Ich Severus Snape von abgemeldet (Young Severus - ein bisschen Depri - Erster Band meiner Saga) ================================================================================ Kapitel 9: Todesser ------------------- Kapitel 8 Todesser Eine tote, leere Zeit J etzt, da wir mit der Schule fertig sind und in London wohnen, kommen wir immer näher an den engsten Kreis um den Dunklen Lord heran. Ich kenne sein Ge-sicht nicht, nur seinen Ruf, aber er scheint auch den Meinen zu kennen, meine Tränke, meine Ambitionen … denn eines Tages taucht Lestrange bei uns auf. Bei sich hat er eine wilde Frau, glühende Pupillen, wirres schwarzes Haar und Augen mit schweren Lidern. Sie ist sehr schön, sieht aber wahnsinnig aus, irrsinnig … und ich kenne sie, sie heißt Bellatrix und war in Lestranges Jahr in Slytherin. Er stellt sie uns als seine Gattin vor. „Snape“, sagt er. „Der Dunkle Lord hat von dir gehört und möchte dich kennen lernen. Er hat großes Interesse an Leuten mit deinen Talenten und Ambitionen.“ „Soll mir recht sein“, entgegne ich unbeteiligt. „Ich woll-te unserem Meister schon lange begegnen.“ Ich habe mir beim Sprechen sogar schon die Art dieser Leute angewöhnt. …der Meister ... Der Dunkle Lord … Was auch immer er sagt … auch wenn ich es ehrlich gesagt ir-gendwie albern und pathetisch finde – doch wer unter Wölfen lebt, sollte besser lernen zu heulen wie ein Wolf – ist gesünder. Und wer keine Zukunft hat, muss sich mit dem zufrieden geben, was ihm geboten wird... „Nicht nur dich, Snape“, fährt Lestrange erfreut fort. „Auch deine beiden Freunde, er ist interessiert, sehr in-teressiert.“ Karkaroffs Augen beginnen fanatisch zu leuchten und Hieratus zieht keuchend Luft ein. Zum Dunklen Lord … Ich kann mich nicht weigern, ich stecke in zu vielen Sa-chen schon viel zu tief drinnen … und eigentlich ist es auch egal - einfach nur weiter machen - ich lebe seit einiger Zeit ohnehin nur noch, wie in einem bösen, nicht enden wollenden Traum. Lestrange nennt Zeit und Ort des Treffens und wir willigen ein, Hieratus et-was zaghaft. Ein leeres Lagerhaus, irgendwo am Stadtrand - Neu-mond, Mitternacht - alles still und leer, wie auf einem Friedhof. Wir sind verhüllt, vermummt, wie man es von uns verlangt hat, aber ohne diese unkenntlich machen-den silbernen Masken, die die Todesser, die mir bisher begegnet sind, ausgezeichnet haben. Plötzlich erscheint ein grünes, leuchtendes Zeichen am Tor. Ein Totenschädel, aus dessen Maul eine Schlange hängt, wie eine Zunge - das Dunkle Mal – natürlich ha-be ich schon davon gehört, aber es ist das erste Mal, dass ich es mit eigenen Augen sehe – wenigstens in die-ser Art. Es ist mir schon als schwarzes Tattoo auf diver-sen Unterarmen begegnet und etwas in mir fand es di-rekt cool – muss wohl der kleine dumme Junge in mir gewesen sein. Eine Menge Leute in dunklen Kutten apparieren. Ge-sichtslos – Namenlos – Ungenannt – so wie die meisten Todesser vor Außenstehenden erscheinen – keiner soll wissen, wer dahinter steckt, allerdings gibt es immer Anhaltspunkte, wenn man weis worauf man achten muss – und so erkenne ich die beiden Lestrange Brüder und auch Bellatrix (es gibt nur wenige Frauen hier). Noch ein paar andere kommen mir bekannt vor, doch ich lasse mir nichts davon anmerken – man soll anderen Leuten ihre Illusionen lassen und außerdem könnte es ziemlich gefährlich werden, es in diesem Fall nicht zu tun – so dumm bin ich ja nun doch wohl nicht, obwohl mir so langsam aufgeht, dass ich wohl grade dabei bin, eine Riesendummheit zu begehen ... doch es ist zu spät, es sich anders zu überlegen... Sie kommen auf uns zu und verbinden uns die Augen. Sie sprechen kein Wort. Packen uns nur je zu zweit an den Oberarmen und ziehen uns vorwärts - Fester Griff, grobe Hände - Ich höre Karkaroffs schweren Atem, ein erstauntes Keuchen von Hieratus, aber ich bemühe mich, ungerührt zu erscheinen – ich weis, dass es töd-lich sein kann, sich eine wie auch immer geartete Schwäche anmerken zu lassen – besonders in einer Si-tuation wie dieser. Plötzlich beginnt ein rhythmisches Gemurmel. „Dunkler Lord … Meister … Dunkler Lord … deine Die-ner bringen dir die neuen Anwärter … alles für den Dunklen Lord…“ Immer wieder und wieder. Ich höre wie schleifende, scharrende Schritte auf mich zukommen, zischenden Atem - Ein grausames, kaltes, hohes Gelächter – und kann mir nur zu gut vorstellen zu wem es gehört. „Ja … ja, meine Todesser! - Neue für unsere Reihen! - Wir werden immer mehr! - Wir werden immer mächti-ger! - Macht für die Reinblütigen! - Nieder mit den Muggeln! - Nieder mit den Mischlingen! - Nieder mit den Schlammblütern! - Ewiger Ruhm! - Unsterblichkeit! - Ja … ja, meine getreuen Todesser!“ Er skandiert Satz für Satz und nach jeder Zeile geht ein sehnsüchtiges Seufzen durch die Reihen der verhüllten Gestalten. Eiskalte Schlangenfinger streifen mir die Binde von den Augen, glutrote Augen mit Schlitzpupil-len, wie die einer Schlange, starren mich an, ein schup-piges Gesicht mit einer geschlitzten Nase - Grauenvoll. Mir rinnt ein eisiger Schauer den Rücken hinunter und plötzlich habe ich Angst - Todesangst. Seit Jahren hatte ich vor nichts mehr Angst, aber vor diesem kalten, schlangenartigen, beinahe unmenschlichen Mann emp-finde ich eiskaltes Grauen. Ja, echte Todesangst. „Snape“, zischt er mich an und die feinen Härchen an meinem Körper stehen wie auf Befehl zu Berge. „Severus Snape. Ja, ich kannte deinen Vater, ein wirklich genia-ler Mann, ein schwarzer, schwarzer Trankbrauer und du trittst in seine Fußstapfen. Schön, sehr schön. Willst du mein getreuer Todesser werden? Ja? Treue bis in den Tod?“ Dann lacht er wieder sein kaltes, kaltes Lachen und sei-ne roten Augen dringen in meine schwarzen, dringen tief in mich ein, scheinen in meine Seele zu schauen, scheinen meine tiefsten Geheimnisse in Erfahrung zu bringen. Dinge über, die ich nie reden wollte, die keinen etwas angehen und plötzlich wehre ich mich gegen die-ses Eindringen - Es ist mein Kopf, meine Gedanken - Ich gehöre nur mir und sonst niemanden – und ich spüre, wie die Verbindung abreißt. „Nun“, zischt diese grausame Stimme wieder und geht über meine Gegenwehr einfach hinweg. „Was sagst du Severus? Treue bis in den Tod?“ Ich weis genau, sage ich jetzt „nein“, ist das mein Tod – ich habe durch mein Erscheinen hier jede Chance auf eine wie auch immer geartete freie Wahl aufgegeben - er wird umgehend seinen schwärzesten Zauber auf mich werfen und ich werde Geschichte sein … und ich will leben! – Egal, wie wenig lebenswertes Leben noch in mir übrig ist – und ich bin noch so verdammt jung – habe noch soviele Jahre vor mir – wenn es mit rechten Din-gen zugeht – und darauf will ich nicht verzichten... „Ja, Meister“, sage ich also voller Grauen. „Treue bis in den Tod.“ „Dann empfange jetzt das Zeichen meiner getreusten Gefolgsleute.“ Er packt meinen linken Unterarm und schiebt den Är-mel hoch. Seine eiskalten, glatten Schlangenfinger streifen meine Haut und ich schaudere, mein Fleisch zieht sich direkt vor Ekel zusammen. Dann berührt ei-ner seiner langen, dürren Finger die Innenseite meines Unterarms, eine schwarze Flamme schießt daraus her-vor und dringt in mein Fleisch ein. Ein grauenvoller Schmerz, wie ich ihn noch nie empfunden habe durch-zuckt mich, meine Haut scheint zu brennen, in der Hölle zu brennen. Die Pein zieht meinen ganzen Arm hoch und schießt bis in mein Herz. Nur die Hand des Dunklen Lords hält mich auf den Beinen. Ich gehe in die Knie und sacke in mich zusammen. Ich bekomme keine Luft mehr, meine Kehle ist wie zugeschnürt. Schließlich läßt er mich los, ich falle um und mir schwinden die Sinne. Als ich wieder zu mir komme, liege ich verkrümmt am Boden und neben mir liegen Hieratus und Karkaroff, in keinem anderen Zustand als ich. Als ich meinen Arm ansehe, erkenne ich, was der Dunkle Lord mit mir ge-macht hat, er hat mir sein höllisches Zeichen in die Haut - in die Seele – gebrannt - Das Dunkle Mal - Erken-nungssymbol der Todesser. Langsam kommen auch Karkaroff und Hieratus wieder zu sich und richten sich ein wenig auf, aber da ertönt auch schon erneut die zischende Stimme des Dunklen Lords. „Ihr tragt jetzt mein Zeichen. Wenn es brennt“ - Er fasst das Zeichen eines seiner Todesser an und mein Mal be-ginnt wieder wie Feuer zu brennen und färbt sich zuerst pechschwarz, dann blutrot, dann glüht es im Dunkeln - „werdet ihr alles stehen und liegen lassen und umge-hend an meine Seite apparieren. Ich habe viel für euch zu tun, viele Aufträge, viele Aufgaben. Geht inzwischen einfach euren üblichen Geschäften nach, bald wird un-sere Zeit kommen.“ Ein greller Lichtblitz und er ist verschwunden und die meisten Todesser apparieren ebenfalls. Ein Mann kommt auf uns zu und legt seine Kapuze ab. Er hat weisblondes Haar und ein spitzes Gesicht. Er war im sechsten Jahr in Slytherin, als ich im ersten war und ich kenne ihn – er heißt Malfoy - Lucius Malfoy. „Willkommen, Snape“, sagt er zu mir. „Willkommen im engsten Kreis des Dunklen Lords.“ Ich arbeite wieder an meinen Tränken und habe mehr Aufträge als je zuvor – auch vom Dunklen Lord höchst-persönlich. Hieratus hat mir dafür das überzählige Zimmer zur Verfügung gestellt und ich versenke mich völlig in meine Arbeit, bin kaum mehr ansprechbar. Tränke, immer mehr Tränke, gemeine Tränke, schwarze Tränke, nichts was heilt, nichts was lindert, nur finster, skrupellos, böse. Ich will nicht mehr denken, nicht mehr schlafen, nicht mehr träumen. Ich schlafe überhaupt nur noch, wenn Hieratus mir heimlich einen Schlaftrunk unterschiebt, sonst gibt es nur meine Arbeit für mich. Apropos Hieratus - Er scheint nicht glücklich mit unsere Zugehörigkeit zu den Todessern zu sein – ebenso wenig wie ich übrigens, aber ich hatte meine freie Wahl schon aufgegeben, als ich den ersten Trank für Lestrange ge-braut habe, doch Hieratus hat nie sowas getan, das ihm die Alternativen genommen hätte – nur das Dunkle Mal verunstaltet ihn ebenso wie mich und ich denke er leidet noch mehr darunter als ich es je könnte. Mein Freund war nie grausam, nie niederträchtig, nur ein einsamer Bursche ohne rechte Freunde. Und so ein guter Freund kann ich ihm ja wohl nicht sein, wenn er wegen mir in eine solche Lage geraten ist – oder? Was denkt er? Was fühlt er? Ich weis es einfach nicht. Keiner von uns wagt es noch, über etwas Privates zu sprechen, keiner wagt es, seine geheimen Gedanken zu äußern. Man kann sich nicht sicher sein, wer es hört. Man weis nie, wem man noch trauen kann. Einer belau-ert den Anderen, will sich beim Dunklen Lord beliebt machen, sich einschmeicheln, ihm noch näher stehen und Igor habe ich noch nie wirklich getraut – er ist ein-fach zu aalglatt. Alle paar Tage brennt das Dunkle Mal und wir apparie-ren umgehend, wie er es von uns verlangt hat - Immer an einen anderen Ort. Ein Magier spricht sich gegen den Dunklen Lord aus? Schon am nächsten Tag ruft er uns dort hin. Das Dunk-le Mal glüht in diesem ekelhaften Grün über dem Haus des Schuldigen. Todesser dringen ein und es gibt Tote, Folterungen, Grauen. Die Unverzeihlichen Flüche, für die man lebenslang Askaban bekommt, fliegen durch die Gegend, wie Bonbons, die man Kindern bei Paraden zu-wirft. Irgendwie schaffe ich es, mich davor zu drücken, mich raus zu halten, keinen von den Unverzeihlichen auszusprechen, niemanden zu töten oder zu foltern. Es gibt zu viele Todesser, die sich darum reißen, die ganz scharf darauf sind, diese Flüche zu benutzen. Meine Zu-rückhaltung fällt also nicht sonderlich auf und es sieht auch so aus, als könne ich es mir auch leisten, denn der Dunkle Lord liebt meine Tränke geradezu – nennt mich seinen lieben Giftmischer, wenn ich ihm wieder welche bringe – doch keiner kann wissen, wie lange ihm sowas genügt, denn sollte ich je einen direkten Befehl bekom-men zu foltern oder zu töten, weis ich wirklich nicht, was ich dann machen werde – wie wichtig mein jäm-merliches Leben mir dann noch ist – und ich kenne die Strafe für Ungehorsam – man kann dann nur noch um einen schnellen Tod beten – ich habe es gesehen und weis es nur zu genau... Bellatrix Lestrange hat sich auf den Cruciatus Fluch spe-zialisiert. Sie scheint auch so etwas wie ein Liebling des Dunklen Lords zu sein und genießt es regelrecht, wenn ihr schwarzer Zauber andere Menschen dazu bringt sich zu winden, vor Schmerzen zu kreischen und zu schreien. Es sind wie gesagt nicht viele Frauen bei den Todessern und die halten sich gewöhnlich vornehm zu-rück, aber Bellatrix kennt keine Grenzen, keine Hem-mungen und auch kein Mitleid, keine Gnade. Ich habe noch nie eine grausamere Frau erlebt und gehe ihr so weit wie möglich aus dem Weg – ist weniger gesund-heitsschädlich. Immer mehr Menschen sterben oder verschwinden, jetzt weis ich wie, wo und warum – nicht selten bin ich sogar Augenzeuge, aber ich sehe keine Veranlassung, etwas dagegen zu unternehmen, auch wenn ich das alles be-stimmt nicht für richtig halte – tief in meinem Inneren, wo noch etwas von mir übrig ist. Denke ich? Nein – das ist ein Luxus, den ich mir nicht gestatten darf und so bringe ich jede Stimme in mir ge-waltsam zum Schweigen. Fühle ich? Nein. Kalt wie Eis. Hoffe ich? Nein. Auf was sollte ich denn noch hoffen? Mein Leben ist ein einziger endloser Alptraum, denn ich bin bereits verdammt, auf dem Weg in meine eigene private Hölle und es gibt keinen Weg zurück. Träume ich? Nein, keine Zeit für Träume. Träume sind Illusionen – das hier ist die Wirklichkeit und die zerstört jeden Traum. Liebe ich? Was ist Liebe überhaupt? Es gibt nur Härte, Macht, Bitterkeit – finsteren Ruhm - wenn ich einen neuen schwarzen Trank abliefere, den es so noch nie zuvor gegeben hat – nicht in dieser Scheußlichkeit je-denfalls. Ich bin brillant, genial, aber ich wünschte, ich wäre es nicht – wie kann man nur so grässliche, mörde-rische Dinge herstellen, wenn man nur zu genau weis, was man tut und dass es so falsch ist, wie nur etwas falsch sein kann – doch ich tue es – denn ich habe meine freie Entscheidung aufgegeben, als ich das Mal nahm und jetzt zahle ich den Preis für meine Dummheit... ...denn in den dunkelsten Stunden der Nacht, ohne Ru-he, ohne Schlaf, schreit ein verlorener, einsamer Junge namens Severus Snape tief in mir unter schrecklichen Qualen auf, schreit, als müsse er den Cruciatus erleiden. Drei Jahre vergehen - tote Jahre, leere Jahre - schreck-liche, bittere, grausame Jahre - eine gigantische, schleimige, schwarze, ekelhafte Blase geronnener Zeit - ich degeneriere zu einem finsteren, kalten, harten We-sen, leugne jedes Gefühl in mir, kümmere mich kaum mehr um meine elementarsten Bedürfnisse - mein Herz ist wie gefroren, zu Stein geworden und ich tue einfach, was mir aufgetragen wird, ohne noch Fragen nach dem Sinn oder nach der Rechtmäßigkeit zu stellen. Ich habe angefangen, mich selbst zu hassen und zu ver-abscheuen, aber auch dieses Gefühl bringe ich mit ei-nem meiner schwarzen Tränke zum Schweigen. Hätte sich nicht Hieratus um mich gekümmert, wäre ich ein-gegangen, wie eine Grünpflanze in der Wüste, doch ich weis nicht, ob ich ihm dafür dankbar sein soll, oder ob es nicht leichter wäre, einfach zu sterben – schnell und schmerzlos – aber etwas in mir, will immer noch leben, auch wenn das, was ich da führe, kein Leben mehr ist, sondern nur leere Existenz. Malfoy hat sich bei mit angebiedert, führt sich auf, als sei er mein Entdecker, mein bester Freund, aber er sieht in mir wohl eher ein Schoßhündchen und er würde mich jederzeit foltern oder umbringen, wenn ihm das auch nur einen Hauch mehr Macht einbringen würde. Er behandelt mich nicht so, wenn ich dabei bin, nein, das wagt er nicht. Er fürchtet meine kalten Augen, mein hämisches, zynisches Grinsen, meine schnippische, scharfe Art, alle blos zu stellen, die mir nicht passen - aber vor seinen adligen Freunden…? Nun, ich weis nicht, was er da so von sich gibt, aber ich kann es mir bei seinem arroganten Standesdünkel nur zu gut vorstellen – und wenn ich ehrlich bin, will ich es gar nicht wissen, denn es könnte alles wahr sein, was er da so alles sagt – auf jeden Fall kann ich ihn nicht aus-stehen und gehe auch ihm aus dem Weg – soweit es möglich ist, denn häufig bekomme ich von ihm meine Aufträge. Ich höre viele Gerüchte, wenn ich wieder in der Winkel-gasse bin und neue Zutaten für meine Zaubertränke besorge – nicht, dass mir jemand wirklich etwas erzäh-len würde. aber meine Ohren sind so gut, wie sie es im-mer schon waren. Eins dieser Gerüchte bringt schließ-lich mein gefrorenes Herz zum Erzittern. Potter und Lily haben geheiratet. Black soll Trauzeuge gewesen sein. Irgendwie sollen sie immer noch für Dumbledore arbei-ten, aber nicht als Lehrer. Ich sehe Bilder von der Trauung im Tages Propheten. Frü-her hat der mich nie interessiert, aber jetzt lese ich ihn, um in Erfahrung zu bringen, wer noch lebt, wen es er-wischt hat – es sind viele – so viele – aber auch das hat mich bisher nicht bewegt, doch diese Nachricht und auch die zugehörigen Bilder sind etwas vollkommen an-deres und sie beginnen an meinem Innersten zu zer-ren... Black. Immer noch derselbe gut aussehende Kerl, immer noch dasselbe tollkühne Zum-Teufel-Lachen, pech-schwarze Haare, glitzernde, funkelnde Augen. Lily Evans - jetzt Lily Potter- Strahlend, schön, etwas Be-sonderes. … Lilyelfe. Diese Nacht ist schlimmer, als jede zuvor. Ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht schlafen, will nicht schla-fen. will denken, will an nichts denken. Lilys Augen - Blacks Lachen. Die ganzen Jahre in Hogwarts ziehen an meinem geisti-gen Auge vorüber. Die üblen Dinge, die schönen Sachen. Nur noch Erinnerung … Alles vorbei, für immer vorbei - Vorbei für mich – denn ich stehe auf der anderen Seite – nicht mehr im Licht – ich bin ein Geschöpf der Dunkel-heit geworden und es gibt kein Zurück mehr. Meine Tränke sind auch keine Lösung mehr, ich habe sie schon zu oft benutzt, sie wirken nicht mehr richtig und doch muss ich sie nehmen, um einfach nur weiter ma-chen zu können. Ich bin süchtig – körperlich abhängig davon, wenn ich sie nicht nehme, komme ich auf Ent-zug, aber auch das kümmert mich nur insofern, als dass ich sie einfach weiter schlucke. Doch meine Seele schreit - Um Hilfe? Um Erlösung? Um Rettung? - Ich weis es nicht – uns selbst wenn, wo sollte ich sowas denn schon finden? Jeder andere vielleicht – aber nicht ich – nicht Severus Snape... Auch mein Körper quält mich schon wieder, ich brauche eine Nutte, vielleicht kann ich dann schlafen, vielleicht muss dann nicht mehr denken. „Noch kein Toter durch meine Hände, wenn auch sicher durch meine Gifte – der Dunkle Lord wird wohl kaum die Ungezieferplage in seinem Keller damit bekämpfen“, fährt es mir durch den Sinn und den letzten Gedanken will ich lieber nicht zu Ende denken. „Ein Weg, ich brau-che einen Weg hier raus aus diesem grässlichen, mörde-rischen Schlamassel - Ich kann einfach nicht mehr – Schwarz - Schwarze Augen - Schwarze Seele – alles nur noch schwarz.“ Mit einem leisen Aufschrei fliehe ich aus meinem Bett, werfe mir meinen Umhang über, gehe mir eine Nutte suchen. Die Frauen kennen mich inzwischen, ich suche sie immer auf, wenn mir alles zu viel wird, wenn mein Körper mich zu sehr quält. Sie schätzen mich wegen meines Geldes, denn ich zahle gut, aber ich gelte nicht als freundlicher Freier - Zu schweigsam, keine Berüh-rungen, keine freundlichen Worte. Ich eile durch die nächtlichen Straßen wie ein Vampir auf Blutsuche. Ich trage schon seit Jahren nur noch schwarze Kleidung - Keine Farbe, Farbe bedeutet Fröh-lichkeit - in mir ist nichts mehr Frohes - Kein Glück, keine Hoffnung, keine Träume - Nichts, nur noch Bit-terkeit, Selbsthass und Abscheu vor meinem grenzenlos verpfuschten Leben. Da, die Kleine ist nicht schlecht – Blutjung, recht hübsch eigentlich, recht neu im Gewerbe - Hab sie noch nie hier gesehen - ich kenne die Absteigen und führe sie zur saubersten. Sie kennt mich nicht, weis nichts von meinem Ruf, ist noch nicht abgebrüht, versucht mit mir zu plaudern. Ich antworte einsilbig, mürrisch, un-freundlich. Die Kleine zieht sich aus und legt sich aufs Bett, lächelt mich mit diesem falschen Nuttenlächeln an, klimpert mit den Wimpern. Ich werfe mich auf sie und will sie nehmen, aber es geht nicht. Im Dunklen draußen habe ich sie nicht genau gesehen, nur dass sie hübsch ist, jetzt schaue ich in ihre Augen, grüne Mandelaugen, braunrote Haare - Sie sieht fast aus, wie Lily in unserem letzten Jahr in Hogwarts und plötzlich packt mich eine eiskalte Wut. Wie kann es diese Nutte, dieses billige Flittchen wagen, auszusehen wie meine Elfe? Wie in ei-nem Rausch falle ich über sie her und zerschlage ihr dieses Gesicht, das mich so sehr an meine wundervolle Lily erinnert. Ich schlage, schlage, schlage. Ihre Augen schwellen zu und werden blau, ihre Lippen platzen auf und Blut läuft ihr übers Kinn. Sie versucht zu schreien, aber ich knie auf ihrer Brust und sie hat keinen Atmen für Schreie. Plötzlich habe ich einen wil-den Orgasmus und ergieße mich auf ihre Brüste, das bringt mich wieder zu mir selbst - Himmel, was mache ich hier nur? Ich hab dieses Mädel halb totgeschlagen! - Plötzlich tut sie mir entsetzlich leid. Trank - Ein Trank – Ja - gegen die Schmerzen und Verletzungen, sowas habe ich immer bei mir, man weis ja nie und manchmal habe ich ihn schon selbst gebraucht, wenn bei einer Mission was schief ging und der Dunkle Lord einen Schuldigen brauchte (gemeine, grässliche Flüche, aber keine Unver-zeihlichen – zum Glück – wenigstens nicht bei mir – aber manchmal bei anderen) – doch ich ließ mir nie an-merken, wie sehr mir seine Strafen zusetzten – ich bin Schmerzen gewöhnt und meine Seele konnte er nicht verletzen – wie denn auch? Ich hab doch sicher gar kei-ne mehr... Ich flöße ihr das Zeug ein, sie ist nicht mehr bei Be-wusstsein, schluckt reflexartig, aber sie wird sich erin-nern, an mich, mein Gesicht, an das, was ich ihr ange-tan habe… Ich ziehe meinen Zauberstab heraus und flüstere: „Obli-vate!“ Das wird sie alles vergessen lassen - und jetzt raus hier, nichts wie raus. Zuerst gehe ich langsam, dann immer schneller und schneller, bis ich schließlich renne, wie von Furien gehetzt, durch die nächtlichen Straßen haste. Ich hetze zum dunklen, glitzernden Fluss hinun-ter, will mich hineinstürzen, will mich ertränken - ein-fach Schluss machen…! „Severus“, höre ich plötzlich eine Stimme in meinem Kopf - eine Stimme, die dort noch selten mit mir gespro-chen hat - eine Stimme, die es aber immer gut mit mir gemeint hat - die Stimme von Hieratus. „Du kannst jetzt nicht einfach Schluss machen, dich nicht einfach so umbringen. Du musst erst wieder gut machen, was du angerichtet hast…“ Es wieder gut machen? Ich habe verletzt und jetzt muss ich mich verletzten, mich so hart ich nur kann bestrafen. Meine alte Peit-sche - immer noch bei mir, immer noch in der Tasche meines Umhangs, immer noch... Aber wo soll ich es machen? Hier? Meine Augen hetzen panisch durch die Dunkelheit dieser apokalyptischen Nacht – Unmöglich - Hier ist Muggel London. Der Keller von Hieratus Haus fällt mir ein - Schalldicht - dort hört mich keiner und ich appariere dorthin, bevor ich es mir anders überlegen kann. Sofort habe ich meine Robe ab-gestreift. Ich knie nicht, ich stehe - völlig nackt - mitten im Raum. Lily – Klatsch! Black – Klatsch!! Das Mädel – Klatsch!!! Meine mörderischen Gifte – Klatsch!!!! Meine Untätigkeit im Angesicht des Grauens – Klatsch!!!!! Jeder Gedanke, ein Hieb mit der Peitsche. Die Haut rötet sich, schwillt an, platzt auf, blutet. Immer weiter schla-ge ich auf mich ein - ein Hieb nach dem anderen - die Peitsche singt ihr grausames Lied. Lange, lange habe ich es nicht mehr gehört, lange habe ich mir nicht mehr den Rücken zerfetzt, doch dieses Mal gibt es einen Un-terschied, dieses Mal habe ich es wirklich verdient. Ich habe eine Unschuldige verletzt und jetzt muss ich mich bestrafen, so hart ich nur kann … ich habe es mehr als nur verdient. Immer weiter saust das Leder auf meinen Rücken und immer fester und ich falle in eine Art Trance. Nein, das ist kein Leben für mich - Nein, ich bin kein netter Kerl, liegt einfach nicht in meiner Natur - Aber ich bin auch kein so schwarzer Hexer, wie die an-deren Todesser – ich habe keine Freude an Tod, Schmer-zen und Leid. Einen Weg - Ich brauche einen Weg, raus aus dieser ganzen Misere, diesem Elend, diesem endlosen, entsetz-lichen, grauenvollen Alptraum - Einen schlauen Weg - Ich darf nicht sterben - Ich muss so Vieles wieder gut machen - Zu Vieles verbockt - Zu Vieles in meinem Le-ben. Ich brauche eine Möglichkeit mit Hieratus drüber zu reden - Gefährlich, so gefährlich … Kann momentan alleine nicht mehr so gut denken … Einen Weg … Dum-bledore, der hat mir immer geholfen … Aber wie zu ihm kommen, ohne dass jemand Verdacht schöpft? Was kann ich ihm bieten, dass er mir hilft? Denn alles hat seinen Preis ... So war es immer und so wird es auch immer sein. Weiter schlage ich mir den Rücken blutig, fetze mir das Fleisch vom Körper, möchte am liebsten meine schwarze Seele aus mir herausprügeln … doch die gibt es nicht mehr – wie sollte mir das also gelingen. Mein Geist (oder was auch immer es sein mag, das da in meinem Körper wohnt) scheint meinen geschundenen Leib zu verlassen und ich sehe mich von oben. Was tut der Mann da? Warum zerfetzt er so grausam seinen Körper? Warum bringt er sich selbst dazu, so zu leiden? Warum versucht er, verdammt noch mal, sich völlig zu Grunde zu richten? Dann sinkt der Mann in die Knie und stützt wie ein ge-fällter Baum zu Boden. Schmerzen, irrsinnige, reißende Schmerzen zerren mich plötzlich wieder in meinen Kör-per zurück und ich winde mich wie eine Schlange in meinem eigenen Blut auf dem kalten Steinboden. Ich möchte so gerne weinen, aber die Gnade von Tränen wird mir nicht gewährt - Ich verliere nur das Bewusst-sein. „Severus, Alter, was hast du dir da nur wieder ange-tan?“ Es ist Hieratus, der bei mir kniet und meinen Kopf auf seinen Schoss gebettet hat. Wie immer für mich da, wenn ich ihn wirklich brauche. Ich liege auf der Seite und er hat mir ein Leintuch über die klaffenden Wun-den geworfen. „Hieratus“, keuche ich und habe keine Stimme mehr. Meine Hand sucht hilflos nach seiner Schulter und er greift danach, hält sie tröstend fest. „Lieg ruhig, mein Freund, keiner da, wir sind alleine. Igor ist weit weg. In seiner Heimat Leute rekrutieren … War dir wieder mal alles zu viel? Immer noch diese kru-den Probleme mit…?“ „Nee“, krächze ich. „Hätte fast … ein Mädel … totge-schlagen … Strafe…“ Er hält mir eine Flasche an die Lippen und bringt mich zum Trinken. Ich schlucke, als würde er mir Absolution erteilen – es scheint, als habe er ein starkes Schmerz-mittel beigemischt, denn das Reißen in meinem ge-schundenen Rücken lässt nach. Schließlich habe ich ge-nug und will versuchen, mich aufzusetzen. Es geht. „Alter, wir müssen reden“, sage ich. „Ich kann dieses Le-ben nicht mehr weiter führen. Dauernd Angst, dauernd Grausamkeit, Folter und Tod. Ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr denken und schon gar nicht mehr träumen. Ich kann einfach nicht mehr länger mit all dem weiter machen. Ich bin kein netter Kerl, aber ich bin auch kein solches Monster, wie die anderen Todes-ser…“ Hieratus Blick lässt mich innehalten, er sieht aus, als fiele ihm ein ganzer Berg vom Herzen. „Mann, du sprichst mir aus der Seele“, seufzt er. „Es hat mir von Anfang an nicht recht gefallen, aber Igor schien so begeistert zu sein und du auch. Ich wollte euch Beide nicht enttäuschen.“ „Er ist dein Freund – äh - ich meine…“ „Er ist mein Liebhaber“, gibt er nüchtern zu. „Schon recht lange, schon seit Dumstrang. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil du es nicht verstanden hättest…“ „Dein Liebhaber. Ja, ich habe euch im Zimmer neben dem meinen gehört, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sowas Spaß machen kann.“ „Das denke ich mir … dein Vater, nicht wahr?“ „Yeah“, meine ich schwach. „Für mich bedeutet Sex mit einem Mann nichts anderes als Schmerzen, Scham und Demütigung.“ „Es muss nicht so sein. So kalt, so grausam, so lieblos. Es kann auch ganz anders sein … Reden wir später davon, wir haben jetzt ein anderes, dringenderes Thema. Du willst von den Todessern weg und ich will es auch. Wir müssen einfach da raus, sonst gehen wir beide daran kaputt. Wir haben schon einen recht weiten Weg ins Verderben zurückgelegt … Ich denke, Igor will bleiben. Ihm gefällt das Ganze ungemein. Mir nicht, nicht im Geringsten.“ Plötzlich beginnen die Male auf unseren Armen wie Höl-lenfeuer zu brennen und wir zucken wie ein Mann zu-sammen. Der Dunkle Lord ruft uns und wir müssen dem Ruf folgen, wenn wir weiter leben wollen. Ich kann mich kaum bewegen, aber ich zwinge mich dazu, werfe mir meine Robe über, meine Todesserkluft und folge dem verhassten Befehl. Finstere Gestalten stehen im Kreis um den Dunklen Lord und er steht drohend über eine weitere Kapuzengestalt gebeugt, die elend, zusammengekrümmt und kraftlos vor ihm am Boden kauert. „Einer aus eurer Mitte wollte mich verraten, wollte mich verlassen, mich! - Lord Voldemort! - Ich werde euch zei-gen, welchen Preis solche falschen Gedanken haben - Bellatrix, meine Liebe, möchtest du?“ „Ja … ja, mein Lord.“ Bellatrix schreitet hoch aufgerichtet auf dieses unglei-che Paar zu und richtet ihren Stab auf die liegende Ges-talt in der Mitte des Kreises, gellt extatisch: „Crucio!“ Der schwarz gekleidete Körper beginnt sich zu winden, der Mann wie unter Todesqualen zu schreien. Seine Ka-puze fällt herunter, die silberne Todessermaske rutscht von seinem verzerrten Gesicht und ich glaube, ihn zu erkennen. „Sirius!“ fährt es mir durch den Sinn. Aber das kann nicht Sirius sein, der ist in meinem Alter und dieser Bursche ist um einige Jahre jünger, noch ein halbes Kind, aber die Ähnlichkeit ist unverkennenbar. „Regulus, mein dummer Vetter, jetzt zahlst du für dei-nen Wankelmut. Der Dunkle Lord ist groß! Der Dunkle Lord ist ewig! Der Lord ist unser Meister.“ Bellatrix - sie keucht, klingt, als wäre sie in Extase, als würde sie gleich einen Orgasmus haben. Regulus … Si-rius hat damals den Namen seines Bruders gerufen … Regulus - Er sieht ihm wirklich sehr ähnlich. „Geliebter Feind…“ fährt mir durch den Sinn und mein Entschluss festigt sich – ich muss aus all dem raus – so bald wie nur möglich! Der Dunkle Lord lässt seine eigenen Leute mit dem Cru-ciatus foltern (und das nicht zum ersten Mal – doch zu-vor hat es mich kaum berührt – vielleicht ist es die Ähn-lichkeit dieses jungen Burschen mit Sirius, die mich heu-te so sehr trifft und mich weiter aus meiner inneren Starre reißt). Der Dunkle Lord will unbedingten Gehor-sam, keine Fragen, keine eigenen Gedanken, nur blinden Gehorsam. „Ich glaube das reicht, meine Liebe“, sagt die zischende Stimme nach einer schieren Ewigkeit. „Averda Kadevra!“ Ein grüner Lichtblitz saust aus Bellatrix Stab und tötet den Jungen. So einfach, so leicht, so schnell, kein Mit-leid, keine Gnade, kein wie auch immer geartetes positi-ves Gefühl - Nur die bedenkenlose Vernichtung von Le-ben – und einen Augenblick lang ist es, als wäre ich selbst getroffen worden, als wäre ich es, der an diesem Fluch stirbt... „Nein! Nein! NEIN!“ Hieratus schreit gequält auf, bricht den Kreis der Todes-ser und springt auf den bereits toten Jungen zu. Ich will ihn noch zurückhalten, wollte selbst schon fast nach vorne springen - Sirius! - aber Hieratus Handlung lässt mich auf der Stelle zu Stein erstarren. „Nein?“ fragt die zischende Stimme des Dunklen Lords verächtlich. „JA! - Averda Kadevra!“ Und einen Sekundenbruchteil später liegt mein Bluts-bruder tot auf der Leiche von Sirius Bruder. Mein Herz ist wie erstarrt, wie tot, meine Augen brennen - ich kann es nicht fassen. Der Dunkle Lord hat Hieratus ge-tötet, einfach so, so beiläufig, so gnadenlos. Bedeutet ihm ein Menschenleben denn gar nichts? „Nein“, sagt die Stimme in mir bestimmt. „Das weist du doch ganz genau!“ „Noch jemand Fragen, Einwände, Probleme?“ flüstert die zischende, hohe, kalte Stimme und die Schlangenau-gen blicken jeden einzelnen an. Eiskalt, ohne zu blinzeln, als würden sie in jeder ein-zelnen Seele lesen wollen. Ich spüre, wie sein Geist in mein Bewusstsein eindringt und ich zwinge mich ganz deutlich zu denken: „Großartig. Genau richtig. Der Dunkle Lord ist unser Herr und Meister. Der Dunkle Lord hat immer Recht.“ Immer wieder und wieder, bis sein Blick nach einer schieren Ewigkeit endlich von mir ablässt. Mit steht der kalte Schweiß auf der Stirn und er sieht es nur nicht, weil ich – wie auch die anderen – diese silberne Maske trage. Einem Todesser nach dem anderen blickt er in die Au-gen, in die Seele - Als er mit seiner Runde fertig ist, nickt er zufrieden und verschwindet mit einem Licht-blitz in einer Rauchwolke. Ich spüre eine schwere Hand auf meiner Schulter – Karkaroff - Er ist ebenfalls dem Ruf des Dunklen Mals gefolgt. „Ins Haus - sofort!“ zischt er mir zu und wir apparieren umgehend. „Warum, Karkaroff, warum?“ flüstere ich verzweifelt. „Du Narr. Er hat es für dich getan. Du wolltest auf den Jungen am Boden zuspringen - Warum eigentlich? Du kanntest ihn doch gar nicht - Da hat er sich vor dich geworfen, um dich davon abzuhalten.“ „Aber warum?“ „Du bist wirklich ein Narr, Severus. Er hat dich geliebt - er war nicht nur dein Freund und Blutsbruder - er hat dich aus tiefster Seele geliebt. Als er in Dumstrang mein Liebhaber wurde, hat er mir davon erzählt - Severus … Severus … Severus - Immer nur du, kaum etwas Anderes. Wie sehr er dich liebt, wie gerne er dich berühren und streicheln möchte … dich umarmen und festhalten … Wie sehr er oft leidet, weil du so entsetzlich an dir selbst leidest … Wie sehr du immer vor ihm zurückzuckst … Wie weh ihm das jedes Mal tut und wie sehr er dich trotzdem liebt … Dass er einmal zufällig die Gelegenheit hatte, dich zu streicheln, ohne das du es bemerkt hast – er wollte mir nicht sagen, was das für eine Gelegenheit war – wie sehr er das genossen hat und wie er wochen-lang davon geträumt hat, es immer wieder in Gedanken durchlebt hat. Und dann hier in London, in seinem eigenen Haus, wenn er mit mir geschlafen hat … mit dir im Neben-zimmer … und er wusste, dass du nicht schläfst, nicht schlafen kannst … dass uns hören kannst … nur durch eine dünne Wand von ihm getrennt … So nah und doch weiter entfernt als der Pluto … für ihn unerreichbar - körperlich, wie emotional… Er hat so entsetzlich gelitten, weil er nicht mehr an dich herankam … Weil du völlig dicht gemacht hattest … Ja, mit mir hat er geschlafen, aber von dir hat er die ganze Zeit geträumt … Wie oft hatte er nicht deinen Namen auf den Lippen, wenn ihn die Extase überwältigt hat. Du kannst nur froh sein, dass ich nicht eifersüchtig bin, sonst hätte ich dich schon tausendmal verflucht, tau-sendmal… Dein Freund, du Narr - er wäre dir nur zu gerne viel mehr gewesen, wäre dir nur zu gern alles gewesen und weil du das nicht zugelassen hast, hat er das Einzige getan, was ihm noch blieb … er ist für dich gestorben, hat sein Leben für dich geopfert, weil er dich so unend-lich geliebt hat, mehr geliebt hat, als sein eigenes Le-ben… Vergiss es, jetzt ist es zu spät. Dafür und für alles ande-re auch … Du solltet jetzt besser deine Sachen zusam-menpacken, bevor seine Eltern hier auftauchen.“ Er schnaubt verächtlich, dreht sich auf der Ferse um und appariert. Es geht mir wieder wie damals, in meiner Hütte, nach dem Tod meines Vaters. Ich kann nicht richtig denken, kaum noch fühlen, nur einfach noch handeln. Mein schmerzender Rücken hat für mich keine Bedeutung mehr und ich ignoriere ihn einfach. Ich packe zusam-men, was mir gehört, aber wo soll ich hin? Ich habe mich nie um eine eigene Wohnung gekümmert, es war viel einfacher, hier zu leben. Gold habe ich eine ganze Menge. Ich habe nie viel ausgegeben, nur für Nutten, aber das ist vorbei, beschließe ich, ein für alle Mal. Yorkshire fällt mir ein, aber dort will und kann ich nicht leben, dort würde alles nur noch schlimmer wer-den, zu viele Erinnerungen, gute wie schlechte - und viel mehr Schlechte als Gute. Nein, das geht nicht... Der Tropfende Kessel. Ja, die Zimmer dort sind sauber und nicht zu teuer. Ich muss jetzt auf mein Gold achten, denn ich glaube nicht, dass ich noch viel mit Tränken verdienen will. Nicht denken, nicht fühlen, nur handeln. Mit meinen Habseeligkeiten reise ich per Flohpuder in den Tropfenden Kessel und miete mir dort ein Zimmer.  Der Tropfende Kessel I ch habe es mir in dem Zimmer ein wenig häuslich eingerichtet. Jetzt sitze ich auf einem Stuhl und starre in einen regnerischen Tag hinaus (Weint vielleicht der Himmel um Hieratus, weil ich nicht mehr weinen kann?) Mein Rücken schmerzt, jault, blutet wieder, aber ich ignoriere ihn weiterhin. Ich muss mich aus meiner Erstarrung reißen - muss denken, planen. Die Erkenntnis, dass mein einziger Freund, mein Bluts-bruder tot ist, bricht mit aller Gewalt über mich herein. Ich leide, leide unsagbar, aber immer noch bleibt mir die Gnade erlösender Tränen verwehrt. Hieratus hat mich geliebt, darum hat er immer zu mir gehalten und sich nie von mit abgewendet, auch damals nicht, als ich ihm alles erzählt habe. Er muss zu dieser Zeit schon ziemlich an mir verzweifelt gewesen sein. Noch nicht einmal, als ich danach wieder völlig dicht gemacht habe und unzugänglich wurde, hat er mich im Stich gelassen. Er hat sich die ganzen Jahre weiter um mich gekümmert, als ich dabei war, mich selbst lang-sam zu Grunde zu richten, denn das war es, was ich die letzten vier Jahre getan habe. Zu wenig Schlaf, zu viele Tränke, auch für mich selbst, um wach zu bleiben, um arbeiten zu können, um nicht denken zu müssen, um zu funktionieren, einfach nur zu funktionieren. „Hast du ein Mädel?“ habe ich ihn damals am See ge-fragt. „Yeah, aber das ist es nicht“, war seine Antwort. Nein, das war es wirklich nicht. Es war ein Kerl – Kar-karoff - aber die Beiden können sich nicht allzu sehr geliebt haben, oder? Denkt man an Karkaroffs Reaktion bei Hieratus Tod. Es war ihm augenscheinlich egal … Oder war seine arschkalte, hartherzige, kleine Rede an mich, seine Art zu trauern? Hieratus hat mich geliebt und jetzt ist er einfach er-mordet worden, beiläufig, wie man eine Fliege er-schlägt. Was muss er sich nur gedacht haben, als ich ihm von meiner Manie für Sirius erzählt habe? Hat er die ganzen Jahre gehofft, dass es einmal er sein könnte? Er war mein Freund, mein Blutsbruder und auf meine Art habe ich ihn auch geliebt, so unendlich geliebt. Doch ihn so zu lieben, wie er es sich gewünscht hat, das konnte ich einfach nicht. Der Schatten meines Vaters stand immer zwischen uns - die Gewalt, die Lieblosigkeit. Erst kurz bevor er starb, erst vor wenigen Stunden, hat er noch zu mir gesagt, dass es nicht so sein muss, dass es auch ganz anders sein kann … Ja, ich habe ein oder zweimal mit dem Ge-danken gespielt, aber er war einfach nicht Sirius… Hätte ich von seinen wahren Gefühlen für mich ge-wusst, dann vielleicht … aber nein, ich will mich nicht selbst belügen … auch das habe ich zu lange getan … auch das muss jetzt ein für alle Mal vorbei sein … ich wäre nicht dazu in der Lage gewesen … einfach nicht dazu fähig, das zu tun, was er sich so sehr gewünscht hat… Ach, Hieratus, mein Blutbruder, es tut mir so leid, so furchtbar leid, aber es ist zu spät dafür, viel zu spät. Meine Gedanken treiben weiter. Ich muss mich einfach um das Jetzt kümmern - zum Trauern ist auch später noch Zeit - später, wenn es nicht mehr so weh tut, an dich zu denken, sich an unsere einzigartige Freund-schaft zu erinnern … Hieratus, mein Blutsbruder… Ich muss mir Arbeit suchen, ehrliche Arbeit. Aber in Zeiten wie diesen, wo keiner dem Anderen mehr trauen kann, trauen darf…? Und ich habe einen gewissen Ruf, auch wenn niemand etwas Sicheres weis. Mein Gold reicht für vielleicht fünf Monate, wenn ich es streng einteile. Ich will keine sol-chen Tränke mehr brauen, mit denen ich nur anderen – unschuldigen – Menschen schade. (Der Dunkle Lord nann-te mich immer seinen Giftmischer, als sei ich sein Eigen-tum und ich habe es immer gehasst, auch wenn ich ihm nie widersprochen habe – schließlich wollte ich weiter leben). Ich kann mich nicht so einfach von den Todessern ab-seilen, wird mir klar. Die beiden Toten letzte Nacht – Hieratus! - haben es mir nur zu deutlich bewiesen und der Dunkle Lord kennt unsere Gedanken, wenn er in unsere Augen schaut... Aber Moment, ich habe von einer obskuren Branche der Magie gehört - Occlumentik – geistige Verschließung - sie ver-hindert, dass ein Anderer in das Bewusstsein des Prakti-zierenden eindringen kann. Bücher - Es muss Bücher darüber geben! - Mein armes Budget! - Aber das ist so-gar noch wichtiger als zu essen. Meine Hände, wenn meine Hände verletzt sind, dann kann ich keine Tränke mehr brauen, wenn ich dauernd Verbände trage und behaupte mir wäre ein kochender Trank übergelaufen, dann habe ich eine geeignete Aus-rede… Nur dann kann ich auch nicht mehr in der Öffentlich-keit essen, aber warme Malzeiten kann ich mir unten im Pub, ohnehin nicht allzu viele leisten. Hartwurst, Brot, Käse. Davon kann ich eine ganze Zeit lang leben - hat-ten wir ja schon - und Wasser gibt es umsonst. Meine Roben sind relativ neu, werden also eine Weile halten. Eins nach dem anderen, Severus. Erst mal lernst du, so gut du es alleine kannst, Occlumentik, dann erzählst du dem Dunklen Lord eine Geschichte, die ihn überzeugt… Ich wette, er wüsste nur zu gern von Dumbledores Plä-nen. Dumbledore hat mich immer gemocht - das ist all-gemein bekannt - Ich erzähle dem Dunklen Lord, ich würde Dumbledore für ihn ausspionieren in Wahrheit jedoch, arbeite ich für Dumbledore. Hhm, für Dumble-dore arbeiten, aber als was? Verteidigung gegen die Dunklen Künste fällt mir ein. Ja, ich würde gerne jun-gen Leuten beibringen, wie man mit den Dunklen Küns-ten fertig wird und ich war immer sehr gut in diesem Fach, eine Menge Übung habe ich auch, vielleicht hat er eine Stelle als Lehrer für mich. Der alte Leech fällt mir ein, der müsste bald in den Ru-hestand gehen, aber Tränke? Nein. Ich habe seine edle Kunst zu sehr missbraucht, viel zu sehr. Meine uralten Pläne, Träume und Hoffnungen fallen mir ein. St Mun-gos – Trankmeister ... Nun, damit ist es wohl für immer vorbei - Dort führt nun kein Weg mehr hin. Die Werwolflösung kommt mir in den Sinn, ich besitze immer noch die Formel, an der ich so lange gearbeitet habe, weis aber nicht, ob sie wie erwartet funktioniert. Vielleicht, wenn ich sie anonym abgebe und sie testen lasse, damit hätte ich wenigstens ein bisschen was gut gemacht. Ich beschließe, die Formel mit Flohpuder nach St Mungos zu schicken. Mit verstellter Schrift und ei-nem Zauber, der ihren Ursprung verbirgt… Mein Weg liegt nun klar vor mir. Er ist schwierig und gefährlich, aber es ist möglich ihn zu gehen und ich bin entschlossen, ihn zu gehen. Was auch immer mich das kosten mag – ich habe so einiges wieder gut zu machen! Die Morde der letzten Nacht waren einfach zu viel. Siri-us Bruder und mein einziger Freund… Meine Gedanken sind einerseits ganz klar, andererseits wirr und sprunghaft. Mein Kopf sinkt schwer auf die Tischplatte und ich schlafe aus schierer körperlicher und geistiger Erschöpfung ein. Am nächsten Tag gehe ich zu Florish und Blotts und suche nach Büchern über Occlumentik. Es ist gar nicht so ein-fach, Lektüre zu diesem Thema zu finden und der Händ-ler schickt mich in einen obskuren Laden in einer winzi-gen, armseligen Nebenstraße - Eine schier unglaubliche Bude - Staubige Schwarten, verschlissene Folianten, ur-alte Schriftrollen. Spinnenweben, Staub und Moder… Der Ladenbesitzer sucht mir geeignete Bücher heraus und ich zahle eine horrende Summe, die meine ganze Planung durcheinander bringt, aber ich habe keine an-dere Wahl: Es geht um meinen Hals. Monate sind vergangen und der Winter ist fast vorbei – wenigstens wenn man nach dem Kalender geht - es ist schon März. Ein winziger, blakender Kerzenstummel steht auf einem wackligen alten Holztisch und wirft seinen schwachen Schimmer auf die Seiten der alten Bücher. Ich habe mir ein billigeres, winziges Dachzim-mer im Kessel genommen. Tom, der Wirt, hat es mir an-geboten, als ihm klar wurde, dass ich gedachte, länger zu bleiben. Hier ist es eng, dunkel und eiskalt. Der Winter hat die-ses Jahr scheinbar keine Lust zu Ende zu gehen und es stürmt und schneit - Ich hasse den Winter. Ich habe mein restliches Gold strengstens rationiert, denn es reicht höchstens für eine warme Mahlzeit in der Woche. Ich habe mir meine Bettdecke um die Schultern geschlungen, um nicht heizen zu müssen. Meine Füße sind die reinsten Eiszapfen, trotz der fünf Paar Socken, die ich übereinander angezogen habe. Meine Augen brennen von der schlechten Beleuchtung, aber ich ma-che Fortschritte, nur sehr langsam und mühsam, denn es gibt keinen, mit dem ich üben könnte. Ich kann und darf keinem genug vertrauen. Meine sogenannten Freunde unter den Todessern be-dauern es zwar, dass ich momentan keine Tränke mehr herstelle, aber helfen wird mir keiner. Nicht, dass ich ihre Hilfe überhaupt möchte, denn die sind mit Sicher-heit die Letzten, denen ich vertrauen dürfte. Nur gut, dass der Dunkle Lord nicht immer dieselben Todesser ruft, nur die, von denen er glaubt, sie gerade zu brau-chen. Da meine Hände angeblich zu verletzt sind, um arbeiten zu können, ruft er mich nur noch äußerst sel-ten - Was nutzt schon ein Giftmischer, wenn er kein Gift mehr mischen kann? Nur zu den großen Versammlungen muss ich immer noch erscheinen, denn er will seinen Gefolgsleuten seine Macht und Größe immer wieder demonstrieren – bewei-sen, dass wir ihm alle gehören und keine Chance haben, je wieder von ihm frei zu werden ... dennoch ist genau das mein Plan. Es ist jedes Mal ein gewaltiges Wagnis, wenn einem der Dunkle Lord in die Augen schaut und damit in die Seele, doch ich muss es eingehen, wenn mein Vorhaben gelingen soll. Ich habe keinerlei Einkommen mehr und mein Gold von früher schmilzt wie Schnee in der Sonne, aber ich kann noch bei weitem nicht genug, um dem Dunklen Lord glaubwürdige Märchen zu erzählen. Es ist kalt, so schrecklich kalt in dem winzigen Zimmer und ich versuche meine Hände mit meinem Atem zu wärmen. Sie fühlen sich so starr und steif an, wie die Äste eines toten Baumes, schmerzen dumpf in der klammen Kälte – die alten Verletzungen, die nie so wirk-lich richtig verheilt sind (kommt davon, wenn man so-was als halbes Kind alleine versucht) – sie schmerzen immer wenn es kalt ist - schöne Grüße vom alten Bas-tard. Unwillig rücke ich die Decke um meine Schultern zu-recht und mein Magen knurrt hungrig, aber meine Vor-räte müssen noch für ein paar Tage reichen, bevor ich mir wieder neue kaufen darf. Eine Suppe - eine heiße Suppe wäre herrlich - Ich seufze schwer. „Träum weiter, Severus“, sage ich zu mir. „Du kannst dir das nicht leisten, du weist nicht, wie lange du noch hier bleiben musst.“ Mein Gehirn stimmt mir zu, aber mein Magen knurrt weiter und ist der Meinung, er habe wirklich großen Hunger. Mein Blick streift durch den Raum und fällt auf meinen Besen. Der Sommer damals mit Hieratus fällt mir ein. Die letzten schönen Tage, an die ich mich erin-nern kann, das ganze Elend danach… Fliegen - es war so großartig gewesen zu fliegen, aber ich will nicht mehr fliegen, allein der Gedanke daran erin-nert mich immer an Hieratus, an das was nie wieder sein kann, nie wieder sein wird und die Erinnerung ist bitter – so bitter, wie Galle. Hieratus ist tot - ermordet vom Dunklen Lord – und der Gedanke tut so schrecklich weh und möchte ich weinen, aber ich habe keine Tränen mehr - viel zu lange schon, habe ich keine Tränen mehr und meine heißen Augen brennen wie von getrocknetem Salz. Wieder bleiben meine Gedanken an meinem einst so ge-schätzten Hexenbesen hängen. Moment Mal, wenn ich ihn verkaufe, bekomme ich vielleicht genug Silber, für ein paar warme Mahlzeiten. Ich beschließe, ihn gleich morgen Früh in einem Ramschladen zu verscherbeln - Ich würde ihn ohnehin nicht mehr fliegen wollen, es würde mir das Herz zerreißen. Ich lasse mir von Tom eine Schüssel mit heißer Suppe geben und trage sie in mein Dachzimmer hinauf. Lang-sam und genüsslich leere ich sie - warm, warm, endlich warm - Das heiße Essen weckt meine Lebensgeister und mir geht es besser als seit vielen Wochen. Zu lange schon habe ich mir keine anständige Mahlzeit mehr ge-leistet. Die Abhängigkeit von meinen Tränken – von de-nen ich große Vorräte habe – hat meinen Appetit auch meistens in ziemlich engen Grenzen gehalten – doch ganz ohne Nahrung kann selbst ich nicht auskommen. Als ich meine Schüssel bis zum letzten Rest geleert habe, will ich sie wieder zu Tom hinunter bringen, da fällt mein Blick in den trüben Spiegel, der wie vergessen an der Wand hängt. Ich erschrecke und bleibe wie vom Donner gerührt stehen, starre in das altersfleckige Glas. Entgegen blickt mir ein knochiges, dürres, gelblich-bleiches Gesicht, beinahe schon ein Totenschädel, leere, schwarze Augen liegen tief in ihren Höhlen, schwarze Ringe zeichnen sich darunter ab und keinerlei Wärme geht mehr von ihnen aus - Kein Leuchten, kein Funkeln, kein Licht - Nur Leere und Bitterkeit. Strähniges, fetti-ges, schwarzes Haar fällt mir ungepflegt und glanzlos bis zu den Ellenbogen - irgendwie leblos - Leichenhaar. Wie hypnotisiert schiebe ich die Ärmel meiner Robe hoch, meine Arme sind dürr, so dürr, wie meine knochi-gen Hände, das Dunkle Mal steht wie ein schwarzes To-desomen auf meiner Haut (auch wenn falsche Verbände es bedecken, muss ich es nicht sehen, um zu wissen, wie es aussieht) und erinnert mich ständig an meinen größ-ten Fehler. Nein, nicht dass ich es wirklich sehen müsste – es ist viel tiefer in meine Seele gebrannt, als es das je in meiner Haut sein könnte. Der schwarze Stoff unter meinen Fingern fühlt sich schäbig und fadenscheinig an. Was ist nur aus mir ge-worden? Besonders attraktiv war ich nie, aber doch auch kein wirklich hässlicher Kerl. Jetzt sehe ich aus, als wäre ich aus einer uralten, unheiligen Gruft geflo-hen - eine Leiche, ein Zombie, ein Ghoul – kein mensch-liches Wesen mehr. Wie lange noch? Wie lange muss ich das noch durchhalten? Solange, bis ich mir völlig sicher bin, den Dunklen Lord erfolgreich betrügen zu können, denn ich muss ihn betrügen, wenn ich mich selbst retten will – wenn ich aus diesem Elend wieder rauskommen will. Aber warum will ich das überhaupt? Es wäre soviel ein-facher zu sterben - einzuschlafen und nicht mehr auf-zuwachen (und ich kenne genügend Gifte, die das ge-währleisten können), dann wäre das alles vorbei und ich würde endlich meinen Frieden finden – den Frieden des ewigen Schlafs, oder den Frieden, den es nur hinter dem Schwarzen Schleier gibt oder den Frieden, dass ein-fach nur alles vorbei ist – selbst das würde mir genügen ... Ich bin müde, dem Allen so müde. „Du musst es wieder gut machen…!“ wieder einmal spricht die kleine Stimme zu mir und sie ist das Einzige, was mich in den letzten Monaten aufrecht gehalten hat, was mich weiter machen lässt ... Sie klingt noch immer wie Hieratus – Blutsbruder … ich könnte dich nicht noch-mal enttäuschen... „Es wieder gut machen“, murmle ich daher bitter und trostlos vor mich hin. Ja, das ist der Grund, warum ich weitermache, weiter lebe, weiter leide, ich muss meine Schuld sühnen, das Leid, für das ich verantwortlich bin, lindern ... es wieder gut machen... Die Schüssel fällt mir aus der Hand und zerschellt mit einem lauten Klirren am Boden - ich möchte schreien - laut schreien - Die ganze Qual und das ganze Leid aus mir herausbrüllen. Die Bitterkeit in mir auflösen, aber sie liegt wie ein zäher, klebriger Film auf mir und will durch nichts weichen. Aber ich darf nicht laut werden, es würde mich jemand hören, Fragen stellen… Ich lebe hier unter so vielen Menschen, so vielen, immer sind im Kessel Geräusche zu hören. Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich mich als Erwachsener so einsam fühlen würde, wie ich es als Kind war, doch es gibt keine größere Einsamkeit, als die in einer Men-schenmenge. Ich war immer ein Eigenbrötler, ein Einzelgänger – fast immer nur alleine, weil ich mit mir selbst am besten klar komme ... Ja, aber das heißt noch lange nicht, dass ich immer einsam sein möchte und mir fehlen die Ge-spräche mit Hieratus, die Besuche in Hogsmeade, ja, sogar die leidigen Streitereien mit den Herumtreibern. Wenn ich ehrlich bin, fehlen mir auch die heimlichen Blicke auf Sirius, die Gelegenheit, Lily vorbeischweben zu sehen. Ich bin so einsam, so grenzenlos einsam, bit-ter und leer... Mit einem beiläufigen Zauber mache ich die Schüssel wieder ganz, dann lasse ich mich zu Tode erschöpft auf mein Bett sinken. Ich will denken … träumen, zu lange habe ich nicht mehr geträumt, weder im Schlafen, noch im Wachen. Nur an das, was zu erledigen war, habe ich gedacht. Schon seit fast vier Jahren, vielleicht sogar noch länger, wenn man das letzte Jahr in Hogwarts mitrechnet … Die Realität war zu grausam, zu hart, zu kalt, zu bitter für Träume, ich selbst war zu leer, aber wenn ich nicht bald wieder träume, werde ich wahnsinnig, drehe schlicht und ergreifend durch … ein-sam, so einsam. Mein Ich schreit lautlos auf, schreit nach einem Freund, einem Vertrauten, oder auch nur jemanden, mit dem ich reden oder streiten kann, ohne jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen, aber in diesem gegenwär-tigen Klima der Angst und des Missrauens ist das schlichtweg unmöglich - Keiner weis, wem er noch trauen kann. Keine Nutten mehr, habe ich mir nach dem letzten De-saster geschworen und ich habe den Eid gehalten, aber das macht meine Einsamkeit nur noch absoluter, noch unerträglicher, doch ich brauche sie auch nicht mehr, mein Körper ist wie aus Stein, trägt kein Verlangen, kei-nen Trieb mehr in sich. Die Realität verschwimmt plötz-lich von meinen Augen und dann bin ich weit, weit weg... Ich bin dort, wo ich das letzte Mal glücklich war - ich weis nicht, ob ich wach bin oder träume, aber es ist mir sowas von egal - meine geliebte Lichtung, So wie sie vor zehn Jahren ausgesehen hat. Der Frieden, das Gefühl von Freiheit, Ruhe und unbeschreiblicher Harmonie … glitzerndes, leuchtendes Sonnenlicht in den grün schimmernden Blättern der Bäume, sanfter, lauer Wind, der durch das hohe, weiche Gras streift, es zum Zittern bringt … eine kleine Fledermaus flattert auf mich zu und macht es sich auf meiner Schulter bequem, hält sich an meinen wirren Haarsträhnen fest. Es ist Sonic - aber Sonic ist doch schon ewig tot. Dennoch fühlt er sich so lebendig auf meiner Schulter an. Ich kann sein freudiges Wippen genau spüren, die Wärme des kleinen Körpers in meinem Gesicht, seinen weichen, rauen Pelz... Plötzlich verdunkelt ein riesiger Schatten die Sonne und eine gewaltige Gestalt kommt mit langen Schritten auf mich zu - Hagrid! - er beginnt mit seiner grollenden, freundlichen, warmherzigen Stimme zu sprechen und seine schwarzen Käferaugen funkeln traurig. „Mei, Bua, was is blos aus dir word´n? Du warst oiwei a Bua ohne rechte Freind, aba jetzad, jetzad hast gar ko-an mehr. Bist hea kemma zum Trama? Zum Red´n? Dann mach des, um Himmels Wuin. Red, tram. Des is dei Platz - Do kost toa was´d wuist - Dei Ort - Do bist dahoam…“ Die Gestalt hat sich unter den Worten erst genähert und dann immer weiter von mir entfernt – driftete an mir vorbei ... ihre Stimme wurde immer leiser und jetzt ist sie in der Ferne verschwunden. Mein Platz? Mein Ort? Daheim? - Dann möchte ich eine Weile hier bleiben. Hagrid hat mir noch nie einen schlechten Rat gegeben und genau genommen verdanke ich ihm sogar mein Le-ben. Der Tag am See fällt mir wieder ein, mein Dösen und dann plötzlich, das spöttische Gesicht. Wieder glaube ich die feixende, dreiste Stimme zu hören, die mir ein Bad vorschlägt. Plötzlich steht er vor mir, so wie er damals war - Sirius, geliebter Feind. „Ist dir nicht gut ergangen, was, Snivelly?“ sagt er in einem fast liebevollen, aber dennoch spöttischen Ton-fall. Er schaut mich mit seinem tollkühnen Zum-Teufel-Grinsen an und seine schwarzen Augen funkeln ver-traut. Der alte Spottname sticht mir wie ein glühender Dolch ins Herz - alles schon so lange her. Ich habe seine Stimme seit über drei Jahren nicht mehr gehört. Einsam-keit. Meine Hand streckt sich verzweifelt nach ihm aus. Ich sehne mich danach, ihn zu berühren, mit ihm zu spre-chen, aber ich finde keine Worte. „Snivelly, du hast mich gerufen, zumindest deine Erin-nerung an mich. Ich bin der Sirius von damals und weis nichts von deiner Zeit, aber ich sehe deutlich, dass es dir dreckig geht, wenn du reden willst, dann sprich jetzt oder ich muss wieder gehen.“ „Nein, bitte bleib! Bleib und lass uns reden!“ rufe ich entsetzt, fast verzweifelt und wir setzen uns einander gegenüber ins hohe, wiegende Gras. „Es ist deine Welt“, sagt er. „Du kannst sagen und tun, was du willst. Den Sirius deiner Zeit wird das nicht be-rühren und ich vergesse, sobald du diesen Ort wieder verlässt.“ Plötzlich ist es der erwachsene Sirius, der mir gegenübersitzt, nicht mehr länger der halbwüchsige Junge von damals. „Du siehst aus, als wolltest du über Dinge sprechen, die nichts für einen Jungen sind, dar-um habe ich mich verändert, sprich jetzt oder ich muss gehen.“ Und ich spreche, sprudle einfach heraus, als der Kelch meiner Einsamkeit überläuft. „Ich bin einsam, Sirius, so einsam, dass ich schreien könnte. Mein einziger Freund ist vom Dunklen Lord er-mordet worden, keiner da, mit dem ich reden könnte, keiner, dem etwas an mir liegt, noch nicht mal als Geg-ner, jemanden mit dem man sich in die Haare geraten kann - So unendlich einsam - Aber nicht mehr wirklich leer und das ist fast noch schlimmer. Wenn man leer ist, muss man sich keine Gedanken machen, aber ich muss denken, immer nur denken und denken und weil ich denke, leide ich, leide so unsäglich… Auch wenn ich dich wahrscheinlich damit entsetzt da-vonjage, muss ich einmal mit dir darüber reden und wenn es nur die Erinnerung an dich ist, mit der ich re-de. Ich habe dich jahrelang belauert, von dir geträumt, aber nicht, wie ein Junge von einem Freund oder Feind träumt ... von Abenteuern oder Streitereien ... sondern ich habe von dir sehnsüchtig geräumt, wie von einem heimlichen Geliebten…“ Der Traum-Sirius läuft nicht vor mir weg, er sieht mich mit seinen glitzernden Augen aufmerksam an, er wird mir zuhören solange ich reden will. „Dein nackter Leib, der im Mondlicht schimmert - so licht, so schlank, so edel - deine schmalen, eleganten, zärtlichen Hände - Ich hätte sie zu gerne auf meinem knochigen, vernarbten Körper gespürt. Drei gestohlene Augenblicke in der grenzenlosen Ewigkeit meiner Ein-samkeit. Zwei mal im Verbotenen Wald und einmal im Krankenflügel. Verlangende Blicke, erotische Phanta-sien, sehnsüchtige Träume … Nur einmal habe ich dich berührt, nur ein einziges, wundervolles Mal.“ Nun macht der Traum-Sirius etwas, das der echte Sirius niemals getan hätte - er rutscht neben mich und legt mir seinen Arm um die Schultern. Sanft, freundschaft-lich, ja liebevoll. „Einsam“, sagt er nachdenklich. „Ja, das hätten wir uns eigentlich denken können. Nein, ich bin nicht der echte Sirius, aber irgendwie bin ich doch ein Teil von ihm. Etwas, das er hätte sein können. Sowas, wie ein mögli-cher Sirius. Für eine kurze Zeit gehöre ich hier her und du auch. Für kurze Zeit, kann sein, was hätte sein kön-nen. Nur für kurze Zeit.“ Er wendet sich mir zu und hebt seine Hand, zärtlich streicht er mit seinen langen, schlanken Fingern über mein knochiges, müdes Gesicht, wischt mir liebevoll die Haare aus den Augen, dann fasst er mich im Nacken an und zieht mich zu sich, legt seine Lippen sanft auf die meinen. Nur ein Hauch, aber die zärtlichste Berührung, die ich je empfunden habe. Meine Arme heben sich wie von selbst und legen sich um die Schultern meines Ge-genübers. Das Traumwesen erwidert sacht die sehn-süchtige Umarmung, streichelt mir weiterhin liebevoll Rücken und Haar. Wie ein Traum im Traum legen wir uns auf das weiche hohe Gras. Meine Hände an dem Traum-Sirius, seine Hände auf mir. Wir streicheln uns. Weiche, glatte Haut unter meinen Fingern, kräftiges, schwarzes Haar. Mein Körper erzit-tert glücklich unter den zarten Berührungen der Traumgestalt. Hieratus hatte Recht - es kann auch ganz anders sein - Zärtlich, sanft, richtig und gut. Es fühlt sich schöner an, als alles, was ich je empfunden habe. Zeit? Raum? Bedeutungslos. Es scheint ewig zu dauern. Nichts, wofür man sich schämen müsste. Nichts, was man je zu bedauern hätte - Nur Zärtlichkeit, Nähe, Freundschaft, Liebe … Ein Traum im Traum… „Mr Snape, Mr Snape! Ach Merlin, mach, dass er endlich wieder zu sich kommt!“ Eine alte, kratzige Stimme. Was hat diese fremde Stim-me auf meiner Lichtung verloren? Meine Lichtung und Sirius. Ich will hier nicht weg! Ich will bleiben! Am liebs-ten für immer! Ein kalter Lappen auf meinem Gesicht, meinen Armen, meinem Körper, eine schwielige Hand an meiner Stirn, Stimmengemurmel. „Unterernährung und Kälte, Tom“, sagt eine mir unbe-kannte Stimme. „Der junge Mann liegt im Delirium, phantasiert, träumt. Sorgen sie dafür, dass er heiße Brühe bekommt, wenn sie ihm die einflößen können und er braucht ein wärmeres Zimmer. Ich weis Tom, sie füh-ren einen Gasthof, keine Fürsorgestelle, aber ich möchte ihn nicht nach St Mungos bringen, nicht in der augen-blicklichen Situation mit Du-weist-schon-Wem…“ Seine Finger liegen auf dem Verband, den ich schon seit Monaten um meine Hände gewickelt trage (die angebli-chen Verbrennungen) und der bequemer Weise auch mein Dunkles Mal verdeckt – ich weis nicht, ob er was davon gesehen hat – aber wenn, scheint er entschlossen zu sein zu schweigen. „Kein Problem, Heiler Farwick, er hat seine Rechnungen immer im Voraus gezahlt und momentan habe ich eine Menge Zimmer frei. Wie sie schon sagten, die Situation im Augenblick … verdirbt mein Geschäft und besser die-sen Kunden als gar keinen…“ Meine Sinne verwirren sich wieder und ich höre nichts mehr. Ich treibe in einem endlosen Meer aus unbekannten Farben, fremden Gerüchen und seltsamen Geräuschen. Farben, die nach Unendlichkeit schmecken, Geräusche, die nach Sehnsucht riechen und Gerüche, die nach Hoffnung klingen... Ist es warm? - Ist es kalt? - Bedeutungslos. Licht? - Schatten? - Irrelevant. Bin ich wach? - Träume ich? - Sinnlos zu fragen. Als ich meiner selbst wieder bewusst werde, scheint die Sonne hell beim Fenster herein. Der Schimmer grüner Alleebäume macht mir klar, dass der Winter vorbei sein muss. Wie lange habe ich hier gelegen? War ich krank? Was ist überhaupt geschehen? Meine Fragen werden beantwortet, als der Wirt herein kommt. „Mr Snape!“ ruft er erfreut aus. „Endlich sind sie wieder bei uns.“ „Wie lange war ich weggetreten?“ frage ich und meine Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. „Fast einen Monat. Es ist zurzeit wenig los und mein Schankbursche hat sich um sie gekümmert. Ich hoffe, es geht ihnen jetzt endlich wieder besser?“ Ich nicke. „Ja“, flüstere ich schwach, „aber immer noch müde, schlapp…“ „Sie werden von nun an mindestens einmal am Tag eine warme Mahlzeit zu sich nehmen. Ich weis ja, dass sie hier ihren Studien nachgehen, aber deswegen das Essen zu vergessen … aber man kennt ja diese studierenden Zauberer.“ „Nicht vergessen, Tom, zu wenig Gold.“ Ich muss dem Wirt im Augenblick einfach vertrauen, denn er hätte mich leicht den Auroren ausliefern kön-nen. Tom hört alles und er kennt mit Sicherheit meinen üblen Ruf. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten, Mr Snape. Sie können ihre Schulden bei mir zahlen, wenn sie wieder eine Anstellung haben.“ „Warum helfen sie mir, Tom?“ „Kannte ihre Mutter. Vor Ewigkeiten in Hogwarts und ich kannte ihren Vater. Lucinda hätte einen Besseren verdient. Hab nie verstanden, warum sie diesen Nichts-nutz geheiratet hat. War ein so strahlendes, prächtiges Mädel. Hab sie Jahre später mal wieder gesehen. Sie warn damals noch ´n kleines Baby. Hab Lucinda fast nicht wieder erkannt, war kaum mehr wieder zu erken-nen. Das Strahlen, die Lebensfreude - dahin, alles da-hin. Der alte Ravenous hat sie umgebracht, oder? Hat mal damit geprahlt, als er zuviel Feuerwhiskey hinter die Binde gekippt hatte.“ „Ich weis es nicht“, murmle ich nachdenklich, „aber ich vermute es.“ Tom nickt traurig und bestätigend. „Und der alte Nichtsnutz? Hab ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen … nicht dass ich ihn vermissen würde.“ „Auch schon seit ein paar Jahren tot. Hat sich zu Tode gesoffen. Hab ihn hinter unserer Hütte begraben.“ „Yeah. Hab ihm immer gesagt, dass er zuviel säuft, wollt aber nie auf mich hörn. Schlafen sie, Mr Snape und werden sie wieder ganz gesund. Ich schick ihnen dann später den Sean rauf. Mit was Warmen zum Essen.“ Ohne Toms Hilfe wäre ich verhungert oder auf eine an-dere Art umgekommen. Er sorgte dafür, dass ich aß. Er half mir einige meiner alten Bücher zu verkaufen und einen anständigen Preis dafür zu bekommen und er ver-steckte mich auch vor den Auroren. Nicht, dass sie mich im Besonderen gesucht hätten, aber sie waren hinter jedem mutmaßlichen Todesser her, dessen sie habhaft werden konnten. Tom ist kein großartiger Zauberer, aber er sieht viel, hört viel, weis viel. Ohne seine Hilfe wäre es mir in den folgenden vier Monaten nie gelungen erfolgreich Occ-lumentik zu lernen. Er stellt mir keine Fragen, warum ich tue, was ich tue, er ist einfach da, wenn ich ihn brauche. Das Treiben der Todesser wird immer schlimmer. Ich höre, dass sie ihre heimtückischen Späße jetzt auch ver-stärkt mit Muggeln treiben, immer öfter und immer übler, bald wird keine lebende Seele mehr vor ihnen si-cher sein und die Zauberer vom Ministerium für Magie sind nahezu machtlos. Sie haben den Auroren sogar gestattet, die Unverzeihlichen Flüche gegen mutmaßli-che Todesser einzusetzen und das zeigt ja wohl am deutlichsten, wie ohnmächtig sie sich fühlen müssen. Ich werde derzeit nicht mehr gerufen. Der Dunkle Lord muss erfahren haben, dass ich krank war und mir wird klar, dass ich schon bald meinen Wert für ihn verloren haben werde und wenn es soweit ist, dann Adieu, Seve-rus, das war´s für dich. Als er mich das nächste Mal ruft, ist es für mich höchste Zeit zu handeln. Er lässt die Todesser von ihren Taten berichten, wie er es immer tut, lobt selten, tadelt häu-fig, immer mit dieser grausamen, kalten, zischenden Schlangenstimme, foltert, wenn er es für angebracht hält – und das denkt er immer häufiger - dann fällt sein Blick auf mich. „Nun, Giftmischer, was hast du zu berichten?“ „Meister, ich war lange krank und noch länger dauerte es, bis ich euch wieder dienlich sein konnte“, beginne ich mit meiner vorbereiteten Erklärung. „Aber die Zeit war nicht vertan. Ich habe einen kühnen Plan entwickelt, euch den Besitz von Hogwarts zu verschaffen.“ Er saugt zischend den Atem ein und sieht mich durch-dringend an. „Sprich, mein lieber Giftmischer, was ist durch deine finsteren Gehirnwindungen gekrochen?“ Ich setzte ihm meinen vorgeblichen Plan in allen Einzel-heiten auseinander. Wie ich gedenke mich bei Dumble-dore einzuschmeicheln, wie ich seine Pläne herausfin-den will, seine Anhänger, seine Stützpunkte, haarklein setze ich dem Dunklen Lord alles auseinander. So klar, so schlüssig spreche ich, dass ich beinahe selbst glaube, was ich da sage. Als ich geendet habe, beginnt er zu la-chen - sein grausames, höhnisches, hohes Lachen und wieder läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Wieder verspüre ich Todesangst, aber ich lasse mir nichts an-merken und verschließe meine Gedanken noch fester, als ich es schon die ganze Zeit getan habe - Keinen Auge-blick zu früh, denn er richtet seine roten Schlangenau-gen mit den Schlitzpupillen auf mich und mir ist, als würde er das Innere meines Schädels mit einer scharfen Schaufel umgraben. Mit meiner ganzen Konzentration, mit der endlosen, kraftraubenden Übung zahlloser Stunden, lasse ich ihn sehen, was ich will, dass er sieht, das ist das Schwierige daran. Ich darf ihn nicht aus meinem Geist aussperren, denn er würde sofort Verdacht schöpfen - ich muss ihn täuschen, ihn betrügen - Ich, Severus Snape, muss eini-ge Augenblicke stärker sein als der Dunkle Lord. Ich darf mich nicht fürchten, darf nicht an mir zweifeln, darf keinen einzigen Augenblick in meiner Konzentrati-on nachlassen, sonst ist alles verloren. Diese wenigen Augenblicke scheinen sich zu Äonen zu dehnen, bis er sich endlich abwendet. Jetzt nur kein Seufzen, kein Zeichen von Erleichterung oder ein Nach-lassen der Anspannung, ein kleiner Fehler und ich kann immer noch alles verlieren. „JA!“ zischt er begehrlich. „Endlich ein Plan nach mei-nem Herzen. Endlich einer, der es wagt, es mit Dumble-dore, diesem Schlammblutliebhaber, aufzunehmen. HA! Und ich dachte schon, unsere Wege würden sich tren-nen, mein lieber Giftmischer! Geh! Geh, meine liebe Schlange und betrüge den närrischen Alten. Berichte meinen getreuen Todessern durch das Feuer, aber denk immer dran, du bist nicht mein einziger Spion. Lord Voldemort hat nicht nur einen Pfeil im Köcher…“ Er disappariert und mit ihm die Todesser, ich bleibe al-leine zurück. Phase eins? - Erfolgreich. Phase zwei? - Ich kann nur hoffen, dass mir der alte Mann vertrauen wird, denn mit ihm meine ich es wirk-lich ehrlich. Noch einmal kehre ich in den Tropfenden Kessel zurück und bitte Tom, mir dabei zu helfen, alles zu verkaufen, was ich nicht mehr brauche, denn ich benötige ein we-nig Gold, um meine weiteren Pläne verwirklichen zu können. Den geringen Rest meiner Habseeligkeiten pa-cke ich in meinen uralten Koffer - ich habe es nie für nötig befunden, mir einen neuen zu kaufen - viel besitze ich ohnehin nicht mehr, hauptsächlich noch meine al-ten Zaubertrank- und Schulbücher (sie sind zu kaputt, denn manchmal habe ich sie gewissen Leuten nachge-worfen, wenn nichts anderes zur Hand war), dann ver-abschiede ich mich von Tom und reise mit Flohpuder nach Hogsmeade. Das ist die einfachere Methode, wenn man Gepäck hat.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)