch Professor Snape, sie sollten wissen, dass das alles nur Legenden sind, die Mercy zum Besten gegeben hat, wenn er einen über den Durst getrunken hatte und grade einen anderen Spieler ausgenommen, wie eine Weihnachtsgans. Wie auch immer, Sir, gehen sie vorsichtig mit ihrem Gewinn um und noch was – es war eine gute Idee, Mercy sein Gold zurück zu geben, denn er spielte immer um alles was er hatte und das Brett war seine einzige Einnahmequelle, bevor er es ge-wann, war er nämlich als Taschendieb unterwegs. Jetzt wird er sich betrinken und sie sind nicht in Gefahr von ihm bestohlen zu werden, was er sicher versucht hätte, wenn er kein Gold mehr gehabt hätte.“ „Sie haben vielleicht Kunden, Tom“, meine ich nur. „Nun, ich bediene jeden, der sich zu benehmen weis“, gibt er mit einem zahnlosen Grinsen zurück. „Sonst ist es mir egal womit einer sein Brot verdient.“ Ich nicke nur und beschließe nach oben zu gehen, denn wie auch immer, es ist Zeit geworden, auf meinen ge-planten Ausflug zu gehen. Wenigstens ist mir die Zeit nicht lang geworden und ich habe etwas wirklich Selt-sames gewonnen – ich sollte es wohl Albus zeigen, wenn ich wieder in Hogwarts zurück bin.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)