Wenn du weinst von abgemeldet ([Vidoll] Jui und Rame sind normale Studenten und Freunde. Aber wer ist Rame wirklich? Wird Jui es rausfinden? Und was hat Ayano damit zu tun?) ================================================================================ Kapitel 1: Was hält das Leben für uns bereit? --------------------------------------------- Soooo~ XD das hier ist eine wirklich verdammt spontan entstandene story, auf deren Idee ich heute morgen gegen 3 oder 4 gekommen bin XD Auf Namis drängen, der ich eigentlich nur meine Gedanken zu einem Vid mitgeteilt habe, habe ich mich nun doch überreden lassen, eine fanfic daraus zu machen ^-^ Ich habe schon seit Ewigkeiten (ca. 2 Jahre) keine fanfictions oder dergleichen geschrieben, deswegen seid nicht allzu streng zu mir *drop* Ich hoffe trotzdem, dass ich es nicht ganz verlernt habe ^-^° Bitte seid mir nicht böse, ich habe die Members von Vidoll charakterlich ziemlich entstellt, aber es geht in meiner Story auch nicht wirklich direkt um die Members XD zumindest nicht um deren original Charas, an meiner story ist einzig und allein Itsuwari no jouzai Video schuld und meine verdammte perverse Fantasie XDDD Viel Spaß ^-^ was hält das Leben für uns bereit? Wir waren wieder einmal in einer Bar gelandet, wie so oft in den letzten Wochen. Es waren Semesterferien und wir, das ist mein Kumpel Rame und ich – Jui, nutzten die freie Zeit für Sauftouren und Parties. Rame war natürlich nicht der richtige Name meines Freundes, genauso wenig wie Jui meiner war. Irgendwann zu Beginn des Studiums hatten wir sie uns ausgedacht, sie waren einfach einprägsamer und cooler als unsere echten Namen. Von da an kannten uns unsere Freunde nur unter diesen Namen. Nicht, das wir wirklich oft mit Freunden unterwegs waren, wir zogen es vor unter uns zu bleiben. Wir waren beliebt, keine Frage, und doch hatten wir beide einfach nicht den Nerv uns mit riesigen Freundeskreisen herumzuschlagen, so waren wir oft nur zu zweit unterwegs. Mal abgesehen von den Zeiten, wenn wir mal jemanden abschleppten, was, zumindest in meinem Fall, recht häufig vorkam. Ich brauchte eigentlich nur mit den Fingern zu schnippen und ich hatte sogar mehrere Mädels zur Auswahl. Fragt mich nicht was die Mädels an mir mochten, wahrscheinlich war es einfach mein Look – hässlich war ich ja nun wirklich nicht. Ich sollte mich auch nicht beschweren, schließlich war das ein großer Vorteil, wenn man einfach mal ein Mädchen brauchte. Sie wussten ja zum glück nicht, was für ein Arschloch ich manchmal sein konnte, wenn es um Liebe und Gefühle ging. Rame, hingegen, hatte oft nicht so ein Glück. Meistens war ich es der seine Auserwählten ansprach und überzeugte, sich zu uns zu setzen und etwas zu trinken, was natürlich ein strategischer Schachzug von uns war. Dennoch fielen erstaunlich viele Leute immer wieder darauf herein. Das was die meisten von Rame abschreckte war nicht sein Gesicht, es war wohl viel eher die Art wie er sich kleidete, die ein wenig eigenwillig war. In der Uni war er einer von vielen ganz normalen Studenten, der eigentlich nur durch seine ausgefallene Frisur auffiel. Doch sobald es Abend wurde, kam sein wahres Ich zum Vorschein. Er liebte es gothloli Kleider zu tragen und sich wie ein Mädchen zu stylen. Ich fand es absurd, aber dennoch recht amüsant. Es störte mich keineswegs wie er herumlief, die anderen irritierte er aber total damit, da sie alle davon ausgingen er wäre wirklich ein Mädchen, doch wenn er zu sprechen anfing wurden sie desillusioniert. Ich mochte ihn, er war ein guter Kumpel, der jeden Mist mitmachte, auch wenn wir eigentlich total verschiedene Persönlichkeiten hatten. Ich interessierte mich wirklich nicht dafür wie er herumlief und wenn er gemeint hätte er müsse nackt auf der Straße herumlaufen. Ich fand es immer wieder interessant wie die Leute auf der Straße oder in irgendwelchen Bars auf ihn reagierten. Wir kannten uns seit Beginn der Universität, da wir beide dieselben Kurse belegten. Teilweise hatte er sehr verworrene Ansichten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Und doch verstanden wir uns von Anfang an und hingen seitdem aufeinander. Irgendwie schienen wir uns zu ergänzen, keine Ahnung. Das einzige mit dem ich wirklich eine ganze Weile zu kämpfen hatte, war der Fakt, dass er auf Männer stand. An sich interessierte auch das mich herzlich wenig, jedem das Seine, doch ich befürchtete immer, er würde mich irgendwie angraben und nur deswegen mit mir rumhängen, weil er sich Hoffnungen machte. Nach ein paar Wochen sagte ich ihm dann klar ins Gesicht, dass egal was er tut, nie mehr als eine Freundschaft drin sein wird. Er schien kein Problem damit zu haben und so hatte ich auch keins mehr. Tja nun saßen wir eben wieder in unserer Stammbar und tranken einen Drink nach dem anderen. Heute war hier wirklich nicht los. Die wenigen Mädels, die anwesend waren, konnte man an zwei Händen abzählen. Doch was mich viel mehr störte war, dass sie entweder nicht gerade vor Schönheit strotzten oder sie hatten ihren Freund im Schlepptau, was an sich im Normalfall auch kein Problem für mich dargestellt hätte. Doch ich hatte erst vor drei Tagen eine Prügelei mit einem eifersüchtigen Freund gehabt, da dieser eindeutig der Meinung war er könne es nicht tolerieren, dass ich mich offensichtlich prächtig mit seiner Freundin verstand und sie es ebenso offensichtlich genoss. Ich wollte mein Gesicht nicht so schnell wieder in die Nähe einer Faust bringen, die Nebenwirkungen vom letzten Mal waren noch zu präsent. Ich würde mir wohl heute einmal eine Pause gönnen, wenn nicht noch etwas brauchbares hier auftauchte. Rame spielte – natürlich wieder aufgestylt ohne Ende – mit dem Strohhalm in seinem Glas und schaute sich um. Währenddessen bestellte ich mir eine neue Wodka-Cola. Als ich meinen Drink bekam und gerade einen Schluck nahm, sah mich Rame an. „Man ist das heute lahm hier! Wo sind denn die ganzen süßen Typen geblieben, heute ist doch Samstag?“, fragte er mit einem enttäuschten Gesicht. Ich musste grinsen. „Immer nur das eine im Kopf“, gab ich als knappe antwort. „Das musst gerade du sagen, du bist doch derjenige, der so ziemlich jeden Abend eine abschleppt“, kam schmollend von Rame zurück. „Die haben sich wahrscheinlich heute alle vor uns versteckt um mal wieder etwas Ruhe zu bekommen, du weißt doch dass es verdammt anstrengend ist. Oder sie haben einfach nur Angst, dass sie dich treffen könnten.“, mein grinsen wurde noch breiter als Rame mich beleidigt ansah. „Die sollen sich nicht so haben, ich mach doch auch keine Pause! Außerdem wissen sie ja gar nicht was sie sich entgehen lassen… chotto baka“, gab er grummelnd von sich und trank sein glas aus. „Weißt du, ich hab keinen bock mehr, lass uns hier verschwinden, wenn du fertig bist!“ Ich nickte nur blöd vor mich hingrinsend. Er konnte schon ganz schön zickig sein, ganz besonders, wenn er nicht das bekam was er wollte und heute war es eindeutig eine gute Bettgeschichte. Rame entschuldigte sich kurz für die Toilette und verschwand im hinteren Teil der Bar. Ich beobachtete die anwesenden Leute und ab und zu merkte ich, dass dies oder das Mädel nicht den Blick abwenden konnte. Ich grinste sie nur süffisant an, wenn sie gut aussahen und wartete auf ihre Reaktion. Meistens wanden sie sich leicht errötet ab. Wie ich diese Spielchen liebte, aber sie würden es doch nicht wagen ihren Freund stehen zu lassen um mit mir zu plaudern, wenn ich nicht von mir aus hinging und sie ansprach. Wieder betrat ein Pärchen die Bar, ich seufzte resignierend und trank mein Glas in einem Zug leer. „Scheiß Abend heute“ murmelte ich vor mich hin. Als genau in diesem Moment Rame mit einem dämlichen Grinsen zu unserem Tisch zurückkam. „Können wir dann los?“, fragte er mich aufgeregt. Ich schaute ihn nur verdutzt an und bezahlte meine Getränke, Rame tat es mir gleich. „Was zur Hölle ist dir denn auf dem Klo passiert, so erfreuend ist doch kein Pissen gehen?“ Rames Antwort war nur ein, meiner Meinung nach verdammt perverses, kichern. „Also selbst für 'nen Quicky warst du zu schnell wieder zurück.“ Rame grinste mich an und wir ließen die Tür der Bar hinter uns zufallen. „Ich hab mir eben 'nen süßen Kerl organisiert.“, sagte er immer noch grinsend. Ich schaute ihn verblüfft an. „Was, eben auf dem Klo? Wo ist er dann?“ „hihi. Ja eben auf dem Klo… und er wird bei meiner Wohnung auf mich warten…“ „Wie? Warum bei deiner Wohnung, warum ist er nicht gleich mitgekommen?“, jetzt wurde ich wirklich neugierig. „Er war nicht auf dem Klo.“ „Hää?!... Jetzt erzähl doch endlich und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“ „Ach irgendwer hatte eine Telefonnummer auf die Klotür geschmiert… von einem Bordell.“ Ich blieb abrupt stehen. „Was? Du hast dir 'nen Stricher bestellt?!“ Rame lief quietschvergnügt weiter und ließ mich ein paar Meter hinter ihm stehen. Nach ein paar weiteren Metern drehte er sich um und schrie mit einem übelsten Grinseface: „Ja!“ Ich blieb noch ein paar Sekunden stehen und holte dann wieder zu ihm auf. „Das ist doch nicht dein Ernst! So Fickgeil bist du doch sonst nicht! Seit wann haben wir es nötig uns mit Prostituierten abzugeben?“ Er sah mich gekränkt von der Seite an. „Ja du vielleicht nicht!... Aber ich wollte das schon immer mal machen, warum nicht heute?“ „Oh man!“, stöhnte ich nur. Wir liefen den Rest des Weges zu seiner Wohnung schweigend nebeneinander her. Meine Wohnung lag nur ein paar Straßen weiter, so dass wir fast denselben Weg hatten. Ich wollte mich gerade verabschieden als Rame mich unterbrach. „Kommst du mit rauf?“ „Wieso das denn?... ich stehe nicht auf Männer, was soll ich da?“, gab ich etwas angepisst zurück. „Ich will nicht allein da hoch gehen… es ist komisch…. Ich hab das doch noch nie gemacht.“ „Aber ich, oder was?!“ „Nein, das meine ich nicht. Komm einfach mit hoch trink einen Tee oder Alk, ist mir egal, und gib mir Rückendeckung.“ „Rückendeckung?! Für was denn bitte?“, er regte mich langsam wirklich auf. „Nur bis sich die Stimmung ein wenig… äh… entspannt hat, also, ich meine, bis ich mich wohl fühle.“ Ich lache kurz auf. „Das ist nicht dein Ernst. Ich gugg dir doch nicht beim ficken zu.“ „Sollst du doch gar nicht.“, er sah mich mit seinen antrainierten Hundeaugen an. „Ich kenne den doch gar nicht, ich brauch doch erstmal ein bisschen Zeit um mich an ihn zu gewöhnen, verstehst du nicht was ich meine?“ Ich gab auf. „Doch, doch… ich glaube ich weiß was du von mir willst. Aber ich sag dir gleich, sobald du den irgendwie antatschst bin ich weg, das muss ich mir wirklich nicht ansehen.“ Rames Gesicht hellte sich sofort auf. „Arigatou!“ Wir gingen – ich mehr oder weniger widerwillig – die wenigen Treppen zu seiner Wohnung hinauf. Seine Wohnung lag ganz hinten auf dem Flur. Ich ging etwas schneller als Rame. „Hey, jetzt komm aber auch. Ich bin nicht der, der’s heute so nötig hat!“ Rame blieb trotzdem ein paar Schritte hinter mir. Als es nur noch ein paar Meter bis zu seiner Wohnungstür waren, fiel mir auf das die Tür nur angelehnt war. „Seit wann lässt du deine Tür offen stehen, wenn du weg gehst?“ „Habe ich nicht!“ Ich drehte mich um. „Sie steht aber offen. Ist das eine neue Taktik Typen anzulocken?“, ich grinste leicht bei dem Gedanken. „Nein! Ich hab sie nicht offen gelassen… ist da jemand eingebrochen! Jui, bitte geh vor!“ „Na danke, jetzt soll ich mich auch noch umbringen lassen von einem überraschten Dieb.“, stöhnte ich. „Bitte.“ „Jahaaa… ich geh ja schon!“ Als wir an der Tür angekommen waren, drückte ich die Tür langsam nach innen auf. Ich musste mir wirklich eingestehen: ich hatte schiss! Als die Tür offen war suchte ich langsam mit meiner Hand nach dem Lichtschalter an der Wand, kaum hatte ich ihn gefunden, machte ich das Licht ruckartig an. Nichts. „Hier ist keiner.“, flüsterte ich Rame zu und ging langsam in den Flur seiner Wohnung, dicht gefolgt von Rame. Er zog die Tür hinter sich nicht zu, wahrscheinlich aus Angst wir könnten nicht schnell genug abhauen. Ich ging zur Stubentür, die auch nur angelehnt war und schlüpfte ins Zimmer, da der Lichtschalter nicht von der Tür aus zu erreichen war, Rame blieb im Flur stehen. Auch hier schaltete ich das Licht an. Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Und ich starrte wie benommen in Rames Wohnzimmer, was ebenfalls sein Schlafzimmer war. „Scheiße… RAME!“ Kapitel 2: Alles nur Lüge? -------------------------- Soooo~ da ist es. das neue Kapitel. Diesmal ist es auch etwas länger geworden ^^ Ich hoffe, dass es mir ganz gut gelungen ist und ihr den Charas folgen könnt. Gar nicht so einfach immer nur aus Juis Sicht zu schreiben und trotzdem die Gefühle etc. der Anderen einigermaßen gut darzustellen. *drop* Ja was kann ich sonst noch sagen... Musiktechnisch lief eigentlich die ganze Zeit MuCc, D'espairsRay und die 5 Lieder von Vidoll mit denen ich mich bis jetzt befasst habe in Endlosschleife XDD Mir tut noch alles vom MuCc-Konzi weh ;_; war aber sehr geil... echt Schade dass du nicht dabei sein konntest Nami *drop* wäre bestimmt noch besser geworden, wenn wir uns zusammen durch die Menge gewühlt hätten... *knuddl* Vielleicht kann ich dich ein wenig mit dem Kapi trösten [achso falls sich jemand daran stört dass ich "keinster Weise" statt "keiner Weise", wie es soweit ich weiß korrektes Deutsch gewesen wäre [XD], geschrieben habe... es klang für mich mit meinem offensichtlich verkorksten Deutsch irgendwie doof, deswegen hab ichs gelassen XDDD] So ich hoffe es bleibt spannend und gefällt euch ^-^ pls schreibt commis *bettl* 2. Kapitel Alles nur Lüge? „Scheiße… RAME!“, war das Einzige was ich sagen bzw. flüstern konnte. Er reagierte nicht, sondern blieb weiterhin im Flur stehen. Es folgte nur ein leises Flüstern: „Was? Was ist da?“ Ich drehte mich um und zog Rame zur Tür hinein. „Was zur Hölle soll das?!“, schrie ich fast und zeigte auf Rames Bett. Er starrte erst ebenso geschockt auf die Stelle, bevor er sich regte. „Ich glaube, das ist der Callboy…“, sagte er kaum hörbar. „Willst du mich verarschen!!“, ging ich ihn an, „Bist du total bescheuert?!“ Rame klopfte mir nur sanft auf die Schulter, um mich zu beruhigen, was mich jedoch nur umso mehr in Rage brachte. „Nein.“, kam leise von ihm. „Ich glaube es ist wirklich der Callboy.“ Ich drehte mich nur erneut fassungslos um und schaute ihn unverständlich an. „Ok, ich bin weg!“, ich wollte so schnell wie möglich hier raus, denn ich hatte zu sehr das Gefühl, dass hier etwas gar nicht so in Ordnung war, wie Rame es vorgab. Er hielt mich jedoch bestimmend am Arm zurück. „Du hast mir versprochen zu bleiben.“ „Ja, wenn es ein NORMALER Callboy gewesen wäre, aber das hier ist doch wohl die reinste Farce!“ Wieder sah er mich mit seinem Hundeblick an. „Bitte, bleib…. Ich regle das schon irgendwie!“ „Irgendwie?!... glaubst du ich bin doof?! Wie in Gottes Namen willst du da wieder rauskommen? Ich wusste gleich, dass es eine scheiß Idee war sich einen Stricher anzulachen!“ „Bitte…“, sein Blick blieb standhaft. Ich wusste wirklich nicht was ich nun tun sollte. Sollte ich bei Rame bleiben, sollte ich einfach gehen, sollte ich dem Stricher helfen? Ich rang mit mir selbst. Es war wirklich ein Kampf zwischen Gewissen und Verstand. Doch ich blieb. Leise grummelte ich nur in mich hinein und sah ihn dann an. „Kümmere dich um ihn, so kannst du ihn doch nicht auf deinem Bett sitzen lassen. Der ist total runter mit den Nerven…“, ich stockte als mir ein neuer Gedanke kam. „ Oder wolltest du es etwa so?“ Mein Blick schwenkte erst zu Rame und dann zu dem blauhaarigen Jungen, der zusammengekauert und mit tränenüberströmtem Gesicht auf Rames Bett hockte. „Aber…“ „Geh mir ja nicht auf den Sack!“, ich war stinksauer. Mein hasserfüllter Blich traf ihn, dann ging ich zu seinem Bett und setze mich erstmal völlig fertig hin. Wieder wendete ich mich an Rame, da er überhaupt nicht reagierte und immer noch mitten im Zimmer stand, als hätte jemand ihn festgenagelt. „Was willst du jetzt machen? Willst du ihn hier wirklich so sitzen lassen?“ Ein Gefühl, dass ich nur selten in mir spürte, keimte in mir auf – Mitleid. Ich versuchte in Rames Gesicht irgendetwas zu lesen, doch sein Blick war nur verständnislos und kalt. „Ich muss schließlich für ihn bezahlen…“ Kaum hatte ich die Worte in meinem Kopf verarbeitet, sprang ich fassungslos auf und platzierte mich genau vor ihm. Ich starrte ihn mit Abscheu in den Augen an, zumindest war es genau das was in diesem Moment durch meinen ganzen Körper zuckte – Abscheu, reine Abscheu. Rames Blick blieb trotz alledem kalt und gefühllos als er zu mir aufsah. Ich war einen Augenblick wie gelähmt. Ich konnte nicht fassen, dass Rame so gefühlskalt sein konnte. Wenn jemand gefühlskalt war, dann ich, aber Rame war doch immer der mitfühlende und hilfsbereite Freund gewesen, der meine Fehler wiedergutmachte. „Bist du denn total durchgeknallt?!“, zischte ich ihn an. Er gab keine Antwort, sondern ging stattdessen in den Flur um seine Wohnungstür zu schließen. Als er das Wohnzimmer wieder betrat lief er in die Küche und holte eine Flasche Schnaps aus dem Kühlschrank. „Lass uns erstmal einen trinken und dann in Ruhe und mit klarem Kopf noch mal überlegen, was wir nun mit ihm machen.“ Gott, wie gern wäre ich ihm einfach an den Hals gesprungen und hätte ihn erwürgt. Ich hätte es wahrscheinlich nicht einmal bereut. Dennoch hielt ich mich zurück und versuchte meine Fassung einigermaßen wieder zurück zu erlangen. Es war überhaupt nicht meine Art, so aus der Haut zu fahren, aber Rame hatte diesmal wirklich den Vogel abgeschossen. „Wir? Das ist ja wohl deine eigene Scheiße hier!“, gab ich ruhig, aber in einem aggressiven Ton zurück. Doch er reichte mir ein Glas Schnaps ohne dabei eine Miene zu verziehen oder auf mich in irgendeiner anderen Weise zu reagieren. Ich nahm es, insgeheim dankend, und trank es sofort in einem Zug aus. Sofort gab ich ihm das Glas zurück und er füllte es ein weiteres Mal, bevor er es mir erneut in die Hand drückte. Ich trank es nicht. Ich hielt es in meinen Händen und sah den Jungen auf dem Bett an. Er sah wirklich miserabel aus. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass er an Rames Bett gefesselt war. Mein Blick schweifte kurz und tödlich zu Rame bevor er wieder zu dem Jungen zurückkehrte. Seine Handgelenke waren blutüberströmt, da man ihn nicht einfach mit Seilen oder Handschellen ans Bett gefesselt hatte, sondern mit zwei dieser Hundehalsbändern, die sich mit scharfen Spitzen in die Haut bohrten, sobald man an ihnen zog. Kurz darauf fiel mein Blick auf sein Gesicht, das größtenteils unter Haarsträhnen verborgen war, und stellte fest, dass nicht nur seine Handgelenke stark gelitten hatten. Sein Gesicht, welches ich – trotz, dass er eindeutig ein Mann war- wirklich als schön bezeichnen konnte. Dieser plötzliche Gedanke erschreckte mich und ich verdrängte ihn sofort wieder aus meinem Kopf. Aber ich wollte ihm helfen. Ihn frei lassen. Doch als ich mich nach vorn beugte und versuchte seine Fesseln zu lösen hielt mich Rames scharfe Stimme zurück. „Wage es nicht ihn frei zulassen!“ Seine Worte und sein Tonfall ließen mich wie versteinert in meiner Bewegung innehalten. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, als wären sie Millionen Ameisen. Ich schaffte es einfach nicht eine einzelne bestimmte Ameise aus diesem Haufen herauszufischen. Genau in diesem Moment sah auch der Junge erschrocken auf und starrte mir mit tiefschwarzen und scheinbar endlos schmerzerfüllten Augen ins Gesicht. Ich vergaß fast zu atmen als mein Herz sich in einem imaginären Schmerz zusammenkrampfte. Wo war der Rame, den ich seit einem Jahr meinen besten Freund nannte? Wo war der Rame, mit dem ich über meine Probleme sprach, mit dem ich mich noch nicht einmal gestritten hatte? Existierte er überhaupt wirklich? Wer war Rame? „Ich meine… entschuldige Jui, aber wir können ihn doch nicht einfach so losbinden! Was, wenn er dann abhaut?! Er würde sofort zur Polizei rennen und dann sind wir wirklich am Arsch!“, seine Stimme war wieder so wie sonst auch. Den Umständen entsprechend eigentlich viel zu ruhig und gefasst, aber so war es immer seine Art gewesen. Ich hatte schon von Anfang an das Gefühl gehabt, er würde fortwährend eine Maske tragen und seine wahren Emotionen nicht preisgeben. Was mich auch in keinster Weise wirklich störte, letztendlich trugen wir alle unsere Masken um nicht verletzlich zu sein. Rames Maske war es den lieben und guten Menschen zu mimen auch wenn er innerlich vor Wut kochte, meine war es alles hinter Coolness zu verstecken. Jetzt schien sich diese Vermutung meinerseits auch endlich hieb und stichfest bewiesen zu haben. Obwohl ich ihn schon so eingeschätzt hatte, riss in mir eine Kluft auf. Ich fühlte mich als wäre ich in zwei Teile gerissen worden. Warum schockierte mich diese Tatsache so sehr? Weil er sich, wenn er die Maske ablegte, so absolut von dem Menschen, den ich kannte, unterschied? Als Rame begonnen hatte zu sprechen, war mein Kopf plötzlich wie leer gefegt, keine der Ameisen schien mir geblieben zu sein. Doch wie aus dem nichts tauchten zwei der kleinen Ameisen wieder in meinem Kopf auf, die immer größer zu werden schienen und ich befürchtete mein Kopf würde explodieren. Wie wild überschlugen sich diese beiden Gedanken in meinem Hirn. Alles an das ich denken konnte waren diese zwei simplen Sätze. ‚Er war doch immer noch Rame!’ und ‚Halte dich von ihm fern!’. Trotz der Alarmglocken, die wie wild in meinem Kopf widerhallten, entschied ich, mich an dem ersten Gedankengang festzuhalten, als wäre er ein Rettungsanker, der mich vor dem Ertrinken bewahren konnte. Ich wollte einfach nicht wahr haben, dass er in Wirklichkeit ein völlig Anderer war. Langsam senkte sich mein Blick. Weg von dem Gesicht des Jungen. Auf den ersten Blick schien es eine simple Reaktion auf Rame zu sein, doch ich verleugnete mich nur selbst, in dem ich mir das einredete. Die Wahrheit war, dass ich dem Schmerz in seinem zarten Gesicht nicht mehr gewachsen war. Ich drehte mich langsam wieder zu Rame um. Als ich ihn schließlich ansah, hatte ich das Gefühl vor mir würde ein mir vollkommen unbekannter Mensch stehen. Er stand stolz am Fußende des Bettes und erwartete eine Antwort von mir. Ich seufzte. „Du hast Recht. Er würde höchstwahrscheinlich sofort abhauen.“, einen Moment lang überlegte ich und drehte das Schnapsglas, welches ich noch immer in meinen Händen hielt, hin und her. „Was willst du jetzt machen?... Eigentlich gehört er sofort in ein Krankenhaus… sieh ihn dir doch mal an.“ Auch er überlegte einen Augenblick. „Um ehrlich zu sein ich habe keine Ahnung, aber ich lasse ihn nicht gehen. Und in ein Krankenhaus bringe ich ihn auch nicht, er wird sonst alles verraten.“ Ich sah ihn verständnisvoll an, obwohl es mir um den Jungen wirklich Leid tat, und erhob mich vom Bett. Kaum bei Rame angelangt flüsterte ich ihm ins Ohr, „Lass uns in der Küche weiterreden…“ und verschwand auch gleich in besagten Raum. Rame folgte mir. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, kramte ich die Zigaretten aus meiner Tasche, nahm auf einem Stuhl platz und zündete mir eine an. Auch Rame setzte sich. „Jetzt mal Klartext. Du willst ihn nicht in ein Krankenhaus bringen und du willst ihn nicht gehen lassen.“, ich ziehe lange an der dünnen Zigarette in meiner Hand. „Was willst du dann mit ihm machen? Weißt du überhaupt wie dieses tolle Bordell heißt, bei dem du angerufen hast? Oder wo es ist?“ Da ich keine Antwort von Rame bekam, sprach ich einfach weiter. Vielleicht konnte ich ihn ja überzeugen, dass wir den Jungen – wie hieß er überhaupt? – nicht auf alle Ewigkeiten hier festhalten konnten. Es musste doch auch irgendeinen Ausweg geben. Irgendeine Möglichkeit wie wir das hier klären konnten. „Rame, ich kann wirklich nicht glauben, dass du auf so was reingefallen bist. Der ist doch kein normaler Stricher. Würden die einen Stricher so zurichten? Mir kommt das hier alles eher so vor als hätten sie ihn gerade erst mitten von der Straße weg gefangen…“ „Jui! Es ist mir scheißegal, wo der Typ herkommt oder was sie mit ihm angestellt haben! Ich muss für ihn bezahlen, also nutze ich die Gelegenheit auch! Ich werde schon irgendeinen Weg finden ihn loszuwerden, mach dir mal keine Sorgen.“, unterbrach mich Rame und sah mich mit einem Blick an, der keine Widerrede duldete. Trotzdem versuchte ich an sein Gewissen zu appellieren. Ich verbarg den Schock, den er mir ein weiteres Mal versetzt hatte. „Ist es dir wirklich scheißegal?!“, ich musste mich wieder einmal zusammenreißen um nicht ein weiteres Mal ausfällig zu werden. „Ist es dir wirklich scheißegal, was mit ihm passiert ist, nur weil DU einen Fick brauchst?“ Rames Antwort fiel mit einem knappen, aber deutlichen, „Ja!“ aus. Mir fiel fast die Kinnlade nach unten. Wieder spürte ich diesen unsäglichen Drang ihm eine rein zuhauen. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Was war nur mit ihm passiert? Wie auf Kommando fiel mir wieder die kleine Ameise in meinem Kopf ein, die mich vor ihm gewarnt hatte. „Wa- … Wie…“, ich schüttelte meinen Kopf als könnte ich dadurch die richtigen Worte finden. „Du willst ihn doch nicht etwa u-…?“, nein ich konnte es nicht aussprechen. Ich konnte ihn nicht fragen. Meine Verwirrung wurde langsam aber stetig von einem weiteren Gefühl getilgt – Angst. Ein kaltes Lächeln breitete sich auf Rames Gesicht aus, was mir wirklich Gänsehaut über den ganzen Körper jagte. „Wenn du fragen wolltest, ob ich vorhabe ihn umzubringen, kann ich dich beruhigen. Nein, ich will ihn nicht umbringen. Zumindest noch nicht.“, er nahm sein Schnapsglas in die Hand, welches er mitgenommen hatte, und trank es aus. Alles was ich tun konnte war ihn anzustarren. Mein Mund öffnete und schloss sich, ohne dass auch nur ein einziger Ton über meine Lippen kam. Noch nie hatte es jemand geschafft mich derart aus der Bahn zu werfen. Ok, mir hatte auch noch niemand eröffnet, dass er womöglich plante jemanden umzubringen. Am liebsten wäre ich sofort aufgesprungen und wäre davongerannt, aber ich konnte nicht. Ich blieb auf meinem Stuhl sitzen, unfähig mich zu bewegen, und starrte Rame hilflos an. Ich konnte nicht gehen, so sehr ich es auch wollte. Wenn ich jetzt ging, was würde er dann mit dem Jungen anstellen? Ich könnte sofort zur Polizei gehen. Aber war ich wirklich in der Lage meinen besten Freund anzuzeigen? Obwohl, war er denn überhaupt noch mein bester Freund? Wenn ich jetzt ginge würde Rame mich dann zurück halten? Würde er den Jungen gleich umbringen und ihn verschwinden lassen? Wenn ich zur Polizei ginge, wäre ich doch aber auch schuldig. In was hatte Rame mich da nur hineingezogen! „D-Du kannst ihn doch nicht so mir nichts dir nichts umbringen.“, kam es endlich über meine Lippen. Ich versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. So kam ich vielleicht leichter an ihn heran, als wenn ich ihn jetzt angeschrieen hätte. „Hm… du hast Recht, es wäre etwas überstürzt.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Er war also doch nicht so abgebrüht. Oder er war abgebrüht genug mich das glauben zu lassen. „Es gibt sicher auch irgendeine andere Möglichkeit… Schweigegeld oder so was.“, sprach ich diplomatisch weiter. Gut, um ehrlich zu sein, versuchte ich ihn nicht zu überreden den Jungen am Leben zu lassen, damit er keine Straftat beging. Ja, ich war egoistisch und dachte an mich. Ich wollte nicht wegen ihm im Knast landen. Und ich dachte an den Jungen. Was hatte er verbrochen, dass er einfach so sterben sollte? Ich konnte es nicht zulassen, selbst wenn er ein richtiger Stricher – was er meiner Meinung nach nicht war - gewesen wäre, hätte ich so gedacht Rame nickte nur. „Wir sollten uns auf jeden Fall um ihn kümmern. Wir können ihn die ganze Nacht auf deinem Bett hocken lassen, völlig runter mit den Nerven.“ Ein weiteres Mal nickte Rame nur knapp. „Ich hab ne Idee… ich hab hier irgendwo noch Schlaftabletten. Dann kannst du ihn von mir aus auch losbinden.“, sagte er nach einer kurzen Pause und stand auf um in seinen Schubladen herumzuwühlen. Eigentlich war mir nicht ganz wohl bei der Sache, doch es war wahrscheinlich fürs Erste die beste Möglichkeit, zu verhindern, dass er wegrannte. Hinzu kam dass es mir um einiges lieber war als ihn mal eben ‚loszuwerden’. Diesmal war ich es, der nur still nickte. Rame kramte die Packung Schlaftabletten aus einer der Schubladen und drückte sie mir in die Hand. „Hier, mach du das.“ „Wieso ich?“, fragte ich verwirrt. „Weil du es bist, der ihm helfen will, nicht ich! Mir ist es ziemlich egal in welchem Zustand er auf meinem Bett hockt.“ Ich schluckte schwer. Ich hatte ihn also nicht erweichen können. An sich vertrat er noch denselben Standpunkt wie vorher. Vielleicht hatte er dem nur zugestimmt, weil ich es vorgeschlagen hatte und – leider- involviert war. Ich nahm die Packung entgegen und stand auf um ein Glas zu holen, in dem ich die Schlaftabletten auflösen konnte. Der Junge würde sie sicherlich nicht freiwillig nehmen. „Nimm eine mehr als auf der Packung steht, ich hab keinen Bock drauf dass er zu zeitig wach wird und sich doch verpisst!“, sagte Rame als er mir eine Packung Orangensaft in die Hand drückte. „Hier, der Saft übertüncht den Geschmack.“ Mein Gesichtsaudruck musste etwas konfus gewesen sein, da er gleich hinzufügte, dass er das irgendwann einmal im Fernsehen gesehen hatte. Als der präparierte Orangensaft fertig war, ging ich wieder in die Stube. Rame folgte mir, setzte sich auf den Sessel, der vor seinem TV stand, und schaltete das Gerät ein. Ihn schien es wirklich überhaupt nicht zu interessieren was mit dem Jungen passierte. Noch immer saß der Blauhaarige dich an die Wand gedrängt auf dem Bett. Wie konnte Rame bei so einem Anblick nur so gefühlskalt sein, wenn nicht einmal ich es konnte? Ich ließ mich neben dem Jungen auf dem Bett nieder und hielt das Glas in seine Richtung. „Ich hab dir was zum trinken gebracht.“ Vorsichtig hielt ich es an seine Lippen, doch er sah mich nur mit diesen verzweifelten Augen an und schüttelte den Kopf. „Keine Angst...“ ich stockte. Beinahe hätte ich ‚wir’ gesagt, doch ob das wirklich der Wahrheit entsprach konnte ich nicht hundertprozentig sagen. Ich hätte dafür meine Hand nicht ins Feuer gelegt. „Ich tue dir nichts. Du kannst es ruhig trinken. Es ist nur Orangensaft.“ Diese Lüge ging mir nur schwer über die Lippen, aber ich hatte keine Wahl, wenn ich ihm helfen wollte. Wieder hielt ich das Glas an seine Lippen und diesmal nahm er vertrauensvoll einen Schluck. Als er nichts Auffälliges schmeckte – zumindest schien es mir so als hätte er es erst einmal getestet – trank er das Glas fast leer. Voll Mitgefühl sah ich ihn an. „Du musst echt Durst gehabt haben, wenn du noch etwas willst sag Bescheid, Ok?“, ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Er nickte nur. Einen Moment sah ich ihn einfach nur an, dann fiel mir ein dass ich nicht einmal seinen Namen wusste. Aus irgendwelchen Gründen war es mir wichtig ihn zu erfahren. „Wie heißt du überhaupt?“ Sein Blick zeigte offenes Erstaunen. Als wäre es sein letzter Gedanke gewesen, dass ich mich für seinen Namen interessieren könnte. Zaghaft hob er seine Hände und machte mit seiner rechten Hand eine Geste des Schreibens. Ich sah ihn etwas verwirrt an, holte dann aber einen Block und einen Stift. Langsam und mit viel Mühe schrieb er in verzittertem Katakana den Namen Ayano auf den Block und hielt ihn mir wieder hin. „Ayano? Das ist doch ein Mädchenname.“ Noch ein Mal nickte er nur. „Warum sagst du nichts? Ich tu dir doch nichts nur weil du redest.“, meine Stimme klang sanft. Doch er schüttelte wieder mit dem Kopf. Plötzlich kam mir ein Gedanke. „Kann es sein, dass du gar nicht sprechen kannst?“ Kapitel 3: Wird alles gut? -------------------------- Oh mann... diesmal hatt's ein bißchen länger gedauert, ich hatte Klausuren und konnte deswegen nicht weiterschreiben bzw. die Story abtippen. Hab jetzt innerhalb der letzten 4 stunden (mit Pausen) das ganze Kapitel abgetippt und bearbeitet. Und ich habe festgestellt, dass diese story nichts für Leute ist, die ständig Action brauchen XDD Dadurch, dass ich ja aus Juis Sicht schreibe, sind verdammt viele Gedanken etc. eingeflossen. Es ist das erste Mal dass eine Geschichte von mir durchgehend so tiefsinnig ist XDD so ich bin sooo~~~~ müde XD ich weiß nichts mehr give me comments *begs* 3. Kapitel Wird alles gut? „Kann es sein, dass du gar nicht sprechen kannst?“ Seine Augen erhielten einen leichten Glanz. Er nickte zaghaft. Deswegen hat er nicht um Hilfe geschrieen, dämmerte es mir. Mich überrumpelte wieder eine starke Welle Mitleid - oder war es Zuneigung? Wahrscheinlich beides. Ayano unterbrach meine Gedanken indem er mich vorsichtig antippte und noch einmal nach dem Block verlangte. Ich blickte ihm einen Augenblick lang in seine verwirrt schauenden Augen. Was er wohl dachte. Was er wohl über mich dachte. Ob er mich ebenso für ein Monster hielt wie Rame? Hielt er Rame für ein Monster? Oder sah nur ich in meinem besten Freund ein Monster, das auferweckt wurde? Ohne noch einmal zu zögern gab ich ihm den Block. Er schrieb ein paar Sätze darauf und reichte ihn mir gleich wieder zurück. „Ich weiß nicht was los ist, ich versuche zu sprechen, aber es geht nicht.“, hatte er darauf notiert. Meine Lippen umspielte ein aufmunterndes Lächeln. „Das ist bestimmt nur der Schock. Mach dir keine Sorgen, deine Stimme kommt sicherlich zurück.“ Just in diesem Moment drehte sich Rame neugierig zu uns herum. Also hatte er uns doch die ganze Zeit heimlich beobachtet, wusste ich es doch! „Er kann nicht reden?!“, fragte er plötzlich höchst interessiert. Ich verleierte meine Augen, dann schüttelte ich den Kopf und sah ihn an. „Nein.“ Rame sah zu Ayano und inspizierte ihn eine Weile. Kurz darauf fiel sein Blick zurück auf mich. Dieser Blick sprach Bände. Er hätte es auch gleich aussprechen können, Ayano hatte es doch sowieso gesehen. Ich brauchte nicht weiter nachdenken und verstand gleich, dass er mich mit diesem Ausdruck in seinen Augen fragte wie lange es wohl noch dauern würde bis er endlich schlief. Ich zuckte nur resignierend mit den Schultern. Daraufhin drehte er sich sofort wieder um und sah weiter fern. Arschloch. Warum musste es auch so verzwickt sein? Was sollte ich solange machen bis der Junge schlief? Es war als würde die ganze Welt hinter mir stehen und mich verachten. Verachten für das, was ich hier tat. Dass ich dem Jungen nicht wirklich helfen konnte. Noch nicht. Ich wollte nicht hier sein. Alles kam mir so fremd vor. Ja, selbst mein bester Freund war mir fremd. „Äh… hast du vielleicht Hunger? Oder willst du noch was trinken?“, versuchte ich mein Gewissen ein wenig zu bereinigen und diese bedrückende Stille zu vertreiben. Doch Ayano schüttelte nur kaum sichtbar mit dem Kopf und sah mich dann an. Eine Ewigkeit lang – zumindest erschien es mir so – sahen wir uns einfach nur an. Erforschten gegenseitig unsere Augen, versuchten ihnen die Gedanken und Gefühle des Anderen zu entlocken. Ayano senkte zuerst den Blick und nahm ein weiteres Mal den Block. Nachdem er wieder etwas darauf notiert hatte, schob er ihn zu mir hin. „Ich weiß, dass etwas in dem O-Saft war. Werde ich jetzt sterben?“, stand auf dem Blatt. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich das las. Ich schaute ihn geschockt an. Trotz der Furcht, die dem Geschriebenen zu entnehmen war, strahlte er Fassung und Stärke aus. Es überraschte mich plötzlich so etwas an ihm zu sehen. Er hatte die ganze Zeit so verletzlich gewirkt. Ich hatte ihn für eine schwache, leicht einzuschüchternde Natur gehalten, doch ich hatte mich eindeutig geirrt. Er war alles andere als schwach. Er war viel mehr als das. Da ich wahrscheinlich zu lange auf eine Antwort warten ließ, legte er seinen Kopf schief und sah mich fragend an. Diese kleine Bewegung von ihm brachte mich wieder auf den Punkt, so wie er es sicherlich beabsichtigt hatte. Ich zwang mich einen klaren Kopf zu bekommen. Dieser Junge brachte mich total aus dem Gleichgewicht. Doch ich wollte nicht, dass Rame mitbekam worüber wir sprachen. Er sollte nicht wissen, dass Ayano Bescheid darüber wusste, dass wir seinem Getränk etwas beigemischt hatten. Nein, nicht wir – ich. Ich war es gewesen, auch wenn Rame die Idee dazu geliefert hatte. Wurde ein Mörder nicht genauso hart bestraft wie sein Anstifter? War das hier nicht an sich dasselbe? Ich schrieb meine Antwort ebenfalls auf den Block. „Nein. Du wirst nicht sterben! Es waren nur Schlaftabletten. Ich kann niemanden umbringen.“ Ich wagte es nicht ihn anzusehen, als ich ihm den Block zurückgab. Es funktionierte einfach nicht, diese Schuld konnte ich nicht verdrängen. Die Schuld ihn in diese prekäre Lage gebracht zu haben. Ich fühlte mich schuldig – so verdammt schuldig! Es zerriss mich fast. Doch das schlimmste an der ganzen Sache war, es war nicht nur einfach so ein Gefühl. Ich war es wirklich. Ich war es mit jeder einzelnen Faser meine Körpers! Ayanos Antwort war knapp und simpel: „Gut, so kann ich wenigstens schlafen.“ Du verfluchter Idiot! Wie kannst du das so hinnehmen? Wie kannst du das so einfach hinnehmen?! Ich wollte ihn anschreien, ihn schütteln, damit er zur Vernunft kam. Wo war sein Überlebensinstinkt? Die Stärke, die ich erst vor ein paar Minuten in seinem Blick gesehen habe? Wo war sie hin? Kämpfe, Junge, kämpfe! Doch ich konnte ihm nicht einmal ins Gesicht sehen. Stattdessen starrte ich auf seine blutverschmierten Hände mit denen er auch schon einige Abdrücke auf dem Papier hinterlassen hatte. Alles in mir zog sich zusammen. Es war wie ein Krampf, der meinen Körper vollständig verspannte. Es tat mir weh, dass er selbst solchen Situationen etwas Gutes abgewann. Während ich mit der Wut und dem Schmerz in mir kämpfte, nahm Ayano noch einmal den Block, schrieb eine Nachricht und legte ihn mir auf die Knie. Seine Hände zitterten. Er hatte immer größere Schwierigkeiten deutlich zu schreiben und ich brauchte einen Moment um zu entziffern was er geschrieben hatte. „Wenn ihr mich nicht umbringt, mich aber auch nicht freilasst, kann ich dann davon ausgehen, dass ihr mich vergewaltigen wollt?“, er hatte einen kleinen Absatz gelassen. „Wenn ja, dann zögert nicht mich umzubringen! Ich sterbe lieber, als so weiterzuleben. Es würde mich zerstören. Also würde es so oder so keinen Sinn machen weiterzuleben, nicht wahr?“, wieder folgte ein Absatz. „Es macht mir nichts aus zu sterben, mach dir deswegen keinen Kopf. Es würde mir vieles erleichtern.“ Kaum hatte ich seine Worte gelesen, konnte ich nicht anders als ihn verloren anzustarren. Ich musste mich einfach überzeugen, ob das, was er geschrieben hatte, der Wahrheit entsprach, oder ob er nur bluffte. Sein Gesichtsausdruck jagte mir Schauer über den Rücken. Sein Blick war fest entschlossen, er meinte es wirklich ernst. Das war es was er wollte – sterben. Ich sah ihn verzweifelt an, ich konnte es nicht verstehen. Auch wenn er jetzt in einer solch miserablen Lage war, wie konnte er so einfach sein Leben aufgeben? Wieso machte es ihm nichts aus zu sterben? Würde jeder aus Angst geschändet weiterleben zu müssen, so einfach alles beenden wollen? Ich – an seiner Stelle – würde bis zu meinem letzen Atemzug weiterkämpfen, nur um zu leben. Würde ich das wirklich? Der Mensch konnte doch vergessen, oder nicht? Oder zumindest verdrängen – darin war ich besonders gut. Was hatte er erlebt? Es konnte doch nicht nur daran liegen, was jetzt gerade geschah. Es musste einfach noch einen anderen Grund dafür geben. Ich wollte, dass es noch einen anderen Grund dafür gab. Oder war er so stolz, dass er mit dieser Schande nicht weiterleben wollte? Ich hatte meinen Blick von seinem Gesicht abgewendet und wollte ihm gerade eine neue Nachricht schreiben. Doch als ich aufschaute, bemerkte ich, dass er mittlerweile mit geschlossenen Augen und den Kopf an die Wand gelehnt dasaß. Um mich zu überzeugen, dass er wirklich schon schlief, tippte ich ihn erst vorsichtig an und wartete auf eine Reaktion von ihm. Danach fuchtelte ich mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. Keine Reaktion. Doch das konnte man ja auch vortäuschen. Wie oft hatte ich das schon getan, als ich am nächsten Morgen keinen Bock hatte mich mit irgendeinem der Mädels zu unterhalten. Sie stellten ja sowieso nur sinnlose Fragen oder erzählten dir zum tausendsten Mal wie toll es doch war. Oh ja, ich hatte schon verdammt oft vorgegeben zu schlafen. Obwohl es mir schwer fiel, entschied ich mich etwas zu tun, das ihm wehtun musste. So weh, dass er eine Reaktion seines Körpers nicht verhindern konnte, denn so konnte ich sicher gehen, dass er es nicht faked. Ich sah ihn an und überlegte eine Weile, was ich tun konnte. Mit Widerwillen nahm ich letztendlich eine seiner Fesseln in die Hand und zog mit einem Ruck kräftig daran. Vergib mir! Keine Reaktion. Ich atmete erleichtert auf. Um ehrlich zu sein, war ich überglücklich, dass er wirklich schlief. Für ihn und für mich. Was hätte ich getan, wenn er nicht geschlafen hätte und ich hätte ihm solche Schmerzen bereitet? Ich hatte es nicht aus Spaß getan und doch war es eine drastische Maßnahme gewesen. Doch er schlief. So war es besser, ich musste meine Gefühle endlich wieder ein wenig ordnen. Ich brauchte Luft zum atmen. Langsam krabbelte ich vom Bett herunter und ging hinüber zum Fenster. Als ich Rame passierte gab ich ihm eine kräftige Kopfnuss. „Hier, du Arschloch, der Kleine schläft jetzt.“ Da war er, der nächste Grund weswegen ich nicht endlich abschalten konnte. Rame, wie er leibt und lebt. Es wäre mir fast lieber gewesen er würde nicht leben. Oder er wäre gar nicht erst in mein Leben getreten. Oh, wie ich ihn verabscheute. Noch vor ein paar Stunden, war er einfach nur ein guter Freund gewesen. Und jetzt? Jetzt musste ich den Drang unterdrücken ihn grün und blau zu prügeln. Rame sah mich überrascht und grimmig an, doch als er verarbeitet hatte was ich gesagt hatte, verwandelte sich sein Ausdruck in ein fröhliches Lächeln. Da ist es schon wieder. Dieses herzallerliebste Lächeln. Ich wollte mich übergeben. Ohne ihn zu fragen öffnete ich das Fenster und zündete mir eine Zigarette an. Er stand auf und stellte sich neben mich. „Gut. Dann kannst du ja jetzt gehen. Ich glaube ich hab mich mittlerweile ganz gut an ihn gewöhnt.“, sagte er mit seinem Lächeln, als ob es das normalste auf der Welt war, so über einen Menschen zu sprechen. Ich unterdrückte die Wut und tätschelte ihm nur mit einem süffisanten Lächeln den Kopf. „Vergiss es, Kleiner!“ „Aber…“ „Nichts aber!“, schnitt ich ihm das Wort ab und starrte in die Nacht vor seinem Fenster. Es ging ein ziemlich straffer Wind, der vereinzelt ein paar Regentropfen mit sich brachte. Überall hörte man das Plätschern der Tropfen, die von den Bäumen auf die Wege fielen. Es musste vorher stark geregnet haben, doch davon hatte ich nichts bemerkt. „Jui…“, begann Rame wieder. „Ich wollte nur, dass du mit hochkommst um mir Rückendeckung zu geben und nicht um mir den Abend zu versauen!“ „Ich!? Ich versaue deinen Abend?! Ich halte dich nur davon ab, etwas zu tun das du verdammt bereuen wirst, mein Freund!“ „Ich will, dass du gehst Jui!“ „Weißt du wie scheißegal es mir ist was DU willst?! Vielleicht kapierst du so auch mal wie es dem Jungen geht, dir ist es ja auch scheißegal was aus ihm wird!“ „Jui, schrei nicht so rum!“, Rame schubste mich vom Fenster weg und schloss es hektisch. „Willst du, dass die ganze Nachbarschaft weiß was hier los ist?!“ „Wenn es dich endlich zu Vernunft bringt. JA!“ „Ich bin völlig vernünftig!“ „Das nennst du Vernunft? Einen kleinen Jungen zu vergewaltigen? Ihn am Ende noch umzubringen? DAS nennst DU Vernunft?!“, ich stockte. Rame sah mich wütend an, antwortete jedoch nicht. „Ja, darauf weißt du auch nichts mehr! Toll! Du bis wirklich der Bringer, Rame! Vielleicht kapierst du endlich mal, dass wir nicht in einem billigen Film sind!“, ich packte ihn mit meiner freien Hand am Kragen und schüttelte ihn. „Das ist das wahre Leben und du willst wahrhaftig jemanden vergewaltigen! Werd dir darüber mal klar! Und jetzt hol warmes Wasser und Bandagen, bevor ich mich hier ganz vergesse!“, mein Griff löste sich wieder und ich schubste ihn grob nach hinten. Rame starrte mich kurz wütend an, doch er hatte offensichtlich keine Argumente, die meine widerlegen konnten. Vor sich hin meckernd ging er ins Bad. Ich öffnete das Fenster wieder und widmete mich meiner halbabgebrannten Zigarette. „Du verfluchter Wichser.“ Als Rame trotz Murren mit einer Schüssel Wasser und den verlangten Bandagen wieder aus dem Bad zurückkam, schnippte ich meine Kippe aus dem Fenster und schloss es. Ich bedankte mich nicht. Warum auch? Gerade wollte ich ihm die Schüssel aus der Hand nehmen, doch er wich mir aus. „Was?“, zischte ich ihn an. „Lass mich das doch machen! Dann kannst du nach Hause und Kraft tanken.“, sagte er wieder mit diesem netten Lächeln von nebenan. Der lernte es auch nie. Für wie bescheuert hielt er mich eigentlich? Ich konnte nicht anders und grinste ihn an. Er lächelte aus Reflex und in der Hoffung er hätte gewonnen zurück. „Klar. Friede, Freude, Eierkuchen, nicht?“ „Alles in Buddha, wie du immer sagst.“ Er glaubte doch nicht etwa wirklich, dass ich mich so leicht abschütteln ließ. „Dann kann ich ja auch gleich den Weihnachtsmann besuchen gehen. Vielleicht bekomme ich ja dieses Jahr mein Schaukelpferd!“ „Ach tu doch nicht so!“, sagte er in ernstem Tonfall. „Du bist doch sicherlich müde!“ Hallo?! Was sollte das denn? Dachte er, er könnte mich durch ein bisschen guten Willen und nettes Gelaber überzeugen, dass er ihm nichts tun würde. Mittlerweile traute ich ihm alles zu. Als ob ich dann einfach mal so gehen würde! Sicher! „Weißt du was Rame. Das ist wirklich dein erbärmlichster Versuch mich loszuwerden.“ Ohne zu zögern nahm ich ihm Die Schüssel aus der Hand und stellte sie auf den Nachttisch. „Du solltest wissen, dass man mich nicht so schnell loswird, wenn ich keine Lust habe.“ „Aber was willst du denn hier?“ Aber was willst du hier?! Was willst du hier?!?! Dich davon abhalten Ayano etwas anzutun, was denn sonst?! „Du hast doch noch nie hier übernachtet. Weil du, wie du selbst gesagt hast, nur in deinem eigenen Bett gut schlafen kannst.“ Sag mal bist du wirklich so naiv oder tust du nur so, du Penner?! Ich hielt mich zurück ihm irgendetwas dergleichen an den Kopf zu werfen und antwortete stattdessen mit genau der gleichen Blauäugigkeit. „Na dann wird’s mal Zeit, ne? Schließlich sind wir doch schon so lange befreundet.“ „Aber warum ausgerechnet heute?“ Treib es nicht auf die Spitze! Ich machte mich daran Ayanos Fesseln zu lösen, was sich als ziemlich schwierig herausstellte. „Ach, weil ich ausgerechnet heute voll Bock drauf hab woanders zu pennen und wenn ich schon mal hier bin…“ Wenn du auf dumm machst, kann ich das auch, Pisser! Endlich hatte ich die Hundehalsbänder gelöst und betrachtete sie einen Augenblick. So sahen sie noch viel fieser aus. Es war wirklich Wahnsinn was Menschen einander antun konnten. Rame grummelte nur wütend hinter mir. Ich lächelte in mich hinein. Schachmatt! Vorsichtig nahm ich Ayanos Hände und wusch sie mit dem Waschlappen, den Rame mitgebracht hatte, sorgfältig mit warmem Wasser ab. Er hatte sogar mitgedacht. Applaus. Erst jetzt sah man wie tief die Wunden tatsächlich waren. Seine Handgelenke waren – um es genau zu bezeichnen – ziemlich zerfetzt. Es war eigentlich ein Wunder, dass keine seiner Pulsadern verletzt worden waren. Ich nahm die Bandagen, die Rame achtlos aufs Bett geworfen hatte und verband damit seine Handgelenke. Da war der blöde Erste-Hilfe-Kurs ja doch zu was nütze. Danach tauchte ich den Waschlappen noch einmal in das warme Wasser, das schon einen Rottouch hatte und wrang ihn aus. Ich strich Ayano sachte mit der linken Hand die schweißnassen Haare aus dem Gesicht, was mehr Verletzungen offenbarte als ich erwartet hatte. „Oh man.“, seufzte ich. Aus dem Augenwinkel sah ich wie sich Rame, der sich wieder vor dem Fernseher platziert hatte, zu mir umdrehte, eine Weile zu mir sah und sich dann wieder uninteressiert dem TV zuwandte. Ich hielt Ayanos Haare weiter zurück und wusch ihm mit dem Lappen in der anderen Hand das Gesicht. Kaum war ich fertig warf ich den Waschlappen in die Schüssel und betrachtete ihn. Ohne Blut, Schmutz und Tränen war er noch schöner als ich dachte. Sein Gesicht war so feminin, dass ich plötzlich daran zweifelte ob er wirklich ein Mann war. Aber Rame hätte sich doch nie ein Mädchen bestellt oder? Nein. Er war stockschwul. Er hatte nie mit einem Mädchen geflirtet. Aber konnte ich mir da sicher sein? Was, wenn ich mich irrte? Vielleicht gehörte es ja zu seiner Maske, so zu tun als wäre er schwul. Vielleicht führte er ein Doppelleben. Aber was hätte er davon? Könnte man sich so verstellen? Er hatte ja Recht, ich hatte nie bei ihm übernachtet. Ich hatte keine Ahnung davon was er trieb wenn ich nicht dabei war. Da fiel mir ein, ich hatte noch nicht einmal wirklicj oft gesehen, dass er einen Mann geküsst hatte. Hatte er nur selten einen Mann vor meinen Augen geküsst, weil er wusste, dass ich es nicht sonderlich appetitlich finden würde? Obwohl ich mich nicht einmal darum geschert hatte, ob es ihn störte, wenn ich noch mitten in einem Club mit einem Mädchen rum machte. Vor seinen Augen. Empfanden es schwule Männer genauso abstoßend jemanden zu sehen, der mit einer Frau rum machte, wie hetero Männer es umgekehrt empfanden? Auf ein Mal keimte in mir der Drang auf mich zu überzeugen ob Ayano nun ein Junge war oder doch ein Mädchen. Ich zögerte nicht einen Moment lang und zog sein schwarzes T-Shirt hoch. Einen weiblichen Busen hatte er schon mal nicht. Dafür zogen sich über seinen schlanken, fast knochigen, Oberkörper scheinbar tausende blaue Flecke, Schürfwunden und anderweitige Quetschungen. Ich keuchte erschrocken auf und zuckte zurück, ließ sein T-Shirt jedoch nicht los. „Mannomann… wie viele solche lustigen Überraschungen warten denn noch auf mich?!“ , murmelte ich vor mich hin. Rame nahm keinerlei Notiz von mir. Ich musterte seine Verletzungen, in der Hoffnung nichts Schlimmeres zu entdecken. Die rechte Seite seines Brustkorbes war fast vollständig in Grün- und Blautönen angelaufen. Man hatte ihn ganz schön zusammengeschlagen. Ich hoffte, dass es nur eine schlimme Prellung war und keine seiner Rippen gebrochen war. Aber ich war kein Arzt, ich hatte keine Ahnung, woran man das erkannte. Diese Wunden mussten doch höllisch schmerzen und trotzdem hatte er sich nichts anmerken lassen, seit wir hier waren. Dieser Junge steckte wirklich voller Überraschungen. Doch selbst wenn ein paar seiner Rippen gebrochen waren, so schienen die Verletzungen nicht lebensgefährlich zu sein. Sein Atem war zwar flach, jedoch ruhig, gleichmäßig und klang völlig normal. Außerdem hätte er doch sicher Blut gespuckt. Ich versuchte mich an den Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern und war mir ziemlich sicher, dass es so war. Jetzt hatte ich wirklich keine Lust mehr den letzten Schritt zu gehen um herauszufinden, dass er ein Mann war. Es war doch sowieso egal. Mädchen oder Junge, ich musste ihm helfen. Irgendwie. Ich ließ das T-Shirt wieder sinken. Ich war müde. Müde von all den Dingen, die in so kurzer Zeit auf mich eingestürzt waren. Am liebsten hätte ich mich einfach schlafen gelegt, wäre am nächsten Morgen in meinem Bett aufgewacht und hätte gewusst, dass alles nur ein beschissener Traum war. Ich stand vom Bett auf, hob Ayano vorsichtig hoch um ihn in eine angenehmere Schlafposition zu bringen und deckte ihn mit Rames Bettdecke zu. Mit einem leichten Lächeln sah ich auf ihn hinab und strich dann ein paar der blauen Strähnen aus dem Gesicht. Oh man, du musst aufhören solche Gefühle in seiner Gegenwart zu haben. Du bist und bleibst Hetero. Basta! Abrupt wendete ich den Blick von ihm ab und sah zu Rame, der mich blöd anstarrte. „Na, über was hast du jetzt nachgedacht?“, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht. Ich warf ihm nur einen angewiderten Blick zu, doch er ließ sich nicht abschrecken. Er stand vom Sessel auf und kam zu mir. „Er ist verdammt süß, nicht wahr?“ Einen Moment lang, sah ich ihn nur kalt an. „Leck mich doch! Er ist einfach nur ein Opfer. Ob süß oder nicht spielt ja wohl die geringste Rolle!“, er lächelte weiter. „Es ist wirklich immer wieder faszinierend, wie sozial und mitfühlend du wirst, wenn man dich durchschaut, nur damit du das Gegenteil vortäuschen kannst.“ „Tja, darin bist ja wohl du der Meister von uns beiden!“ Er hatte mich wirklich durchschaut. Offensichtlich durchschaute er mich schon eine ganze Weile lang. Seltsamerweise fühlte ich mich plötzlich nackt. Konnte man mich so leicht durchschauen? Oder hatte nur er es erkannt, weil er dasselbe Spielchen in einer weiterentwickelten Form spielte? Wie gut wusste er über mich Bescheid? Noch immer grinste er mich an. „Du kannst mich mal!“, sagte ich und drängelte mich an ihm vorbei. Ich nahm mein Schnapsglas und warf mich auf den Sessel, der vor dem Fernsehgerät stand. Gleich neben mir, auf dem Tisch, stand die Schnapsflasche und ich schenkte mir sofort nacheinander zwei Drinks ein. Ich seufzte, legte den Kopf auf die Sessellehne und rieb mir die Schläfen. Leise vernahm ich Rames Kichern. „Was?“, knurrte ich ohne meine Position zu ändern. „Du bis echt wie ein offenes Buch. Ich kann alle deine Reaktionen erahnen.“ „Aha…“ „Ach Jui, du bist echt ein hoffnungsloser Fall.“ „Nerv mich nicht! Rück raus mit der Sprache.“ Wieder kicherte er. „Anscheinend kann auch ich dir in manchen Sachen nichts vormachen.“ Langsam ließ ich meine Hände sinken und setze mich wieder ordentlich in den Sessel. Ich füllte mein Glas ein weiteres Mal und trank es aus. Dann sah ich Rame an. „Was zur Hölle laberst du hier?“ „Ich mach dir einen Vorschlag.“ „Toll.“ „Du willst dem Jungen doch helfen? Egal wie, oder?“ Was wollte er?! Er ging mir penetrant auf den Sack. „Und weiter?“ Rame kam zu mir und hockte sich neben den Sessel. Er sah mit einem ernsten Ausdruck zu mir hinauf. „Du kannst ihm helfen.“ „Super.“, er überzeugte mich keineswegs. Was hatte er sich jetzt wieder ausgedacht?! „Ich lasse ihn frei, wenn… wenn du mit mir schläfst!“ Kapitel 4: Der Anfang vom Ende? [edited] ---------------------------------------- soo~ nach ner ganzen Weile mal ein update meiner Fanfic... hatte das Kapi schon ne ganze Weile unbearbeitet bei mir rumliegen, hatte aber leider vorher nie Zeit es mal auszuarbeiten etc. Ich hoffe es bleibt trotzdem spannend ^^ Ich hoffe ich hab beim betalesen keine Rechschreibfehler etc. übersehen, wenn doch verzeiht es mir ^^°° Musik: Vidoll, Mucc, D'espairsRay und ein bißchen Punk so zwischendrin XD 4. Kapitel - Der Anfang vom Ende? „Ich lasse ihn frei, wenn… wenn du mit mir schläfst!“ Die Worte hallten in meinem Kopf wieder und ich verstand zuerst gar nicht was er gesagt hatte. Welches Angebot er gemacht hatte. Welches widerliche Angebot… Ich brauchte eine ganze Weile bis ich es endlich realisierte. Bis ich verstand was Rame eben geäußert hatte. Doch kaum war der Knoten in meinem Kopf geplatzt und der Inhalt seiner Worte begriffen, schien alles um mich herum plötzlich auseinander zu fallen. Das war doch nicht sein Ernst! Bitte! Gott, mach dass er das nicht Ernst meinte… Ich konnte nicht denken, egal wie sehr ich es versuchte ich konnte es nicht. Genauso wenig konnte ich mich entscheiden ob ich es tun sollte oder nicht. Ich sah ihn an, nein, ich sah durch ihn hindurch. Als wäre er ein Geist, als wäre er nicht real. Wie sehr ich mir wünschte er wäre nicht real, nicht echt. Nicht hier. Weg, einfach nur weg. Plötzlich schrie Rame auf. Durch seinen Aufschrei kehrte ich zurück in die Realität. Jetzt war er kein Geist mehr. Ich war aus der Zone zurück – wie ich es immer nannte, wenn ich einfach mit meinen Gedanken abdriftete und nichts mehr um mich herum wahrnahm. Auch mein ausgestreckter Arm mit der zur Faust geballten Hand war echt. Mein rasendes Herz ebenso. Meine Brust schmerzte, als wollte sie zerbersten. Mein Hals war wie zugeschnürt… ja, auch wenn ich es nicht gern zugebe, doch ich war den Tränen nahe. Ich! Der, der niemals Gefühle zeigte. Zumindest nie öffentlich. Warum tat Rame das? Warum fügte er mir solche seelischen Schmerzen zu? Was zur Hölle hatte ich ihm getan?! Ich sah in sein Gesicht. Eine kleine Blutspur zog sich von seiner Nase bis zum Kinn. Deswegen hatte er also aufgeschrieen. Ich hatte ihn geschlagen. Wahrhaftig! Ich hatte es wirklich getan. Das hast du dir verdient, Arschloch! Eigentlich noch viel mehr. Noch nie hatte ich so ein Gefühl, wenn ich jemanden schlug. Noch nie hatte ich eine solche Verzweiflung in mir gespürt. Rame wischte sich kurz übers Gesicht und sah mich dann mit einem undefinierbaren Blick an. Er kam auf mich zu und schlug mir ohne jegliche Vorwarnung ebenfalls ins Gesicht. Ich hätte es voraussehen können. Doch er erwischte mich völlig ohne Gegenwehr, so wie ich ihn wohl auch erwischt hatte. Ich fühlte wie langsam eine warme Flüssigkeit an meinem Mundwinkel herunter lief. Jedoch keinerlei Schmerz. So als würde der seelische Schmerz den körperlichen überdecken. Ich hätte vorher nie geglaubt, dass man so empfinden kann. Es kümmerte mich auch nicht weiter, dass er mich geschlagen hatte. Es kümmerte mich nicht einmal, dass er mir ins Gesicht geschlagen hatte. Da wo es jeder sehen konnte. Daraufhin breitete sich ein Grinsen auf Rames Gesicht aus. „Hast du dich jetzt wieder eingekriegt?“, fragte er. Ich starrte ihn einfach nur regungslos an. „Falls ja, dann denk über meinen Vorschlag nach!“, mit einem selbstsicheren Lächeln fügte er außerdem hinzu: „Denn das ist deine einzige Chance!“ Dann drehte er sich um und ging in die Küche. Benommen sah ich ihm hinterher. Ich fühlte mich als stünde ich als dritte Person neben mir selbst und sähe mich an. Wie ich da saß, ohne Reaktionen, ohne Empfindungen. Denn alles war leer. Es existierte nur dieses Zimmer, der Sessel auf dem ich saß und das Bett auf dem Ayano lag. Ja, ich könnte es mit einem schlechten Traum vergleichen. Oder dem Tod. Als würde meine Seele auf meinen toten Körper hinabblicken. War ich tot? War ich in der Hölle? War das die Bestrafung für mein egoistisches Leben? Eine Weile lang starrte ich einfach auf die Tür aus der Rame eben verschwunden war. Solange bis sie vor meinen Augen verschwamm und ich kaum noch ihre Umrisse erkennen konnte. Was wäre wenn ich sie einfach zunageln würde? So dass er nie mehr zurückkommen könnte? Kurzerhand stand ich auf. Jedoch nicht um die Tür zuzunageln. Ich wusste ja nicht einmal wo ich das Werkzeug dazu finden würde. Stattdessen öffnete ich erneut das Fenster und sah auf die Straße hinaus. Das Wetter passte wirklich zu gut zu meiner Stimmung. Der Wind war noch stärker geworden und auch der Regen hatte wieder zugenommen. Der Mond erleuchtete trotzdem unablässig die Dunkelheit. Und er schien mich fies anzugrinsen. Als wollte er sagen: egal für was du dich entscheidest, du wirst mit der Entscheidung nicht glücklich! Du hast verloren, egal welchen Weg du gehst! Seufzend lehnte ich mich mit den Ellenbogen auf das Fensterbrett und stützte meinen Kopf in meine Hände. Der Wind schüttelte die Bäume wild hin und her. Sie kämpften verzweifelt gegen ihn an und krallten sich mit ihren Wurzeln in den Boden, in der Hoffnung ihm widerstehen zu können. Doch ein paar von ihnen hatten den Kampf schon hinter sich und waren umgeknickt. Würde ich genauso enden wie sie? Würde ich auch zerbrechen? Unbewusst vernahm ich das Geräusch als Rame zurück ins Zimmer kam. Er gesellte sich neben mich und sah ebenfalls auf die Straße. „Und? Hast du dich entschieden?“ Er wartete nicht einmal eine Reaktion von mir ab, als wüsste er dass ich ihm nicht antworten würde. „Weißt du wie lange ich mich schon danach sehne dich in meinen Armen zu halten?“, eine kleine Pause folgte, als würde er nachdenken. „Die ganze Zeit habe ich darum gekämpft deine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch nie hast mich auch nur ein kleines bisschen verlangend angesehen. Ich wollte nur diesen Blick. Den Blick wie du die Mädchen immer ansiehst. Und dann kommt so ein kleiner dahergelaufener Stricher und du bist plötzlich Feuer und Flamme!“, seine Stimme war von Bitternis getränkt und ich wollte gerade protestieren, dass das nicht wahr sei. Doch er sprach unbeirrt weiter. „Und mich weist du zurück. Ich kann dir alles geben was du brauchst. Glaub mir. Alles. Egal welche Wünsche du hast. Egal was du von mir verlangst. Ich würde es für dich tun. Du bist alles was ich will, nur du! Aber ich bin wohl nicht genug für dich.“ Er strich mir als Untermalung seiner Worte über die Wange. „Bin ich nicht gut genug für dich?“ Als wäre ich plötzlich wieder zum Leben erwacht, schlug ich seine Hand weg. So als hätte sie mir eben die Haut verätzt. Aus Reflex wich ich zurück und stieß dabei gegen den kleinen Tisch, der nur ein paar Schritte hinter mir stand. Unsere Gläser fielen um und rollten herunter. Auch die Schnapsflasche kippte bei der Kollision um und zersprang, wie kurz vor ihr die Gläser, mit einem Klirren auf dem Boden. Das Klirren dröhnte in meinem Kopf. Da mich plötzlich Panik überfiel, drückte ich Rame unsanft beiseite und stürmte regelrecht an ihm vorbei. Ich musste hier raus! Dringend. Sonst würde ich wohlmöglich wahnsinnig werden. Ich hatte das Gefühl das ganze Haus würde über mir einstürzen, um mich gnadenlos unter sich zu begraben. Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Ich musste etwas tun. Eine Entscheidung treffen. Ja, ich musste fliehen! Mit Ayano. Denn egal wie schwach ich mich just in diesem Moment fühlte. Ich konnte ihn hier nicht völlig wehrlos zurücklassen. Rame würde ihm sicherlich schon rein aus Rache etwas antun. Aus Rache, dass ich Ayano anziehender fand als ihn selbst. Vielleicht auch nur um mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Ohne weitere Überlegungen ging ich zum Bett und hob ihn sachte mitsamt der Decke hoch. Ich achtete nicht auf Rame, stattdessen bahnte ich mir zielsicher den Weg zur Wohnungstür, hinter der die Freiheit liegen würde. Ich fühlte mich wahrhaftig wie in einem Film. Nein, ich hatte keinerlei das Gefühl ich selbst zu sein. Oder überhaupt klar zu denken. Ich reagierte rein mechanisch. Außer dem unersättlichen Drang endlich hier raus zu müssen, verspürte ich keine Gefühle, keinen Schmerz. Es schmerzte mich nicht einmal mehr, dass ich einen sehr guten Freund verloren hatte. Rame war für mich nur noch ein kaltherziges Monster. Ich hatte nicht ein Fünkchen Wärme mehr für ihn übrig. Er konnte jetzt auf der Stelle sterben. Ich würde nicht eine Träne für ihn vergießen. Ganz im Gegenteil. Ich wäre glücklich. Erleichtert. Frei. Natürlich ließ er mich nicht einfach so mit Ayano abhauen. Wie aus dem Nichts stand er plötzlich vor mir und blockierte die Tür. Ich hatte ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer wie er plötzlich dahin gekommen war. „Was soll das werden?!“, keifte er mich an. „Lass mich durch!“, ich versuchte mich an ihm vorbei zu drängen, doch er wich nicht zurück. Ein schäbiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich werde weder dich noch Ayano gehen lassen! Du machst es dir verdammt einfach. Aber so leicht wie du es dir vorstellst ist es nicht.“ „Ich hab gesagt lass mich vorbei!“, meine Panik verstärkte sich. Alles in mir schrie. Ich fühlte mich wie ein Tiger im Käfig. Eingesperrt. Eingeengt. Die Wände kamen immer näher. Panisch. Verängstigt. Mein Herz raste und ich konnte den Puls nicht nur in meinem Kopf spüren. Ich hörte ihn auch. Ich hörte das Rauschen. Mit mehr Schwung versuchte ich ihn einfach zur Seite zu drängen, doch er hielt dem Versuch ein weiteres Mal stand. Er war um einiges kräftiger als ich es vermutet hatte. Er wirkte sonst immer so schwach und hilflos. Dass er das nicht war wusste ich zwar nicht erst seit jetzt, doch dass es ihm so leicht fiel sich mir entgegen zu stellen und dagegen zu halten, überraschte mich. Aber wieso musste er ausgerechnet jetzt, wo ich so schwach war, so stark sein? Sowohl körperlich als auch mental. Er griff mich an den Schultern und schüttelte mich leicht, als wollte er mich zur Vernunft bringen. Seine Nase hatte wieder begonnen leicht zu bluten. Er musste wohl genauso aufgebracht sein wie ich. „Jui! Komm wieder zu dir! Was ist nur mit dir los?“ Was ist mir los?! Das weißt du ganz genau! Die Frage ist, was ist mit dir los? Ich starrte ihm in die Augen. Versuchte ihm all den Hass entgegen zu schleudern, den ich aufbringen konnte. Doch er ließ sich nicht irritieren, nicht einschüchtern. „Jetzt beruhig dich mal! So kannst du nicht auf die Straße gehen. Die Polizei würde dich sofort verhaften, wenn du mit einem übel zugerichteten Jungen auf den Armen durch die Stadt läufst!“ Sorgte er sich plötzlich um mich? Oder war das nur wieder einer seiner Tricks? Ich wollte weg, doch er hatte Recht. Er hatte verdammt noch mal irgendwo Recht. „Du glaubst doch nicht dass du damit durchkommen würdest. Du weißt was die japanische Polizei von solchen Leuten hält.“, sein Blick durchbohrte mich förmlich. „Und glaub mir ich würde schon dafür sorgen, dass sie dich erwischen!“ Ein eiskaltes Lächeln begleitete nun seinen Blick. Es war ein Trick! Und ich konnte nichts dagegen tun. „Das meinst du doch nicht ernst?!“, versuchte ich so aggressiv wie möglich zu fragen, doch in meiner Stimme schwang eindeutig Verzweiflung mit, die ich nicht unterdrücken konnte. „Doch! Darauf kannst du wetten!“ Ich sackte innerlich zusammen. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich es wagen und trotzdem mit Ayano fliehen? Ich saß in der Falle. Und ich war dumm genug gewesen direkt hinein zu tappen. Wie konnte ich nur die ganze Zeit so blind sein. Wie konnte mir sein wahres Gesicht verborgen bleiben?! „Ich könnte genauso wie du die Polizei rufen!“ „Da hast du Recht. Aber wem würden sie mehr glauben? Dir…“, er verstellte seine Stimme ein paar Oktaven nach oben „…oder mir, einem unglücklichen Jungen, der sich wünscht ein Mädchen zu sein? Und dessen Freund ausgerastet ist, als er ihn und seinen kleinen Kumpel im Bett erwischt hat.“ Tränen füllten Rames Augen. Gefakte Tränen. Auf Kommando. „Ich konnte nichts tun. Er hat ihn einfach wie ein Wahnsinniger zusammengeschlagen. Aber er ist schon oft ausfällig geworden. Er ist immer so eifersüchtig. Er war vollkommen außer sich. Selbst mich hat er geschlagen.“, er deutete auf die Wunde. „Wenn ich mich nicht mit einem Messer gewehrt hätte, hätte er mich wahrscheinlich genauso verprügelt wie Ayano. Dann ist er weg gerannt. Er wollte sich garantiert an mir rächen, indem er die Polizei gerufen hat, nur um mir Schwierigkeiten zu machen!“ Die unechten Tränen verschwanden genauso schnell wieder wie sie erschienen waren und ein zufriedenes Lächeln zierte ihn. Seine Show ließ mir das Blut in den Adern gefrieren und Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Er jagte mir mehr und mehr Angst ein. Ich versuchte etwas zu sagen, doch es kam nichts über meine Lippen. „Siehst du? So funktioniert das nicht. Du kannst tun was du willst um mit dem Jungen aus meiner Wohnung zu kommen. Du wirst in jedem Fall der Verlierer sein. Und wenn ich dich nicht haben kann wird dich keiner bekommen! Und erst Recht nicht das kleine Biest auf deinem Arm!... Aber ich hatte dir ja ein Angebot gemacht, überleg es dir noch einmal.“ Er nahm mir Ayano ohne jegliche Reaktion von mir aus den Armen und legte ihn wieder aufs Bett. Wo sollte das enden? Sollte ich nicht doch einfach fliehen? Ohne Ayano. Ich kannte ihn ja noch nicht einmal. Unsicher griff meine Hand nach der Klinke der Wohnungstür. Ich zögerte. Langsam und mit zitternder Hand drückte ich die Türklinke nach unten und die Tür öffnete sich mit einem leisen Quietschen einen kleinen Spalt. Rame war noch immer mit Ayano beschäftigt. Es spielte sich ja auch alles in ein paar Sekunden ab, auch wenn es mir vorkam wie Stunden. Stunden, in denen ich zögerte mich endlich zu entscheiden. Nun geh schon. Was hält sich hier? Dein schlechtes Gewissen? Warum hast du überhaupt ein schlechtes Gewissen? Du hast die Scheiße nicht verzapft. Du hast nichts mit dem Jungen zu tun. Du kennst ihn nicht! Geh!! Ich gab der Tür einen Stoß, so dass sie aufschwang. Als ich den Hausflur sah rannte ich einfach los. Raus aus der Wohnung. Raus aus dem Haus. Ich rannte – egal wohin. Weg. Soweit es ging. So weit ich konnte. Kapitel 5: Ein neuer Anfang? [edited] ------------------------------------- Soo~ Da bin ich wieder ^^° Das Kapitel kommt fast ohne Dialog aus, ich hoffe dass es trotzdem rein von den Gefühlen und dem allgemeinen Innenleben Juis nicht langweilig wird und nachvollziehbar ist >.< Kommis und Kritik wie immer erwünscht ^^ 5. Kapitel - Ein neuer Anfang? Ich rannte – egal wohin. Weg. Soweit es ging. So weit ich konnte. Die Nacht war noch feucht und eiskalter Wind blies mir ins Gesicht. Es kümmerte mich nicht. Nichts kümmerte mich. Für mich gab es nur Eines in diesem Moment. Flucht. Ich rannte über einen Spielplatz, welcher in dieser Nacht extrem unheimlich wirkte. Doch gerade weil ich mich beeilte von hier wegzukommen, achtete ich nicht auf den Boden. So stürzte ich im nassen Sand über meine eigenen Füße und fiel keuchend auf die Knie. Es dauerte eine Weile bis sich mein Herzschlag und meine Atmung wieder normalisiert hatten. Verzweifelt krallte ich meine Hände in den Sand und fühlte plötzlich, dass der Wind an einigen Stellen meines Gesichtes noch eisiger zu sein schien. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen. So kniete ich weiterhin an derselben Stelle, auf allen Vieren. Verängstigt. Gebrochen. Ein Tropfen fiel glitzernd im Mondlicht zu Boden. Regnete es wieder? Noch ein Tropfen. Noch ein Tropfen, in dem sich das Mondlicht unheimlich und schön zugleich widerspiegelte. Nein. Es regnete nicht. Ich wusste, dass es nicht regnete. Selbst jetzt, wo ich das Gefühl hatte mein Körper wäre vollkommen taub. Als noch ein weiterer Tropfen herabfiel, fing ich ihn mit einer Hand auf. Zwischen den Sandkörnern auf meiner Haut konnte ich ihn sehen. Unschuldig. Rein. Und doch so schmerzerfüllt. Genau wie Ayano. Ich starrte den kleinen feuchten Fleck in meiner Handfläche an. Fast hätte ich behauptet man könnte endlos weit in ihn hineinsehen. Ja sogar das Leid und die Geschehnisse darin erkennen, die ihn verursacht hatten. Konnten andere Menschen so etwas in einer Träne sehen? Konnte man, wenn man es wollte, all das Leid sehen, dass sich hinter einer so kleinen Träne verbarg?! Erst in jenem Augenblick wurde mir wirklich bewusst, was vor sich ging. „Ich weine…“, flüsterte ich mit gebrochener Stimme in die Nacht. „…ich weine wirklich…“ Warum war ich so erstaunt darüber? Ich war doch auch nur ein ganz normaler Mensch. Ich verhielt mich als wäre es etwas Unnormales. Leise und zynisch lachte ich auf. Ja, Jui, Gefühle kann man halt nicht für alle Ewigkeit in sich einsperren! Das hätte dir klar sein müssen. Es war doch logisch, dass sie eines Tages wieder herausbrechen, egal mit wie vielen Schlössern du versuchst sie in dir einzuschließen. Deine Vergangenheit wird dich immer wieder einholen. Du kannst einfach nicht vor ihr weglaufen und du kannst sie auch nicht unvergessen machen. Genau wie deine wahren Gefühle. Du hast doch nicht etwa geglaubt, dass du wirklich so gefühlskalt bist, wie du immer vorgibst?! Du hast dich mit deiner eigenen Lüge getäuscht. Zögernd stand ich auf. Klopfte den Sand von meinen Händen und meiner Jeans. Langsam ging ich zu der Schaukel die nur ein paar Meter von mir entfernt war und setzte mich darauf. Früher als Kind war alles so viel einfacher gewesen. Ich wünschte mir ich könnte einfach wieder ein Kind sein, wo es das schlimmste auf der Welt war, das neue Spielzeug, dass man sich wünschte, nicht zu bekommen. Oder sich die Knie beim herumtollen aufzuschlagen. Ich seufzte. Wäre es doch heute genauso leicht wie damals. Innerhalb von wenigen Minuten war das schrecklichste Drama überstanden und man konnte wieder unbeschwert lachen. Wie gerne würde ich alles vergessen oder einfach darüber lachen können. Wie lange hatte ich schon nicht mehr von Herzen gelacht? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Mein Leben kam mir plötzlich so armselig vor. Wieso gab ich immer vor jemand zu sein, der ich gar nicht wirklich war? Warum konnte ich nicht einfach ich selbst sein? Zu meinen Gefühlen stehen? Auch einmal verletzlich sein… Verletzlich sein… Ich schnaubte. Genau das bist du doch jetzt. Verletzlich wie ein kleines Kind. Wenigstens das hast du dir aus deiner Jugend bewahrt! Zielsicher zog ich meine Zigaretten aus meiner Hosentasche und zündete eine von ihnen an. Die kleinen Rauchwolken stiegen gen Himmel, wenn ich ausatmete. Mein Blick folgte ihnen und blieb irgendwann am Mond hängen. Der mich noch immer fies anzugrinsen schien. Mich immer noch mein Mitleid erregendes Selbst auszulachen schien. Von hier sah er genauso aus wie von Rames Zimmer. Was Rame jetzt wohl mit Ayano machte? Hör endlich auf über ihn nachzudenken! Du weißt doch, dass es viel einfacher wird, wenn du es verdrängst. Es hat doch immer geholfen. Verdrängen. Du hast schließlich dein halbes Leben verdrängt… Ich wandte meinen Blick abrupt vom Mond ab und sah auf meine Knie. Meine Hosen waren immer noch verdreckt und nass vom Sand waren sie außerdem. Rhythmisch zitterten meine Beine. Immer wieder derselbe Takt. Wie Musik. Musik. Meine Liebe zur Musik war es gewesen, die mein Leben zerstört hatte. Sie war es gewesen, die mich zu dem gemacht hatte, was ich heute war. Ein gefühlsloser arroganter Mensch. Wäre ich nur nie zu diesem Gesangslehrer gegangen… Die eigentliche Kälte, die mich zum zittern brachte, spürte ich nur wenig, obwohl ich wusste, dass ich eigentlich frieren müsste wie ein nasser Hund, wenn man die Reaktion meines Körpers bedachte. Ich sah von meinen Knien auf. In den umstehenden Häusern brannte nur in vereinzelten Fenstern Licht. Wie spät war es überhaupt? Aus meiner Hosentasche zog ich mein Handy hervor und sah auf die Uhr. 3:44. Die meisten Leute würden wohl schon schlafen oder noch draußen herumziehen und Party machen. Wehmütig dachte ich an die alten Zeiten, die wenn man es genau betrachtete nur ein paar Stunden zurück lagen. Die vielen Partys auf denen ich gewesen war. Das spielerische Flirten mit diversen Mädchen. Würde ich das jetzt ebenso empfinden können wie noch vor kurzer Zeit? Jetzt wo es so schien, als hätte mich meine Vergangenheit wieder eingeholt? Der Verrat geliebter Menschen. Plötzlich fiel mir eine Party wieder ein, auf der Rame und ich erst vor ungefähr einem Monat waren. Oberflächlich gesehen war sie eigentlich wie alle anderen gewesen. Ich verbrachte den Abend damit Mädchen schöne Augen zu machen und Rame saß quietschvergnügt neben mir und turtelte mit ein paar Männern herum. Wie immer. Doch wenn ich jetzt an den Abend dachte, erinnerte ich mich daran, dass sich unsere Blicke – so wie ich annahm durch Zufall – des Öfteren trafen. Ja, sogar, wenn er gerade jemanden küsste, sah er mich an. Ich hatte mich nicht selten beobachtet gefühlt und dann zu ihm geschaut, darum war es mir überhaupt aufgefallen. Hatte er etwa auf irgendeine Reaktion von mir gehofft? Ein Lächeln? Oder sogar Eifersucht? Es überraschte mich selbst, dass ich mir erst jetzt Gedanken darüber machte. Dass ich mir erst jetzt seiner auffallend vielen Blicke Gewahr wurde. Dass ich erst jetzt bemerkte wie oft er mich schon gedankenverloren angestarrt hatte. Trotz dessen war das nicht der Fakt warum mir ausgerechnet diese Party wieder eingefallen war und warum ich mich plötzlich so intensiv wieder an sie erinnerte. Der Grund war ein Gespräch. Vielleicht könnte man es auch einen kleinen Streit nennen. Denn auf dieser Party hatten wir über das Geschlecht einer anwesenden Person diskutiert, für die wir uns beide interessierten. Rame war sich sicher, dass es ein Junge war, während ich felsenfest davon überzeugt war, dass es sich lediglich um ein Mädchen mit sehr wenig Busen handelte. Sie war blond und ihre Kleidung war nicht eindeutig genug um sie sicher einem Geschlecht zuordnen zu können. Ich konnte mich noch an ihr Gesicht erinnern und es sah Ayano verdammt ähnlich. Zu ähnlich, wenn ich jetzt genauer darüber nachdachte. Das Gefühl, dass es damals wirklich Ayano war, konnte ich nicht mehr abschütteln. Im Geiste sah ich Ayanos gerötete und verzweifelte Augen wieder vor mir. Den Satz: „Es macht mir nichts aus zu sterben. Das macht vieles einfacher.“ in schwer leserlicher Schrift auf dem Papier. Wie passte das zusammen? Wie konnte man sich einerseits den Tod herbeisehnen und trotzdem aus Angst vor dem Tod so am Boden zerstört sein? Was hatte er erlebt? Warum war er innerlich so zerrissen? Und wieso war ich verdammt noch mal so feige und rannte davon? Weshalb konnte ich nicht so stark sein wie er? Weil es die Sache unglaublich einfach macht, gab ich mir selbst die Antwort. Diese Selbsterkenntnis stellte mich keinerlei zufrieden. Gut, ich war also der schweren Entscheidung entronnen, ob ich mit Rame schlafen sollte oder nicht. Und doch hatte ich mich eben nicht entschieden. Selbst das Davonrennen war keine Entscheidung. Nein, ich hatte nicht bewusst die Entscheidung getroffen Ayano seinem Schicksal zu überlassen. Nicht deswegen war ich gegangen. Ich war einfach nur geflohen. Nicht mehr und nicht weniger. Geflohen aus der Enge. Geflohen vor Rame, der Verzweiflung und meiner Angst. Dieselbe Angst, die ich vor einigen Jahren – fast 8 waren es mittlerweile – schon einmal gespürt hatte. Dieselbe Angst, die alle Erinnerungen wieder in mir erwachen ließ. Ich brauchte Ablenkung. Dringend. Nach Hause konnte ich jetzt nicht gehen. Meine Seele war viel zu aufgewühlt um jetzt zu schlafen oder zu vergessen. In hohem Bogen schnippte ich meine Kippe weg und fuhr daraufhin mit dem Schal über mein Gesicht um mögliche Spuren meiner Tränen zu verwischen. Selbst jetzt, wo ich eigentlich ein offenes Buch war, konnte ich mir nicht die Blöße geben, dass jemand sah wie sehr ich litt. Noch einmal klopfte ich meine Hosen, ganz besonders die Knie, ab, in der Hoffnung den gröbsten Dreck herunter zu bekommen, was mir mehr oder minder gut gelang. Tief durchatmend sog ich die kalte Luft in meine Lunge, um meinen Körper wieder etwas mit Leben zu füllen. Daraufhin lief ich ziellos herum, bis mir der Gedanke kam in der Nähe eine Bar oder ähnliches aufzusuchen. Als ich auf eine größere Straße kam, bemerkte ich, dass ich gar nicht so weit gelaufen war wie ich angenommen hatte. Dieser Teil der Stadt kam mir zwar nicht bekannt vor, aber da ich mich, wie ich an einem Schild erkannte, auf der Meiji-dori, einer der Hauptstraßen in Shinjuku, befand, konnte ich höchstens fünfzehn Minuten in normalem Laufschritt hinter mich gebracht haben. Der Vorteil war, dass die Straße, in der ich wohnte, von dieser abzweigte. So brauchte ich, wenn ich wieder nach Hause wollte dieser hier nur folgen. Was natürlich sehr hilfreich war, wenn ich – wie geplant – betrunken wieder aus der Bar heraustaumeln würde. Es verwunderte mich selbst, wie wenig ich außer der näheren Umgebung meiner Wohnung und der Innenstadt von Shinjuku kannte. Wahrscheinlich lag das daran, dass ich hier nicht viel zu tun hatte, weil ich immer direkt in die Innenstadt von Tokyo musste um zur Uni zu kommen und dort oder in Shibuya meine Abende verbrachte. Doch, dass war jetzt nicht wichtig, ich konnte die Gegend ja noch einmal besuchen und sie kennen lernen, wenn ich das Bedürfnis danach verspürte. Im Moment wollte ich nur eins: endlich eine Bar finden, um meinen Kummer und meine Selbstzweifel in Alkohol zu ertränken. Obwohl mir klar war, dass mir das nicht wirklich weiter helfen konnte, denn es würde nichts an den Geschehnissen ändern, führten mich meine Füße zielstrebig zum nächst besten Club. Ich zögerte kurz. War es wirklich gut, Ayano im Stich zu lassen und mich, statt ihm zu helfen, zu betrinken? Nein, war es nicht, aber ich brauche das jetzt. Ich will nicht daran denken. Ich will weder an Ayano, Rame noch meine Vergangenheit denken. Ich will einfach nur vergessen. Somit öffnete ich die Tür des Clubs und wurde von allen Angestellten mit einem „Irrashaimase“ bombardiert, worauf die Frage folgte ob ich allein war, was ich bejahte. Die Bedienung brachte mich zu einem freien Platz und nahm meine erste Bestellung entgegen. Ein doppelter Tequila. Die Bedienung sah mich etwas entgeistert von der Seite an, aber ein fordernder Blick von mir genügte um sie schließlich mit meiner Bestellung zum Barkeeper eilen zu sehen. Sollten sie doch denken was sie wollten. Dann fang ich eben gleich mit hartem Alkohol an. Lasst mich doch! Viel war um diese Zeit nicht mehr los. Nur ein paar betrunkene Pärchen oder ebenso betrunkene Cliquen saßen hier und da verstreut herum. Da hatte ich mir wohl gleich die richtige Bar für meine Stimmung ausgesucht. Es dauerte nicht lange und die Bedienung kehrte mit dem Tequila zurück und stellte ihn mit einem „Shitsurei shimasu“ auf meinen Tisch. Vorsichtig beäugte ich den Drink. Ich hatte vorher noch nie Tequila in meinem Leben getrunken, ich wusste nur eins, dass er sehr stark war. Zögerlich nippte ich daran um festzustellen, dass das Zeug nicht schmeckte. Trotz alledem schüttete ich es schließlich in mich hinein. Nach dem mein Körper mir den Geschmack mit einem heftigen Schütteln gedankt hatte, bestellte ich mir dann aber doch lieber eine Wodka Cola. Das konnte man wenigstens trinken. Der Tequila schmeckte zwar scheußlich, hatte aber genau den erwünschten Effekt. Alles was ich wollte war abschalten. Vergessen. Am liebsten für immer. Zum Glück breitete sich der Alkohol langsam wie ein Schleier in meinem Kopf aus. Doch vergessen konnte ich trotzdem noch nicht. Die ganze Zeit sah ich Ayano vor mir. Würde Rame warten bis Ayano wieder wach war und ihn dann quälen? Würde er über ihn herfallen und vergewaltigen? Egal ob bei Bewusstsein oder nicht? Oder wollte er eigentlich überhaupt nichts von Ayano und ‚beseitigt’ ihn einfach, weil er ihn nicht mehr braucht? War Ayano einfach nur ein Mittel für Rame gewesen, um mich rumzukriegen? Wenn ja, dann hatte er wirklich völlig entrückte Vorstellungen davon, wie man ein Herz für sich gewinnt. Ich war mir nicht mehr sicher, ob Rame es wirklich auf Ayano abgesehen hatte. Langsam zweifelte ich daran. Immer wieder stellte sich mir die Frage ob es wirklich Ayano war, über den wir bei der Party gesprochen hatten. Wenn er es wirklich gewesen war, dann konnte das alles doch kein Zufall mehr sein. So wie er zugerichtet wurde, konnte er doch nun wirklich kein Stricher sein. Kein Zuhälter würde eins seiner Schäfchen so zurichten, selbst wenn sie nicht das machten was sie sollten. So würde er ja für eine ganze Weile ausfallen und kein Geld für sein Herrchen verdienen. Bei diesem Gedanken schüttelte es mich. Wie konnte man Menschen nur so für seine Zwecke missbrauchen? Mittlerweile trank ich meinen zweiten Whiskey nachdem ich nach zwei Wodka Cola meine Meinung wieder geändert hatte und umgestiegen war. Der Alkohol hatte seine Wirkung in keinster Weise verfehlt. Ich hatte stark zu kämpfen auf dem kleinen Stuhl im Gleichgewicht zu bleiben. Am liebsten hätte ich mich einfach in irgendeine Ecke gelegt und geschlafen. Und schlecht war mir nun auch. Scheiß Alkohol. Ich kippte den letzten Whiskey hinter und wankte nach vorn zum Tresen um dem Barkeeper zu sagen – na ja vielleicht war es auch eher ein lallen, ich weiß es nicht –, dass ich zahlen wollte. Mehr würde ich heute nicht mehr hinter bekommen, außerdem musste ich auch noch irgendwie nach Hause kommen. Es gehörte nicht gerade zu einem meiner Lebensziele, in irgendeiner verdreckten Müllecke aufzuwachen. Ohne nachzudenken wollte ich nach meiner Tasche greifen, doch meine Hand landete im Nichts. Wo war meine Tasche? Ich suchte alles in meiner Umgebung ab. Auch an meinem Tisch durchsuchte ich alle Ecken. Nichts. Wann hatte ich sie zum letzten Mal gesehen? Bei Rame! Schoss es mir wie ein Blitzschlag durch den Kopf. Mit einem Mal überkam mich die Übelkeit. Ich stolperte zum Tresen um mich kurz zu entschuldigen und stürzte nach draußen. An einen Sakurabaum, gleich vor der Bar, gestützt übergab ich mich dreimal. Ich hatte sie offensichtlich bei Rame vergessen. Das hieß ich musste zurück zu seiner Wohnung gehen, um sie zu holen. Ich musste Rame erneut ins Gesicht schauen… Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Bevor ich mich umdrehte zog ich ein Taschentuch aus meiner Hosentasche, um mir den Mund und das Gesicht abzuwischen. Ja, egal in welcher Situation, ich war eitel. Ich konnte mir vor niemandem die Blöße geben. Ich musste immer so perfekt wie möglich aussehen. Als ich mich wieder gerichtet hatte, drehte ich mich schließlich um und sah einem Bär von Typ ins Gesicht, der mich wütend anstarrend vor mir stand. „Kannst du nicht aufpassen wo du hinrennst, du kleine Schwuchtel?!“ Hatte ich ihn angerempelt als ich raus gerannt war? Ich hatte keine Ahnung. „Erstmal wieder fein machen… Ts! Mach’s Maul auf! Hältst dich wohl für was besseres, hä?!“ Da ich absolut keine Lust auf sinnlose Streitgespräche hatte, entschuldigte ich mich einfach kurz und bündig. Doch der Typ schien damit ganz und gar nicht zufrieden zu sein. Denn als ich an ihm vorbei gehen wollte, zog er mich grob zurück. Fast wäre ich dabei nach hinten umgefallen, aber seine Hand hatte sich fest um meinen Unterarm gelegt, so dass er mich quasi daran hinderte umzufallen. „Und du denkst das reicht jetzt, oder was? Eine kleine Entschuldigung. Ich glaub du brauchst mal wieder ne ordentliche Abreibung!“ „Lass mich in Ruhe.“ Ich versuchte mich erneut an ihm vorbei zu drängeln. „Vergiss das mal, Kleiner. Meine Jacke ist jetzt mit deinem Dreck besudelt, also hast du sie gefälligst auch zu bezahlen!“ Mein Blick wanderte über seine Jacke. Irgendein Designerteil. „Ich seh keinen Dreck.“ Kaum hatte ich das gesagt landete seine Faust in meinem Magen. Mein Körper sackte zusammen und ich musste mich ein weiteres mal übergeben. Ich konnte mich wohl glücklich schätzen, dass ich meinen Mageninhalt nicht über seine Schuhe verteilt hatte, dann hätte ich mich wohl am nächsten Morgen im Krankenhaus wieder gefunden. Trotzdem packte er ohne Rücksicht meine Haare und zog meinen Kopf nach oben. „Siehst du ihn jetzt, du Penner?“ Ich gab keine Antwort, was er offensichtlich als Aufforderung ansah mich nach oben zu ziehen, nur um mir noch einen Schlag in die Magengegend zu verpassen. Diesmal war ich jedoch auf den Schlag vorbereitet und konnte ihn halbwegs abwehren, in dem ich seine Hand weg schlug. „Könnt ihr euch nicht einfach verpissen und mich in Ruhe lassen? Ich hab schon genug Ärger!“, scheiße, wieso musste ich das sagen? „Oh hat die Schwuchtel Probleme? Das tut mir aber leid!... Los Jungs wir machen ihm das Leben noch ein bisschen angenehmer!“ Die beiden Anderen lachten und ich wusste genau was jetzt kommen würde. Trotzdem versuchte ich gar nicht erst wegzurennen. Ich war heute schon zu oft vor meinen Problemen davongerannt. Sie ließen ziemlich schnell wieder von mir ab. Ich hatte mich einfach in einer schützenden Pose auf dem Boden zusammengerollt, als sie begannen auf mich einzuprügeln, und ließ sie machen. Offensichtlich war ihnen das zu langweilig, da ich mich nicht wehrte und genauso wenig irgendeinen Mucks von mir gab. Sie hatten sich wohl gewünscht ich würde sie um Gnade anbetteln, schreien oder weinen. Ich glaube nicht, dass sie wirklich erwartet hatten ich würde mich ernsthaft wehren, ich hatte keinerlei Chance gegen sie, warum also meine Kraft verschwenden? So ließen sie mich einfach liegen. Nahmen nicht einmal mein Geld, das in meiner Hosentasche war. Alles was sie wollten war Stress machen und irgendjemanden verprügeln. Arschlöcher. Gerade als ich mich aufrappeln wollte, kam der Barkeeper auf mich zu. Im ersten Moment nahm ich an er wolle mir aufhelfen, doch er griff nur in meine Hosentasche und zog sechs 1.000 Yen Scheine aus meiner Geldbörse. „Du hast vergessen zu bezahlen. Der Rest ist dafür deine Kotze hier wegzuwischen.“ Damit verschwand er wieder in der Bar. Ich sah ihm noch verwirrt hinterher. Was hatte ich ihm denn getan, dass er so unfreundlich war, so ganz entgegen der japanischen Natur? Nie hatte mich jemand schief angesehen, nur weil ich betrunken war, oder war ausfällig geworden. Verquere Welt. Unbeholfen kam ich wieder auf die Füße. Mein Rücken schmerzte von den Tritten der Schlägergang, mein Magen drehte sich auf Grund des Alkohols und die kleine Platzwunde, die noch von meinem letzten Aufeinandertreffen mit einem eifersüchtigen Freund her rührte, war wieder aufgeplatzt. Wieder musste mein Schal herhalten um Dreck und Blut aus meinem Gesicht zu wischen. Zum Glück gab es hier keine größeren Schaufenster, denn ich verspürte in keinster Weise den Wunsch mich jetzt zu sehen. Mich so am Boden zu sehen. Enttäuscht, wütend, verprügelt, verzweifelt, verängstigt… Denn das was ich jetzt im Spiegel sehen würde, war mein wahres Ich. Der wahre Jui, den ich so lange in mir eingesperrt hatte. Langsam schlenderte ich in Richtung meiner Wohnung, als mir wieder einfiel, dass ich meine Tasche bei Rame vergessen hatte. Scheiße. Mein Wohnungsschlüssel war da drin. Ich durchsuchte fieberhaft jede noch so klitzekleine Tasche, die sich an meiner Kleidung befand, um sicher zu gehen, dass ich ihn nicht doch irgendwo bei mir hatte. Fehlanzeige. Dann blieb mir wohl nichts anderes übrig als den Schlüsseldienst zu rufen. Aber trotz alledem hatte Rame immer noch meinen Wohnungsschlüssel. Das war mir nicht geheuer. Ich kannte den Rame, von dem ich geflüchtet war, nicht. Was würde er damit tun? Würde er meine Tasche einfach bei mir abgeben, als wäre nichts passiert? Würde er vielleicht heimlich in meine Wohnung einbrechen – ok es war dann wohl kein wirkliches Einbrechen – und meine Sachen durchwühlen? Nein, wieso sollte er das tun?! Wenn er einbrach dann vielleicht eher, weil er plötzlich Lust aufs Morden bekommen hatte und ich ein leichtes neues Opfer wäre. In der Nacht im Schlaf überrascht. Mir lief es eiskalt den Rücken hinab bei diesem Gedanken. Leider traute ich ihm mittlerweile alles zu. Ich hatte keine Lust zurück zu Rame zu gehen um meinen Schlüssel zu holen. Nur damit ich nicht sämtliche Schlösser auswechseln lassen müsste, um nachts ruhig schlafen zu können. Ich wollte Rame nie wieder sehen. Doch damit ich ihn nie wieder in meinem ganzen Leben sehen musste, müsste ich wohl umziehen. In eine andere Stadt. Vielleicht sogar in ein anderes Land. Wir sahen uns schließlich jeden Tag in der Uni, ob wir nun befreundet waren oder nicht. Ich könnte ihn auch einfach umbringen, schoss es mir durch den Kopf. Für ihn war es doch auch nicht schwer in Erwägung zu ziehen Ayano umzubringen. Nein. Ich schüttelte den Kopf. Du wirst nicht auf sein Niveau herabsteigen. Geh zu ihm. Hol deine Tasche und verschwinde wieder. Dann kannst du ihn sogar fragen ob es Ayano war, der damals auf der Party war. Dann kannst du ihm ein Sayonara forever an den Kopf knallen. Ich hatte mich entschieden. Genau das würde ich tun. So konnte ich noch einige Fragen auflösen, bevor ich mich endgültig von Rame distanzierte. Vielleicht würde ich wirklich umziehen, denn das würde alles viel einfacher machen, auch wenn ich dann meinen Platz an der Uni aufgeben musste. Aber was wenn er mich diesmal nicht so einfach gehen lässt? Was wenn er Ayano etwas angetan hatte und ich es sehen würde? Könnte er wirklich einen Menschen töten? Ja, er war ein ganz Anderer, als ich immer angenommen hatte. Aber konnte er das im Ernst? Also schlug ich den Weg zurück zu Rames Wohnung ein. Das mulmige Gefühl, dass ich trotz meiner Entschlossenheit verspürte, konnte ich jedoch nicht verdrängen. Es wollte mich einfach nicht loslassen. Wer wusste schon was jetzt passieren würde? Es könnte sein, dass ich einfach zu ihm ging, das holte weswegen ich gekommen war, meine Fragen stellte und wieder verschwand. Ja, vielleicht war er sogar nett zu mir. Gespielt nett natürlich. Oder es passierte etwas ganz anderes. Etwas worüber ich gar nicht nachdenken wollte. Was ich mir nicht ausmalen konnte. Wenn ich Glück hatte, gab er mir freiwillig die Tasche und ich musste die Wohnung noch nicht einmal betreten. So würde ich Ayano nicht noch einmal sehen. So könnte ich zwar nicht beruhigt, aber zumindest in besserer Verfassung nach Hause gehen, als wenn ich noch einmal Ayanos gequälten Körper auf Rames Bett liegen sehen müsste. Wenn er noch dort war… Die Straßen waren für Shinjuku Angst einflößend leer. Ich hatte den Eindruck, dass die ganze Welt sich entsprechend der Ereignisse veränderte. Alles war plötzlich gruselig. Seltsame Schatten, die auftauchten und so schnell wieder verschwunden waren wie sie aufgetaucht waren. Geräusche, wie das Zwitschern verschiedener Vogelarten, die mir vorher nie aufgefallen waren. Das Heulen des Windes, der durch die vielen kleinen Nischen der Häuser pfiff. Oder, dass trotz der Neon-Werbung und der Straßenleuchten alles düster wirkte. Überall waren verwinkelte Ecken und Gassen. Waren die schon immer da gewesen? Waren sie schon immer so dunkel gewesen? Und waren schon immer seltsame Geräusche oder unheimliche Lichter aus ihnen hervor gedrungen? Mittlerweile konnte ich das Haus schon sehen, in dem Rame wohnte. In der Stube und der Küche brannte noch immer Licht. Also war er auf jeden Fall noch wach. Wartete er auf mich? Wartete er darauf, dass ich getrieben von meinem Mitleid und schlechtem Gewissen zurückkommen würde? Oder zumindest wegen meiner Tasche? Plötzlich sah ich seine Silhouette am Fenster. Er verweilte einen Moment und verschwand dann wieder. Ob er mich gesehen hatte? Das Unwohlsein kroch immer stärker durch meine Knochen, doch ich musste zu ihm gehen, ob ich wollte oder nicht. Ich musste meinen Schlüssel zurückholen. Augen zu und durch! Mit zitternden Fingern – die nicht nur auf Grund der Kälte so zitterten – drückte ich auf den Klingelknopf. Mein Herz schlug mir vor Nervosität bis zum Hals. Nach ein paar Sekunden ertönte das typische Summen, welches mir verdeutlichte, dass ich die Tür öffnen konnte. Er wusste ziemlich offensichtlich, dass ich es war. Er hatte ja nicht einmal gefragt, wer da war. Also hatte er mich wirklich gesehen. Wie oft er wohl in den letzten Stunden auf die Straße geschaut hatte? Als ich in Rames Etage ankam, sah ich schon von weitem, dass er in der Tür stand und auf mich wartete. „Ich wusste, dass du zurückkommst!“, sagte er mit einem sehr zufriedenen und selbstsicheren Gesichtsausdruck. Kapitel 6: Gut oder Böse? [edited] ---------------------------------- So kurz bevor ich mich erst einmal einen Monat ins Reich der aufgehenden Sonne begebe, noch ein Fanfic update ^^ Dieses mal besteht das ganze Kapi so gut wie nur aus Dialog (so als kleine Gutmachung das im letzten so wenig davon zu finden war XD) Dadurch ist es auch mal wieder etwas lockerer geworden und nicht so gedankentriefend wie z.B. das letzte... Die Dialoge sind immer im wechsel und wenn mal nicht dann hab ich es deutlich gemacht dass z.B. Rame Jui anspricht ^^ Ich hoffe es gefällt trotz mal etwas weniger tiefgang viel Spaß (comments/kritik wie immer erwünscht) (achso vergebt mir falls ihr Fehler findet, das ganze war ne Nacht und Nebel Aktion also kann es gut sein dass ich trotz mehrmaligen lesens Fehler übersehen habe >.<°) [edit: ich habe das kapi noch ein wenig verfeinert, da ich nicht wirklich damit zu frieden war und einfach zu wenig Gedankenwelt darin vorhanden war ^^ und es sind über 1000 Wörter hinzu gekommen XD~] Kapitel 6 – Gut oder Böse? „Ich wusste, dass du zurückkommst!“, sagte er mit einem sehr zufriedenen und selbstsicheren Gesichtsausdruck. Oh Gott, wie ich ihn hasste! Sein Gesicht, mit diesem höhnischen Grinsen, mit dem er mir wohl zeigen wollte, dass er mir überlegen war. Vielleicht hatte er auch wirklich Recht. Diesen Abend war er es wohl, wenn auch nur mental. Aber war das ein Wunder? Nach allem was heute passiert war? Nach allem was Rame angestellt hatte? Nein, bestimmt nicht! Wer hätte denn da noch seine Fassung bewahren können?! Wie er da stand, immer noch in seinem Kleidchen. In seinem dummen Lolita-Outfit. Einen auf liebes Mädchen machte, während er in seinem Kopf die schlimmsten Intrigen spann. Just in diesem Moment hasste ich ihn wirklich, ein Gefühl, dass ich selten verspürte. Sonst verschwendete ich meine Zeit nie mit Hassgefühlen. Doch jetzt reichte eigentlich sein bloßer Anblick um meine Faust zum zucken zu bringen. Er brachte mein Blut zum kochen. "Bild dir nichts drauf ein. Ich bin nur hier um meine Tasche zu holen, oder glaubst du ich bin so lebensmüde meinen Schlüssel bei dir zu lassen?!" Ein paar Schritte vor Rame stoppte ich und starrte ihn an. "Wärst du so liebensgewürzig sie mir zu holen oder soll ich dir vorher eine reinhauen?!" Es war selten dass ich solche Aggressionen hatte. Selbst wenn ich mich prügelte fühlte ich nie diesen Hass. Dieses Bedürfnis jemandem im wahrsten Sinne des Wortes den Hals umzudrehen. Ich sah ihn mit wütend zusammengekniffenen Augen an und wartete auf eine Reaktion. Plötzlich fing er an lauthals zu lachen. Was war jetzt los? "Jui, du müsstest dich jetzt wirklich mal sehen!" Sein Lachen wurde immer heftiger. Was mich nicht gerade dazu brachte mich zu beruhigen. Er deutete auf mich, versuchte etwas zu sagen, konnte aber nicht aufhören zu lachen. Ja, er musste sich sogar am Türrahmen festhalten um sich nicht hinsetzen zu müssen, weil er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Meine Hände verkrampften sich. Ich musste wirklich an mir halten. Reiß dich zusammen, Jui. Wenn ich jemanden mit meinem Blick und den schwärzesten Gedanken, die ich jemals hatte, hätte töten können, wäre Rame just in diesem Moment tot umgefallen. Ein schneller Tod, den er eigentlich nicht verdient hatte. Wenn schon dann richtig. "Beweg deinen Arsch anstatt dich hier in deiner Dummheit zu suhlen!", meine Stimme brach vor Wut und war nur ein lautes Krächzen, das mich noch wütender machte. Wenn ich hier nicht sofort wieder weg konnte, dann würde Rame sich sicher nicht über meinen Gefühlsausbruch freuen. Denn der würde für ihn sehr schmerzhaft enden. Er hatte die Wahl, entweder er gab mir einfach was ich wollte oder er würde im Krankenhaus, wenn nicht sogar im Sarg, landen. Ich fühlte mich wie ein Vulkan, der kurz vorm Ausbruch stand. Wenn ich ein Vulkan gewesen wäre, dann würde Rame jetzt in einer Wolke aus Asche und ein paar kleinen Gesteinsbrocken stehen. Irgendwie fand ich den Gedanken amüsant. Wenn ich ein Vulkan wäre... ja ich wünschte mir fast ich wäre einer... dann könnte ich Rame einfach so unter meiner heißen Wut begraben. Aber er würde ganz langsam sterben. Ich würde ihm Zeit geben... er würde versuchen zu flüchten. Um sein Leben betteln. Doch meine Wut wäre gnadenlos... Rame riss mich aus meinen Gedanken, als er mir einen Schlag auf die Schulter gab. „Hörst du mir überhaupt zu?!“, seine Stimme hatte einen quietschenden Unterton, den er immer dann hatte, wenn ihn etwas nervte. Ich konnte nicht anders als zu grinsen. Ich hatte ihn offensichtlich mit meiner geistigen Abwesenheit wütend gemacht. Oh, armer Rame. Du tust mir so unendlich leid. „Was soll das werden?! Willst du hier dumm vor dich hingrinsend Wurzeln schlagen oder deine Tasche holen?!“, das Quietschen in seiner Stimme war noch aufgebrachter geworden. Es schien so als könnte er mit meiner ruhigen Art nichts anfangen. Ich hatte fast den Eindruck, dass er meine Wut und Aggression mochte. Sich daran labte, wie er mich zur Weißglut brachte. Doch er vergaß dabei, dass er es noch nie erlebt hatte, wenn ich an die Decke ging. Er wusste nicht, dass ich dann in eine solche Rage verfiel, dass ich nicht mehr nachdachte. Alles zu Kleinholz schlug, selbst wenn es keine Einrichtungsgegenstände sondern Menschen waren. Mmh. Aber wenn du so drauf abfährst, sollst du haben was du willst. Nur auf meine Art. „Keine Angst ich hab nicht vor Wurzeln zu schlagen. Es ist schweinekalt draußen. Außerdem regnet es wieder.“ Ich drängelte mich an Rame vorbei in seine Wohnung, so wie er ja unbedingt wollte, aber anstatt einfach meine Tasche zu schnappen und wieder abzuhauen, setzte ich mich gemütlich in seinen Sessel. Ich konnte mir selbst nicht erklären, was mich plötzlich dazu trieb hier zu bleiben. Ich wollte es ihm irgendwie heimzahlen. Aber musste ich deswegen hier bleiben? Ich hatte ja noch nicht mal eine Ahnung, wie ich ihn seine Lektion erteilen wollte. Genau genommen war es absolut dämlich hier zu bleiben. Doch ich konnte nicht anders. Mir fiel nichts Besseres ein. „Hast du vielleicht noch ein Bier oder so was übrig? Ich bräuchte dringend etwas zum aufwärmen.“ Jetzt, da ich von Bier sprach, fiel mir auf, dass ich von dem Alkohol der letzten Stunden fast nichts mehr spürte. Vielleicht lag es aber auch einfach am Adrenalin. Ich zuckte imaginär mit den Schultern. Liegt wohl am kotzen. Gar keine so schlechte Erfindung des Körpers. Es war wirklich erstaunlich was ein Körper so alles aushielt… und sich nach so kurzer Zeit wieder aufrappeln konnte und alles so wie sollte funktionierte. Ok, solange man es nicht übertrieb natürlich nur. Wie machte ein Körper das nur? Ich wünschte mir auch die Seele könnte so schnell geheilt werden. Doch andererseits, was brachte es wenn man alles so schnell wieder vergaß? Man würde doch nur immer wieder dieselben Fehler machen. Aber auch man immer wieder das gleiche falsch machte und sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie sehr es einen verletzt hatte oder wie peinlich es war, dann wäre das doch auch gut! Doch dann würde man sicher auch die guten Sachen vergessen. Nein, das wollte ich nun doch nicht. Ich wollte nur das Schlechte vergessen. Ich wollte nie wieder in meinen Erinnerungen alles noch einmal erleben. Noch einmal leiden. Noch einmal schweißgebadet in meinem Bett erwachen. Ein Scheppern riss mich ein weiteres Mal aus meinen Gedanken. Mist, ich war schon wieder abgedriftet. Rame starrte mich wütend an. Die Bierflaschen, die offensichtlich das scheppernde Geräusch verursacht hatten, wackelten noch ein wenig auf dem Tisch. „Bist du nur hier um mich zu ignorieren oder was soll das werden, wenn es fertig ist?!“ „Nana, wer wird denn gleich aufbrausend sein? Setz dich lieber, sonst platzt die dicke Ader auf deiner Stirn noch!“, wo hatte ich nur plötzlich diese Ruhe und diesen Zynismus her? Er warf mir einen angepissten Blick zu, setzte sich dann aber tatsächlich. Als er Platz nahm, sah ich unauffällig über seine Schulter. Ayano lag noch genauso im Bett, wie ich ihn verlassen hatte. Zum Glück. Keine größeren Blutflecken. Also konnte ich auch davon ausgehen, dass Rame ihn noch nicht zerstückelt hatte. Ich wunderte mich selbst über meine Gedanken. Wieso war ich plötzlich nicht mehr so unkontrolliert geladen? Wieso konnte ich Rame völlig locker gegenüber treten? Und wieso zum Henker war ich plötzlich so makaber und selbstironisch?! Ich verstand es nicht. Ich verstand mich selbst nicht. Aber es war nicht schlecht, so konnte ich wenigstens einigermaßen normal mit ihm sprechen. Soweit das mit ihm überhaupt möglich war. „Was guggst du mich so an?“ „Ach nichts.“ Als ob ich dich anstarren würde. Büärks. Ich griff nach der Flasche Bier, die schon geöffnet war, und nippte daran. „…hier bist?!“, hörte ich Rame in ruhigem aber forderndem Ton fragen. „Hä?“ Mist, ich musste mich echt zusammenreißen, ich konnte nicht ständig abschalten. Dann würde Rame zwar wütend werden, was ich irgendwie lustig fand, aber mehr auch nicht. „Ich sagte: Wie kommt es, dass du noch hier bist?!“ „Warum sollte ich nicht hier sein?“, fragte ich zuckersüß zurück. „…“ „Ich meine ist ja nicht so, als ob du irgendnen kleinen Jungen von der Straße weg gefangen, ihn halbtot geschlagen hättest und mich mit ihm erpressen wölltest.“ Ich blieb völlig als ich das sagte. So ruhig als würden wir uns über das Wetter unterhalten. Rame hingegen brauste auf. „Ich hab ihn nicht halbtot geschlagen!“ Noch ein Schluck des für mich viel zu kalten und widerlichen Bieres rann meine Kehle hinab. „Ach, entschuldige. Wie konnte ich nur so dumm sein…“ Ich lächelte. „…Als ob du die Gefahr eingehen würdest einen deiner Fingernägel abzubrechen.“ Mann, Junge, reiß dich zusammen so kommst du nicht weit! Du darfst nicht zu angreifend werden, dann schmeißt er dich hochkant raus. Aber er hat Recht was will ich eigentlich noch hier? Ich will mit ihm spielen, ihn ärgern, aber mal ehrlich, was hab ich im Endeffekt davon? Nichts. Außer ein bisschen Rache. Aber, vielleicht kann ich ihn betrunken machen. Ja, das ist die Idee. Ich fülle ihn ab. Und dann kann ich ganz einfach mit Ayano abhauen. Ohne Geschrei und Gezeter. Ganz einfach aus der Wohnung spazieren. Rame noch einen schönen Gruß da lassen. Und Ayano endlich ärztlich versorgen lassen. „Mann, Jui, hör mir doch mal zwei Minuten lang zu!! Ich hab keinen Bock dir alles fünf Mal zu sagen!“ „Hä? Ah, ja. Klar. Erzähl’s noch mal.“ Rame schnaubte resignierend. „Warum bist du hier? Zum vierten Mal. Du hast mir immer noch keine Antwort gegeben.“ „Jetzt hab dich nicht so. Vorhin wolltest du mich nicht gehen lassen und jetzt motzt du mich an, weil ich nicht gehen will. Kannst du dich mal entscheiden?“ „Ich will doch nur wissen, warum du hier bist! Das hat nichts damit zu tun, dass ich dich hier nicht haben will.“ Oh, oh. Es wird interessant. „Womit dann?“, ich sah ihn verwirrt an. „Hast du es dir überlegt?“ Ach das war es also. „Was überlegt?“ „Mein Vorschlag, was sonst?“ Nur deswegen hatte er mich noch nicht rausgeworfen. Er hoffte nur, dass ich doch noch zustimmen würde. „Ach… Achso~… Nee da hab ich mir gar keine Gedanken drüber gemacht.“ „Das heißt du gehst nicht darauf ein?“ Ich kam mir vor wie bei einem Verhandlungsgespräch. Als müsste ich mich entscheiden ob ich 2 Tonnen Bananen gegen 1 Tonne Kokosnüsse tauschen wollte. Zumindest schien es für Rame ein so unwichtiger Tausch zu sein. Er tat so als wäre es eine nichtige Entscheidung für einen Hetero mit einem Mann zu schlafen. Ja, fast so, als wäre es ein ganz normaler Freundschaftsdienst. „Kann ich nicht sagen. Ich hab, wie gesagt, nicht drüber nachgedacht. Aber, wenn ich jetzt drüber nachdenke…“ Ich verleierte meine Augen. „…nee. Nee, ganz sicher nicht. Sorry, aber, nee, du bist’n Kerl… und auch wenn du keiner wärst… nee, ich will gar nicht dran denken!“ Ein großer Schluck widerlichen Bieres vertrieb die absurde Vorstellung von Rame und mir im Bett beim Sex, so schnell wie sie aufgekommen war. Selbst, wenn ich hirntot wäre, würde sich mein Körper noch dagegen wehren. Schon die Vorstellung war Übelkeit erregend. „Mmh, wie du willst.“ Das war zu einfach. Erst beharrte er so darauf und jetzt gab er sich einfach so geschlagen? „Was sind deine weiteren Pläne?“, fragte ich blauäugig. „Da er dir offensichtlich nicht wichtig genug ist um dich selbst aufzuopfern, werde ich sicher noch etwas Spaß mit ihm haben.“, antwortete er auf meine naive Frage mit einem hämischen Grinsen. Da war sie. Die Antwort. Er appellierte an mein Mitleid. „Wie bitte kann mir jemand, den ich gar nicht kenne wichtiger sein, als ich selber?“ Mit so einem offensichtlichen Trick kommst du bei mir nicht weit. „Er ist dir nicht völlig fremd, falls du dich daran erinnern kannst.“ Genau. Das wollte ich ihn doch noch fragen. Ich hätte es wohl vergessen, wenn er mich nicht daran erinnert hätte. „Du meinst die Party, nicht wahr?“ „Kannst du etwas präziser sein? Wir waren auf vielen Parties.“ „Du weißt doch ganz genau welche Party ich meine. Ich brauch doch nur dein dreckiges Grinsen sehen!“ Reg dich ab. Lass ihn sein dummes Spielchen spielen und du spielst dein eigenes. Du lässt dich doch nicht von einem Gnom im Kleidchen unterkriegen! „Du weißt es also.“ „Ich weiß gar nichts. Es ist nur eine Vermutung. Aber ich scheine mit ihr goldrichtig zu liegen.“ „Bravo. Hast du es also mittlerweile verstanden. Und? Wer hatte Recht?“ „Du hattest Recht. Er is’n Kerl. Hast du ihn deswegen hierher geschleppt? Nur um mir zu zeigen, dass er ein Mann ist?“ „Nein, nicht nur deswegen. Aber du weißt was das heißt?“ „Was soll was heißen?“ Was wollte er von mir? „Jetzt stell dich nicht dümmer als du bist! Du findest einen Kerl anziehend! Das soll es heißen.“ „Na und?“ Noch einmal setzte ich die Bierflasche an meine Lippen und trank einen Schluck. „Ich dachte er is’n Mädel. Als ob es jetzt meine Schuld wäre, dass er keins ist.“ „Du findest ihn aber immer noch anziehend.“. „Wer sagt denn so was?“ „Das muss mir keiner sagen. Ich hab Augen im Kopf. Ich hab doch gesehen, dass du ihn abgecheckt hast. Du hast kontrolliert ob ich ihm schon etwas angetan hab.“ Erwischt. Und zwar eiskalt. „Das hat doch nichts damit zu tun, dass ich ihn anziehend finde. Er ist immerhin ein Mensch und ich wollte einfach nur wissen ob ich gleich die Polizei rufen soll oder nicht.“ „Das Thema hatten wir heute schon mal.“ „Mag sein.“, langsam keimte meine Wut wieder hervor. Vielleicht lag es auch nur daran, dass Rame mich wieder einmal durchschaut hatte. Dabei hatte ich geglaubt ich hätte es geschafft wieder meine Maske aufzusetzen und meine echten Gefühle zu verschleiern. „Also fassen wir mal zusammen.“ „Ich höre.“ „Du willst ihm nach wie vor helfen. Aber du willst nicht mit mir schlafen. Da sehe ich ein kleines Problem.“ „Ich sehe ein ganz großes und das sitzt genau vor mir.“ „Oh, Mister Jui wird wieder zickig. Wie niedlich.“ Wie niedlich? Wo sind Zicken niedlich? Ganz abgesehen davon, dass ich keine Zicke bin. „Naja, Jui, die Zeit drängt ja nicht. Vielleicht fällt dir ja noch etwas Tolles ein. Bis dahin hole ich erstmal Nachschub. Du säufst heut echt alle meine Vorräte weg.“ Er stand auf und ging in die Küche. „Das war EIN Bier, jetzt tu mal nicht so. Und das ist noch nicht einmal leer.“ Zwischen Klappern und Scheppern hörte ich seine Stimme. „Du hast vorher auch schon was getrunken. Vergiss das nicht!“ „Ja, ja. Ich kauf dir neues Bier wenn es für dich so wertvoll ist.“ „So wichtig ist es nicht.“ „Wie freundlich von dir.“ Mein Blick glitt zu Rames Bett hinüber. Ayano lag noch immer ruhig darin und schlief. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen da er mit dem Rücken zu mir lag. Hatte er sich im Schlaf gedreht? Ich hatte ihn doch auf den Rücken gelegt. Ob er gerade träumte? Wenn ja, wovon wohl? Von seiner Vergangenheit? Wie ich es so oft tat, weil ich es den ganzen Tag verdrängte? Vielleicht träumte er auch von dem heutigen Tag. Hoffentlich nicht. Ich wünschte mir, dass er von etwas Schönem träumte. Seiner Freundin. Oder davon wie er als kleiner Junge im Sandkasten herumgetollt war. Egal was. Hauptsache etwas Schönes… Ich wollte auch wieder einmal etwas Schönes träumen. Der erste Kuss oder davon wie stolz meine Familie war, als ich meinen Abschluss als Bester der Jahrgangsstufe gemacht hatte… Mein Herz krampfte sich plötzlich zusammen. Ein leichter Schleier trat vor meine Augen. Nein nicht schon wieder! Hör auf zu heulen! Ich wischte mir mit der Hand über die Augen und trank den Rest meines Bieres. Rame raschelte noch immer in der Küche herum. „Sag mal wo holst du den Alk denn her? Aus Timbuktu?“, zum Glück konnte ich Gefühle sehr schnell unterdrücken, so merkte er nicht, dass ich eben noch so nah am Wasser gebaut war. „Ich bin ja gleich fertig. Das ist mein bester Schnaps, den musste ich doch gut vor dir verstecken.“, man konnte hören dass er dabei lächelte. So war es früher immer gewesen… wir hatten kaum ernste Gespräche geführt und wenn doch arteten diese früher oder später in die lächerliche Richtung aus. „Klar, weil ich ja ständig deine Küche plündere.“, ich musste lachen. Rame kam mit einem Tablett und zwei Gläsern randvoll gefüllt mit Schnaps zurück und ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. „Das hast du tatsächlich schon oft gemacht, wenn du mal wieder all dein Geld an irgendwelchen Weibern verschwendet hattest.“ „Ich hab dir immer das Geld dafür wieder gegeben.“ Er stellte das Tablett auf dem Tisch ab und setzte sich in den Sessel, der mir gegenüber stand. „Lass uns erstmal anstoßen.“ „Worauf denn?“, fragte ich verwundert. „Auf die guten alten Zeiten!“ „Oh ja, obwohl es mir lieber wäre sie wären nicht alt.“ Er drückte mir eins der Gläser in die Hand. „Also, auf die guten alten Zeiten!... Ach und exen, so wie sich das gehört!“, fügte er mit einem treudoofen Lächeln hinzu. „Exen?! Das ganze Ding?! Dann sind wir doch gleich tot.“ „Ach Quatsch das Zeug hat nicht so viele Prozente.“ „Wenn du meinst.“ „Auf die guten alten Zeiten.“ „Zum dritten Mal.“ Wir stießen an und exten das Gesöff tatsächlich beide. Meine Kehle zog sich zusammen als der Schnaps brennend meinen Rachen hinunterlief. Ein Schütteln durchzuckte meinen Körper und ich konnte einen leichten Hustenanfall nicht vermeiden. „Bäh, das ist ja widerlich. Das hättest du ruhig da lassen können wo du’s hergeholt hast.“ Auch Rame hatte sichtlich zu kämpfen. Ihm standen schon die Tränen in den Augen. „Du hast Recht das sollte man wirklich nicht exen. Naja aus Fehlern lernt man bekanntlich.“ „Über den Satz solltest du mal genauer nachdenken.“ Er wich mir gekonnt aus, indem er einfach das Thema wechselte. „Wo waren wir? Achso. Ja, du hast mir das Geld gegeben. Es war auch kein Vorwurf.“ „So versöhnlich, plötzlich?“ „Jui, denk doch mal drüber nach. Wir sind schon so lange die besten Freunde. Ich hab Scheiße gebaut. Ich wollte dir nur eins reinwürgen, weil du immer nur über mich lachst, weil ich schwul bin. Und dann war da plötzlich ein Typ, den du sofort abgeschleppt hättest, ohne zu wissen ob’s nun ein Mädchen oder Junge ist. Oder du hättest ihn abgeschleppt um es herauszufinden.“ „Erstens, hab ich nie über dich gelacht, weil du schwul bist. Das ist dein Ding und ich hätte dir garantiert nicht geholfen Typen abzuschleppen, wenn es mir gegen den Strich gegangen wäre.“ „Du hast Recht, du hast mir geholfen. Ich habe es falsch ausgedrückt. Ich habe immer das Gefühl, du würdest insgeheim über mich lachen.“ Ich ließ mich nicht von seinen einsichtigen Worten nicht beeindrucken oder ablenken und sprach weiter. „Zweitens, hab ich ihn aber nicht abgeschleppt an dem Abend, also war das ne absolut sinnlose Aktion.“ „Es tut mir leid. Ich bin zu weit gegangen.“ „Und wie.“ „Ich werd den Jungen…“ „Er heißt Ayano.“ „Ayano? Offensichtlich ne Transe. Egal. Ich werde Ayano morgen ins Krankenhaus bringen und ihn verarzten lassen.“ Wow, wenn dieser Abend nicht gespickt mit krassen Wendungen ist. „Das halte ich für eine vernünftige Entscheidung.“ Konnte ich ihm das wirklich glauben? Ich wollte es. Ich wollte ihm glauben, dass es ihm Leid tat. Ich wollte ihm glauben, dass das alles nur eine Überreaktion seinerseits war. Aber ich konnte es nicht. Er hatte mich nicht völlig überzeugt. Was wenn das wieder nur ein Trick war? Ich würde hier bis zum Morgengrauen sitzen und mit Rame gemeinsam zum Krankenhaus fahren, um mich zu überzeugen ob er es wirklich ernst meinte. Rame schwieg sich aus und mir zog es langsam aber sicher die Augen zu. Der Tag war einfach zu turbulent gewesen und zuviel Alkohol involviert. Eine Weile versuchte ich gegen die bleierne Müdigkeit anzukämpfen, doch es dauerte nicht lange und ich hatte den Kampf gegen die uneinsichtige Forderung meines Körpers nach Erholung verloren. Kapitel 7: Hass oder Liebe? [edited] ------------------------------------ So nach einer ein monatigen Schreiberabstinenz in Japan, hier der neueste Teil ^^ Ich hatte heute einen extrem schreiberlichen Tag was zu Deutsch soviel heißt wie dass ich dieses Kapitel heute in ca. 3-4 h geschrieben habe... Jetzt wo der Ursprung, weswegen ich die Geschichte überhaupt angefangen habe, endlich beginnt macht es mir umso mehr Spaß sie zu schreiben. Ich hoffe euch gefällt wie es weitergeht und ihr schreibt mir ein paar kommentare/critics?? ok dann will ich euch nicht weiter auf die Folter spannen... viel Spaß ^^ P.S.: ich entschuldige mich schon jetzt für eventuell auftretende Rechtschreibfehler >.<° 7. Kapitel Hass oder Liebe? Eine Weile versuchte ich gegen die bleierne Müdigkeit anzukämpfen, doch es dauerte nicht lange und ich hatte den Kampf gegen die uneinsichtige Forderung meines Körpers nach Erholung verloren. War ich wach? Mein Kopf sagte ja, mein Körper verneinte es. Alle Wahrnehmungen der äußeren Umwelt waren kaum bemerkbar. Es schien als wäre ich weder wach noch würde ich träumen. Eher so als würde ich mich in einer Art Zwischenwelt befinden. Eine Welt ohne Geruch, Tastsinn, Gehör, Geschmack und der Fähigkeit zu sehen. Ohne irgendeinen der fünf Sinne. Alles was existierte war ich, mein Inneres, meine Gefühlswelt. Alles wovon ich im Moment überhaupt nichts wissen wollte. Ich wollte mich nicht mit mir selbst beschäftigen. Nicht spüren was mich quälte. Ich selbst quälte mich. Meine Existenz. Meine Gefühle. Alles in mir schrie, rebellierte. Ich war noch immer viel zu aufgewühlt. Die Erinnerungen an damals waren wieder zu präsent. Nein, es war nicht meine gesamte Vergangenheit. Es war nicht mein komplettes Leben, obwohl, wenn ich genau darüber nachdachte hatte auch das nicht viel Gutes gehabt. Ich hatte zu viele Fehler gemacht. Oder waren es die Anderen? Aber das was mich beschäftigte waren die Erinnerungen an eine einzige Person. Eine Person, die ich gleichzeitig liebte und aufs tiefste verabscheute. Sakai-sensei. Ich hatte so lange gebraucht um diese Geschehnisse zu verdrängen. So zu tun als wäre all das nie passiert. Als hätte er mir das nie angetan. Doch jetzt war alles wieder da. Die Bilder in meinem Kopf so klar, als wäre es erst vor ein paar Stunden passiert. Vor ein paar Stunden hatte auch Rame mich verraten, nur dass sein Verrat ganz anders war, als der von Sakai-sensei. Und er hatte auch nicht so große Auswirkungen auf mich und mein Leben. Doch er hatte mich verraten. War es dann nicht egal in welcher Form? Wollte er mir zeigen, dass er es geschafft hatte mir über ein Jahr lang eine Rolle vorzuspielen? Wollte er mir zeigen, dass er mir überlegen war? Und ich eigentlich nur eine von mir selbst geschaffene Marionette war, die ihre Gefühle versteckt? Vielleicht war es auch einfach nur ein schlechter Tag für Rame gewesen, weswegen er plötzlich so seltsam war. Ich wusste ja nicht ob er immer so war, wenn er deprimiert war. Wir waren zwar oft unterwegs, aber ich hatte ihn noch nie wirklich deprimiert erlebt. Wenn ich jetzt darüber sinnierte, kannten wir uns eigentlich nicht wirklich. Oberflächlich. Wir teilen keine Probleme, zumindest nicht, wenn sie wirklich schwerwiegend sind. Wir beide verheimlichen unser wahres Ich. Keiner will verletzbar sein. Konnten wir deswegen nicht über so etwas sprechen? Konnten wir deswegen niemandem wirklich vertrauen? Und wenn, dann nur nach langer Zeit? Vielleicht war das nur seine Art gewesen auszurasten. Er schrie nicht, sondern fuhr gleich schwere Geschütze auf. Ich wollte nicht, dass er wirklich so war, wie ich ihn gestern erlebt hatte. Er war mein Freund. Ich konnte mit ihm nicht über meine Probleme sprechen, doch das lag nicht an ihm , sondern an mir. Er konnte doch kein so schlechter Mensch sein. Er war doch auch am Abend wieder zur Vernunft gekommen. Oder war auch das nur gespielt? Mir blieb nichts anderes übrig als die Wahrheit zu erfahren. Nein, ich musste die Wahrheit erfahren. Ich musste es herausfinden. Irgendwie muss es doch möglich sein aus diesem Zustand wieder heraus zu kommen. Aufwachen! Einfach nur aufwachen! Mit aller Kraft versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch es gelang mir einfach nicht. Stattdessen kehrten meine Sinneswahrnehmungen langsam wieder zurück. Das Erste was ich bemerkte war, dass es so anders roch. Gar nicht wie Rames Wohnung, wo ich laut meiner Erinnerungen eingeschlafen sein musste, sondern irgendwie modrig und muffig. Ich versuchte noch einmal meine Augen zu öffnen, was mir immer noch extrem schwer fiel. Mein ganzer Körper fühlte sich an als würde er nicht zu mehr zu mir gehören. Ich spürte ihn, doch er schien mir nicht gehorchen zu wollen. Jede noch so kleine Bewegung war ein Kampf zwischen meinem Kopf und meinen Muskeln. Aber vielleicht lag es auch gar nicht an meinem Körper, vielleicht war es mein Kopf, der sich nicht verständlich genug für meinen Körper ausdrücken konnte. Er konnte mir ja – jetzt wo ich wirklich wach war – nicht einmal meine eigenen Gedanken begreiflich machen. Kaum hatte ich die Steuerung über mich zurück erlangt sah ich mich schwerfällig um. Das hier war wirklich nicht Rames Wohnung, das stand schon einmal fest. Aber wo befand ich mich dann? Hier wohnte niemand freiwillig. Das Zimmer war eine reine Bruchbude. An den Wänden war keine Tapete und wenn doch, dann nur kleine Fetzen, die die Zeit überstanden hatten. Der Boden bestand aus fleckigem dunklen Beton, auf dem sich hier und da kleine Pfützen gebildet hatten. Offensichtlich war das Dach undicht. Kein Wunder, dass es hier nicht gerade nach einer blühenden Alpenwiese roch. Ich versuchte mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht wirklich. Das einzige was ich erreichen konnte war, mich auf einen meiner Ellenbogen zu stützen, der jedoch verdächtig zitterte und ich das Gefühl hatte er könnte mein Gewicht nicht lange aushalten. Trotzdem inspizierte ich meine Umgebung weiter. Wenn ich nicht die Kraft hatte mich auf dem Ellenbogen zu halten würde ich mich halt einfach wieder hinlegen. Irgendwann würde ich schon wieder den Normalzustand erreichen. Auch die Decke wies sichtliche Nässeerscheinungen auf, die sich in hässlich gelb-braunen Flecken und herabhängenden Tapetenfetzen äußerten. Die Überreste einer Lampe, die entweder nicht mehr funktionierte oder nicht eingeschalten war, hingen am Stromkabel herunter. Die einzigen wenigen Lichtstrahlen fielen durch eine offene Tür ins Zimmer. Außer einem Spiegel an der Wand war das Zimmer vollkommen leer. Und ich mittendrin. Ich lag an einer der modrigen Wände, die von Schimmel geschmückt wurde. Sie hatte wohl mit ihren Keimen mein Gehirn vernebelt. Oder ich hatte nur einen mächtigen Kater, was ja auch nicht gerade auszuschließen war. Naja wenigstens liege ich nicht mitten in einer Pfütze, versuchte ich mich selbst aufzubauen. Meine Mutter hatte mir einmal gesagt, dass man immer das Beste aus schlimmen Situationen machen soll. Sie hatte Recht, auch wenn es oft sehr schwer umzusetzen war. Langsam versuchte ich aufzustehen um das andere Zimmer, aus dem der Lichtschein kam, zu inspizieren. Vielleicht war es ja ein Ausgang. Das hier war nicht gerade ein Ort, an dem ich mich wohl fühlen konnte. Doch so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht einmal auf den Knien halten. Was war nur mit mir los? Selbst bei dem schlimmsten Kater, den ich bis jetzt hatte, ging es mir nicht so schlecht. Natürlich hatte ich Kopfschmerzen gehabt und hatte mich auch nicht gut gefühlt. Aber so?! Dass ich kaum in der Lage war mich zu bewegen und nicht einmal fähig war aufzustehen, hatte ich noch nie erlebt. Und Kopfschmerzen konnte ich das was in meinem Kopf wütete nun wirklich nicht mehr nennen. Es fühlte sich eher an als würde alles darin abgerissen. Ich wünschte mir fast ich wäre nicht aufgewacht, da hatte ich keine Schmerzen gespürt. Doch, seelische Schmerzen. Verdammt. Ich konnte dem Leid heute einfach nicht entkommen. Auch meine Sinne funktionierten nicht mehr richtig. Hin und wieder verschwamm das Zimmer vor meinen Augen oder ich hörte plötzlich nichts mehr, auch wenn es hier so oder so nicht viele Geräusche, abgesehen von meinen eigenen, gab. Ein paar Stunden frischen Moder einatmen konnte doch nicht gleich solche Auswirkungen haben, oder doch? Aber egal wie schlecht es mir ging, ich wollte wissen wo das Licht herkam. Also blieb mir wohl oder übel nichts anderes übrig als mich wie ein Kleinkind zu der Tür zu robben – die sich ca. 3-4m von mir entfernt befand – wenn ich nicht in der Lage war zu laufen. Schnell spürte ich, dass diese Anstrengung meinem Körper überhaupt nicht gut tat. Hin und wieder musste ich auf den paar Metern anhalten, da sich alles um mich herum zu drehen begann und mir schlecht wurde. Ich schaffte es noch gerade rechtzeitig zu erkennen, dass das Zimmer kein Ausgang war, sondern sich darin ein versifftes Klo befand, bevor ich die Übelkeit nicht mehr ignorieren konnte und mich übergeben musste. Da ich im Moment jedoch mit der Schnelligkeit einer Schnecke ausgestattet war, schaffte ich es natürlich nicht mehr die Kloschüssel zu erreichen. Als die Krämpfe meinen ganzen Körper durchzuckten, verlor ich den letzten Rest meiner mühsam zusammengearbeiteten Kraft. Zum Glück konnte ich es noch verhindern direkt in meinen ehemaligen Mageninhalt zu fallen. Stattdessen landete ich auf der Seite, den Kopf auf dem kalten Boden liegend. Die Kälte war wirklich angenehm. Ich war so kraftlos, dass ich mich nicht noch einmal übergeben musste. Also blieb ich einfach liegen. Wenn ich jetzt sterben würde, würde mich das nicht einmal stören. Ich hatte keinen Lebenswillen mehr, mir fehle einfach die Kraft dazu. Doch ich starb nicht. Ein paar Minuten lag ich einfach nur da, überlegend ob ich schlafen sollte oder nicht. Ich wollte schlafen aber doch nicht neben diesem nicht gerade angenehmen Geruch. Kaum ging es mir ein wenig besser meldete sich die Übelkeit wieder zu Wort. Mit letzter Kraft rappelte ich mich auf und schleppte ich mich zum Klo, wo ich mich noch ein paar weitere Male übergab. Der durchdringende Geruch des Klos half mir leider nicht gerade dabei meinen Magen wieder zu beruhigen. Mir wurde immer wieder schwarz vor Augen und ich konnte nicht einmal mehr die halb hockende, halb liegende Position beibehalten. Irgendwann rutschte ich einfach zur Seite. Zum Glück war das Klo so winzig klein, dass mich die Wand stützte und ich trotzdem dem dringenden Bedürfnis meines Körpers nachgehen konnte, meinen Magen bis auf den letzten Tropfen Gallensaft zu entleeren, ohne dass ich mich selbst von oben bis unten bespuckte. Ich war wohl noch einmal eingeschlafen oder ohnmächtig geworden, denn ich zuckte plötzlich durch das Schlagen einer Tür zusammen. Ein paar Sekunden später stand Rame in der Tür des Klos. Ich schaffte es mit Müh und Not ihm in die Augen zu sehen, aber es dauerte einen Moment bis ich ihn überhaupt erkannte. „Rame…“, krächzte ich und versuchte mit dem bisschen Flüssigkeit meines Körpers meine trockenen Lippen zu benetzen, wodurch die kleinen Risse in ihnen brennend zu pulsieren begannen. Er sah mich im ersten Moment nur geschockt an. Warum war er so erschrocken? Sah ich denn so schrecklich aus? Ja, das musste ich wohl. Völlig kraftlos und verloren saß ich hier zwischen Wand und Toilette. Das sah sicherlich nicht gerade heldenhaft aus. Aber warum war er überhaupt hier? Hatte er mich hierher gebracht? Es musste wohl so sein, woher sollte er sonst wissen wo ich war? „Wieso bin…“, meine Stimme brach – wenn man die Töne, die ich von mir gab überhaupt als Stimme bezeichnen konnte. Rame nahm, mit einem besorgten Gesichtsausdruck, meinen Arm und zog mich mehr oder minder gekonnt aus meiner Nische, in der ich es mir so bequem gemacht hatte. „Ist alles in Ordnung mit dir? Ich hab dir was zu trinken mitgebracht.“, sagte er in einem ungewohnt fürsorglichen Ton. Ich brachte nicht mehr als ein schwaches Nicken zu Stande und er lächelte mich verständnisvoll an. Irgendwie schaffte er es mich wieder zurück in das andere Zimmer zu tragen bzw. ziehen und ich glitt zurück in meine Sitzposition, die mir die letzten Minuten oder sogar Stunden im Klo Beistand geleistet hatte. Wenn ich mich nicht an die Wand gelehnt hätte, wäre ich womöglich einfach zur Seite umgefallen. Ich fühlte mich wie gelähmt. Nichts funktionierte mehr. Mein Körper war so ausgelaugt, dass ich das höchstwahrscheinlich selbst gar nicht mehr geschafft hätte und einfach für den Rest meines Lebens in meiner Nische sitzen geblieben wäre. Noch ein paar Poster an die Wand und sie wäre gar nicht so schlecht gewesen. Selbst jetzt konnte ich noch zynisch sein. Rame hockte sich vor mich und strich mir ein paar feuchte Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor er meinen Kopf mit einer Hand stützte und mir eine Flasche Oolong Tee and die Lippen hielt. „Achtung, nicht verschlucken.“, sein Ton war nach wie vor liebevoll. Was war hier los? Was war mir ‚ihm’ los? Wieso war er so anders? So fürsorglich? Mein Gedankengang wurde durch das Gefühl des kalten Tees unterbrochen. Es fühlte sich wunderbar an, als er meinen brennenden Hals hinab lief und der Schmerz langsam verschwand. Ich hätte fast behauptet ich konnte spüren wie mein Körper wieder ein wenig mehr zum Leben erwachte als die Flüssigkeit sich in ihm ausbreitete. Nach ein paar Minuten war die Flasche leer. Rame zog sie weg und lächelte. Ich musste wohl ausgesehen haben wie ein Pandabärenjunges, das gierig an der Zitze seiner Mutter saugt, wenn es endlich wieder etwas zu trinken bekam. Aber es ging mir besser, ein bisschen zumindest. Das war ein guter Anfang. „Wo sind wir?“, konnte ich endlich mit leiser aber zumindest normaler Stimme fragen. Er reagierte gar nicht auf mich, sondern zog eine kleine Schüssel zu sich heran. Unbeirrt tauchte er einen kleinen Lappen in das warme Wasser und begann damit mein Gesicht abzuwaschen, so als hätte er mich nicht gehört. Aber so leise hatte ich doch nun auch nicht gesprochen. Oder hatte ich mir nur eingebildet ich hätte etwas gesagt, weil ich gedacht hatte? Mit der wenigen Kraft, die noch in meinem Körper weilte, schubste ich seine Hand von meinem Gesicht und fragte ihn so energisch es ging: „Wo sind wir? Und wo ist Ayano?“ Plötzlich verschwand der liebevolle Ausdruck auf seinem Gesicht. Er warf den Lappen wütend zurück in die Schüssel und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. „Vergiss endlich Ayano!!“ Ich starrte ihn geschockt an und mein erschrockener Gesichtsausdruck, rief ihn wohl wieder in normale Sphären zurück. Ruckartig umarmte er mich. Presste mich so fest es ging an sich. „Es tut mir leid! So war das nicht gemeint. Ich wollte dir nicht wehtun. Es tut mir so leid.“ Seine Stimme klang als wäre er kurz davor zu weinen. War er so entsetzt über seine eigene Reaktion? Langsam ließ er mich wieder los. Er sah mich an, seine Augen glänzten. Er nahm den Lappen ein weiteres Mal aus der Schüssel. „Ich wollte dich wirklich nicht verletzen. Verzeih mir.“ Noch sanfter als zuvor berührte der warme Lappen die Seite meines Gesichtes, die er geschlagen hatte. Ich ließ es geschehen. Saß einfach nur da und sah ihn an. Warum verhielt er sich so? Warum schlug er mich plötzlich? Und warum entschuldigte er sich gleich darauf so sehr deswegen bei mir? Ich konnte nicht verstehen was das alles sollte. War er wahrhaftig derjenige, der mich hierher gebracht hatte? Weshalb? „Es geht ihm gut, mach dir keine Sorgen.“, sagte Rame plötzlich während er sanft mein Gesicht und später auch meine Arme säuberte. „Er ist… uhm… Er ist im Krankenhaus.“ „Und wo bin ich?“ Ich hatte mich danach erkundigt wie es Ayano ging. Wo er war. Er sollte in Sicherheit und in guten Händen sein. Rames Antwort überzeugte mich nicht. Trotzdem konnte ich diese egoistische Frage nicht unterdrücken. Es dreht sich nicht immer alles um dich, Jui. Eben hast du dich noch um Ayano gesorgt. Kaum hast du eine Antwort, die womöglich noch nicht einmal stimmt und du interessierst dich nur noch für dich. Du hättest ihn fragen sollen, wie es Ayano geht. Du hättest fragen sollen, ob seine Verletzungen schlimm sind. In welchem Krankenhaus er ist. Wieder ignorierte Rame meine Frage einfach und legte den Lappen zurück in die Schüssel, als er fertig war. „Ich werde dir dann noch etwas zu Essen bringen und eine Decke oder so was, damit du’s bequemer hast, ok?“, damit stand er auf, packte seine Sachen wieder zusammen und verließ den Raum. „Wieso bin ich hier?“, rief ich ihm noch hinterher, aber er reagierte nicht darauf. Als er draußen war, hörte ich noch wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Hatte er mich etwa eingeschlossen? Ich wollte nachsehen, ob meine Befürchtung stimmte, aber ich konnte einfach nicht die Kraft aufbringen mich wirklich in Bewegung zu setzen. Ich würde schon früh genug erfahren ob es so war oder nicht. Ich starrte an die Decke und sah der Lampe oder wohl besser der Glühbirnenfassung zu, wie sie im Luftzug sanft hin und her schwang. Aber wenn er mich tatsächlich eingeschlossen hatte… war das dann nicht so eine Art Entführung? Oder zumindest Freiheitsberaubung? Der Gedanke kam mir lächerlich vor. Wieso sollte er mich denn entführen? Aber ich wurde ihn nicht mehr los. Ich war in irgendeinem heruntergekommenen Zimmer. Ohne jeglichen Schimmer wo es sich überhaupt befand. Ich war allein. Und Rame schloss die Tür ab. Ok, das war nur eine Vermutung. War ich nur paranoid? War alles nur Einbildung? Vielleicht träume ich auch nur. Ja, das muss es wohl sein. Ich träume immer noch und ich wache bald in meinem weichen Bett wieder auf. Gekitzelt von der Sonne. Vielleicht auch neben einer schönen Frau. Aber Träume waren doch nicht so lang und hatten keinen roten Faden. Keine logische chronologische Entwicklung. Tauchten nicht in Träumen plötzlich Menschen auf, die vorher überhaupt nicht da waren? Träume waren oft absurd, so wie meine Situation im Moment, das mochte ja stimmen. Aber alle Begebenheiten hatten eine irgendwie sinnvolle Reihenfolge. Wenn dies wirklich ein Traum war, was wollte er mir dann sagen? Welche Ängste in mir spiegelte er dann wider? Und wieso tauchte dann plötzlich dieser Junge von der Party auf, dessen Namen ich gar nicht wissen konnte? Oder war das noch Realität gewesen? Und ich träumte nur, dass ich diesem Zimmer gefangen war. Wenn ich dazu fähig gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich wie ein gefangener Tiger in seinem viel zu engem Gehege im Zimmer hin und hergelaufen. Panisch. Gelangweilt. Auf der Suche nach einem Ausweg. Ach es hat doch alles keinen Sinn. Egal ob Traum oder nicht, es ist zum kotzen. Aber ein Traum wäre mir schon lieber als die Realität. Wie aus dem Nichts meldete sich plötzlich die Natur zu Wort. Ich musste dringend mal auf die Toilette. Na super. Auch das noch. Konnte mein Körper sich nicht einfach mal zurückhalten und warten bis ich wieder etwas fitter war?! Nein, natürlich nicht. Es war doch immer so. Aber träumte man auch davon dringend auf die Toilette zu müssen? Also ich hatte zumindest noch nie davon geträumt. Aber das war jetzt auch unwichtig. Wichtig war nur, dass es nun einmal Fakt war und ich mich besser beeilen sollte. Also musste ich noch einmal meine Kräfte mobilisieren und mich zum Klo schleppen. Ich hatte das Gefühl mein Körper würde nur noch aus Schwäche und mir nicht wirklich gehorchenden Muskeln bestehen. An der Wand entlang tastend bahnte ich mir den Weg zum WC, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Zum Glück konnte niemand sehen wie ich hin und her strauchelte obwohl ich nicht einmal nur auf zwei Beinen, sondern zwei Beinen und zwei Armen herumkroch. Ich fühlte mich wie ein Idiot. Schließlich hatte ich meinen Bestimmungsort erreicht, aber nicht einmal mein jetziger Zustand konnte mir den Stolz oder die Scham nehmen, vor meinem Geschäft noch die Tür zu schließen. Alles danach artete zu einem weiteren Kampf aus. Denn ich musste mich ja irgendwie hinstellen um mich zumindest meinen Hosen zu entledigen, den Rest erledigte ich allerdings im sitzen, da ich es sehr wahrscheinlich nicht geschafft hätte so lange stehen zu bleiben. Dazu kam noch, dass ich es nicht geschafft hätte überhaupt still zu stehen. Noch mehr unangenehme Gerüche wollte ich mir wirklich ersparen. Ein kleiner Lichtblick ergab sich als ich sogar Klopapier in der Ecke entdeckte. Ich brauchte es zwar jetzt nicht, aber später würde ich sicher darauf zurückgreifen müssen. Mit Ach und Krach schaffte ich es schließlich auch mich wieder anzukleiden und noch ein Wunder geschah. Die Klospülung funktionierte tatsächlich. Auch wenn ich beim Betätigen fast in die Toilette gefallen wäre, da ich das Gleichgewicht verlor, als ich mich nach vorn beugte. Das hätte ich wohl besser auch im sitzen machen sollen. Das nächste Mal bist du klüger. Gerade als ich mit zitternden Beinen die WC-Tür wieder öffnete, hörte ich wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Also hatte er mich tatsächlich eingeschlossen. Aber mir blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken, da Rame gleich , als er den Raum betreten und mich entdeckt hatte, auf mich zukam und sich mir als Stütze anbot. Er legte meinen Arm um seine Schulter und brachte mich langsam zu meinem angestandenen Plätzchen zurück. Warum war er nur plötzlich so nett und hilfsbereit? Ok, warum wunderte ich mich eigentlich?. Sollten Freunde sich nicht so umeinander kümmern? Aber irgendetwas störte mich gewaltig. Warum schloss er mich hier ein? Hatte er deswegen ein schlechtes Gewissen und kümmerte sich darum so aufopfernd um mich? Hatte er etwas mit meinem Zustand zu tun? „Dir scheint es ja schon etwas besser zu gehen.“ „Ein wenig…“ „Na dann wird es dir nach dem Essen sicher noch etwas besser gehen.“, sagte er mit seinem aufbauensten Lächeln. Irgendwie machte mir seine plötzliche Freundlichkeit Angst. Es war nicht so, dass er früher nicht nett zu mir gewesen ist, aber nach all den Geschehnissen und seinem gestrigen Verhalten… gestriges Verhalten… war es denn überhaupt Gestern gewesen? Oder vielleicht schon vor drei Tagen oder sogar noch länger her? „Den wievielten haben wir heute?“ „Mmh? Wieso fragst du mich das?... Versuch dich mal ein paar Sekunden allein auf den Beinen zu halten.“ Er ließ mich los und öffnete die Tür, die in die Freiheit führte. Hätte ich die Kraft gehabt, wäre ich sofort hinausgerannt, aber ich konnte mir bildlich vorstellen wie das wohl enden würde. Und zwar, dass ich in Zeitlupe versuchen würde hinaus zu kriechen. In der Zeit hätte er das Zimmer neu tapezieren können. Außerdem musste ich jetzt schon genug Kraft aufbringen und mich an der Wand festkrallen damit ich stehen blieb. „Weil ich kein Zeitgefühl mehr habe… war das alles gestern?“ Rame zerrte eine Matratze ins Zimmer. „Ja, das war gestern.“ „Mmh, ok.“ Er legte die Matratze an die Stelle, wo ich aufgewacht war… heute Morgen… oder Nachmittag… oder wann auch immer. „Hier. Jetzt hast du’s etwas bequemer, wie versprochen.“, sagte er mit einem Lächeln und deutete auf die Matratze. Rame legte erneut meinen Arm um seine Schulter und geleitete mich so zu der Matratze auf der ich mich endlich wieder hinsetzen konnte. „Ich hab auch eine Decke mitgebracht.“ „Wie spät ist es jetzt?“ „Es ist… lass mich nachschauen… es ist jetzt halb fünf Uhr abends.“, nebenbei kramte er die Decke aus seiner riesigen Tasche, die mich eher an eine Reisetasche erinnerte, als an eine Handtasche. Behutsam drapierte er sie über mich. Wenn er einen solchen Aufwand betrieb um es mir hier gemütlich zu machen, hieß das wohl, dass er nicht vorhatte mir so bald meine Freiheit zurück zu geben. Aber wieso wollte er das nicht? Wieso hielt er mich hier gefangen? Rame hatte währenddessen drei Packungen ChickenMcNuggets aus seiner Tasche gekramt und hielt sie mir jetzt unter die Nase. „Die sind seit heute wieder für 100Yen im Angebot. Deswegen hab ich gleich zwei Packungen mehr mitgebracht. Und vielleicht hast du auch später noch Hunger, falls du sie jetzt nicht schaffst.“ Er legte sie in meinen Schoß und die Barbecuesoße daneben. „Mmh. Danke.“ Ein Lächelnd umspielte seine Lippen und er setzte sich auf eine Ecke der Matratze neben mich und packte sein eigenes Menü, das aus zwei Burgern bestand aus. „Itadakima~su.“, sagte er und biss sofort genüsslich in einen der Burger. Als ich eine der Packungen öffnete und mir, seitdem ich wach war, endlich wieder ein angenehmer Geruch in die Nase stieg, meldete sich auch sogleich mein Magen zu Wort. „Scheinst Kohldampf zu haben. Dann war’s ja gar nicht so schlecht, dass ich gleich drei Packungen mitgebracht hab.“, nuschelte Rame mit halbvollem Mund in meine Richtung. Ich ignorierte ihn einfach, da mir die fünf leckeren Häppchen in meiner zitternden Hand gerade viel wichtiger waren, als sein Gelaber. Soweit ich mich erinnern konnte hatte ich noch nie so schnell etwas in mich hineingeschaufelt, und erst Recht nicht in einem solchen Zustand. Normalerweise reichte mir eine Packung für ein paar Stunden völlig aus. Aber dieses Mal dippte ich noch als krönenden Abschluss mit dem Finger die Reste der Barbecuesoße auf. Kaum hatte auch Rame sein Mahl beendet, kramte er ein paar feuchte Tücher und noch eine 1,5l Flasche Oolong Tee hervor und überreichte sie mir geradezu feierlich. „Händewaschen nicht vergessen… und der Tee dürfte für die nächsten Stunden reichen. Ich komm später noch einmal vorbei, dann kannst du dich richtig waschen. Hier gibt’s leider keine Dusche oder ein Waschbecken, aber es wird schon gehen.“, wieder strahlte er übers ganze Gesicht. Ihm schien es viel Spaß zu machen sich um mich zu kümmern. Aber eins konnte er sich schon mal abschminken. Ich würde mich nicht von ihm waschen lassen. Rame packte gerade den ganzen Müll zusammen. „Ach und den Fleck wisch ich dann auch noch weg.“, er deutete auf die Stelle, wo ich mich auf den Boden übergeben hatte, und grinste. „Nicht, dass du dich da noch aus Versehen drin suhlst. Da steh ich nämlich nicht drauf.“ Wenn das nicht eindeutig war. „Rame? Was soll das alles hier?“ „Was denn?“ „Warum bin ich hier? Und wo bin ich überhaupt?“ Ich wünschte mir, ich könnte mehr Ausdruck in meine Stimme bekommen, aber außer einer gleichgültigen Tonlage konnte ich nichts fabrizieren. Ich sollte eigentlich froh sein, dass ich die Kraft aufbringen konnte in ganzen Sätzen zu sprechen. Er kam wieder auf mich zu, hockte sich vor mich. Seine Hand streichelte über mein Haar und mein Gesicht. „Mach dir darüber jetzt keine Gedanken, Jui. Ich werd’s dir sagen, wenn der Zeitpunkt der Richtige ist. Ruh dich erstmal noch ein wenig aus. In ein paar Stunden bin ich wieder da.“ Damit stand er auf, nahm seine Tasche und den Müll, und verließ den Raum. Natürlich nicht ohne die Tür zu zuschließen. Also war ich wieder allein. Allein in diesem modrigen, ätzenden Zimmer. Allein, ohne eine Ahnung zu haben warum, auch wenn ich die schlimmsten Befürchtungen hegte. War das, was Rame mir gestern gesagt hatte, die Wahrheit? Wollte er mir immer noch ‚eins reinwürgen’, wie er sich ausgedrückt hatte? Trotz dem Fakt, dass ich die Situation klargestellt hatte? War das nur ein weiterer Punkt auf seiner ich-mach-Jui-fertig-Liste? Aber warum war er dann so nett? Wollte er mich auch mit dieser Freundlichkeit fertig machen? Er hatte ja auch gut zu lachen. Ihm ging es offensichtlich prächtig. Und er konnte sich frei bewegen. Gehen wohin er wollte. Er war nicht in einem dreckigen kleinen Zimmer eingesperrt, in dem es zog und langsam immer dunkler wurde, da die Sonne unterging. Er konnte sich wenigstens ablenken und musste nicht gelangweilt an die Decke starren um den sich wiederholenden Schwingungen der Glühbirnenfassung zu folgen. Ich musste wohl über meinen deprimierten Gedanken eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, war das ganze Zimmer in goldenes Licht getaucht. Und es flackerte. Kerzen? Mich auf einen meiner Ellenbogen abstützend sah ich, dass ich mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte. Leider hatte der Schlaf mich noch nicht von dem Gefühl befreit, meinen Körper nicht unter Kontrolle zu haben. Er zitterte noch immer bei jeder Bewegung. Ich schaffte es jedoch mich – wenn auch recht mühsam - richtig hinzusetzen. Erst jetzt sah ich, dass Rame noch da war. Er war gerade damit beschäftigt ‚den’ Fleck wegzuwischen, als er bemerkte, dass ich mich bewegt hatte und zu mir sah. „Schön, dass du jetzt wach bist. Schau mal, sind die Kerzen nicht schön? Und sie duften sogar. Ich hoffe sie vertreiben etwas den Geruch.“ Ich schaute mich noch ein weiteres Mal im Zimmer um. Er hatte den Boden um mich und die Matratze mit kleinen Teelichtern verziert. Es sah wirklich schön aus. Wenn ich in einer anderen Situation gewesen wäre, hätte ich es sogar romantisch gefunden. „Das hoffe ich auch.“ Er wrang noch einmal den Lappen in der kleinen Schüssel aus und legte ihn dann beiseite. „Ich hab noch etwas zu Essen mitgebracht, falls du noch Hunger haben solltest.“ „Im Moment nicht. Danke.“, ich war noch viel zu voll von den ChickenMcNuggets. „Gut, dann heben wir es für später auf. Willst du was trinken?“ Oh man, und wie. „Ja, gerne.“ Wieso war ich so höflich zu ihm? Wir kannten uns doch, weshalb also so ein höfliches Miteinander? Lag es daran, dass er so zuvorkommend zu mir war oder einfach nur daran, dass er mir immer mehr wie ein Fremder vorkam? Oder wie jemand, der tausend Persönlichkeiten hatte? Wahrscheinlich beides. Rame nahm ein Glas, wo auch immer er es hergezaubert hatte, und füllte etwas Tee hinein, bevor er es mir mit einem Lächeln in die Hand drückte. „Aber nicht kleckern. Ich bin nicht so ein Putzteufel, du kennst mich ja … Ich hätte dir wohl eine kleinere Flasche mitbringen sollen, ich hab nicht dran gedacht, dass du vielleicht Probleme mit einer großen Flasche hast. Das nächste Mal denke ich aber dran.“ „Sagst du mir jetzt was das hier soll?“ „Ach Jui, musst du immer so ungeduldig sein. Ich sagte doch, dass ich es dir im passenden Moment schon sagen werde. Aber jedes Mal wenn du mich fragst passt es sowieso nicht.“ Er führte meine Hand mit dem Glas zu meinem Mund. „Jetzt trink doch erstmal und dann machen wir uns einen schönen Abend.“ Mit dem bitteren Beigeschmack seiner Worte trank ich das Glas aus. Was sollte das nun wieder heißen? Einen schönen Abend machen. In dieser Bruchbude? Ohne TV oder Playstation oder sonst irgendwas in der Art. Ok, außer zum TV schauen wäre ich wohl zu nicht viel zu gebrauchen. Playstation könnte ich nur im Zeitlupenmodus spielen. „Willst du noch was?“ „Erstmal nicht.“ „Ok, dann willst du dich sicher waschen, oder?“ Stimmt, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Wie gerne ich jetzt in einer heißen Wanne liegen würde, mit den Kerzen darum drapiert und ganz viel Schaum. Später würde ein hübsches Mädchen mit einem Tablett, auf dem eine Schüssel Erdbeeren und zwei Gläser Champus standen, herein kommen. Sie würde das Tablett auf dem kleinen Schränkchen neben der Wanne abstellen und zu mir in Wanne steigen. Mit mir anstoßen und mich mit den Erdbeeren füttern. Was für ein schnulziger Klischeetraum war das denn? Aber er hatte etwas. Tausendmal besser als die Realität. „Wo denn?“ „Na hier. Wo sonst?“ „Aber du bist hier… und… und hier gibt’s kein Bad.“ „Ich werd dir schon nichts abschauen, keine Panik. Ich weiß wie Männer aussehen.“, sagte er grinsend. „Darum geht es nicht.“ „Du schämst dich doch nicht etwa?!“ „Wenn du es so nennen willst…“ „Ach, du bist so süß!“, er sah mich einem Blick an, der mich extrem an diese ganzen dummen Mädchen erinnerten, die ihre Stars anhimmelten. „Auch wenn ich dich noch nie nackt gesehen hab es gibt garantiert nichts wofür du dich schämen müsstest.“ „Ich bin nicht süß.“ „Doch, bist du, aber das ist jetzt unwichtig. Ich hab dir warmes Wasser, Seife und ein Handtuch mitgebracht. Mehr als Katzenwäsche ist leider nicht drin.“ „Stell’s ins Klo, ich komm gleich.“ Etwas widerwillig stand Rame auf und brachte die Waschutensilien ins Bad. Er war offensichtlich enttäuscht, dass ich ihm weder eine Piepshow zeigen würde noch ihn aufforderte mir zu helfen. „Ach das hätte ich ja fast vergessen. Ich hab dir auch frische Wäsche mitgebracht.“ „Hoffentlich keine Kleidchen von dir.“, stöhnte ich während ich versuchte auf die Beine zu kommen. Ich wollte mir vor Rame auf keinen Fall die Blöße geben und auf allen Vieren herumkriechen. Das war mir ja schon vor mir selbst unangenehm. „Nein, nein. Die stehen dir nicht. Die sind nur was für mich. Ich war bei dir daheim und hab welche von dir geholt.“, antwortete er, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. Ich sah ihn geschockt an, doch er ignorierte es einfach und half mir stattdessen auf die Beine und bugsierte mich ins WC. „Du warst bei mir?!“ „Ja, klar. Wo hätte ich sonst deine Sachen herholen sollen?“ „Das ist Einbruch.“ „Ach hab dich nicht so. Wäre es dir lieber die alten Sachen nach dem waschen wieder anzuziehen?“ Ich senkte den Blick. Natürlich waren frische Klamotten weitaus angenehmer. „Siehst du?!“, er lächelte wieder. „Wenn du Hilfe brauchst, schrei einfach.“ „Ich werd’s schon schaffen. Und wehe du kommst einfach so rein.“ Rame kicherte. „Nein, ich respektiere deine Privatsphäre.“, mit diesen Worten schloss er die Tür. Derselbe Kampf wie vor ein paar Stunden begann von neuem. Wenigstens hatte ich diesmal einen etwas sichereren Stand auf meinen Beinen, aber einfach war es trotzdem nicht. Ich musste mich oft hinsetzen. Zur Sicherheit das Rame nicht durchs Schlüsselloch schauen konnte, hatte ich das Handtuch von innen vor die Tür gehangen. Nach circa einer halben Stunde hatte ich es geschafft mich überall zu waschen und wieder anzuziehen. Rame war ein paar Mal rüber gekommen um zu fragen ob ich Hilfe bräuchte, aber er ließ sich zum Glück immer wieder abwimmeln. So konnte ich frisch gewaschen und völlig fertig die Tür öffnen, wobei Rame gleich aufsprang um mich zurück zur Matratze zu geleiten. Komischer Typ. Kaum hatte ich mich an der Wand herunter in eine Sitzposition gleiten lassen, hörte ich plötzlich ein Klopfen. „Was war das?“ „Was?“ „Das Klopfen.“ „Ich hab nichts gehört…“ „Da. Das Klopfen meine ich.“ „Mmh, vielleicht regnet es oder ein Ast schlägt gegen das Haus.“ „Da. Da ist es schon wieder. Das ist doch kein Ast.“ „Was soll es denn sonst sein?“ Kapitel 8: Echte Liebe? ----------------------- Lang lang hat's gedauert, aber hier ist es nun endlich das 8. Kapitel ^^ fürs lange warten werdet ihr aber auf jeden fall belohnt... kommt viel raus ^^ ich hoffe es gefällt und bleibt spannend ^^ viel spaß beim lesen [comments/critics wie immer erwünscht ^^] [P.S. ein großes Danke an Ney fürs betalesen *hug*] 8. Kapitel Echte Liebe? „Was soll es denn sonst sein?“ „Für mich klingt es eher nach jemandem, der gegen die Wand schlägt.“ sagte ich leise. Rame lachte. „Na du bist mir Einer. Wer soll denn bitte hier gegen die Wand klopfen?! Hier ist niemand außer uns.“ Ich sah Rame an. Versuchte in seinem Blick zu lesen, ob er die Wahrheit sagte oder nicht. Doch ich konnte weder das Eine noch das Andere erkennen. Sein Gesicht schien eine perfekte Maske zu sein, die es mir nicht ermöglichte seine wahren Gefühle zu deuten. So blieben meine Zweifel. „Ich weiß es nicht.“, antwortete ich kleinlaut und senkte den Kopf. Rame lehnte sich nach vorn und strich mir ein weiteres Mal über die Wange. Ich wich zurück. Ich wollte einfach nicht, dass er mich berührte. Ich wollte, dass er mich hier raus ließ und ich ihn für eine ganze Weile nicht mehr sehen musste. Aber mir war klar, dass sich dieser Wunsch nicht so schnell erfüllen würde. Natürlich bemerkte Rame meine Abneigung und sah mich gekränkt an. „Was ist los? Ich will dir doch nichts Böses. Warum weichst du vor mir zurück?“ Meine Antwort bedurfte eines Moments. Ich konnte ihm doch nicht direkt ins Gesicht sagen, dass ich seine Berührungen nicht mochte. Oder doch? Ich haderte mit mir selbst. Ich schuldete ihm nichts, denn alles was er tat beruhte auf seiner Einbildung, zumindest war das mein Gefühl. Er hatte offensichtlich nicht bemerkt, dass ich diese Art von Zuneigung nicht ausstehen konnte. Nicht von ihm. „Gut. Wenn du nicht willst, dann werde ich jetzt gehen!“, sagte er beleidigt. Ich ließ ihn ziehen. Was hätte ich auch sonst tun können, außer ihn zu bitten bei mir zu bleiben, was ich auch nicht wollte?! Schnurstracks packte er seine Sachen zusammen und verschwand, fast schneller als ich schauen konnte. So ließ er mich zurück, inmitten von brennenden Teelichtern. Allein. Und das Klopfen war weiterhin in unbestimmten Abständen zu hören. Was sollte ich tun? Ich war sicher, dass es jemand sein musste. Es war kein Ast oder Regen. Es war eine Person. Das war sicher. Das war das, was ich mir herbeiwünschte. Nichts anderes als ein Mensch. Jemand, der mir eventuell helfen konnte. Das hoffte ich. Einige Minuten blieb ich allein in dem Zimmer sitzen, hörte das Klopfen, war mir unschlüssig was ich tun sollte. Doch dann musste ich einfach versuchen heraus zu finden was es war. Ich stemmte mich gegen die Wand, um auf die Beine zu kommen. Es fiel mir nicht mehr ganz so schwer wie noch vor ein paar Stunden. So schaffte ich es recht schnell mich aufzurichten. Trotzdem ließ ich den sicheren Halt der Wand nicht zurück. Ich stützte mich an ihr ab und lief zu der Wand, von der ich glaubte, dass von dort die Geräusche kamen. Ich lauschte. Das Klopfen war verschwunden. Trotzdem blieb ich stehen. Wartete. Nach ein paar Minuten hörte ich es wieder. Ich lag richtig. Es musste von hier kommen. Als Antwort klopfte ich ebenfalls gegen die Wand. Ich wünschte mir, ich könnte Morsezeichen, doch selbst wenn ich es beherrscht hätte, wäre nicht sicher gewesen, dass auch mein Gegenüber damit etwas anfangen konnte. Trotzdem klopfte es wieder. Ich gab ein weiteres Mal ein Klopfen als Antwort. Was auch immer ich davon hatte. Denn was würde es mir bringen immer wieder gegen eine Wand zu schlagen ohne zu wissen, ob sich wirklich jemand auf der anderen Seite befand? Vielleicht war es einfach nur Zufall, dass ich immer genau in den Pausen klopfte. Aber vielleicht auch nicht. Das war alles was mir blieb, die Hoffnung. Die Hoffnung, hier raus zu kommen. Noch nicht einmal um Rame zu entwischen, sondern um einfach wieder frei zu sein. Das zu tun, was ich wollte und nicht hier zu sitzen. Hier zu sitzen und darauf zu warten was als nächstes passierte. Einige Zeit stand ich nur da und schlug immer wieder gegen die Wand… es änderte sich nichts… es war immer nur ein Klopfen als Reaktion wahrzunehmen. Meine Hoffnung schwand. Selbst wenn sich eine andere Person auf der anderen Seite der Wand befinden sollte, was konnte sie schon tun um mir zu helfen? Nichts. Sie konnte ganz sicher keine Wand durchbrechen. Und wenn sie in der Lage gewesen wäre, die Polizei oder andere Hilfe zu Rate zu ziehen, dann hätte sie das doch schon längst getan oder nicht? Deprimiert sank ich zurück, setzte mich auf den Boden. Was sollte das alles? Wieso war ich so dämlich zu glauben es gäbe einen Weg hier weg zukommen ohne gegen Rame kämpfen zu müssen? Wie konnte ich so naiv sein? Es gab keinen Ausweg. Ich seufzte. Es nützte doch alles nichts. Ich konnte wohl für die nächste Zeit meine Freiheit verabschieden. Ich hatte nicht die Kraft, um Rame zu überwältigen, und eine andere Möglichkeit gab es wohl nicht… Als ich plötzlich ein lautes Krachen vernahm und mir irgendwelche Scherben buchstäblich um die Ohren flogen, hätte ich fast vor Schreck laut aufgeschrien. Geschockt und überrascht sah ich ihnen hinterher. Sie hatten sich im halben Raum verteilt. Wo kamen die denn her? Hier gab es doch gar kein Fenster. Mein Blick streifte zurück an den Ort, wo sie meines Erachtens her gekommen sein mussten. Ich erblickte ein Loch in der Wand. „Was?!…“ Ohne darüber nachzudenken sprang ich auf und stellte mich ein paar Zentimeter neben das in der Wand klaffende Loch, wo vor ein paar Minuten noch ein Spiegel gehangen hatte. Zögernd streckte ich meinen Hals, um zu schauen, was da war, und wie aus dem Nichts tauchte ohne Vorwarnung Ayanos Gesicht vor mir auf. Fast wäre ich wieder rückwärts nach hinten gefallen. Doch ich konnte mich gerade noch am unteren Ende des Loches festhalten, was nicht gerade die beste Idee war. Denn unmittelbar schnitten sich die Überreste des Spiegels in meine Hand. „Itte~…“, stöhnte ich, als sich der Schmerz durch meinen Körper zog. Ich spürte, wie warmes Blut kurz darauf an meiner Hand hinab floss. Doch das kümmerte mich nicht. Nicht jetzt. Ayano! War es wirklich Ayano gewesen, oder hatte ich schon Wahnvorstellungen? Zögernd, aus Angst ich könnte mich doch geirrt haben, sah ich von meiner Hand aufwärts, bis mein Blick das Loch in der Wand erreichte. Da war er. Ayano. Er war tatsächlich hier! War er gekommen um mich zu befreien? „Ayano…“, flüsterte ich ungläubig. „Was… was machst du hier?“ „Jui! Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Dir geht es doch gut, oder hat Rame dir etwas angetan?“, er ignorierte meine Frage, oder war selber einfach zu überrascht mich hier zu sehen, dass er es einfach vergaß. „Nein, nein. Er hat mir nichts angetan, außer mich hier einzusperren zumindest.“, antwortete ich trocken. Ayanos Augen spiegelten Freude und zugleich Trauer wider. „Was hast du? Er hat doch nicht etwa… dir… also dich verletzt?“ Ayano schüttelte bedrückt mit dem Kopf. „Nein, er hat nichts gemacht. Aber… jetzt sitzen wir hier beide fest. Wie sollen wir denn hier je wieder rauskommen? Außer Rame hat irgendwann genug von uns, aber ich glaube nicht, dass er uns dann mal eben gehen lässt… ich will gar nicht daran denken…“ Als würden wir uns Jahrelang kennen, strich ich ihm rein aus Reflex über die Wange. „Hey, jetzt mach dir mal nicht so viele Gedanken, dass ist nicht gut für die Haut…“ versuchte ich ihn ein wenig aufzumuntern. „Wir finden schon einen Weg, schließlich sind wir jetzt zu zweit und Rame ist allein. Zusammen können wir ihn ganz leicht überwältigen.“ Ein Lächeln huschte über Ayanos Lippen. „Du hast Recht.“ Ich lächelte zurück. „Genauso sollte es immer sein. Du bist viel schöner, wenn du lächelst. Du solltest es wirklich öfter tun.“ Gedankenverloren strich ich ein weiteres Mal über seine Wange. Was hatte er nur durchgemacht in seinem Leben? Es war nicht das erste Mal, dass ich mir diese Frage stellte, aber sie kam doch immer wieder, wenn ich in seine Augen sah. Selbst wenn er lächelte, spiegelten sich Trauer und Schmerz in seinen Augen wider. Nie lachten seine Augen, zumindest nicht seitdem ich näheren Kontakt zu ihm hatte. Ich versuchte dieses ungute Gefühl beiseite zu wischen und die wichtigeren Dinge im Moment in Angriff zu nehmen. „Meinst du, du kannst durch das Loch klettern?“ Er zögerte. „Ich würde es ja selbst tun, aber ich bin gerade nicht in der körperlichen Verfassung um das zu tun. Es tut mir leid dich darum bitten zu müssen…“ „Ich schaff das schon… irgendwie. Es nützt schließlich nichts, wenn wir uns in getrennten Zimmern aufhalten, wenn wir Rame überwältigen wollen.“ Ich sah ihn überrascht an. Wo hatte er plötzlich diesen Enthusiasmus her? Gefolgt von einem Lächeln, nickte ich ihm zu. „Ok, ganbatte!... ah, Moment. Ich hab hier eine Decke, die können wir über das Glas legen. Es reicht, wenn sich einer schneidet.“ Mit etwas Mühe gelang es ihm schließlich durch das Loch zu klettern. Geschafft setzten wir beide uns auf die Matratze und lehnten uns an die Wand „Du weißt gar nicht wie froh ich bin, dass es dir gut geht.“, ich stockte. „Den Umständen entsprechend natürlich.“ Mein Blick suchte den Seinen. Seine Augen glänzten leicht. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Da mir nichts Besseres einfiel lächelte ich ihn einfach an und zum ersten Mal schenkte er mir ein echtes und aufrichtiges Lächeln zurück. Dieses Mal sah ich nur Freude in seinen Augen, nichts anderes. Kein Leid, kein Schmerz. Nur Freude. Ich konnte nicht anders als ihn zu umarmen. Das wollte ich schon lange tun. Schon in Rames Wohnung hatte ich das Bedürfnis verspürt das zu tun, doch jetzt tat ich es nicht um dieses Bedürfnis zu stillen. Es war einfach nur eine Reaktion, die ich nicht verhindern konnte. Dieses Gefühl. Seine Augen. Ich wollte ihn einfach nur bei mir wissen. Die Wärme spüren, die er mir eben gezeigt hatte. Wider Erwarten umarmte auch Ayano mich. Ich hatte nicht damit gerechnet, eher dass er meine Umarmung über sich ergehen lassen würde. Doch nun krallten sich seine Finger fast schmerzhaft in meinen Rücken. Wie lange hatte ihn schon niemand mehr umarmt? Wie lange hatte er sich wohl schon danach gesehnt? Es gebraucht? Ich umarmte ihn ein wenig fester. Drückte ihn an mich. Seit das mit Sakai-sensei passiert war, hatte ich nie wieder ein so wohliges und gut tuendes Gefühl gehabt, wenn ich jemanden umarmte. Nie hatte ich mich wieder so geborgen und sicher gefühlt, wie in diesem Moment. Sakai-sensei… Die Erinnerungen an diesen Tag übermannten mich plötzlich erneut. Ich wollte mich nicht daran erinnern, ich wollte es für immer verdrängen. Warum kamen sie ausgerechnet jetzt zurück, wo ich seit langem wirklich glücklich war? Warum ausgerechnet jetzt?! Es war ein ganz normaler Tag gewesen. Anfangs. Ich war gerade 15 geworden und hatte erst meinen Abschluss gemacht. Nun stand ich kurz vor der wichtigen Prüfung, die man absolvieren musste, bevor man auf die Oberschule gehen konnte. So saß ich schon seit Wochen in meinem Zimmer und lernte, oder ich ging zum Nachhilfeunterricht in der Schule, der extra für diese Prüfung angeboten wurde. Für den heutigen Tag hatte ich mir etwas Ruhe vorgenommen. Immer nur lernen brachte einen schließlich auch nicht weiter, wenn man mit seinen Gedanken immer wieder abdriftete, weil man keine Auszeit nahm. Also traf ich mich mit Freunden, um im Yoyogi-Park ein Picknick zu machen und die Mädels abzuchecken, die sich zu dieser Jahreszeit zu Hauf in den Parks tummelten. Die Sonne brannte auf uns hinab. Der Sommer in Tôkyô konnte wirklich schrecklich sein. Wir machten es uns unter einem Baum gemütlich und tranken heimlich ein paar Bier, die uns ein älterer Schüler besorgt hatte. Schließlich waren wir noch nicht 20 und somit durften wir offiziell noch keinen Alkohol trinken. Wir feierten, alberten herum und machten hier und da ein paar Mädels an. So wie es in diesem Alter normal war. Bis ich einen Anruf erhielt. Überschwänglich nahm ich ab. „Hai, hai?“ Es dauerte eine Weile, bis sich die Person am anderen Ende meldete. Ich hatte sogar vergessen nachzusehen wer es überhaupt war. „Moshi, moshi? Wer ist da?“ Ein Schluchzen ertönte am anderen Ende. „Ich bin’s, Jui. Papa.“ Mein Herz schien stehen zu bleiben. Wieso weinte er? „Papa! Was ist los? Ist etwas passiert?“ Unbewusst war ich aufgesprungen, bereit, sofort loszurennen, wenn es etwas Schlimmes war. „Deine Mutter…“ „Was? Was ist mit meiner Mutter? Was ist passiert?“ „Sie… sie hatte…“, er schluchzte erneut. „Sie hatte einen Unfall, Jui.“ Wie versteinert stand ich da. Meinen Herzschlag konnte ich in meinem Kopf spüren. Ich sagte nichts. Meine Gedanken überschlugen sich. War sie etwa…? „Jui, bitte komm’ sofort ins katholische Krankenhaus. Das in der Naka-Ochiai, du weißt welches?“ „Hai.“, sagte ich kaum hörbar. „Beeil’ dich!“ Damit hörte ich nur noch das Freizeichen. Ich stand da und lauschte auf meinen Herzschlag und das Tuten des Telefonhörers. Was war passiert? War es schlimm? Würde sie sterben? Würde ich sie verlieren? Für immer? Tränen formten sich in meinen Augen. Meine Freunde starrten mich irritiert an. „Ich… ich muss weg!“, mit diesen Worten rannte ich einfach los. Ein Taxi, ein Taxi. Ich brauchte ein Taxi! Ich sprang fast auf die Straße, um die Taxifahrer auf mich aufmerksam zu machen. Endlich hielt Eines an und ich stieg ein. Das Krankenhaus war nicht weit entfernt, aber ich wollte so schnell wie möglich dort sein. Am liebsten hätte ich mich dorthin gebeamt. Ich wünschte, es wäre so einfach. Die Fahrt kam mir endlos vor, doch dann erreichten wir das Hospital. Ich warf dem Fahrer meine halbe Geldbörse hin und verschwand nach drinnen. Mein Vater stand in der Empfangshalle. Ich fühlte mich wie gelähmt. Mein ganzer Körper war taub, als ich langsam auf ihn zuging. Er sagte nichts. Stattdessen zog er mich an sich und umarmte mich mit tränenüberströmtem Gesicht. „Wie… wie… geht es ihr?“, fragte ich ihn mit erstickter Stimme. Er sagte noch immer nichts, sondern drückte mich nur noch fester an sich. So standen wir dort, mitten unter tausenden von Menschen. Hielten uns in den Armen und weinten. Mir war klar, was das bedeutete. Ich wusste es. Ich hatte es schon gewusst, als ich ihn gesehen hatte. „Jui… deine Mutter… sie… sie ist… jetzt“, er brach ab und wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. Dann zog er meinen Kopf hoch, so dass ich ihm in die Augen sehen konnte. „Sie ist jetzt… an einem besseren Ort.“ Ich sah ihn an. Ich hatte es nicht hören wollen. Ich hatte diese Worte nicht hören wollen. „Nein....“ Mein Körper fing an, unkontrolliert zu zittern. „Nein, das kann nicht sein.“ Tränen liefen unaufhaltsam meine Wangen herab. „Sie ist nicht tot! Sie ist nur auf Arbeit. Sie ist NICHT tot!“ Meine Beine gaben unter mir nach. Ich fiel auf den Boden und blieb da sitzen. Und weinte. Mein Vater kniete sich vor mich und zog mich erneut in seine Arme. „Sie ist nicht tot. Papa, sag, dass sie nicht tot ist. Sie ist nur auf Arbeit. Sie wartet heute Abend wieder mit Tempura auf uns. Heute ist doch Donnerstag, da hat sie immer Tempura gemacht…“ Meine Stimme brach. Mein Vater drückte mich fest an sich. Und ich spürte wie seine Tränen mein T-Shirt durchnässten. „Sie ist nicht tot... Papa. Sie ist nicht tot.“ Die Tage danach waren wie ein Traum. Ich verkroch mich in meinem Zimmer und weinte. Ich konnte nichts anderes als zu weinen. Wieso musste es ausgerechnet sie treffen? Wieso musste es ausgerechnet unsere Familie treffen? Es verging ungefähr eine Woche bis ich endlich wieder etwas zum Mensch wurde. Gelernt hatte ich in dieser Zeit überhaupt nicht, aber das war mir egal. Die Prüfung war erst in zwei Wochen, und ich hatte schon früh begonnen dafür zu lernen. Andererseits war ich jetzt gar nicht in der Stimmung, diese Prüfung zu absolvieren. Ich wollte mich einschließen und in meiner Welt sterben. Was hielt das Leben schon für mich bereit? Ich konnte doch nicht einfach so tun, als wäre sie nicht tot. Als wäre alles völlig normal, so wie früher. Nein, nicht wie früher. So als wäre sie nie da gewesen… Um mich abzulenken, ging ich zum Gesangsunterricht, den ich die letzte Woche ebenfalls geschwänzt hatte. Mein Lehrer, Sakai-sensei, würde mich sicher ablenken, außerdem musste ich endlich wieder einmal mit jemandem sprechen. Mit meinem Vater konnte ich das einfach nicht, es würde doch nur damit enden, dass wir auf Mama zu sprechen kamen und uns dann weinend in den Armen lagen. Ich konnte das im Moment einfach nicht mehr. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen wieder an sie dachte und weinte. Und Sakai-sensei war wie ein Freund für mich. Er wusste für alles einen Rat. Ich klingelte an seiner Tür und er öffnete mit einem überraschten Gesichtsausdruck. „Jui, was machst du denn hier? Heute hast du doch gar keinen Unterricht.“ „E-entschuldigung, störe ich?“ Er lächelte. „Nein, nein. Komm ruhig rein.“ „Danke…“ Ich zog meine Schuhe aus und ging in das Wohnzimmer, was gleichzeitig auch sein Unterrichtszimmer war. Er hatte ein kleines, aber wohnliches Haus und das Wohnzimmer war voll gestellt mit diversen Instrumenten. Er liebte die Musik genauso wie ich. „Setz dich… Was liegt dir auf dem Herzen?“ „Ich wollte mich entschuldigen… dafür, dass ich die letzten drei Stunden geschwänzt habe.“ Er nahm die gewärmte Kanne Tee vom Tisch und füllte zwei Becher. Einen davon drückte er mir in die Hand, bevor er antwortete. „Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen. Ich habe von dem Unglück in deiner Familie gehört. Es tut mir sehr leid. Ich werde dir die verpassten Stunden in so einem Fall natürlich nicht anrechnen. Ich kann nachvollziehen, wie schrecklich das für dich sein muss. Also, wenn du etwas auf dem Herzen hast und darüber sprechen möchtest, dann bin ich für dich da.“ Ich sah ihn mit glänzenden Augen an. „Danke. Ich…ich…vermisse sie so sehr…ich will, dass sie zurückkommt…“ „Ich weiß was in dir vorgeht. Es ist schwer, aber es wird dich auch stärken. Und bedenke immer, sie ist bei dir. Auch wenn du sie nicht sehen kannst, sie wird dich immer beschützen.“ Nun konnte ich meine Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten. Damit er nicht sah, dass ich weinte, drehte ich mich weg, doch plötzlich fühlte ich, wie sich seine Arme um mich legten und mich in eine Umarmung zogen. „Du brauchst dich nicht dafür schämen, dass du um sie trauerst. Du musst deinen Schmerz herauslassen, damit du ihn verarbeiten und überwinden kannst. Weine nur. Weine so sehr du kannst, dann wird es dir besser gehen.“ Ich bleib den ganzen Nachmittag bei ihm, bis in die Abendstunden. Wir sprachen über viele Dinge und immer wieder hatte er Ratschläge für mich parat. Weisheiten, bei denen ich mich fragte, woher er sie kannte. Er war gerade einmal fünfzehn Jahre älter als ich, aber weise, als hätte er schon zwei Leben hinter sich. Bei ihm fühlte ich mich geborgen. Er hatte mir schon immer seelischen Beistand geleistet, wenn ich mit Problemen nicht zu meinen Eltern gehen konnte, oder glaubte, sie würden mich nicht verstehen. Er war wie ein großer Bruder für mich. Ihm konnte ich alles anvertrauen und er würde mich immer verstehen. Zumindest würde er immer meinen Standpunkt nachvollziehen können, auch wenn ich falsch lag. Und er konnte mir diese Fehler vor Augen führen ohne mich zu belehren. Er war der Mensch, dem ich in dieser Zeit am meisten vertraute. Doch er sah offensichtlich mehr in meiner Zuneigung zu ihm. Wieder waren wir auf den Tod meiner Mutter zu sprechen gekommen. Ich konnte kaum etwas sagen, denn bei jedem Gedanken an sie schnürte es mir den Hals zusammen und ich spürte dieses starke Stechen in meinem Herz. Er umarmte mich, so wie er es schon öfter an diesem Tag getan hatte und ich krallte mich in seinem T-Shirt fest. Mein Körper zitterte und meine Tränen durchnässten sein Hemd, so wie die Tränen meines Vaters Meines durchtränkt hatten. Sanft streichelte er über meinen Rücken um mich zu beruhigen. Er streichelte mich wie meine Mutter es immer getan hatte. Ich fühlte, wie er meinen Kopf küsste. Doch dann berührten seine Lippen meinen Hals und küssten ihn. Ich schrak auf und sah ihn an. „Was ist los?“ „Sie… sie haben mich…“ „Geküsst. Ja, da hast du Recht.“, sagte er mit einem Lächeln. „A-aber…“ „Weißt du, nicht nur Frauen und Männer können einander lieben. Ein Mann kann auch einen anderen Mann lieben. Ich liebe dich und du liebst mich, nicht wahr?“ Ich sah ihn verwundert an. Wieso sprach er wie aus dem Nichts so ein Thema an? „Ich?... Nein, ich liebe sie nicht.“ „Sei nicht so schüchtern. Es ist nichts Schlimmes, einen anderen Mann zu lieben. Wenn man liebt, dann liebt man. Egal welches Geschlecht es ist. Du brauchst dich also dafür nicht zu schämen.“ „Ich-ich liebe sie aber nicht. Sie sind ein Freund. Aber ich liebe sie nicht.“ Er streichelte über meinen Kopf. „Nun reicht es aber.“, sagte er freundlich wie immer. „Warum willst du denn nicht ehrlich zu mir sein, und vor allem ehrlich zu dir selbst?“ Ich löste mich nun gänzlich aus der Umarmung. „Aber ich bin ehrlich. Zu ihnen und zu mir.“ Er lachte gehässig. „Das glaube ich nicht, Jui. Nicht so wie du mich ansiehst.“ „Wie ich sie ansehe?“ Ich war nervös, was wollte Sakai-sensei plötzlich von mir? „Ja, Jui-kun. Deine Augen verschlingen mich fast. Nun fass dir ein Herz und sag was du wirklich fühlst. Du willst es mir doch sagen, nicht wahr? Du willst doch, dass ich dir sage, dass ich das gleiche für dich empfinde.“ Ich sah nach unten. Meine Augen verschlagen ihn? Aber ich wollte doch gar nichts von ihm. Ich wollte doch nur, dass er mein Freund war. Mit einer Hand zog er meinen Kopf wieder nach oben. „Also hatte ich doch Recht. Du brauchst dich nicht schämen. Es ist völlig in Ordnung so zu fühlen.“ Noch bevor ich reagieren konnte pressten sich seine Lippen auf meine und seine Zunge versuchte in meinen Mund zu gelangen. Im Gegenzug presste ich meine Lippen so fest ich konnte aufeinander. Was hatte er vor? Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien und stemmte mich gegen ihn. Er unterbrach den Kuss und sah mich forschend an. „Was soll das werden, Jui-kun? Erst gestehst du mir deine Liebe und dann wehrst du dich gegen meine Zärtlichkeiten? Jetzt tu nicht so, als ob es nicht das wäre weswegen du immer wieder außerhalb der Unterrichtstunden zu mir kommst!“ „Ich hab ihnen meine Liebe nicht…“, erneut pressten sich seine Lippen auf meine und unterbrachen mich. Diesmal gelang seiner Zunge, was sie zuvor nicht geschafft hatte. Mit aller Kraft versuchte ich gegen ihn anzukommen und ihn wegzudrücken. Aber er war natürlich viel stärker als ich. Durch Körperkraft konnte ich ihn nicht bezwingen. Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Seine Zunge strich über meine Lippen und da sah ich meine Chance. Ich nahm all meinen Mut zusammen und biss einfach zu. Sakai-sensei schrie auf und wich sofort zurück. Ich konnte sein Blut in meinem Mund schmecken. Geschockt hielt er seine Hand an seine Lippen. „Was sollte das denn? Bist du völlig wahnsinnig geworden?!“ Genau in dem Moment, in dem ich losrennen wollte, packte er mich und warf mich auf den Boden. An seiner Lippe saugend krabbelte er über mich. „Böse Jungs müssen bestraft werden, das weißt du doch.“ „Lassen sie mich in Ruhe. Ich möchte gehen. Ich möchte nach Hause!“ „Du kannst nach Hause gehen nachdem du deine Bestrafung bekommen hast, Jui- kun.“ Er holte mit seiner Hand aus und ich ging davon aus, dass er mich schlagen würde. Ich schlug meine Arme vors Gesicht um nicht zu hart getroffen zu werden. Doch statt einer Ohrfeige spürte ich plötzlich seine Hand unter meinem T-Shirt. Ich keuchte auf. „Ach Jui, du solltest wissen, dass ich einem so hübschen Jungen wie dir nicht wehtun kann. Auch wenn du es eigentlich verdient hättest. Ich bin nicht böse auf dich. Ich werde dir jetzt ein Geschenk machen. Ich werde dich zum Mann machen. Das möchtest du doch, nicht wahr? Ein Mann sein?“ Ein Mann sein… Natürlich wollte ich das, welcher Junge wünschte sich nicht ein richtiger Mann zu sein? Aber mir war nicht wohl bei dem Gedanken. Wie konnte mich ein anderer zum Mann machen? Das musste man doch von allein schaffen, ich musste aus eigener Kraft und Erfahrung zum Mann werden. Das hatte meine Mutter mir immer gesagt, wenn ich sie gefragt hatte, wann ich ein richtiger Mann sein würde. „Nein, sie können mich nicht zum Mann machen.“ „Was erzählst du denn da? Natürlich kann ich dich zum Mann machen.“ „Ich muss allein zum Mann werden…“ Verzweifelt versuchte ich mich unter ihm heraus zu winden, doch er ergriff plötzlich meine Kehle und drückte zu. Ich starrte ihn geschockt mit weit aufgerissenen Augen an. „Entweder du lässt dich von mir zum Mann machen oder du wirst nie Einer werden!“, hisste er. Mein Atem bestand nur aus einem lauten Röcheln, als ich versuchte Luft zu holen. Es tat weh. Wollte er mich umbringen? Es schien so. Zumindest solange ich nicht das tat was er wollte. Ich starrte ihn weiterhin an. Er war so anders. Der warme, liebevolle Schimmer in seinen Augen war verschwunden. Stattdessen brannten Wut und Verlangen in ihnen. Ich musste etwas tun. Ich musste etwas tun, wenn ich nicht sterben wollte. In meinem Augenwinkel entdeckte ich die Teekanne, die gleich neben mir auf dem Tisch stand. Ohne zu überlegen griff ich nach ihr und schlug auf seinen Kopf ein. Ich tat es mehrere Male, aus Panik und Angst, er würde mich verfolgen. Nach drei Schlägen fiel er keuchend zur Seite und ich nutzte diese Chance um aufzuspringen. Er hielt sich seinen stark blutenden Kopf und sah mich herausfordernd an. Ich erwiderte ihn mit einem kalten Blick. Ich wollte, dass er wusste, dass ich keine Angst mehr vor ihm hatte, auch wenn ich jetzt floh. Seit diesem Abend war ich nie wieder bei ihm gewesen. Ich hatte ihn nicht einmal wiedergesehen. Womöglich hatte er kurz nach dieser Auseinandersetzung die Stadt verlassen… „Was ist denn hier los?!“, quiekte Rame aufgebracht durch den Raum. Just im selben Moment schraken Ayano und ich auf und starrten fassungslos in die Richtung, aus der Rames Stimme gekommen war. Rame nutzte den Überraschungsmoment und betätigte den Auslöser einer kleinen Sprühflasche. Pfefferspray!, schoss es mir durch den Kopf, gerade als mich die fein zerstäubte Flüssigkeit traf. Ayano schrie leise auf. Verdammt! Wie konnten wir nur so dermaßen in Gedanken abdriften, dass wir nicht einmal bemerkt hatten, dass Rame den Raum betreten hatte? Meine Augen brannten und Tränen liefen meine Wangen hinab. Das dringende Bedürfnis, mir die Augen zu reiben, durchströmte meinen Körper. Nein, du darfst nicht reiben! Du darfst nicht reiben! Das macht es nur noch schlimmer. Reiß dich zusammen. Reiß dich zusammen!! Ayano hatte dem Drang offensichtlich nicht standhalten können. Er wälzte sich keuchend auf dem Boden. Durch den schmerzenden Schleier des Sprays und meiner Tränen konnte ich schemenhaft erkennen, dass Rame sich vor mich hockte. Seine Hand berührte kurz meine Wange. „Du hast es also doch herausgefunden… Naja, es hätte mir von vorn herein klar sein müssen, dass du dich nicht so schnell von deinen fixen Ideen abbringen lässt. Nun, da es jetzt raus ist, kann ich dir nicht mehr verheimlichen, dass Ayano nicht im Krankenhaus ist. Aber das ist ja nicht schlimm.“ Meine Stirn legte sich irritiert in Falten. Was wollte er damit bezwecken? Ok, er hatte mich angelogen was den Standort von Ayano betraf, doch das war mir relativ egal. Aber wieso hatte er ihn nicht weggebracht? Und wieso war er so gelassen? Ich hatte eigentlich erwartet, dass er aus der Haut fahren würde. Stattdessen, tat er so, als wäre nichts Besonderes passiert. „Nur eins stört mich, Jui.“, fuhr er immer noch ruhig und gefasst fort. „Ich wollte nur eins. Dass du mich liebst. Und jetzt sitzt du hier mit Ayano in deinen Armen. Warum musst du immer alles kaputt machen?“ Ich antwortete nicht. Was war das für eine neue Masche? Vorwürfe, Drohungen in freundlichem Ton? Was erhoffte er sich davon? Außer, dass er nicht wegen zu viel Aufregung einen Herzinfarkt bekam. „Du hast mir einmal einen Rat gegeben, Jui.“, er sah kurz zu Ayano hinüber, der noch immer versuchte, die Wirkung des Pfeffersprays loszuwerden. „Kannst du dich daran erinnern? Du sagtest: Wie man ein Ziel erreicht ist unwichtig, es kommt nur darauf an dass man es erreicht.“ Der Schleier über meinen Augen lichtete sich ein wenig. Es war wirklich gut gewesen, nicht zu reiben. Während Ayano noch damit kämpfte, ließ der Schmerz bei mir langsam nach. „Das war kein Rat, Rame. Das war eine situationsbedingte Reaktion. Ich habe nie gesagt, dass man das auf alles anwenden kann.“ Rame lächelte, das erkannte ich an der Art, wie er stoßartig ausatmete. „Das stimmt, aber diesen Tipp brauche ich nicht. Man kann diese Sicht der Dinge immer gebrauchen. Solange man nicht viel von Moral hält natürlich nur.“ „Und du hältst nicht viel von Moral?“ „Sagen wir es so, wenn sie mir im Weg ist, ignoriere ich sie einfach.“ Er kam näher und flüsterte in mein Ohr. „Und ich scheue nicht davor zurück, Gewalt anzuwenden, um das zu bekommen was ich will.“ „Hmpf.“, ich lächelte bitter. „Das brauchst du mir nicht zu sagen, das habe ich schon bemerkt, Rame-kun.“ „Wie dem auch sei…“, er wischte einige der Tränen von meiner linken Wange. „Es tut mir leid, dass ich das Pfefferspray benutzen musste, aber ihr habt mir keine andere Wahl gelassen.“ Nun wischte er sie auch die auf der rechten Seite weg. „Jetzt sind deine Augen ganz gerötet und dabei sind sie doch das, was ich immer so sehr an dir mochte, Jui. Sie sind ein wenig arrogant, aber trotzdem voll Wärme und Mitgefühl. Daher wusste ich, dass du nicht ganz das bist, was du vorgibst zu sein. Und ich wusste auch, dass du dich in Wirklichkeit nach echter Liebe und Zuneigung sehnst, aber zu misstrauisch geworden bist, so dass du selbst echte Gefühle verstößt. Doch jetzt muss ich jeden Tag feststellen, dass dieses warme Licht einem kalten, harten Licht gewichen ist. Ich sehe nur noch Abscheu. Abscheu gegen mich. Dabei wollte ich dir doch nie etwas Böses…“ Tränen formten sich Rames Augen und liefen scheinbar in Zeitlupe seine Wangen hinab. „Ich wollte doch nur, dass du mich magst. Dass du mich so magst wie ich dich mag. Ich wollte glücklich mit dir sein, doch nun verweigerst du mir alles. Du sprichst fast nie mit mir, ignorierst mich. Wenn du mit mir redest, dann wie mit einem Fremden und nicht wie mit deinem besten Freund…“ er schluchzte und wischte sich ein paar der Tränen aus dem Gesicht. „Hab ich dich denn wirklich so sehr erschreckt? Dass du mich nur noch hassen kannst?“ Ich sah ihn zweifelnd an. Warum musste er auch immer von einem Extrem ins nächste springen? Einmal hatte ich das Gefühl, ich sah den Teufel persönlich vor mir und ein anderes Mal kam er mir nur wie ein kleines leidendes Kind vor, das aus lauter Verzweiflung immer genau das falsche tat, um das zu bekommen was es wollte. Wieso konnte er denn nicht einfach etwas normaler sein, so dass ich wenigstens ein bisschen herausfinden konnte, wer er wirklich war? Teilweise konnte ich seine Reaktionen sogar nachvollziehen, und er hatte ebenfalls mit allem Recht, was er eben gesagt hatte. Er hatte hinter meine Maske geblickt und es schien ihm nicht einmal schwer gefallen zu sein. Was wusste ich hingegen über ihn? Fast nichts! Ich konnte nur mutmaßen. So wie er sich verhielt, musste er einiges durchgemacht haben. Offensichtlich hatte er nicht die Liebe bekommen, die er brauchte. Würde er sie sich sonst wirklich einfach mit Gewalt nehmen? Würde er sonst alles mit Gewalt an sich reißen, wenn er wüsste, dass man Liebe nur freiwillig bekam? Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wie so oft in letzter Zeit. Ich sah ihn einfach weiter schweigend an. Darüber grübelnd, was nun sein wahres Ich war und was nicht. Was nur Maskerade war, oder vielleicht auch nur pure Überreaktion. Doch was sollte das schon bringen? Ich versuchte das doch schon die ganze Zeit. Ja, ich wollte meinen besten Freund nicht aufgeben, aber ich wollte genauso wenig, dass er mit mir tat was er wollte und mich quälte… und Ayano. Er war mir fast wichtiger als ich selbst. Rame sollte ihm nichts mehr antun und wenn er es tat, würde er dafür bezahlen. Wut flammte erneut in mir auf. Wenn er es wagte ihm etwas anzutun… „Weißt du, Rame, es ist nicht lange her, da habe ich dich geliebt wie einen Bruder. Ich hätte meine Hand für dich ins Feuer gelegt, ich hätte dir bei jedem Problem geholfen, egal wie groß es ist. Doch jetzt weiß ich nicht mehr wer du bist. Wie soll ich dich dann wie einen Freund behandeln?“ Er sah mich mit solch verletzten Augen an, dass ich beinahe spüren konnte, wie sehr sein Herz sich vor Schmerz verkrampfte. Plötzlich tat er mir leid. Waren meine Worte wirklich so verletzend gewesen? Er ließ den Kopf sinken und sagte eine Weile nichts, sondern schluchzte nur. Doch dann verstummte auch sein Schluchzen. Er hob seinen Kopf wieder und starrte mich mit vor Wut fast wahnsinnigen Augen an. „Es ist wegen diesem Jungen, nicht wahr?!“, zischte er. Wenn ich nicht schon an der Wand gesessen hätte, wäre ich vor ihm zurückgewichen, doch das konnte ich nicht. Was war plötzlich in ihn gefahren? „Es ist wegen deinem kleinen Schatzi, Ayano, nicht?! Na los, sag es! Sag mir, dass du ihn liebst! So ist es doch!! Du liebst ihn, aber mich kannst du nicht lieben?! Du bist ja hetero. Ach Moment, du weißt aber, dass Ayano auch ein Mann ist! Also kann das nicht der Grund sein. Also hast du mich die ganze Zeit angelogen!“ Rame steigerte sich so sehr in seine Wahnvorstellungen, dass seine Stimme immer lauter und aufgebrachter wurde. „Dann nenn mir den Grund, Jui!! Sag mir, warum du ihn lieben kannst, aber nicht mich! Warum magst du ihn so viel mehr als mich, obwohl ihr euch gar nicht richtig kennt? Mich hingegen kennst du schon seit über einem Jahr! Sag es mir!! Warum, Jui, warum kannst du ihn lieben?! Er ist nicht besser als ich. Er hat nichts, was mich übertrumpft!!“ Ich musste mir eingestehen, dass er Recht hatte, wieder einmal. Meine Gefühle für Ayano waren in letzter Zeit immer stärker geworden. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das schon Liebe nennen konnte, aber es war eindeutig mehr als pure Freundschaft. Er zog mich an, sehr sogar. Die Wärme, die er ausstrahlte, die Liebenswürdigkeit. Er trug ebenfalls eine schwere Last auf seinen Schultern, doch er hatte es trotzdem geschafft er selbst zu bleiben. Er war einer der wenigen Menschen, die ich kannte, die fast nie eine Maske trugen. Er war er selbst, sein wahres Ich. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte so sein wie er. Vielleicht mochte ich ihn deswegen umso mehr. Ja, Ayano konnte mir noch viel beibringen. „Doch, es gibt einen entscheidenden Unterschied. Er hat ein Herz! Ein warmes, sanftes Herz, das nicht nur für ihn, sondern auch für seine Mitmenschen schlägt, nicht so wie dein kaltes Herz. Oder meins…“ Rame starrte mich im ersten Moment geschockt an. Doch dann raste ohne Vorwarnung seine Faust auf mein Gesicht zu. Er erwischte mich unvorbereitet. Immer wieder schlugen seine Fäuste auf mich ein. Mein Gesicht, mein Körper, er schien keine Stelle auslassen zu wollen. Trotzdem wehrte oder schützte ich mich nicht. Ich saß einfach nur da und ließ es über mich ergehen. Ich hatte es wohl auch irgendwo verdient. Außerdem war es mir lieber, er ließ seine Wut an mir aus als an Ayano. So konnte ich ihn zumindest ein wenig beschützen. Nach ein paar Minuten stoppte Rame und blieb keuchend halb auf mir liegen. An seinen Händen sah ich, dass ich wohl bluten musste, doch spürte nichts. Mein Körper war taub. Vielleicht war es auch gar nicht mein, sondern, sein eigenes Blut, obwohl es recht unwahrscheinlich war, dass nur er bluten würde. Er begann erneut zu schluchzen. „Wieso tust du mir das an? Wieso tust du mir so weh?“ „Ich kann nichts dafür, Rame. Ich kann deine Gefühle nicht ändern, genauso wenig wie meine. Das einzige, was ich tun kann, ist die Wahrheit zu sagen oder dich anlügen. Beides würde dir nicht gefallen.“ „Du irrst dich in einem Punkt.“ Er richtete sich wieder auf und sah mich mit geröteten Augen an. „Lüg mich an, Jui. Sag mir, dass du mich liebst.“ Er überraschte mich immer wieder aufs Neue. „Gut, wenn du es unbedingt möchtest. Ich liebe dich.“, antwortete ich trocken. „Siehst du, es ist gar nicht so schwer mich zu lieben.“ sagte er mit einem Lächeln und umarmte mich. „In was für einer Welt lebst du eigent…“, das krampfartige Schütteln seines Körpers unterbrach mich. Also war er doch noch nicht so verblendet, wie ich geglaubt hatte. Selbst er konnte sich nicht einreden, diese Lüge sei die Wahrheit gewesen. Er wusste genau, dass ich keinerlei Gefühle für ihn hatte und dass selbst eine Lüge ihn nicht vor der Tatsache schützen konnte. Es musste ihn noch viel mehr schmerzen, diese süßen Worte zu hören, die er schon immer hatte hören wollen, und zu wissen, dass sie nicht stimmten. Dass sie nur Schall und Rauch waren. Langsam löste er sich wieder aus der Umarmung und sah mich mit traurigen Augen an, trotzdem hatte er ein Lächeln auf den Lippen. „Nun, ich werde mich jetzt erstmal um deinen Freund kümmern!“, er stand auf und ergriff Ayanos Arm um ihn nach oben zu ziehen. Sein Gesicht war gerötet und geschwollen, besonders um die Augen. „Was hast du vor?“, ich wollte aufstehen, doch Rames Schläge hatten doch mehr angerichtet, als ich geglaubt hatte. Mein Körper wurde von einem Schmerz in der Magengegend durchbohrt. Ich musste wohl ein paar geprellte Rippen haben. Dabei hatte es gar nicht wehgetan als er mich geschlagen hatte. „Ich werde ihn nur wieder in sein Zimmer bringen, keine Sorge. Er nützt mir mehr, wenn er hier und am Leben ist!“, antwortete er mit einem undeutbaren Lächeln, das mir kalte Schauer über den Rücken sendete. Trotzdem war ich beruhigt, dass er ihm nichts antun würde. Ich glaubte ihm. ER hatte es Ernst gemeint. Nach einer Weile kam er zurück in den Raum. Er setzte sich vor mich hin und sah mich an. „Jui, Jui, Jui. Was soll ich nur mit dir machen?“ Mein Blick wanderte von Rame zu der Stelle, an der sich noch vor ein paar Stunden ein Spiegel befunden hatte. Er schien keine Anstalten machen zu wollen, um dieses Loch zu schließen oder irgendetwas zu tun, um uns davon abzuhalten, wieder hindurch zu klettern. „Das Loch in der Wand scheint für dich interessanter zu sein als ich. Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen Jui, keiner von euch, weder Ayano noch du, wird noch ein weiteres Mal hindurchklettern können.“ Ich sah ihn verwirrt an, doch dann spürte ich plötzlich kaltes Metall um mein Handgelenk und hörte ein Klicken. Handschellen?, schoss es mir durch den Kopf und schon hörte ich ein weiteres Klicken. Ich sah auf mein Handgelenk und musste feststellen dass ich richtig gelegen hatte. „Wa-?!“ „Es ist toll was man in einem alten Gefängnis so alles findet!“, säuselte Rame und grinste mich an. Bevor ich etwas sagen konnte, stand er auf und verließ mit einem „Bis später“ das Zimmer. Ich starrte benommen auf die Tür. Er hatte mich tatsächlich hier gefesselt und ich war auch noch dumm genug gewesen nichts dagegen zu unternehmen. Du warst zu überrascht, Jui. Mach dir keine Vorwürfe. Ja, diese Erkenntnis half mir trotzdem nicht weiter. Jetzt war es zu spät. Jetzt hatte ich die Handschellen um mein Handgelenk. Ich hob meinen Arm und stellte fest, dass es keine normalen Handschellen waren. Sie hatten eine Art Kette aus verstärkten Metallgliedern zwischen den Schellen. So konnte ich trotzdem ein wenig im Zimmer umher laufen und aufs Klo gehen, wenn die Kette lang genug war. Dennoch, Metall konnte man nicht so leicht zerstören wie einen Spiegel. Der Spiegel… jetzt verstand ich auch warum hinter dem Spiegel ein Loch gewesen war. Das hier musste ein Vernehmungsraum gewesen sein. Ein Gefängnis also… Wie passend, stellte ich deprimiert fest. Ich erwachte durch einen Schrei. Erschrocken sprang ich auf, ohne mir der Schmerzen in meiner Brust bewusst zu sein und stürmte zu dem Loch. Instinktiv hatte ich gemerkt, dass der Schrei nicht aus meinem Zimmer gekommen war. Als ich das Loch erreicht hatte und hindurch sah, blieb ich wie angewurzelt stehen. „Ayano…“, entwich es leise meinen Lippen. Rame stand geschockt in Ayanos Zimmer und hielt sich die Hände vors Gesicht. Mein Blick glitt zurück zu Ayano. Er lag auf dem Boden. Seine Augen waren geschlossen. Sein linker Arm lag ausgestreckt auf dem Boden, geziert von einem langen roten Strich, der über seinen halben Unterarm reichte. In seiner rechten Hand hielt er eine Scherbe umklammert. Unter seinem Arm hatte der Betonboden eine rote Tönung bekommen. „…tot…“, flüsterte ich und brach zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)