Ten forgotten Years von abgemeldet (Fortsetzung von "Ich Severus Snape" - 9 Kapitel Noch nicht abgeschlossen - hoffe es geht irgendwann man weiter - trotzdem lesenswert - denk ich mal!) ================================================================================ Kapitel 4: Trankmeister ----------------------- Kapitel 4 1984 Trankmeister 10 . Januar 1984 Wieder habe ich meine Ergebnisse erhalten und sie sind immer noch so gut wie am Anfang. Man rät mir allerdings, ein wenig kürzer zu treten und zwischen den Zeilen schwingt die Frage mit, wie ich es nur schaffen kann, gleichzeitig zu lehren und zu studieren. Nun, das ist nicht weiter schwer, wenn man pro Nacht höchstens mal zwei, drei Stunden Schlaf bekommt – nicht, weil man soviel arbeitet, sondern weil man einfach nicht schlafen kann und Studien ein gutes Mittel sind, viel zu lange, leere Nächte mit etwas Sinnvollem auszufüllen. Wie auch immer, dieses Mal sind keine neuen Aufgaben mehr dabei und ich habe ja auch noch ein paar Sachen, die fertig werden sollten, bevor man mich wirklich zur Prüfung zulässt – es wird langsam Zeit mit Dumbledore darüber zu sprechen, wie die von Statten gehen soll und so mache ich mich mal wieder auf den Weg in sein Büro. Es ist Wochenende und die Schule ist ziemlich leer, denn die Kids sind in ihren Räumen oder draußen am Gelände bei der einen oder anderen Schneeballschlacht. Das Wet-ter ist herrlich und es liegt genügend Schnee, um was auch immer damit anzufangen – was sollte sie also hin-dern, das auch zu tun? – außer vielleicht einem mies ge-launten Lehrer, der mal wieder schlecht geschlafen hat und während des Schlafes, den er bekommen konnte, auch noch Alpträume hatte – und der es ihnen aus gan-zen Herzen missgönnt, dass sie so jung, so unbeschwert und so lebensfroh sein können... Ich schnarre einige von ihnen an, als ich sie dabei erwi-sche, wie sie Matsch und Dreck in die Eingangshalle her-ein schleppen und alles nass und schlammig machen. Es hagelt Punktabzüge und ich verdonnere sie dazu, das alles unter der Aufsicht unseres Haumeisters wieder sauber zu machen. Ja, das tat ziemlich gut, ihnen den Spaß so richtig gründlich zu verderben. Mein besseres Ich windet sich in einem elenden Schuld-bewusstsein, aber ich bringe es zum Schweigen - warum auch sollten diese Kinder etwas haben, das ich nie kennenlernen durfte? Der Alte scheint beinahe auf mich gewartet zu haben, denn als ich die Tür zu seinem Büro öffne, wartet bereits eine Tasse mit dampfenden Tee auf mich. „Severus“, grüßt er mich. „Schön dich mal wieder in den höheren Gefilden der Schule zu sehen.“ „Direktor“, erwidere ich. „Es geht mal wieder um mein Studium.“ „Ich nehme nicht an“, entgegnet er. „Dass du so plötzlich damit Probleme bekommen hast – also um was geht es dann?“ „Mit dem Stoff habe ich wirklich keine Probleme – im Gegenteil“, erwidere ich. „Es dauert nicht mehr lange und ich bin mit dem Studium zu Ende – und das ist das Problem. Ich werde es wohl bis Ostern geschafft haben und dann ist eine Abschlussprüfung abzulegen und die Meisterarbeit zu präsentieren – doch meine Bewährung endet erst im November und ich möchte nicht so lange auf meinen Abschluss warten müssen.“ „’So lange’?’“ murmelt er fragend. „Ich kenne keinen, der so schnell mit einem Studium fertig geworden ist und schon gar nicht mit deinen Leistungen“ - Ich hatte also Recht, der Dekan der Sorbonne hält ihn auf dem Lau-fenden - „Ja, ich bekomme Briefe von Dekan Manicours – du sagst mir ja nichts...“ „Ich dachte nicht, dass es sie interessiert“, gebe ich tro-cken zurück. „Natürlich interessiert es mich, wenn ein begabter jun-ger Mann wie du solche Leistungen erbringt – du bist der beste Student, den die Sorbonne im Fach Zauber-tränke je gesehen hat und noch nicht mal Studenten, die an der Universität arbeiten können, sind besser als du – im Gegenteil – sie alle liegen weit hinter dir zurück. Ist dir eigentlich klar, wie außerordentlich deine Leistungen sind? Du hast die Sorbonne noch kein einziges Mal von innen gesehen und du hast in nur knapp vier Semestern den Stoff von acht bewältigt – wie schaffst du das nur? Keiner hätte Probleme damit gehabt, wenn du zwölf für dein Fernstudium gebraucht hättest – immerhin unter-richtest du ja auch noch hier an Hogwarts und das sehr erfolgreich.“ „Oh...“ kann ich da nur stammeln. Wie gesagt, mir kam das alles echt nicht besonders au-ßerordentlich vor – es war geradezu so lächerlich ein-fach für mich – auch wenn ich wirklich eine ganze Men-ge dabei gelernt habe. „Also“, fährt der Alte fort. „Du denkst also, dass du bis Ostern so weit bist?“ „Mit dem Stoff auf jeden Fall – ich weis nur noch nicht, ob ich bis dahin mit meiner Meisterarbeit fertig bin – es sieht gut aus – aber ich weis nicht, ob ... nun ja ... ähm...“ „Oh, das Ministerium“, erwidert er auf mein Gestammel und scheint mal wieder zu wissen, um was es mir geht. „Nein, die werden dich nicht mehr belästigen – ich habe meine Verbindungen spielen lassen und man vertraut auf mein Wort, dass du dich entsprechend der Auflagen verhältst – das tust du doch, oder?“ „Ja, Sir“, gebe ich zurück und weis, dass ich damit nur ein klein bisschen lüge. „Allerdings habe ich meinen Stab, auch wenn ich ihn nur in meinem Labor benutze.“ Er nickt zustimmend. „Und den habe ich dir unter dieser Bedingung ja auch zurückgegeben. Nun, wenn ich beantrage, dass man eine Ausnahme macht und dich nach Paris reisen lässt, wird man dich sicher erneut überprüfen und während deinem Aufenthalt dort sehr scharf unter Beobachtung halten – es wäre also sicher nur eine Notlösung. Doch es gibt eine andere Option – ich könnte Dekan Manicours und die Prüfer hierher einladen und du legst deine Prüfung in Hogwarts ab.“ „Macht das keinen schlechten Eindruck?“ frage ich unsi-cher – auch wenn ich selbst schon an sowas gedacht hatte. „Wenn die ganzen Leutchen extra wegen mir hierher kommen?“ „Oh – es wird ein wenig Diplomatie gefragt sein“, meint er verschmitzt. „Aber mach dir keine Gedanken – ich weis, wie man sowas macht und es wird nach einer freundlichen Einladung klingen – Hogwarts hat einen blendenden Ruf und man wird sich geehrt fühlen, wenn ich sie auf einen Besuch hierher einlade und wenn man dann nebenbei deine Prüfung abnimmt, wird man das nur als kleines Dankeschön ansehen – nicht, dass sich das in deiner Bewertung niederschlagen würde – aber ich bezweifle auch schwer, dass du in dieser Hinsicht einen Gefälligkeitsdienst brauchen wirst – nicht, wenn du so gut bist, wie es den Anschein hat.“ „Oh“, kann ich nur wieder herauspressen. Nein ich will sicher keine Gefälligkeit – ich will nach meinen Leistungen beurteilt werden und nach nichts anderem und ich denke auch, dass der Alte vollkommen recht hat – ich bin gut genug, um auch wirklich sowas nicht zu brauchen. „Wann denkst du, dass du soweit bist?“ will Dumbledore weiter wissen. „Nun, ich werde wohl bis Ende Februar mit meinen Auf-gaben fertig sein – dann muss das alles benotet werden und ich muss zur Prüfung zugelassen werden...“ „Wenn du den entsprechenden Brief hast, dann sag mir Bescheid und ich werde die Einladung aussprechen – na-türlich ohne zu sagen, dass du das Schloss nicht verlas-sen darfst – das wissen ohnehin kaum eine handvoll Leute. Ich habe einfach gesagt, ich würde dich hier dringend als Lehrer brauchen und das als den Grund für dein Fernstudium angegeben.“ „Oh.“ Na, viel habe ich ja heute echt nicht zu sagen, wenn sich meine Erwiderungen auf ein einfaches ‚Oh’ belaufen – so knapp, prägnant und intelligent – also ehrlich, Severus, mehr fällt dir nicht ein? Doch es scheint dem Alten zu genü-gen – nun ja, ich rede nie viel, wenn ich nicht muss und er kennt mich so. „Nun gut, mein Junge“, fährt er fort. „Ist sonst alles in Ordnung?“ „Ja, sicher“, entgegne ich. „Alles geht seinen Gang.“ Natürlich erwähne ich nicht, dass ich mal wieder ein paar Schüler zu Strafarbeiten verdonnert habe – er wird das früh genug erfahren und mir wahrscheinlich auch wieder mal Recht geben – ich werde wohl noch nicht mal Ärger mit McGonagall bekommen, denn die Schüler, die ich bestraft habe, stammten aus allen Häusern (au-ßer dem meinen natürlich – aber dieses Mal lag es dar-an, dass sie an der Schneeballschlacht nicht beteiligt waren – oder ich habe auch nur keinen von ihnen gese-hen ... aber manchmal bin ich auf einem Auge ein wenig blind, wenn es um meine Schlangen geht). Der Alte will noch ein paar Dinge mit mir besprechen, die mit meiner Arbeit hier zu tun haben und wir disku-tieren eine Weile. Es geht um Nachhilfe für ein paar schwächere Schüler und ich empfehle ihm ein paar Kön-ner aus den höheren Klassen, die dafür geeignet sein könnten – und da die bei weitem nicht nur aus Slytherin sind, wird Dumbledore sie darauf ansprechen und das regeln. Ich habe allerdings fast den Eindruck, als hätte er die Hoffnung gehegt, dass ich diese Nachhilfe erteilen wür-de – doch das werde ich nicht – keine Zeit – und selbst wenn ich sie hätte, könnte ich mir sicher etwas Schöne-res vorstellen, als meine Freizeit auch noch mit den ner-vigen Blagen zu verbringen. Ich mag Kinder nicht be-sonders und das liegt hauptsächlich wohl daran, dass ich nie ein richtiges Kind sein konnte und weder verste-he, was ein Kind denkt, noch was es braucht, noch wie ich mit einem klarkommen sollte - besonders, wenn es Probleme hat, die sicher nicht nur mit dem Unterricht zu tun haben. Wie auch immer, der Alte scheint zufrie-den zu sein und nach einiger Zeit kann ich mich wieder in meine Räume zurückziehen.  20 . Februar 1984 Ich habe es geschafft und die letzten Aufgaben und Tränke nach Paris geschickt – ebenso wie die schriftliche Version meiner Meisterarbeit, denn das Universalgegengift ist ebenfalls fertig und wirkt besser, als ich es zu hoffen gewagt hatte – angesichts der Tatsa-che, dass es soviele unterschiedliche Gifte gibt, die sich auch noch kombinieren lassen. Nun, andererseits bezweifle ich nicht, dass ich durch-aus neue Gifte entwickeln könnte, bei denen dieser Trank nicht mehr wirkt – nicht dass ich das planen würde oder auch nur wollen. Wie auch immer, ich habe mein Studium so gut wie abgeschlossen und kann mich jetzt nur noch auf die mündlichen und praktischen Prü-fungen vorbereiten und die Präsentation meiner Meis-terarbeit planen. Mein Hauptproblem dabei ist, dass ich nicht besonders gern lange oder ausführlich rede. Natürlich kann ich meinen Standpunkt vertreten und erklären, wie ich zu welchen Schlüssen kam, aber ob das reicht? Ich werde meine Argumentation auch kaum von einem Blatt able-sen können – nur knappe Stichpunkte sind erlaubt. Egal – ich habe sicher noch ein wenig Zeit, das alles auf die Reihe zu kriegen und da ich weis, was ich tue, sehe ich auch kein wirkliches Problem darin – eben nur, dass ich mich bemühen muss, lange und ausführlich genug zu reden, um die Prüfer zu überzeugen.  28 . Februar 1984 Ich habe meine Antwort und ich bin zugelassen, nur der Termin dafür steht noch nicht fest. Was nur gut ist, denn dann hat Dumbledore Zeit, seine förmliche Einladung auszusprechen. Ich gehe mit dem Brief mal wieder zu ihm hinauf und er liest ihn. Er nickt ab und an sehr zufrieden und wirft mir das eine oder andere aufmunternde und freundliche Lächeln zu. „Brillant“, murmelt er immer wieder. Das Schreiben ist ziemlich lang und beinhaltet die Be-zeichnungen und auch die Benotungen für die Tränke, die ich abgegeben habe und Semesterarbeiten, die ver-langt waren, dann noch die Kommentare der einzelnen Dozenten und ihre Ratschläge – auch wenn keiner von ihnen ein Empfehlung ausspricht, sind alle mehr als nur zufrieden mit mir. Ich habe allerdings den Eindruck, dass manchmal doch ein wenig Neid mitschwingt, denn keiner von ihnen hat in so jungen Jahren bereits soviel gebraut und geforscht. Ich bin mir nicht sicher, was das alles wirklich aussagt und ich bin mir auch nicht sicher, wieviel das alles wirk-lich wert ist – wie gesagt, für mich war es sehr leicht und ich habe Mühe zu verstehen, dass das bei anderen Leuten anders sein könnte – für mich ist es so natürlich meine Tränke zu brauen, wie es normal für mich ist, lo-gisch zu denken. „Sehr gut“, murmelt Dumbledore in meine Gedanken hinein. „Dann werde ich mal den Brief abfassen und sie für die Osterferien einladen – doch es bleibt eine essen-tielle Frage...“ „Und die wäre?“ will ich wissen. Was gibt´s denn noch? Plötzlich beginne ich mir Sorgen zu machen, dass es nicht so klappen könnte, wie wir uns das vorstellen. „Kannst du das Universalgegengift auch ohne Zauber-stab brauen – ich kann ihn dir nicht offiziell in die Hand geben und man würde wissen, dass du ihn schon die ganze Zeit gehabt hast.“ Ich atme tief durch – nun, das dürfte kein Problem sein – ich habe zwar den Stab eine Zeitlang für die Mischun-gen gebraucht, aber dann fand ich erstaunlich einfache Lösungen für einige doch komplexe Probleme und so geht es auch mit der Haselrute. „Ich brauche nur meinen Behelfsstab und den haupt-sächlich zum Umrühren oder so“, gebe ich zurück. „Wie lange ist die Brauzeit?“ fragt er weiter. „Es ist häu-fig gerne die Aufgabe, so einen Trank auch vor den Prü-fern herzustellen, wenn man denn sowas als Meisterar-beit gewählt hat.“ „Etwa vier bis fünf Stunden – er ist recht komplex und beinhaltet mehr als fünfzig Zutaten“, gebe ich zurück. „Aber es ist nichts dabei, was lange ruhen, sieden oder sowas müsste – es wäre ja auch nicht angesagt, dass es zu lange dauert, ihn herzustellen – nicht wenn es um Gift geht. Er ist ja auch hauptsächlich dazu gedacht, dass man ihn verwendet, wenn man nicht weis, welches Gift benutzt wurde und er lässt sich sehr gut auf Vorrat herstellen – er hält sich ungefähr zwei Jahre – auch wenn ich das nicht ganz sicher weis, denn ich habe ihn ja noch nicht so lange – das wird sich noch erweisen.“ „Ein kleiner Alterungszauber könnte Aufschluss geben“, schlägt der Alte vor und ich nicke. Gute Idee – das sollte ich tun, um Bescheid zu wissen. Manchmal ist die einfachste Lösung eben doch die Beste – und dieser Vorschlag war geradezu genial simpel. „Nun, dann werde ich mal eine freundliche Einladung schreiben“, meint er und ich verabschiede mich von ihm. Es gibt noch so Einiges zu tun, bis ich wirklich für die Prüfer bereit bin und ich bin entschlossen, es auch auf die sorgfältigste Art zu erledigen.  23 . März 1984 Der Termin steht fest. Sie werden während der Os-terferien hier auftauchen und meine Prüfung wird am 6. April sein – an meinem 26. Geburtstag. Ich weis nicht, ob sie das wissen, sollten sie aber. Vielleicht empfanden sie es auch als eine nette Geste. Nun, ein Meistertitel ist sicher ein schönes Geburtstagsgeschenk, aber wenn ich es nicht schaffe, wenn ich versage, wie ich schon so oft in meinem Leben versagt habe, dann dürfte das weniger schön sein. Wie auch immer, das Datum steht und mir bleibt nur, das Beste zu hoffen und alles zu tun, was in meiner Macht steht. Anzumerken ist nur noch, dass sich mein Trank mindes-tens drei Jahre hält, wenn ich den Alterungsstudien trauen darf. Mein Dank an die Ratten, die für diese Tests ihr Leben ließen...  6 . April 1984 Ich bin nervöser als je zuvor in meinem Leben. Gestern sind die Gäste erschienen und der Alte hat sie mit großem Brimborium empfangen. Ich habe die Dozenten und den Dekan zum ersten Mal gesehen und sie sind alle steinalt – mindestens siebzig oder so. Ich konnte nur schwer schlucken und begann langsam zu begreifen, warum sie der Meinung sind, ich sei noch sehr jung für diesen Titel. Dumbledore ließ die Hauselfen in einer kleineren Halle einen geeigneten Raum für meine Prüfung vorbereiten und ich werde dort auch brauen müssen. Mir persönlich ist er fast zu hell, aber die Prüfer müssen ja sehen kön-nen, was ich da tue und so kann ich mich damit einfach nur abfinden. Ich wälze mich aus dem Bett und gehe unter die Dusche. Gut geschlafen habe ich nicht, aber ich konnte ein wenig dösen und bin für meine Verhältnisse eigentlich ziemlich gut ausgeruht. Das heiße Wasser tut ein Übriges und macht mich ziemlich wach – wenn ich jetzt noch meinen schwarzen, starken Kaffee bekomme, dann dürfte es ge-hen. Allerdings sollte ich nicht zuviel von dem Zeug trin-ken, denn sonst muss ich während der Prüfung aufs Klo und es wäre ja wohl der Gipfel an Peinlichkeit, wenn ich fragen muss, ob ich vielleicht mal austreten darf. Zwei Tassen müssen genügen und auf ein festes Frühs-tück sollte ich besser verzichten. Mein Magen probt jetzt schon den Aufstand und ich kann mich nicht erinnern, je in meinem Leben so aufgeregt gewesen zu sein. Sie erwarten mich um 13.00 Uhr in der Kleinen Halle und ich kann nur froh sein, dass Ferien sind und die meisten Schüler nicht im Schloss sind – ich könnte es heute sicher nicht ertragen zu unterrichten – da käme ja was Schönes raus, denn ich hätte sicher keinen Kopf da-für, darauf zu achten, dass sie mir keine Kessel hoch-jagen – wie gesagt – zum Glück muss ich das ja heute auch nicht tun. Ich gehe ein letztes Mal meine Notizen und Stichworte durch, schreibe noch den einen oder anderen Hinweis auf die Zettel und stelle die Zutaten zusammen, die ich brauchen werde, um das Universalgegengift zu brauen. Man hat mich angewiesen das zu tun, eben weil man hier nicht an der Universität ist und man hier nicht das Nötige zur Verfügung hat – im Gegensatz zu mir. Ich hatte mit sowas nicht wirklich gerechnet, aber mein Vorratslager ist - Dank Dumbledores Großzügigkeit - immer gut bestückt, besonders mit diesen Zutaten, die ich für mein Universalgegengift brauche und so macht das keine Probleme. Wenn die Kids mich in diesem Zustand sehen könnten, in dem ich jetzt bin, würden sie mich auslachen und nie wieder für voll nehmen. Der ansonsten so ungerührte und stoische (wenn auch mürrische und hämische) Sna-pe ist nervös wie ein Teenager vor seinem ersten Date – wie lächerlich! Einerseits will die Zeit kaum vergehen und andererseits tut sie das viel zu schnell. Immer wieder gehe ich im Kopf alles durch und habe zeitweise das Gefühl, ein paar wichtige Einzelheiten vergessen zu haben. Wieviel Elfentränen waren das doch gleich wieder in dem Friedenstrank? Sechs Unzen oder acht? Ich denke sechs, aber ich bin mir nicht sicher und so sehe ich nach – ich hatte Recht – es sind sechs – mit acht bekommt er eine betäubende Wirkung. Natürlich kenne ich die Brau-anweisung für mein Universalgegengift auswendig, aber ich gehe es nochmal durch, denn ich befürchte in meiner Aufregung das eine oder andere Detail zu vergessen. Nein, es sitzt wirklich alles und ich muss es ja auch nicht auswendig kennen – ich darf meine Aufzeichnungen be-nutzen – aber das macht sicher einen schlechten Ein-druck – würde ja glatt so aussehen, als würde ich nicht wissen, was ich da wirklich tue. Dann ist es endlich soweit. Es ist viertel vor eins und ich mache mich fertig, um nach oben zu gehen. Rasch fahre ich nochmal mit einer Bürste durch die Haare – ich habe sie nicht gewaschen, denn dann fliegen sie und ich kann sicher keine Haare brauchen, die mir ins Gesicht fallen oder gar in meinen Kessel. Ich trage meine übliche schwarze Kleidung, auch wenn ich die beste schwarze Robe gewählt habe, die ich besitze – Kleider machen Leute – heißt es, aber gewöhnlich schere ich mich nicht um die-sen Spruch – doch heute halte ich es für angebracht, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Mit einem Seufzen steige ich die Stufen aus meinem Re-fugium hinauf. Keiner begegnet mir auf meinem Weg, aber Dumbledore erwartet mich direkt vor dem Prü-fungszimmer. „Viel Glück, mein Junge“, wünscht er mir mit einem strahlenden Lächeln, das mich wohl aufmuntern soll. Doch ich glaube nicht an Glück, ich glaube an Fleiß und harte Arbeit. Wie auch immer, er meint es sicher gut und so presse ich ein gequetschtes „Danke“ hervor, das eher ihn zufrieden stellt als mich. Er klopft mir aufmun-ternd auf die Schulter und nickt mir bestätigend zu. „Du schaffst das schon, Severus“, meint er. „Ich habe vollstes Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten.“ Wieder schlucke ich schwer, aber ich kann nichts erwi-dern, denn mein Mund ist ganz trocken und wie auch immer, es ist Zeit, diesen Raum zu betreten. Ein fünfköp-figes Gremium erwartet mich und die prüfenden Blicke der Männer und Frauen machen es auch nicht eben bes-ser. „Mr Snape“, spricht mich jener Mann an, der mir ges-tern als Dekan Manicours vorgestellt wurde. „Es ist ein wenig ungewöhnlich, einen Studenten zu prüfen, der die Universität nie auch nur von außen gesehen hat, aber ihre Leistungen und die Geschwindigkeit, in der sie ihre Studien absolviert haben, sprechen für sie. Außerdem ist Albus ein alter Freund und ich wollte schon immer ein-mal seine Schule sehen – nun, warum also nicht das An-genehme mit dem Nützlichen verbinden ... wie auch im-mer, wir sind hier und sie sind hier – also lassen sie uns beginnen...“ Ziemlich plötzlich beginnen die anderen Leute schnelle Fragen auf mich abzuschießen und ich antworte, ohne groß überlegen zu müssen. So ausführlich wie nötig, so knapp wie möglich. Eine der Frauen fragt nach komple-xen Tränken, von denen ich vor meinem Studium noch nie gehört hatte und die mir jetzt wie alte Bekannte vor-kommen. Wieder habe ich alle Antworten parat und kann sogar über die Gefahren sprechen, die entstehen können, wenn man den einen oder anderen Fehler dabei macht. Ein kleiner Greis fragt nach den Gerüchen oder Färbun-gen einzelner Bestandteile oder fertiger Tränke – ein Trankmeister muss sich damit im Schlaf auskennen und meine Nase ist in der Lage sehr feine Geruchsnuancen zu unterschieden und ich kenne die Namen für ein paar hundert verschiedene Farbschattierungen – und so habe ich wieder die richtigen Antworten darauf. Dieses Wechselspiel zwischen den Prüfern und mir dau-ert über zwei Stunden und ich habe meine Nervosität verloren – bei Tränken bin ich einfach auf sicherem Bo-den. Ich habe keine Sekunde bei meinen Antworten ge-zögert, aber ich hoffe, dass sie ausführlich und auch richtig genug waren. „Nun lassen sie und über ihre Meisterarbeit sprechen, Mr Snape“, meint Manicours schließlich. Die anderen Prüfer beginnen in ihren Unterlagen her-umzurascheln und suchen offensichtlich nach meiner Arbeit. Es dauert unangenehm lange, bis sie so weit sind und ich werde wieder nervös, trete von einem Fuß auf den anderen, denn ich bin die ganze Zeit gestanden, nur die Prüfer sitzen. Einen Augenblick lang kommt mir in den Sinn, dass es auch nicht schlimmer sein kann, als Angeklagter vor einem Großen Gerichtshof zu stehen – zum Glück weis ich es nicht wirklich. Endlich sind sie so weit und erneute Fragen werden auf mich abgeschossen. Meine Forschungen werden in Frage gestellt und ich werde aufgefordert, meine Thesen und Prämissen zu erklären und zu verteidigen. Ich bin gut vorbereitet und kann alles genaustens erläutern. Zu lange und zu intensiv habe ich an dieser Erfindung ge-arbeitet, als dass ich das nicht könnte. Ich weis, was ich mir dabei gedacht habe und ich weis, wie ich auf die Lö-sungen bestimmter Probleme gekommen bin und so spreche ich auch darüber. Ich bin immer noch unsicher und versuche, das hinter professionellem, aber immer noch höflichem Stolz zu verbergen und das scheint mir auch sehr gut zu gelingen. „Es ist üblich in einer Prüfung auch einen komplexen Trank brauen zu lassen“, meint Manicours nach einer weiteren endlosen Stunde. „Nun, wir würden wirklich gerne sehen, wie sie ihr Universalgegengift herstellen, Mr Snape – ich hoffe, die haben alle Zutaten zur Verfü-gung?“ „Selbstverständlich, Sir“, gebe ich zurück und deute auf den Karton, den ich mitgebracht habe. „Wenn sie es wünschen, werde ich das Universalgegengift gerne für sie brauen.“ „Bitte“, erwidert er. „Fangen sie an – dort drüben sind die nötigen Kessel.“ Ich gehe zu dem zugewiesenen Platz und beginne die Zutaten in der Reihenfolge aufzubauen, in der ich ge-denke, sie zu benutzen. Bei Tränken, die weniger als zwanzig Bestandteile haben, mache ich das gewöhnlich nicht, denn dann weis ich blind, wo ich hin greifen muss – aber fünfzig und mehr sind selbst mir zu viel, um ein-fach ‚nur so’ den Überblick zu behalten. Mit einer beiläufigen Handbewegung bringe ich das Feuer unter dem ersten Kessel zum Brennen. Ich werde insgesamt fünf verschiedene brauchen, denn bestimmte Einzeltränke müssen erst so gut wie fertig sein, bevor ich sie in den Haupttrank geben kann – gäbe andernfalls eine hübsche Explosion, die sich durchaus mit Dr Filibus-ters Feuerwerk messen kann. Für mich ist es vollkommen normal, an mehreren Kes-seln gleichzeitig zu arbeiten – sogar an unterschiedli-chen Tränken und im Unterricht muss ich mehr als nur fünf im Auge behalten – auch wenn es sich dabei um denselben Trank handelt, so ist er doch nicht bei jedem gleich weit – und es kommt auch nicht bei jedem dassel-be raus. Die Prüfer scheint es jedoch zu verblüffen, dass ich alles gleichzeitig überwachen kann und sie kommen neugierig näher. Ich mag es nicht, wenn mir jemand beim Brauen über die Schulter schaut und vermeide es nach Möglich-keit, das im Unterricht zu tun, aber jetzt muss es wohl sein. „Vorsicht bitte“, murmle ich. „Die Kessel sind sehr heiß und der Inhalt kann spritzen.“ Sie kennen sich doch alle mit Tränken aus und sollten das wissen – warum drängen sie sich dann so nahe an meine Kessel heran? Es muss wohl große Neugierde sein, die sie dazu treibt. Ich habe mich sehr stark auf meine Arbeit konzentriert, aber ich höre und sehe trotzdem, was um mich herum vorgeht – so eine Fähigkeit ist durchaus angesagt, wenn man es mit achtzehn bis zwanzig lebhaften Minderjäh-rigen zu tun hat, die auch noch mit etwas befasst sind, was sehr übel ausgehen kann, wenn sie einen Fehler ma-chen. „Brillant“ – „Genial“ – „Souverän“ höre ich die Prüfer murmeln. „Er hat keinen Stab – das ist nur ein Stöck-chen.“ – „Er unterrichtet auch – sagt Albus.“ Ich denke nicht, dass sie wissen, dass ich sie hören kann, denn sie reden sehr leise und wenn meine Ohren nicht außergewöhnlich scharf wären, könnte ich das sicher nicht. Die Arbeit am Trank geht gut voran und ich kann den ersten Teiltrank in die Basissubstanz unterrühren, aber das wird eine ziemlich heftige Reaktion geben und die Leutchen sind immer noch beinahe mit den Nasen in meinen Kesseln. „Vorsicht bitte“, meine ich daher erneut. „Das wird jetzt ein wenig rauchen und zischen.“ Sie treten einen Schritt zurück, aber ich kann ihnen an-sehen, dass sie wieder näher kommen werden, sobald ich diesen Schritt vollzogen habe. Ich kann nur innerlich schwer seufzen und hoffen, dass es nicht mehr so lange dauert, wie ich es eigentlich erwarte. Wie angesagt, kommt es zu dieser Reaktion, die Sub-stanz ändert auch die Farbe und reduziert sich auf zweidrittel ihrer ursprünglichen Menge ein. Jetzt rasch umgerührt. Dreimal im Uhrzeigersinn, zweimal dagegen – gut, es verbindet sich, wie es soll. Dann weiter an den nächsten Kessel. Wieder kommen sie näher und beo-bachten jeden einzelnen meiner Handgriffe. Was ist denn so interessant daran, wenn ich Lilienwurzeln schneide? Gut, ich schneide sie sehr sorgfältig und re-gelmäßig, aber so muss man doch arbeiten, wenn man anständig brauen will oder? „Erstklassige Messertechnik“, höre ich eine der Frauen murmeln. Aber vielleicht ist es für die Leute nur so interessant, mir beim Brauen zuzusehen, weil die zwar meine Dozenten waren, ich aber nie wirklich Unterricht bei ihnen hatte und sie nicht wissen, wie ich gewöhnlich arbeite. Ja, das könnte es sein. Immer wieder muss ich sie auffordern, etwas zurückzu-treten, wenn ich weitere Tränke mische – es gibt jedes Mal unterschiedliche Reaktionen, die zum Teil recht hef-tig sind, wenn auch nicht unbedingt gefährlich, wenn man darauf gefasst ist – allerdings sollte man besser nicht besonders schreckhaft sein, wenn man diesen Trank braut. Nach etwa vier Stunden komme ich zum letzten Schritt und füge die letzten Zutaten hinzu. Inzwischen kocht nur noch ein Kessel und die anderen haben ihre Schul-digkeit getan. Die Prüfer haben keinen Augenblick lang das Interesse verloren, wie ich es eigentlich erwartet hatte – vier Stunden sind doch ganz schön lang, um ein-fach nur einem Trankbrauer bei der Arbeit zuzusehen. Ich weis allerdings nicht, ob diese Reaktion ein gutes Zeichen ist oder ob sie nur darauf gewartet haben, dass mir ein Kessel hochgeht oder so. Doch ich war mir si-cher, dass das nicht geschehen wird, auch wenn - oder vielleicht auch grade weil - mir das sehr oft bei meinen Forschungen zu diesem Trank passiert ist. Ich weis also nur zu genau, worauf ich zu achten habe. „Fertig“, meine ich schließlich. „Er muss nur noch abküh-len und Magie würde diesen Vorgang stören – doch das wird nur etwa eine viertel Stunde dauern, denn die letz-te Zutat – die Eisnelke - beschleunigt den Vorgang.“ Erstaunlicher Weise hat meine Erfindung einen recht guten Geruch (auch wenn die einzelnen Tränke den nicht unbedingt hatten) und schmeckt auch erträglich. Nicht, dass ich darauf extra hingearbeitet hätte - es hat sich einfach so ergeben. Die Prüfer schnüffeln und sind wohl über diese Tatsache angenehm überrascht. „Noch ein paar Fragen, Mr Snape, während der Trank abkühlt“, fordert mich Manicours auf. „Selbstverständlich, Sir“, gebe ich zurück und bemühe mich gleichzeitig freundlich (was mir schwer fällt) und nicht zu devot (was auch so gar nicht in meiner Natur liegt, aber ich bin ein guter Schauspieler) zu klingen. „Albus hat mir berichtet, dass sie hier auch unterrich-ten“, stellt er in den Raum. „Ja, Sir“, gebe ich zurück. „Ich muss mir meinen Unter-halt verdienen und Professor Dumbledore hat mir den Posten angeboten.“ Nun, das entspricht wenigstens so halbwegs der Wahr-heit – auch wenn es weit davon entfernt ist, die ganze Wahrheit zu sein, doch die müssen die Leutchen hier mit Sicherheit nicht kennen. „Wie viele Schüler haben sie denn so pro Klasse?“ ist die nächste Frage. „Achtzehn bis zwanzig, Ma´am“, sie kam nämlich von einer der Frauen. „So viele?“ murmelt einer der Männer vor sich hin. „Und was unterrichten sie?“ „Zaubertränke gemäß dem Lehrplan des Ministeriums“, erwidere ich und denke, dass sie das doch eigentlich wis-sen sollten. „Ah ja“, murmelt der Mann, der anscheinend alles kom-mentieren muss. „Und gefällt es ihnen in Hogwarts?“ werde ich gefragt. „Ich bin gerne hier“, gebe ich zurück und frage mich was das eigentlich soll. Sie sollen mich prüfen und nicht mich über mein Leben ausfragen, aber vielleicht wollen sie einfach mehr über mich wissen – schließlich kennen sie mich ja nicht oder nur aus Briefen. Vielleicht wollen sie auch nur die Zeit überbrücken, bis der Trank kalt ist - nun sollen sie – meine Vorliebe für Smalltalk erhöht das nun nicht eben grade – aber immer höflich bleiben und unverbindlich antworten – das wird wohl das Beste sein. „Was haben sie für Pläne für die Zukunft?“ will der Murmler von mir wissen. „Nun, mein Vertrag hier läuft noch zwei Schuljahre und dann werde ich weiter sehen“, entgegne ich. Nun ja, so kann man das auch nennen, denn ich bin noch eine halbes Jahr auf Bewährung und wenn die ab-gelaufen ist, sind wir mitten im nächsten Schuljahr und ich werde Dumbledore kaum mitten im Jahr sitzen las-sen – dafür verdanke ich ihm einfach zu viel und er ver-traut mir. „Ah ja“, murmelt dieser Mensch erneut. Es werden noch einige persönliche Fragen gestellt, zum Beispiel, warum ich mich auf Tränke spezialisiert habe und ob mein Vater tatsächlich der alte Ravenous Snape war – was ich natürlich bejahen muss und was den Prü-fern einige finstre Blicke entlockt – der alte Bastard muss sich in unserer Gesellschaft echt unbeliebt ge-macht haben – aber dazu weis ich zu wenig über meine Eltern – und es wäre äußerst ungesund gewesen, ihnen solche Fragen zu stellen. Nun, ich bin sicher nicht er und ich kann nur hoffen, dass diese Kommission das auch einsieht. Dann endlich ist der Trank soweit abgekühlt, dass man ihn verwenden kann. Ein paar Käfige mit Ratten und diverse Gifte werden aus dem Hintergrund geholt und mein Trank wird getestet. Nun, bei den Giften der Herr-schaften ist nichts dabei, was ich nicht kennen würde und nicht auch berücksichtigt hätte – ein paar davon sind sogar lächerlich einfach – es würde schon genügen, sich heftig zu erbrechen, um damit klar zu kommen. Al-so kein Problem für mein Mittel. Mit der Zeit werden die Gifte jedoch exotischer, wenn auch nicht so phantasie-voll, wie ein paar der Sachen, die ich für den Dunklen Lord erfunden habe – also immer noch nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Sie kommen mir vor, wie kleine Kinder, die ein neues Spielzeug ausprobieren und ich schüttle innerlich den Kopf – wie können sich eigentlich recht würdige und gebildete Personen nur so benehmen? – aber wenn ich da an Dumbledores verrücktere Einfälle denke, ist wohl so einiges möglich. Endlich sind sie mit ihren Versuchen fertig und ich wer-de aufgefordert, nach draußen zu gehen und auf das Ergebnis ihrer Beratung zu warten. Ich nicke nur und verlasse den Raum. Ich möchte im Augenblick nichts mehr, als mich einfach auf meinen Hintern zu setzten, denn ich habe fast sieben Stunden lang gestanden und meine Beine sind wie Blei. Dumbledore scheint auf mich gewartet zu haben, denn er ist im Gang als ich herauskomme – vielleicht hat er auch nur von Zeit zu Zeit vorbeigeschaut – ich hatte ihm ja gesagt, dass alleine das Brauen vier bis fünf Stunden dauern würde. „Wie ist es gelaufen, mein Junge?“ fragt er und zum ers-ten Mal wird mir wirklich klar, wie sehr es ihn interes-siert, was ich tue. „Ganz gut, denke ich“, ist meine Antwort. „Sie beraten sich jetzt.“ „Oh ja“, gibt er mit einem verschmitzten Grinsen zurück. „Ich denke, sie werden das köstliche Abendessen genie-ßen, das ihnen die Elfen servieren und dabei über dies und das plaudern.“ „Oh“, murmle ich nur und denke, dass Essen im Augen-blick so ziemlich das Letzte ist, was ich tun möchte, aber ein Schluck Wasser wäre herrlich. „Ich komme gleich wieder“, meine ich an den Direktor gewandt. Ich suche die nächste Toilette auf und trinke einen tie-fen Schluck an einem der Wasserhähne, dann entsorge ich das Gegenteil. Grundgütiger, das war jetzt dringend nötig – nicht, dass ich im Prüfungszimmer damit Prob-leme gehabt hätte – ich bin durchaus gewohnt, mir der-artige Dinge eine ganze Zeit lang zu verkneifen, aber jetzt war es doch ziemlich eilig. Als ich zurück-komme, wartet der Alte immer noch mit diesem sanften, verschmitzten Lächeln auf mich. „Die Prüfung hat ganz schön lange gedauert“, meint er. „Hast du keinen Hunger?“ Ich schüttle nur den Kopf – wie kann er jetzt nur ans Essen denken – also echt! Ich weis nicht, wie lange ich warte, dass sie zu einer Entscheidung kommen, denn der Alte plaudert eine ganze Menge unverbindliches Zeug mit mir, um mich zu beruhigen – er kann sicher sehen, wie nervös ich bin, denn ich tigere andauernd im Gang hin und her – und um mir die Zeit zu vertreiben. Er konnte mich immer schon sehr gut beruhigen, aber heu-te klappt es leider nicht so ganz – auch wenn es ihm wirklich gelingt, mir die Zeit nicht gar so lange werden zu lassen und ich hasse es wirklich zu warten. Ich gebe ihm nur ziemlich einsilbige Antworten, aber auch das ist er von mir gewohnt und es verdirbt ihm sicher nicht die gute Laune – nebenbei – wie kann man nur immer so gut gelaunt sein – das ist ja wohl nicht normal, oder? Endlich geht die Türe wieder auf und ich werde hinein gebeten. Dumbledore folgt mir, er weis wohl, dass er das jetzt darf. „Professor Snape“, wendet sich Manicours an mich und es ist das erste Mal, dass er meinen Lehrertitel benutzt. „Sie haben bestanden – natürlich haben sie das – aber ich muss auch dazu sagen, dass ich noch nie einen der-artig begabten Studenten erlebt habe – wir erwarten noch Großes von ihnen – das kann ich ihnen versprechen – Magna cum laude, Professor Snape, jüngster Meister der Zaubertränke seit mehr als zweihundert Jahren...“  7 . April 1984 Das musste ich erst einmal so ganz verdauen, bevor ich weiter schreiben konnte, aber ich denke, jetzt wird es gehen. Ich war wirklich wie vom Donner gerührt, als ich die Worte ‚jüngster Meister der Zaubertränke seit zweihundert Jah-ren’ hörte. Irgendwie konnte ich es nicht so recht glau-ben, dass ich es tatsächlich geschafft hatte – in sensati-onell kurzer Zeit, wie Dekan Manicours bemerkte. Au-ßerdem gibt es nur sieben weitere Personen in ganz Eng-land, die diesen Titel tragen dürfen und etwa zwanzig am Kontinent, wobei ich mich frage, was dann mit den anderen Studenten in diesem Fach los ist. Erhalten denn nicht alle diesen Titel, wenn sie ihr Studium abgeschlos-sen haben? Nun, wie auch immer, Dumbledore bestand darauf, mich in sein Büro mitzunehmen und dort ein ‚kleines Fest’ (wie er es nannte) zu feiern. Die Prüfer waren der Meinung, sie wären sehr müde geworden und zogen sich in die Gästezimmer zurück. Ich folgte dem Alten wie vor den Kopf geschlagen – wäre ich nicht so vollkommen durch den Wind gewesen, hätte ich mich natürlich rechtzeitig in meine Verliese verdrückt, bevor er was auch immer mit mir hätte feiern können. In meinem Zustand be-merkte ich allerdings erst viel zu spät, was er mit mir vorhatte. Er rief nach den Hauselfen und die bauten ein regelrech-tes Buffet auf – wobei mir mal wieder die Frage in den Sinn kam, wer denn das alles essen sollte – ich sicher nicht. Er ließ es sich auch nicht nehmen, uns beiden ein Glas Sekt einzuschenken und mit mir auf meinen brand-neuen Meistertitel anzustoßen. „Auf Severus Snape, jüngster Meister der Zaubertränke seit zweihundert Jahren und Trankmeister von Hog-warts“, meinte er mit seinem typischen verschmitzten Lächeln. Ich musste mich erst ein paar Mal räuspern, bevor ich auch nur einen Ton herausbrachte. „Auf Albus Dumbledore, der einem schäbigen Todesser das ermöglicht hat“, gab ich zurück. „Nicht, mein Junge“, erwiderte er. „Das ist vorbei.“ Ich brummte nur unbestimmt – es kommt mir nämlich nicht wirklich so vor, als sei das vorbei – das Mal ist im-mer noch sichtbar – wenn auch ziemlich verwaschen – und solange ich dieses elende Zeichen trage, wird es für mich nie vorbei sein. „Also, Severus, was hast du jetzt für Zukunftspläne?“ will er nun weiter wissen. „Nun“, erwidere ich. „Meine Bewährung läuft erst im November aus und dann stehen wir mitten im Schul-jahr. Das werde ich auf jeden Fall noch zu Ende unter-richten – wenn sie mich nicht wegschicken, Sir. Und dann? – ich weis nicht.“ „Mein lieber Junge, du bist mir natürlich jederzeit herz-lich hier als Lehrer willkommen und mehr noch – welche Schule kann sich schon rühmen, dass an ihr ein Meister seines Fachs Zaubertränke lehrt?“ „Danke“, murmle ich nur. Wenigstens bleibt mir das erhalten, denn ich weis wirk-lich nicht, welche Alternativen ich hätte. St Mungos kommt nicht in Frage, denn dort werden immer noch Opfer meiner Tränke behandelt und ich würde mich ver-raten, wenn ich dort anfange zu brauen. Was gibt es noch? Nun, es gibt durchaus Forschungseinrichtungen, die einen Trankmeister einstellen würden, aber dort brauche ich Empfehlungen und ein sauberes Führungs-zeugnis – mit dieser Bewährung – selbst, wenn sie abge-laufen ist – habe ich das nicht. Und Empfehlungen – nun, ich hatte bereits darum gebeten, sie aber nicht be-kommen und ich weis nicht, ob ich erneut nachfragen sollte – ehrlich gesagt bin ich zu stolz dazu und ich habe auch keine Lust, mir eine erneute Absage einzuhandeln. Oh ja, sie waren durchaus begeistert von meinem Trank – das hat Dekan Manicours nur zu deutlich gesagt – a-ber es sah nicht so aus, als würden sie mir weitere Emp-fehlungen als nur mein Abschlusszeugnis ausstellen. Das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass ich keine reine Weste habe, denke ich, denn das können sie ja eigentlich gar nicht wissen. Es geht wohl viel mehr darum, dass ich noch so jung bin und ein gewisser akademischer Neid unter den anderen aufgekommen ist, dass ich es bereits so weit gebracht habe – sie waren beinahe doppelt so alt, als die ihre Titel erhielten – und nicht alle von ihnen haben einen, wie ich mitbekommen habe, als sie mir vorgestellt wurden. Aus dieser Richtung ist also wohl eher nichts zu erhof-fen. Dumbledore hat mir bereits so unendlich viel gehol-fen und ich will ihn sicher nicht um noch mehr bitten – das lässt mein Stolz nicht zu – und außerdem ist be-kannt, wie er zu mir steht und eine Empfehlung von ihm hätte nicht den Wert, wie die eines Fremden – auch wenn sein Ruf in unserer Welt makellos ist – würde man es in meinem Fall wohl eher als Protektion ansehen. „Severus, du isst ja gar nichts“, unterbricht er meine Ge-danken. „Sorry, Sir, ich bin immer noch zu nervös und über-dreht“, erwidere ich. „Soll das heißen, dass du heute noch gar nichts gegessen hast?“ will er wissen. Ich schüttle nur ein wenig schuldbewusst den Kopf. Ich weis nur zu genau, dass sowas nicht richtig ist, aber wie soll ich das denn tun, wenn mein Magen den Aufstand probt und ich nur zu genau weis, dass ich kotzen würde, wenn ich ihm dennoch sowas zumute? „Nimm doch einfach ein paar Kekse“, schlägt er vor. Ich brumme unbestimmt, greife aber zu, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen. Ich mag süße Sachen nicht be-sonders (weil mir dann immer Hieratus in den Sinn kommt, der so oft mit mir Süßigkeiten gegessen hat und die Erinnerung tut schrecklich weh), aber diese Kekse sind wirklich gut und mein Magen akzeptiert sie ohne zu murren. Die Nüsse und die Schokostückchen, die hinein gebacken wurden sind wirklich lecker und so greife ich immer wieder zu, was dem Alten ein zufriedenes Lächeln entlockt. „Noch ein Glas Sekt?“ fragt er mich. „Lieber nicht Sir“, entgegne ich, denn das Zeug hat mir nicht besonders geschmeckt und kommt mir sauer hoch. „Besser einen Tee.“ Er lächelt mich immer noch an und winkt mir eine Tasse herbei. Ich trinke einen Schluck und stelle fest, dass es eine gute Idee war. Er wärmt mich von innen und spült den Rest dieser unseligen Nervosität aus mir heraus. Ja, ich habe diesen Titel, auf den ich über zwei Jahre lang hingearbeitet habe – aber was bringt er mir? Nicht viel, wenn ich ehrlich bin. Der einzige bezahlte Job, den ich wohl je bekommen werde, ist hier in Hogwarts als Leh-rer für Zaubertränke. Nun, wenn ich ehrlich bin, dann bin ich wirklich gerne hier und fühle mich nur hier wirklich sicher und geborgen. Es gibt immer noch keinen anderen Ort wohin ich gehen könnte oder wollte – selbst wenn ich frei wäre das zu tun. Also erst mal meine Be-währung absitzen, dann das nächste Schuljahr zu Ende bringen und dann weitersehen – hier bleiben kann ich ja immer noch. Der Alte lässt mich meinen Gedanken nachhängen, aber er hat mir ein Sandwich untergeschoben und ich war so geistesabwesend, dass ich es doch glatt gegessen habe. Es fühlt sich recht behaglich an, einfach nur mit Dum-bledore zusammen zu sitzen, selbst wenn wir schweigen. Er macht mich immer ruhig, wenn er in meiner Nähe ist und es gibt nur wenig, was mich so empfinden lässt – auf jeden Fall tut es mir sehr gut. „Weist du, mein Junge“, meint er schließlich. „Ich würde dich wirklich nur ungern als Lehrer verlieren, aber ich gebe dir jede Empfehlung, die du brauchst, wenn du et-was anderes machen willst. Du bist ein brillanter For-scher und unglaublich talentiert.“ „Kann ich denn nicht auch hier forschen?“ will ich wis-sen. „Ich habe ein Labor, ich habe jede Menge Zutaten und alle Bücher, die ich mir nur wünschen kann.“ „Natürlich kannst du das, aber es ist sicher nicht mit einer richtigen Forschungseinrichtung zu vergleichen – ich bitte dich – acht Kessel in einer Nische in deinem Bü-ro – nicht eben viel, nicht wahr?“ „Aber ich bin frei in dem, was ich erforschen will, oder?“ frage ich weiter. Ich will einfach wissen, in wie weit er mir freie Hand lassen würde, wenn ich hier bleibe. Ich will Hogwarts nicht wirklich so gerne verlassen, aber ich möchte auch nicht darauf verzichten, weiter zu lernen und zu for-schen – was auch immer zu erforschen. Meine Nächte sind einfach zu lang und zu schlaflos, als dass ich sie mit etwas anderem füllen könnte und es ist nicht eben eine gute Idee nur herumzusitzen und ins Feuer zu starren und nichts zu tun – ganz abgesehen davon, dass es langweilig ist, ist es nicht das, was ich mir vorstelle, es auf Jahre hinaus zu tun – und manches Mal treiben meine Gedanken dann nur zu gerne in sehr gefährliche und auch schmerzhafte Regionen ab. „Relativ frei – solange du noch unter Bewährung stehst, solltest du dich noch ein wenig bedeckt halten, aber da-nach fragt keiner mehr, was du hier in deiner Freizeit tust – ich würde dich nur bitten, vorsichtig zu sein und darauf zu achten, dass deine Versuche nicht in falsche Hände geraten können – selbstverständlich gibt es auch ein großzügiges Budget für die Zutaten, die du benötigst – und ich werde nicht nachfragen, was du für deinen privaten Bedarf einkaufst.“ „Hmmm“, brumme ich. „Das klingt mehr als nur verlo-ckend – eine Forschungseinrichtung würde mir sicher vorschreiben, an was ich arbeite und sie würden mich unter Zeitdruck setzen...“ „An was würdest du denn gerne arbeiten?“ dringt er weiter in mich. „Heiltränke jeder Art“, murmle ich und das stimmt – ich will sicher keine Gifte oder Schadenstränke mehr brau-en. „Außerdem würde ich gerne an ein paar bestehenden Tränken arbeiten – zum Beispiel der Vielsafttrank ist viel zu kompliziert und es dauert viel zu lange, ihn herzustel-len, außerdem sind einige Zutaten so selten geworden, dass man sie fast nicht mehr bekommen kann – und so ist das mit vielen alten Tränken – bin ich bei meinen Semesterarbeiten drüber gestolpert. Es muss einfach leichter, schneller, besser gehen – es ist keine gute Idee, wenn es fast einen Monat dauert, einen Heiltrank zu brauen, wenn er jetzt benötigt wird. Ich bin auch mit der Haltbarkeit und dem Geschmack so einiger Tränke alles andere als zufrieden.“ „Würdest du auch für den Bedarf unserer Krankenstati-on brauen?“ will er wissen. „Selbstverständlich“, erwidere ich. „Wenn Madame Pom-frey denn meine Arbeit akzeptiert.“ Bisher wurden die benötigten Tränke nämlich immer in St Mungos bestellt – ich denke, der alte Leech hatte kei-ne Lust, das Zeug für den Eigenbedarf der Schule zu brauen und so war das in meiner Zeit hier beibehalten worden. „Wird sie sicher – deine Tränke sind wesentlich besser, als alles, was St Mungos so vertreibt und du weist was du hineingetan hast – die Heiler aus dem Hospital hal-ten sich immer ein wenig mit den Inhaltsstoffen bedeckt – vielleicht, weil sie sich nicht in die Karten schauen las-sen wollen und gerne ihr Monopol behalten würden – es ist für sie nämlich eine sichere Einnahmequelle.“ „Ja, ich kenne die üblichen Tränke natürlich“, erwidere ich. „Und ich sehe kein Problem darin, sie auch zu brau-en und Madame Pomfrey auch zu sagen, wie ich sie her-gestellt habe, wenn sie das wissen will.“ „Sehr schön“, meint er freudig. „Das lag mir schon lange im Magen, dass wir eigentlich so gar nicht wissen, was wir den Kindern da geben, wenn sie krank sind. Leech wollte es immer nicht machen, es war ihm wohl zuviel Arbeit und auch er wollte sich nie wirklich in die Karten sehen lassen.“ „Er war kein Meister, oder?“ frage ich nach. „Damals nicht, aber er hat seinen Titel gemacht, als er mit dem Unterrichten aufgehört hat – das war auch ein Grund, seine Tätigkeit hier zu beenden – soweit ich weis, wollte er in Glasgow studieren - vielleicht arbeitet er auch noch daran – ich weis es nicht wirklich, denn ich höre nur wenig von ihm.“ „Oh“, meine ich nur. „Ich habe immer sehr viel von ihm gehalten und er war brillant.“ „Ja, das war er“, entgegnet er. „Aber du bist besser – viel-leicht nicht als Pädagoge, aber dein Wissen ist viel grö-ßer und du bist immer bereit, noch dazu zu lernen – Leech war in seinen Ansichten schon ziemlich eingefah-ren – nun, das ist eben so ein Leiden des Alters.“  20 . April 1984 Ich habe mich ein wenig auf meinen Leistungen ausgeruht, aber lange hielt das nicht vor. Es ist einfach zu langweilig, nichts zu tun zu haben, wenn man nicht schlafen kann und so habe ich begonnen, eine ganze Reihe von Tränken zu überarbeiten. Ich hatte leider auch Recht damit, dass keiner bereit war, mir wie auch immer geartete Empfehlungen auszu-sprechen und so ist mein Meistertitel nicht wirklich et-was wert und das tut mal wieder weh, denn es macht auch mich als Mensch irgendwie wertlos. Es gibt auch noch eine weitere Sache, die mich belastet. Heute brachte mir Pixi meine sauberen Roben zurück und verstaute sie in meinem Schrank. Ich wollte sie schon fragen, warum sie heute so lange dafür braucht, als ich plötzlich ein leises Rumpeln hörte. Da ich mich mit einem Buch in meinen Lehnstuhl zurückgezogen hatte und mich im Schlafzimmer aufhielt, musste ich nur in die Richtung des Geräusches schauen. Sie liegt am Boden und rührt sich nicht mehr. Mit einem langen Schritt bin ich bei ihr und fasse sie an. Es ist nichts mehr zu spüren und sie fühlt sich eiskalt an. Kein Puls, kein Atem, gar nichts. Sie ist in meinem Dienst ge-storben und ich mache mir sofort große Vorwürfe, dass ich nicht bemerkt habe, dass sie krank ist. Natürlich wusste ich, dass sie schon sehr alt war, aber sie wollte nie freigelassen werden und meinte immer, Hieratus habe sie mir hinterlassen und es sei ihre Pflicht, sich um mich zu kümmern. Ich habe mich so manchmal ein wenig mit ihr unterhalten, wenn sie hier war, um aufzuräumen und da sie zu einer Rasse gehört, die viel und gerne redet, tat sie das sehr gern. Ich habe mich immer für magische Kreaturen interessiert, beson-ders für Hauselfen und da wir im Rabennest keine hat-ten, waren die von Hieratus immer sehr interessant für mich und ich hatte ihn auch nach ihnen gefragt. Er meinte immer nur, ich solle sie nicht beachten, denn es sei diesen Wesen lieber und so habe ich mich danach gerichtet, aber meine Neugierde blieb. Pixi mochte mich wirklich, denn sie hat meine Fragen beantwortet, auch wenn sich diese Kreaturen sonst darüber sehr bedeckt halten. Sie sind sehr mächtig, aber sie haben eine große Schwä-che und die liegt darin, dass unsere Leute sie regelrecht versklavt haben und sie jedem Befehl zu gehorchen ha-ben, aber das liegt daran, dass sie es einfach brauchen, sich um andere Wesen zu kümmern – sie sterben, wenn sie das längere Zeit nicht tun können – ihr ganzer Da-seinszweck ist es, so gut wie möglich ihren Herren zu dienen. Sicher gibt es auch unter ihnen – wie überall - Rebellen, die das anders sehen und ihre Freiheit wollen, aber das sind nicht viele und sie werden von den ande-ren Hauselfen verachtet und gelten regelrecht als Ausge-stoßene. Lange bin ich über dem leblosen Körperchen gestanden und habe über meine Beziehung zu diesem kleinen We-sen nachgedacht. Sie war meine Dienerin und sie war für mich auch sowas wie eine Freundin – mir wird erst jetzt klar, wie viel mir an ihrer gelegentlichen Gesell-schaft gelegen war und wie gern ich sie hatte. Ich bin manchmal so dumm und nehme gewisse Dinge als selbstverständlich hin, bemerke erst dann, wieviel sie mir wert waren, wenn ich sie nicht mehr habe. Ich bin sehr traurig, dass die kleine Elfe nicht mehr ist und sie wird mir wohl grenzenlos fehlen. Sie, als Person, aber auch als Vermächtnis meines einzigen Freundes, an den es nun gar keine Erinnerung mehr gibt. Gedankenverloren hole ich einen alten Kissenbezug und hülle den kleinen Körper darin ein. Ich will sie begraben, denn das hat sie verdient. Ich nehme das kleine, elende Bündel hoch – Elfen sind so zart und schwach – und es wiegt kaum etwas, dann mache ich mich durch meinen Geheimgang auf in den Verbotenen Wald. Ich will nicht durchs Schloss gehen und mich mit diesem Bündel sehen lassen – das hier ist zu privat, zu persönlich und zu emo-tional, als dass ich wie auch immer geartete Fragen brauchen würde. Der Weg kommt mir heute noch dunkler und länger vor, als üblich – oft benutze ich ihn ja nicht - vielleicht ist es ja auch, weil ich heute sehr langsam gehe und immer noch meinen Erinnerungen an Pixi nachhänge. Ein schneller Blick zeigt mir, dass keiner in der Nähe ist und ich schleiche mich in den Wald. Ich möchte sie wirk-lich unter den Bäumen begraben, die mir viel bedeuten – ich habe den Verbotenen Wald schon als kleiner Junge geliebt und so möchte ich, dass diese Elfe hier ihre letzte Ruhe findet. Ich weis sogar schon einen geeigneten Platz dafür. Die Quelle an der Lichtung, wo ich zweimal Sirius beobach-tet habe – sie ist für mich ein ganz besonderer Ort und beinahe heilig. Dort wächst ein alter Ahorn und seine Wurzeln bilden eine Art Einfriedung. Für mich ist das der beste Platz für ein Grab. Natürlich habe ich keine Schaufel bei mir, aber mein Wurzelmesser habe ich immer in der Tasche und so be-nutze ich das, um eins auszuheben. Es muss nicht sehr groß sein und ich habe schon mal eins geschaufelt – doch dieses Mal sind die Gefühle völlig anders. Damals war ich voll durch den Wind und habe nur ge-handelt, ohne wirklich zu denken, doch heute denke ich und ich trauere – ich trauere wirklich, auch wenn ich nicht weinen kann – aber das habe ich seit fast drei Jah-ren nicht mehr getan und ich zweifle daran, dass ich es so schnell wieder tun werde – auch wenn ich mir nichts mehr wünsche, als es tun zu können – Pixi hätte es wirk-lich verdient, das jemand um sie weint ... so sehr ver-dient ... und ich kann es nicht – Wie jämmerlich! Meine Augen brennen und ich komme mir so schäbig vor, dass ich nicht für sie – um sie – weinen kann. Ver-dammt – ich habe wirklich kein Herz mehr in meiner Brust – nur einen kalten, gefrorenen Stein. Die Grube, die ich aushebe ist so schrecklich winzig, so klein, für diese kleine Gestalt – so wenig, was von einem solchen Wesen übrig bleibt ... so verdammt wenig, was überhaupt bleibt, wenn man diese Welt verlassen hat – nur ein Loch im Boden und Wurzeln und Gras und Erde, ein paar Steine... Als ich das Grab für tief genug halte, lege ich der jäm-merliche Bündel hinein. Ich finde es plötzlich einfach nicht richtig Pixi ‚nur so’ zu verscharren – ohne ein Zei-chen, dass sie je gelebt hat, ohne einen letzten Gruß. Es ist Frühling und der Wald ist grün und voller Blüten und Blumen, also pflücke ich ein paar davon und bedecke ihren kleinen Leib damit – ja, so fühlt sich das besser an – richtig an. Ich ziehe ein altes Taschentuch aus meiner Tasche und verwandle es in ein winziges Kleidchen, das ihr gepasst hätte und lege es auf die Blumen. Ich bin kein besonders guter Verwandler – schon gar nicht ohne Stab – aber das ist mir recht gut gelungen und ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Ja, wenn sie im Leben schon nicht frei sein wollte, so möchte ich, dass sie es wenigs-tens im Tode ist – mein letzter Gruß und mein letzter Dank an sie... Sehr nachdenklich häufe ich die Erde wieder über sie, die feuchte, fruchtbare Erde dieses Waldes. Als letztes lege ich die Rasenstücke wieder darauf - es sieht fast aus, als wäre hier nichts geschehen und das gefällt mir nicht – ich möchte nicht, dass sie in einem unbezeichneten Grab liegt – ich möchte nicht, dass sie einfach so vergessen wird, als habe sie nie gelebt. Die Steine, die ich ausgehoben habe, liegen noch herum und ich benutze sie, um einen kleinen Hügel über dieser Stelle aufzuhäufen – den Ort zu bezeichnen – ja, so ge-fällt mir das besser – viel besser. Ich würde gern ein Ge-bet für sie sprechen, aber ich kenne keine Gebete, glaube an keinen gütigen Gott – glaube überhaupt nur an sehr wenig, doch ein paar Worte halte ich dennoch für an-gemessen, um ihrem Leben den Respekt angedeihen zu lassen, den es verdient hat, doch viel fällt mir nicht ein – ich bin kein Mensch vieler Worte. „Schlaf gut, kleine Pixi“, murmle ich daher nur. „Du warst eine gute Elfe und ich habe deine Dienste und dei-ne Gesellschaft wirklich genossen – grüß mir Hieratus, wenn du ihn denn hinter dem Schwarzen Schleier wie-dersehen solltest – du bist frei und du entscheidest, wem du dort dienen willst, wenn überhaupt – Farewell, Pixi, wenn das denn dein wahrer Name war...“ So wenig, was ich zu sagen habe, so jämmerlich wenig, aber mehr fällt mir nicht ein und wie auch immer, diese wenigen Wortes beruhigen etwas in mir und die Trauer schwindet ein bisschen. Ich schüttle den Kopf über mich selbst und mache mich auf ins Schloss zurück, wobei ich ein paar Pflanzen mit-nehme, um einen Grund zu haben, warum ich hier war – keiner muss wissen, was ich hier wirklich getan habe – das soll mein privates Geheimnis bleiben.  30 . Mai 1984 Ein wenig Zeit ist vergangen und ich habe weiter geforscht, aber das muss ich ein wenig auf Eis legen, denn es ist schon bald Zeit für die Prüfungen und ich muss die Fragen vorbereiten. Ich weis, dass es immer eine ganze Menge Narren gibt, die es nicht wirklich ver-standen haben, aber ich sollte ihnen eine Chance geben, sie dennoch zu bestehen. Es ist eher eine Frage meiner persönlichen Ehre, dass keiner meiner Schüler durchfällt, als sonst was – ich schenke sicher keine guten Noten her und es hagelt in meinen Prüfungen jede Menge vieren, aber eine fünf vergebe ich nur unterm Jahr oder wenn die Leistung so jämmerlich ist, dass mir keine andere Wahl bleibt. Ich weis immer noch nicht, wie gut ich als Lehrer wirk-lich bin. Auf jeden Fall unterrichte ich nicht besonders gern und ich mag keine Kinder – aus mancherlei Grün-den. Andererseits ist es auf eine seltsame Art befriedi-gend, wenn doch mal eins dabei ist, das richtig begreift und Zaubertränke ernst nimmt oder das Brauen beinahe so sehr liebt wie ich – nicht, dass es viele von dieser Sor-te geben würde. Ich kann immerhin den Stoff an den Mann bringen und die Prüfungen des Ministeriums beweisen mir, dass ich dabei wohl gar nicht so schlecht bin, denn es fällt wirk-lich kaum einer durch. Natürlich nehme ich in den letz-ten beiden Jahren nur noch die Besten in meinem Unter-richt auf – warum auch sollte sich ein Kid mit etwas abmühen, was ihm so gar nicht liegt – und mir dabei schrecklich auf den Wecker fallen - aber ich bestehe da-rauf, dass sie in den OZE dennoch anständige Noten er-zielen, denn ich will sicher nicht für einen schlechten oder gar unfähigen Lehrer gehalten werden. Sicher, ich mag diesen Job nicht besonders, aber es ist der einzige, den ich wohl bekommen werde und mein Stolz gebietet es mir, ihn anständig zu machen. Weiter schreibe ich an den Prüfungsfragen und überle-ge, ob ich nicht vielleicht die eine oder andere Falle ein-bauen sollte, um wirklich zu erkennen, wieviel sie bei mir gelernt haben und ein gemeiner Teil von mir drängt mich auch, das zu tun. Man soll es ihnen nicht zu ein-fach machen, denn die Welt ist nicht nett und je früher sie das begreifen, umso besser. Der Dunkle Lord ist zwar verschwunden, aber es bleibt immer die Frage, ob er nicht zurückkehrt – er oder ein anderer, der dieses Machtvakuum ausfüllt – und dann sollten sie bereit sein – sie sind unsere Zukunft und sie sollten wie auch immer gearteten Bedrohungen nicht naiv oder hilflos gegenüber stehen – sie sollten wissen wie man sich wehrt – ich selbst wusste das viel zu lange nicht oder hatte einfach nicht den Mut, es zu tun – ich bin nur weggelaufen und habe mich versteckt... Diese Vorwürfe sind immer noch sehr laut in mir, selbst nach fast drei Jahren und ich denke, ich werde sie nie wirklich zum Verstummen bringen. Ich habe einen Feh-ler begangen und ich versuche ihn wieder gut zu ma-chen – aber es kommt mir so jämmerlich vor, was ich dafür tun kann. Ich bin kein Spion mehr – ich kann kei-ne Informationen liefern – ich kann ja noch nicht mal Hogwarts verlassen – ich kann nur lehren und auch das kommt mir so jämmerlich vor – so wenig, was ich tun kann, dass sowas wie damals nicht noch mal passiert. Ich bekomme mal wieder Depressionen – auch wenn grade nicht Weihnachten ist – und sie sind ziemlich übel. Ich habe keinen, mit dem ich reden kann, noch nicht mal Pixi und der neue Hauself, der für mich zu-ständig ist, kann sie mir nie ersetzen, er hat weder ihre Art, noch bedeutet er mir auch nur das Geringste – er ist einfach nur ein Diener, der sich um meine Sachen küm-mert und außerdem ist er mir viel zu laut und lebhaft – ich kann Unruhe in meiner Gegenwart nicht ertragen, denn in meinem Inneren bin ich selbst schon unruhig genug – auch wenn man mir das nach außen hin natür-lich nie ansieht. Ich trage vor aller Welt eine Maske, denn ich will nicht, dass irgendwer weis, wer ich wirklich bin – wie schäbig und jämmerlich – wie absolut wertlos. Also bestehe ich auf Respekt – sowohl von Schülern, als auch von Kolle-gen – werfe flammende, finstere Blicke um mich und spreche nur wenig und wenn ich doch mal was sage, ist es bitter, finster, hämisch, schnarrend. Ich weis ja noch nicht mal mehr, wie man lächelt oder gar lacht – warum auch? Es gibt in meinem Leben nichts zu lachen und witzig ist schon gar nichts. Meine Kollegen respektieren mich zwar – auch wenn sie so einiges gegen meine Art haben – aber mögen tun sie mich sicher nicht – nicht, dass ich Wert darauf legen würde, gemocht zu werden. Am liebsten habe ich ein-fach meine Ruhe und forsche – aber manchmal ... manchmal bin ich wirklich grässlich einsam.  30 . Juni 1984 Die Prüfungen sind geschrieben und auch korrigiert. Ich kann mit den Ergebnissen zufrieden sein, denn keiner ist durchgefallen und auch die Ministeriumsprüfungen sind gut gelaufen – ich werde nur jene in den höheren Klassen haben, die ich dort auch sehen will – gut, ich brauche dort sicher keine Narren. Die Ferien sind da und es wartet ein langer Sommer auf mich, während dem ich das Schloss immer noch nicht verlassen darf – nicht, dass ich wirklich so scharf darauf wäre, das zu tun, aber ich möchte es langsam mal wie-der tun können, wenn mir danach ist – einfach nur ein Butterbier im Kessel trinken oder durch die Winkelgasse stromern... Aber es sind noch vier lange Monate, die ich noch hier im Schloss festsitzen werde. Die Zeit dehnt sich umso länger, je mehr von meiner Bewährung verstreicht und ich werde wirklich langsam unruhig in meinen Räumen. Ja, sie schützen mich, aber sie engen mich auch ein und ich komme mir von Zeit zu Zeit regelrecht eingesperrt vor, auch wenn ich mich sicher fühle. Aber vielleicht sollte ich mal wieder einen Abstecher in den Verbotenen Wald machen oder einfach nur am See spazieren gehen, denn das ist mir ja gestattet. Es ist ein ziemlich bewölkter Tag und ich denke, es wird bis zum Abend noch ein Gewitter geben - vielleicht wäre es ganz nett, sich die Blitze vom Astroturm aus anzuse-hen – sowas hat was. Nun, vielleicht doch erstmal in den Wald, denn ich könnte mal wieder so einiges an frischen Zutaten brau-chen und die Qualität, die ich dort finden kann, ist we-sentlich höher, als wenn ich sie bestellen muss. Also nehme ich mir meinen Umhang – auch wenn es schwül-warm ist, möchte ich nicht darauf verzichten, denn ich fühle mich so nackt und ungeschützt ohne und ich hasse das – und mache mich in den Wald auf. Wieder mal be-gegnet mir Hagrid am Gelände und grüßt mich. „Servus, Severus“, meint er und ich kann sehen, wie sehr ihn dieses kleine Wortspiel amüsiert. Wie auch immer ich habe nichts dagegen, wenn er mich mit Vornamen anspricht, denn ich mag ihn und genau genommen, kennt er mich ja schon als Junge und ich verdanke ihm auch mein Leben – nicht, dass ich es wirk-lich wert gewesen wäre, gerettet zu werden – aber er hat es getan und so bin ich ihm was schuldig. „Hagrid“, nehme ich seine Anwesenheit zur Kenntnis. „Gehst amoi wieda in an Woid?“ will er wissen und ich nicke bestätigend. „Des host scho ois Bua gern to und jetzad derfst as aa.“ Das stimmt, früher hat er mich immer verscheucht, wenn ich solche Pläne hatte – nicht, dass er mich immer erwischt hätte – aber doch so ein paar Mal, aber heute darf ich ja und habe sogar die Genehmigung von Dum-bledore – mehr noch – die ausdrückliche Aufforderung, das zu tun. Dann beschreibt Hagrid mir einen Weg, wo er seltene Kräuter und Pflanzen gesehen hat und er meint auch, dass an einer bestimmten Stelle ein Einhorn gestorben sei und ich solle mir doch davon holen, was ich brauchen kann. „Aba lass de Finga vom Bluad – du woast ja, dass des kona ham derf – und i mecht ned, dassd an Ärga kri-agst“, warnt er mich. „Danke für den Tipp, Hagrid“, gebe ich zurück. „Und ich werde ganz sicher die Finger vom Einhornblut lassen – sowas ist selbst mir zu heiß.“ Er nickt nur und schenkt mir eins seiner unglaublich barbarischen Lächeln. Ich wende mich mit einem verab-schiedenden Nicken ab und gehe in den Wald hinein. Er hat mir recht gut erklärt, wie ich an die betreffenden Stellen komme und ich folge seinen Ratschlägen. Die Pflanzen sind wirklich eine sehr gute Beute und ich hat-te nicht wirklich gehofft, hier sowas zu finden, auch wenn Hagrid meinte, es sei da – er ist nicht eben ein Ge-nie in Pflanzenkunde und einige davon kann man sehr leicht mit wirkungslosen Doppelgängern verwechseln – besonders bei Pilzen kann das nur zu leicht geschehen. Ein anderer würde Angst haben, dass er sich dabei ver-giftet, aber ich bin ja gerade auf diese Vertreter dieser Spezies aus – Gift ist nicht einfach nur Gift und es gibt viele giftige Substanzen, die man in sehr geringen Men-gen in Heiltränken verwendet – man muss nur genau wissen, was man tut. Auch das Einhorn finde ich und nehme von ihm Haare und Horn – sicher reizt es mich auch, das Blut zu neh-men – es gibt da ein paar höchst interessante Tränke in den alten Büchern meines Vater – aber da ist mir das Risiko wirklich zu groß. Nee, Severus, besser echt nicht – lass die Finger davon – du hast es fast überstanden und du brauchst nicht noch Probleme, jetzt, wo es fast vorbei ist. Seufzend lasse ich also den Rest dieses herrlichen Ge-schöpfes unberührt und finde es sehr schade, dass es nicht mehr lebt, auch wenn ich hier eine wirklich gute Beute gefunden habe, doch für mein Empfinden sollten Einhörner nicht einfach so tot auf einer Lichtung liegen – sie sollten unsterblich sein... Meine Schritte führen mich an die Quelle und ich setze mich neben Pixis Grab auf den Rasen. Wenn ich schon hier bin, kann ich es auch besuchen – ich hatte noch nie das Bedürfnis das Grab von wem auch immer zu besu-chen – schon gar nicht das von meinem Vater, dem alten Bastard. Ich weis nicht, wo meine Mutter begraben liegt und bei Hieratus weis ich noch nicht mal, ob der über-haupt ein Grab hat – an sowas hat damals sicher keiner gedacht – die Zeiten waren einfach zu grässlich und je-der hatte genug damit zu tun, nicht selbst draufzuge-hen. Und die letzte Ruhestätte meiner Elfe zu besuchen käme mir so schrecklich verkehrt vor – immerhin wurde sie ja wohl neben ihrem Mann begraben und den konnte ich noch nie ausstehen – oder? Nein. James Potter war im-mer mein Feind und Rivale – Rivale um ein Mädchen, das noch nicht mal wusste, dass es mich überhaupt gibt und schon gar nicht, wie sehr ich sie geliebt habe. Ich habe nur einen einzigen Satz mir ihr gewechselt und da habe ich sie tödlich beleidigt, habe das Schlimmste zu ihr gesagt, was man zu einer Muggelstämmigen Hexe sagen kann – habe sie ‚Schlammblut’ genannt – saure Trauben – das war wohl mein wahrer Grund, doch auch daran will ich nicht denken, denn es macht mich nur erneut traurig. Ich stehe lieber wieder auf und verlasse den Wald, denn es beginnt auch bereits der Donner zu grollen, wie ich es schon erwartet hatte. Dann versorge ich schnell meine Ausbeute und steige auf den Astroturm, als ich soweit bin. Das Schloss ist leer und verlassen und so begegnet mir auch keiner auf meinem Weg nach oben. Gut, dann wer-de ich hier am Turm wohl meine Ruhe haben. Ich setze mich auf eine der Bänke, die ein wenig von einem über-hängenden Mauerstück geschützt wird, denn ich will nicht nass werden – ich mag es nicht, nass zu werden – es sei denn, ich stehe unter der Dusche und das Wasser ist angenehm warm. Die Wolken sind noch dichter geworden, haben eine un-heimliche gelbgraue Färbung angenommen und ein hef-tiger Wind treibt sie über den Himmel. Es ist auf eine seltsame Art dunkel geworden, nicht wie in der Nacht, aber dennoch sehr finster. Wieder rollt ein Donner über den Bergkessel in dem sich das Schloss und die Ortschaft befinden und der erste grelle Blitz zuckt aus den düste-ren Wolkenmassen. Es sieht so machtvoll aus – es gibt wohl kaum etwas Mächtigeres als die Naturgewalten – selbst wir, die wir uns für mächtige Wesen halten, weil wir Magie besitzen, sind ein bloßes Nichts dagegen – sind unbedeutend und klein. Dicke Regentropfen beginnen zu fallen, weitere Blitze zucken über den Himmel und zerreißen die Wolken. Grell und laut und dann das Rauschen des fallenden Regens. Ich bin ganz allein mit diesen Geräuschen und auch wenn sie so laut sind, dass sie alles andere überdecken, empfinde ich sie nicht als störend, sondern sie vermit-teln mir ein eigenartiges Gefühl der Geborgenheit, als könne ich mich in ihnen verbergen und regelrecht un-sichtbar machen. Ich bin hier so hoch oben über die Welt, dass sie und ihre Zwänge vollkommen die Bedeutung für mich verlie-ren. Hier kann ich ‚ich selbst’ sein, auch wenn ich nicht weis, was das wirklich ist – ich wusste es noch nie und darin liegt eins meiner größten Probleme – gar nicht zu wissen wer ich bin und auch nicht die geringste Ahnung zu haben, wie ich es herausfinden soll – ja, noch nicht mal zu wissen, ob es eine gute Idee wäre, es auch nur herausfinden zu wollen. Ich bin Severus Snape, Trankmeister von Hogwarts – aber ich weis nicht, was das wirklich ist – über die bloße Bedeutung der Worte hinaus ist - und das tut verdammt weh, kaum mehr als mein Name zu sein. Noch mehr weh tut der Gedanke, ob ich es überhaupt wissen will – oder, ob da noch mehr ist oder nicht. Leere Existenz – das ist es wohl, was ich bin und ich denke, das muss mir rei-chen, bis ich vielleicht eines Tages auf mehr stoße. Nur ein Tag nach dem anderen – keine echte Zukunft – ein-fach nur weiter machen – weil ich mir geschworen habe, es wieder gut zu machen – aber manchmal ist das doch so verdammt wenig... Weiter rauscht der Regen herab, nur unterbrochen vom krachenden Hallen des Donners und dem gleißenden Licht der Blitze. Mehr gibt es hier oben nicht – nur mich jämmerliches Wesen, das sich dieses grandiose Natur-schauspiel ansieht. Ich weis nicht, wie lange ich hier sitze, aber als ich mich aufraffe, um den Turm zu verlas-sen, ist es wirklich dunkel geworden und die Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind, waren nicht wirklich schön oder so, aber ich musste sie mal wieder durchdenken, nur um weiter machen zu können, nur, um mit mir selbst so weit klar kommen zu können, dass es auch nur ein ‚morgen’ gibt...  1 . August 1984 Ich habe die Zeit genutzt, um weiter zu forschen und ich habe die Zeit genutzt, um am Vielsafttrank zu forschen und ich habe es geschafft, die Brauzeit auf drei Wochen zu verkürzen – wenigstens, wenn der Mond richtig steht, wenn ich beginne zu brauen. Das neue Re-zept hat auch nicht mehr unbedingt viel mit dem alten zu tun, aber er tut, was er soll – netter Erfolg – aber da keiner außer mir davon weis, ist es wohl nicht besonders viel wert – doch was soll´s – immerhin hat es mir ein wenig die Zeit vertrieben. Jetzt habe ich mir die Verwirrtränke vorgenommen und suche nach zuverlässigen Gegenmitteln – die, die es nämlich gibt, sind das nicht so unbedingt. Ich habe mehrere weitere Projekte im Kopf und plane noch viele weitere Forschungen, die aber unterm Stich wohl nicht mehr bedeuten, als dass ich mir die Zeit ein wenig damit verreiben kann. Selbst meinen Unterricht fürs nächste Jahr habe ich schon vorbereitet und wenn ich ehrlich bin, ist mir jetzt verdammt langweilig. Noch nicht mal einen Spaziergang kann ich machen, denn es gießt schon seit vielen Tagen in Strömen und es ist ein außerordentlich nasser Som-mer. Gewöhnlich wäre mir das echt egal, aber im Au-genblick, habe ich wirklich große Lust ein wenig spazie-ren zu gehen und mir die Beine zu vertreten, denn wäh-rend meiner Arbeit habe ich mich doch recht wenig be-wegt. Ich bin auch mal wieder ziemlich müde und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich sogar ein bisschen Hun-ger. Ich bin immer noch so dürr, wie ich es war, als ich hierher kam und ich weis, dass ich viel zu wenig esse und dass mir das sicher nicht gut tut. Doch meistens habe ich keine Lust dazu und wenn ich arbeite, denke ich noch nicht mal daran – ganz abgesehen davon, dass mein Magen nicht immer mit Nahrung einverstanden ist und dann den Aufstand probt. Egal – dann rufe ich eben eine Elfe und sie soll mir was bringen – es ist seit Pixis Tod bereits die dritte, die sich um mich kümmern soll, denn ich komme mit diesen lau-ten, nervösen, überdrehten Wesen nicht besonders gut klar und kann dann ziemlich schnell die Geduld verlie-ren, wenn sie so gar nicht ruhig sein können. „Camody“, murmle ich ins Nichts. „Was zum Essen und Tee – nee, besser Kaffee – sonst penne ich wirklich noch auf der Stelle ein.“ Der Elf der Woche erscheint und verbreitet die übliche Hektik – nee, auch der wird mir sicher nicht lange erhal-ten bleiben. Im Moment kann ich mich zwar noch be-herrschen, aber ich habe keine Ahnung wie lange das noch anhält. Er stolpert durchs Zimmer und lässt beina-he das Tablett fallen, das er in den Händen trägt. Es klirrt laut, als es ihm gelingt, es doch noch sicher auf meinem Schreitisch abzustellen. „Professor Snape, Siiir“, quietscht er. „Camody Eeeeesen gebracht, Camody Kaffeeee gebracht, Professor Snape will Suuupe, will Hühhhhnchen, will...“ „Es reicht vollkommen, was du angeschleppt hast, Ca-mody“, knurre ich. „Du kannst wieder gehen.“ „Camody gerne bringt meeehr, Camody gern bringt al-leeees!“ „Geh jetzt“, schnarre ich und werfe ihm einen vernich-tenden Blick zu – nee, lange hab ich den echt nicht mehr, der ist ja noch schlimmer als sein Vorgänger. Er sieht meinen Gesichtsausdruck und hält es wohl für besser, sich aus meiner Reichweite zurückzuziehen. Da-bei stolpert er über seine eigenen Füße und schlägt län-gelang hin – das reicht – beinahe hätte er eins meiner Regale umgeworfen. „Raussss!“ fauche ich ihn an und er verschwindet doch tatsächlich, bevor er noch mehr anrichten kann. Ich seufze schwer und mache mich über die Mahlzeit her. Es ist genug für eine halbe Armee und mit Sicher-heit viel mehr, als ich essen kann. Sie meinen es ja wirk-lich gut mit mir, diese kleinen Wesen, aber bei dieser Menge, die sie mir da aufgetischt haben, bin ich ja schon satt, bevor ich auch nur angefangen habe zu es-sen. Trotzdem esse ich davon, denn ich habe wirklich Hunger und ich halte es für keine gute Idee, dem nicht nachzugeben – mit der Zeit könnte mich das echt krank machen – auch wenn ich schon sehr lange so lebe und es inzwischen eigentlich gewohnt sein sollte.  9 . August 1984 Bevor ich es noch vergesse: Maverick Malleville hat unsere ehrenwerten Hallen zum Jahresende bereits wieder verlassen und wohl sein gebrochenes Herz mit-genommen. Vector muss ihm ziemlich übel mitgespielt haben – ich kenne keine Einzelheiten – nur Gerüchte. Auf jeden Fall sieht sie aus wie eine Katze, die einen Ka-narienvogel in Sahnesoße verspeist hat (ohne Minerva damit zu nahe treten zu wollen). Sicher, diese Frau ist wirklich bildschön, aber sie hat einen echt miesen Cha-rakter und ich hielte es echt für eine gute Idee, ihr nicht zu nahe zu kommen, man kann sich an ihr einfach zu sehr die Finger verbrennen. Wie auch immer, Mallevilles endgültige Abreise bedeu-tet, dass das Fach ‚Verteidigung gegen die Dunklen Künste’ mal wieder keinen Lehrer hat. Dumbledore weis, wie gerne ich dieses Fach unterrichten würde, aber so-lange ich noch unter Bewährung stehe, kann er sich für mich sicher nicht noch weiter aus dem Fenster lehnen – ein Todesser, der Verteidigung unterrichtet – Grundgü-tiger – das ist absurd! Aber andererseits, wer sollte es besser können, als je-mand, der schon ausführlich damit zu tun hatte und ziemlich genau weis, wie die Dunklen Künste sich anfüh-len – wenn man sie ausübt, ebenso, wie wenn man sie abbekommt? Nun, er gibt mir den Job nicht und damit muss ich eben leben – einstweilen wenigstens – denn ich denke, der Job wird schon wieder mal frei werden und dann stehe ich nicht mehr unter Bewährung und die Bedenken von Albus werden vielleicht ihre Bedeutung verlieren. Alleine, dass ich mir diese Gedanken mache, bedeutet ja eigentlich schon, dass ich wohl in Hogwarts bleiben werde, auch wenn ich das Gelände bald wieder verlassen darf. Ja, ich habe wirklich große Lust mal was anderes zu sehen, als nur die Mauern von Hogwarts, den Wald und den See – die Winkelgasse wäre eine nette Option, doch ich denke nicht, dass ich je wieder in die Nocturngasse gehen werde – das, was man dort kaufen kann, ist ein-fach zu verführerisch für einen Menschen wie mich und ich will echt nie wieder in die Versuchung kommen, Gif-te oder Ähnliches zu brauen – auch wenn sie sehr inte-ressant sind, so sind sie doch auch so verdammt töd-lich.  23 . August 1984 Die Ferien nähern sich mal wieder ihrem Ende und das Schloss ist immer noch ziemlich leer. Selbst Dumbledore ist auf einen Kongress gefahren und somit ist keiner da, der mich im Auge behält. Es juckt mich in den Fingern, einfach einen kleinen Ausflug wohin auch immer zu ma-chen, aber das ist keine gute Idee, denn ich will nicht auf dem letzten Wegstück in die Freiheit noch strau-cheln. Schon bald zeigt sich, dass Vorsicht wirklich der bessere Teil des Daseins ist, denn ich bekomme ziemlich uner-warteten Besuch. Drei Inspektoren vom Ministerium aus der Abteilung für Strafverfolgung tauchen erneut im Schloss auf und wollen mich mal wieder durchsuchen. Es sind andere Leute, als das letzte Mal, aber ich weis nicht, ob das gut oder schlecht ist und wie auch immer – Dumbledore ist nicht da und kann mich somit auch nicht schützen. Sie sind von einer eisigen Höflichkeit und ich nehme mich mit aller Gewalt zusammen, um ebenfalls höflich zu bleiben. „Snape“, spricht mich der offensichtliche Anführer an. „Wir wollen überprüfen, ob sie die Auflagen erfüllen – ihre Bewährung läuft in einem viertel Jahr ab und da sollten wir schon wissen, ob es gerechtfertigt ist, dass sie am Ende straflos ausgehen.“ „Tun sie sich keinen Zwang an“, erwidere ich trocken. Ich kann es ohnehin nicht verhindern, was auch immer sie hier tun wollen und ich sollte versuchen, dass es glimpflich abgeht. Sie drängen sich an mir vorbei und beginnen mein Büro zu durchsuchen. Sie sind ein wenig vorsichtiger, als die Letzten, die hier waren und so geht nichts zu Bruch. Allerdings bekommen meine wertvollen Präparate mal wieder ziemlich fettige Fingerabdrücke ab und meine Bücher erhalten eine vollkommen neue Ord-nung. Nun, das ist nicht weiter schlimm, das muss ich nur wieder aufräumen. Sie werden hier nichts finden, was ich nicht haben darf, denn ich bin noch vorsichtiger mit dem geworden, was ich in meinen Räumen aufbe-wahre. Eine Frau inspiziert meine Versuchstiere und ein junger Mann steckt seine Nase in jeden meiner Kessel. Nun, dort wird er nichts finden, denn ich halte mein Werk-zeug immer peinlich sauber – zu viel kann schief gehen, wenn sich Trankrückstände ungewollt mischen – und außerdem verfälscht man damit die Ergebnisse. Der dritte untersucht mein Tränkelager und meine Zu-taten. Ich habe bereits so einiges für unsere Krankensta-tion hergestellt und von jedem dieser Tränke eine Probe bei mir aufbewahrt – sicher ist sicher. Er befragt mich nach ein paar giftigen Substanzen wie Eisenhut, Arsen oder Knollenblätterpilz, aber ich kann ihm eine ganze Reihe von Heiltränken nennen, in denen man diese Din-ge verwenden kann und er scheint mit meiner Auskunft zufrieden zu sein. „Was für einen normalen Menschen ein tödliches Gift ist“, ende ich, „ist für einen Trankmeister Bestandteil sehr starker Heilmittel.“ Er brummt nur unbestimmt und stellt mir Fragen zu einigen Tränken, die er in die Finger bekommt. Ich be-schrifte jede einzelne Phiole sehr sorgfältig, denn es ist essentiell, dass es nicht zu versehentlichen Verwechslun-gen kommen kann. Er kennt sich nicht wirklich mit Tränken aus und so stellt er sehr viele Fragen – oft ziem-lich dämliche Fragen. Ein Aufpäppeltrank wird einfach bei Erkältungen verwendet und hat nur die Nebenwir-kung, dass einem hinterher Rauch aus den Ohren quillt und er schmeckt zwar nicht besonders, aber ich habe noch nie erlebt, dass es jemand ernsthaft davon übel geworden wäre, wie er behauptet. Sie suchen noch ein wenig herum, aber es sieht eher so aus, als würden sie das tun, weil sie den Auftrag dazu haben, als dass sie wirklich erwarten würden, dass sie etwas Verdächtiges finden. „Ihr Schlafzimmer?“ wendet sich der Anführer an mich und ich deute zu der Tür. Er nickt nur und geht darauf zu. „Öffnen!“ befiehlt er mir. Selbstverständlich liegen immer noch Bannflüche auf meiner Tür, denn ich bin echt nicht scharf darauf, un-liebsamen Besuch zu bekommen oder mir gar beim Schlafen zusehen zu lassen – wenn ich denn mal schlafe. Ich gebe ihm den Zugang frei, denn ich weis, dass ich mich nicht auffällig machen sollte – so eine demütigende Erniedrigung, wie das letzte Mal brauche ich sicher nicht wieder. Ich verhalte mich so kooperativ wie nur möglich, aber es kommt mich sauer an und es brodelt mal wieder ziemlich in mir. Auch hier werden meine Regale durchsucht, ebenso wie mein Koffer und mein Bett, aber sie bringen nicht soviel durcheinander, wie die anderen und benehmen sich auch nicht wie die Axt im Walde. Die Auroren bleiben ziemlich höflich, auch wenn ihre Gesichter steinern sind und ihr Benehmen eisig. „Nun gut“, kommt es schließlich vom Anführer. „Ihren Zauberstab, bitte.“ „Ich habe keinen“, gebe ich zurück. „Ich darf keinen ha-ben – wie sie wissen sollten.“ „Sie haben vor ein paar Monaten ihren Trankmeisterti-tel erhalten, wie uns bekannt ist“, fährt er fort. „Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, dass sie das oh-ne Stab vollbracht haben, oder?“ „Ich hatte keinen Stab“, entgegne ich. „Nur eine Haselru-te und die haben sie sicher draußen bei den Kesseln lie-gen sehen, nicht wahr?“ „Dieses Stöckchen?“ platzt die Frau heraus. „Für wie dämlich halten sie uns.“ „Mehr habe ich nicht“, entgegne ich nur nüchtern und muss mich ziemlich zusammennehmen, um zu verhin-dern, dass sich ein paar phantasievolle Flüche rein ver-baler Natur ihren Weg bahnen. „Dann muss ich eine Leibesvisitation vornehmen“, kommt es vom zweiten Mann. Ich zucke nur die Achseln – hatten wir das nicht schon mal? – aber bitte – allerdings werde ich mich sicher nicht wieder vor diesen Leuten ausziehen. „Heben sie die Arme“, weist mich der jüngere Mann eis-kalt an. Ich komme sehr unwillig seiner Aufforderung nach, denn ich lasse mich nicht gerne anfassen. Er tritt an mich heran und klopft mich sehr professionell ab. „Taschen leeren“, fordert er mich auf und ich mache. Nur das Übliche. Ein paar Zettel, Trankzutaten, ein Ta-schentuch – mehr nicht. „Nun gut“, kommt es erneut vom Anführer. „Das war´s dann, Snape – bis zum nächsten Mal.“ Und so plötzlich, wie sie hier aufgetaucht sind, sind sie auch wieder verschwunden. War ja dieses Mal gar nicht so schlimm, auch wenn sie mal wieder auf eine unver-zeihliche Weise in meine Privatsphäre eingedrungen sind, so war es doch nicht demütigend und ich denke, dass ich nie wirklich sicher vor einer unerwarteten Durchsuchung sein werde – ich habe nun mal keine rei-ne Weste und eine überstandene Bewährung bedeut nicht, dass ich über jeden Verdacht erhaben sein werde – das wird mir heute zum ersten Mal wirklich klar. Jedes Mal wenn hier im Schloss etwas Seltsames ge-schieht (und das tut es in Hogwarts ziemlich häufig), werde ich erneut in Verdacht geraten und der eine oder andere wird mutmaßen, dass ich damit zu tun habe oder dass es sogar auf meine Veranlassung hin geschah. Verdammt – ich weis nicht, ob ich unter einer solchen Dauerbelastung leben möchte – allerdings fürchte ich, dass es wo anders noch schlimmer wäre – hier kann we-nigstens Dumbledore das Schlimmste verhindern, auch wenn er heute nicht da war. Ja, ich werde wohl in Hogwarts bleiben, denn nur hier habe ich eine gewisse Sicherheit und genieße ein wenig Schutz. Ich wage es nicht wirklich, alleine zu leben und für mich die ganze Verantwortung zu übernehmen – für meine Taten schon, das ja, aber nicht für mein weiteres Leben – ich werde entscheiden, was ich tun werde, aber ich werde nichts tun, ohne eine gewisse Sicherheit hin-ter mir zu haben. Ich fühle mich mal wieder recht bitter und traurig. Nein, es war nicht so schlimm, wie das letzte Mal, aber es war übel genug und es gefällt mir nicht – nicht im Geringsten. Ich werde es Albus erzählen müssen, wenn er wieder zurück ist und ich denke, auch ihm wird es sicher nicht gefallen – man setzt sich über sein Haus-recht hier einfach hinweg und erscheint, wenn er nicht da ist. Hogwarts ist sein Reich, seine Schule und er ist hier ziemlich autark, auch wenn er sich an gewisse Re-geln halten muss. Als ich das Durcheinander wieder beseitigt habe, habe ich das dringende Bedürfnis, mich unter die Dusche zu stellen, um dieses ungute Gefühl, das sich in meinem Inneren festgesetzt hat, irgendwie abzuspülen. Bei dieser Gelegenheit stelle ich fest, dass es eine gute Idee wäre, mir mal wieder neue Roben zu besorgen, denn die mei-nen sind schon ziemlich schäbig und fadenscheinig ge-worden, immerhin sind sie schon fast vier Jahre alt und soviele zum Wechseln habe ich nicht, also müssen die vorhandenen ziemlich oft gewaschen werden und das tut dem Stoff nicht unbedingt gut. Vielleicht sollte ich mir auch überlegen, ein wenig mehr darunter anzuzie-hen, mir ist ohnehin immer kalt und ich mag dieses Ge-fühl so überhaupt nicht. Ich will auch nicht mehr mit diesem Reinblüterquatsch in Verbindung gebracht werden, nur weil ich keine lange Hose habe – und – wie auch immer - inzwischen tragen auch viele reinblütige Magier welche. Ich würde gerne wenigstens äußerlich so halbwegs wie ein normaler Mensch aussehen, auch wenn es sicher vergebliche Lie-besmüh ist, auch nur zu glauben, ich wäre einer oder könnte je einer werden. Ich bin anders, bin ein Außenseiter – war es schon im-mer – und ich bin sicher kein netter Kerl – aber das ist etwas mit dem ich schon lange lebe und mit dem ich mich wohl auch für den Rest meines jämmerlichen Da-seins abfinden muss – je früher ich mich damit anfreun-de umso besser. Ich habe ohnehin keine Wahl und ich hatte sie wohl auch nie. Ich kann es kaum abwarten, bis es endlich November ist und ich das Schloss verlassen kann. Die wenigen Wo-chen und Monate, die ich noch hier bleiben muss, schei-nen mir eine Ewigkeit zu sein, aber ich weis, dass auch diese Zeit vergehen wird, wenn erstmal der Unterricht wieder angefangen hat und mich die Schüler wieder auf andere Gedanken bringen werden. Man kann einfach nicht Trübsal blasen und sich selbst leid tun, wenn dut-zende lebhafte Kinder und Teenager meine Aufmerk-samkeit erfordern, weil sie Kessel in die Luft jagen oder Ähnliches. Ich mag die Schüler zwar immer noch nicht, aber irgendwie freue ich mich darauf, wenn sie wieder hier sind und für ausreichend Beschäftigung sorgen – ich braue und forsche ja wirklich gerne, aber selbst das wird mit der Zeit langweilig, wenn man so gar nichts anderes zu tun hat. Das heiße Wasser plätschert auf mich herab und ent-spannt meine verknoteten Muskeln ein wenig. Ich habe mich ziemlich verkrampft, als diese Auroren hier waren, weil ich mich so sehr zusammennehmen musste, um nichts Falsches zu tun oder zu sagen. Es liegt so gar nicht in meiner Natur, still zuhalten, wenn man mir et-was antun will – gut, beim Dunklen Lord habe ich mich auch nie gewehrt, aber zu der Zeit war ich kaum mehr als ein funktionierendes Etwas, das einfach das tat, was von ihm verlangt wurde. Doch heute bin ich das nicht mehr, ich bin zwar kalt, bitter und leer, aber ich denke und – auch wenn ich es nur ungern zugebe – ich emp-finde – etwas, das ich natürlich keinen wissen lassen werde. Träume, Pläne, Hoffnung? Fremdworte für mich – schon seit viel zu langer Zeit. Aber inzwischen habe ich begrif-fen, dass man sich wehren muss, wenn man mit den Umständen nicht zufrieden ist – aber auch Zufriedenheit kenne ich so gut wie nicht mehr. Noch nicht mal mein Trankmeistertitel hat mich wirklich zufrieden gemacht, denn er ist so gar nichts wert – nicht für mich, denn er eröffnet mir so gar keine neuen Möglichkeiten. Egal – ich habe ihn und ich sollte stolz darauf sein, mal bei etwas nicht versagt zu haben – etwas geschafft zu haben, das vor mir noch kaum einer geschafft hat und wohl auch nicht so schnell wieder jemand schaffen wird. Doch auch mein Stolz ist nur äußerlich – wie ein Panzer, wie ein Schutzschild – er reicht nicht wirklich bis in mein Innerstes hinein – man kann nicht stolz auf sich sein, wenn man sich die meiste Zeit als jämmerlich an-sieht und sich so sehr hasst, wie ich es tue. Ich habe keine Freunde oder auch nur gute Bekannte – würde das auch gar nicht wollen – es macht zu angreif-bar und es tut zu weh, wenn man sie verliert oder von ihren verraten oder für ein paar Gefälligkeiten oder ein bisschen mehr Macht verkauft wird. Weggeworfen, wie ein nutzloses Stück Abfall – ich will das nie wieder erle-ben und so werde ich mich wohl gegen alles wehren, was mir zu nahe kommt, was mir schaden will oder auch nur meine Maske und meinen Panzer zu durchschauen ver-sucht – oder mich gar irgendwie verletzen will – nein, nie wieder diesen Schmerz empfinden, gegen den es so gar kein Mittel und gar keinen Trank gibt. Körperliche Verletzungen oder auch die Auswirkungen von Flüchen lassen sich behandeln – das meiste heilt so-gar von selbst wieder – auch wenn es manchmal ein we-nig dauert – doch diese Wunden im Inneren eines Men-schen, die heilen nie – die hören nie auf zu bluten – die hören nie auf weh zu tun ... und von solchen Verletzun-gen habe ich mehr als genug, als dass ich je wieder wel-che dazu bekommen wollte. Ich bin sehr lang unter der Dusche gestanden und habe nachgedacht, jetzt wird das Wasser langsam kalt und ich sollte besser zusehen, dass ich wieder raus komme. Ich trockne mich ab und meine Gedanken sind immer noch auf Wanderschaft. Ja, meine Klamotten sind echt schäbig, aber sie werden es tun müssen, bis ich das Schloss wieder verlassen darf. Sicher habe ich in den letzten drei Jahren weiterhin Gold verdient – aber ich konnte so gar nichts damit an-fangen – nun, bis auf das Butterbier an Halloween, aber das kostet nicht viel. Ich habe also ein paar Ersparnisse, die ich dafür gut verwenden kann. Natürlich wird wie-der alles Schwarz sein – ich mag andere Farben nicht mehr – sie passen einfach nicht zu meiner Grundstim-mung, denn die ist meistens Schwarz oder bestenfalls mal Nachtblau oder Anthrazit. Nun, ich sehe nicht ein, dass ich meinen Stil mehr ändern sollte, als dass ich mir Hosen und Hemden besorge – es ist wirklich angesagt unter der Robe mehr als nur eine Unterhose oder nackte Haut zu tragen. Neue Unterwäsche wäre auch mal wie-der angesagt, denn die meine habe ich gekauft, als ich begann für Lestrange zu brauen – ist also schon eine ganze Zeit her. Mir liegt nicht viel an meinem Aussehen oder gar an Mode, aber ich will nicht verkommen oder schäbig aussehen – hatte ich zu lange, als ich noch ein Junge war und es tat verdammt weh, deswegen verspot-tet zu werden. Es ist ziemlich spät geworden und ich halte es für eine gute Idee noch einen schönen warmen Tee zu trinken und mich dann schlafen zu legen. Hunger habe ich mal wieder keinen, oder Hunger vielleicht schon, aber dieser ‚Besuch’ hat mir den Appetit gründlich verdorben und mein Magen ist ein kaltes, verkrampftes, klammes Et-was, dass sich noch nicht mal durch den Tee wirklich entspannt. Nun, auch das ist nichts Neues für mich und ich lebe schon eine ganze Zeit damit und ich denke, ich werde auch noch eine ganze Zeit damit leben müssen, auch wenn es mir sicher nicht gefällt – aber was gefällt mir denn schon?  1 . September 1984 Ich habe mich wieder beruhigt und auch Dumbledore weis Bescheid. Er meinte, er würde sich weitere Ein-mischungen in seine Schule nachdrücklich verbieten – ich hoffe nur, er hat wirklich soviel Einfluss wie alle denken. Nun, noch zwei Monate und ich bin ein freier Mann – das werde ich schon noch durchhalten, oder? Die Kinder treffen ein und wie jedes Jahr werden sie in ihre Häuser gewählt, wobei mir ein weiterer Rotschopf auffällt und ich weis, dass er ein Weasley ist. Ich weis von dieser Familie nur, dass sie so reinblütig wie arm sind und mehr Kinder haben, als es gut für sie sein kann – ich werde also noch eine ganze Menge dieser Rot-schöpfe hier an Hogwarts sehen. Was denke ich da? Das heißt ja, dass ich mich wohl wirklich entschieden habe, hier zu bleiben – nun, was sollte ich auch sonst tun? Es ist also wohl mehr ein Mangel an Alternativen, als eine echte Entscheidung. In den Reihen meiner Slytherins erscheinen immer mehr bekannte Namen – Namen, die ich mit meinen ‚alten Freunden’ unter den Todessern in Verbindung bringe. Doch es sind nur Kinder und nicht die Leute, die gemor-det, gefoltert und sonstwas getan haben. Sie haben es verdient, dass man ihnen eine Chance gibt – ich hatte sie ja auch und ich bin wirklich der Letzte, der sie ihnen verweigern dürfte. Ich weis nicht, was ich zu ihnen sa-gen sollte, denn ich fürchte ein ‚macht sowas ja nicht’ ist zu wenig und die Dunkle Seite kann so verdammt verlo-ckend sein. Leider hatte ich noch nie viele Worte, wenn es um etwas anderes als meine Tränke geht und ich wüsste nicht, was ich zu ihnen sagen sollte, wie ich sie überzeugen sollte. Also wird mir nicht viel anderes übrig bleiben, als ihnen das Gefühl zu geben, dass sie selbst etwas wert sind und nicht einem anderen nachlaufen müssen, um Wert zu erhalten. Vielleicht, wenn ich weiterhin dafür sorge, dass sie genügend Hauspunkte bekommen, damit Slytherin den Pokal gewinnt – es ist ein wirklich erhe-bendes Gefühl, wenn man so jung ist und sowas erleben darf – ja, das ist eine gute Idee und ich ziehe ja ohnehin regelmäßig den anderen Häusern Punkte ab, wenn sie sich nicht benehmen. Vielleicht sollte ich bei meinen Kids die eine oder andere Untat auch übersehen und sie ein wenig bevorzugen – die anderen Hausleiter machen das ja auch, auch wenn es nicht allzu offensichtlich ist. Ja, der Pokal für Slytherin wäre wirklich eine nette Sa-che und es würde ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine stehen und sich jemand wenigstens in gewisser Weise um sie sorgt. Ich bin so vollkommen in meinen Gedanken versunken, dass ich mal wieder nur in meinem (wirklich köstlichen) Essen herumstochere und mir damit einen tadelnden Blick von Dumbledore einhandle – er meint immer, ich solle mehr essen und ich sei zu dünn. Doch das stört mich schon lange nicht mehr. Ich war schon immer zu dünn und hatte noch nie etwas an mir, was man als att-raktiv bezeichnen könnte. Ich muss ja keinem gefallen und Spiegeln habe ich ohnehin weitgehend abgeschwo-ren (außer wenn ich mich rasieren muss) und sehe mich nur selten darin an – nur, wenn ich mal wieder das Be-dürfnis habe, zu schauen, wie ich mich verändert habe und dann gefällt mir ohnehin nie, was ich sehe. Ich stochere weiter in meinem Essen herum, aber ich nehme auch den einen oder anderen Bissen, um den Alte nicht traurig zu machen – er ist der Einzige, der mich mag und der mir vertraut und ich will ihn sicher nicht auf welche Art auch immer verletzen oder gar enttäu-schen. Die Happen fallen wie Blei in meinen Magen und ich sehe mich schon mal wieder die Nacht in Umarmung meiner Kloschüssel zu verbringen, weil er so gar nicht akzeptieren will, was ich ihm da mal wieder zumute – ich war noch nie ein guter Esser, aber in den letzten Jahren ist es echt jämmerlich geworden, was ich so zu mir nehme. Selbst ein Spatz würde damit wohl verhun-gern... Ich bin ziemlich froh, als Dumbledore das Fest aufhebt und ich mich wieder in meine Verliese trollen kann. Ich suche nach einem Trank gegen einen verdorbenen Ma-gen und werde auch fündig – er verhindert, dass ich al-les wieder von mir gebe und er sorgt dafür, dass ich nun doch mal einen vollen Magen habe – nun, ich denke, das wird für den nächsten Monat mal wieder reichen müs-sen, denn so bald werde ich sicher nicht wieder so viel essen.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)