Nicht aus Stein von Vienne (Der Kardinal und das Mädchen) ================================================================================ Kapitel 1: Suche in finsteren Gassen ------------------------------------ Nicht aus Stein Kapitel I: Suche in finsteren Gassen ,Oh wie ich dieses Gezwitscher hasse. So lieblich, so abartig schön. So richtig zum Kotzen.' Gelangweilt lehnte der junge Edelmann Armand Jean Duplessis am Fenster. Er war noch kaum richtig wach. Und eigentlich würde er auch schlafen, hätte dieses Frauenzimmer neben ihm, ihn nicht so unsanft geweckt. "Sagt, was werden wir heute unternehmen?" Armand drehte sich um. Ausdruckslos und mit einer Kälte in den Augen starrte er sie unverholen an. Hatte er eben tatsächlich richtig gehört? Die wollte was mit ihm unternehmen. Womöglich nicht nur heute. Womöglich nicht nur morgen. Womöglich nicht nur die nächsten Wochen. ,Ich hätte es wissen müssen. Immer dasselbe mit ihnen.' Er drehte sich von ihr weg in Richtung Fenster und riss mit einem Male die schweren Damastvorhänge auf. Nicht nur die Vögel gingen ihm auf die nerven, jetzt tat es auch die Sonne. "So schön ist der Tag nun auch nicht, um etwas zu unternehmen. Schaut nur hinaus. Dieses grässliche Sonnenlicht. Es würde Eure vornehme Blässe nur allzu schnell in ein hässliches Braun verwandeln. Ich nehme nicht an, dass es das ist, was Ihr wollt?", ein leicht teuflisches Lächeln umspielte seine Lippen. Wie er es liebte, die Frauen in eine Raserei zu treiben. Wie er es liebte, sie einer Ohnmacht nahe vor die Tür zu setzen. "So wollt Ihr den Tag mit mir im Bett verbringen?", setzte die junge Frau an, doch wurde durch eine unwirsche Handbewegung Armands unterbrochen. "Sagte ich das etwa?", er drehte sich zurück zu ihr. "Sagte ich etwa, ich wolle den Tag weiter mit einer Hure wie Euch im Bett vertreiben? Ich habe bei Gott besseres zu tun, glaubt mir. Und dazu brauche ich Euch nicht. Also verschwindet. Und zwar sofort!" Noch immer lag die Kälte in seinen grau-blauen Augen. Noch immer umspielte dieses teuflische und sogleich verführerische Lächeln seine schmalen Lippen. "Wie konntet Ihr mich nur so sehr ausnutzen? Ich gab mich Euch hin. Ich gab Euch mein Leben. Meine Liebe. Und Ihr tretet sie mit Füßen!", echauffierte sich die junge Frau plötzlich. Da war sie wieder: Diese blanke Hysterie die er so über alle Maßen liebte und auf die er sich jedes Mal diebisch und wie ein kleiner Junge freute. Langsam bewegte er sich auf das Bett zu, in welchem sie immer noch lag. Er beugte sich zu ihr hinunter zu ihrem linken Ohr. Langsam strich er durch ihre blonden Haare und begann leise in ihr Ohr zu hauchen: "Ich bat Euch nie darum, mir Euer Leben zu geben und mir Eure Liebe zu Füßen zu legen. Deshalb, ja deshalb konnte ich sie auch nicht mit Füßen treten. Und ausnutzen... Ich Euch? Das käme mir niemals in den Sinn. Eher würde ich sagen, ist es anders herum. Nicht wahr, meine Liebe?!" Armand erhob sich wieder. Und er sah wieder diesen blanken Hass, den er jedes Mal sah, wenn er Frauenzimmer abservierte. Er begab sich zurück zum Fenster, ohne noch einmal auch nur einen Blick auf die Frau zu werfen, die ihm noch vor wenigen Stunden ausgesprochen wohl gesonnen war. Warum sollte er auch? Er hatte seinen Spaß gehabt. Jetzt war sie ihm nur noch lästig. Ein lauter Knall hinter ihm, ließ ihn gewahr werden, dass sie verschwunden war. "Endlich.", seufzte er erleichtert. Endlich war er wieder für sich. Zumindest noch für eine Weile. Solange, bis sich sein alter Herr wieder auf ihn stürzen würde, um ihn zu einer Heirat zu drängen. Doch soweit wollte er es nicht kommen lassen. Was sollte er mit einer Frau, die ihm ewig ans Bein gebunden war. Er wollte, wenn überhaupt, nur eine für eine Nacht. Nicht für den Rest seines Lebens. Er hatte andere Pläne mit sich selbst. Und nur einer wusste, was er vorhatte. Der Herr selbst. Nur Er wusste von seinen Plänen. Kein zweiter. Und das sollte gefälligst auch so bleiben. Sich zu offenbaren, wäre nur ein Fehler. Armand starrte hinaus in die weiten des Parks. "Oh Herr, wie lange nur soll das noch so weiter gehen? Mein Vater bringt jeden Tag weitere Weiber ins Haus. Von Mal zu Mal werden sie aufdringlicher, dreister. Man sollte meinen, sie wären nur hier, um herum zu huren. Für wahr, ich bin nicht anders. Ich gebe ihnen nach. Wie eine männliche Hure. Doch wenn Ihr mir genügend Kraft geben würdet, dann würde ich auch widerstehen können. Es ist nicht so, dass ich Euch die Schuld gebe, aber ohne Eure Kraft kann ich mein Ziel nicht erreichen. Ich bitte Euch, lasst mich nicht allein." Er sank langsam an der Wand hinunter auf den Boden. Ja, wie sollte er sein Ziel nur ohne den göttlichen Beistand des Herrn erreichen? Wie nur sollte er ohne Ihn seine Studien fortsetzen? Ohne Ihn würde er nur ein kleines Licht unter all den anderen Idioten von Edelmännern bleiben. Ein wahrer Albtraum für ihn. "Zuerst muss ich ihn aus dem Weg schaffen. Er darf mir nicht noch mehr Hurentöchter hierher schleifen. Nur...", langsam stand Armand wieder auf, sein Lächeln, was für kurze Zeit verschwunden war, kehrte nun zurück und das Sonnenlicht spiegelte sich in seinen kalten Augen wieder. "...nur darf ich mir nicht selbst die Hände schmutzig machen. Wie würde das vor dem Herrn aussehen? Ich brauch einen willigen Vollidioten. Einem dem der nötige Verstand fehlt, es mit mir geistig aufzunehmen, aber einen, der die Kraft hat, die Tat durchzuführen. Ich habe die geistige Macht, ich brauche nur einen mit der körperlichen Kraft. Und einen, der mir loyal ist. Denn aus Stein bin ich nicht, so brauch ich einen, der es ist." ******************************** Kaum hatte die Dienerschaft das Essen auf den Tisch gebracht, fing Armands Vater auch schon an: "Wie ich hörte, hatte mein verehrter Sohn heute Nacht Frauenbesuch." "Ihr hörtet richtig, Vater. Eine junge Dame besuchte mich.", gab Armand halb gelangweilt, halb euphorisch von sich, da er auf die diesmalige Reaktion seines Vaters gespannt war. "Nun ja, wie war sie denn? Hatte sie Euch mehr in Euphorie versetzt, als die letzteren?" Um die väterliche Reaktion besser beobachten zu können, sie mehr auszukosten und sich so mehr zu amüsieren, legte er Messer und Gabel von sich, tupfte sich mit der Serviette seine schmalen Lippen ab und lehnte sich zurück. Mit einem süffisanten Grinsen gab er von sich: "Für eine kurze Zeit ja." "Das heißt?" "Das heißt, mein werter Vater, dass sie uns leider schon wieder verlassen hat." In den Augen des Vaters war mit einem Male derselbe Hass zusehen, wie in den Augen der jungen Frau wenige Stunden zuvor. Aber auch die Kälte, wie man sie auch in Armands Augen sah, trat hervor. Unverkennbar, diese Kälte war den Männern der Familie Duplessis in die Wiege gelegt worden. Und auch das gleiche teuflische Lächeln trat auf des Vaters Gesicht. "Was war der Grund dafür?" "Ich denke, sie hatte das Gefühl, dass ich mir nicht sehr viel aus ihr mache." "Nun, ich kann es ihr nicht verdenken." "Spart euch Euer Mitleid, Vater. Ich brauch sie sowieso nicht. Keines dieser Weibsbilder. Sie stören mich nur." "Wobei? Ich wüsste nicht, dass Ihr anderen Interessen nachgehen würdet." Elegant erhob sich Armand von seinem Stuhl, und ging um die lange Tafel hinüber zu seinem Vater. Als er ihn erreicht hatte, beugte er sich ebenso zu ihm hinunter, wie er es schon bei der jungen Frau wenige Stunden zuvor getan hatte. "Meine Interessen gehen Euch nicht im Geringsten an. Merkt Euch das, werter Vater." Mit diesem Satz verließ er stolz den Saal. Noch nie hatte er seinen Sohn so erlebt. Natürlich reagierte er manchmal und vor allem in letzter Zeit über alle Maßen, aber mit solch einem Ton in der Stimme. Der alte Duplessis hatte Mühe, seinen eigenen Sohn wieder zu erkennen. Insgeheim hatte er ihm Angst gemacht. Und er wusste, dass sein Sohn es sehr ernst meinte, sich nicht in seine Interessen einzumischen. Seit ein paar Monaten schon, vergrub sich Armand in seinen Geheimnissen, und kein Mensch wusste, was er den ganzen Tag und Zeit weilend die ganze Nacht in seinen Gemächern trieb. Manchmal sah der Alte seinen Sohn kaum. Nur durch Frauen konnte er ihn noch hervorlocken. Noch. "Es wird nicht mehr lange dauern, und auch diese Bastion wird fallen.", seufzte der Alte. "Was treibt der bloß die ganze Zeit. Hab ich ihm denn nicht alles gegeben? Hab ich ihm nicht die schönsten Frauen vorgeführt? Und nun scheint er all das fallen zu lassen. Was bezweckt er damit?" **************************** Mit einem lauten Knall ließ Armand Jean Duplessis die Tür zu seinem Schreibzimmer hinter sich zu schnappen. Wie schön der Alte doch blass geworden war. Ein zufriedener Seufzer kam über seine Lippen. Es würde ein leichtes sein, ihn ins Jenseits zu befördern. Doch ohne Hilfe? Er brauchte so schnell wie möglich eine rechte Hand, die zu blöd war, um zu erkennen, dass sie eine war. Nur wo sollte so was zu finden sein? Hier, mitten in der Pampa; wohl kaum. Dafür waren sie zu weit weg von Paris, als dass sich hier irgendwelche Gauner herumtreiben würden. Die, die hier waren, waren die Gauner seines Vaters und ihm so loyal gegenüber, wie es nur noch die Musketiere dem König gegenüber waren. "Das Einzigste, was mir bleibt, ist nach Paris zu reiten. Nur, welchen Vorwand soll ich dafür anbringen. Wenn er zu lapidar ist, wird Vater mitkommen. Nun ja, dann würde er vielleicht auch auf offener Straße umgebracht, und keiner würde mir die Schuld geben. Aber das wäre zu leicht. Und einen Dummkopf bräuchte ich trotzdem dafür." Wieder lehnte sich Armand an das Fenster und schaute hinaus. Für wahr, mit Verstand war er reichlich beseelt, also sollte es nicht zu schwer sein, dass ihm eine passende Idee kommen würde. Vielleicht würde auch das Schicksal gut mitspielen, sodass er noch nicht einmal lügen bräuchte. Was wiederum eine Sünde weniger wäre. "Es muss doch etwas geben. Herr, so helft mir doch. Mein Plan ist so perfekt in meinem Kopf verankert, lasst ihn nicht zerfallen. Es ist doch nur, damit ich mein Ziel, unser großes Ziel erreichen kann. Und ohne Euch wird mir das nicht gelingen." Alles hing von Gottes Gnade und seinen Geschicken ab. Und das wusste Armand. Das wusste er, seit er ein kleiner Junge war. Und er wusste es so genau, wie er wusste, was er in seinem Leben erreichen wollte: Er wollte keine Null sein, so wie die anderen dümmlichen Edelmänner Frankreichs. Sie waren alle so dumm. Sie heirateten, zeugten, was es zu zeugen gab, hielten sich Mätressen und traten genauso reich und dumm wieder vor ihren Schöpfer, den sie ehemals verlassen hatten. So wie sie, so wollte Armand nie enden. Er wollte an die Spitze des Staates. Wenn er schon nicht als Bourbon geboren worden war, so würde er dennoch für einen dienen und ihn lenken. Er würde an die Spitze des Staates gelangen und den König, der im Grunde nicht besser war, als alle anderen reichen Schwachsinnigen, lenken und ihn sich gefügig machen. Er, Armand Jean Duplessis, würde die Geschicke des Staates lenken, alle würden auf ihn hören. Er würde der mächtigste Mann in Frankreich sein! "Pierre!" Ein hagerer alter Mann erschien im Schreibzimmer Armands und verbeugte sich tief. Seine Wangen waren bereits eingefallen und seine Haare waren mausgrau. So lange sich Armand daran erinnern konnte, sah Pierre schon so aus. Doch mittlerweile hatte er schon das siebzigste Lebensjahr überschritten. Armands Vater ihn schon längst aus seinen Diensten entlassen. Als Armand es damals erfahren hatte, übernahm er Pierre in seine Dienste. Und er hätte sich keinen besseren aussuchen können. Pierre war verschwiegen, wie kein zweiter. Alles was ihm Armand anvertraute, behielt er schweigend für sich. Nie ließ er sich auch nur von den Schurken des alten Duplessis einschüchtern, wenn diese im Auftrag ihres Herrn eine Depesche des Sohnes abfangen wollten. Selten oder besser gesagt, so gut wie nie, kamen sie ohne blaue Flecken, Kratzspuren oder Bisswunden weg. Armand fand es jedes Mal amüsant, wenn ihm Pierre erzählte, wie er einen von ihnen, wieder verhauen hatte. "Wozu hab ich schließlich meinen Stock?", beliebte er jedes Mal zu sagen, "Gehen kann ich eigentlich auch ohne ihn." Und jedes Mal musste Armand Tränen lachen. Erstaunt war er auch immer, wenn ihm der alte erzählte, dass er einen von den Idioten des Vaters gebissen hätte. "Wie macht Ihr das, Pierre? Wo Ihr doch keine Zähne mehr im Mund habt?" "Na kleine Stummel hab ich ja noch, und den Rest erledigt ein starker Kiefer." Armand hatte Respekt vor dem alten Kerl. Als einzigen aus der Dienerschaft, sprach er ihn ehrfurchtsvoll mit "Ihr" an. Aber nie würde er ihm den Plan verraten, den er nun schmiedete. den Plan seinen Vater zu töten. Oder besser töten zu lassen. Es wäre vielleicht doch etwas zu viel für den alten Herrn. "Ihr liest mich rufen, mein Herr?!" Wie aus einem Traum erwachte Armand. "Mein Herr, geht es euch nicht gut?" "Doch, doch mir geht es gut.", besann sich Armand wieder. "Was kann ich für Euch tun?" "Ihr werdet mit mir nach Paris kommen." "Aus welchem Grund?" "Tja, dass ist die Frage. Mir ist nämlich noch keiner eingefallen.", gab Armand zu. "Also, Sie könnten einen alten Studienbekannten treffen, wenn Sie denn wollen." "Würde schon, aber mein Vater weiß leider nur allzu gut, dass ich mit den Idioten nie sehr viel am Hut hatte." Der alte Pierre stützte sich auf seinen Stock. Armand wusste nur zu gut, dass es jetzt in ihm arbeitet. Genauso wie es in ihm arbeitet. Doch ihm kam partout keine Idee in den Sinn. "Ach verflucht! Ich kann noch nicht mal sagen, dass ich auf Brautschau gehe, dass wäre zu unpassend für mich.", rief Armand plötzlich laut aus, sodass der arme Pierre zusammen zuckte. "Und wenn Ihr Eurem Vater gar nichts sagen würdet?" "Hmmm, das könnte klappen." Sein kurzes Lächeln verwandelte sich in ein kaltes Lachen. "Soll ich packen lassen?", fragte Pierre und ein kurzes Nicken bestätigte seine Frage, sodass er sogleich in die anderen Gemächer seines Herrn verschwand. Anscheinend hatte der Herr dringende Dinge in der Hauptstadt zu erledigen. Er schien keine Zeit verlieren zu wollen. Und Pierre ließ der Gedanke nicht los, dass es nicht nur mit dem liebsten Wunsch seines Herrn zu tun hatte. Da schien noch etwas zu sein, was den jungen Mann so plötzlich nach Paris trieb. Ihn, der sich sonst von jeglichen Lärm der Großstadt fern hielt. "Oh Herr, danke für diesen Mann!", mit diesen Worten griff Armand Jean Duplessis nach seinem Reiseumhang und verließ sein Gemach durch eine Geheimtür. Sollte sein Vater ihn ruhig suchen lassen. Wenn er ihn findet, würde es zu spät sein. ********************************* Sie waren kaum in Paris und in einer Herberge angekommen, als sich Armand schon wieder aufmachte. Gegen gutes Geld schickte er ein paar Männer aus, ohne den Plan den er hegte jedoch zu erklären. Sie sollten ihm einfach einen fähigen Mann herbeischaffen, der sein Handwerk versteht. Und er brauchte auch nicht lange zu warten, als einer der Männer auch schon wieder zurückkehrte. Armand entfernte sich etwas vom alten Pierre, und begann mit dem Fremden eine kleine und leise Unterredung. Pierre konnte nur ab und an ein Nicken vernehmen und ein leises aber feines Lachen seines Herrn. Immer mehr bekam er das Gefühl, dass sein Herr diesmal nichts Gutes im Schilde führte. Er kannte seinen Herrn zu gut und wusste, was auch immer er getan hatte, noch nie hatte er sich nach Handlangern umgeschaut, geschweige denn sich welchen bedient. Aber solange Armand nicht an ihn wandte, ging es ihn auch nichts an. Auch wenn ihm das Wohl seines jungen Herrn am Herzen lag. Es war sicher auch für seinen größten Wunsch. Nach wenigen Minuten, dem alten Pierre kam es vor wie Stunden, kehrte Armand zurück zum Tisch. Er verzog keine Miene und nicht zum ersten Mal kam es dem alten Diener vor, als zeige der junge Mann der ganzen Welt nur eine Maske. Niemand schien hinter seine Fassade blicken zu können. Es war, als wäre er aus Stein. "Pierre, bezieh du das Quartier, ich habe noch etwas zu erledigen." Und ohne einen weiteren Satz stand Armand auf und verließ die Gaststube der Herberge. Sein Weg führte ihn in eine dunkle Gasse, nicht weit entfernt von der Bastille. Noch nie war er einem solchem Elend begegnet. Bettler, Huren und Zurückgebliebene. So viele, dass er sie kaum zählen konnte. Und hier sollte er also einen Mann treffen? Er sah sich um. Niemand war zu sehen. In der Gosse knieten Kinder und spielten mit dem Unrat der halben Stadt. An den Häuserwänden standen Huren und boten sich an. Links und rechts von ihm saßen Bettler, teils fehlten ihnen komplette Gliedmaßen. Es war erschreckend. Und der Geruch war unerträglich. Armand hielt sich ein Taschentuch vor den Mund und die Nase. Und noch immer konnte er niemanden sehen, der nach einem Handlanger aussah. Vorsichtig und darauf bedacht, wenigstens nur die Schuhe zu beschmutzen. Am Ende der Gasse sah er auch nur einen Einäugigen. Zumindest ließ das die Augenklappe schließen. Und eben jener winkte ihn zu sich. "Seit Ihr Armand Jean Duplessis?" "Ja, warum fragt ihr?" "Weil ich derjenige bin, den Ihr sucht." Armand betrachtete den Kerl genauer. Er war sogar noch etwas jünger als er. Vielleicht fünf oder sechs Jahre. "Ich suche jemanden, mit dem ich meine Pläne verwirklichen kann." "Aha!" "Ich suche jemanden, der mich nicht in Frage stellt.", fuhr Armand fort und zupfte teilnahmslos an seinem Lederhandschuh herum. "Aha!" "Ich suche jemanden, der mir loyal gegenüber ist." "Denjenigen habt Ihr bereits gefunden, mein Herr!", schnurrte der Fremde und zog sogleich den Hut. Armand gefiel es. Diese Schmeicheleien, egal ob ehrlich oder nicht. Hauptsache er tat seine Arbeit gut. "Dürfte ich den Namen meines neuen Herrn wissen?" Und wieder zog er den Hut und verbeugte sich so tief, das der junge Mann hätte schwören können, der Fremde würde seine Zehenspitzen berühren. "Ihr dürft, aber nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit.", zischte Armand. "Selbstverständlich." "Der Name Eures neuen Herrn ist Armand Jean Duplessis. Das sollte Euch reichen.", Armand wartete auf die Bestätigung dazu, welche durch ein Nicken kam. "Und Eurer? Oder soll ich Euch nur den "Einäugigen" nennen?" Die Kälte war zurück in seinen Augen. Für kurze Zeit hatte er sie verloren. Er gab diesem widerwärtigem Gestank die Schuld, doch nun, dass er seinen eigenen Handlanger hatte, seine eigene rechte Hand, kam sie zurück. Ihn durchströmte wieder dieses Gefühl von Macht. "Nennt mich Rochefort." Kapitel 2: Völlig erschöpft --------------------------- Kapitel II: Völlig erschöpft Der alte Pierre erstarrte beinahe, als er seinen jungen Herren mit dem Einäugigen in die Unterkunft kam. „Pierre, entfernt Euch. Sucht Euch angenehme Freuden und kommt erst, wenn ich nach Euch schicken lasse. Ich habe hier einiges an Geschäften zu erledigen. Ihr habt verstanden?“ Der Ton, den sein Herr anschlug, gefiel Pierre weniger. So ernst. So maskenhaft. So undurchdringlich und keine Widerworte duldend. So kam nur ein kurzes Nicken seinerseits und er nahm die Geldstücke entgegen, die ihm Armand in die Hand drückte. Noch ein kurzer Blick auf den Fremden und Pierre war mit einer Erleichterung verschwunden. „Ihr sprecht ihn sehr höflich an!“ „Warum sollte ich es auch nicht tun? Er erweist mir gute Dienste.“, antwortete Armand. Er legte seinen Umhang und seine Lederhandschuhe ab, und setzte sich auf den kleinen Schemel, der an einem ebenso kleinen Holztisch im Zimmer stand. „Der Bote ließ erkennen, dass ich einen Mord auszuüben habe?“ „Haltet den Mund. Ich bin es, der Fragen stellt und ich weiß, dass Ihr den Grund für Eure Anwesenheit kennt. Also sprecht nur, wenn ich es Euch abverlange. Habt ihr das verstanden?“ Rochefort blieb einige Sekunden sprachlos neben dem Bett seines neuen Herrn stehen. Sicher, als er ihn in der Gasse getroffen hatte, lag in seiner Stimme auch schon eine gewisse Kälte. Aber als er ihn gerade eben angeherrscht hatte, trieb es ihm eine Gänsehaut in den Nacken. „Ich ließ nach jemanden wie Euch schicken, um den Mord an meinem Vater auszuführen. Er wird mir lästig. Er mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen. Von denen er keine Ahnung hat. Zudem hält er mich an der kurzen Leine. Die erst länger wird, sobald er mich mit einer Schnepfe von Hure verheiratet hat. Er muss weg aus meinem Umfeld. Weg von dieser Welt. Meine Ziele sind zu hoch, als das er mich dabei beobachten sollte. Bringt Ihn um! Eine angemessene Bezahlung werdet Ihr erhalten.“ Rochefort nickte kurz. Ein Mord war für Ihn nichts neues, aber das er solch einen Auftrag von dem Sohn des Opfers persönlich bekam, war ihm neu. Anscheine machte er einen etwas verunsicherten Eindruck, denn Armand beobachtete ihn genau. „Was habt Ihr?“, fragte er leicht belustigt. Er lächelt? Rochefort musste zweimal hinsehen. „Geht es Euch nicht gut? Wenn Ihr ein Problem mit dem Mord haben solltet, werde ich mich nach einem anderen Mann umsehen müssen.“ „Nein, nein es ist alle in Ordnung. Erlaubt mir eine Frage.“ „Es sei Euch gewährt.“ „Warum wollt Ihr Euren Vater umbringen lassen?“ „Ich bin ihn leid. Und nein, es geht mir nicht darum, sein Erbe anzutreten. Wenn ich das wollte, dann bräuchte ich Euch nicht. Geld habe ich selbst zu Hauf. Nein, er ist mir einfach nur lästig geworden. Das ist alles. Und?“ Rochefort schaute seinen neuen Herrn irritiert an, was diesem nicht unbemerkt blieb. Und habe ich Euer Wort, dass Ihr den Mord ausführen werdet? Und vor allem, dass Ihr kein Wort über Euren Auftraggeber sagen werdet?“ In Armand Augen spiegelte sich dieses Mal seine ganze Kälte. „Selbstverständlich mein Herr.“, Rochefort deutete als Zeichen der Ergebenheit Armand gegenüber eine kurze Verbeugung an. Als er sich entfernen wollte, hielt ihn Armand nochmals zurück: „Ihr kennt meinen wahren Namen. Ich werde Ihn noch heute ablegen.“ Ein wahres Fragezeichen stellte sich auf Rocheforts Gesicht ein. „Meine Familie war nie sehr bedeutend in Adelskreisen. Also wird man mich nicht mit dem Mord an meinem Vater in Verbindung bringen, wenn ich den Namen des Schlosses annehme, auf dem ich geboren wurde: Richelieu. So werdet auch Ihr mich in der Zukunft nennen.“ „Wie Ihr wünscht mein Herr.“ „Wie Ihr in das Département Indre-et-Loire findet, werdet Ihr wohl selbst herausbekommen können.“ Es lag etwas in der Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Und die Rochefort dazu brachte, in das genannte Département zu reiten, um seinen Plan möglichst schnell umzusetzen. Wenn er Glück hatte, und das Wetter nicht umschlug, dann noch vor dem morgigen Abend. Er verbeugte sich noch einmal zum Abschied vor seinem neuen Herrn Richelieu, doch dieser bekam es nicht mehr mit, so sehr war er schon wieder in seine Studien vertieft. Somit ging Rochefort leise und beinahe auf Zehenspitzen zur Tür, öffnete sie leise und verschwand im dunklen Flur der Unterkunft. Richelieu atmete laut auf. Wieder allein. Wieder konnte er sich seinen Studien widmen. Doch etwas lies in nicht zu Ruhe kommen. Es war der abartige Gestank, der von der Straße zu ihm hinauf zog. Es roch wieder nach dem ganzen Unrat der Stadt und das Geschrei der Huren tönte zudem auch noch durch das geschlossene Fenster zu ihm hinauf. Wie sollte er sich hier wieder seinen Plänen widmen? Hier konnte er unmöglich zur Ruhe kommen. Hastig packte er seine Studien zusammen und verließ ebenso hastig sein Quartier. ******************************************** Seit nahezu zwei Stunden schon trieb es Richelieu durch die Straßen von Paris. Noch immer hatte er keinen ruhigen Ort gefunden, wo er sich zurückziehen konnte, um in seinen Studien zu lernen. Er stand kurz vor einem Wutausbruch. Und ihm wurde immer mehr bewusst, warum er die Stadt so hasste. Alles war laut und es stank unerträglich. Wie sollte er hier nur zur Ruhe kommen? Wie in Gottes Namen? Völlig erschöpft von der Reise und der Suche nach einem ruhigen Platz, lehnte er sich an eine Hauswand, ohne darauf zu achten, dass neben ihm eine kleine Holztüre war. „Oh Herr, wieso macht Ihr es mir so schwer? Warum lasst Ihr mich in dieser Stadt so leiden? Ist das die Strafe für die vielen Frauen, die dank meines Vaters in meinem Bett landeten?“ „Wenn, dann wäre es eine wirklich böse Strafe.“ Erschrocken fuhr Richelieu herum. Und blickte in zwei haselnussbraune Augen, die in einem von braunen Locken umrahmten Gesicht wohnten. „Was habt Ihr? Ihr bekommt ja gar keinen Ton heraus.“ Die junge Frau grinste ihn an und stemmte frech ihre rechte Hand in die Hüften. „Ähm...ja, ich denke mal, dass Ihr da recht habt. Aber verzeiht, wisst Ihr nicht zufällig, wo ich einen ruhigen Ort für meine Studien finden kann?“ „Hier werdet Ihr ganz sicher keinen finden. Wenn Ihr einen ruhigen Ort haben wollt, müsstet Ihr schon zur Sacre Coeur oder zur Notre Dame. Und davon, mein Herr, seid Ihr meilenweit entfernt.“ Mit leichtem Entsetzen schaute er sie an und bemerkte noch nicht einmal den streunenden Hund, der an seinem Stulpenstiefel sein Bein hob. Während Richelieu von einem Fluch in den nächsten kam, fing die Frau nur noch an zu lachen. „Was ist daran so komisch, Madame?“, herrschte er sie an. „Erstens: Mademoiselle! Zweitens: Hütet Eure Zunge. Ihr seid hier nicht auf Eurem Schloss. Und drittens: Kommt herein. Ich werde Euch ein Paar Schuhe geben, die könnt ihr haben, bis Eure wieder trocken sind.“ Richelieu kam gar nicht mehr dazu Worte zu finden, denn schon zog ihn die Frau beim Arm und hinein in ihr Haus. „Was soll das? Wollt Ihr mich entführen oder was?“ „Spielt Euch nicht so auf. Ihr seid in der Stadt doch völlig alleine, oder?“ Woher wusste sie das? Konnte sie Gedanken lesen? Im Grunde war er nicht wirklich allein, aber Pierre war irgendwo in der Stadt unterwegs und Rochefort auf dem Weg zu seinem Vater. Er war völlig hilflos. Und er wusste noch nicht einmal, wie er wieder zurück finden sollte zu seiner Herberge. Vor allem da jetzt mit rasender Geschwindigkeit die Dunkelheit sich über Paris legte. Völlig in seinen eigenen Gedanken versunken, bemerkte er nicht, wie die Frau ihm die Stiefel auszog und ihm dafür ein paar Holzpantoffeln anzog. Auch bemerkte er nicht, wie sie ihm vorsichtig seine Studien aus dem Arm nahm und sie auf den Kaminvorsprung legte und ihm eine Schüssel mit warmer Suppe vorsetzte. Erst als sie sich ihm gegenüber setzte und ihn mit ihren großen braunen Augen anschaute, erwachte er aus seiner Trance. „Mögt Ihr keine Suppe?“ „Wie bitte?“ „Ob Ihr keine Suppe mögt?“, sie stand wieder auf und ging um den Tisch herum, und nahm die Schüssel in die Hand. „Nein, nein.“, er hielt sie am Handgelenk fest. „Nein, ich würde mich freuen, wenn ich sie essen dürfte.“ Und zum ersten Mal seit langer zeit, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht, dass nicht durch seine Kälte glänzte, sondern durch seine Wärme. Die junge Frau stellte die Holzschüssel zurück auf den Tisch und nahm ihm gegenüber wieder Platz, um ihn zu beobachten. Was Richelieu nicht verborgen blieb. Doch erst einmal wollte er seine Suppe essen. Das erste richtige Essen seit seiner Abreise. *********************************************** „Wie heißt Ihr?“ Richelieu hatte seit einer halben Stunde keinen Ton gesagt, so selig war er mit sich und der Welt. Und das war wirklich selten. „Marie!“ „Marie?“ „Marie Valerie Dujacque.“ So war also der Name seiner kleinen Retterin. Wie alt mochte sie sein? Sicherlich um ein Jahrzehnt jünger als er. „Ihr seid recht verträumt, mein Herr.“ „Ich, ja, ein wenig. Aber ich habe mir gerade überlegt, wie alt Ihr wohl seid.“ „Solltet Ihr mich nicht vorher Euren Namen sagen, bevor Ihr euch dafür interessiert?“ Sie war unverschämt, keine Frage. Aber das machte sie auch gleichzeitig so sympathisch. Und sie wusste gleichzeitig, die Anstandsregeln zu wahren. „Mein Name ist..“, Richelieu geriet ins Stocken. Seinen wahren Namen nennen oder den jetztigen, der vielleicht sicherer sein würde? Er entschied sich für letzteres: „Richelieu.“ „Wie geheimnisvoll.“ Wieder grinste sie. „Darf ich jetzt Euer Alter erfragen, Mademoiselle?“ „Siebzehn.“ So jung? „Und Ihr wohnt alleine hier? Ist das nicht gefährlich für Euch. Ihr seid ja nicht einmal verheiratet.“ „Von den Kerlen habe ich die Nase voll. Wollen alle nur das eine. Mein Haus, mein Erspartes. Geht mir weg mit denen.“ Er wusste, dass er einen wunden Punkt bei ihr anscheinend getroffen hatte. Doch er war zu müde um weiter nachzubohren. Und auch Marie bemerkte seine Müdigkeit. „Wenn Ihr wollte, könnt Ihr heute hier übernachten. Ich habe noch ein kleines Gästezimmer.“ „Ähm...ja, das wäre nicht zu verachten. Es sei denn, Ihr würdet Euch...“ „Nein, nein, ich habe eine gute Menschen- und vor allem Männerkenntnis. Und Ihr seid mir sympathisch.“ ‚Ihr mir auch, Marie.’, dachte er bei sich. Wieder im Gedanken versunken, bemerkte er nicht, dass sie sein Nachtlager vorbereitete. Auch sie war völlig im Gedanken, während sie sein Bett vorbereitete. So lange hatte sie keine Gäste mehr. Und nun kam ein Edelmann, und das war er sicherlich, daher und, das musste sie zugeben, schlich sich in ihr Herz. Er war so höflich und freundlich. Woher er wohl kam? Aus der Stadt bestimmt nicht. Er schien die Städte nicht so sehr zu lieben. Aber wer tat das schon in einer Zeit, wo die Menschen sich mit Epidemien rumschlugen und ihren Unrat auf der Straße verstreuten. Was ihn wohl hierher trieb? Marie war so im Gedanken, dass sie nicht registrierte, dass sie längst mit dem Bettzeug fertig war. Sie erwachte erst wieder aus ihrer Grübelei, als sie lange und tiefe Atemzüge aus der Wohnstube hörte. Leise erhob sie sich von dem Gästebett und ging in das Nebenzimmer. Da saß ihr Gast. Da saß ihr männlicher Gast und schlief tief und fest. Sein Kopf lag auf seinen Armen und diese auf dem Tisch. Marie trat näher an ihn heran. Er hatte ihr nicht sein Alter verraten. Sie schätzte ihn auf neunundzwanzig, vielleicht auch ein bisschen älter. „Ich werde ihn morgen fragen. Er scheint mir völlig erschöpft zu sein.“ Sie holte die Decke aus dem Gästezimmer und legte sie ihm um die Schulter. Ein kurzer Seufzer von ihm brachte ihn aus der Ruhe und sie glaubte schon, ihn geweckt zu haben. Aber das war nicht der Fall. Sanft strich sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Dann löschte sie die letzte Kerze und begab sich selbst in ihre Schlafkammer. Kapitel 3: Vergangenheit und Zukunft ------------------------------------ Kapitel III: Vergangenheit und Zukunft Es war früher Morgen als Richelieu aus seinem Schlaf erwachte. Er war leicht irritiert, als er bemerkte, dass er wohl die ganze Nacht auf einem Stuhl und teils auf einem Tisch geschlafen hatte. Verschlafen rieb er sich die Augen. Und langsam kehrten auch die Erinnerungen zurück: Er war nach Paris gekommen, hatte einen fähigen Mörder gefunden und seinen Namen gewechselt. Und dann war er auf der Suche nach einem ruhigen Platz gewesen, wo er seinen Studien nachgehen konnte und dann hier gelandet. Noch während er überlegte, kam Marie aus ihrer Kammer. Sie schien ebenso ihre Erinnerungen aufzufrischen, als sie die Erinnerung in ihrer Wohnstube sah. Sofort schoss ihr die Röte ins Gesicht, was Richelieu trotz der wenigen Sonne nicht unverborgen blieb. „Was habt Ihr?“ „Oh, ich bin keinen Besuch mehr gewohnt. Dementsprechend sehe ich auch aus. Vor allem meine Haare.“, sie lächelte verlegen. Machte sich aber sogleich daran, das Feuer im Kamin von neuem zu entfachen. Richelieu folgte ihr und nahm seine Studien vom Kaminsims. Marie schaute ihn an. Noch immer überlegte sie, welches Alter ihr hübscher Gast wohl haben mochte. Und da sie noch nie mit Fragen hinterm Berg gehalten hatte: „Wie alt seid Ihr?“ „Einunddreißig.“ ‚Er muss auf die Frage gewartet haben. Er wirkte überhaupt nicht überrascht. Ein seltsamer Mann.’, dachte sie still bei sich, konnte jedoch ein Lächeln nicht verbergen. „Ich könnte also beinahe Euer Vater sein.“, meinte er beiläufig, während er seine Studien anstarrte und sie ihn. „Ähm... mein Vater? Mein Vater hätte nie so gut ausgesehen.“ Richelieu drehte sich zu ihr und beobachtete sie scharf. Sollte er wieder an eine Hure geraten sein, die hinter seinem Geld her war? Er konnte nicht daran glauben. Marie hatte doch selbst gesagt, dass sie von Männern die Nase voll hätte, weil sie selbst hinter ihrem Geld her seien. Ihm blieb ihr roter Kopf nicht verborgen und ebenso wenig die Tatsache, dass sie ihm nicht mehr in die Augen blickte, sondern sich auf das Feuer konzentrierte. Und bis das Frühstück auf dem Tisch stand, wechselte sie kein Wort mehr mit ihm. Ihr schien es mehr als peinlich zu sein, dass sie ihm das laut ins Gesicht gesagt hatte. „Verzeiht mir meinen vorlauten Mund, Monsieur.“ Richelieu schaute von seinem Frühstück auf. Er musste kurz nachdenken, worüber sie gerade redete, besser gesagt, sich entschuldigte. „Mein Mundwerk habe ich von meiner verstorbenen Mutter. Sie sagte immer, dass ich so rede, wie mir der Schnabel gewachsen sei. Ich glaube, deswegen ist mein Verhältnis zu Männern auch so schlecht. Ich vergraule sie alle durch mein Mundwerk. Außerdem denke ich zu schlecht von ihnen. Auch wegen meiner Mutter. Sie wurde seit dem Tod meines Vaters immer nur ausgenommen. Seit sie vor drei Jahren verstarb, versuche ich mich alleine durchzuschlagen. Ohne dabei in den gewissen Etablisments dieser Stadt zu landen.“ Richelieu hörte ihr zu. „Also versuche ich mich mit dem Handel von selbstgemachten Decken durchzuschlagen. Ein nicht sehr ertragreicher Beruf, aber besser als nichts.“, sie schaute auf, „Ach, was rede ich da, Euch als Edelmann interessiert das Leid des dritten Standes sicher weniger.“ Er hörte ihr immer noch zu, schüttelte aber den Kopf, was sie irritierte. Richelieu stand auf und nahm das mittlerweile leere Geschirr und trug es in Richtung Waschbottich. „Ich bin nach Paris gekommen, weil ich meine Studien zu Ende bringen wollte. Studien, mit denen ich ganz nach oben will.“, er war sich selbst nicht ganz im Klaren, warum er das diesem Mädchen erzählte, die noch ein halbes Kind war, aber etwas in ihm sagte ihm, das sie es verstehen würde und es auch nicht weiter geben würde. „Ich will an die Spitze des Staates. Ich weiß, dass wir einen König haben, aber wenn ich Euer Leid sehe, dann weiß ich, dass weder der jetzige, noch sein Nachfolger etwas dagegen unternehmen werden.“ „Wie wollt Ihr an die Spitze des Staates? Ihr seid ein Edelmann. Aber Ihr steht sicher nicht in Verwandtschaft mit dem König. Wollt Ihr ihn etwa stürzen?“, in ihr Blick stahl sich eine kleine Schockiertheit. „Nein. Das würde selbst ich nicht wagen. Seid in der Hinsicht unbesorgt, Marie. Unseren unfähigen König und seine Familie werden wir behalten. Wohl oder übel.“ ein Lächeln, ein warmes Lächeln stahl sich wieder auf seine schmalen Lippen. Und sie erwiderte es. „Aber wie dann?“ „Wem, Marie, würde der König, welcher auch immer hier in Frankreich, am meisten Vertrauen. Wer steht direkt neben ihm an der Spitze des Staates? Und wer hat die Macht, sich in die Politik seiner Majestät mit einzumischen?“ Marie überlegte kurz, dann sah sie ihn an und ein Blick der Unsicherheit aber auch Klarheit trat in ihr Gesicht: „Ihr wollt Kardinal werden?!“ Ein Nicken Richelieus bestätigte ihre Vermutung. Sie saß also mit einem Mann in ihrer Wohnstube, der der mächtigste Mann in ganz Frankreich werden wollte. Und das waren die Kardinäle hier immer. Ohne es zu bemerken, ordnete sich der König ihnen immer und immer wieder unter. Marie verspürte einen gewissen Stolz, dass er ihr seine Pläne gesagt hatte. Und Richelieu war erstaunt, dass sie es anscheinend so schnell begriffen hatte. Marie war das ganze Gegenteil von dem, was Richelieu bis dahin von Frauen kannte. Alle, die er bisher in seinem Bett begrüßen durfte, oder auch mal auf Bällen, waren dumm und begriffen nichts von Politik. Sie waren langweilig für ihn. Aber Marie... sie verstand sehr wohl etwas davon. Sie war das komplette Gegenteil aller anderen. Wie ein Spiegelbild. Lag es daran, dass sie schon so lange alleine lebte und sich alleine durchschlug? Er konnte es nicht sagen. Aber er konnte sich sicher sein, dass sie nie etwas über das eben geschehene Gespräch sagen würde. Und wenn man sie foltern würde. ‚Doch das würde ich nicht zu lassen.’, dachte er leise bei sich und schaute sie, ohne es zu merken, immer verträumter an. Marie entging es nicht. Sie war solche Blicke gewohnt. Früher sagte ihr Vater immer, dass sie das hübscheste Ding in ganz Paris sei, und dass es irgendwo in der Welt einen Mann geben würde, der dies auch bemerken würde und sie heiraten würde. Nach und nach merkte sie selbst, dass es wahrscheinlich nicht nur ein Mann bemerken würde, sondern wohl eher das ganze Viertel. Doch im Blick Richelieus lag keine Gier, kein Verlangen, wie bei den Dorftrotteln, die ihr nachstiegen, wenn sie Essen oder Stoffe einholte. Er sah sie einfach nur verträumt an. So, als hätte er noch nie im Leben eine Frau gesehen. „Geht es Euch gut?“, sie musste ihn in seinen Tagträumen einfach unterbrechen. Seine Blicke wurden ihr unangenehm. Früh am Morgen sah sie einfach schrecklich aus. Und zudem war er ein Aristokrat und sie nur ein einfaches Mädchen aus dem dritten Stand. „Ja, mir geht es gut.“, Richelieu bemerkte sehr schnell, dass er sie mit seinen Blicken durchbohrt hatte. „Verzeiht mir. Ich danke Euch für das Frühstück und gestern Abend für die Suppe und die Übernachtung...“ „Ihr habt auf dem Stuhl und dem Tisch geschlafen, nichts zu danken dafür.“, Marie lachte leise auf. „... die Übernachtung auf dem Stuhl und dem Tisch als Kopfkissen und dafür das ihr die Decke um mich legtet.“ „Wohin werdet Ihr gehen?“, sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Zurück in meine Unterkunft. Mein Diener wird dort schon auf mich warten.“ „Wisst Ihr wie Ihr dahin kommt?“ „Sagt Ihr mir, wie ich zum Gasthaus ‚Le Chat Noir’ komme und ich werde dahin zurück finden.“ „Folgt der Rue Fourcroy und biegt dann links in die Rue des Renaudes. Die geht Uhr bis zum Schluss und dann rechts in die Rue Pierre Demours. In der Rue Lebon ist dann Euer Gasthaus. Ihr könnt es gar nicht verfehlen.“ Richelieu hörte einen leisen aber traurigen Unterton in ihrer Stimme. Auch ihn umschlich die Traurigkeit. Doch er konnte nicht länger hier bleiben. So gern er es auch gewollt hätte. aber warum? Er kannte das Mädchen, nein, die junge Frau erst seit wenigen Stunden. Im Grunde hatten sie nicht einmal viel geredet. Doch ihre Warmherzigkeit stahl sich sofort in sein Herz und hielt es gefangen. Sie drehte den Kopf von ihm weg, aber das Glitzern in ihren Augen blieb ihm nicht verborgen. Dafür waren seine Sinne zu scharf ausgeprägt. „Geht jetzt. Noch ist nicht allzu viel los auf den Straßen. Und die Huren und Bettler schlafen noch. Es wird angenehmer für Euch sein.“, sagte Marie leise und drehte sich nun ganz von ihm weg. Sie wollte nicht, dass er mitbekam, wie sie einen Schluchzer erstickte. Doch Richelieu konnte nicht. Langsam ging er auf sie zu. Legte seine Hand auf ihre Schulter und beugte sich, wie er es schon so viele Male zuvor bei den Frauen gemacht hatte, zu ihrem Ohr hinunter: „Soll ich gehen?“ Ein nicken. „Wirklich?“ Ein weiteres Nicken. „Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns nie wieder sehen?“ „Ja, verdammt noch mal!“ Er merkte, wie sie in einen Weinkrampf reinrutschte. Er wusste nicht, was er tat, aber er wusste, das er es tun musste: Er drehte sie mit einem Ruck herum, zog sie an sich und drückte seine Lippen auf die ihren. Zunächst verkrampft, erwiderte Marie nach wenigen Sekunden den Kuss. Doch schon kurz danach war der süße Traum vorbei. „Lebt wohl, meine süße, kleine Marie Valerie Dujacque.“, flüsterte er. Dann schnappte er sich seine Studien und verschwand auf den Straßen von Paris. „Lebt wohl, Kardinal Richelieu.“ ************************************************* ************************************************* ************************************************* Es war ein anstrengender Tag gewesen für Richelieu. Der neue König, Louis XIII war ein anstrengender Idiot. Er ertrug ihn kaum. Doch er brauchte ihn für seinen Aufstieg. Und blöd genug war er. Er war mittlerweile seit dreieinhalb Jahren in Paris. Zwischenzeitlich in Ungnade gefallen beim König, aus nebensächlichen Gründen wie er fand, war er seit einem Monat wieder in seinen Diensten. Man konnte auf seinen scharfen Verstand eben nicht verzichten. Als er in seinen privaten Gemächern in den Tuilerien ankam, schloss er sie und auch die Geheimgänge sofort ab. Er wollte seine Ruhe haben. Hier konnte er in Ruhe seine neuen Pläne entwickeln. Hier konnte er in Ruhe seinen Gedanken nachhängen. „Drei Jahre.“, murmelte er leise vor sich hin. Was in den drei Jahren doch alles passiert war: Rochefort, sein immer noch ergebener Diener, brachte wenige Tage, nachdem er seinen Auftrag bekommen hatte, Richelieus Vater ermordet. Ganz unauffällig, bei einem Jagdausflug spannte Rochefort ein Drahtseil, das Pferd des alten Duplessis stolperte, stürzte und mit ihm der Alte. Leider und zum großen Bedauern seines Sohnes Richelieu so unglücklich, dass er auf dem Weg ins Schloss verstarb. Niemand brachte seinen Sohn damit in Verbindung. Zudem wusste auch keiner wo er sich aufhielt. Von heute auf morgen, praktisch über Nacht war der junge Armand verschwunden. Und keiner wusste wohin. Unter den anderen Landadeligen munkelte man, er hätte seinen doch herrschsüchtigen Vater nicht mehr ertragen und sei nach Amerika ausgewandert. Andere wiederum sagten, er sei nach Italien oder ins weit entfernte Osmanische Reich gegangen, um die Türken bei ihrem zweiten Feldzug gegen die Habsburger zu unterstützen und mit ihnen Wien einzunehmen. Die größten Feinde Frankreichs. Aber schnell geriet er in Vergessenheit. Sehr zum Wohlgefallen des ‚Auswanderers’. Marie Valerie spukte Richelieu auch noch im Kopf herum. Sie ging ihm seit dem Kuss nie mehr aus dem Kopf. Aber wiedergesehen hatte er sich nicht mehr. Als er an jenem Tag zurück zum Gasthaus ‚Le Chat Noir’ kam, ließ er den alten Pierre rufen. E sollte eine passende Unterkunft finden. Was er zum Glück auch tat. Schnell fand er ein leer stehendes Palais in der Nähe des Louvre. Es wurde gekauft. Pierre. Der war auch nicht mehr. Durch einen unglücklichen Zufall hatte er vor zwei Jahren ein Gespräch zwischen seinem Herrn und Rochefort belauscht. Sie sprachen über den Mord an einem Bischof der Richelieu im Weg stand. Dieser Bischof stand in einer besseren Gunst beim König. Was er unmöglich zulassen konnte. Und da schien dem alten Pierre ein Licht aufgegangen zu sein. Man hatte ihm damals eine Depesche mit dem Tod des Vaters Richelieu überbracht. Er war doch schon schockiert über den plötzlichen und tragischen Unfalltodes seines alten Herrn. An jenem Tag hörte er, wie Rochefort sagte: „Also so, wie ich Euren Vater tötete? Bei einer Jagd, getarnt als Reitunfall.“ „Genau so, Rochefort! Lasst es wieder aussehen, als wäre der arme Bischof zu dumm zum Reiten gewesen und hätte das Hindernis unterschätzt.“ Das kalte Lachen was darauf folgte, ließ Pierre das Blut gefrieren. Ein paar tage später bemerkte Richelieu das mit seinem Diener etwas nicht stimmte. Schnell fand er den Grund heraus. Denn der Alte ließ leise das Wort „Mörder“ erklingen, wenn er an seinem Herrn vorbei lief. Drei Tage später entdeckte man die Leiche Pierres in der Seine. Man sagte schnell, es war Selbstmord. Bei einer Untersuchung fand man keine Spuren von Gegenwehr. Doch was keiner wusste war, dass der arme Pierre in die Seine getrieben worden war. Von keinem Geringeren als Richelieu selbst: „Wenn Ihr es nicht ertragt, dann geht in die Seine.“ Und das tat Pierre auch. Nur einen Brief ließ er in jener Nacht zurück. „An meinen Herrn! Ich weiß nicht, was Euch zu der Tat an Euren Vater getrieben hat, aber ich hoffe, dass Gott Euch angemessen dafür bestrafen wird. Und daran zweifle ich nicht. Und er wird Euch auch dafür strafen, dass Ihr mich in die Seine getrieben habt. Auch wenn ich aus freien Stücken gehe und sie mich mit offenen Armen empfangen wird. Doch noch länger mit Euch zu leben, dass ertrage ich nicht. Nicht, wenn Ihr zwei Morde auf dem Gewissen habt. So lebt denn in Eurem eigenen Frieden und Seelenheil weiter. In guter Erinnerung, Pierre Carée“ Richelieu schmiss den Brief sofort ins Feuer. Was fiel Pierre ein. Hatte auch nicht auch er von dem angenehmen Leben im Palais profitiert? Er war heute noch böse auf den alten Diener. „Marie.“ Täglich hatte er gebetet. Das sich seine Ziele erfüllen, dass er Kardinal und somit engster Vertrauter des Königs wurde. Und dafür, dass er Sie wiedersehen könne. Doch wie sollte er sie finden? Ob sie noch in der alten Rue Fourcroy wohnte? Ob sie mittlerweile einen Mann hatte? Wahrscheinlich nicht. Hatte er ihr damals das Herz gebrochen? War der Kuss ein Fehler gewesen? „Nein, das war er nicht.“, sagte er leise zu sich selbst. Verdammt, er musste einfach die Gewissheit haben. Hastig stand er auf und ließ einen Lakaien rufen, der ihm sein Pferd fertig machen sollte. In der Zwischenzeit zog er sich um. Kaum eine halbe Stunde später ritt er inkognito in Richtung der Rue Fourcroy. ******************************************* „Lass mich in Ruhe, du Schwein!“, die junge Frau schrie aus Leibeskräften. „Ach komm, so alleine wie du bist, sehnst du dich doch nach mir.“ Marie ertrug diesen fauligen Gestank des Mannes nicht länger. Doch auch ihre Kraft schwand und bald konnte sie sich nicht mehr wehren. Wie im Nebel nahm sie wahr, wie der Kerl ihre Beine auseinander drückte und sie sich nahm. Tränen liefen ihr über die Wangen. Warum konnte Er nicht hier sein. „Richelieu!“, wimmerte sie. „Wo bist du?“ „Er ist nicht hier. Er wird auch nicht kommen, mein Vöglein.“ „Doch, Er ist hier.“ Marie erkannt die Stimme sofort. Sie gehörte zu Richelieu. „Richelieu! RICHELIEU!“ Als sie den Namen schrie, kehrte neues Leben in sie zurück. Mit aller Kraft stieß sie den widerlichen Kerl, der sie vergewaltigte von sich und direkt in die Arme Richelieus. Dieser zögerte nicht lange und stieß mit dem Degen zu. Kaum sank der Mann zu Boden, raffte sich Marie auf und lief direkt in Richelieus Arme. „Danke!“ „Still, wir müssen hier weg. Bevor noch seine Kumpanen kommen.“, sanft strich er über ihre Haare. Vorsichtig setzte er sie auf sein Pferd und dann hinter sie. „Jetzt wird alles wieder gut.“ „Wirklich?“ „Wirklich!“, zur Bestätigung drückte er ihr einen liebvollen Kuss auf die Stirn und ritt kurz darauf mit ihr in Richtung seines Palais. Kapitel 4: Persönliche Rache ---------------------------- Kapitel IV: Persönliche Rache Es regnete seit Tagen in Strömen. Richelieu hatte schon langsam die böse Vermutung, dass der Herr ihn wieder strafen wollte, weil er eine Frau in seine Gemächer geholt hatte. Dabei schlief sie zwar in seinem Bett und er nur auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer, aber das schien Ihm egal zu sein. „Oder aber, wegen dem Schwein, was ich ihr zu Liebe getötet habe.“ Zudem war der König auch noch auf seinem Schloss in Compièngne. Richelieu hatte also nicht wirklich etwas zu tun. Außer sich um Marie zu kümmern und er war froh darüber. Rochefort schickte er jeden Morgen in die Stadt, um Informationen über den Stand der Dinge zu erfahren. Denn das Volk von Paris sagte alles, was ihm nicht passte. Richelieu ließ erst wieder nach seinem ergebensten Diener schicken, wenn er sich ganz sicher war, dass Marie schon schlief. Und zwar nicht so unruhig, wie tagsüber, sondern tief und fest. Und das war meist erst nach Mitternacht der Fall. Rochefort wusste nichts von ihr. Die anderen in seinem Palais ebenso. Bis auf die Köchin. Die alte Dame brauchte er, um für Marie Kleider zu besorgen. Aber sie blieb verschwiegen. Marie. Sie machte ihm Sorgen. Seit er sie vor acht Tagen aus den Klauen dieses ekelhaften Schweins befreite und zu sich geholt hatte, war sie still. Sie sprach nur das nötigste. Kein Lächeln. Unruhiger Schlaf. Kaum Appetit. Sie aß nur, wenn er bei ihr war. Schlief nur ruhig, wenn er an ihrem, besser gesagt ja eigentlich, seinem Bett saß. Sprach kaum, nur, wenn er sie etwas fragte. Es war zum Verzweifeln. Was er auch tat, er bekam kein Lächeln von ihrer Seite. Er lehnte sich gegen das Fenster und beobachtete die Regentropfen, wie sie ihren Weg nach unten am Fenster entlang fanden. Das Wetter tat sein Übriges, dass seine Stimme sich der von Marie anpasste und er langsam den Appetit verlor. Er wollte sie glücklich sehen. Er wollte sie sehen, wie damals, als sie so herzlich gelacht hatten, also der Hund sein Bein an ihm hob. Damals war die Zeit so schön gewesen. „Damals.“ „Ja, damals, als wir uns kennen lernten.“ Ruckartig drehte sich Richelieu um. Da stand Sie. In einem Morgenrock, den er ihr besorgen ließ. Langsam ging er auf sie zu, aber sie hielt ihn zurück. „Bleibt, wo Ihr seid.“ „Wie?“ „Kommt nicht näher.“ „Marie, ich...“, doch sie unterbrach ihn erneut. „Dreieinhalb Jahre. Ihr habt Euch mit einem Kuss verabschiedet. Ich habe jeden Tag gebetet, dass Ihr zurückkommen würdet. Doch Ihr kamt nicht. Dreieinhalb Jahre in denen ich Euch mehr als nur einmal gebraucht hätte.“ Langsam und still weinte sie. Und mit ihr das Herz Richelieus. „Marie, sagt mir, was ist passiert?“ „Was passiert ist?“, sie schrie ihn an, während sie auf ihn zu trat und mit ihren Fäusten auf seine Brust schlug. „Was passiert ist? Ihr ward mein Verderben. Bis Ihr kamt, hatte man mir nur hinterher geschaut, nur hinterher geschaut. Als Ihr an jenem Morgen mein Haus verließt, sah man Euch. Und wisst Ihr was die alte, dumme Schnepfe von Nachbarin dachte? Sie dachte, ich wäre zu Hure geworden. Oh, es sprach sich schnell rum, dass ich Männerbesuch hatte. Einen Edelmann. Und da wurden die Männer in meinem Viertel wütend. Sie sagten: „Sie empfängt Edelmänner. Und uns, uns verschmäht sie, diese kleine billige Schlampe!“ Und dann nahmen sie mich. Fast jeden Tag. Eine Zeit lang konnte ich mich noch wehren, aber irgendwann brach mein Wille. Jeden Abend wimmerte ich. Hoffte, dass mich Gott erhören würde, dass er Euch zu mir schicken würdet. Doch nichts ist geschehen.“ Richelieus Herz schnürte sich immer mehr zu. Er war daran schuld. Zweifellos. Wie konnte der Herr das nur zulassen? Wie konnte Er nur? Wieso strafte er das hübscheste Mädchen auf Erden, warum nicht ihn? Noch immer schlug Marie auf seine Brust ein. Er spürte ihren ganzen Schmerz. Und er wollte ihn spüren. Er war der Verursacher gewesen. Er fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor. Langsam wurden ihre Schläge sanfter, bis sie ganz aufhörten. Kurz bevor sie gänzlich zusammenbrach, fing er sie auf. Da saßen sie also zusammen auf dem alten Teppich. Sie schluchzte. Er sagte gar nichts und starrte nur vor sich hin. Er merkte wie ihre Tränen an seinem Hals herunter liefen. Sie merkte hingegen, wie er langsam aber bestimmt seine Arme um sie legte. Wie beruhigend es für sie doch war. Endlich war er wieder bei ihr. Ihr geliebter Kardinal. Er gab ihr Wärme und Geborgenheit. Soviel das sie sich wieder beruhigen konnte. „Es tut mir leid, was Euch in den letzten drei Jahren wiederfahren ist. Hätte ich das gewusst, wäre ich eher bei Euch gewesen. Ich weiß, dass ich das nicht wieder gut machen kann. Und es ist in Ordnung, wenn Ihr mir nicht verzeiht, denn...“ Er kam nicht weiter. Ihre Hand, die zärtlich über seine Wange strich, unterbrach ihn. Völlig perplex starrte er auf sie herab, aber sie sah ihn nicht an. Wie lange war es her, dass er einer Frau so nah gewesen war? Nun, dreieinhalb Jahre, seit er Marie geküsst hatte. Und seit dem war keine andere Frau mehr in seinem Leben gewesen. Dir Enthaltsamkeit schlug ihm noch nicht mal auf den Magen. Im Moment war es viel mehr ihre Nähe. Er zog sie noch fester an sich heran. So nah, bis er ihren Herzschlag durch sein Gewand spüren konnte. „Halt, nicht so fest, Monsieur.“ „Verzeiht, Marie.“, er löste sich wieder von ihr und diesmal schaute sie ihm in die Augen. „Im Moment bin ich nicht in der Lage, Euch das zu geben, was Ihr vielleicht wollt. Nicht, nach dem was in den letzten Monaten und vor allem verstärkt in den letzten Wochen geschehen ist.“, versuchte sie sich zu entschuldigen. „Ihr versteht mich falsch. Ich will Euch nicht zu mir locken. Ich will Euch hier nur erst einmal den Frieden geben, den Ihr braucht. Den Ihr verdient.“ Langsam stand sie auf und er mit ihr. „Ich danke Euch, Richelieu. Auch wenn ich Euch vorhin angeschrieen habe. Ihr habt es eigentlich nicht verdient, denn Euch trifft keine Schuld.“ Wieder diese Augen. Wie lange konnte er noch hinschauen, ohne nicht gänzlich in ihnen zu ertrinken? Seit acht Tagen hatte er sie in seiner Nähe. Und heute durfte er wieder ihre Wärme spüren. Wie lange konnte er, sollte er ihren Reizen noch standhalten. In den letzten Jahren waren diese Reize deutlicher geworden. Sie war jetzt einundzwanzig und er würde in weniger als einem Monat vierunddreißig werden. So sehr er sie jetzt auch begehrte, er durfte nicht. Nicht nur wegen seinem Zölibat. Auch weil sie in den letzten Jahren genug schlechte Erfahrungen hat machen müssen. „Ich bin nicht aus Stein. Mein Herz ist nicht aus Stein.“, leise murmelte er vor sich hin. „Habt Ihr etwas gesagt?“ „Ähm...nein. Nichts. Ihr sehr blass aus, Marie. Legt Euch noch etwas hin.“ „Wenn Ihr wieder bei mir bleibt?“ ‚Bittet mich nicht darum’, flehte er im Gedanken, ‚Ich bitte Euch, bittet mich nicht darum, über Euch zu wachen, während Ihr schlaft.’ Doch sie ergriff seine Hand und ging in die Richtung seines Schlafgemachs. Kaum dort angekommen, schlüpfte sie unter die Decke. Richelieu nahm auf einem Sessel direkt neben dem Bett Platz. Marie sprach nicht mehr. Sie griff nur erneut nach seiner Hand und umschloss sie fest. Kurz danach schlief sie ein. ********************************************** Notre Dame schlug Mitternacht, als Richelieu erwachte. Wieder war er an ihrem Bett eingeschlafen. Wie schon die Nächte zuvor. Sein Kopf lag auf dem Bett und auf seinen Haaren ruhte Maries Hand. Still beobachtete er sie. „Wie ein Engel.“ Doch sie schlief unruhig, dass merkte er schnell. Und dann konnte er ihn hören: Den Namen ihres Peinigers. Matthieu Sureille. Sie wiederholte diesen Namen oft, innerhalb weniger Minuten, sodass Richelieu sicher war, dass dieser wohl Marie auch vor acht Tagen vergewaltigt hatte und die drei Jahre zuvor sie am meisten gepeinigt hatte. „Schlaf ruhig, meine kleine, süße Marie. Überlasst den Rest mir.“ Vorsichtig erhob er sich und gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er sie in Richtung seines Arbeitszimmers verließ. Kaum hatte er an seinem Schreibtisch Platz genommen, ließ er auch schon Rochefort rufen, der auch keine fünf Minuten später erschien. „Ihr habt mich rufen lassen, mein Herr.“, schnurrte er und verbeugte sich tief. „Bringt ihn um.“ „Darf ich den Namen meines Opfers erfahren?“ Richelieu blickte Rochefort finster an. ‚Oh Gott, der Blick. Wie der eines hungrigen Wolfes.’, dachte Rochefort. Er konnte den ganzen Hass seines Herrn in dessen Augen sehen. So viel, wie noch nie zuvor. Etwas sehr schlimmes musste vorgefallen sein. Doch nur was? Rochefort wusste, dass ihm der Grund diesmal wohl nicht gesagt werden würde. „Bringt Matthieu Sureille um. Auf der Stelle. Ich will, dass Ihr ihn leiden lasst, Rochefort. Er soll das Leid erfahren, was er dreieinhalb Jahre jemand anderem zugefügt hat. Er soll um Gnade winseln. Und wenn er nach dem Grund fragt, sagt ihm folgendes.“ Richelieu nahm Feder und Papier und fing an zu schreiben. Kaum zwei Minuten später übergab er es Rochefort. „Lest es!“ „Ich hoffe, Ihr habt den Schmerz gespürt, den Ihr mir und Mademoiselle Dujacque zugefügt habt. Schmort dafür in der Hölle. Auf das Ihr nie mehr ohne Leiden seid. Gezeichnet: A. J. Duplessis“ Rochefort schaute auf: „Ihr unterschreibt mit Eurem alten Namen.“ „Ja, ein altes Überbleibsel das noch nützlich ist. Und jetzt geht. Ihr werdet den Mann in der Nähe der Rue Fourcroy finden.“ Rochefort eilte unverzüglich hinaus. Es musste sein. Rochefort musste dieses Ekel umbringen. Richelieu konnte den Gedanken nicht ertragen, dass dieser Mann noch frei herumlief. Sureille hatte Marie geschändet. Seine Marie! Und genau dafür sollte erbüßen. Er sollte den Schmerz von Marie fühlen. Den Schmerz von Richelieu. Sureille sollte dafür büßen, dass Marie Tagelang nur ein Schatten ihrer selbst war. Und auch, dass musste sich Richelieu selbst mit einem Schmunzeln eingestehen, dass er sich noch etwas länger nach seiner Marie verzehren musste. Leise glitt hinter ihm die Tür auf. Doch er hörte es nicht. Zu tief war er wieder in seinen Gedanken versunken. „Träumt Ihr wieder?“ Richelieu spürte zwei Hände auf seinen Schultern. Ihre Hände. Sanft strich er mit seiner Hand über ihre rechte. In diesem Moment brauchte er ihre Frage nicht zu beantworten. Marie wusste, wo er mit seinen Gedanken war. Und sie wusste auch, dass sie ihn gerade wieder daraus gerissen hat. Langsam drehte er sich um. Sie stand immer noch vor ihm, in dem wundervollen marineblauen Morgenrock den er an ihr liebte. Ihre Hand ruhte immer noch auf seinen Schultern. Starr schaute er in ihre Augen. Und dieses Mail ertrank er völlig in ihnen. Er konnte sich nicht mehr halten. Still blickte er sie an. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. ‚Sie hat so liebe, sanfte Augen. Und Lippen rot wie Erdebeeren.’, dachte er bei sich. Ihre Lippen. Wie gerne wollte er sie mit seinen berühren. Doch die Tatsache was Marie in den letzten Wochen und Monaten alles erlebt hatte, ließ ihn in seiner jetzigen Position verharren. Marie beobachtete ihn. Jeder andere Mann hätte sich jetzt auf sie gestürzt. Doch nicht er. Nicht ihr Kardinal. In seinem Blick lag wieder diese Sanftheit. Wie gerne wollte sie ihn jetzt umarmen. Aber sie brachte nicht den Mut dafür auf. Während sie darüber nachdachte, erhob Richelieu sich. „Ihr solltet wieder ins Bett, Marie.“ Er hielt ihre Hände umklammert. Seine letzte Bastion vor dem Ertrinken in ihren Augen. „Ich kann nicht schlafen.“ „Albträume?“ Ein Nicken bestätigte seine Vermutung. „Bald wird alles wieder gut.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich. Vertraut mir darin.“ Marie trat einen Schritt auf ihn zu. Die Wärme die er ausstrahlte, hielt sie gefangen. „Ich vertraue Euch in allem, was Ihr auch jemals tun solltet.“ Nun trat er näher an sie heran. Ihre Hände immer noch umklammert. „In wirklich allem?“ Wieder kam als Bestätigung ein Nicken. „Erlaubt mir dann einen Wunsch.“ „Wenn Ihr ihn mir verratet.“ „Ich werde es sagen. So könnt Ihr ihn immer noch verweigern. Und das würde ich auch akzeptieren.“ Noch näher trat er an sie heran. Wieder, wie damals, beugte er sich zu ihrem Ohr hinunter und flüsterte leise in es hinein. Dann trat er zurück, schaute er aber weiter in ihre Augen. „Bevor ich Euch meine Antwort gebe, möchte ich, dass Ihr meinen Wunsch hört.“ „Wie Ihr wollt.“ Nun war es an ihr, ihm ihren Wunsch ins Ohr zu flüstern. Als er ihn hörte, weiteten sich seine Augen. „Was ist, Richelieu, willigt Ihr ein? Denn im Grunde habe ich Euch meine Antwort somit gegeben.“, Marie schaute ihn in diesem Moment nicht an. Sanft legte Richelieu seine Hand auf ihre Wange, die andere um ihre zarte Taille. Marie ließ sich von ihm näher heran ziehen. Solange, bis sie seinen Herzschlag spüren konnte. Sie musste sich auf ihre Zehenspitzen stellen, damit sie aus dieser Nähe noch in seine Augen schauen konnte. Dann spürte sie sie: Seine Lippen! Ihre Lippen. Wie weich sie waren. Wie sehr er sie vermisst hatte. Er war glücklich, dass sie seinem Wunsch mit einem Gegenwunsch geantwortet hatte. Er durfte sie küssen, wenn sie den Kuss erwidern durfte. Wie sehr er seine kleine, liebe und süße Marie Valerie doch liebte. Und auch sie gestand sich ein, dass sie nie mehr einen anderen Mann lieben wollte. Diesmal war der Traum noch nicht so schnell vorbei. Erst nach wenigen Minuten lösten sie sich voneinander. „Ist Euer Wunsch in Erfüllung gegangen?“, hauchte Richelieu beinahe nur noch. „Ja, dass ist er. Und ich danke Euch dafür.“ Marie gab ihrem Liebsten noch einen liebevollen Kuss auf die Stirn, bevor sie zurück in das Schlafgemach ging. Mehr wollte und konnte sie ihm heute nicht geben. Und auch Richelieu wusste und akzeptierte es. So ließ er sie zurück ins Bett gehen. Er jedoch wollte unbedingt noch abwarten, ob Rochefort seine Arbeit noch heute Nacht hatte erledigen konnte. ********************************************* In den frühen Morgenstunden kam Rochefort endlich. Das zufriedene Gesicht ließ Richelieu sicher sein, dass Maries Peiniger nicht mehr am Leben war. „Mein Herr. Ich habe Euren Auftrag sachgemäß ausgeführt. Er musste leiden.“, verbeugte sich Rochefort anstandsgemäß. „Und wie?“ „ Ich habe ihm aus dem Hinterhalt ein Messer zwischen seine Rippen gestoßen. Als er sich umdrehte, wollte er wissen, was ich von ihm wolle. Ich sagte ihm Eure Worte und er sagte nur, dass Ihr ebenfalls in der Hölle dafür schmoren würdet. Daraufhin habe ich ein zweites Mal zugestoßen. Direkt in die Lungengegend.“ Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf Richelieus Lippen. „Ich habe das Messer quälend langsam wieder heraus gezogen. Er bat darum, dass ich ihm endlich den Gnadenstoß gebe, aber ich ließ ihn zappeln und ließ ihn sozusagen ausbluten. Am Ende erwürgte ich ihn.“ „Hat er sonst noch etwas gesagt?“ „Nein. Nichts mehr. Seine Leiche habe ich jedoch liegen lassen.“ „Das ist gut.“, Richelieu lehnte sich zurück. „Hier, Euer Lohn.“ Er warf Rochefort einen Lederbeutel zu, den dieser zugleich auffing. Rochefort merkte sofort, dass seinem Herrn dieser Auftrag sehr wichtig gewesen war. So viele Geldstücke hatte er noch nie durch das dünne Schweineleder gespürt. Als Dank verbeugte er sich tief. „Ich werde Euch die nächsten Tage nicht brauchen, Rochefort. Sobald ich Euch brauche, lasse ich nach Euch schicken. Amüsiert Euch mein lieber Rochefort.“ Richelieu stand auf und ging um seinen Arbeitstisch herum auf Rochefort zu. Er streckte ihm die Hand hin und Rochefort nahm diese nach kurzem Zögern und küsste den bischöflichen Siegelring. Solch hohe Ehre hatte er noch nie erfahren. „Ich danke Euch sehr für diesen Gefallen, Rochefort. Ihr habt mir den besten Dienst damit geleistet.“ „Ich danke Euch für dieses Lob, mein Herr.“, noch einmal verbeugt er sich. Dann entschwand er hinaus auf die morgendlichen Straßen Paris’. Richelieu löschte die mittlerweile fast herunter gebrannten Kerzen und ging dann hinüber zu dem Sofa, auf dem er seit neun Nächten schlief. Und nach dieser Wohltat, die Rochefort für ihn getan hatte, würde er seit neun Nächten auch wieder richtig tief schlafen. Doch so weit kam er in seinen Gedanken nicht mehr, denn kaum lag er auf dem Sofa, war er auch schon dem Bruder des Todes, dem Schlaf begegnet. Kapitel 5: Schlafen, Träumen, Vergessen --------------------------------------- Kapitel V: Schlafen, Träumen, Vergessen Langsam glitt sie vor dem Sofa auf die Knie. Wie tief er wohl schlief? Und wie friedlich er aussah. Vorsichtig beuget sich Marie über ihn, strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und gab ihm, auf die nun freiliegende Stirn einen zaghaften Kuss. Kurz darauf ließ Richelieu ein leises Seufzen vernehmen, zusammen mit ihrem Namen. In diesem Moment war sie froh, dass er noch schlief, denn so sah er nicht, wie sie dabei errötete. Doch der Schein trog. Er musste definitiv von ihr träumen, denn er lächelte immer mehr und mit einem Male zog er sie zu sich hinunter auf das Sofa. „Aaah!“, erschrocken schrie sie auf. Sie wusste, dass er es nicht mit Absicht getan hatte, doch über diese plötzliche Aktion war sie erschrocken gewesen. Und anscheinend nicht nur sie. Denn durch den Schrei weckte sie Richelieu beinahe brutal aus seinem süßen Traum. Noch nicht ganz wach und wissend wo er war, zog er sie instinktiv an sich, um sie zu schützen. „Marie, ganz ruhig, Ich bin bei Euch. Keine Panik.“ „Richelieu.“ Er reagierte nicht, sondern schaute sich panisch im Raum um. „Richelieu, es ist alles in Ordnung.“ „Aber...“, immer noch der wirre Blick, „Aber Ihr habt doch geschrieen?!“ Marie kicherte. „Ja, weil Ihr mich erschreckt habt. Ihr habt mich ohne Vorwarnung zu Euch hinunter gezogen.“ Richelieu setzte sich ganz auf, hielt sie jedoch noch immer fest im Arm, was ihr keinesfalls widerstrebte. „Es tut mir leid, Euch so erschreckt zu haben. Könnt Ihr mir verzeihen?“ Wie konnte er nur solch eine dumme Frage stellen. Natürlich konnte sie das. Sie liebte ihn schließlich. Sie liebte ihn? Sie liebte ihn! Als er ihr in die Augen sah, wusste er, dass sie ihm verzieh. Wieder diese Augen. Wieder versank er in ihnen. Und nicht nur darin. Fast hätte er es nicht bemerkt, aber sie ließ ihm eindeutige Blicke in ihr Deklotée geben. ‚Ihr Morgenrock muss verrutsch sein, als ich sie hinuntergezogen habe.’, dachte er mit einem leichten Grinsen. ‚ Nicht schlecht.’ „Was lächelt ihr so?“ „Ähm, nichts.“ Jedoch hätte er ihr nicht so antworten dürfen, wenn seine Augen noch woanders hingen. Und natürlich bemerkte sie es sofort. In den letzten Jahren war sie nichts anderes mehr gewohnt gewesen. Allerdings machte es ihr bei Richelieu weniger aus. Sanft hob sie mit ihrer Hand sein Kinn an und er schaute ihr wieder direkt in die Augen. „Es...es tut mir...leid, dass...dass ich Euch...dahin geschaut...geschaut habe.“, stammelte er verlegen, wobei sein Gesicht leicht rot anlief. „Ist in Ordnung. Bei Euch weiß ich, dass Ihr mich nie ohne meine Erlaubnis nehmen würdet. Oder liege ich da falsch?“ „Nein, so was würde ich nicht wagen. Eigentlich dürfte ich es nicht einmal mit Eurer Erlaubnis wagen.“, er deutete auf den Siegelring. Sie nahm seine Hand, betrachtete den Ring. „Würdet Ihr Euch auch an Euer Zölibat halten, wenn Ihr mich lieben würdet?“ „Nein!“, seine Antwort war klar und deutlich. Und sie ließ nicht den geringsten Zweifel zu. „Tut Ihr es?“ „Ja!“ Diese Antwort trieb Marie Tränen in die Augen. Fluchtartig stieß sie ihn von sich und verließ ihn in Richtung seines und ihres Schlafgemachs. Kaum im Schlafgemach angekommen, ließ sie sich auf das Bett fallen. Was hatte er ihr da nur gerade gesagt? Wie konnte er nur? Sie liebte ihn, aber das er ihre Gefühle erwiderte, war ihr zu viel. Er war Bischof. Er wollte Kardinal werden. Und nun würde sie seine Geliebte werden. Wenn sie ihre Gefühle ebenfalls zuließ. Und das wollte sie so gerne. Marie konnte nicht aufhören mit weinen und sie bekam auch nicht mit, wie Richelieu in das Gemach trat. „Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht überrumpeln, Marie.“ Marie schreckte auf. Wie schön und anmutig er aussah, wenn er in der Tür stand und von hinten das Licht auf ihn fiel. Sie spürte ihr Herz und glaubte, es müsse zerspringen. Langsam trat er auf sie zu. Setzte sich neben sie auf das Bett und sah sie einfach nur regungslos an. „Warum sagt Ihr so was?“ Marie blickte Richelieu fragend und mit einem Vorwurf in den Augen an. „Weil es die Wahrheit ist. Ich liebe Euch. Seit ich Euch damals verließ. Ich dachte fast täglich an Euch. Und nun, da Ihr bei mir seid, verzehrt sich mein Herz, meine Seele und mein Körper nach Euch. Ich wollte Euch vergessen, aber ich habe gesehen, ich konnte es nicht. Verzeiht mir, Marie.“ Wieder diese Worte. Worte voller Liebe und Wärme. Voll von alle dem wonach sich Marie so sehr sehnte. Aber wie konnte er sie lieben. Sie? Sie kam aus dem dritten Stand, konnte sich nach dem Tod ihrer Eltern gerade so über Wasser halten und wurde in den letzten dreieinhalb Jahren fast jeden Tag vergewaltigt. Wie konnte er sie lieben? Wie nur? Und im Moment war er auch noch drauf und dran seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Er hatte vor dem Herrn geschworen, dass er enthaltsam leben würde und nun verzehrte er sich nach ihr. Sie würde sein Verderben sein. „Schweigt.“ Das klang härter als sie beabsichtigt hatte. Doch es half nichts, sie musste hart und stark klingen. Sie durfte ihn nicht ins Unglück stürzen wegen einer Affäre. „Bitte, Monsieur, schweigt. Und sagt nicht solche Worte. Ihr wisst, dass Ihr mich nicht lieben dürft. Also tut es bitte auch nicht. Ich möchte nicht, dass Ihr meinetwegen Eure Karriere aufs Spiel setzt. Ihr habt hart daran gearbeitet. Bitte, hört auf mich zu lieben.“ Richelieu starrte sie an. Er hatte ihr gerade seine Liebe gestanden. Er hatte ihr das gesagt, was er ihr schon damals vor mehr als drei Jahren hätte sagen sollen. Und nun kamen diese Worte aus ihrem Mund? Das konnte nicht wahr sein. Das war ein schlechter Traum. Und vor allem war das nicht seine Marie. „Was sagst du da?“ Mit einem Male wurde er persönlich. Nicht wie gewohnt das höfliche ‚Ihr’, nein, plötzlich waren sie zum ‚Du’ gewechselt. Zumindest er. Doch es schien ihn nicht zu stören. Er liebte sie, und nun konnte er diese alberne, vornehme Höflichkeit ablegen. „Wieso sagst du so etwas? Du bist nicht du selbst. Ich meine, ich sehe ja ein, dass du geschockt bist nach meinem Geständnis, aber dass du dabei gleich in Tränen ausbrichst und mich darum bittest, dich nicht mehr zu lieben... Ich kann meine Gefühle für dich nicht auslöschen wie eine Kerze. Ich liebe dich mit jeder Faser meines Körpers, Zölibat hin oder her. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Du allein gibst mir Kraft zu leben und die Welt ist wunderschön, wenn wir zusammen sind. Du allein kannst mein Leben bewegen.“ Marie konnte ihm nicht in die Augen sehen, nicht nach solchen Worten. „Sag nicht so etwas.“, sie schüttelte nun ebenfalls die höflichen Floskeln ab. Wenn er, einer aus dem Klerus, dass durfte, durfte sie aus dem dritten Stand es ebenfalls. „Hör auf, die so etwas einzureden. Du liebst mich nicht, und wenn, dann wäre ich allenfalls deine Mätresse. Und dafür bin ich mir zu schade.“ Sie stand auf und richtete sich in voller Größe vor ihm auf. Er tat es ihr gleich. Und überragte sie um einen ganzen Kopf. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern und Richelieu ahnte das. „Ich liebe dich, verstehst du es denn nicht oder willst du es gar nicht erst verstehen? Am liebsten hätte ich dich schon gestern Abend genommen. Aber weil ich dachte, ich würde dich damit nur noch mehr verletzen, ließ ich es bleiben. Was wohl ein Fehler war. Denn so wüsste ich nun, ob sich die letzten Nächte ohne Schlaf gelohnt hätten oder nicht und ob es einen Grund gebe, dich nun nicht vor die Tür zu setzen. Und glaub mir, nach mehr als drei Jahren ohne Frau hätte ich dich nicht weniger verletzen können, als eine Maus es hätte tun können.“ Marie schaute ihn fassungslos an. Er wollte sie schon gestern Abend haben? Er musste sich sehr nach ihr verzehren. Doch im Grunde war nicht das die Tatsache, die sie so sprachlos in jenen Moment machte, als viel mehr die Tatsache, dass er es auch noch laut aussprach. Er war ein Mann der Kirche, aber sprach laut aus, dass er sie haben wollte. Was ging nur in ihm vor. Hatte die Liebe zu ihr ihn so blind gemacht? Langsam fand sie wieder Worte. „Du wolltest mich schon gestern Abend.“, diese Worte klangen sanfter als beabsichtig. „Aber warum hast du dann nichts gesagt?“ Richelieu schaute sie irritiert an. „ Na weil du gesagt hast, dass du mir noch nicht das geben kannst oder willst, was ich vielleicht haben möchte. Also habe ich deinen Wunsch respektiert. Aber so wie dich heute verhältst, hätte ich es wohl doch tun und dir dabei gleich mal den Hintern versohlen sollen. Du, Marie, bist eben doch noch eine unreife kleine Göre.“, leicht erschöpft von dieser Zänkerei ließ er sich zurück auf das Bett gleiten. Marie neben ihn. „Warum sagst du mir das jetzt? Das hättest du mir auch gestern Abend nach dem Kuss sagen können.“ Richelieu stütze seinen Kopf auf seine Hand und seufzte: „Weil ich dich nicht schockieren wollte. Deswegen hielt ich mich zurück. Nur dir zu Liebe.“ „Ist deine Liebe zu mir denn so groß?“ „Müsste ich sie in Meilen messen, wären es zig Millionen Male von hier bis zur Sonne und wieder zurück. Wie auch immer...“, er stand wieder auf und ging in Richtung seines Arbeitszimmers, „Ich will dich zu nichts zwingen. Gott bewahre mich davor und sei mein Zeuge. Ich werde weiter arbeiten. Der König kommt bald aus Compièngne und ich muss noch ein paar Akten ausarbeiten. Ich werde der Köchin Bescheid sagen, dass sie dir etwas zu Essen bringen soll.“ Er stand mit dem Rücken zu ihr und bemerkte nicht, wie Marie fieberhaft nachdachte. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie wollte ihn hier bei sich haben. Seine Nähe und Wärme spüren und ihm nahe sein. Ganz nahe. Doch was sollte sie tun? Völlig überraschend, für sie als auch für Richelieu sprang sie auf und umarmte ihn von hinten. Er konnte ihren Brustkorb spüren, wie er sich rasch hob und senkte und ihren Atem, der ihm eine Gänsehaut in den Nacken trieb. Sollte sie etwa nervös sein? Ihre Hände schlossen sich um seinen Brustkorb und er strich ihr sanft über diese. „Es tut mir leid.“, ihre Stimme war kaum ein Flüstern mehr. „Ich bin froh, bei dir zu sein. Dich in meiner Nähe zu haben. Bei dir kann ich in Ruhe schlafen, träumen, mein Elend ein bisschen vergessen. Also verlass mich jetzt bitte nicht. Ich bitte dich, Richelieu.“ „Ich würde dich nie verlassen. Im Tode nicht.“ Sanft zog er ihre Hände an seinen Mund und küsste sie. „Aber ich bin nicht aus Stein und diese Tatsache ist es, die es zulässt, dass ich dich liebe, Marie. Und du musst mir nun auch verzeihen, was ich dir gerade eben an den Kopf geworfen habe. Ich meinte es nicht so.“ „Du wolltest mich also nicht nehmen die Nacht?“ Ein trauriger Unterton lag in Maries Stimme, Richelieu hörte es sofort heraus und drehte sich ebenso schnell wie er es gehört hatte herum zu ihr und schaute sie an. „Doch, das wollte ich.“ „Willst du es denn immer noch?“ Ein Nicken bestätigte Maries Frage. Sie stellte sich vorsichtig auf die Zehenspitzen und drückte zärtlich ihre Lippen auf seine. In jenen Moment durchzuckte es Richelieu wie ein Blitz. Er zog sie fester an sich, hob sie hoch und trug, sie immer noch küssend, zum Bett. Sanft legte er sie darauf und stützte sich mit seinen Armen ab. Sie war so zerbrechlich, dass er es nicht wagte, sein ganzes Körpergewicht auf ihren zarten Puppenkörper zu legen. Doch sie schien es anders zu sehen. Denn Marie zog ihn zu sich hinunter, sodass er doch mit seinem ganzen Gewicht auf ihr lag. Ein weiterer Blitz durchfuhr ihn. ‚Jetzt oder nie, du musst sie einfach haben.’, dachte er und strich ihr küssend durch die Haare. Marie drückte sich ihm entgegen und ihr Hohlkreuz erlaubte es Richelieu, ihr den Morgenmantel am Rücken und über den Schultern abzustreifen. Seine zärtlichen Küsse wanderten von ihrem Mund über den Hals hinunter zu ihren Schultern. Wie glatt und samtigweich ihre Haut doch war. Nie hätte er es sich erträumen lassen, dass Marie so etwas zuließ. Marie schwebte förmlich auf Wolke sieben. Seine Küsse am Hals und an den Schultern raubten ihr beinahe jetzt schon den Verstand. Sie ließ ihre Hände an seinem Rücken hinunter wandern. Er schien ihre Gedanken zu lesen, denn er zögerte danach nicht lange und streifte sich sein Hemd ab. Marie setzte sich leicht auf, um seinen Oberkörper besser sehen zu können, wobei ihr der Morgenrock gänzlich hinunter rutschte und nun auch ihre Brüste frei lagen. Richelieu zögerte nicht lange und verlagerte seine Küsse darauf, was Marie den ersten wohlklingenden Seufzer entlockte. Doch es blieb nicht allein bei diesem: Schon ein paare Minuten später hatten sich beide ganz entblößt und Richelieu zeigte ihr die sanftestes, zärtlichste und leidenschaftlichste Seite der Liebe. Immer und immer mehr Seufzer entlockte er ihr, die bald darauf in ein Keuchen übergingen. Marie wusste nicht, wie ihr geschah. Seine Bewegungen verschmolzen mit ihren, ebenso sein Keuchen. Doch sie hielt es nicht mehr lange aus. Langsam machte sich ein Kribbeln in ihrem Bauch breit, welches immer stärker wurde. Das Keuchen Maries drang immer heftiger an Richelieus Ohr. Er hätte lügen müssen, wenn er geglaubt hätte, es würde ihn nicht noch mehr anspornen. Er ahnte, dass Marie kurz davor stand, völlig in sich zusammenzufallen vor Erschöpfung und Erleichterung und Glück. Ihm selbst ging es da nicht anders. Das Kribbeln in Maries Bauch wurde immer stärker. Sie konnte es nicht mehr unterdrücken. Ebenso wenig das Keuchen, welches mittlerweile zu einem halben Schrei ausgeartet war. Eine Bewegung von Richelieu und sie würde... Richelieu war völlig fertig. Sie war so süß und ihr Becken kreiste unaufhörlich, wenn sie weiter so machen würde... Ein lauter Aufschrei von Marie und das stärkste Kribbeln, was sie je gespürt hatte, was verschwunden und hinterließ ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit. Maries Aufschrei sprang auf Richelieu über und er sank kurz darauf völlig erschöpft aber glücklich auf ihr zusammen. Und obwohl es erst kurz vor elf Uhr am Mittag war, schliefen Richelieu und Marie kurze Zeit später ein. Sie schmiegten sich so wie Gott sie schuf eng aneinander und ließen sich nicht mehr los. „Schlafen, träumen, vergessen.“, murmelte Marie zufrieden, bevor sie gänzlich einschlief. Kapitel 6: Leidenschaft und Verlangen ------------------------------------- Kapitel VI: Leidenschaft und Verlangen Es war am frühen Abend als Richelieu die Augen wieder öffnete. Neben ihm lag seine geliebte und süße Marie Valerie. Er brauchte ein wenig Zeit, um sich daran zu erinnern, wieso sie nur mit der Decke bekleidet neben ihm lag. Als die Erinnerung zurückkam, musste er schmunzeln. Er hatte sie wirklich erobert. Oder doch etwa sie ihn? So sicher war er sich da nicht mehr. Er setzte sich etwas auf, stütze sich mit den Händen ab und lehnte sich leicht zurück. Bei genauerer Betrachtung ihres Rückens fielen ihm einzelne Striemen auf. Manche sehr stark, andere fein gezeichnet. Überreste ihrer Vergangenheit. Aber ihr Peiniger hatte seine gerechte Strafe erhalten. Und falls sie noch andere Namen im Schlaf sagen würde, würde er auch diese verfolgen und töten lassen. Ein Problem würde er dadurch bestimmt nicht mit seinem Herrn bekommen. Sanft strich er ihr über den Rücken. Wie weich doch ihre Haut war. Richelieu war teilweise selbst von sich überrascht, dass er sich so schnell auf sie eingelassen hatte. Zwar liebte er sie, aber dass er so schnell für sie sein Zölibat brechen würde, hätte er nicht von sich gedacht. Marie war die Frau, die er nicht nach einer Nacht abschieben würde. Oder besser nach einem Morgen. „Wäre ich kein Mann der Kirche, würde ich dich sofort ehelichen, Marie!“ „Das bist du aber.“ Perplex starrte Richelieu sie an. „Du bist wach? Seit wann?“ „Du hast mich mit deiner Streicheleinheit geweckt. Süßer hätte ich nicht aufwachen können.“ Marie zog die Decke fester um sich, verdeckte ihre Blöße und setzte sich auf, damit sie mit ihrem geliebten Richelieu auf einer Augenhöhe war. Wie sanft und zärtlich er doch gewesen war. Jede Erinnerung an die letzten dreieinhalb Jahre waren in seinen Armen ausgelöscht worden. Jeglicher Schmerz von ihr gewichen. Kaum zu glauben, dass er in den letzten Jahren mit keiner anderen Frau im Bett war. ‚Aber vielleicht ist das auch das Geheimnis seiner Zärtlichkeit.’, dachte Marie bei sich. Still betrachtete er sie. Seine Augen hingen wieder an ihren. Doch mitten in die Stille brach ein ungebetener Gast: „Rochefort!“ In Richelieus Augen spiegelten sich mit einmal wieder die Kälte und der Hass. „Hatte ich nicht gesagt, dass ich nach Euch rufen lasse? Wieso seid Ihr wieder hier?“ Marie konnte dem ganzen Treiben kaum folgen. Zur Sicherheit und aus Furcht vor diesem Einäugigen versteckte sie sich hinter Richelieus Rücken. Dieser legte nur seinen Arm um sie, damit sie Rochefort nicht weiter auffiel. Doch dafür war es bereits etwas zu spät. Rochefort hatte sie längst bemerkt. ‚Deswegen also sollte ich erst kommen, wenn er nach mir rufen würde. Sehr schlau von ihm. Aber dieses Vögelchen werde ich ihm nicht abspenstig machen können. Nicht wenn ich in seinem Auftrag wegen ihr morden soll.’ „Was ist Rochefort, warum seid Ihr hier?“ Die barschen Worte rissen den Genannten aus seinen Gedanken. Etwas verklärt schaute er zu seinem Herrn hinüber, der sich mittlerweile aus dem Bett geschält hatte und seinen purpurnen Morgenrock trug. Da er immer noch keine Antwort gab, bekam er die eiskalten Blicke seines Herrn zu spüren. Um nicht auch noch seinen ganzen Hass abzubekommen, machte er dann doch den Mund auf. „Ihre Majestät ist aus Compièngne zurück. Sie wünscht Euch sofort zu sehen. Es sei wohl sehr wichtig.“ „Wegen diesem lapidaren Idioten stört Ihr mich?“, herrschte Richelieu ihn an. „Aber gut. Sagt Seiner Majestät, dass ich in einer halben Stunde bei ihm sein werde.“ „Seine Majestät sagte, dass Seine Eminenz unverzüglich zu erscheinen habe. Seine Eminenz solle laut Ihrer Majestät alles unwichtige liegen lassen.“ Rochefort wagte einen Seitenblick auf Marie, wurde jedoch von Richelieu bemerkt. „Starrt sie nicht an, Rochefort. Wenn, dann tue ich das. Und untersteht Euch zu denken, sie sei unwichtig. Lasst Euch was für den König einfallen. Sagt Ihm, ich bereite etwas gegen die Hugenotten vor. Damit wird er sich zufrieden geben.“ Rochefort nickte, schickte sich zu einem Diener an und verschwand. Richelieu ließ sich auf das Bett und neben Marie fallen, die immer noch in Richtung Tür starrte, was ihm nicht verborgen blieb. „Was hast du?“ „Er starrt mich genauso an, wie es die Freier immer taten.“, ihre Stimme zitterte. „Keine Angst. Der ist harmlos. Seit bald vier Jahren ist er mir untergeben. Abhängig von mir. Und der Blick kommt daher, dass ich ihn auch von der Straße aufgelesen habe. Mach dir keine Sorgen wegen ihm. Bevor er dir zu nahe kommt, komme ich ihm zu nahe.“ Er lächelte sie aufmunternd an. Tapfer lächelte sie zurück. Richelieu nahm sie noch mal in den Arm, bevor sich erneut erhob. „Ich lass dir etwas zu essen bringen. Sei mir aber nicht böse, dass ich jetzt weg muss.“ „Wie könnte ich das sein? Aber mach dich fertig. Ich komme alleine auch prima zurecht. Sag, muss ich mich von irgendetwas bei dir fernhalten?“ „Nein, stöbere nur herum.“ Während er nach seinen Sachen griff, rollte sich Marie in der Decke ein und beobachtete ihn still. Selbst als er sich anzog, bewegte er sich geschmeidig. Sie konnte erkennen, wie seine Rückenmuskulatur sich bewegte. Seine Haut schimmerte in der durch das Fenster scheinenden untergehenden Sonne leicht orange. Wie gut er doch aussah. Marie schwebte auf allen Wolken des Himmels. „Marie?“ Keine Reaktion. „Marie, was ist mit dir?“ Erst jetzt erkannte sie seine Augen vor sich. „Oh, entschuldige bitte. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.“ „Wie heißt er? Wo kann ich ihn finden und erlösen von einem Leben ohne dich?“ Sanft nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Keine Sorge, mein Liebster. Ich war in Gedanken bei dir.“ „Na, dann kann ich ja jetzt unbesorgt gehen. Wirst du auf mich warten?“ „Na aber natürlich. Und nun beeil dich, bevor du dir wegen mir Ärger beim König zuziehst.“ „Keine Angst, solange du bei mir bist, macht mir das nichts aus.“ Zärtlich küsste er sie, strich ihr durch das braune Haar, beugte sich zu ihrem Ohr hinunter: „Ich liebe dich!“ Marie war sofort wieder verwirrt darüber, obwohl sie im Grunde seine Gefühle für sie kannte. Richelieu konnte bei ihrem Gesichtsausdruck nur lächeln, nahm seinen Umhang und verließ seine und ihre Gemächer. ********************************************** Kurz nachdem Richelieu weg war, hatte ihr die Köchin Madame Curée Essen serviert. Und das nicht zu wenig. Drei volle silberne Platten brachte sie Marie in den Salon, wo sie sich seit Richelieus Weggang aufhielt. Die eine Platte war voller Käse und Fleisch, Auf der zweiten war Brot und Kuchen aller Art und auf der dritten fand Marie Früchte, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte, die aber wunderbar schmeckten. „Aber, warum soviel, Madame? Ich bin alleine und das alles hier werde ich nie in meinem Leben schaffen.“, versuchte Marie sich zu entschuldigen. „Mademoiselle, Seine Eminenz hat es mir so zugetragen und somit habe ich seinem Wunsch entsprochen.“ Madame Curée machte einen Knicks, was Marie noch peinlicher war, als schon die Gesamtsituation an sich. „Madame, ich bitte Euch, setzt Euch zu mir.“ „Aber Mademoiselle, was verlangt Ihr von mir? So etwas ist mir nicht gestattet.“, in der Stimme der Köchin schwang Entrüstung mit Entsetzen. „Hmm, dann seht es eben als Befehl, Euch zu setzen.“ Auf der Stelle saß die Köchin und schaute Marie an „Verzeiht mir Madame. Bis vor zwei Wochen lebte ich auch noch woanders. Und nun plötzlich das neue Leben hier. Entschuldigt, wenn ich Euch mit meiner Bitte, Euch zu setzen, kränkte.“ Verlegen schaute Marie die Köchin an. Und entlockte dem vorher so steinigen Gesicht ein Lächeln. „Ist gut, Mademoiselle. Seine Eminenz hat mir Euer Schicksal anvertraut.“ „Ach, bin ich froh, ein wenig Gesellschaft zu haben.“ Marie seufzte laut auf. Bevor die Köchin kam, hatte Marie sich in Richelieus Bibliothek umgeschaut. Ihr Vater hatte ihr als kleines Kind ein wenig Lesen und Schreiben beigebracht. Doch die Bücher in seiner Bibliothek waren meist in Latein verfasst, was sie nun einmal überhaupt nicht verstand. Als sie nach einiger Zeit der Suche doch noch ein Buch in Französisch gefunden hatte, war es so langweilig, dass sie nach zehn Seiten aufhörte, es zu lesen. Und noch immer saß sie halb nackt da, nur der marineblaue Morgenrock bedeckte sie. Was auch der Köchin nicht entging. Madame Curée fiel das Mädchen schon am ersten Tag auf. Damals schlief sie und Richelieu zeigte sie ihr. Schnell berichtete er ihr, was vorgefallen war. Aber auch, dass er nicht wusste, was in den letzten Jahren vorgefallen war. Seit gestern wusste sie es. Und ihr tat Marie unendlich leid. Sie sah aus wie eine Puppe. So zart und zerbrechlich. Ihr Herr verriet ihr allerdings auch, dass er sie küssen durfte. Und er war mächtig stolz darauf gewesen. Seit sie in seinen Diensten stand, hatte sie ihn nie so glücklich und strahlend gesehen. Nun, da ihr Marie gegenüber saß, mit diesem blauen Morgenrock und völlig zufrieden, glücklich und in Gedanken wahrscheinlich bei Seiner Eminenz, konnte sich Madame Curée denken, was heute Morgen geschehen war. Denn das hatte ihr Richelieu nicht verraten. „Ihr solltet etwas essen, Mademoiselle.“ „Oh, ja, eine Kleinigkeit.“ „Und dann solltet Ihr Euch etwas Wärmeres als diesen Morgenrock anziehen. Ich ließ auf Wunsch Seiner Eminenz wunderschöne Kleider für Euch besorgen.“ „Ich danke Euch dafür, Madame.“, bedankte sich Marie brav und artig. „Ich habe sie auch schon gesehen und angefasst. Der Stoff ist wunderschön. Aber da gibt es ein kleines Problem.“ Maries Wangen wurden leicht rot. „Vielleicht kann ich Mademoiselle dabei helfen?“, hakte Madame Curée vorsichtig nach. „Na ja, ich weiß um ehrlich zu sein nicht so recht, wie ich mir die ganzen Unterröcke und Oberröcke und so weiter anziehen sollte, ohne Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ „Oh, da helfe ich doch gerne. Lasst uns doch nachsehen, welches Ihr gerne tragen würdet.“ Marie fiel ein Stein vom Herzen. Schnell schritt sie mit der Köchin zum Schrank und holte ein dunkelgrünes Kleid aus Seide und Samt hervor. Der Köchin gefiel die Wahl, sie nickte und begleitete Marie zur Spanischen Wand. Geschickt zeigte sie ihr, wie sie in die Unterröcke und das Korsett kam. „Madame, da ich alleine nicht das Korsett zu bekomme, werdet Ihr mir wohl täglich helfen müssen. Wenn es Euch nichts ausmacht?“ „Ach nein, aber sagt Seiner Eminenz Bescheid, damit er mich rechtzeitig holen lassen kann. Immerhin weiß nur ich von Eurer Existenz.“ „Nein, sein Diener weiß seit heute auch von mir. Und ich kann ihn nicht leiden. Aber egal, ändern werde ich es nicht können.“ Nach weiteren zehn Minuten, die sich die beiden Frauen mit ein paar Plauschthemen vertrieben, war Marie fertig eingekleidet. Etwas unsicher trat sie vor den Spiegel. Und was sie sah, ließ sie einer Ohnmacht nahe kommen. Sie sah nicht mehr aus wie die ehemalige Zwangshure Marie. Sie sah aus wie Comptesse Marie. Sie sah aus wie Seine Frau. Während sich Marie im Spiegel betrachtete, versuchte die Köchin ihre Haare zurichten. Geschickt steckte sie sie hoch und hielt sie mit Klammern zusammen. Es war schweißtreibend für Madame Curée. Maries Haare waren dick und stark. Und auch irgendwie unbezähmbar. Deswegen trug Marie sie wohl auch immer offen, oder nur zu einem losen Zopf gebunden. Marie hielt still. Sie war über die Hilfe der Köchin sehr dankbar. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, dass die Frisur auch nur eine Stunde halten sollte. Vor allem wusste sie nicht, wie sie damit schlafen sollte. Etwa im Sitzen? Skeptisch schaute sie nun in den Spiegel, was auch die Köchin bemerkte. „Was habt Ihr, Mademoiselle, mögt Ihr die Frisur nicht?“ „Doch, doch. Sie gefällt mir ausgesprochen gut. Jedoch gebe ich zu bedenken, liebe Frau, dass ich so nur im Sitzen schlafen kann.“ „Mademoiselle, haltet mich nicht für unverschämt, aber denkt Ihr, dass Ihr die Nacht schlafen werdet, wenn Seine Eminenz mit Euch das Bett teilen wird?“ Marie errötete sofort. Da wurde sie nun dreieinhalb Jahre genommen, jeden Tag, und nun machte sie sich über eine Frisur Gedanken und nicht darüber, was am nahe liegendsten war diese Nacht. Die Köchin sprach jedoch kein Wort mehr darüber und so verschwand die Röte aus Maries Gesicht. ***************************************** Es war weit nach Mitternacht als Richelieu bei seinem Palais ankam. Notre Dame hatte schon drei Uhr geschlagen. Er war wütend über den König. Er ließ ihn wegen eines dummen Planes rufen, der so oder so schief gehen würde. „Alle Hugenotten nach Amerika schicken. So ein Schwachsinn. Das kann auch nur diesem Dummkopf einfallen.“, fluchte er halblaut, während er aus seiner Kutsche stieg. „Das wäre ein zu großer Aufwand für ein paar Idioten. Die komplette und sowieso viel zu kleine französische Flotte ins neue Land schippern zu lassen, völlig blödsinnig“ Mittlerweile hatte er die Treppe zum ersten Stock erreicht. Es war kaum noch einer von seiner Dienerschaft wach. Und Marie sicherlich auch nicht. Er hatte ja versucht, vom König wegzukommen. Aber die Minister die noch anwesend waren, hielten ihn immer mehr auf. Solange bis sie sich endlich über einen Plan einig war. Über seinen Plan. Richelieu wollte nach Hause. Er hatte es auch nur allzu oft während der letzten Stunden verlauten lassen, aber dummerweise fielen ihm nur Gründe ein, die für Seine Majestät und die Minister Nebensächlichkeiten waren. Er konnte aber unmöglich den wahren Grund sagen. Man hätte ihn vielleicht beglückwünscht und Applaus geklatscht. Immerhin tuschelte man seit seinen Diensten im Palast, warum er sich keine Mätresse hielt. Aber Marie war nicht seine Mätresse sondern seine Liebe. Was man ihm sowieso nicht glauben würde, also sagte er besser nichts. Sachte machte er die Tür zum Schlafgemach auf. Doch im Bett fand Richelieu Marie nicht. Da lag nur ihr Morgenrock. Wo konnte sie nur sein? Im Arbeitszimmer und der Bibliothek fand er sie auch nicht. „Da bleibt nur der Salon.“ Als er seinen Kopf durch die noch halb offenstehende Tür steckte, sah er seine süße, kleine Marie in einem Sessel versunken mit einem Buch auf dem Bauch. Er trat auf sie zu und nahm ihr vorsichtig das Buch vom Bauch. „Walther von der Vogelweide. ‚Romantische Gedichte und Lieder’.“, flüsterte er. „Hmm.“ Marie schien tief und fest zu schlafen. Richelieu legte das Buch auf den kleinen Mahagonitisch vor sich und hob Marie sanft aus dem Sessel, um sie in Richtung seines Schlafgemaches zu tragen. Als sie auf dem Bett lag, fiel ihm auf, dass ihre Haare gemacht waren und sie auch sonst völlig verändert aussah. Und das lag nicht alleine an ihrem Kleid, was sie trug. Plötzlich konnte man keinen Unterschied mehr sehen, ob sie aus dem dritten Stand kam oder ob sie nicht doch eine junge Adelige war, vielleicht irgendwo aus dem Süden. Im Grunde könnte er sie problemlos auf einen der Sommerbälle Seiner Majestät mitnehmen. Er könnte sie als Adelige ausgeben. Nach ihrer Herkunft würde sie keiner fragen, nicht, wenn sie anmutig genug auftrat und die alten Schachteln des Hofes mit ihrer engelsgleichen Schönheit in den Schatten stellte. Er setzte sich neben sie. Richelieu traute sich gar nicht, ihr durch die Haare zu streichen. Also strich er ihr sanft über den Rücken. Für Marie wurde ihre Lage unbequem. Die Haarnadeln in ihrer Frisur drückten auf ihren Kopf. Und so konnte sie nicht weiter vor sich hin schlummern und erwachte langsam. „Guten Morgen mein Schatz!“ Richelieu blickte ihr genau in die Augen. „Wie...wie spät ist...es denn?“, fragte sie verschlafen. „Zwischen drei und vier Uhr morgens.“ „Warst du solange beim König?“, Marie setzte sich auf und begann langsam ihre Haarnadeln aus der Frisur zu ziehen. Richelieu drehte ihren Rücken zu sich und half ihr dabei. Doch irgendwie verzückte ihn ihr halbnackter Rücken mehr. Und mit der Ausrede ihr die unteren Haarnadeln lösen zu wollen, streichelte er ihr sanft über den Rücken. Marie war durchaus bewusst, was Richelieu beabsichtigte. Sie drehte ihren Kopf zur Seite, sodass sie ihn aus dem Augenwinkel heraus noch sehen konnte. „Was wird das?“ Richelieu schaute auf: „Nichts, ich mache doch gar nichts.“ „Ach nein?“ Sie musste lachen. Richelieu war dadurch ein wenig verunsichert. Sollte er nun weiter machen oder nicht? Er entschied sich für eine kurze Pause seiner Verführungsversuche und legte seinen Kopf von hinten auf ihre Schulter. ‚Er blickt mich wie ein Welpe an.’, dachte Marie bei sich, als sie seine Blicke spürte. Er zog sie zärtlich an sich. Ihre Wärme ließ ihn seinen Stress der letzten Stunden vergessen. Ein beinah gequälter Seufzer entwich ihm. „Was ist mit dir? Du wirkst bedrückt.“, flüsterte Marie, legte ihren Kopf in den Nacken und gleichzeitig auf seine Schulter und schloss die Augen. „Es ist wegen dem König.“ „Was hat er denn?“ „Einen Auftrag für mich.“ Marie öffnete die Augen schlagartig und drehte sich zu ihm um. Richelieu konnte Sorgen und Angst in ihren Augen lesen. Und die machte sie sich nicht umsonst. In diesem Moment musste er einfach einen Kuss geben, auch wenn das ihre Sorgen keinesfalls schmäleren würde. Ihre Lippen zu spüren beruhigten ihn zumindest ein wenig. Als er sich von ihr löste, sah er ihr mit einem Ernst in die Augen, die sie noch nie ihnen sah. „Was ist das für ein Auftrag? Hat es was mit dem Krieg zu tun? Werden wir getrennt sein?“, die Worte sprudelten aus ihrem Mund nur so heraus. Und sie musste ihrem Geliebten auch nur in die Augen sehen, um zu wissen, dass sie Recht hatte. Ihr Herz zog sich zusammen. Da hatten sie endlich zusammen gefunden und mussten auch schon wieder von einander scheiden. Wie ungerecht war diese Welt? Wie konnte Gott nur so gemein sein? Reichten die letzten dreieinhalb Jahre der Trennung denn nicht? „Was musst du tun? Ich meine, du bist bloß Bischof.“ „Ich soll in die größeren Städte reisen und dort mit der königlichen Garde und der des Kardinals die Hugenotten zusammentreiben lassen. Sie werden an Ort und Stelle verurteilt werden.“, erklärte Richelieu ihr. Er wusste, dass sie alles sofort wieder begriff. „Welche Städte werden es sein?“ „Reims, Lyon, Brest, Nantes, Nancy, Amiens, Bordeaux und Toulouse. Ich denke, das wären alle. Mehr waren es nicht. Aber es wird lange dauern“ „Wie lange?“ „Bestimmt ein Vierteljahr. Du musst bedenken, dass wir auch noch die ganzen umliegenden Dörfer abgrasen müssen.“ Marie seufzte schwermütig: „Kann ich denn nicht mit?“ „Nein, es wird viel zu gefährlich für dich. Wenn wir Pech haben, wird es Aufstände geben. Und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst oder vielleicht noch schlimmer.“ Die Sorge stand Richelieu ins Gesicht geschrieben. Marie konnte es verstehen. Ihr ging es nicht anders bei dem Gedanken daran, dass er einem der Aufstände zu Opfer fiel. Mit aller Macht versuchte sie Tränen zu unterdrücken und antwortete tapfer: „Wann wirst du gehen müssen?“ „Sobald Vorräte und alles andere kriegswichtige vorbereitet sind.“ Diese Antwort stellte Marie in keiner Weise zufrieden und Richelieu bemerkte es sofort, weshalb er auch noch schnell hinzufügte: „Also werde ich dich nicht vor fünf Wochen verlassen. Und wenn ich eben selbst ein paar Vorräte vernichten muss.“ Sie schlang seine Arme um ihn. Marie wollte soviel wie nur möglich nun in seiner Nähe sein. Fünf Wochen konnten grausam kurz sein. Auch Richelieu zog sie fester an sich und mit einem Male spürte er ihre Lippen auf seinem Hals und wie sie kurz darauf hinunter Richtung Schlüsselbein wanderten. „Willst du die nächsten fünf Wochen noch auskosten?“, grinste er sie an. „Ja, in allen Zügen und über alle Maßen.“, grinste sie zurück. „Dann werde ich dir deinen Wunsch erfüllen.“ Er beugte sich zu ihrem Dekoltée hinunter und begann sanft ihre weiblichen Rundungen zu liebkosen, während er an ihrem Rücken versuchte, das Korsett zu öffnen. Marie strich ihm durch seine Haare und warf ihren Kopf in den Nacken, während sie blind links sein bischöfliches Gewand öffnete und ihm abstreifte, um ihn hinterher gleich noch von seinem Hemd zu befreien. Richelieu wusste, das es Maries Erfahrungen im Umgang mit Männern zu zuschreiben war, dass sie ihn so schnell von seinen oberen Sachen befreite. Auch wenn die Erfahrungen wohl eher schlechter Natur waren. Er konnte es gerade nur genießen, wie sie zärtlich ihre Hände über seinen Rücken gleiten ließ. Marie beugte sich soweit zurück, dass ihr Geliebter nun nicht mehr an ihre Rundungen kam. Stattdessen küsste er sie nun leidenschaftlich und strich ihr, da das Korsett nun endlich offen war, das Kleid langsam von den Schultern. Dann bettete er sie vorsichtig auf das Bett. Sanft glitten nun seine Hände über ihre Brüste und den Bauch. Jede seiner Bewegungen lösten zahlreiche kleine Feuerwerke auf ihrer Haut aus. Sie wand sich unter ihm wie eine kleine Katze. Während er nun über ihr beugte, nutzte Marie die Gelegenheit und streifte ihm seine Hose ab. Das war für ihn nun das Signal, sie ganz ihres Kleides und der Unterröcke zu entledigen. Richelieu spürte, dass Marie dieses Mal leidenschaftlicher war. Er führte es auf ihre anfängliche Unsicherheit und Schüchternheit zurück. Aber nun gab sie sich ihm so hin, wie nur sie es konnte. Marie spürte seine Hitze mit jeder Faser ihres Köpers. Sie beugte sich leicht auf und zog ihn weiter zu sich hinunter, um ihn mit einem Kuss den Mund zu versiegeln. Diese Nacht sollte nie vorüber gehen. Er strich ihr zärtlich die Seite entlang, während er sie küsste. Dann wanderte sein Mund hinunter zu ihren Brüsten. Marie ließ einen Seufzer erklingen. Sie seufzte und krallte sich etwas in seinen Rücken und schlang ein Bein um sein Becken. Er sollte sie nun endlich ganz nehmen. Sie mochte dieses Katz und Maus Spiel ja, aber Marie war mittlerweile so erhitzt, innerlich wie auch äußerlich, dass sie nicht länger warten wollte. Mit einer Bewegung stieß sie ihn sanft zurück und deutete ihm an, sich auf den Rücken zu legen. Richelieu, etwas überrascht ob dieser Dominanz, tat, wie ihm gesagt wurde. Dann zog er Marie auf sich und die beiden Verliebten verschmolzen miteinander. Seine Stöße verursachten in Marie noch mehr Feuer. Aber auch ihr kreisendes und sich ewig hebendes und senkendes Becken machten Richelieu zu schaffen. Sie wusste nur allzu genau, wie sie ihn anstacheln konnte. Er richtete sich auf, ohne sich von oder aus ihr zu lösen, und küsste sie. „Ich liebe dich.“, hauchte sie in sein Ohr. „Ich liebe dich auch, mein Goldstück.“, hauchte er ebenso leise zurück. „Und ich lasse dich niemals wieder gehen.“ Darauf antworten konnte sie nicht, da er sie gerade mit einem einzigen Stoß in himmlische Gefilde brachte. Da sie sich dem ganzen mit ihrem Becken anpasste, erging es Richelieu auch nicht anders. Schwitzend und aneinander gekrallt saßen sie da, heftig atmend, nach Luft schnappend, aber glücklich. Sanft strich er über ihren Körper und löste sich dabei von ihr. Still lagen sie nun nebeneinander. Bis Marie sich nicht mehr zurückhalten konnte: „Ich will noch mal.“ Richelieu schaute zu ihr und konnte neuerlich das Feuer in ihren Augen lodern sehen. „Na, ich möchte dich doch auskosten, bevor du gehst.“, entschuldigte sie sich leicht verlegen wegen ihrer Bitte. Doch darauf hörte Richelieu nicht mehr. Er zog sie an sich und küsste sie erneut leidenschaftlich. Marie hatte es erneut geschafft, seine Leidenschaft und Männlichkeit zu entfachen. Und obwohl draußen schon die Sonne langsam aufging und die ersten Vögel ihre Lieder ertönen ließen, gaben sie sich erneut ihrem Verlangen und ihrer Liebe nacheinander hin. Denn fünf Wochen können sehr kurz sein. Grausam kurz. Kapitel 7: Kurzer Besuch bei der Schwester ------------------------------------------ Kapitel VII: Kurzer Besuch bei der Schwester Die folgenden vier Wochen vergingen wie im Fluge. Marie kam es wie ein Wimpernschlag vor. Richelieu war nun viel unterwegs beim König. Er ging kurz nach Sonnenaufgang aus dem Haus und kam manchmal erst weit nach Mitternacht wieder. Marie sehnte sich immer danach, wenn er endlich zu ihr kam. Den Tag über hielt sie sich in der Bibliothek auf, denn ihr Geliebter hatte ihr ein paar Romane herausgesucht, die sie nun las. Oft leistete ihr auch Madame Curée Gesellschaft. Denn meist aß Richelieu zusammen mit dem König. So brauchte Madame Curée nur wenig kochen. Marie war froh über diese Gesellschaft. Nie hätte sie sich das adlige Leben, denn so etwas in der Art führte sie nun einmal an Richelieus Seite, so langweilig vorgestellt. Einmal nahm sie die Köchin mit hinunter in die Küche. Es war niemand da und so hatten sie und Marie ein paar kleine Küchlein gebacken. Das Resultat verblüffte vor allem Richelieu, der an diesem Abend früher nach Hause kam und seine Marie in einem völlig mit Mehl überzogenen Kleid vorfand. Auf seine Frage, warum sie denn am späten Abend in der Küche ständen und backen, hielt Marie ihm nur einen von Schokolade überzogenen Kuchen unter die Nase und flüsterte ihm ins Ohr: „Frag mich nach Mitternacht noch einmal.“ Als er es dann auch eine Minute nach Mitternacht tat, gratulierte Marie ihrem Liebsten nur. In dem ganzen Tumult um die bevorstehende Reise hatte Richelieu seinen eigenen Geburtstag vergessen. Marie gratulierte ihm mit soviel Liebe, dass es ihn nicht länger hielt und er sich bei ihr sein persönliches Geschenk abholte. Die fünfte Woche brach an. Ihnen blieben nur noch sechs Tage bis zur Trennung. Marie stieg an jenem Tag völlig niedergeschlagen aus dem Bett, in dem Richelieu noch immer lag. Es war eigentlich schon weit nach neun Uhr morgens, aber Marie wollte ihn nicht wecken. In den letzten Nächten hatte er immer so wenig geschlafen. Wenn er heimkam, suchte er ihre Nähe und Marie ließ sich jedes Mal von ihm in einen Strudel der Leidenschaft ziehen. Danach saß er oftmals noch bis zu zwei Stunden in seinem Arbeitszimmer und brütete über irgendwelchen Akten und Schriften und Büchern. Somit schlief er jede Nacht weniger als drei Stunden. Und diese Nacht war er auch erst wieder nach Mitternacht zu Hause gewesen, Notre Dame hatte da bereits halb zwei geschlagen. Doch wie so oft ließ er es sich nicht nehmen, sie zu verführen. Doch dieses Mal war er so fertig hinterher, dass er auf der Stelle einschlief. „Soll der König doch warten!“, fluchte Marie halblaut als sie am Fenster stand und hinaus schaute. Ihr und Richelieu blieb nicht mehr viel Zeit und der König nahm ihn ständig in Beschlag. Selbstverständlich brachte das Richelieu beim König in gute Gunst. Aber Marie war das im Moment völlig egal. Wenn es in diesem Moment nach ihr gegangen wäre, hätte sie Richelieu in die Bastille gesteckt und erst wieder heraus gelassen, wenn der König für ihn Ersatz gefunden hatte. Hinter ihr auf dem Bett streckte sich Richelieu gerade und öffnete langsam die Augen. Ihm fiel sofort auf, dass die Sonne schon relativ weit oben am Himmel stand, aber in jenem Augenblick war es ihm egal. Denn Marie lag nicht mehr neben ihm und das bereitete ihm immer sofort Sorgen. Mit einem Ruck setzte er sich auf und sah sich um. „Marie? Marie wo bist du?“ „Hier drüben.“, kam die Antwort. Richelieu schwang sich aus dem Bett und wickelte sich dabei ein Laken um seine Hüfte. Er sah Marie am Fenster, eingehüllt in ihren Morgenrock, stehen. Ihre Haare glänzten in der Morgensonne und ihre Haut schimmerte unter den Lichtreflexen. „Mein Engel!“ Marie spürte wie er sie von hinten umarmte, wie sich seine Arme um ihre Hüften legten und er seinen Kopf auf ihre Schulter legte. „Verzeih, dass ich dich nicht geweckt habe. Aber ich dachte, nach all der Aufregung hättest du auch mal ein bisschen Schlaf verdient.“ „Ich danke dir dafür, Marie.“, er hauchte ihr einen Kuss auf ihre Schläfe. „Wirst du nachher zum...“ Ein Klopfen unterbrach sie in ihrem Satz. „Wer ist da?“, fragte Richelieu so kühl wie möglich um den Anschein bei einem der Diener oder einem Fremden zu waren, er sei alleine. „Mein Herr, ich bin es. Rochefort!“, erklang die Stimme von der anderen Seite der Tür. „Tretet ein.“ Als Rochefort eintrat, sah er seinen Herrn am Fenster stehen. Bekleidet mit einem Laken und in seinen Armen und vor ihm stehend seine Geliebte, deren Namen Rochefort immer noch nicht kannte. Weniger würdevoll verbeugte er sich. Richelieu würdigte ihn keines Blickes. Zusammen mit Marie schaute er stillschweigend aus dem Fenster. Rochefort würde schon sagen, warum er hier war. „Mein Herr“, begann Rochefort sofort, als er bemerkte, dass sein Herr auf seine Antwort wartete, „Ich war auf dem Weg zu einem Bekannten, als mir ein Bote begegnete, der eine Nachricht des Königs überbringen sollte. Sofort nahm ich die Botschaft an mich, um sie Euch zu bringen.“ Keine Rührung von Richelieu. Rochefort fuhr fort: „Seine Majestät ist zu tiefst verstimmt, weil man Euch bereits seit halb sieben Uhr erwartet.“ „Sagt dem König, dass ich heute nicht kommen werde. Sagt, ich sei etwas erkrankt und möchte es nicht riskieren, die Gesundheit Seiner Majestät zu gefährden. Da er diese doch bräuchte, um den Widerstand gegen dieser Hugenotten durchzustehen.“, antwortete Richelieu ohne eine Gefühlsregung in der Stimme. „Aber mein Herr, dass wird er nicht dulden.“ „Er hat es gefälligst zu dulden. Schmeichelt ihm und sagt ihm, dass ich in zwei Tagen wieder bei ihm sein werde. Holt Euch zur Not eine Bestätigung von meinem Arzt. Ihr müsstet ihn unten in der Küche beim zweiten Frühstück finden. Und gebt ihm das.“ Fast völlig lautlos und unbeweglich öffnete Richelieu eine Schublade von der Kommode neben sich und zog einen kleinen Batzen Geld in einem Lederbeutel heraus. Er warf es Rochefort zu. „Euer Geld kommt am Ende der Woche, Rochefort, also schaut nicht so.“ „Sehr Wohl, so wie immer mein Herr.“ Ein letzter Diener und Rochefort verschwand rückwärts gehend aus dem Gemach. „Ich danke dir.“ „Wofür?“ „Das du heute nicht zum König gehst.“ „Ich weiß doch, dass es dir viel bedeutet, mich hier zu haben. Vor allem, da wir in den letzten Tagen und Wochen außer nachts kaum Zeit miteinander verbrachten.“ Richelieu gab ihr erneut einen Kuss auf ihre Schläfe. „Du hast mir so unendlich gefehlt in der Zeit.“ Marie schmiegte sich noch näher an ihn heran. Bald würde sie ihm noch mehr fehlen. Und sie hätten nicht die Möglichkeit, sich so schnell wieder zu sehen. Sie musste zudem auch noch warten, bis er sich bei ihr meldete, damit sie wusste, wohin sie antworten konnte. Die Zeit bis dahin würde ihr unendlich lange vorkommen. Das wusste sie schon jetzt. „Marie, wo bist du schon wieder in Gedanken?“ Sie drehte sich leicht zu ihm um und sah sein Lächeln. „Ich dachte daran, wohin ich gehen werde, wenn du in ganz Frankreich herum reitest.“ „Wohin wohl? Du bleibst natürlich hier.“ „Du...du meinst, ich kann...ich kann hier bleiben?“ „Natürlich, was dachtest du denn? Das ich dich zurück schicke? Dafür liebe ich dich viel zu sehr.“ Richelieu zog sie an sich und drückte ihr seine Lippen auf ihre. Marie konnte nicht anders in diesem Moment als ihren Freudentränen freien Lauf zu lassen. „Hör bitte auf zu weinen. Ich möchte dir noch etwas zeigen und vor allem sagen, bevor ich abreise.“, sagte Richelieu leise. Marie schaute ihn an. Er bedeutet ihr, sich mit ihm auf das Bett zu setzen. In jenem Moment wusste er selbst nicht, was er tat. Aber er wollte, dass Marie sein Geheimnis um seine Vergangenheit kannte. Das Geheimnis um seine Herkunft und seine Familie. „Marie, du weißt, dass ich aus dem Adel stamme.“, begann er zögerlich. „Ja.“ „Das Schloss meiner Familie befindet sich im Département Indre-et-Loire. Das Schloss auf dem ich geboren wurde, heißt Richelieu. Mein Geburtsname ist eigentlich Armand Jean Duplessis. Ich nahm den Namen Richelieu an, damit ich nicht mit einem Verbrechen in Verbindung gebracht werde. Nur so konnte ich ein neues Leben anfangen.“ „Was für ein Verbrechen?“, Maries Stimme klang trocken und sachlich. „Ich ließ meinen Vater ermorden. Aber es musste sein. Ich fühlte mich eingeengt und wie ein Vogel im Käfig. Er ließ meine Post kontrollieren und ich konnte nicht meine Studien lesen, ohne dass er mir eine Frau anschleppte.“ Marie bemerkte, dass er verzweifelt klang, während er diese Worte sprach. Sicherlich dachte er nun, dass sie ihn dafür hassen würde und aufstand und ging. Doch sie konnte es nicht. Als sie das Wort ‚Verbrechen’ hörte, hatte sie es zunächst vorgehabt, aber nun hielt sie sein Bann wieder gefangen. Die Tatsache, dass er ihr sein womöglich schlimmstes Beichtgeheimnis anvertraute, erweichte ihr Herz. Niemand außer ihr und ihm wusste darum. Aber etwas sagte in ihrem Inneren, dass Richelieu nicht selbst Hand an seinen Vater gelegt hatte. „Wen hast du damit beauftragt?“, sie nahm sanft seinen Kopf, zog ihn näher an sich heran und bettete ihn auf ihre Brust. „Rochefort.“ Sie wusste es, noch bevor er den Namen aussprach. Aber die Bestätigung zeigte ihr nur noch mehr, dass ihr Liebster kein charakterloser Mörder war. „Ich will, dass du mit mir zu dem Sitz meiner Familie fährst. Keine Angst, keiner vermutet mich als Mörder. Jeder denkt, mein Vater starb bei einem tragischen Reitunfall. Und bei mir werden sie denken, ich sei in Amerika. Mein Schwager, der Mann meiner Schwester verwaltet das Anwesen jetzt. Ich schreibe ihm regelmäßig. Auch er und meine Schwester glauben, ich sei in Amerika.“ „Ich werde dich begleiten. Wann fahren wir?“ „Noch heute, ich lasse alles vorbereiten. Es ist bloß eine halbe Tagesreise mit der Kutsche.“ „Gut, ich werde mich ankleiden. Kannst du mir Madame Curée rufen lassen? Sie kann mir auch beim Packen helfen.“ Richelieu nickte, zog sich selbst schnell um und verschwand auch schon. ************************************** Marie war froh, als sie Paris endlich hinter sich gelassen hatten. Das Kopfsteinpflaster setzte ihrem Hintern doch arg zu. Aber nun waren sie umgeben von saftigen Wiesen und Wäldern die in allen möglichen Grüntönen strahlten. Man sah noch kein Anzeichen davon, dass der Herbst bald kommen würde. Kein einzigstes Blatt wechselte schon seine Farbe. Nur am Himmel kündeten erste Schwärme von Schwalben an, dass es nicht mehr lange dauern würde. Aber selbst das Wetter war noch wunderschön. Der Himmel strahlte in sattem Blau und die Sonne ließ sie und Richelieu in der Kutsche schwitzen. Es war immer noch außergewöhnlich warm. Richelieu wusste, dass Marie solche Landschaften mit großer Sicherheit noch nie gesehen hatte und musste lächeln, als er sah, wie ihre Augen sich weiteten und anfingen zu glänzen, als sie eine Herde von mindestens hundert Kühen passierten. Auch er hatte das Land vermisst. Und so zog er beinahe genüsslich die frische Landluft ein, obwohl es gerade fürchterlich nach Kuhmist stank. „Sag, was willst du deiner Familie erzählen?“, fragte Marie, während sie weiter die an ihr vorbei ziehende Landschaft beobachtete. „Hmm, das ich für eine kurze Weile aus Amerika zurück bin, um hier Geschäfte zu tätigen. Ich werde ihnen sagen, dass ich mit dir in New Amsterdam lebe. Das ich dich auf dem Schiff dorthin kennen gelernt habe und dass ich einen großen Handel mit Baumwolle betreibe.“, erklärte er ihr. „Woher komme ich? Ich nehme an, dass deine Familie Wert auf Herkunft legt.“ „Das stimmt. Ich denke, es wird reichen, wenn ich sage, dass du eine junge Witwe warst, dein Mann war kurze Zeit vorher verstorben. Du stammst aus dem einfachen Landadel unten aus der Provence. Da kennen wir keinen. Da interessiert sich keiner mehr für deinen Namen. Außerdem trägst du ja nun meinen.“ Richelieu grinste sie an. Marie tat das Gegenteil: Sie starrte in verblüfft an. „Wie, ich trage deinen Namen?“ Richelieu nahm ihre Hand und zog seinen Ring, den Siegelring der Familie Duplessis von seinem rechten Ringfinger, um ihn Marie an ihrem rechten Ringfinger wieder anzustecken. „Sie würden mich verachten, wenn ich mit dir zusammenleben würde, wir aber nicht Mann und Frau wären.“ „Ach...ach so.“, stotterte sie und betrachtete abwechselnd den Ring und Richelieu. „Und da ich ja eigentlich Bischof bin und kein Baumwollhändler, geht das ganze vor dem Herrn schon in Ordnung.“ Noch bevor Marie etwas antworten konnte, verschloss er ihren Mund mit einem inoffiziellen Hochzeitskuss. Als er sich von ihr löste, flüsterte er: „Wirst du dir das alles merken können und umsetzen?“ „Was denkst du von mir? Natürlich schaffe ich das, Monsieur.“, sie grinste frech und erntete dafür einen erneuten Kuss von ihm. Richelieu spürte, dass sein ‚Frau in Spe’ nervös war. Ihre Lippen zitterten ein wenig, als er sie berührte. Auch schien sie etwas blasser um die Nase. „Geht es dir ansonsten gut?“ „Ja, warum?“ „Du siehst so blass aus. Geht es dir wirklich gut?“ „Ja, ich bin nur nervös. Ich meine, vor einem Vierteljahr lebte ich noch im hintersten Loch von Paris, wurde ewig von Männern belagert und nun. Nun fahre ich mit dem schönsten Mann der Welt zu seinem ehemaligen Landsitz, bin von jetzt auf gleich seine Frau geworden und wohne eigentlich in New Amsterdam.“ „Ich weiß, dass ich dich überrumpelt habe, aber ich wollte dir unbedingt noch meine Vergangenheit zeigen. Und das wir plötzlich und quasi verheiratet sind, also, also ich verspreche dir, dass wir es wirklich umsetzen wenn ich von meiner Städtereise wieder da bin.“ „Aber was ist mit deinem Bischofsamt?“, hakte Marie nach. Ihr war immer noch nicht gut bei dem Gedanken dass er womöglich wegen einer Beziehung zu ihr, seine Karriere riskierte. „Ich hoffe doch, dass ich zum Kardinal erhoben werde, wenn ich wieder da bin. Du erinnerst dich doch noch an unser Gespräch von vor drei Jahren?“ „Ja natürlich. Dann wärst du der mächtigste Mann im Staat und kannst im Grunde das tun, was du willst.“ Richelieu nickt. Aber er gestand sich im Stillen auch ein, dass er sie ehelichen würde, selbst wenn er noch kein Kardinal werden würde. Immerhin hatte er ihr seinen Familienring angesteckt, sie waren also schon einmal verlobt. Und das nach einer so kurzen Zeit. Irgendwie war er erleichterter als jemals zu vor. Während sich beide still anblickten, zuckelte die Kutsche weiter durch die französische Landschaft. Der Kutscher pfiff ein Liedchen, was nicht gerade anständig war. Doch keiner der beiden wollte zugeben, dass er das Lied kannte. Richelieu hatte es einmal von einem Bauernmädchen gehört. Sie sang es ihm immer, wenn sie sich an einem See trafen und sie ihn in die Reigen des Liebesspiels einwies. Marie kannte es von ihrem Vater. Er sang es immer ihrer Mutter vor, wenn sie am Kochen war und er einmal mehr seine Lenden nicht im Zaum halten konnte. Da kam es auch schon vor, dass sie Klein-Marie in der Wohnstube sitzen ließen, um sich kurz zu vergnügen. Beide mussten bei ihren Erinnerungen lächeln. ****************************************** „Armand!“ Catherine schrie geradezu seinen Namen, als ihr Bruder mit einer Dame am Arm und in Begleitung ihres Mannes Emanuél durch die Tür des Anwesens trat. Nie hätte Catherine damit gerechnet, dass er noch einmal aus Amerika zurückkehren würde. In keinen seiner Briefe hatte er etwas von einem Besuch erwähnt. Und auch nicht, dass er verheiratet war. „Armand! Oh wie ich mich freue, dich wiederzusehen.“, sie umarmte ihren Bruder stürmisch, was Richelieu völlig überraschte, aber erwiderte die Umarmung. „Warum hast du nichts erwähnt, dass du kommst? Und wieso erfahre ich erst jetzt durch deinen Besuch, dass du verheiratet bist?“ sie schaute ihn beinahe beleidigt an. „Catherine, lockere deinen Griff, sonst erdrückst du mich.“ Catherine tat, wie es ihr Bruder verlangte. Von allen Brüdern hatte sie ihn am liebsten. Und deswegen erfüllte sie auch beinahe jede seiner Anweisungen. „Also, dass ich so überraschend wieder hier bin, kommt daher, weil ich etwas Geschäftliches in Paris zu tätigen habe. Ich schrieb dir doch, Emanuél, dass ich einen Baumwollhandel betreibe. Das ganze war so eilig, dass ich keine Zeit mehr fand, Euch zu schreiben.“ „Egal, ich bin nur froh, dich wiederzusehen.“, Catherine sprudelte nur so vor Freude. Doch dann fiel ihr Blick auf die Frau an der Seite ihres Bruders. Was diesem nicht unbemerkt blieb. Marie empfand die Blicke ihrer ‚Schwägerin’ als unangenehm. Sie starte sie unverholen an. Völlig verunsichert griff sie nach Richelieus Hand. Richelieu ahnte, was in diesem Moment in seiner süßen Marie vorging und erwiderte ihren Handdruck, wobei er sie liebevoll ansah. Dann wandte er sich wieder seiner Schwester und seinem Schwager zu: „Catherine. Emanuél. Darf ich Euch Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu vorstellen? Meine Frau.“ Catherine blieb der Mund offen stehen, was ihr Mann lächelnd registrierte. Auch er war verwundert darüber, dass es doch noch eine Frau geschafft hatte, das Herz seines Schwagers zu erobern. In den Briefen die er schrieb, erwähnte er nie ein Wort darüber. „Wie, wie ist das möglich Armand? Du sagtest früher immer, dass du nie heiraten würdest. Und deine Briefe..“ „Ich weiß, ich sprach nie über sie. Aber wie lange liegt mein letzter Brief zurück? Zwei Monate?“ Zielstrebig ging er in Richtung des Salons. Und ohne Widerworte folgten ihm alle. Während alle bei einem Tee zusammen saßen, forschte Catherine nach, wie ihr Bruder denn zu einem so bezauberten Wesen gekommen sei. „Nun, ich traf sie und ihren Mann, den Herzog Dujacque, auf dem Schiff nach New Amsterdam. Wir...“ „Ich und mein Mann verstanden uns sehr gut mit Ihrem Bruder, Madame.“ Richelieu schaute Marie an. Ohne ein Wort nahm sie plötzlich die Zügel in die Hand. Die anfängliche Schüchternheit war wie weggeblasen. Sanft nahm er ihre Hand. Er wusste, dass er ihr dadurch noch mehr Sicherheit geben konnte. Marie fuhr fort ohne rot zu werden: „Wir luden Ihren Bruder des Öfteren zum Tee ein. Aber dann, kaum waren wir ein Jahr in New Amsterdam, wurde mein Mann plötzlich krank. Seinen Geburtstag im Oktober erlebte er schon nicht mehr.“ Catherine schlug die Hände vor den Mund: „So jung und schon den Mann verlieren. Sie armes Ding.“ Marie spielte das Spiel weiter. Sie schaffte es tatsächlich Tränen in ihre Augen zu zaubern. Richelieu war selbst verblüfft von ihrem Schauspiel. Das Hoftheater des Königs hätte eine wahre Freude an ihr. Er reichte ihr ein Taschentuch. Immerhin sollte es ja glaubwürdig rüber kommen. „Ja, am Anfang war es schon sehr schwer für mich.“, Marie nahm Richelieus Taschentuch und betupfte sich damit die Augen. „Ich war weit weg von meiner Familie. Und außer Eurem Bruder kannten wir niemanden. Wäre er nicht gewesen, wäre ich wahrscheinlich zerbrochen. Er half mir, die Trauerfeier zu organisieren. In dem Trauerjahr kümmerte er sich aufopferungsvoll um mich.“ Völlig verträumt sah sie Richelieu an. Er wusste, dass es nun an ihm war, die Geschichte weiter zu spielen. „Ich half Marie bei täglichen Besorgungen und den Finanzen. Im Grunde dachte ich nicht im Traum daran, dass wir uns näher kommen würden. Aber als sie damals, am ersten Todestag ihres Mannes an dessen Grab stand, im Regen und weinend, musste ich sie einfach in den Arm nehmen. Und an Weihnachten gestand ich ihr dann meine Gefühle.“ „Erlaube mir, dich zu unterbrechen, Liebling. Aber meine Gefühle für dich, werde ich wohl selber beschreiben.“, Marie lächelte ihn so verführerisch an, dass Richelieu sie am liebsten in sein ehemaliges Gemach geführt hätte. Marie ahnte seine Gedanken, errötete kurz. Catherine und Emanuél deuteten es jedoch als Zeichen, dass es ihr peinlich war, ihrem Mann zu unterbrechen. „Ich war völlig erschrocken, als er mir seine Liebe gestand.“ ‚Wie wahr.’, dachte Richelieu. „Ich ließ ihn bestimmt ein halbes Jahr auf eine Antwort warten. Danach waren wir beide umso glücklicher.“ Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Beide wussten, dass ihnen die Geschichte abgekauft worden war. „Ich liebe dich dafür.“, hauchte Richelieu so leise, dass nur Marie es hören konnte. Catherine war noch immer verblüfft. Ihr Bruder war plötzlich wie verändert. War das durch die Liebe zu dieser Frau? Sie musste sich eingestehen, dass seine Frau wirklich ein bezauberndes Wesen war. Catherine ahnte, dass Marie aus dem niederen Landadel stammen musste. Sie war im Grunde viel zu schüchtern, um aus dem Hochadel zu kommen. Aber sie schloss sie sofort ins Herz. Wie alt mochte sie sein? Ob sie schon in anderen Umständen war? „Wie lange werdet ihr bleiben?“ Richelieu schaute auf. „Morgen werden wir wieder abreisen. Wir bleiben nur für einen Tag. Ich konnte den Besuch nur deshalb einrichten, weil mein Händler erkrankte. Ich zeigte Marie Paris und wir entschieden uns spontan, Euch hier zu besuchen.“ „Was schon?“, Catherine schrie wieder auf. „Aber das reicht doch gar nicht, um Marie kennen zu lernen. Sag doch auch mal was, Emanuél!“ Marie entschied in diesem Moment für sich, dass ihre ‚Schwägerin’ noch ein rechtes Kind war. Aber sie hatte auch Recht. Marie wollte sie auch besser kennen lernen. „Liebling, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne mit deiner Schwester ein wenig den Park erkunden. Du weißt, wie sehr ich die Natur in der Stadt vermisse und da wir nun einmal hier sind, würde ich das gerne nutzen.“, Marie drehte sich zu Catherine, „Was haltet Ihr davon, Madame?“ Catherine sprang auf, nahm Marie am Arm und zerrte sie gerade zu hinaus in den weitläufigen Park, während sie Richelieu und Emanuél im Salon zurückließen, die sich dem Thema Politik widmeten. Vornehmlich lenkte Richelieu die Themen auf die französische Politik. Denn Ahnung von der amerikanischen hatte er nicht sehr viel. *********************************************** Marie und Catherine spazierten mittlerweile schon eine gute Stunde durch den Park. Bis dahin hatten sie nur über Belanglosigkeiten geredete, doch nun konnte Catherine sich nicht mehr zurückhalten. „Wie alt seid Ihr? Ihr erscheint mir noch so jung.“ „Ähm, “, Marie war etwas überrumpelt, antwortete jedoch souverän, „Ich werde zwei Tage vor Weihnachten einundzwanzig.“ „Dann wurdet Ihr aber sehr früh verheiratet. Wie alt wart ihr denn und wie alt Euer Mann?“ „Ich war sechszehn. Mein Mann siebenundzwanzig. Wir heirateten nach einer kurzen Romanze. Er war sehr liebevoll.“ „Kinder?“ „Nein, dafür waren wir zu kurz verheiratet. Ich sagte bereits, dass er sehr liebevoll war. Er wollte mir nicht zu viel zu muten.“ Catherine hielt inne im Spaziergang und musterte Marie erneut. „Und nun? Immerhin sind Sie und mein Bruder nun auch schon mehr als ein Jahr verheiratet. Ihr hattet doch wohl...“ „Gelegenheiten gab es viele. Aber der Herr wollte wohl noch nicht.“ Catherine lachte herzlich auf, auch bei ihr und Emanuél wollte sich noch kein Nachwuchs einstellen. Und das nach nun vier Jahren Ehe. Aber nun waren für sie alle wichtigen Fragen erledigt und sie schlug Marie vor, zu persönlicheren Umgangsformen zu wechseln. Auf dem Weg zurück zum Schloss kamen ihnen die Männer entgegen. Kaum hatte Richelieu seine süße Marie erreicht, nahm er sie schon in seine Arme und zog sie so fest an sich, dass er ihren Herzschlag spüren konnte. Dann, und zu Verblüffung seiner Schwester und seines Schwagers, küsste er sie leidenschaftlich. Nur diese eine Stunde ließ ihn Marie schon vermissen. Catherine war etwas pikiert über den Tatendrang ihres sonst so schüchternen Bruders. „Schau nicht so, Liebes.“ Catherine schaute ihren Mann an. „Lass ihnen ihre Gefühle füreinander bevor sie alt und grau werden und sich Mätressen und Liebhaber suchen. Sie sind so ein schönes Paar.“ Catherine nickte. Sie hakte sich bei ihrem Mann unter und beide gingen an den zwei sich küssenden Liebenden vorbei, zurück zum Schloss. Kapitel 8: Abschied und Trennung -------------------------------- Kapitel VIII: Abschied und Trennung Am Abend gab es ein kleines Souper, wobei Richelieu seine Augen nicht von Marie lassen konnte. Sie benahm sich wahrhaft königlich. Selbst die Königin hatte schlechtere Tischmanieren als Marie, was ihn immer pikierte, wenn er im Palast aß. Doch Marie war faszinierend. Wie sie die Silbergabel zum Mund führte und ihn sich abtupfte, bevor sie das Weinglas an jenen führte. Er vergaß völlig dabei, selbst zu essen, was seine Schwester bemerkte. „Armand, ist dir nicht wohl? Du hast noch kaum etwas gegessen.“ Richelieu schreckte auf. „Nein, mir geht es gut. Vielen Dank.“ Auch Marie sah nun besorgt zu ihm hinüber, ebenso sein Schwager. Sofort nahm er das Besteck wieder auf und aß weiter. Marie sah, wie unsicher er plötzlich war und beugte sich zu ihm hinüber: „Ich weiß, dass du mich beobachtet hast. Willst du unbedingt die letzten Blicke auf mich erhaschen?“ Er drehte sein Gesicht zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Oh, ich würde gerne noch etwas anderes von dir erhaschen.“ Marie grinste ihn an und nickte. Still tuschelten die beiden weiter, nicht ohne des Öfteren etwas lauter zu kichern Gegenüber saßen zwei etwas errötete Eheleute. Catherine war es sehr peinlich. Obwohl sie kaum etwas von dem leisen Gespräch der Beiden mitbekam, so wusste sie dennoch, worum es ging. Das Kichern war einfach zu auffällig. Ebenso die Ausblicke die Marie ihrem Mann schenkte, sie beugte sich viel zu weit nach vorne. Catherine tat so etwas nie. Und irgendwie fand dieses Verhalten auch in keiner Weise ihre Zustimmung. So sehr sie Marie auch mochte, so ein Benehmen am Tisch ging ihr zu weit. Emanuél war ebenfalls peinlich berührt. Es mochte ja sein, dass die beiden noch nicht sehr lange verheiratet waren und womöglich auch jede Möglichkeit nutzten, um ihrem Verlangen nachzugeben. Jedoch war ihm so ein Verhalten noch nie untergekommen. Catherine verhielt sich seit ihrer Brautzeit nicht so. Und würde es mit Sicherheit auch nie tun. Was Emanuél keinesfalls Leid tat. Er räusperte sich halblaut, sodass Marie und Richelieu überrascht zu ihm und Catherine hinüber schauten. Ihnen war nicht wirklich klar, dass sie mit ihrem Verhalten gerade die liebe Verwandtschaft in Verlegenheit gebracht hatten. „Ja?“, fragte Richelieu belanglos. „Mein lieber Schwager. Du weißt, dass ich dich schätze und auch Euch, Marie. Aber Euer beider Verhalten am Tisch, nun ja, ist doch etwas peinlich. Nicht nur für uns. Schämt ihr euch denn nicht?“ „Warum sollten wir. Es ist doch nur natürlich, wenn Eheleute darüber reden, wie sie die Nacht verbringen. Mir ist es lieber, Maries Vorlieben zu kennen, als sie mit irgendeiner Methode zu verletzen.“, grinste Richelieu seinen Schwager an, der errötete. „Methode?“, nun starrte auch Catherine ihren Bruder an. „Oh Catherine, schau nicht so entsetzt. Du kennst mich.“ „Wohl nicht so gut, wie ich dachte.“ „Wenn ihr uns entschuldigt. Marie und ich haben in New Amsterdam kaum Zeit für einander. So wollen wir sie hier nutzen.“ Marie ergriff die Hand ihres Liebsten, nickte kurz den beiden mit dem Kopf zu und folgte dann Richelieu hinauf in sein Gemach, was er früher bewohnte. Catherine und Emanuél schauten ihnen nur nach. ******************************************** Der nächste Morgen brach an und für manche weniger gut als für andere. „Musstet ihr so laut sein?“, Catherine schaute ihren Bruder böse an, als sie beim Frühstück auf der Terrasse saßen. „Und warum habt ihr zusammen geschlafen. Ich hatte für Marie extra ein zweites Zimmer einrichten lassen.“ Marie wollte antworten, doch Richelieu legte seine Hand auf ihren Arm und bedeutete ihr damit, dass das ein Kampf zwischen ihm und seiner Schwester war. „Oh Catherine, ich bin nicht wie du, ich war es noch nie. Du weißt genau, dass ich nie war wie meine Geschwister. Und ich wollte und will es auch nicht sein. Im Gegensatz zu dir teile ich das Bett mit meiner Frau seit Beginn unserer Ehe. Nicht wie ihr zwei. Es tut mir leid, dass du nicht den Selben Spaß an deiner Ehe hast wie ich. Und auch, dass du nicht die Selben Freuden teilst.“ Catherine sprang auf, ihr Gesicht war feuerrot vor Wut: „Es ist nicht rechtmäßig vor dem Herrn, dass ihr euch solchen Frivolitäten hingebt.“ „Bitte, ich weiß mehr von Gottes Lehren als du. Habe ich den Unterricht damals bekommen, oder du?“ „Armand, was ist aus dir geworden? Ich erkenne dich gar nicht wieder. Früher wärst du nicht so mit mir umgegangen. Und du wärst auch nicht so wild gewesen und hättest dich so schamlos dem Verlangen hingegeben.“ Catherine funkelte Marie böse an. Ihre ganze Wut lenkte sich nun auf sie. „Das kommt nur durch dieses Weib. Wahrscheinlich ist ihr Mann gestorben, weil sie zu hungrig war und er nicht mehr konnte. Man sollte ihn bedauern und nicht deine kleine Hure!“ Das waren die Worte, die Marie trafen. Wie konnte Catherine nur so böse sein? Sie hatte ihr doch gar nichts getan. Außer ihren Bruder zu lieben. Sie war gestern doch so nett und lieb gewesen. Konnte ein Mensch so falsch sein? Tränen schossen ihr in die Augen. „Ja!“, Catherine triumphierte, „Weine nur. Aber ich habe dich durchschaut. Du hattest es doch von Anfang an auf meinen Bruder abgesehen. Hurenbraut!“ Das war zu viel. Marie war nur noch am Schluchzen. Doch für Catherine war noch lange nicht Schluss. Sie redete sich geradezu in einen Rausch. „Hure! Hure! Hure! Hu...“ Patsch! Richelieu hatte seiner Schwester eine Ohrfeige verpasst und Catherine schaute ihn geschockt an, ebenso ihr Mann, der der Szene davor eher belustigt gefolgt war. „Ar...Arman...Armand, wieso...“ „Wieso ich dir eine Ohrfeige gegeben habe?“, Richelieu schaute seine Schwester verachtend und wütend an. „Du hast meine Frau beleidigt. Du hast sie Hure genannt. Und wenn ich etwas nicht vertrage, dann das man sie Hure nennt. Nur weil sie es versteht, mich zu verführen mit den Reizen, die du nicht hast, ist sie noch lange keine Hure. Ich lasse mich gerne auf sie ein. Ich liebe sie! Verstehst du? Ich liebe sie!“ Richelieu nahm Marie in die Arme. Sie zitterte am ganzen Körper. Er wusste, dass sie wieder an ihre Vergangenheit erinnert wurde. Sanft küsste er sie auf die Stirn und wischte ihre Tränen weg. „Ich möchte nach Hause.“, flüsterte Marie halblaut. „Ist gut, mein Schatz.“ „Ja natürlich. Tu das, was sie sagt.“, rief Catherine wütend. „Nein, Marie spricht mir aus der Seele, ich halte es hier auch nicht länger aus.“ Ohne ein weiteres Wort ging Richelieu mit der noch immer weinenden Marie ins Schloss hinein. Schnell war alles zusammengepackt und die Pferde vor die Kutsche gespannt. Emanuél musste seine Frau zwingen, an die Kutsche heran zu treten, um sich bei ihrem Bruder und vor allem bei Marie zu entschuldigen. Er hieß es zwar nicht gut, dass sein Schwager ihr eine Ohrfeige gegeben hatte, aber auch Catherine war zu weit gegangen. „Es...es tut mir leid!“ Marie würdigte sie keines Blickes, was Catherine nicht entging. Sie wollte schon antworten, aber wurde von ihrem Bruder unterbrochen. „Ich habe ihr nicht gesagt, dass sie dich ignorieren soll. Aber sie tut das Richtige. Ich melde mich eventuell, wenn wir wieder in Amerika sind. Lebt wohl.“ Mit einem Klopfen an die Vorderwand der Kutsche befahl er dem Kutscher, loszufahren. Catherine fluchte ihm halblaut hinterher, was ihr ein spöttisches Winken Richelieus einbrachte. „Er hat sich verändert.“, sagte Emanuél still. Catherine schaute ihn an. „Und nein, es liegt nicht nur an ihr. Sein ganzes Wesen ist völlig verändert. Sein Auftreten. Alles. Ein komischer Kauz ist er geworden.“ „Pah!“ Catherine drehte sich auf der Stelle um, wobei ihre blonden Haare wild umher flogen. Für sie war das Thema Bruder und Schwägerin abgehakt. Sie hatte sich zwar über den Besuch gefreut, aber nach vier Jahren der Trennung war trotz Briefwechsel alles anders. Etwas zu stolz marschierte sie ins Schloss zurück. ******************************************* Als Richelieu und Marie wieder in Paris ankamen und die Kutsche vor dem Palais vorfuhr, wartete Marie nicht bis jemand ihr die Tür öffnete, sondern stürmte aus der gerade angehaltenen Kutsche und rannte förmlich hinein ins Palais und hinauf ins Schlafgemach. Schon die ganze Rückfahrt über, also fast fünf Stunden, hatte sie kein Wort mehr gesagt. Sie hatte einfach still aus der Kutsche geschaut. Richelieu ahnte, dass ihr die Sätze seiner Schwester zu schaffen machten. Und im Stillen verfluchte er Catherine dafür. Als er Marie die Stufen hinauf eilen sah, dachte er im Stillen: ‚Bitte lass nicht wieder alles von vorne beginnen.’ Auf halbem Wege kam ihm Madame Curée entgegen. Sie schaute ihn fragend an. „Meine Schwester war unverschämt. Sie hat Marie sehr gekränkt. Lassen wir sie eine Zeit in Ruhe. Sie wird sich im Schlafgemach eingeschlossen haben. Ich lasse ihre Kleider ins Ankleidezimmer bringen. Wäret Ihr so freundlich und würdet sie dort einordnen?“ „Natürlich Eure Eminenz.“, Madame Curée knickste leicht und lächelte ihn dann an. „Macht Euch keine Sorgen um sie.“ Richelieu nickte. Dann gab er einem Kammerdiener seinen Reiseumhang und ging ebenfalls hinauf. In seinem Arbeitszimmer angekommen, begrüßte ihn ein neuer Stapel voller Akten. Wie liebevoll der König doch mit seinem kranken Bischof umging. Damit seine Intelligenz ihn nicht verließ, schickte er ihm Akten. Nun gut, dann würde er die Nacht wohl wieder nur maximal fünf Stunden schlafen. Er ließ sich auf seinem Sessel hinter dem schweren Eichentisch nieder und seufzte schwer. Da er Marie erst einmal alleine lassen wollte, machte er sich schweren Herzens über die Akten her. Es war erst fünf Uhr am Nachmittag und die Sonne schien noch immer durch die Fenster, aber Richelieu konnte sich nicht wirklich konzentrieren. Maries Sorgen machten ihm ebenso zu schaffen. Was sich jedoch als völlig grundlos herausstellte, da in jenem Moment Marie durch die angrenzende Tür schneite und sich auf seinen Tisch setzte. Verblüfft schaute er zu ihr auf, als sie auch schon anfing, los zu poltern: „Was bildet sich deine Schwester eigentlich ein? Sie kennt mich doch gar nicht. Weißt du, gestern im Park sagte sie mir auch noch, dass eine Herkunft ja gar nicht sooo wichtig sei. Sie meinte, ihr sei es egal, wen ihr Bruder heiratet. Solange sie nur lieb und freundlich und nett wäre. Und bin ich das etwa nicht?“, Marie schaute Richelieu an, bevor sie weiter zeterte. „Sie bot mir doch sogar noch das Du an und meinte vor dem Souper gestern Abend noch, dass du und ich ein so bezauberndes Paar abgeben würden und das sie es niedlich fand, wie du mich im Park in die Arme genommen und geküsst hast. Sie fand es niedlich. Wie alt ist diese Frau, dass sie so etwas niedlich findet und nicht romantisch? Als ich dreizehn war, fand ich das niedlich.“ Sie machte Pausbäckchen und Richelieu musste anfangen zu lachen. „Was ist daran so komisch?“ „Nichts.“, er zog sie auf seinen Schoß, „Aber du verhältst dich auch gerade wie dreizehn.“ Marie schaute ihn böse an. „Ich weiß ja, dass sie gemein und unverschämt zu dir war, aber ändern können wir es jetzt nicht mehr.“ „Doch, lass Rochefort rufen und wir tarnen es als Reitunfall.“ Richelieu schaute sie überrascht an, während sie triumphierend grinste. „Marie! Bleib ernst. Vergiss meine dumme Schwester. Und übrigens, sie ist sechsundzwanzig.“ Marie schaute immer noch böse. Für sie war das Thema noch längst nicht vom Tisch. Sie setzte wieder an, doch ein Kuss Richelieus unterbrach sie darin. „Lass uns nicht mehr darüber sprechen. In wenigen Tagen reise ich ab. Und solange möchte ich dich lächeln sehen. Und nicht mit bösem Blick herumlaufen. Dafür ist Rochefort zu ständig.“ „Na gut.“ Marie lehnte ihre Stirn an seine, sodass sie sich tief in die Augen blicken konnten. Richelieu versuchte standhaft zu bleiben und nicht in diesen wunderschönen Augen zu ertrinken. Doch schon seit langem gab es keinen rettenden Anker mehr für ihn. Wie sehr er diese Augen vermissen würde. Und nicht nur diese. Auch der Rest seiner geliebten, süßen, kleinen Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu würde ihm schrecklich fehlen. Er würde ihr schreiben. Vom ersten Tage an. Aber wie viele seiner Briefe würden sie erreichen? Und würde sie ihm antworten? Dieser Gedanke war abwegig, dass wusste er. Denn mit größter Sicherheit würde sie das tun. War sie hier auch sicher in seinem Palais. Rochefort konnte ihr keinen Schutz bieten. Den würde er mitnehmen. Richelieu war sich mit sich selbst einig, dass er die restliche Dienerschaft einweihen musste. Nur wenn sie alle von Marie wussten, konnten sie sie auch schützen. Madame Curée sollte ihre Vertraute werden. Und seinen Beichtvater, Pater Ludovic, würde er auch einweihen. Richelieu wusste, dass dieser konservative Mann ihm eine Menge Vater Unser und Ave Marie einbringen würde, aber Marie war es wert. Außerdem sollte Pater Ludovic auch ihr Beichtvater werden. Zudem musste er ja verschwiegen sein. Er würde also keine Probleme machen. Und außerdem war er nur ein kleiner Pater, Richelieu war Bischof. „Worüber denkst du nach?“, Marie weckte ihn aus seinen Gedanken. „Oh, verzeih. Aber ich dachte bei mir, dass es besser wäre, wenn ich der restlichen Dienerschaft von dir erzählen würde. Zu deiner eigenen Sicherheit. Und ich werde meinem Beichtvater von dir erzählen. Ich möchte, dass er auch deiner wird.“ Marie musste lachen. „Was hast du? Wieso lachst du?“ „Du, “, sie schnappte vor Lachen nach Luft, „Du hast einen Beichtvater?“ „Natürlich. Dachtest du ich nehme mir die Beichte selber ab?“, nun musste auch er lachen. Marie kam sich in dem Moment blöd vor. Sie hätte es wissen müssen. Mit leicht rotem Kopf ob ihrer Dummheit erhob sie sich rasch von seinem Schoß und verließ das Arbeitzimmer, wobei sie nuschelte, sie wolle Madame Curée helfen, die Kleider auszupacken. Richelieu grinste ihr hinterher. Er ließ kurz danach seinen obersten Kammerdiener René rufen und erzählte ihm von Marie. „Ich möchte, dass die Dienerschaft von ihr erfährt. Während meiner Abwesenheit hat jeder ein Auge auf sie zu werfen. Nur so kann ich sie optimal schützen. Jedoch warne ich Euch davor: Nur irgendein Wort, egal ob wahr oder gelogen, über sie das an die Öffentlichkeit gelangt und ich lasse denjenigen vom Henker abführen. Ist das klar?“ „Ja, Eminenz. Jedes einzelne Wort. Ich werde es auf der Stelle jedem der Dienerschaft einzeln überbringen. Ihr habt mein Wort, dass Eure Dienerschaft verschwiegener sein wird, als die des königlichen Hofes.“ René machte eine sehr tiefe, aufrichtige und ehrliche Verbeugung, welche Richelieu mit einem Kopfnicken quittierte. Dann verließ der Kammerdiener immer noch leicht gebeugt und rückwärts gehend das Arbeitszimmer. Richelieu setzte ein Schreiben an seinen Beichtvater auf, welches er unverzüglich einem Boten übergab, mit den Worten, es sei dringend, dann suchte er Marie auf. Madame Curée lauschte gerade Marie, die wieder über Catherine zeterte. Und das nun auch schon seit einer halben Stunde. „Sie ist ja so etwas von eingebildet.“ „So beruhigt Euch doch. Das Wetter ist viel zu drückend, um sich dermaßen in Rage zu reden. Ihr könnt froh sein, dass sie nicht weiß, was Ihr durchmachen musstet. Sonst wäre sie womöglich noch damit kommen, dass Ihr es freiwillig getan habt, Mademoiselle.“ „Hrm.“, das Räuspern gehörte Richelieu, der in der Tür stand und beide Frauen auf dem Boden sitzend vorfand. „Oh, Eminenz.“ Madame Curée stand sofort wieder. Er schritt auf Marie zu und half ihr beim Aufstehen „Madame Curée?“ Richelieu wandte sich zu seiner Köchin. „Ja Eminenz? Was wünscht Ihr?“ „Nur, dass Ihr Marie ab heute mit ‚Madame’ anredet.“ Die Köchin schaute ihren Herrn an, bevor sie zu lächeln anfing: „Oh, dass ist ja wunderbar. Wann...“ „Noch gar nicht. Aber ich konnte doch nicht mit einer Frau erscheinen bei meiner Schwester, mit der ich nicht verheiratet bin. Aber da ich Bischof bin, sind wir es inoffiziell schon. Pater Ludovic kommt nachher vorbei. Vielleicht zeigt er sich ja kulant?!“ ****************************************** Marie wartete nervös im Salon. Sie hatte sich hierher zurückgezogen, kurz bevor der Pater angekommen war. Sie wollte erst das Gespräch, besser gesagt die Beichte Richelieus abwarten, bevor sie sich selbst zeigte. Sie hielt es für das angebrachteste. Nun saß sie schon eine halbe Stunde hier und versuchte sich auf das Buch in ihren Händen zu konzentrieren: Dantes ‚Göttliche Komödie’. Doch es gelang ihr nicht dieses Buch zu lesen, ohne auch nur einen Satz mindestens dreimal zu lesen, so nervös war sie. Eigentlich überflog sie die Sätze nur. Das dreimal. Was konnte denn nur so lange dauern. Im Grunde hatte ihr Liebster doch nur sie zu beichten. Denn den Mord über zweite Hand hatte er sicher schon vor Jahren gebeichtet. „Oh verdammt noch mal.“, sie stand auf, stellte das Buch zurück ins Regal, wo sie es her hatte und ging zur Tür. Marie wusste, dass lauschen nicht unbedingt das Beste war, aber da sie von Natur aus neugierig war, musste sie es einfach tun. „Und es geht ja auch um mich.“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie ihr Ohr an die Tür legte. „Eminenz, wie konntet Ihr nur? Ein Straßenmädchen.“ Die Stimme kam eindeutig von dem Pater. „Ja, ehrt mich das nicht? Ich habe sie von der Straße geholt. Und außerdem liebe ich sie. Das ehrt mich fast doppelt.“ Das war Richelieus Stimme, und Marie musste bei seinem Satz lächeln. Wie lieb er war. „Aber ihr teilt Euch trotzdem das Bett mit ihr. Ihr lasst Euch von ihr verführen, wie ein gewöhnlicher Bauerntrampel es tun würde.“ Der Pater war sehr unverschämt. „Da liegt Ihr falsch. Ich habe sie verführt. Ich fragte sie, ob ich sie küssen dürfte und ich war es, der sie ins Bett legte und verführte.“ Wie wahr. „Ihr steht höher als ich, aber das ist keine Entschuldigung für solch ein Verlangen. Da ihr bei mir beichtet, nehme ich an, dass ihr danach diese Affäre beenden wollt?“ Davon konnte wohl keine Rede sein. Er verließ sie zwar, würde aber wieder zurückkehren. „Nein, ganz im Gegenteil. Pater Ludovic, ich möchte sie Euch vorstellen.“ Das war der Augenblick, in dem Marie sich das Buch aus dem Regal schnappte, sich in den Sessel warf und vorgab zu lesen. Keinesfalls wollte sie vom Pater beim Lauschen erwischt werden. Bei Richelieu wäre das etwas anderes gewesen, aber nun war der Pater mit dabei. Sie versuchte überrascht aufzuschauen, als sich die Tür öffnete und ihr Liebster mit dem Pater im Schlepptau eintrat. Anmutig erhob sie sich. Sie ergriff die Hand, die ihr Richelieu reichte und trat näher an ihm heran. Sie verzichtete im Beisein des Kirchenmannes auf einen obligatorischen Begrüßungskuss, die sie ihrem Liebsten nun im Normalfall gegeben hätte. Stattdessen knickste sie nun höflich vor dem Pater und streckte ihm, so wie es ihr Richelieu vorab gesagt hatte, ihre Hand entgegen. Richelieu hatte ihr vorher erklärt, dass sie das ruhig tun könne, da er immerhin Bischof sei und sie seine Verlobte. Sie würde somit also nur höher stehen als Pater Ludovic. Pater Ludovic nahm die ihm dargebotene Hand und hauchte sanft einen Handkuss darauf, was Richelieu mit einem selbstsicheren und leicht triumphierenden Lächeln wahrnahm. „Darf ich Euch Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu vorstellen?“ Die Augen des Paters weiteten sich. Hatte der Bischof es tatsächlich gewagt, dieses Straßenmädchen zu heiraten? Das konnte nicht sein Ernst sein. „Eminenz, Ihr habt...Ihr habt sie geehelicht?“ „Nein, noch nicht. Aber ich habe es vor, wenn ich von meiner Reise zurück bin. Und Ihr sollt uns trauen Pater. Im Moment sind wir nur verlobt.“ „Auf keinen Fall werde ich das tun.“, entrüstete sich Pater Ludovic, wofür er einen verständnislosen Blick Richelieus erntete. „Nun gut, dann vollziehen wir es jetzt gleich.“, entgegnete Richelieu. „Nein, auch nicht jetzt. Eminenz, Ihr seid Bischof, was sollen die Leute von Euch denken?“ „Sie sollen es gar nicht erst wissen. Und mit Eurem Beichtgeheimnis habt ihr dafür zu sorgen. Verstanden?“ „Aber...“, versuchte der Pater einen letzten Einwand. „Kein ‚aber’. In einem Staat, wo man glaubt, die katholische Kirche sorge noch für Ordnung, wo der König mehr uneheliche Kinder mit Mätressen hat als mit seiner eigenen Frau, da werde ich doch wohl auch heiraten dürfen.“ Der Pater konnte nur noch nicken. Jedoch konnte er sich mit Richelieu darauf einigen, dass die Trauung erst nach seiner Rückkehr vollzogen werden würde. Pater Ludovic wurde zum Beichtvater von Marie ernannt und entlohnt für sein schweigen. Und das war auch der ausschlaggebende Grunde, warum er seinen Mund halten würde. ************************************************** Der letzte gemeinsame Abend brach an. Richelieu hatte sich mit einer persönlichen und erlogenen Trauermeldung über eine verstorbene Tante vom König loseisen können. So war er noch vor neun Uhr am Abend bei Marie gewesen, die ihn schon sehnsüchtig erwartet hatte. Den ganzen Tag über hatte sie mit Madame Curée seine Kleidung in großen, schweren Reisekoffern verstaut. Sie fand sogar etwas Zeit, um in eines seiner Taschentücher neben seine auch ihre Initialen zu sticken. Neben dem ‚R’ für Richelieu war nun auch ein ‚M’ zu sehen. Sie legte es ganz oben auf, sodass er es als erstes sehen würde, wenn er den Deckel aufschlug. Richelieu war sehr froh über diese Hilfe. Er selbst hätte es nie zu Stande gebracht, diese Koffer richtig zu packen. Dafür hatte er stets Diener gehabt. Dankbar nahm er seine Marie in die Arme. Er merkte, dass sie jetzt schon den Tränen nahe war, obwohl sie noch gute zwölf Stunden hatten. In diesen zwölf Stunden überschüttete er sie mir Liebesbeweisen aller Arten. Im Bett ließ er ihr freie Hand. Während der kleinen Pausen, ließ er sich von ihr füttern und bedankte sich anschließend mit hingebungsvoller Leidenschaft bei ihr. Sie liebten sich in einen völligen Rausch. Marie wusste immer weniger, wie ihr geschah in diesen Stunden. Seine Hände erkundeten jede Stelle ihres Körpers. So, als ob er sie das erste Mal berührte. Seine Lippen auf ihrer Haut und den heiße Atem den sie spürte, ließen sie in einen Taumel geraten, aus dem sie sich nicht wieder loseisen wollte. Seine liebevollen Worte in ihren Ohren klangen für ewige Zeiten wieder. Richelieu genoss sie. Seine Marie war so wunderbar und schwindelerregend wie noch nie zuvor. Wie sich ihr Brustkorb unter seinen Fingern und heißen Küssen hob und wieder senkte. Ihre Haare umschlossen ihr Gesicht wie ein Rahmen ein Bild der Venus. Er spürte den süßlichen Schmerz, der ihn durchzuckte, als sie sich auf seinem Rücken festkrallte. Ihr Seufzen in seinen Ohren klang wie ein wunderschönes Lied. Marie mochte ich noch nicht vorstellen, dass dieses Mal das vorerst letzte Mal sein würde für eine lange Zeit. Aber je mehr sich dieser Gedanke in ihrem Kopf breit machte, desto mehr beobachtete sie jede seiner Bewegungen. Die Muskeln, die sich bewegten, wie die einer geschmeidigen Katze. Jede Bewegung schien bei ihm so geplant, und doch überraschte sie Marie immer wieder. Sie presste sich an ihn, wollte ihn noch mehr spüren. Sein Herz hören. Jede Stelle seines Körpers schmecken. Jedes einzelne Haar wollte sie fühlen. Seine Gesichtszüge einprägen. Auf das sie das alles nie wieder vergessen würde. Mit seinen Fingern durchfuhr er ihre Haare. Sie dufteten so wunderbar. Er sog tief den Geruch ein. Dieser Geruch. Er würde sie unter allen Frauen der Welt daran wiedererkennen. Er beobachtete ihre Hände, wie sie langsam seine Brust und seinen Bauch hinunter glitten. Ihre Finger waren so graziös. So zerbrechlich wie der Rest von ihr. Sie war seine Puppe. Eine Puppe die man wie einen Schatz hüten musste. Er merkte, wie ihr Atem flacher wurde. Ihre Brust hob sich nicht mehr so stark wie am Anfang. Ihre Atemzüge wurden kürzer, sie kamen nur noch stoßweise. Seine Züge waren so entspannt. Sein Blick so klar wie das Meer. Eine einzelne Haarsträhne hing ihm ins Gesicht, die sie ihm wegstrich. Sie spürte einen leichten Schweißfilm auf seiner Stirn, der sich seinen Weg über den Rest des Körpers bahnte. Seine Lenden hoben sich in immer kleineren Abständen. Und wieder bahnten sich wogen des Wohlgefühls durch ihren Körper. Sein heißer Atem an ihrem Hals machte sie schier verrückt. Er ließ ihr alle Härchen zu Berge stehen. Leidenschaft lag in den Küssen, die sie ihm gab und die er ebenso erwiderte. Sacht biss sie sich in seinen Schultern fest, was ihn aber keineswegs störte. Er genoss den Schmerz, den sie ihm mit ihrem Biss verpasste. Zärtlich und doch fordernd fuhr er mit seiner Hand an ihrem Oberschenkel entlang, sowohl außen als auch an der Innenseite, und zog sie noch näher an sich heran. Wie salzig ihre Haut nun schmeckte. Mit der Zungenspitze zog er jede einzelne Kontur ihres Körpers nach. Er spürte, wie sie darunter erzitterte und sich nur noch mehr an ihn presste. Ihre Körper schlossen sich zu einer untrennbaren Einheit zusammen. Seine Finger bahnten sich einen Weg entlang ihrer Wirbelsäure. Seine Finger waren wir tausend süße Stiche auf der Haut. Vollkommen dem Schwindel und der Erregung erlegen, warf sie ihren Kopf in den Nacken. Wieso war sie ihm nur so vollkommen unterlegen? Sie wand sich unter jeder einzelnen Berührung. Seine Zunge an ihrem Hals und Ohrläppchen war so wunderschön. Sie durchzog seine Haare und drückte sanft seinen Kopf auf ihre Brust. Wie lange würde er sie noch quälen? Sie erzitterte. Ihren Atem konnte sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr kontrollieren. Ihr ganzer Körper entzog sich jeglicher Kontrolle ihrerseits. Wie süß sie war. Sie wand sich wie eine junge Katze. Er spürte ihre Füße, die versuchten, sich auf seinem Gesäß einen Halt zu verschaffen. Es gelang ihnen nicht. Dafür sorgte er. Ihm wurde langsam klar, dass er nicht mehr lange so weiter machen konnte. Seine Lenden zogen sich immer schneller zusammen. Er wusste, dass es seiner süßen Geliebten nicht anders erging. Sie verkrampfte unter ihm immer mehr und teilweise hielt sie den Atem am, um noch etwas Aufschub sich und ihm zu gewähren. Bevor sie an ihrer Leidenschaft ersticken würde, presste er ihr seine Lippen auf den Mund. Sanft biss er in ihre Unterlippe und Marie verkrampfte auf der Stelle. Seine Lippen pressten sich auf ihren Mund, ein kurzer Biss auf die Unterlippe und ihre Spannung entlud sich. Sie spürte, wie er den Atem kurz nach dem Biss anhielt. In jenem Moment fühlten sich beide unbesiegbar. ************************************************ Völlig fertig mit sich und der Welt stieg Marie aus dem Bett. Richelieu lag schon lange nicht mehr neben ihr. Er war kurz vor Sonnenaufgang aufgestanden, um die wichtigsten Unterlagen zusammenzusuchen. Am Vorabend bat er Marie darum, diese Sache ihm zu überlassen, mit der Entschuldigung dass er nur so sicher gehen könne, alles dabei zu haben. Außerdem wollte er Marie nicht die Notizen zu seinen Kriegsschritten und Foltermethoden zu muten. Marie fand ihn im Arbeitszimmer, wie immer tief in seine Unterlagen vertieft. „Herr Gott noch mal, wo ist der Wisch denn nun?“ „Als ein Mann der Kirche solltest du nicht so laut fluchen, mein Liebster.“ Richelieu drehte ich um. Wie sie da stand, mit den offenen Haaren, den verschlafenen Augen und dem liebevollen Lächeln. Er stürmte auf sie zu und umarmte sie. Noch einmal wollte er sie spüren. Sie sein Herz spüren lassen, es zerbarst beinahe. Er vergrub sein Gesicht tief in ihren Haaren, wie weich sie doch waren. Waren sie schon immer so? Oder fiel es ihm erst jetzt auf? Jetzt wo er in weniger als einer Stunde aufbrechen würde. Er zog sie fest an sich. Richelieu spürte, wie sie ihre Finger in seinen Haaren vergrub und leise schluchzte. „Still, hör auf zu weinen. Du weißt, dass ich das nicht ertrage.“ „Ich kann aber nicht anders. Verzeih mir.“ „Ich verzeihe dir alles, dass weißt du.“ Sanft strich er ihr über den Rücken. „Aber es schmerzt mich so sehr, dass du gleich aufbrichst.“ „Ich weiß. Aber wir teilen den Schmerz, ja? Denn ich glaube, mein Herz müsse zerspringen, wenn ich dich in ein paar Augenblicken alleine lassen werde.“ „Ja, ja lass ihn uns teilen.“ Marie löste sich von ihm. Er versuchte ihr in die Augen zu schauen, aber sie hielt den Blick gesenkt. Stattdessen fuhr sie vorsichtig mit ihren Fingern über seine Augen und bedeutete ihm somit, sie zu schließen. Sie umfasste mit ihren Händen sein Gesicht und küsste ihn sanft auf die Lippen und anschließend auf die Stirn. „Umarme mich noch einmal.“ Er tat, wie sie sagte. Er konnte ihre nassen Wangen an seinem Hals spüren. Vorsichtig drehte er sein Gesicht zur Seite und küsste ihr die Tränen weg. Zumindest versuchte er es. Denn sie weinte soviel, dass Richelieu glaubte, sie würde mittlerweile den Ozean mit ihren Tränen füllen. Sekunden vergingen. Minuten verflogen. „Mein Herr.“ Ohne Marie loszulassen oder aufzuhören, durch ihre Haare zu streichen, drehte sich Richelieu zu Rochefort um, der in der Tür stand. „Verzeiht, mein Herr, aber ich hatte bereits ein paar Male geklopft, doch...“ „Ist gut Rochefort. Ich nehme an, die Kutsche ist vorgefahren?“ „Ja, ich lasse sie gerade beladen.“ „Gut, ich werde in wenigen Augenblicken nachkommen.“ Rochefort zeigte sein verständnisvollstes Nicken und verließ mit geneigtem Kopf rückwärts den Raum, den er nur halb betreten hatte. „Du hast es gehört. Die Kutsche ist vorgefahren und auch gleich voll beladen sein. Nur noch ich muss aufgeladen werden und meine Akten.“ So sachte wie möglich löste er sich von ihr und wischte ihr nebenbei die Tränen weg. „Dann geh jetzt.“ „Wir werden uns wiedersehen.“, Richelieu schaute sie ernst an. „Aber das hoffe ich doch.“, schniefte sie und versuchte ihr freches Grinsen aufzusetzen. Es blieb bei einem aufgesetzten Versuch. Ein letztes Mal drückte er sie an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich schreibe dir sofort, egal aus welcher Spelunke oder durchnässten Offizierszelt. Das verspreche ich dir.“ „Ich schreibe dir sofort zurück.“ Ein letzter leidenschaftlicher Kuss. Richelieu musste sich dazuzwingen, sie loszulassen. Ruckartig drehte er sich um, griff hektisch und leicht panisch nach seinen Unterlagen und verließ fast im Laufschritt den Raum. An der Tür begegnete ihm Madame Curée. Er drehte sich zu Marie um, sie sah ihn nicht an und sagte zur Köchin: „Kümmert Euch bitte sehr gut um sie. Ihr seid die einzigste Person hier, der sie vertraut.“ Madame Curée nickte, warf einen bedauernswerten Blick auf Marie und wünschte ihrem Herrn eine gute Reise und das er bald wiederkommen möge. Richelieu dankte ihr dafür und verließ fluchtartig das Palais. Als er in der Kutsche saß, warf er einen letzten Blick hinauf zu den Fenstern, die sein Arbeitszimmer erhellten. Marie stand nicht an ihnen. Er war froh drüber. Sonst wäre es für beide noch schmerzhafter gewesen. Marie konnte nicht am Fenster stehen. Gerne hätte sie es getan. Jedoch versagten ihre Beine kurz nach dem er das Zimmer verlassen hatte, und nur Madame Curée war es zu verdanken, dass sie sich nicht ernsthaft dabei wehtat, als sie zu Boden sank. Marie weinte nur noch. Madame Curée ließ sie gewähren. Sie wusste, dass es für sie beide schwer gewesen war, voneinander zu lassen. Der schmerz schien sie beide jetzt schon aufzufressen. Kapitel 9: Erste Briefe ----------------------- Kapitel IX: Erste Briefe Zwei Wochen waren schon vergangen, seit Richelieu sie verlassen hatte. Die ersten Tage hatte Marie im dunklen Schlafgemach der beiden verbracht und sich eingeschlossen. Alles roch noch nach ihm, so dass sie sich die meiste Zeit in die Laken kuschelte und sich vorstellte, er würde jeden Moment wieder zur Tür hinein kommen. Sie hatte nicht gegessen, nicht getrunken. Am fünften Tage ließ die Köchin die Tür mit Hilfe einiger Diener öffnen. Sie konnte Marie überreden, doch noch etwas zu essen. Und sie schlang das Essen geradezu hinunter, während Madame Curée ihre Haare richtete. Mit ein paar gekonnten Vorschlägen lenkte sie Marie zudem noch ab. Nachdem Marie sich umgekleidet hatte, half sie der Köchin in der Küche beim Kuchenbacken. Sie sprach nicht viel, was der Köchin zu gute kam, denn aus der sprudelte nun ihre Lebensgeschichte heraus. Und an manchen Stellen konnte sie Marie sogar ein Lächeln hervorzaubern. So kam es, dass Marie nun fast täglich in der Küche zu finden war. Vor allem die Küchenmädchen fanden Marie bezaubernd und faszinierend. Sie hatte es geschafft, wie sie meinten. Marie war ein Straßenmädchen gewesen und nun die Frau an der Seite des Bischofs. Marie musste fast täglich Fragen beantworten, wie es denn nun sei das neue Leben. Sie antworte immer gleich: „Schöner!“ Am Abend vermisste sie Richelieu besonders. Dann saß sie in seinem Arbeitszimmer, las ein Buch oder stickte. Oft hingen ihre Augen an dem Portrait, was er von sich hatte anfertigen lassen. Madame Curée weckte sie des Öfteren, wenn Marie wieder über dem Schreibtisch Richelieus eingeschlafen war. Mitte der zweiten Woche kam am frühen Morgen eines der Küchenmädchen, welches sich Marie als Michelle vorgestellt hatte, in das Schlafgemach gerauscht und blieb schlitternd vor dem Bett stehen. Marie, geweckt durch das bereits sehr laute Poltern im Treppenhaus und im Flur, staunte nicht schlecht, als sie das breite und zugleich liebenswerte Lächeln Michelles sah. „Was hast du?“ „Madame, ich habe einen Brief für Euch.“ „Ist er...“, Marie wagte kaum zu hoffen. „Ja, Madame. Er ist von Eurem Mann.“ Michelle lächelte noch breiter, so dass man nun ihre Zahnlücke sehen konnte, da ihr ein Schneidezahn oben fehlte. Marie nahm den Brief hastig aus Michelles Hand. Diese knickste tief und wollte das Zimmer verlassen, aber Marie rief sie noch einmal zurück. „Ja, Madame?“ „Er ist nicht mein Mann. Bis heute sind wir nur verlobt.“ „Ja Madame.“ Marie wusste, dass es Michelle verstanden hatte, aber dass sie bei sich wohl dachte, dass das keinen Unterschied mehr machen würde. Das Küchenmädchen war kaum verschwunden, als Marie das Siegel, sein Siegel, zerbrach und den Brief öffnete. „Meine liebste, kleine, süße Marie Valerie! Wie sehr du mir hier fehlst. Lyon ist schrecklich kalt und der Regen mag gar nicht mehr aufhören. Der Herbst hat hier viel schneller Einzug gehalten als in Paris. Die Bauern der Umgebung berichteten uns, dass es nun schon seit sechs Wochen so regnen würde und noch kein Ende in Sicht sei. Ich bin Gott dankbar, dass wir eine gute Unterkunft gefunden haben. Angeblich das beste Gasthaus der Stadt Lyon. Die Beamten der Stadt ließen es für uns vorbereiten. Dem König spricht es nicht zu. Aber es ist besser in einem alten Gasthaus zu nächtigen als in einem regengetauften Zelt. Der Wirt verlangt auch nicht viel. Im Grunde möchte er gar kein Geld. Rochefort berichtete mir, der Wirt hätte ihm gesagt, er fühle sich geehrt, den König von Frankreich hier zu beherbergen. Aber er sei wohl enttäuscht, dass ich hier sei, und nicht der Kardinal. Vielleicht können wir es bald ändern. Versprich, dass du Madame Curée nicht sagst, dass das Essen der Wirtin mit ihrem mithalten kann. Jeden Abend tischt sie groß auf. Der König gab ihr schon zu verstehen, dass er sie keinesfalls um ihre Vorräte bringen möchte, worauf sie die Hände in die Hüfte gestemmt hatte und sagte: ‚Oh, Majestät, ich möchte keinesfalls für den Tode ihre Majestät verantwortlich sein, nur weil Seine Majestät auf Reisen hungere.’ Der König blickte sie sprachlos an und lachte dann laut auf. Vor uns liegen noch drei Dörfer, in denen wir die Hugenotten aufspüren müssen. Vier haben wir bereits durchsucht. Mit mäßigem Erfolg. Jedes dieser Dörfer hatte immer knappe dreihundert Einwohner. Aus diesen Dörfern kamen wir mit gerade einmal einhundertzweiundsiebzig Rebellen zurück. Der König versprach sich mehr. Und ich mir auch. Auch in den nächsten werden wir nicht mehr finden. Die Beamten der Stadt sagten uns, dass es in Lyon selbst auch nur wenige Hugenotten gebe. Ein Großteil sei wohl schon gen Preußen gezogen. Ich hoffe, dass diese Antwort auch den König erreicht und wir so schnell wie nur irgend möglich weiter ziehen können. Bis jetzt benötigen wir die Hilfe der Musketiere und der Garde des Kardinals kaum. Die wenigen Rebellen kommen oftmals freiwillig heraus und ergeben sich. Wir bringen sie dann zu den örtlichen Stationen der Gendarmerie und lassen sie dort verhören. Selbstverständlich in Anwesenheit eines Musketiers oder eines Gardisten. Nur so können wir sicher gehen. Ich wollte dir ein Geschenk besorgen lassen. Jedoch fiel mir dann Rocheforts beschränktes Wissen in Bezug auf solche Dinge ein und ich ließ es bei ihm bleiben. Der König spannt mich so sehr ein, dass ich auch noch nicht selbst dazu kam. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst, liebstes Mariechen. Die nächste Stadt wird Toulouse sein. Dort werde ich schauen. Ich vermisse dich schrecklich, Marie. Jeden Abend wenn ich zu Gott bete, bete ich darum, dich schnell wieder zu sehen. Ich bete dafür, dass es dir gut geht. Madame Curée kann dich hoffentlich gut ablenken. War Pater Ludovic noch einmal da? Du musst mir sagen, wenn er etwas in seinen Bart raunt, was gegen unsere Beziehung ist. Du weißt, du hast ein wenig Macht mehr als er als meine Verlobte. Ich möchte nicht, dass er dich dadurch verletzt. Ich weiß, wie zerbrechlich du sein kannst. Wie eine Puppe aus Glas. Ich bitte dich inständig, mir alles zu sagen. Ich möchte wissen, wann es dir schlecht geht. Jeden einzelnen Grund möchte ich wissen. Und wenn es nicht mehr geht, dann sage auch dann Bescheid und ich eile, sobald ich deinen Brief habe, zu dir zurück. Ich will dich glücklich machen. Ich will dich glücklich machen, weil ich dich liebe, Marie! Du bist meine heiligste Reliquie. Am jüngsten Tag werden wir noch zusammen sein. Ich lasse dich nie mehr gehen. Der Nachtwächter geht gerade durch die Straßen. Ich habe nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verflog, während ich an dich schrieb und dachte. So bitte ich dich, antworte mir schnell. Das Gasthaus für Toulouse steht schon fest: ‚Le châtaeux rouge’. Ich werde deine Antwort dort sehnlichst erwarten. Ich schicke dir mein Herz. Halt es fest. Sehnlichst, A.J. Duplessis de Richelieu“ Marie las den Brief wieder und wieder. Sie war so glücklich darüber, dass sie endlich ein Lebenszeichen von ihm hatte, dass sie vor Freude anfing zu weinen. Just in jenen Moment kam Madame Curée zur Tür hinein, um Marie wie an jedem Morgen bei der Morgentoilette zu helfen. „Madame, was ist mit Euch. Fühlt Ihr Euch nicht.“ Marie schüttelte den Kopf und schluchzte: „Nein, mir geht es gut.“ „Aber warum weinen Madame dann?“ Mit einem Lächeln, das im völligen Widerspruch zu den Tränen stand, zeigte sie der Köchin den Brief Richelieus. „Oh Madame, dass ist ja wunderbar. Aber so hört auf mit dem Weinen und antwortet ihm. Seht, das Datum ist auf den Zwanzigsten datiert. Heute haben wir den sechsten Oktober.“ Marie nickte. Noch im Morgenmantel rauschte sie in Richelieus Arbeitszimmer, nahm sich ein makelloses Stück weißes Papier aus der Schreibtischschublade, griff nach Feder und Tusche und fing an zu schreiben. Während sie die ersten Sätze zu Papier brachte, bat sie Madame Curée darum, sie für die nächste Stunde alleine zu lassen. Diese knickste höflich und verließ den Raum. *************************************************** Ein stürmischer Wind durchzog die Straßen und Gassen von Toulouse. Vom Mittelmeer zog ein kalter Wind über das Land. Im Süden war es für Mitte Oktober einfach viel zu kalt. Ein teil der Weinstöcke war durch den frühen Nachtfrost schon erfroren. Richelieu rückte näher mit Tisch und Stuhl an den Kamin heran, als es an die Tür klopfte. „Ich lasse bitten.“ Rochefort trat herein. „Ein Schreiben für Euch, Eminenz.“ „Von wem?“ „Madame Duplessis de Richelieu.“ Mit einem Ruck stand Richelieu, wobei ein Teil seiner Akten den Boden kennen lernten. Ungläubig blickte er auf den Umschlag. Dann zu Rochefort. Hastig drückte er ihm ein paar Münzen in die Hand. „Ich danke Euch Rochefort. Ihr habt mich heut sehr glücklich gemacht. Geht Euch amüsieren.“ Da waren sie wieder. Diese Sätze die Rochefort Angst einflößten. Er war sie von seinem Herrn nicht gewohnt. Aber bevor noch ein ‚normales’ Wort fiel, verließ er hastig den Raum. Richelieu starrte noch immer wie gebannt auf den Umschlag. Sie hatte ihren Siegelring, bessergesagt den seiner Familie genutzt, um den Brief mit Wachs zu verschließen. Er musste lächeln. Vorsichtig zerbrach er es und ebenso vorsichtig öffnete er den Brief weiter. „Geliebter Richelieu! Wie sehr ich dir für deinen Brief danke. Man brachte ihn mir vor einer guten halben Stunde. Ich war noch kaum richtig erwacht. Du hast mir den Tag versüßt. Ich musste oft an dich denken. Die Küchenmädchen erzählten oft vom schlechten Wetter im Rest des Landes, wenn sie vom Markt kamen. Aber dass es so regnet in Lyon konnte mir vor dir keiner sagen. Ich bete für dich, dass es nun in Toulouse nicht mehr so ein Hundewetter ist. In Paris ist es zwar kälter geworden, aber es regnet nicht. Die alte Hedwig aus der Küche sagt aber, dass es wohl bald so sein wird. Sie spürt es in den Knochen. Madame Curée hat Stoff gekauft für mich. In den nächsten Tagen werden wir versuchen, einen Mantel für den Winter daraus zu schneidern. Der Stoff ist wunderbar warm. Und ganz grasgrün. Ich wünschte, du könntest ihn sehen. Wenn dich der Brief in Toulouse erreicht, wirst du noch weiter weg von Paris und mir sein. Ich würde liebend gerne die Tage zählen, bis du wieder kommst. Nur wann wird das sein? So bleiben mir nur die Tage, seit du gegangen bist. Es sind doch schon wieder viel zu viele. In Paris munkelt man, dass der König bald wieder hierher zurückkehren will. Stimmt das? Das würde ja heißen, dass du dann alleine alle Fäden in der Hand halten würdest. Ich bete dafür, dass dir der König genügend Musketiere und Gardisten da lässt. Ich könnte es nicht verschmerzen, dich zu verlieren. Und wenn es der Fall sein sollte, würde ich den König dafür anklagen. Pater Ludovic war bis heute nicht mehr hier. Ich habe aber auch nicht das Verlangen, ihn hier zu sehen. Oder heißt das jetzt in meiner Stellung ‚empfangen’? Du sagtest doch, ich würde über ihm stehen, oder? Über mich gibt es auch bis dato keine Gerüchte. Paris weiß praktisch nichts von meiner Existenz. Aber ein Brief von Catherine kam vor zwei Tagen hier an. Ich habe ihn noch nicht geöffnet. Wer weiß, was sie schreibt. So wollte ich dich fragen, was damit geschehen soll. Ins Feuer? Sorge dich nicht um mich. Ich war bis jetzt nur einmal außerhalb des Palais. Madame Curée nahm mich mit zu einem Schuhladen, wegen ein Paar Winterschuhen die ich noch brauche, wie Madame Curée sagte. Ich trug ein Kleid von Michelle, eines der Küchenmädchen. Ich sah aus wie eine einfache Magd. Madame Curée hat mich nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Das war mir schon fast peinlich und ein wenig lästig. Sie bewacht mich wie einen kostbaren Schatz. Ich bin ihr dankbar dafür, aber unangenehm bleibt es für mich. Jedoch werde ich dir sofort schreiben, falls etwas passieren sollte. Was ich mir nicht vorstellen kann und bei Gott auch nicht hoffe. Aus deinem Brief entnehme ich, dass wir uns vor Weihnachten nicht sehen werden. Aber könnest du es nicht wenigstens versuchen. Ich möchte dich so schnell und gerne wieder sehen und in deinen Armen versinken. Ich erwarte treuen Herzens deine Antwort und schicke dir tausend und tausend Küsse. In vollster Hingabe und Liebe, Marie Valerie PS: So hoffe ich zudem und bete auch ein wenig dafür, dass du meine Schrift lesen kannst. Es ist lange her, seit ich das letzte Mal etwas schreib. MV“ Richelieu fühlte sich glücklich. Seit Tagen fühlte er sich wieder einmal richtig glücklich. So lange hatte er auf eine Antwort gewartet. Und nun erhielt er sie. Er war sich schon gar nicht mehr sicher gewesen, ob sein Brief sie überhaupt erreicht hatte. Er hatte ihn einen Tag nach der Ankunft in Lyon geschrieben und Maries Brief war auf den sechsten Oktober datiert. „Die Post braucht einfach viel zu lange!“, stellte Richelieu trocken fest. Zumal heute auch schon wieder der sechszehnte war. In fünf Tage war die Abreise. Jedenfalls plante es der König so. Der König. Richelieu las noch einmal den Brief Maries durch. Sie sprach das Gerücht an, was schon seit der Ankunft in Toulouse unter den Truppen Thema war: Die Rückkehr des Königs nach Paris. Selbst Paris scheint dieses Gerücht schon erreicht zu haben. Der König hielt sich bedeckt. Richelieu hatte ihn schon mehrmals unauffällig darauf angesprochen, aber der König hatte jedes Mal gleich geantwortet: „Nun, wenn mich mein Volk in Paris sehen möchte, werde ich mich dort zeigen. Sie sollen selbst entscheiden.“ Richelieu ging er langsam auf die Nerven. Und auch das schrieb er Marie. Er legte ihr wieder seine gesamten Gefühle zu Füßen. Er brauchte dazu nicht sehr lange, obwohl er wieder zwei Seiten Blätter beschrieb. Wie sehr er sich wünschte, Marie selbst in die Hand zu drücken. Die Turmuhr schlug zehn, als Richelieu hinaus in die Nacht trat. Noch immer zerrte der Wind an seinem Mantel und ließ ihn sofort frieren. Es war erst Mitte Oktober, aber ihm kam es vor, als wäre es Januar. Er versuchte sich die Hände warm zu hauchen, aber es brachte nichts. Selbst dei Lederhandschuhe halfen wenig. Doch es war in diesem Moment egal Er musste noch zur Poststation. Es würde sich schon ein Reiter finden lassen, der den Brief zu Marie bringen würde. „Herzog, was macht Ihr so spät noch hier?“ Richelieu fuhr herum und sah sich dem König entgegen. „Eure Majestät, die Frage gebe ich gerne an Euch zurück.“ „Nun ja, die Luft in der Suite war mich zu stickig. Und hätte ich die Fenster öffnen lassen, wäre das Feuer ausgegangen. Nun habt Ihr Eure Antwort. Was ist Eure Antwort auf meine Frage?“ „Ich gehe spazieren.“, erklärte Richelieu kühl. „Nun, dann werde ich Euch begleiten. Wo wird Euer Weg entlang führen, Herr Herzog?“ Das hatte Richelieu gerade noch gefehlt. Mit dem König im Schlepptau konnte er unmöglich zur Station und den Brief dort aufgeben. Doch er wusste auch, dass es unklug wäre, den König barsch abzuweisen. Er willigte ein. Zur Not würde eben aus seiner Verlobten Marie Valerie seine Schwester Marie Valerie werden. Dämlich genug das zu glauben, war der König ja. „Mal schauen.“ Auf dem weg zur Station redete und redete der König ununterbrochen. Er sinnierte über das Können der Garde des Kardinals und über das der Musketiere und gab Ideen von sich, bei denen Richelieu am liebsten laut aufgelacht hätte. Sie waren einfach zu dumm. Wie konnte man einen so unfähigen Mann nur auf den Thron Frankreichs setzen? Richelieu beobachtete den König im Stillen. Ihn interessierte es nicht wirklich, was er da von sich a. Er wusste nur, dass er ihn so schnell wie möglich loswerden wollte. Sie hatten nur noch wenige Meter bis zur Station, als dem König der Brief in des Herzogs Hand auffiel: „Mein lieber Richelieu, sagt, was für ein Schreiben verbergt Ihr vor mir?“ „Nur ein Schreiben an meine Schwester.“, erklang als Antwort. Richelieu war glücklich, dass der König seine aufkeimende Röte im Gesicht dank der Dunkelheit nicht bemerkte. „Soso, an Eure Schwester. Sie gibt sich nicht zufällig jeden Abend Euch hin?“ Richelieu wurde mit einem Schlag wieder blass. ‚Wie kann dieser Bastard es nur wagen?’ Er schäumte vor Wut fast über, als er einen kleinen Rippenstoß spürte und im faden Schein des Halbmondes das Grinsen auf dem königlichen Gesicht sah. Dieses Grinsen. Wo war Rochefort wenn man ihn brauchte? Richelieu bebte immer noch, als ihm Gevatter Zufall zu Hilfe eilte. In Form Rocheforts. Der ergebene Diener erkannte sofort den Gesichtsausdruck und deutete ihn so, dass aus der Sicht seines Herrn ein wunderbares Schauspiel beginnen konnte Kapitel 10: Feiertage --------------------- Kapitel X: Feiertage In Paris sprach es sich schnell herum, dass der König und der Bischof Richelieu überfallen wurden. Der Bischof kam dabei mit einem blauen Auge davon, der König indes kehrte mit einer ausgekugelten Schulter, einer angeknacksten Rippe und einem gebrochenen Zeh zurück nach Paris. Die weite Pariser Bevölkerung hatte jedoch mehr Mitleid mit dem Bischof als mit dem König. In den Gassen raunte man sich Sätze zu, wie „Was mischt sich der König auch darin ein. Der Bischof hat die Lage doch viel besser im Griff.“ oder „ Das Weichei kehrt zurück zu seiner Frau. Die Politik hat der Bischof gefressen und nicht er.“ Als Marie von dem Vorfall hörte, war sie zunächst in Sorge geraten, hatte es ihrem geliebten Richelieu auch in einem Brief nach Bordeaux geschrieben. Mittlerweile wusste ganz Paris, ganz Frankreich wo sich der Schlachtzug gegen die Hugenotten aufhielt, so wusste Marie immer, wohin sie schreiben konnte. Gerüchte waren eine tolle Erfindung. Richelieu hatte sie jedoch in seinem Antwortbrief aus Nantes beruhigt. „ Sorge dich nicht, Mariechen. Es war Gevatter Zufall in Form von Rochefort der um die Ecke kam. Er hatte ein Teil des Gespräches mitbekommen und wollte mich verteidigen. Ich muss dazu sagen, dass der König mich provoziert hat. Er hat dich beleidigt. Damit du nicht in Skandal gerätst, gab ich dich als meine Schwester aus. Jedoch kam ein Satz Seiner Majestät mit dem Wortlaut ‚Soso, Eure Schwester. Sie gibt sich nicht zufällig jeden Abend Euch hin?’ Du verstehst, dass Rochefort dabei im Sinne seines Herrn gehandelt hat?“ Marie verstand es. Sie hätte es nicht anders getan. In jenem Brief aus Nantes war auch ein kleines Geschenk in Form einer goldenen Kette mit einem Anhänger in Form eines Kreuzes, auf welches ein roter Rubin strahlte. Marie legte es nicht einmal im Schlaf mehr ab. Als sie es das erste Mal in den Händen hielt, glänzten ihre Augen vor Freude und ebenso die Augen von Michelle und Madame Curée. Sofort schrieb sie Richelieu zurück. Brav bedankte sie sich bei ihm und gab auch weitere Dinge zu, wobei sie wusste, dass er vielleicht etwas böse sein würde. „ Liebster Richelieu, Ich danke dir mit übermäßiger Freude für dein Geschenk. Nie im Leben hätte ich mit so etwas schönem gerechnet. Ich lege das Kreuz nie wieder ab. Tag und Nacht begleitet es mich. Es ist so wunderschön. Und der Gedanke, dass du es für mich in Nantes hast anfertigen lassen, macht mich noch stolzer und glücklicher. Ich ahnte immer, dass ich dir viel bedeute, dass du mich liebst, aber das es so übermäßig ist, überwältigt mich. Natürlich verstehe ich den Grund für den Überfall. Doch bin ich heilfroh, dass du im Gerangel der Nacht nicht noch mehr abbekommen hast, als ein blaues Auge. Ganz Paris ist glücklich darüber, dass es dir gut geht und der König eins auf –verzeih mir meinen Ausdruck- die Mütze bekommen hat. Es gibt die köstlichsten Witze und Artikel darüber. Im Moment schmollt Seine Majestät im Louvre und lässt sich nicht blicken. Auch der Kardinal schmollt. Er sieht es als persönliche Angriffe gegen sich und weniger gegen den König. Ein eingebildeter Pfau ist das! Er gab laut zu verstehen, dass es nicht nennenswert ist von dir, den König nicht zu verteidigen. Sein Hass richtet sich gegen dich. Die Pariser Gesellschaft steht jedoch auf deiner Seite. Sei dessen unbesorgt. Da möchte ich dir noch etwas gestehen. Neulich empfing ich Michelle an der Eingangspforte. In ihrer Begleitung war eine sehr ansehnliche Frau. Ihr Name ist Angelique Nicoletta de Bergerac. Auf die Frage wer ich sei, antwortete ich, dass ich deine Cousine sei. Ich hoffe, dass ist in Ordnung? Sie ist überaus liebenswürdig. Auf die Frage warum sie Michelle begleitete, antwortete sie, dass sie schon länger das Palais im Auge hatte. Angelique ist neu in Paris, sie stammt aus Marseille. Sie dachte, das Palais stände leer, da sie nie einen Hausherrn oder eine Hausherrin sah. Ich gab ihr zu verstehen, dass ich das Haus so lange verwalte, wie du auf Reise bist und dann zurückgehen werde nach Indre-et-Loire. Sie nickte mir zu und verabschiedete sich dann. Ich hoffe, dass ich in deinem Sinne gehandelt habe? Madame Curée ließ erkennen, dass Angelique vielleicht eine nette Gesellschafterin für mich wäre. Sie kommt aus einer besseren Gesellschaft und ich könne indirekt etwas von ihr abschauen. Jedoch frage ich zunächst dich. Also was sind deine Gedanken dazu? Als Zeichen meiner Liebe habe ich dir ein Geschenk beigelegt. Damit ich wenigstens so immer bei dir sein kann. Der Kutscher Alexandre hat es angefertigt. Was hat es mich für Mühe gekostet, vier Stunden lang still zu sitzen. Und das für so ein kleines Bild. Nicht zu glauben, nicht wahr? Aber um dir eine Freude zu machen, hielt ich durch. Ich habe durch Zufall das Talent Alexandres entdeckt. Er zeichnete gerade ein Bild seiner jüngsten Tochter Caroline. Sie ist erst zwei Jahre alt, aber ein wahrer Schatz. Ich habe sie richtig lieb gewonnen. Ich sprach Alexandre auf seine Künste an und fragte ihn, ob er nicht auch so etwas von mir erstellen könnte. Er freute sich darüber. Und René schickte ich aus, um das Medaillon zu kaufen. Er hat ein Händchen für Schmuck, findest du nicht? Nun gut, ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen. Ich habe eine kleine Erkältung, aber kein Fieber. Nichts Ernstes also. Madame Curée macht mir Kräutertee und heiße Hühnersuppe. Sorge dich also nicht um mich. Ich erwarte sehnsuchtskrank deine Antwort. In vollster Liebe schicke ich dir erneut abertausende Küsse. Marie Valerie“ ************************************************ Richelieu empfing den Brief vier Tage nach dem Marie ihn geschrieben hatte. Kurz bevor er mit den Musketieren und der Garde des Kardinals Brest verlassen wollte, hetzte ein Reiter herbei und drückte ihm den Brief in die Hand. Richelieu nahm ihn mit einem amüsierten Grinsen entgegen, da der Reiter froh zu sein schien, nicht noch weiter bei dem Hundewetter nach Amiens reiten zu müssen. Kurz vor dem Ritt las Richelieu noch schnell den Brief durch, begriff so schnell den Inhalt aber nicht. Er schob das wertvolle Schriftstück tief in seinen Mantel hinein. Ganz in die Nähe seines Herzens. Das Medaillon band er sich indes gleich um den Hals. Er würde es später öffnen, Marie hatte ihm sowieso schon verraten, was sich darin befand. Sie konnte solche Überraschungen nicht lange für sich behalten. ************************************************** Es war nun Mitte Dezember in Paris. Marie hatte seit drei Wochen nichts mehr von ihrem Geliebten gehört und so wurde sie langsam unruhig. Ihre Unruhe sprang auf das Personal über. So gut sie es auch zu verbergen versuchte, sie machte alle verrückt. Madame Curée versuchte sie mit dem Schneidern neuer Kleider abzulenken. Es gelang jedoch nur Zeitweise. Drei tage vor Weihnachten war Marie so im Gedanken, dass sie die Ärmel für das Kleid zum Weihnachtsfest völlig falsch annähte. Selbst beim Auftrennen vertat sie sich, sodass es alles nur noch schlimmer wurde. Marie stand kurz vor einem Wutausbruch, als sie ihren Fehler bemerkte. Kurz bevor sie das komplette Kleid in die Ecke werfen wollte, hielt Madame Curée sie auf. „Beruhigt Euch, Madame!“ „Nichts ‚Beruhigt Euch, Madame.’!“ Da war er, der gefürchtete Wutausbruch, den sie zuletzt hatte, als sie danach weinend in Richelieus Armen zusammensank. „Aber Madame...“, versuchte es die Köchin erneut, wurde jedoch wieder unterbrochen. „Nichts da. Ich habe keine Lust mehr dazu, mich mit irgendwelchen Stickereien, Schneidereien oder mit sonst irgendwas abzulenken. Ich will wissen, wo sich der Herzog rumtreibt. Ich habe seid drei Wochen keine Antwort von ihm erhalten. Und dabei habe ich einen Eilboten schicken lassen. Ich nehme nicht an, dass man ihn gelyncht hat. So etwas würde ich selbst hinter diesen Mauern zu Ohren bekommen. Obwohl ich mir hier fast wie in der Bastille vorkomme. Und Gott weiß, dass ich weiß, wie es dort zugeht. Zwei Tage und Nächte da drin, und im Moment macht das keinen Unterschied zu dem hier. Außer das meine Kleidung jeden Morgen sauber ist. Ich will meine Freiheit wieder. Ich will meinen Mann wieder an meiner Seite haben. Ich will mit ihm zusammen zur Christmette gehen und mit ihm ins neue Jahr feiern. Aber wo ist er? In drei Tagen ist Heiligabend. In seinem letzten Brief hat er mir noch nicht einmal gesagt, ob er es schafft, am Heiligen Abend bei mir zu sein. Ich war Jahrelang an weihnachten alleine, ich will das er endlich hier bei mir auftaucht.“ Das letzte Wort schrie Marie fast. Kurz danach brach sie in Tränen aus. Madame Curée hatte ihre liebe Not zu beruhigen. Aber Gevatter Zufall schien eine Hand über der Beziehungskombination Duplessis- de- Richelieu- Dujacque zu halten. Just in jenem Moment kam Michelle um die Ecke gerannt und blieb wieder schlitternd vor Marie stehen. Völlig außer sich vor Freude vergaß das Mädchen völlig die Anstandsregeln: „Marie, Marie, ich habe einen Brief für dich. Er ist von deinem Verlobten.“ Perplex schauten Marie und die Köchin Michelle an. „Hast du keine Manieren?“, rügte die Köchin sofort. Doch Marie war schon aufgesprungen und nahm den Brief. „Ich danke dir Michelle. Das mit den Anstandsregeln ist in Ordnung. Ich weiß ja, dass du dich mit mir freust. Und jemanden, der so ehrlich ist wie du, ist mir lieber, als jemand der die Regeln gewahrt, aber verlogen ist. Geh zum Salontischchen und nimm dir eine der Pralinés.“ Michelle knickste dankend und nahm sich ein Stück aus der Schachtel. Es schmeckte köstlich. Mit Madame Curée im Schlepptau verließ sie den Salon und ließ Marie alleine. „Liebstes Mariechen, Verzeih, dass mein Brief länger gedauert hat. Aber statt den geplanten vier Tagen nach Amiens haben wir neun gebraucht. Das Wetter war grauenhaft. Ich danke dir für dein liebes Geschenk. Ich trage es, seitdem ich es besitze. Zudem muss ich gestehen, dass du mein Personal nun besser kennst als ich. Und ich habe drei Jahre länger zeit gehabt. Ich werde sehen, ob ich Alexandres Talent fördern kann. Denn dich hat er doch sehr gut getroffen. Was diese Frau betrifft. Ich bin mit mir selbst noch nicht im Klaren. Bevor ich das zulasse, möchte ich sie gerne kennen lernen. Ich hoffe, du verstehst mich dabei. Denn wenn diese Angelique eine Plaudertasche ist, kann dich das in Schwierigkeiten bringen. Und mich ja auch, was du nicht möchtest. So möchte ich sie selbst prüfen. Bitte verzeih, wenn du nun noch länger auf Gesellschaft warten musst. Bitte mein Engel, ich muss nun enden. Hier in den Dörfern rund um Amiens gibt es anscheinend mehr Hugenotten als in ganz Frankreich zusammen. Fünf Dörfer mit mehr als eintausendfünfhundert Rebellen. Und sechs liegen noch vor uns. Du siehst, dass ich leider zu Weihnachten nicht bei dir sein kann. Sei mir nicht böse. Nach Amiens kommen nur noch Reims und Nantes. Vor Ostern bin ich wieder bei dir. In Liebe und mit Sehnsüchten nach dir sehnend, A.J. Duplessis de Richelieu“ Der Brief war tatsächlich sehr kurz. Aber Marie war froh, dass sie überhaupt ein Lebenszeichen in den Händen hielt. Glücklich ließ sie sich in den roten Sessel fallen. Im Moment war sie einfach nur glücklich. *********************************************** „Rochefort beeilt Euch.“, raunte Richelieu seinem Diener zu, „Und seid verdammt noch mal leise. Ich sagte Euch bereits tausend Mal, dass ich meine Verlobte überraschen will. Doch wenn Ihr weiter so trampelt, wird das nichts.“ Die zwei Männer stahlen sich gen Küche. Es war neun Uhr morgens am Weihnachtstag und in der Küche roch es gut. So gut das Rocheforts Magen seinen innigsten Wunsch laut äußerte. Erschrocken darüber fuhr die Köchin herum und sah in das grimmige Gesicht Rocheforts. „Aah!“ „Beruhigt Euch, Madame. Er hat nur Hunger und seid zwei Tagen nichts im Magen gehabt.“ Erneut fuhr Madame Curée in die andere Richtung, um in das belustigte Gesicht ihres Herrn Richelieu zu blicken, der gerade in einen Apfel biss. „Monsieur, Ihr seid wieder da. Das wird Eure Verlobte freuen, ich gehe sie sofort wecken.“ „Nein, dass mache ich selber. Gebt dem armen Kerl lieber was zu essen. Lasst Ihn essen, was er will, solange nichts von Eurem guten Weihnachtsmenu verputzt wird. Denn das ist es, was mich neben Marie noch am meisten freut.“ Er warf Rochefort den angebissenen Apfel zu, in welchen seinen Diener sofort gierig biss. Jedoch aufhörte, als er den angewiderten Blick Madame Curées sah. Diese stellte ihm erst einmal einen Teller mit Baguette, Käse und Wurst vor die Nase sowie eine Flasche Rotwein. Halbwegs gesittet begann Rochefort mit dem Essen. Richelieu eilte indes im schnellen Laufschritt hinauf zu dem Schlafgemach, indem Marie schlief. Leise öffnete er die Tür. Marie lag nichtsahnend und im Tiefschlaf versunken auf dem Bett. Die braunen Locken hingen ihr wild ins Gesicht und die Decke lag unterhalb ihres Beckens. Das dünne Nachthemd hatte sich hochgeschoben bis beinahe zu ihrem Hinterteil. Kein Wunder das sie eine Erkältung bekommen hatte, wenn sie jede Nacht so schlief. Richelieu hörte sie im Schlaf seufzen und sah ein Lächeln auf ihren Lippen. „Wehe, du träumst nicht von mir, wenn du so lächelst, Mariechen.“, flüsterte er lächelnd. Marie drehte sich weiter von der Seite auf den Bauch. Nun hatte Richelieu Platz, um sich an den Bettrand zusetzen. Sanft strich er der schlafenden Liebsten über die Wange. Wie sehr er sie doch vermisst hatte. Vorsichtig und ohne sie zu berühren beugte er sich zu Marie hinunter und hauchte ihr sacht liebevolle Worte ins Ohr. „Aufwachen mein Engel!“ Marie blinzelte kurz. „Ich will noch nicht, lass mich noch ein wenig schlafen.“ „Auch, wenn ich dich jetzt küssen würde?“ Marie war schlagartig wach. Völlig überrascht und verwirrt starrte sie ihren Richelieu an. Sie fand gar keine Worte, sondern starrte ihn mit offenem Mund an. Erst nach ein paar Augenblicken löste sie sich aus ihrer Erstarrung und umarmte Richelieu. „Oh, ich habe dich so vermisst. Ich kann es nicht glauben, wieso bist du hier? Bist du etwa verletzt? Geht es dir gut? Ist etwas gebrochen? Ich lass dir neue Sachen bringen und ein Bad einlassen. Hast du schon etwas gegessen? Bist du alleine zurück oder hattest du Schutz? Weiß der König, dass du hier bist? Oh mein Liebster!“ Richelieu konnte erst einmal gar nichts antworten, so stürmisch wurde er begrüßt. Erst als sie sich nach Minuten wieder gefangen hatte, erklärte er ihr alles in Ruhe: Das er nicht verletzt ist und das er im Schutz von Rochefort nach Paris geritten sei. Das er kurz in der Küche gewesen ist und später mit ihr essen wolle. Das der König wisse, dass er in Paris sei und dies zudem auch ausdrücklich wünschte. Zudem hätte der König eine Einladung an ihn nach Brest geschickt und darum gebeten, dass der Bischof und seine Schwester zum Souper am letzten Jahrestage in den Louvre kommen werden. Letzteres versetzte Marie in leichte Panik. „Ich soll dich zum Souper begleiten? In den Louvre zum König. Oh Gott, dass ist ja nicht zu fassen. Ich konnte und kann deine Schwester noch nicht einmal leiden. Dann werde ich diese intriganten Hofdamen auch nicht leiden. Und mich kann man doch nicht in der Gesellschaft zeigen. Ich komme doch von ganz unten.“ „Aber ich werde an deiner Seite sein, du brauchst dich also nicht zu fürchten.“ Marie konnte das noch nicht ganz glauben, nickte aber tapfer. ****************************************** Am Abend saßen Marie und Richelieu vorm offenen Feuer des Kamins. Beide waren eingewickelt in eine warme Wolldecke. Richelieu umarmte seinen geliebten Engel von hinten und ließ sich von ihr mit Weintrauben füttern. Die Nähe zu ihr genoss er in vollen Zügen. Wie wunderschön ihre Haare im Kaminschein schimmerten. Wie sanft ihre Haut aussah. Vorsichtig strich er ihre locker zusammengesteckten Haare zur Seite und begann sanft ihren Nacken zu liebkosen. Marie kicherte leise. „Was wird das?“ „Mein Weihnachtsgeschenk für meinen Engeln.“ „Und was kann ich dir zum Geschenk machen?“ „Das weißt du doch selbst am Besten.“ Marie legte ihren Kopf auf seine Schultern und gab sich seinen forschenden Händen hin, die immer tiefer an ihrem Körper hinunter glitten. Diese Nacht gehörte nur ihnen alleine. *********************************************** Nur noch anderthalb Stunden hatte Marie, bis sie Richelieu begleiten würde zum Souper des Königs. Sie war ein nervliches Wrack und ließ es alle nur zu deutlich spüren. Es war das erste Mal seit ihrer Beziehung, dass Richelieu ihr freiwillig aus dem Weg ging. Sie war immer noch sein süßer Engel, aber ihre Hyperaktivität in den letzten Stunden raubten ihm die Nerven. Er saß in der Küche, wo er sich dem Talent der Künste von Alexandre widmete. Alexandre war anfangs überrascht gewesen, dass sein hoher Herr zu ihm kam, ihn auf einen guten Wein in die Küche lud und seine Zeichnungen sehen wollte. Alexandre wagte kaum den Blick zu heben geschweige denn das Wort an seinen Herrn zu richten. „Alexandre, Ihr habt wirklich Talent. Mademoiselle hatte Recht. Im Übrigen danke ich Euch für das hübsche Bild, was Ihr für das Medaillon angefertigt habt. Seht, ich trage es immer bei mir.“ Alexandre schaute auf. Etwas Stolz lag in seinen Augen. „Nun mein Lieber. Würdet Ihr Euch zutrauen, ein Gemälde meiner Liebsten zu malen?“ Dem angehenden Künstler klappte der Mund auf. Hatte er richtig gehört? Er, der Kutscher Alexandre, Vater dreier Töchter und Mann einer lieben Frau, sollte ein Gemälde von der Verlobten seines Herrn malen? Völlig weggetreten, nickte er nur. „Das finde ich gut. Ihr seid mir sympathisch, Alexandre. Nun, habt Ihr...“ Richelieu kam nicht weiter, da Michelle, das Küchenmädchen, gerade um die Ecke kam und auf ihn zusteuerte. Richelieu hatte sie hinauf zu Marie geschickt, um den Kammerfrauen mit beim Kleid zuhelfen und um über Maries Gemütslage Bescheid zu wissen. „Ich höre, Michelle!“ „Also, die Gemütslage Madams ist immer noch etwas schwierig. Ich bin auch daher hier, weil ich Euch Bericht erstatten wollte und es außerdem nicht mehr ertrage in der Gegenwart Madams.“ Amüsiert beobachtete Richelieu, wie sich Marie auf einen Stuhl fallen ließ. Sie war sichtlich genervt von Marie. „Michelle, du weißt, dass sie noch Mademoiselle genannt wird?“ Er schaute Michelle an. Sie war noch zu jung, als dass er sie Siezen würde. Sie war noch keine siebzehn. Er wusste, warum Marie ihre Gesellschaft mochte. Sie war verträumt und hatte stets den Wunsch, neue Abenteuer zu erleben. Sie war wirklich noch ein richtiges Kind. Michelle nannte Marie immer ‚Madame’. Für sie stand fest, dass Marie, ihre Freundin Marie, irgendwann ihren Herrn heiraten würde. Die Verlobung war für sie nur reine Formsache. Marie war bereits Madame Duplessis de Richelieu. Und das erklärte sie ihrem Herrn nun auch. „Hoffen wir, dass sie mir nicht noch im letzten Moment einen Korb gibt.“ „Oh Monsieur, dass würde sie nie tun. Sie liebt Euch so sehr, ohne Sie könnte sie nicht atmen.“ „Was macht dich da so sicher?“, er schaute das Mädchen neugierig an. „Sie sagte es immer und immer wieder, als Ihr weg ward. Sie vertraut Euch. Ihr habt sie gerettet. Also wird sie Euch heiraten. Es sei denn Ihr gebt ihr einen Korb.“ Richelieu schaute sie überrascht an. „Aber wenn Ihr das tut, Monsieur, dann Gnade Euch Gott. Egal ob Ihr Bischof seid oder was auch immer.“ „Michelle, beruhig dich. Ich liebe Marie. Ich werde sie nie verlassen. Im Tode nicht.“ Michelle schaute ihn an: „Na wenn das so ist. Dann...“ Sie kam nicht weit, da Richelieu ihr keinen Blick mehr schenkte, sondern sich sein Blick in Richtung Tür verlagerte. Automatisch glitten nun alle Augenpaare hinüber zur Küchentür und die vorherige Hektik erlahmte und die Geräuschkulisse verebbte schlagartig. Marie stand unsicher im Türrahmen der Küche und schaute sich um. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie bemerkte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. In dem ganzen Gewimmel der Küche musste sie erste einmal nach ihrem Liebsten suchen. Richelieu registrierte ihre suchenden Blicke und schritt eilends auf sie zu. Da war er ja. Sie spürte seine Arme um ihre Schultern. „Du siehst wunderschön aus, mein Engel. Damit wirst du die alten Hofschabracken in den Schatten stellen. Inklusive der dummen Nuss von Königin.“, Richelieu lächelte sie an. „Glaubst du?“ Richelieu stellte sich ein wenig von ihr weg und betrachtete sie genauer. Das Kleid war wunderschön. Blau war einfach ihre Farbe. Und diese ganzen Blaufacetten ließen sie noch mehr zu einem himmlischen Wesen werden. Das Korsett war eng geschnürt, sodass ihre weiblichen Reize hervortraten. Jedoch nicht auf diese aufdringliche Art und Weise wie bei den Damen am Hofe. Die Haare waren zu einer wunderbaren Frisur gesteckt, nur einzelne Locken vielen heraus, umrahmten ihr süßes Gesicht. Ein Rotschimmer legte sich über jenes. Die Aufregung. „Schade, dass du nur meine Schwester bist.“ „Ja, dass finde ich gerade auch.“, sie lächelte zurück. „Nun gut, ich werde mich anziehen. So lange wie du brauche ich sicher nicht. Ich werde dich hier abholen.“ Marie nickte nur, spürte seine Lippen auf ihren. ****************************************************** Das Souper langweilte alle Beteiligten außer dem Gastgeber, dem König selbst. Die Königin unterhielt sich angeregt mit der Comptesse de Suniére und deren Mann. Der Compte de la Gardè amüsierte sich mit seiner Mätresse Madame DuFour. Marie hatte ein interessantes Gespräch mit der Comptesse Sophie Christin du Marseillié begonnen. Die beiden Frauen mochten sich gegenseitig. Und auch Richelieu war in eine Unterhaltung mit dem Compte Sebastian Manuel du Marseillié vertieft. Der König riss zwar einige Zoten, aber sie brachten nicht den gewünschten Erfolg. Jediglich der Kardinal rechts neben dem König lachte lauthals. Was ihn jedes Mal Blicke der Negativität einbrachte. Die rechte Hand war nicht sehr beliebt. Weder am Hofe noch beim Volk. „Monsieur langweilt das alles sehr.“ Marie schaute Sophie Christin an, die auf ihren Mann deutete. „Und mich auch. Aber da seid ja noch Ihr.“ „So hat das Souper noch etwas gutes, wir durften einander kennen lernen. Doch wenigstens hat Euer Mann einen Gesprächspartner gefunden.“ Die zwei Frauen kicherten, was sofort den Kardinal auf den Plan rief. „Verzeiht Madams. Aber sollten Sie nicht schweigen, wenn Ihre Majestät spricht?“ Marie schaute ihn an, auch Sophie Christin verstummte. „Eminenz, ich bitte Sie meine Schwester mit mehr Respekt zu behandeln. Und außer Ihnen scheint sich hier ja auch jeder prächtig zu amüsieren. Seine Majestät anscheinend auch.“ Der König hatte nicht einmal zugehört. Er war mit einer Kammerzofe der Königin ins Gespräch gekommen. Der Kardinal schaute sich peinlich berührt um. Wieder einmal war dieser unverschämte Richelieu dabei, ihn in eine peinliche Lage zu bringen. Wie konnte er nur Bischof werden. Und wie in Gottes war er ins Gespräch als möglicher Nachfolger des Kardinalspostens am Hofe gekommen? Kalt wandte sich der Kardinal ab. Marie, Sophie Christin und Sebastian Manuel beobachteten das ganze mit einem Schmunzeln. „Euer Bruder ist wahrlich der Inbegriff eines Beschützers seiner kleinen Schwester.“ Sophie Christin lächelt Marie an. „Eure Schwester ist sehr höflich und sie versteht sich wunderbar mit Madame. Warum erfahren wir so spät von ihr? Immerhin kenne ich Seine Eminenz nun schon seid zwei Jahren.“, der Compte de Marseillié schaute Richelieu an. „Nun ja, sie lebte einige Zeit in Italien. Sie besuchte dort eine strenge Klosterschule. Mein Vater hatte früh die Hoffnung aufgegeben, sie jemals an einen Mann verheiraten zu können. Sie ist zu wild für jemanden aus dem Adel. Doch seid Vater tot ist, lebt sie auf meinem alten Landsitz. Ich dachte, es wäre nett, wenn sie etwas Abwechslung hätte. Und langweilig ist der französische Hof nun wahrlich nicht.“ Sebastian Manuel nickte wohlwissend. Er und Richelieu kannten sich seid dem ersten Tag, den der Compte du Marseillié am Hofe war. Marseillié war ein gern gesehener Jagdpartner für den König. Richelieu schätzte ihn, weil er den König ebenso geistreich in Messer laufen ließ, wie er selbst. „Richelieu, Ihr seid einfach zu gut für die Welt. Werdet Ihr einen Mann für Mademoiselle suchen?“ Richelieu vertraute Sebastian Manuel, dieser tat es nicht anders. Richelieu wusste alles aus dem Leben des Compte. Und bis auf die wahren Umstände des Todes des alten Duplessis, wusste der Compte alles aus Richelieus Leben. „Ich denke nicht daran, einen Mann zu suchen.“ Richelieu lächelte Sebastian Manuel vielsagend an. Sebastian Manuel wusste von dem kleinen ‚Unglück’, welches dem König zugestoßen war. Ihm ging ein Licht auf. „Aha,“ , er beugte sich zu seinem Freund hinüber, „Das ist also Euer Engel? Habt Ihr vor, Eure Schwester selbst zu ehelichen?“ Richelieu zuckte vielsagend die Schultern. Der Compte wusste nicht um Maries Herkunft. Er sollte es auch nicht wissen. „Nun Eminenz, dann darf man ja schon gratulieren. Der König lag also gar nicht so falsch. Sie weiß von ihrem Glück?“ „Ja, dass weiß sie. Von allen Schwestern ist sie mir die Liebste. Das war sie schon immer. Aber kein Wort. Zu niemandem. Auch nicht zu Madame. Wir wissen, wie schwatzhaft Frauen sind.“ Sebastian Manuel lächelte und nickte. ************************************************** Es war kurz vor Mitternacht. Alles hatte sich auf dem Balkon versammelt und wartete nun auf das Feuerwerk, welches in den Tuilerien stattfinden sollte. Lediglich Richelieu und Marie waren nicht mit dabei. Als alle hinausgegangen waren, blieben sie zurück Richelieu führte Marie zur privaten Kapelle des Königs. Marie war von dem ganzen Prunk überwältigt. Sie bekam kaum mehr den Mund zu. Richelieu stand schon genau vorm Altar, als Marie noch immer zur bemalten Decke hinauf starrte. „Engel, komm her.“ Marie sah zu Richelieu. Neben ihm stand ein Priester. Sie trat zu den beiden Männern heran und erkannt, dass die Augen des Priesters leer waren. Sie hatten keinen Glanz mehr. Die Art und Weise wie sich der Priester gab, ließ sie sich sicher werden, dass er ganz offensichtlich blind war. Aber warum sollte der König einen blinden Priester beschäftigen? Damit er die königlichen Sünden nur hören, aber nicht sehen konnte? „Marie, dass ist Priester Claude.“ Der Mann suchte nach Maries Hand. Sie gab sie ihm. Ein wenig unheimlich war der Mann schon. Aber bis jetzt kam nichts an die Männer heran, die sie immer vergewaltigt hatten. „Sie sind bereit, Monsieur?“ Der Priester richtete sein Wort an Richelieu. Er wusste nicht, dass dieser eigentlich viel weiter über ihm stand. Richelieu wollte es ihm aber auch nicht sagen. Zu groß war das Risiko, dass ein Dritter etwas erfahren würde. Er nickte. „Ja, ich bin bereit.“ „Mademoiselle, “, der Priester wandte sich zu Marie, „Seid Ihr bereit?“ Marie wusste nicht, was der Mann damit meinte, aber sie hauchte ein unsicheres ‚Ja’. Priester Claude nickte lächelnd und bedeutete Richelieu ihm zu folgen. Richelieu nahm Maries Hand und führte sie weiter vor zum Altar. „Was passiert jetzt?“, Maries Stimme schwankte voller Unsicherheit. „Keine Angst, vertrau mir.“ Marie schaute ihn lächelnd an. Doch was gleich passieren würde, ahnte sie noch immer nicht. Erst als der Priester die ersten Worte sprach, wurde ihr alles klar: Richelieu hatte sie hierher gebracht, um sich und sie von diesem Mann trauen zu lassen. Und weil er blind war, konnte er sicher gehen, dass nie einer von der Hochzeit des Bischofs und dem ehemaligen Straßenmädchen erfahren würde. Ihr Herz begann zu rasen, die Röte schoss ihr ins Gesicht, was Richelieu natürlich nicht verborgen blieb. Er sah das Leuchten in ihren Augen. Und in jenem Moment wurde auch er nervös. Beide hörten kaum auf die Worte, die der alte, blinde Priester sprach. Erst als Richelieu den Namen Armand Jean Duplessis hörte, erwachte er aus seiner Trance. Seine Worte hallten in der kleinen Kapelle wieder. „Ich, Armand Jean Duplessis, gelobe feierlich, Marie Valerie Dujacque zu meiner Frau zu nehmen, an ihrer Seite zu stehen in guten und in schlechten Zeiten und alles mit ihr zu teilen. Ich werde mich an dieses Schwur vor dem Schöpfer halten, bis der Tod uns scheidet.“ Marie standen Tränen in den Augen. Ihr fiel es schwerer, ihre Worte klar klingen zu lassen. Die Freudentränen waren zu mächtig. Aber sie hielt sich tapfer. „Ich, Marie Valerie Dujacque, gelobe feierlich, Armand Jean Duplessis zu meinem Mann zu nehmen, an seiner Seiten zu stehen in guten und in schlechten Zeiten und alles mit ihm zu teilen. Ich werde mich an diesen Schwur vor dem Schöpfer halten, bis der Tod uns scheidet.“ Bei den ihren letzten Worten rollten die Freudentränen ihre Wange hinab. Zärtlich wischte Richelieu sie weg. Priester Claude tastete nach zwei Ringen, die er Richelieu übergab. Dieser schob den kleineren über Maries linken Ringfinger. Sie tat es bei ihm nur Sekunden später. Noch bevor das Priesterband über ihren beiden Händen gelegt war, küsste Richelieu seine Marie. Niemand störte diesen Augenblick. Nur die Worte des Priesters hallten in der Kapelle wieder. „So seid Ihr vor dem heiligen Vater ab nun Mann und Frau!“ Kapitel 11: Frohe Kunde ----------------------- Kapitel XI: Frohe Kunde Marie stand nachdenklich am Fenster. Morgen würde Richelieu wieder abreisen. Er musste zurück zu den Truppen, die in Reims schon auf ihn warteten. Doch Marie hatte das Gefühl, dass ihr der Abschied diesmal leichter fallen würde. Es waren nur noch zwei Städte, aus denen die Hugenotten vertrieben werden mussten. Und außerdem war sie nun seine Frau. „Seine Frau!“, leise sprach sie diese Worte immer und immer wieder, betrachtete dabei den goldenen Ring an ihrer Hand. Er war ganz einfach, fiel kaum merklich auf. Aber er war da. Das Zeichen ihrer Ehe war da. Selig lächelte sie vor sich hin und bemerkte dabei nicht, wie sich Richelieu von hinten heran schlich. „Bonjour Madame!“ „Oh, erschreck mich doch nicht so.“, Marie boxte ihn sanft auf den Oberarm. „Verzeih mir. An was denkst du?“ Richelieu schloss von hinten die Arme um seinen geliebten Engel. Nie hätte er sich erträumen lassen, einmal eine Frau an seiner Seite zu haben, mit der er alles teilen würde. Er würde zwar wieder getrennt von ihr sein, aber für eine nicht sehr lange Zeit. Außerdem hatte er eine Überraschung für sie. „Marie, ich habe über diese Madame Angelique Nicoletta de Bergerac nachgedacht. Comptesse Sophie Christin du Marseillié kennt die Dame auch. Sie soll wohl ganz nett sein. Ich lasse sie mit der Comptesse als deine Gesellschafterin hier.“ Marie fuhr herum, umarmte ihren Mann stürmisch. „Ist das auch wahr?“ „Würde ich meine Frau belügen?“ Marie küsste Richelieu zärtlich. „Was möchtest du heute noch tun?“ „Mit dir an meiner Seite den Tag genießen. Können wir nicht hinaus fahren aus der Stadt?“ Richelieu schaute Marie an. Sie hatte immer solche Ideen. Obwohl es draußen eisig kalt war, wollte sie hinaus auf das Land fahren. Sie hatte erst eine Erkältung gehabt, wollte sie es erneut riskieren? Doch er wollte es nicht riskieren, sie traurig zu sehen, wenn sie nicht wegfahren würden. Nun gut, sollte sie ihren Willen kriegen. Er konnte sich ihrem Charme nicht widersetzen. „Dann gebe ich Alexandre Bescheid. Er soll die Pferde anspannen lassen. Aber zieh dich bitte warm genug an. Du hattest mir etwas von einem Wintermantel erzählt. Zieh ihn an. Und schütze auch deine Ohren und deine Hände und den Hals. Ich möchte nicht die Nachricht erhalten, dass du mit einer Lungenentzündung im Bett liegst.“ Marie nickte brav und ging in das Ankleidezimmer, wo sie keine fünf Minuten später auf Madame Curée und Michelle traf. Die Köchin hatte es schwer, das Korsett von Marie zuzuschnüren. Denn Marie und Michelle machten wie immer Witze über diverse Hofdamen, die Marie kennen gelernt hatte und die Marie Michelle nur zu gut beschrieb. Und noch etwas erschwerte Madame Curée die Arbeit. „Madame, ohne Euch nahe treten zu wollen, aber ich denke, Ihr habt zu viel gegessen.“ Marie schaute sie an. „Ja, seit ich hier bin, habe ich einen gesunden Hunger entwickelt. Das liegt wohl daran, dass Ihr zu gut kocht. Ich habe vorher nie so gut gegessen. Schnürt das Korsett ein wenig lockerer.“ Madame Curée schaute Marie nicht an. Sie schnürte das Korsett weniger fest, half ihrer neuen Herrin in ihr Kleid und machte ihr die Haare. ************************************************** Der Schnee knirschte unter den Füßen von Richelieu und Marie. Er war erst frisch in der vergangen Nacht gefallen, hatte ihnen der Wirt des Gasthauses erzählt, in dem sie Rast gemacht hatten und in welchem sich Alexandre noch immer aufwärmte. Marie drückte sich an ihrem Geliebten. „Ist dir kalt?“, Richelieu hielt inne und schaute seinen geliebten Engel von Frau besorgt an. „Nein, ich möchte dich nur an meiner Seite wissen, deswegen drücke ich mich an dich. Und mir wird nur kalt, wenn wir jetzt nicht weitergehen.“ Marie grinste ihn an. Richelieu nickte und sie liefen weiter. Schon während des Essens in dem Gasthaus hatte Marie diese Idee, durch die frisch verschneiten Felder zu spazieren. Richelieu stimmte ihr kauend zu. Im Grunde nickte er nur, damit sie ebenfalls weiter aß und nicht beleidigt war, wenn er nein sagte. Zudem war das Essen wirklich gut. Was wahrscheinlich auch daran lag, dass Alexandre dem Wirt gesagt hatte, dass zwei höhere Herrschaften aus der Hauptstadt da seien. Und nun spazierte er mit seiner Frau durch eine weiße Winterlandschaft. Auf den Feldern stritten sich die Krähen um das Futter und sogar einen Fuchs sahen sie, als sie auf einer Brücke standen. Der kleine Fluss unter ihnen war zugefroren. Die Enten rutschten unbeholfen über das Eis und schnatterten wütend darüber, dass sie immer wieder hinfielen. Marie musste darüber nur lachen. Sie genoss diesen ländlichen Frieden. Die Stadt war schön, aber auch nur solange wie Richelieu bei ihr war. Wenn sie alleine war, überkam sie die Einsamkeit. Ihre Kindheit hatte sie in Paris verbracht, ihre Jugend wurde ihr dort durch die Männer ihres Viertel geraubt, ihre Eltern starben in den Armen der Stadt. Paris hatte nur eine schöne Seite in ihrer Vergangenheit: Sie hatte Richelieu dort kennen gelernt, lieben gelernt, sie hatte ihn dort geheiratet. Ansonsten bedeutet ihr Paris nichts, nichts, gar nichts. Während der Fahrt hierher hatte Richelieu schon darüber nachgedacht, ob er nicht ein kleines Landschloss kaufen sollte. Nur für Marie und ihn. Er wusste, dass Marie die Stadt nicht leiden konnte und wenn er nicht in der Stadt weilen würde, könnten sie in jenem Landschloss Ruhe finden. Marie könnte bei längeren Parisaufenthalten in das Schloss flüchten, wenn ihr alles zu viel werden würde. Sie könnten hier ihre Kinder großziehen. Kinder? Der Gedanke kam ihm auf der Brücke wieder in den Sinn. Irgendwann, dass musste sich Richelieu selbst eingestehen, würden sie sicher welche haben. Er würde alles besser machen, als es sein Vater getan hatte. Er würde seinen Kindern Freiheiten lassen. Sie sollten das machen, was sie wollten. Wenn sie Soldaten werden wollten, sollten sie Soldaten werden. Wenn sie Papst werden wollten, sollten sie Papst werden. Wenn sie König werden wollten, sollten sie König werden. Selbst wenn sie nach Amerika wollten, sollten sie nach Amerika gehen. Wenn sie nicht heiraten wollten, sollten sie es nicht tun. Und wenn sie jemanden aus dem dritten Stand heiraten wollten, sollten sie eben jemanden aus dem dritten Stand heiraten, solange sie diese Person liebten. Ihre Mutter wäre ja ebenfalls aus jenem Stand. „Stimmt etwas nicht mit dir?“ Marie schaute Richelieu an. Er war die letzten fünf Minuten völlig mit seinen Gedanken woanders gewesen. Nun wandte er sich ihr wieder zu. „Nein, es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.“ Er umarmte sie liebevoll und gab ihr einen Kuss auf ihre rote Nase. Sie legte ihren Kopf an seine Brust, hörte wie ruhig und gleichmäßig sein Herz schlug. Sie spürte seine ganze Wärme. „Wir sollten zurückgehen. Die Sonne steht schon tief. Bis Paris brauchen wir noch zwei Stunden.“ Marie nickte. Wie gerne würde sie mit ihm die Nacht in dem kleinen Gasthaus verbringen. Doch dann müsste er schon gegen vier Uhr aufstehen, um nach Paris zu reiten. Das wollte sie ihm nun nicht antun. Sie hakte sich bei ihm unter und sie gingen den Feldweg zurück zum Gasthaus. Alexandre spannte sofort die versorgten Pferde seines Herrn vor die Kutsche. Die Frau des Wirtes gab dem jungen Paar noch eine kleine Verpflegung mit. Und auch Alexandre bekam von der Magd ein Päckchen mit Broten. So wie Alexandre sie angrinste, wusste Richelieu sofort, dass sein Kutscher während der letzten Stunden nicht untätig und nicht gerade mit seinen Gedanken bei seiner Frau Babette und den Kindern gewesen war. Das verstand Alexandre also unter ‚aufwärmen’. Richelieu schmunzelte nur still. Während der Rückfahrt schlief Marie an Richelieus Seite. Kaum lag das Gasthaus hinter ihnen, lehnte sie sich schon an seine Seite und war kurze Seite später eingeschlafen. „Es war wohl doch anstrengender für dich, als du dachtest.“, flüsterte er nur leise und zog sie näher an sich, um sie zu wärmen. Die Landschaft zog an ihnen vorbei, die Sonne sank immer tiefer. Ebenso sein Blick. Durch das Rucken der Kutsche war Maries Schal vom Hals gerutscht und gab nun wieder eindeutige Blicke in ihr Dekoltée frei. Richelieu konnte diesem Anblick nicht widerstehen. ‚War ihr Dekoltée schon immer so?’, ihm fiel auf, dass ihre Brüste eindeutig größer waren, als noch vor drei Monaten. Es fiel jedoch nur auf, wenn sie ein Korsett trug. Ein komisches Gefühl beschlich ihn. Sollte es etwa möglich sein? Er lächelte. Schön wäre es ja. ************************************************** Es war kurz vor fünf Uhr am Nachmittag, als sie im Palais ankamen. Als sie Paris erreichten, hatte Richelieu Marie schon geweckt. Sie sah blass aus in jenem Moment. „Geht es dir nicht gut?“ „Mir ist etwas schwindelig.“ Besorgt bat Richelieu Alexandre daraufhin schneller zu fahren, was dieser auch tat. Als sie nun die Treppen hochgingen, stütze Richelieu seinen Engel und brachte sie auf dem schnellsten Weg in ihr Schlafgemach. Doch auf die Frage, ob es ihr besser ginge, schüttelte sie den Kopf. Richelieu deckte sie zu und eilte zu René. „Lassen sie den Arzt rufen. Madame geht es nicht gut.“ René nickte nur und verschwand. Der Arzt kam eine gute halbe Stunde später in Begleitung von René in das Gemach der Madame, wo Richelieu ungeduldig am Fußende des Bettes auf und ab ging. Der Arzt Julien Nuré wusste von Richelieus Frau. Er hatte ihn rufen lassen, als Marie am Anfang ihrer Beziehung nicht aufwachte, vor einem Vierteljahr. „Monsieur Nuré. Ich danke Ihnen, dass sie gekommen sind. Madame hat seit einer guten Stunde Schwindelanfälle. Doch sie ist nicht erkältet. Bitte helft ihr.“ Richelieu flehte schon fast. Nuré beruhigte ihn und bat ihn aus dem Gemach. Er würde ihn rufen, wenn er mit seiner Untersuchung fertig wäre. „Eminenz, hat Eure Frau eine Vertraute hier? Ich würde jene Person gerne sprechen.“ „Natürlich, ich lasse sie rufen.“ Nur wenige Augenblicke später erschienen Madame Curée und Michelle im Schlafgemach und Richelieu trat in sein angrenzendes Arbeitszimmer hinaus. Rochefort stand dort ebenfalls. Er wollte seinen Herrn jetzt unterstützen. Und sei es bloß durch seine Anwesenheit. Außerdem würde er der Wut Richelieus ausgesetzt sein, wenn etwas Schlimmes mit Marie sein sollte. Und diese Wut würde nur er tragen können und kein anderer. Mit beschwichtigenden Worten versuchte er Richelieu etwas zu beruhigen. Doch es gelang ihm nicht sehr gut. Richelieu ging immer noch unruhig auf und ab wie ein wildes Tier im Käfig. „Ich hätte nicht mit ihr hinaus aufs Land fahren sollen. In der Stadt ist es doch noch halbwegs geschützter und die Kälte strömt nicht so durch alle Ritzen und Poren. Wenn sie sich nur keine schlimme Lungenentzündung eingefangen hat.“ „Mein Herr, es wird nicht so schlimm sein. Sie wird wieder gesund werden. Vielleicht ist es nur ein kleiner Anfall von Schwäche. Vielleicht hat Madame zu wenig an Essen zu sich genommen.“ „Eure Worte trösten ein wenig, aber ich muss sie dämpfen, Rochefort. Madame hatte heute Mittag in dem Gasthaus, wo wir speisten, einen regelrechten Heißhunger. Sie aß ein ganzes Hühnchen alleine, während ich nur ein wenig mehr als die Hälfte schaffte. Auch die Beilagen verschlang sie. Ganz zu schweigen von dem Nachtisch.“, Richelieu ließ sich in seine Arbeitsstuhl fallen. „Eminenz, Monsieur Nuré soll der beste Arzt der Stadt sein. Er wird es schon herausfinden.“ Rochefort setzte sich auf einen der Stühle gegenüber von Richelieus Arbeitstisch. Richelieu war froh über Rocheforts Anwesenheit. Es beruhigte ihn, ihn in seiner Nähe zu haben. Ungeduldig schaute er auf die Kaminuhr. Schon fast zwanzig Minuten war der Arzt nun bei Marie. Und mit ihm die Köchin und das Küchenmädchen. Warum sollten sie ebenfalls anwesend sein und warum durfte er nicht? Diese Nervosität machte ihn schier wahnsinnig. Wussten die zwei Frauen etwa von Dingen, die Marie während seiner Abwesenheit getan hatte? Er vertraute Marie, aber es gab anscheinend etwas, was sie ihm nicht gesagt hatte. Während er vor sich hin grübelte, ging die Tür auf und die Köchin und Michelle traten heraus. Rochefort sprang auf und auch Richelieu tat eben jenes und schaute die Damen erwartungsvoll an. Doch beide schüttelten nur den Kopf. „Es tut uns Leid, Eminenz, aber Monsieur Nuré sagte uns auch nichts.“ Richelieu senkte den Blick. Was konnte sein Engel nur haben? Es blieb ihm jedoch nicht noch mehr Zeit weiter darüber nachzudenken, denn nun trat auch der Arzt aus dem Gemach in das Arbeitszimmer. „Monsieur, was hat Madame? Geht es ihr gut? Wie schlimm steht es um sie, wird sie überleben?“, Richelieu sprach hastig. „Eure Eminenz, bitte beruhigt Euch. Madame geht es gut. Sie hat nur die üblichen Symptome einer...“, der Arzt wurde unterbrochen. „Einer was? Nun lasst Euch doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.“, Richelieu wurde etwas ärgerlich. „Wenn Eure Eminenz mich nicht unterbrechen würde, könnte ich es Eurer Eminenz sagen.“ Richelieu nickte und wurde still. Monsieur Nuré putze in Ruhe seine Brille und fuhr fort: „Madame zeigen nur die üblichen Symptome einer baldigen Niederkunft. Ich rechne in gut sechs Monaten damit.“ „Das heißt...“; Richelieu stürmte auf den Arzt zu, der noch immer in seliger Ruhe seine Brille putzte. Doch als ihn der Bischof bestürmte, schaute er auf, setzte seine Brille auf und streckte ihm seine Hand entgegen. Richelieu nahm sie und schüttelte sie. „Eure Eminenz, ich darf Ihnen gratulieren. Eure Eminenz werden bald stolzer Vater sein.“ Richelieu starrte den Arzt mit weit aufgerissenen Augen an. Er würde bald Vater sein? Er konnte es nicht ganz nachvollziehen. „Aber Monsieur, wie, wie ist das möglich?“ „So, wie es bei jedem Ehepaar möglich ist.“, Nuré setzte sich auf das Sofa, welches an der Wand stand. „Natürlich wird keiner von mir erfahren, dass Ihr als Bischof eine Frau geehelicht habt. Ihr habt mein Wort, Eminenz. Und so denke ich auch, dass Ihr Euch nicht unbedingt an Euer Zölibat gehalten habt. Geschweige denn daran, dass die Ehe erst nach der Trauung zu vollziehen sei. Wie dem auch sei. Madame ist ganz offensichtlich schon seit Mitte September in anderen Umständen.“ Richelieu hörte nur mit dem halben Ohr zu. „Rochefort, bringt Monsieur Nuré zur Tür und gebt ihm eine angemessene Bezahlung.“ Mit diesen Worten verschwand Richelieu im angrenzenden Schlafgemach seiner Frau. Marie schlief, als Richelieu an ihr Bett trat und sich setzte. Sanft und überaus zärtlich strich er über ihr Gesicht. „Marie, du machst mich zum glücklichsten Mann von ganz Frankreich. Was sag ich da? Ich bin dank dir der glücklichste Mann der Welt.“ Marie öffnete langsam die Augen. Und was sie sah, ließ ihr das Herz bis zum Hals schlagen. Da saß er: Der zukünftige Vater ihres Kindes. Nie hätte sie gedacht, dass sie so schnell ein Kind von ihm erwarten würde. Nun war ihr Glück nahezu perfekt. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Kind erwartest?“ „Wie hätte ich es dir sagen können, wenn ich selbst nichts davon ahnte?“, Marie versuchte sich auf zu setzen, Richelieu half ihr. „Ich habe es eben erst selbst von Monsieur Nuré erfahren. Nicht im Ansatz hätte ich es ahnen können.“ Marie griff nach Richelieus Hand und dieser erwiderte ihren Händedruck. „Warum waren Madame Curée und Michelle mit bei der Untersuchung dabei?“, Richelieu zog sich nebenbei seine Stiefel aus und setzte sich nun komplett neben Marie auf das Bett. „Der Arzt wollte wissen, ob Madame Curée wissen würde, wann ich zu letzte meine Blutungen gehabt habe. Doch sie konnte es ja nicht wissen.“ „Wann hättest du sie denn haben sollen?“, Richelieu legte seinen Kopf auf ihre Brust und ließ sich von Marie sein Haar kraulen. „Die letzten vier September Tage. Im August waren sie zuletzt gewesen. Im September hätte ich sie schon nicht mehr haben können, da...“ „Da du zu dem Zeitpunkt schon von mir schwanger warst.“ Marie nickte. Sie trug ein Kind von dem liebsten Mann der ganzen weiten Welt unter ihrem Herzen. Sie würde bald Mutter sein. Sie war schon völlig in süße Gedanken rund um ihr Kind verstrickt. Wie es wohl aussehen würde? Ob es Richelieus Haare oder ihre haben würde? Und die Augen? Ob er sich auch über ein Mädchen freuen würde? Marie schaute ihren Liebsten skeptisch an, was diesem nicht verborgen blieb. „Was hast du?“ „Ich fragte mich gerade, wie unser Kind wohl aussehen würde. Und...“ „Und was?“, liebevoll hob er Maries Kinn an und schaute ihr tief in die Augen. „Welche Zweifel nagen an dir?“ „Wärst du enttäuscht, wenn ich ein Mädchen zur Welt bringe?“ „Wie kannst du nur so etwas sagen? Egal ob Junge oder Mädchen, dass ist mir herzlich egal. Mich interessiert nur, dass du und das Kind nach der Geburt gesund seid.“ Marie fiel ein Stein vom Herzen. „Und wie sieht es mit den Namen aus? Du hast nur noch gut sechs Monate Zeit, um einen schönen Namen zu finden.“ Richelieu schaute Marie an. Dann rutschte er mit seinem ganzen Körper ein wenig tiefer und legte seinen Kopf auf das sich nun langsam abzeichnende Babybäuchlein. „Wenn es ein Junge wird, dann wäre ich für Sebastien Jean Louis.“, erwähnte Richelieu und streichelte über den Bauch Maries. „Und wie willst du das Mädchen nennen? Also, den Namen für den Jungen finde ich schön.“ „Ein Mädchen? Hmm, ich denke da an den Namen Julie Charlotte Madeleine. Oder magst du den nicht?“ „Ich denke, der würde passen. Aber wir haben ja noch sechs Monate Zeit um herauszufinden, was es wird.“ Richelieu stimmt dem ganzen zu. Mit sich und der Welt im Einklang streichelte er weiterhin zärtlich über Maries Bauch, und Marie ihm weiter durch die Haare. In Richelieu wuchs nun der Gedanke an ein Landschloss. Marie konnte unmöglich das Kind hier in Paris zur Welt bringen. Nicht in dieser stickigen Stadt. Im Flüsterton teilte er Marie seine Idee mit. Und erntete dafür eine begeisterte Zustimmung. „Du könntest dich dort erholen nach der Geburt. Und es wäre ungefährlicher auch für mich. Was würden die Leute denken, wenn ich mit einem Kind auf dem Arm erscheinen würde.“ „Es könnte dir zum Verhängnis werden.“ „Eben. Ich werde zwar morgen aufbrechen müssen, aber ich werde René und Alexandre davon erzählen. Solange dir nicht schwindelig ist, kannst du dir in deren Anwesenheit leerstehende Schlösser auf dem Land anschauen.“ „Ich werde Michelle mitnehmen. Sonst wird es mir langweilig.“ Richelieu stütze sich ein wenig auf und schaute Marie an. „Warum nicht mit der Comptesse du Marseillié und Madame de Bergerac?“ „Nun ja, beide Damen denken doch, ich sei bloß deine Schwester beziehungsweise deine Cousine. Da fällt mir ein, das muss ich noch irgendwie erklären.“ „Lass nur mein Engel. Das mach ich schon. Beziehungsweise der Compte du Marseillié.“ Die Stunden vergingen und das junge Paar malte sich alle Lebenssituationen mit ihrem Kind aus. Erst kurz nach Mitternacht übermannte sie der Schlaf. Kapitel 12: Neue Freundinnen ---------------------------- Kapitel XII: Neue Freundinnen Der Abschied fiel Marie und Richelieu diesmal etwas leichter. Sogar zu Scherzen waren sie aufgelegt. „Betrachte mich noch einmal gut. Wenn du wieder kommst, werde ich nicht mehr so schlank sein, sondern schon eine kleine Kugel vor mir hertragen.“ „Oh, dann müssen wir aber sparen. Deine Kleider werden in den nächsten sechs Monaten noch Unsummen verschlingen.“, lachte Richelieu zurück. Marie drückte sich an ihren Mann. „Ich lasse dir zu deinem persönlichen Schutz Rochefort hier. Mit ihm kannst du ungehindert das Palais verlassen. Jedermann wird dich für seine Frau halten.“, Richelieu blickte zu Rochefort, der in einigen Metern Entfernung stand, dann schaute er wieder zurück zu Marie und flüsterte, „Obwohl ich bezweifle, dass er jemals eine so hübsche Dame wie dich finden würde.“ Marie lachte laut auf. Auch sie bezweifelte es, aber sie war froh, dass dieser loyale Mann an ihrer Seite sie schützen sollte. Es beruhigte sie ungemein. Denn von Richelieu wusste sie, dass Rochefort wohl sehr geübt war im Umgang mit dem Degen und der Muskete. Und die Comptesse du Marseillié und Madame de Bergerac würden ihr kaum Schutz bieten können. Richelieu rief Rochefort zu sich. „Ihr habt mich rufen lassen, Eminenz.“, wieder verkrampfte Rochefort in seinem Diener. „Ich vertraue Euch nun vollkommen Madame an. Wenn Madame etwas passieren sollte, werdet Ihr das ausbaden müssen. Ihr habt mich verstandne, Rochefort?“ Rochefort nickte. Er wusste was ihm in diesem Falle passieren würde Er würde nicht mehr lebend aus der Situation herauskommen. Richelieu wandte sich wieder Marie zu. „Ich werde jetzt fahren. Ich treffe den König am Palast. Mit dem Compte du Marseillié werde ich dort noch schnell zusammentreffen. Er wird der Comptesse sagen, dass du meine Schwester bist, sie wird es wahrscheinlich sofort an Madame de Bergerac weiterleiten. Sage letzteren dann einfach, es war dir unangenehm in jenem Augenblick damals. Weswegen du dich als Cousine ausgegeben hast.“ „Was soll ich ihnen wegen dem Kind sagen?“ „Dass es Rocheforts Kind sei. Er wird eh die meiste Zeit in der Küche oder sonst wo verbringen, wenn beide Damen im Haus sind. Auf Feste kannst du gehen, aber dann muss er mit.“ „Glaub mir mein Schatz, ich sehne mich nach diesem ‚lustigen’ Souper zum Jahreswechsel nicht nach solchen Festen. Lieber durch streife ich deine Bibliothek. Und hier werde ich auch keine Feste geben.“ Richelieu drückte seinen Engel noch einmal an sich und küsste sie leidenschaftlicher den je. Bald würde er sie wiedersehen. Sie und den zweiten kleinen Engel, den er schon jetzt so liebte. „Gut, dann weiß ich, dass du sicher bist.“ Schwungvoll stieg Richelieu in seine Kutsch. Marie trat einen Schritt weg und die Kutsche mit den vier Pferden vorne weg, preschte davon. „Hoffentlich passt er auf sich auch gut auf. Jetzt, wo Ihr nicht mehr an seiner Seite seid, Rochefort.“ Marie drehte sich zu dem Einäugigen um. „Madame, er setzt seine Sicherheit für die Eurige aufs Spiel. Das ist sehr edelmütig von ihm.“ “Ja, und genau das beunruhigt mich.“ „Er wird nichts riskieren, was Euch zur Witwe und Euer Kind zum Waisen machen würde.“ Marie nickte tapfer, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr ein paar Tränen in die Augen stiegen. „Madame, lasst uns wieder hinein gehen. Es ist doch immerhin noch Januar, tiefster Winter also, und ich möchte nicht, dass Ihr Euch in Eurem Zustand eine Erkältung holt.“ Marie nickte erneut: „Ja, Ihr habt wohl recht. Außerdem erwarte ich Comptesse du Marseillié in einer Stunde. Und Hunger habe ich auch.“ Marie hakte sich bei Rochefort unter und sie gingen zusammen zurück ins Palais, wobei sie für die Passanten auf der Straße schon aussahen, wie ein Ehepaar. ***************************************** Die Tür zu Maries Salon flog auf und die Comptesse du Marseillié und Madame de Bergerac standen im Türrahmen. „Meine liebe Mademoiselle, warum habt Ihr mir denn nicht gesagt, dass Ihr mit Monsieur Rochefort verlobt seid?“ „Bonjour Comptesse. Bonjour Madame.“ Marie erhob sich, schlug das Buch zu und legte es auf den kleinen Mahagonitisch. Dann schritt sie würdevoll auf die beiden Damen zu, begrüßte jede von ihnen mit einem Kuss links und rechts auf die Wangen. „Nun, der Grund ist folgender: Es war eine überstürzte Heirat. Schon als ich Monsieur Rochefort das erste Mal sah, wusste ich, er ist der Mann meines Lebens. Und nur dank meines Bruders konnten wir so schnell und heimlich heiraten. So blieben uns auch lästige Standesfrage erspart. Welche mir ohnehin zuwider sind. Und mir tut es furchtbar Leid, Madame, “, Marie wandte sich Madame de Bergerac zu, „dass ich Euch nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt habe. Könnt Ihr mir verzeihen?“ „Aber natürlich meine Liebe!“ Als Zeichen der Anerkennung küsste Madame de Bergerac Marie die Hände. „Ich danke Euch.“ Die Damen begaben sich zur einer kleinen Sitzgruppe von Polstermöbeln und setzten sich, und schon keine zwei Minuten später kam Michelle und brachte Gebäck und Tee. „Madame, warum denn Pfefferminze? Mögt Ihr keinen Schwarzen Tee mehr?“, die Comptesse schaute Marie erstaunt an. „Nun, ich möchte mich nicht unbedingt einem Risiko aussetzen.“ „Einem Risiko? Ja was denn in Gottes Namen könnte denn schädliches an einem Schwarzen Tee sein?“ „Nun, laut meinem Arzt für mich im Moment sehr viel.“, Marie errötete bei diesen Worten, doch die Comptesse verstand nicht, ganz im Gegensatz zu Madame de Bergerac, welche nun wissend lächelte. Völlig verwirrt darüber, dass die beiden Frauen etwas wussten und sie nichts, schaute die Comptesse abwechselnd zu Marie und Madame de Bergerac. „Oh Mesdames!“, rief sie laut auf, „Was tun sie so geheimnisvoll.“ „Beruhigen Sie sich, Comptesse. Das einzigste warum Madame keinen Schwarzen Tee trinken will, ist die Tatsache, dass Sie guter Hoffnung ist.“ Erstaunt schaute die Comptesse Madame de Bergerac an und dann in das errötete und lächelnde Gesicht Maries. „Oh wie schön! Meinen herzlichsten Glückwünsche.“, die Comptesse umarmte Marie herzlich. „Wann wird es denn soweit seid, wann erwartet man Eure Niederkunft?“ Marie schaute die Comptesse an. „Anfang Juli. Und bis dahin ist noch soviel zu erledigen.“ „Ja, vor allem braucht Ihr bald andere Kleider.“, Madame de Bergerac lächelte. Marie stand auf, ging zum Spiegel und strich ihr Kleid so gut wie irgend möglich glatt. Dann drehte sie sich zu den beiden anderen Damen herum. „Mesdames, ich würde ich freuen, wenn wir das höfische Getue nun ablegen könnten.“ Die beiden Damen schauten sie verwirrt an und Marie fuhr fort. „Mein Name ist Marie Valerie!“ Die Comptesse lächelte: „Nun denn, ich heiße Sophie Christin.“ „Angelique Nicoletta.“ Marie war erleichtert, dass sie diese Höflichkeitsfloskeln ablegen konnte. „Nun, hättet ihr etwas dagegen mich in der nächsten Zeit zu ein paar leerstehenden Landschlössern zu begleiten. Monsieur und ich suchen einen ruhigen Platz für unser Kind, und einen Platz zudem außerhalb dieser stickigen Stadt.“ „Aber natürlich. Warum auch nicht. Eine kleine Landpartie durch die verschneite Umgebung wäre sicher ein angenehmer Zeitvertreib. Außerdem dient er ja einem nützlichen Zweck. Wird dein Mann mitkommen?“, Sophie sah Marie an. „Nun, ich denke er wird eher hier bleiben. Obwohl ich mit ihm verheiratet bin, bekommt er trotzdem noch eine Menge Aufgaben von meinem Bruder.“ Die beiden Damen lachten. „Na, da hat er sich ja ein schönes Frauchen ausgesucht.“, witzelte Angelique. ‚Wenn du wüsstest, meine Liebe, wenn du wüsstest.’, dachte sich Marie. **************************************** In den nächsten Tagen unterrichtete Marie Rochefort von ihren Plänen. „Werdet Ihr mitkommen?“ „Ich denke schon Madame, denn wenn Euch, und Gott bewahre Euch davor, etwas zu stoßen solltet, so wäre es nicht gut für Euch, für mich und nicht für Euren Mann.“ Marie nickte. Sie wusste, dass Richelieu diesem Mann vertraute und dass er ihn verantwortlich machen würde, für alles was ihr zu stoßen würde. Außerdem ging es dabei auch um die Sicherheit ihres Kindes. Und das wollte sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen. „Gut, dann werdet Ihr eben meinen treuen Ehegatten spielen.“ „Natürlich Madame, wie Ihr wünscht.“ Rochefort machte wieder einen seiner ungelenken Diener, was Marie ein Lächeln hervorzauberte. Als sich Rochefort wieder entkrampft hatte, hielt er Marie einen Brief unter die Nase. „Madame, der ist so eben, bevor Ihr mich habt rufen lassen, hier eingetroffen. Er ist von Seiner Eminenz aus Reims.“ „Ich danke Euch Rochefort. Doch bitte lasst mich jetzt allein. Und lasst diesen albernen Diener. Ihr verkrampft mit jedem Male mehr in dieser Haltung, dass ich schon Angst haben muss, Ihr kommt eines Tages aus dieser Haltung nicht mehr heraus.“ Rochefort bedankte sich dafür mit einem kurzen Nicken. Er war froh, dass der Diener ihm von nun an in Maries Gegenwart erspart blieb. Endlich hatte jemand sein Rückenproblem erkannt. Glücklich mit dieser Erkenntnis verließ er den Raum und ließ Marie allein. Diese riss eilends den Umschlag auf und begann in freudiger Erwartung zu lesen. „Mein geliebter Engel, Reims ist fürchterlich! Diese verdammten Hugenotten, bitte verzeih mir meine Ausdrucksweise, scheinen jeden noch so kleinen Winkel dieser Stadt besiedelt zu haben. Unsere Soldaten können gar nicht so viele verhaften, wie sie wollten. Der Widerstand hier ist sehr gut organisiert. Und die wenigen Gläubigen trauen sich nicht, uns zu helfen, aus Angst einer ihre Nachbarn könne ein Hugenotte sein und sie am nächst besten Baum aufknöpfen. Selbst die Frauen und Kinder der Hugenotten wehren sich mit Leibeskräften und proben den Widerstand gegen uns. Wie gerne würden wir den Gläubigen gerne helfen, doch wie soll ich es denn tun, wenn ich zu meiner eigenen Sicherheit nicht mehr als zehn Schritte vom Zelt wegkomme. Ach, wie schön wäre es, wenn ich nur in einem warmen Gasthaus schlafen könnte. Aber es wäre zu gefährlich! Ich müsste damit rechnen, dass der Wirt hinterlistig und in Wirklichkeit kein Gläubiger sondern ein Hugenotte ist. Und dann wäre es vielleicht aus mit meinem Leben. Und das möchte ich dir nicht antun, mein geliebter Engel. Nicht dir und auch nicht unserem Kind. Lieber sitze ich in einem windigen Zelt in zwei bis drei Wolldecken gehüllt und hole mir eine Erkältung. Denn die ist am Ende weit weniger gefährlich als diese gottverdammten Hugenotten! Doch nun schweife ich ab von diesem Thema. Sonst machst du die noch gar allzu viele Sorgen um mich. Und das täte dir in deinem Zustand nicht gerade gut. Hast du schon nach ein paar geeigneten Landschlössern Ausschau gehalten? Immerhin müssen wir, nein musst du liebes Mariechen, dich beeilen. Es sind nur noch sechs Monate. Bis zur Geburt muss alles eingerichtet sein und du musst bei Zeiten weg aus der Stadt. Noch bevor die Luft stickiger wird als sie ohnehin schon immer ist. Im groben und Ganzen müssten wir also Mitte bis Ende Mai aus der Stadt raus sein. Schon allein deiner Gesundheit zu liebe. Ich freue mich also, alsbald deine Vorschläge zu hören. Wie ist es in der Gesellschaft von Madame de Bergerac und der Comptesse du Marseillié? Ich hoffe doch, dass ihr euch zusammen gut amüsiert. Nun ja, bei der Comptesse bin ich mir eigentlich relativ sicher. Sie weiß ja immer ein paar Klatschgeschichten vom Hof zu erzählen. Vielleicht können sie dir auch bei der Einrichtung unseres Landschlosses, sofern wir es denn dann einmal besitzen, helfen. Der Compte hat mir erzählt, dass seine Frau einen ausgezeichneten Geschmack haben soll. Doch bitte ich dich, es auch nach deinen Wünschen und nach deinem Geschmack einzurichten. Meinen kennst du ja nun zu genüge, immerhin lebst du ja nun schon eine lange Zeit mit mir zusammen. Nun denn mein geliebter Engel. Schone dich und höre auf Monsieur Nuré. Befolge alles, was er dir sagt. Dann brauch auch ich mir weniger Sorgen um dich und unser Kind zu machen. Ich hoffe, dass ich bessere Nachrichten aus Nancy bringen kann. Der nächsten und Gott sei Dank auch letzten Stadt auf der Reise. Ich schicke dir mein ganzes Herz! A.J. Duplessis du Richelieu“ **************************************** Marie fand erst ein paar Tage später Zeit zum Antworten. Doch sie wusste, dass ihr Richelieu nicht böse sein würde, da sie ja auch eine gute Erklärung dafür hatte. Außerdem sollte der Brief als Ausgleich und Entschuldigung extra lang werden. „Mein geliebter Schatz, Ich danke dir herzlichst für deinen lieben Brief. Doch muss ich mich zunächst entschuldigen, dass ich nicht sofort geantwortet habe. Doch an jenem Tage, als dein Brief mich erreichte, kam, kaum hatte ich deinen Brief zu Ende gelesen, die Schneiderin der Comptesse und nahm neue Maße von mir und zeigte mir neue Stoffe. Denn ich werde nun doch langsam dicker und brauche neue Kleider. Selbst ein neues Korsett brauche ich schon. Außerdem war ich auf der Suche nach einem geeigneten Landsitz. Doch dazu später mehr. Ich hoffe, du verstehst meine Entschuldigung. Ich weiß nicht, ob du schon Nancy erreicht hast, wenn mein Brief eintrifft, aber ich hoffe es. Ich bete zu Gott, dass ihr in Nancy leichteres Spiel habt als mit den Hugenotten in Reims. Denn ich wünsche dich so sehr an meine Seite zurück. Siebzehn Tage sind nun schon wieder vergangen, seit wir uns trennen mussten. Und die Zeit davor war für mich viel zu kurz. Jeden Abend sitze ich im Bett, streichle über meinen langsam anschwellenden Bauch, rede mit unserem Kind und wünsche mir dabei nichts mehr, als das du neben uns sitzen würdest und einfach nur bei uns bist. Ja, du hast mir ein schönes Kopfzerbrechen bereitet mit deinen Nachrichten über Reims. Natürlich ist dein Privatzelt dann sicherer als ein von Hugenotten verseuchtes Gasthaus. Doch das Wetter war so unbeständig in der letzten Zeit, dass ich mehr Angst darum hatte, dass du an einer Lungenentzündung sterben könntest, als durch den Degen eines Hugenotten verletzt zu werden. Am liebsten wäre ich gleich selbst zu dir aufgebrochen, um dir noch mehr Wolldecken zu bringen Doch ich denke, dass du dann sicher böse auf mich gewesen wärst. Und das möchte ich auf keinen Fall! Ich bitte dich nur um eines: Begib dich nicht mit Absicht in die Gefahr! Es mag jetzt hart und herzlos klingen, aber du hast Soldaten. Sie sind dafür ausgebildet. Ich weiß, dass du ein guter Fechter bist, das hast du damals, als du mich gerettet hast, nur allzu gut unter Beweis gestellt. Doch nun bist du ein Mann der Kirche, du bist nur dabei, um Pläne zu entwickeln. Nicht um deinen Hals zu riskieren. Ich möchte dich wohlbehalten wieder in meine Arme schließen können. Bitte verzeih, wenn ich dir durch meine wahrscheinlich unberechtigten Sorgen das Herz schwer werden lasse. Doch ich vermiss dich mit jedem Tag mehr und mehr und da red ich nur noch so ein Unsinn. Bitte verzeih! Doch nun möchte ich dir auch etwas Gutes schreiben: Vor zwei Tagen war ich mit der Comptesse, Madame de Bergerac, Rochefort und Michelle umher gefahren, um nach einem kleinen, aber feinen Landschloss zu suchen. Und tatsächlich, deine liebe Marie hat eines gefunden: Palais Mirabelle! Es liegt gute zwei Stunden Kutschfahrt südlich von Paris. Ein kleiner Ausläufer der Seine fließt durch den wunderschönen und sehr großen Park. Als wir umher streiften, stießen wir auf den Verwalter des Palais. Er heißt Monsieur Dumont. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei kleinen Söhnen in einem kleinen, stattlichen Häuschen am Rande des Parks. Rochefort, er spielt die Rolle meines Mannes einfach großartig und niemand schöpft Verdacht, fragt ihn, ob es leer stehe und man es sich ansehen könnte. Und nun die gute Nachricht: Es steht leer! Der Besitzer starb vor wenigen Monaten und seitdem sucht der Verwalter nach neuen Besitzern. Natürlich haben wir es uns von innen angesehen. Und es ist wirklich wunderschön! Insgesamt sind es zweihundert Räume, die Personalräume nicht mitgezählt. Die Tapeten sind wunderbar und die Möbel darin auch. Im Grunde müssten wir nur das Kinderzimmer herrichten. Denn Kinder hatte der vorherige Besitzer nicht. Der Park müsste auch ein bisschen neugestaltet werden. Monsieur Dumont sagte uns, dass er einfach nicht genügend Leuten hat, um dem Garten seine alte Schönheit wieder zu geben. Alles Personal ist nach dem Tod des Besitzers gegangen. Und der Preis ist wirklich sehr gering. Nur achthundertzwanzigtausend Livres. Laut der Comptesse ist das weniger Geld, als das was die Königin an Kleider und Schmuck jährlich bezahlt. Sobald du wieder da bist und dich erholt hast, müssen wir dorthin fahren! Ich, die Comptesse und Madame de Bergerac haben das höfliche Getue und diese albernen Floskeln abgelegt. Wir rufen uns jetzt beim Vornamen, die Comptesse rede ich also mit Sophie Christin, die meiste Zeit aber eher nur mit Sophie, und Madame de Bergerac mit Angelique Nicoletta, hier aber eher mit Angelique, an. Wir sind nun sehr, sehr gute Freundinnen geworden. Und sie helfen mir auch mit dem Aussuchen der Stoffe für die neuen Kleider. Sophie und ich haben schon genaue Vorstellungen für das Kinderzimmer und Angelique bringt mir fast jeden Tag neues Spielzeug, was sie auf einem Markt hier in Paris gekauft hat. Oft spielen wir erst einmal selbst damit. Und haben eine wahre Freude daran. Wenn es dir recht ist, würde ich Sophie fragen, ob sie nicht die Taufpatin werden möchte. Angelique kann dies nicht werden, da sie schon Taufpatin ihrer Nichte ist. Was ich jedoch auch sehr bedauere. Madame Curée kocht nun auch Unmengen für mich und unser Kind. Ich habe die Befürchtung, dass ich bald keine Kleider mehr brauche wegen dem Bauch, als vielmehr, weil mich Madame so mästet. Aber sie meint es ja auch nur gut. Ich hoffe, dass mein Brief dich erfreut hat. Bitte pass auf dich auf. Ich könnte es nicht ertragen, wenn man mir eine schlechte Nachricht wegen dir überbringen würde. So schicke ich dir mein Herzblut! Dein geliebter Engel“ Kapitel 13: Hinterhalt ---------------------- Kapitel XIII: Hinterhalt Nancy war schwieriger zu erobern als alle anderen Städte vorher. Richelieu dachte, er hätte mit Reims das schlimmste hinter sich, doch Nancy trieb ihn fast in den Wahnsinn. Maries Brief war nur ein kleiner Trost. Beantworten wollte er ihn jedoch nicht. Sein geliebter Engel war schon besorgt um ihn genug. Noch so ein ähnlicher Brief wie aus Reims und sie würde sofort und unter allen Umständen hier auftauchen. Die Gefahr wäre viel zu groß. Es wäre natürlich eine Möglichkeit, ihr alles über Nancy zu verschwiegen, doch Marie war klug genug, um das zu durchschauen. Also schrieb er ihr erst gar nicht, auch wenn es sein Herz brach. Richelieu saß nachdenklich in seinem Stuhl, das Gesicht in den Händen vergraben. Die Reise von Reims nach Nancy hatte ihn ausgelaugt. Die Reise hatte nur drei Tage gedauert, aber das Wetter war zum Reisen völlig ungeeignet. Es regnete die ersten zwei Tage ununterbrochen. Den letzten Tag war es eisig kalt und der Wind pfiff aus jeder Ritze in die Kutsche hinein. Die Hälfte seiner Soldaten war erkältet und lag teilweise mit Fieber im Krankenzelt. Jetzt waren sie schon sieben Tage in Nancy und hatten kaum Fortschritte erzielt. Sie hatten gerade mal genug Soldaten, um die Vorstädte zu durchkämmen, allerdings fand man dort nur wenige bis gar keine Hugenotten. Doch hinter den Stadtmauern Nancys sah es da schon anders aus: Die Stadt war gerade zu überfüllt von fliehenden Hugenotten. Im Lager von Richelieu witzelte man schon, dass man auf jedem Meter vier Hugenotten finden würde. Für Richelieus Geschmack waren das vier Hugenotten zu viel. Doch ihm fehlten die Männer, um diese vier und die restlichen festzunehmen. Zwar hatte er ein schrieben an den König verfasst, dass er mehr Männer bräuchte, um Nancy zu befreien. Aber die Antwort war knapp. Es können keine weiteren Soldaten geschickt werden, da man sonst nicht mehr für die Sicherheit Seiner Majestät garantieren könne. Die knappen Worte des Kardinals. Richelieu wünschte ihn zum Teufel. „Den Kardinal zum Teufel und mich zu Marie.“, murmelte er leise zu sich selbst. Er nahm den Brief von Marie, der ihm vor ein paar Stunden überbracht worden war und las ihn erneut. Sie wünschte sich zu ihm und er sich zu ihr. Doch was sie trennte, waren die Hugenotten. Und es war noch kein Ende in Sicht. Wie Marie jetzt wohl aussah? Sie schrieb, sie suche schon nach neuen Kleidern, also musste schon etwas zu sehen sein. Sie sah bestimmt noch schöner aus, noch schöner als vorher. Richelieu vermisste seine Frau aus vollem Herzen. „Eminenz!“ Richelieu drehte sich in Richtung des Zelteingangs. „Was gibt es, Raoul?“ Ein junger Mann stand im Zelt und verneigte sich. Er war kaum älter als fünfundzwanzig Jahre und erst seit einem Jahr in der Garde der Musketiere. Raoul Baisieré stammt aus der Provence. Sein Teint machte es nur allzu gut sichtbar. Und Richelieu hätte schwören können, dass Raoul immer nach Lavendel roch. Raoul genoss das Vertrauen des Bischofs und wusste auch, es zu schätzen. „Ich hoffe, Eminenz haben noch nicht zu Abend gegessen?“, Raoul schaute Richelieu scheu an. In seinen Augen war Richelieu der Typ von Mann, der für seine Ziele kämpfen würde und nur privat ein anderes Gesicht zeigen könne. „Doch, das habe ich. Vor einer halben Stunde hat man das Essen abgetragen. Doch warum fragt Ihr? Wolltet Ihr mir dabei Gesellschaft leisten?“ „Nun ja, das weniger, nur habe ich den Gedanken, dass Ihr Euer Essen, verzeiht mir den Ausdruck, nicht lange in Euch behalten werdet, wenn Ihr meine Nachricht erfahrt.“ Richelieu erhob sich von seinem Stuhl. Sein erster Gedanke galt Marie. Vielleicht war ja ihr etwas passiert. „Was habt Ihr für Nachrichten?“ „Diese hier.“, Raoul trat bei Seite und ein Soldat niederen Ranges kam nun ebenfalls ins Zelt. In seiner Hand der Kopf des Pastors der Stadtkirche von Nancy. Fassungslos starrte Richelieu minutenlang auf den Kopf. Ein schmerzverzerrtes Gesicht mit leeren Augen starrte ihn an. Aus dem Hals tropfte unaufhaltsam warmes Blut. Die Haare klebten am Gesicht und Kopf. Richelieu musste sich regelrecht von diesem Anblick losreißen: „Schafft ihn weg!“ Der Soldat schaute ihn, erschrocken von dem wütenden Tonfall Richelieus, verwirrt an. „Na los, schafft ihn weg! Wird’s bald?“ Fast in Panik verließ der Soldat das Zelt. Richelieu wandte sich vom Eingang ab und setzte sich auf seinen Stuhl. „Geht es Eurer Eminenz gut?“ In Raouls Stimme lag ein Hauch von Sorge. Doch er konnte nicht sehen, wie bleich Richelieu in jenem Moment war. „Ja, es geht mir gut. Wie ist es dazu gekommen?“ „Der Pastor war gerade auf den Weg zu unserem Lager. Er wollte wohl Schutz bei uns suchen. Doch er wurde in einen Hinterhalt gelockt. Ich und zwei Soldaten warteten am westlichen Stadttor auf ihn. Doch alles was wir bekamen, war sein Kopf. Gebracht von zwei Kindern.“ „Von Kindern?“, Richelieu starrte Raoul fassungslos an. „Ja, Eure Eminenz, von Kindern. Beide nicht älter als zehn Jahre. Ein Junge und ein Mädchen.“ „Hugenotten?“ „Nein.“ „Warum seid Ihr euch so sicher?“ „Sie trugen einen Zettel bei sich.“, Raoul ging ein paar Schritte auf Richelieu zu und überreichte ihm einen blutverschmierten Zettel. „An Seine Eminenz, den Bischof Richelieu, Wie Ihr seht, laufen einige Eurer Verbündeten schon kopflos umher. Einschließlich die Eltern dieser heidnischen Kinder! Die Kinder reichten gerade noch dazu, für uns den Boten zu stellen. Sie werden es nicht mehr lange machen. Genauso wenig wie Ihr und Eure Schergen. Lange haltet Ihr es nicht mehr aus. Wir erwarten also Euren Rückzug.“ Keine Unterschrift war darauf zu finden. Und Richelieu war ratlos. „Eminenz, was soll mit den Kindern geschehen?“ „Wo sind sie jetzt?“ „Sie warten vor Eurem Zelt.“ „Schickt sie mir herein. Und geht dann mit den Männern auf Patrouille um die Stadtmauer. Nicht das wir noch mehr Köpfe finden. Attackiert sie von außen mit Bomben, Pfeilen und Musketenkugeln. Beschießt sie mit allem was Ihr finden könnt. Und wenn es nur Gabeln und Messer sind. Nur in Gottes Namen, räuchert diese verdammten Hurensöhne aus!“ Richelieu stand schon wieder und griff nach seiner Robe. Er schäumte vor Wut. Nie hatte jemand so seine Wut bis ins Unendliche gereizt, wie es diese Hugenotten von Nancy taten. Raoul wusste, dass er besser nur noch ein knappes „Ja!“ zur Antwort gab. Er verneigte sich tief vor dem Bischof und verließ rückwärts gehend das Zelt. Keine zwei Minuten später standen Richelieu zwei verschreckte Kinder gegenüber. Das Mädchen war am weinen, der Junge schaute Richelieu trotzig an. Richelieu beugte sich zu dem Mädchen hinunter. „Wie heißt du?“ Das Mädchen schaute ihn, noch immer weinend, scheu an. „Julie!“ Richelieu schaute zu dem Jungen. „Sie heißt Julie und ich bin Laurien. Sie ist sieben und ich neun.“ „Habt ihr Hunger?“ Die Kinder nickten und Richelieu ließ sofort einem Diener Bescheid geben, Essen zu bringen. Während sie warteten, nahm Richelieu Julie auf den Arm und Laurien setzte sich wagemutig an den Schreibtisch von Richelieu. „Mama und Papa sind tot.“, begann Julie leise zu erzählen. „Böse Männer haben sie getötet.“ Sie begann wieder zu weinen. Liebevoll strich Richelieu ihr über die blonden Haare. „Still, es wird alles wieder gut.“ „Wohin kommen wir nun?“, Laurin sah Richelieu mit Angst in den Augen an. „Ich werde Euch nach Paris schicken. Dort habe ich einen lieben Freund. Er wird sich sehr, sehr gut um euch kümmern.“ „Ist er reich?“ „Ja, dass ist er.“, Richelieu grinste Laurin an. „Aber erst einmal werdet ihr was Richtiges zu essen bekommen, euch ausschlafen und dann schicke ich euch nach Paris.“ Laurin und Julie nickten. Keine fünf Minuten später kam das Essen für die beiden, welches sie eifrig verschlangen. ************************************** Die nächsten drei Tage verbrachte Richelieu in seinem Zelt und schmiedete Pläne. Die Kinder hatten ihn gestern in Richtung Paris verlassen mit einem Schreiben an den Compte du Marseillié. Richelieu wusste, dass sich die Comptesse mit Freuden um Julie und Laurien kümmern würde. Vor allem da die Comptesse keine Kinder bekommen konnte. Am vierten Tag trat Richelieu aus seinem Zelt und bestellte Raoul zu sich. „Eminenz!“, Raoul verbeugte sich. „Lasst die Vorstädte ruhen. Sucht alle fähigen Soldaten zusammen.“ „Was haben Eure Eminenz denn vor?“, Raoul schaute ihn überrascht an. Was wohl? Wir stürmen die Stadt. Morgen in aller Frühe. Noch vor Sonnenaufgang.“ Raoul blieb nur ein stummes Nicken, dann begab er sich zu den anderen Lagern und trommelte die Soldaten zusammen. ************************************** „Eminenz, das Stadtpalais wurde von unseren Männern eingenommen.“, Raoul rief Richelieu die Nachricht zu, als dieser an ihm vorbei ritt. „Sehr gut, weiter so!“, war die antwort, die er zurückbekam. Richelieu ritt wie ein Wilder durch die Straßen Nancys. Überall bekam er gute Nachrichten zu hören. Nun war also auch das Stadtpalais eingenommen wurden. Die letzte Bastion der Hugenotten. Von nun an sollte also alles glatt gehen. Diese würde die letzte Schlacht sein. Die allerletzte. Dann würde er zurück nach Paris können. Er würde seine geliebte Marie wiedersehen. Euphorisch ritt er durch die Gassen, bahnte sich einen Weg durch die kämpfenden, durch seine Soldaten. Ihm gingen die Worte seines Engels durch den Kopf: „Begib dich nicht mit Absicht in die Gefahr! Es mag jetzt hart und herzlos klingen, aber du hast Soldaten. Sie sind dafür ausgebildet.“ Doch wenn er genauer darüber nachdachte, tat er das gerade. Er begab sich absichtlich in Gefahr. Er ritt, zwar mit eisernem Brustpanzer, durch die umkämpfenden Straßen von Nancy. Das durfte und sollte Marie nicht erfahren. Selbst wenn er ohne Kratzer heim kommen würde. Sie würde ihm Vorwürfe machen. Und das wollte er nicht. Sie sollte ihn unbeschadet wieder bekommen. Ohne trübe Gedanken. Ein Lächeln zauberte sich auf sein Gesicht. Doch das Lächeln sollte er sofort bereuen. Ein lauter Schrei ließ Raoul den Degen senken, sich auf sein Pferd schwingen und in die Richtung reiten, aus der der Schrei kam. Sein Pferd hatte bereits Schaum vorm Maul, doch Raoul trieb es immer weiter. Er schickte Stoßgebete zu Himmel, dass es nicht der Mann sein möge, den er bewunderte. Das Gott nicht den Bischof zu sich genommen hatte. Er verscheuchte seine dunklen Gedanken daran und preschte auf seinem schwarzen Wallach um die Ecke. In einem Zug sprang er ab, als er den Bischof auf dem Boden liegen sah und rannte zu ihm. „Eminenz, Eminenz, seid Ihr schwer verletzt? Könnt Ihr sprechen? Aufstehen?“ „Ja, es ist nur der Arm. Und durch den Sturz vom Pferd der Knöchel.“ Raoul half Richelieu beim Aufstehen und stützte ihn. „Was ist denn genau passiert?“ „Ich kam hier um die Ecke und in dem Moment traf mich auch schon eine Kugel. Doch sie ist nicht ins Fleisch eingedrungen. Es ist nur ein Streifschuss. Macht Euch keine allzu großen Sorgen darum.“ Raoul nickte und half Richelieu auf seinen Wallach. Er stieg hinter ihm auf und zusammen ritten sie in Richtung des Lagers. Kapitel 14: Ein langersehntes Wiedersehen ----------------------------------------- Kapitel XIV: Ein langersehntes Wiedersehen Die nächsten drei Tage verbrachte Richelieu auf seinem Bett. Der Arzt hatte ihm für die nächsten zweiundsiebzig Stunden strengste Bettruhe verordnet. Auch wenn es Richelieu nicht wirklich passte. Er sah nicht ein, warum er mit einem Streifschuss und einem verstauchten Knöchel solange ans Bett gefesselt werden sollte, wenn er sich in der Zeit auch an seinen Schreibtisch setzen konnte, um dort noch weitere Pläne zu entwickeln. Erst als Raoul ihn am späten Abend einen Genesungsbesuch abstattete und mehr als nur gute Nachrichten mitbrachte, willigte Richelieu nach langem Protest ein, liegen zu bleiben. „Also, wie schaut es da draußen aus, Raoul?“ „Eminenz werden begeistert sein.“ „Ach ja, werde ich das?“, Richelieu schaute den jungen Offizier skeptisch an. „Ja, dass denke ich.“, ein selbstsicheres Lächeln umspielte die Lippen Raouls. „Gut, dann lassen sie hören.“ „Wir haben sie niedergeschlagen. Die ranghohen Hugenotten sind alle ausgemerzt. Jetzt haben wir leichtes Spiel mit dem Rest. Denn die letzten, kläglichen Überlebenden dieser Sippe, laufen nun kopflos umher. Ihre Anführer fehlen. Mit einem einzigen schlag können wir sie nun alle vernichten, und Nancy wieder zu ihren wahren Gläubigen verhelfen.“ Richelieu erhob sich, nickte dabei zufrieden. „Sehr schön. Dann also noch ein einziger großer Paukenschlag und wir können endlich zurück nach Paris.“ Raoul nickte: „Ja, dort können sie Ihre Verletzungen noch besser auskurieren.“ Richelieu lächelte gedankenverloren. Seine Gedanken kreisten um seinen Engel. Sie würde ihn wieder gesund pflegen. Jedoch erst nach dem sie ihm eine Menge Vorwürfe gemacht hatte. Wie sehr er sich freute, sie wieder zu sehen. „Eminenz? Eminenz?“ Raoul riss Richelieu aus seinen Gedanken. „Ja, verzeiht, ich war in Gedanken.“ „Eminenz, wann sollen wir zu schlagen? Ich denke, sie werden damit im Morgengrauen nicht noch einmal rechnen.“ „Und genau deshalb greifen wir im Morgengrauen erneut an. Wenn wir Glück haben, können wir noch morgen am späten Nachmittag die Zelte abbrechen und uns auf den Rückweg nach Paris machen.“ Raoul nickte und verschwand aus dem Zelt, um die Befehle weiter zu geben. **************************************** Marie war aufgekratzt. Nicht einmal die Anwesenheit der Comptesse konnte sie beruhigen. Geschweige denn das Gespräch über den familiären Neuzugang in der Familie Marseillié brachte Marie von ihrem geschäftigen Treiben ab. „Marie, was hast du? Warum bist du so hektisch und unruhig?“ „Die Soldaten kommen heute von Nancy zurück.“ Sophie lächelte: „Ach so, sag es doch, dass du dich freust, deinen Bruder wieder zu sehen. Ihr habt ein sehr enges Verhältnis nicht wahr?“ Marie schaute Sophie misstrauisch an. „Monsieur hat es mir gesagt. Er hat dich zu sich genommen, damit du nicht im Kloster landest. Mir fiel es schon damals zum Jahreswechsel auf, dass du und er nicht die Blicke voneinander lassen konntet. Das du Rochefort geheiratet hast, ist doch nur eine Farce, damit man keinen Verdacht schöpft.“ Marie musste sich auf den Schrecken erst einmal auf den kleinen Sessel setzen. Ob Sophie es schon weiter getratscht hat? Es würde einen Skandal geben, Richelieu würde seinen Titel als Bischof verlieren, er würde nie Kardinal werden können. Tränen stiegen Marie in die Augen, so dass sie den Blick senkte. „Keine Angst. Angelique hat es ebenso wie ich schon lange geahnt. Manchmal hast du gar nicht mitbekommen, wie du verträumt und für uns deutlich sichtbar, deinen Bruder anstarrtest. Monsieur hat mich dann nur darin bestätigt. Aber keine Sorge meine Liebe.“, Sophie trat auf die weinende Marie zu, „Bei uns ist dein Geheimnis sicher. Und dass das Kind auch das deines Bruders ist, wird auch kein anderer jemals auch nur erfahren. Selbst wenn man mich dafür foltern würde.“ Marie fiel in jenem Moment ein großer Stein vom Herzen. Voller Dankbarkeit umarmte sie ihre treue Freundin. „Ich danke dir für deine Verschwiegenheit. Nur ich kann nichts gegen meine Liebe zu ihm tun. Er hat mich vor einer schlimmen Zukunft bewahrt. Und dafür bin ich ihm sehr, sehr dankbar.“ „Und anscheinend erwidert er deine Liebe genauso, sonst würdest du wohl kaum die Frucht eurer Liebe unter deinem Herzen tragen.“ Liebevoll strich Sophie Marie ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Du solltest dich umziehen. Wer weiß wann deine Liebster hier auftaucht.“ Marie nickte und erhob sich. Zusammen mit Sophie würde sie hoffentlich ein passendes Kleid finden. Rochefort war überrascht, als er in den Salon zu seiner vermeintlichen Ehefrau kam und einen Berg von aussortierten Kleidern sah. Und mitten drin Marie und Sophie lachend stehend. „Oh Rochefort. Eine gute Nachricht, Ihr braucht nicht mehr meinen Mann spielen, Madame hat unser Spiel durchschaut. Doch sie wird stillschweigen bewahren.“ „Oh, gut.“, Rochefort registrierte es mit einem Kopfnicken. „Doch warum seid Ihr hier?“ „Um Euch zu sagen, Madame, dass die Soldaten einschließlich Eures Mannes an den Tuilerien angekommen sind.“ Überrascht schaute Marie Rochefort an, dann Sophie. Hektisch begann sie in ihrem Schrank nach einem Kleid zu suchen. Wenn sie jetzt schon an den Tuilerien waren, dann wäre Richelieu in spätestens anderthalb Stunden hier. Sicher müsste er nur einen kurzen Bericht beim König erstatten. Und sie, Marie, hatte trotz intensiven Suchens innerhalb von zwei Stunden immer noch kein Kleid gefunden. Sie wusste zwar, dass es mittlerweile unmöglich war, das kleine Bäuchlein zu verstecken, doch dass sie nun auch in kein Korsett mehr passen sollte, konnte sie nicht wirklich fassen. Dann musste sie auch noch ihre Haare machen. Selbst mit Sophies Hilfe und der von Madame Curée würde sie es nicht rechtzeitig bis zu seiner Rückkehr schaffen. Schnell trat Sophie neben sie. Half ihr eines der Kleider auszusuchen. Die Entscheidung fiel auf ein silbernes Kleid mit langer Schleppe und tiefem Ausschnitt, was Marie dazu veranlasste, Sophie skeptisch an zu schauen. „Warum denn nicht? Deine Brüste sind so angeschwollen durch deine Schwangerschaft, dass du sie ruhig zeigen kannst. Ich wette, dein Liebster wird sich freuen.“, Sophie grinste breit. „Na gut, also das hier!“ Damit war auch diese Entscheidung gefallen. Schnell und behutsam half Sophie Marie mit dem Korsett. Marie passte wirklich nur noch gerade so in eben jenes hinein, was Sophie zu Scherzen trieb. Sie solle doch ein bisschen abnehmen. Weniger essen und mehr tanzen. Die Luft solle sie anhalten, sonst würden die Haken nicht halten. Am besten hielte sie sie für die restlichen viereinhalb Monate an. Sie solle nicht wie bis jetzt von Luft und Liebe, sondern nur noch von der Liebe leben. Marie musste darüber lachen. Was die Angelegenheit erschwerte, das Korsett zu schnüren. Doch auch das hatte ein Ende. Für die Haare ließ Marie die Köchin rufen. Schnell wurden die schweren, dunklen Haare mit mehr als einem Dutzend Klammern hochgesteckt. Geschickt flocht ihr Madame Curée noch eine Perleketten in die Haare. Eine zweite wurde ihr um den Hals gelegt, eine dritte ums linke Handgelenk. Die ganze Prozedur nahm über eine Stunde in Anspruch. Schnell wurden die anderen Kleider, die auf dem Boden verstreut lagen, wieder in den Schrank gepackt. Marie wurde immer nervös und ihr blieb auch nicht mehr viel Zeit. Rochefort war schon aufgebrochen, um seinen Herrn am Palast in Empfang zu nehmen. „Gut, ich werde aufbrechen.“, Sophie griff nach ihrem dicken Winterumhang. Sie küsste Marie links und rechts auf die Wange. „Überanstrenge dich nicht heute Nacht.“ Marie wurde rot: „Sophie!“ „Was denn? Ich denke nur mal wie ein Mann. Er ist sicher ausgelaugt und wird in deinen Armen Erholung und Ruhe und Liebe suchen. Er ist Bischof, ja, aber er ist auch ein Mann. Er wird deine Nähe suchen, deinen Körper. Also adieu! Ich gehe jetzt. Sende ihm liebe Grüße.“ Noch eine kurze Umarmung und Sophie ging ein Liedchen pfeifend aus dem Salon. Sie hatte ja Recht: Richelieu und sie, Marie, würden eine lange Nacht vor sich haben. Doch Marie konnte nicht leugnen, dass sie es sich nicht selbst wünschte. Sie wollte wieder seine Küsse auf ihrer nackten Haut spüren. Sie wollte, dass sein heißer Atem sie wieder rasend vor Verlangen machte. Sie wollte, dass er zärtlich ihren Namen in ihr Ohr flüsterte. Sie wollte in seinen Blicken ertrinken. Sie wollte, dass er sich wieder an sich zog und sie festhielt in seinen starken Armen. Marie seufzte. Sie war völlig in Gedanken, dass sie nicht einmal bemerkte, wie die Tür hinter ihr aufging und sich jemand auf leisen Schritten ihr näherte. „So in Gedanken mein Engel?“ Marie erkannte die Stimme sofort. Sie wirbelte herum und schloss ihre Arme fest um den Mann, den sie so innig liebte. „Autsch!“, Richelieu verzog das Gesicht. „Was ist, wurdest du etwa verletzt?“, Marie löste sich etwas von ihm und schaute ihn besorgt an. „Setz dich und zeig mir die Verletzung.“ „Ich denke ja nicht daran.“ Richelieu setzte einen trotzigen Blick auf. „Aber...“ „Nicht bevor ich nicht einen Kuss von dir bekommen habe.“ Marie war mit dem Kompromiss einverstanden. Sie ließ sich von ihm näher an sich ziehen. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast. Richelieu konnte jede einzelne Wimper an Maries Augen erkennen. „Du bist noch schöner geworden.“ Zärtlich strich er Marie übers Haar. Marie versuchte noch schnell etwas darauf zu erwidern, doch er ließ es nicht zu. Er presste ihr seine Lippen auf die ihrige. ‚Sophie hatte Recht, er ist voller Verlangen nach mir!’ Marie erwiderte den leidenschaftlichen Kuss Richelieus. Sie drückte sich an ihn. Nie wieder wollte sie diesen Mann ohne sich verreisen lassen. Um nichts auf der Welt wollte sie noch einmal solange von ihm getrennt sein. Sie konnte seinen Herzschlag spüren, der immer und immer stärker wurde. „Komm!“, Richelieu hatte den Kuss gelöst und hob Marie auf seine Arme. „Was hast du vor?“ „Was wohl?“ Sein Grinsen war für Marie Antwort genug und sie ließ sich bereitwillig ins Schlafgemach tragen und auf ihr Bett legen. Kaum lag sie auf der weichen Unterlage, zog sie Richelieu zu sich herunter. Bedeckte sein Gesicht mit tausend Küssen. Überwältigt von der Liebe seines Engels kam er kaum zum Atmen. Er konnte nur ihre Küsse erwidern, was er mit Freuden tat. Schnell löste er ihre Frisur, damit sie bequemer liegen konnte. Wie hübsch sie aussah, wie wunderschön die Locken ihr Gesicht umrahmten. Sie war noch schöner geworden, daran bestand kein Zweifel. Seine Küssen schmeckten noch süßer als beim letzten Mal. Marie war so glücklich, ihn bei sich zu haben. Vorsichtig streifte sie ihm sein Hemd ab. Sah sich jedoch genau den Verband am linken Oberarm an. Glücklicherweise war kein Blut zu sehen. Was sie ungemein beruhigte. Sie atmete tief und glücklich darüber ein. „Keine Angst, der Arm wurde fachgerecht behandelt. Mach die keine allzu großen Sorgen darüber.“ „Na ja, ein paar Sorgen stehen mit diesbezüglich schon zu. Ich bat dich nämlich, die Gefahr zu meiden und dich nicht kopflos in einen Kampf zu stürzen.“ „Es tut mir leid, verzeih es mir.“ „Ich weiß nicht, ob ich das verzeihen kann.“, meinte Marie schmollend. „Und ob du es kannst.“, grinste Richelieu zurück und begann langsam ihren Hals mit Küssen zu bedecken. Marie erschauderte unter den weichen Lippen ihres Geliebten und seinem heißen Atem. So konnte sie ihm wirklich nicht mehr böse sein im Gegenteil. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog ihn noch näher zu sich herunter. Strich ihm dabei sanft über seinen Rücken. Keine Narbe war zu spüren, kein einziger Kratzer zierte seinen Rücken. Bis auf den Arm war alles unversehrt. Richelieu wusste, dass er sie so besänftigen konnte. Und glücklicherweise war nur noch sein Arm verwundet. Sein verstauchter Knöchel hatte sich in den letzten Tagen durch so wenig gehen wie möglich vollständig erholt. Nicht einmal mehr eine Schwellung war zu sehen. Und der Blaue Fleck war auch gänzlich verschwunden. Es gab also keinen Anlass mehr zur Sorge. Richelieu wanderte mit seinen Lippen tiefer. Der große Ausschnitt des Kleides verleitete ihn geradezu dazu. Gleichzeitig hob er Marie ein wenig nach oben, um das Kleid ganz zu öffnen inklusive dem Korsett. Denn er wollte seinen Engel endlich wieder spüren. Nach so langer Enthaltsamkeit war er schier wahnsinnig nach Marie. Ihre Haut schmeckte so süß. Er wollte sie. Jetzt sofort! Marie spürte Richelieus Verlangen. Er presste sich so sehr an ihren Körper, dass sie schon meinte, er würde sich einen Weg durch seine Hose und ihr Kleid bahnen. Seine Hände waren mit ihrem Rücken beschäftigt, versuchten das Kleid zu öffnen. Sie ließ es geduldig zu. Wenn er wollte, konnte er sehr schnell bei so etwas sein. Das wusste sie. Und nichts könnte ihn heute davon abbringen, schneller als sonst zu sein. Als ob er seinen eigenen Rekord brechen wollte. Doch auch Marie war nicht untätig. Sie schlug sich mit seiner Hose rum. Auch ihr Verlangen nach ihm stieg ins Unermessliche. Endlich hatte Richelieu alle Schnüre des Kleides gelöst. Das Korsett dagegen war ein Kinderspiel für ihn. Kaum war das offen, streifte er das komplette Kleid von ihrem Körper. Auch das Korsett landete auf dem Boden. direkt neben seinem Hemd und er Hose, die ihm Marie herunter gezogen hatte. Er schob sich und Marie ein wenig mehr in die Mitte des Bettes, wo er sie eingehend betrachtete. „Was ist?“, Marie richtete ihren Oberkörper etwas auf. „Nichts, ich begutachte dich nur.“ „Wie ein Stück Vieh oder was?“, lachte sie. „Nein, wie ein stolzer Ehemann seine geliebte Frau betrachtet, die ihm bald ein Kind schenkt.“ Sanft strich Richelieu über Maries nackten Babybauch und küsste ihn. Bald wäre es soweit. Bald wäre er Vater. Stolzer Vater. Ob Junge oder Mädchen war ihm egal. Langsam wanderte er mit seinen Küssen wieder nach oben. Umspielte mit seiner Zunge Maries Brüste, und wanderte nach kurzer Zeit weiter zu ihrem Hals. Bis er ihren Mund erreicht hatte. Marie ließ sich wieder auf das Bett fallen. Erwiderte den liebevollen und fordernden Kuss ihres Mannes. Ihre Hände wanderten seinen Rücken hinab zu seinem Hintern. Sie zog die Beine an, drückte sich Richelieu entgegen. Ein nur allzu eindeutiges Signal für ihn. Richelieu senkte sein Becken und verschmolz mit seinem Engel. Wie sehr er ihre Nähe, Wärme und Liebe vermisst hatte. Seine Lippen hatten sich immer noch nicht von ihren gelöst. Auch wenn er kaum noch Luft bekam. Er wollte diesen so lang ersehnten Moment voll auskosten. Marie spürte, wie er sich in ihr vorsichtig und auch etwas zaghaft bewegte. Sanft löste sie den Kuss. Sie wollte in seinen Augen versinken, was ihr auch wunderbar gelang. Sie bewegte sich in seinem Rhythmus mit, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht hinter sein Ohr. Ein hauchdünner Schweißfilm bedeckte seine Stirn. Jeden einzelnen Schweißtropfen küsste sie ihm weg. Strich ihm zärtlich über seine Wangen. „Ich liebe dich!“ Es war nur ein Hauchen in seinem Ohr, doch die Worte ließen Richelieu zu Höchstform auflaufen. Vorsichtig aber bestimmter stieß er zu. Was Marie zu einem Keuchen veranlasste. Sanft küsste er ihr den Hals. Spielte mit ihren Haaren. „Ich liebe dich auch mein Engel!“ Die Worte ließen Marie erschaudern. Unter seinen Stößen bäumte sie sich auf. Er machte sie rasend vor Leidenschaft und sein heißer Atem tat sein übriges dazu bei. Sie konnte ewig so mit ihm weiter machen. Doch nur auf ihre Art. Marie setzte sich auf. Warf ihren Geliebten auf den Rücken. „Was denn? Probt meine Frau etwa den Aufstand?“, Richelieu grinste sie an. „Nein, aber wir wollen doch gleich einmal klar stellen, wer im Haushalt das Sagen hat.“, grinste sie zurück. Richelieu lachte lauthals auf, ließ es jedoch zu, dass sie ihn wieder einmal auf den Rücken warf und sich ritt links auf ihn setzte. Kaum spürte er sie erneut, stieß er wieder zu. Doch den Rhythmus bestimmte nun sie. Doch es war ihm recht. Denn im Grunde war er noch fertig von der Reise. Also kam es ihm nur gelegen, dass ganze etwas ruhiger angehen zu lassen. Marie ließ ihre Hände über seine Brust wandern, küsste jede einzelne Stelle, während sie über den Rhythmus herrschte. Sie spürte, wie seine Hände sich um ihre Taille schlossen, und sie vorsichtig das Becken hoben und senkten. „So ganz kannst du mir die Herrschaft wohl nicht überlassen.“ „Nicht...“, keuchte Richelieu, „...in dieser wichtigen Angelegenheit.“ „Na gut...dann eben...dann eben nicht!“ Marie schwanden allmählich alle Sinne. Zwar konnte sie nun seine Bewegungen besser steuern, aber seine Stöße waren noch genauso wie vorher. Und das war die Tatsache, die sie um den Verstand brachten. Richelieu spürte wie die Leidenschaft immer und immer mehr in seinen Lenden zu kochen begann und er ahnte, dass sie sich bald entladen würde. Er verlor mehr und mehr die Kontrolle darüber. Im Licht der untergehenden Sonne, die durch das Fenster schien, betrachtete er seine geliebte Marie. Der Schweiß ließ ihre Haut glänzen. Er bemerkte, wie sie sich auf die Lippen biss. Anscheinend konnte sie auch bald nicht mehr ihr Verlangen und ihre Leidenschaft zurückhalten. Seine Hände schlossen sich noch mehr um ihre Taille, dirigierten ihr Becken noch mehr auf und ab. Marie konnte nicht mehr richtig atmen. Nur ein Keuchen brachte sie zustande. Ein Keuchen dass bei jedem von Richelieus Stößen lauter wurde. Ihre Brust glühte. In ihrem Bauch flatterten tausend Schmetterlinge. Bald würde ein Feuer über sie kommen. Und das in nicht allzu ferner Zukunft. Sie bäumte sich unter seinen Stößen immer mehr auf. Ihre Finger krallten sich an seinen Schultern fest. Noch ein Stoß und sie würde brennen. Noch ein Stoß trennten Richelieu vom finalen Schlussakt. Marie schrie fast, als sie das Feuer übermannte. Richelieus Finger krallten sich ihrem Becken fest. Sie warf den Kopf zurück und ihre Locken flogen nach hinten. Mit einem letzten Stoß und einem lauten Keuchen bahnte sich seine Leidenschaft aus seinem Körper einen weg. Erschöpft sank Marie auf Richelieu zusammen, der ihr, ebenfalls völlig erschöpft, über ihren Rücken strich. Beide brauchten einen Moment um ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Erst nach einer guten Viertelstunde hatte Marie erst einmal genug Kraft gesammelt, um sich von Richelieu zu rollen und in die Kissen zu sinken. Richelieu deckte sie und sich zu und zog sie an sich, strich ihr liebevoll übers Haar. „Glücklich?“ „Jetzt, wo du wieder bei mir bist, ja!“ Zufrieden schmiegte sich Marie an Richelieu. „Wäre es dir recht, wenn ich dir morgen alles erklären würde wegen der Verletzung und so weiter?“ Richelieu drehte seinen Kopf und schaute Marie fragend an. „Natürlich. Ich denke auch, es ist jetzt besser, wir ruhen uns aus. Deine Leidenschaft hat mich nämlich ganz schön ausgelaugt.“, Marie grinste ihn an. „Mir geht es doch auch nicht anders. Ich wollte dich zwar. Aber dass du mich gleich so zu Hochform auflaufen lässt und mich beinahe aller meiner Manneskraft beraubst, hätte ich ja nun nicht gedacht.“ „Da siehst du mal.“ Marie zog die Decke noch höher, schloss die Augen und seufzte zufrieden. Richelieu zog sie an sich und schloss wie sie die Augen. Endlich würde er wieder in Ruhe schlafen können. Endlich würde er sich nicht mehr nur mit süßen Träumen von Marie zufrieden geben müssen. Nein. Sie war wieder bei ihm. Und wenn er aufwachen würde, würde er sie sehen und nicht den von Morast zertrampelten Boden. „Ich liebe dich.“ „Hmm.“ Marie war eingeschlafen. Richelieu lächelte zufrieden. Kurze Zeit später übermannte auch ihn der Schlaf. Kapitel 15: Palais Mirabelle ---------------------------- Kapitel XV: Palais Mirabelle Seit zwei Wochen war Richelieu nun schon wieder bei seiner Marie, doch seit zehn Tagen sah er sie kaum noch. Der König hatte ihn schon wieder voll in Beschlag genommen. Er wollte alles ganz genau wissen. Jedes noch so winzige Detail der Schlacht von Nancy wollte er erfahren. Wie sie vorgegangen waren, wie sie die Oberhäupter umgebracht hatten, wie sie durch die Straßen gezogen sind mit dem Sieg in der Hand. Richelieu musste es wieder und wieder erzählen. Und jedes Mal gab der Kardinal einen unpassenden Kommentar dazu ab. Immer sagte er selbstverliebt, er hätte es lieber so und so gemacht. Richelieu hätte ihm nur allzu gerne geantwortet, dass er ja das nächste Mal gegen die Hugenotten in die Schlacht ziehen könne. Doch er verkniff es sich. Schlecht für die Zukunft, sagte er jedes Mal zu sich selbst. Für seinen tapferen Einsatz wurde er jedoch reich beschenkt. Der König sah es als edelmütig an, dass sich Richelieu so selbstlos in die Schlacht geworfen hatte und dabei verwundet worden war. Doch nicht nur der König bewunderte ihn dafür. Auch die Hofdamen warfen ihm verstohlene, jedoch eindeutige Blicke zu. Sie bewunderten ihn. Sprachen offen über ihn, selbst wenn er ihnen genau gegenüber stand. Wie schön er doch sei. Sein Körper sei so gut gebaut. Doch, wie schade, er war ja ein Mann der Kirche. Dann gab es ein albernes Gekicher. „Ja, mein Herz gehört nun einmal dem Herrn, meine Damen.“, meinte Richelieu dann immer selig lächelnd. ‚Doch er nimmt nur einen kleinen Teil ein. Denn ein Großteil besitzt mein Engel.’, dachte er stillschweigend weiter. Die Tage vergingen und oftmals sah er Marie erst am frühen Abend, wenn er heim kam. Sie begrüßte ihn dann immer gleich: Sie sprang von ihrer Sitzgelegenheit auf, eilte zu ihm, küsste ihn liebevoll und umarmte ihn anschließend. Ein einfaches Ritual doch es machte Richelieu glücklich. So wie an diesem Abend. Der König war ihm wieder einmal auf die Nerven gegangen und wollte sogar einen Ball zu Ehren von Richelieu geben. Doch dieser lehnte ab. Bälle sollen doch die Herrschaften feiern, aber auf ihn warte zuhause noch eine Menge Arbeit. Damit war er entschuldigt. Auch, und das wusste er, wenn er in diesem Moment eine Menge Herzen der Hofdamen brach. Ein Gefühl das er genoss. So traf er völlig erschöpft in seinem Palais und bei Marie ein. Als Marie ihn auf dem Flur in Empfang nahm, drückte er sie an sich. „Mariechen, ich kann nicht mehr!“ Sanft strich Marie ihm über die Haare: “Warum? Hat der König noch immer nicht genug von deinen Heldentaten?“ „Nein.“, Richelieu löste sich von Marie und gab ihr einen Kuss, „Im Gegenteil. Heute kam es ihm den Sinn, mir zu Ehren ein Ball zu veranstalten.“ „Und, hast du abgelehnt?“ „Ja.“ Er legte seinen Arm um Maries Schulter, die andere Hand auf ihren Bauch und schritt mit ihr in Richtung Salon. Als sie eintraten, ließ er sich auf das kleine Sofa fallen. Marie nahm neben ihm Platz und bettet seinen Kopf auf ihren Schoß. Gedankenverloren legte Richelieu sein Ohr an Maries Bauch und lauschte. Vielleicht hörte er ja was. Immerhin war Marie nun fast im sechsten Monat, was sich nun auch deutlich abzeichnete. Ein Korsett trug sie schon gar nicht mehr. Was ihm im Bett die Arbeit erleichterte. „Und, hörst du was?“, Marie schaute ihn gespannt an. „Nein, aber ich habe das Gefühl, es hat sich etwas bewegt.“ „Komisch aber ich habe nichts gespürt. Na ja, in ein paar Tagen vielleicht. Da fällt mir ein, ich solle dir schöne Grüße von Sophie bestellen. Sie war heute Nachmittag zu Besuch. Julie und Laurien in ihrer Begleitung.“ Richelieu wusste von Compte, dass sie über die ‚Affäre’ von Bruder und Schwester Bescheid wusste, doch er wusste, sie würde den Mund halten. Der Compte hatte ihr bei nicht einhalten des Schweigens darüber verboten, sich jemals auf seine Kosten wieder neue Kleider und Schmuck zu kaufen. „Wie machen sich die Kinder?“ „Oh, sie erholen sich prächtig. Julie lag heute auch so da wie du jetzt und lauschte. Aber sie konnte auch nichts hören.“, Marie musste lachen, „Und Laurien und der Compte verstehen sich auch sehr gut. Er hat dem Jungen wohl das Billard beigebracht, was sie nun jeden Abend spielen. Und beide lernen nun auch lesen und schreiben. Julie ist auch sehr talentiert im Zeichnen und Sticken. Auch auf dem Cembalo lernt sie schnell. Sie hat heute ein Stück vorgespielt.“ „Und Laurien?“ „Er ist talentiert im Rechnen. Auch Geschichte liegt ihm. Und Sophie meinte, dass er sehr rasch Griechisch und Latein lernt. Vokabeln lernt er an einem Tag.“ „Ich bin ja mal gespannt, in was unser Kind talentiert ist.“, Richelieu spielte mit Maries Haaren, die ihr von der Schultern in sein Gesicht fiel. „Wenn es nach dir kommt, dann wird es taktisch gut sein. Wenn es nach mir kommt, wird es gut nähen können.“ „Selbst wenn es ein Junge wird, soll er talentiert im Nähen sein?“, Richelieu lachte auf. „Ja, warum denn nicht?“, Marie sah in grinsend an. „Kannst du dich eigentlich für ein paar Tage von der Arbeit und deinem heißgeliebten König losreißen?“ Richelieu sah sie fragend an. „Ich hab Mirabelle fast fertig und der Garten ist auch so gut wie wieder hergestellt. Nur beim Kinderzimmer möchte ich, dass du mit dabei bist.“ „Ja, natürlich komm ich mit. Für den König lass ich mir was einfallen. Findest du nicht auch, dass ich extrem blass aussehe.“ „Ja, sehr. Du solltest dich ein paar Tage ausruhen. Vielleicht auf dem Land.“, grinste Marie. Es war also beschlossene Sache. Beide würde aufbrechen nach Palais Mirabelle. ********************************************** Richelieu hatte dem König erzählt, er würde für ein paar Tage in die Bretagne fahren, da sein Bruder dort lebe und es ihm von Tag zu Tag schlechter ginge. Man müsse mit seinem baldigen Ableben rechnen. Er war entschuldigt. Nun stand er in dem noch leeren und zukünftigen Kinderzimmer. Die restlichen Räume wurden bereits von ihm begutachtet. Marie hatte alle Zimmer wirklich sehr persönlich und vor allem gemütlich eingerichtet. Hier konnte er wirklich ausspannen. Doch das Kinderzimmer bereitete ihm so wie Marie Kopfzerbrechen. Die Wandtapete war aus Seide und in einem sonnigen gelb. Doch ansonsten war das einzigste Möbel ein Ofen aus weißem Porzellan. „Ich hätte gerne dunkle Möbel.“, kam es von Marie, die am Fenster stand und hinaus in den weitläufigen Park schaute, wo die neuen Gärtner fleißig arbeiteten. Dank dem Verwalter Dumont hatten sie schnell fähiges Personal gefunden. Marie wollte nicht alle Angestellten aus Paris mit hierher nehmen. Nur Michelle, Madame Curée, René und Alexandre und seine Familie sollten mit. Das restliche, neue Personal kam aus den zwei umliegenden Dörfern. Die Menschen waren dankbar für die Arbeit, die ihnen angeboten wurde und nahmen ihre Pflichten sehr ernst. „Aus Eiche?“, Richelieu schaute sie an. „Ja. Der Raum ist so hell. Und weiße Möbel in einem so hellen Raum würden sich hier drinnen verlieren. Allein der Ofen sieht verloren aus.“ „Ja, das sind gute Argumente.“ Marie ging auf ihren geliebten Mann zu, grinste ihn an: „Ich weiß.“ Richelieu nahm sie in die Arme, küsste sie zärtlich. Seine Marie hatte wirklich eine gute Entscheidung mit dem Palais getroffen. Es war groß und weitläufig. Mit seinen zweihundert Räumen konnte er auch einmal Offiziere oder andere Angehörige des Militärs hierher bestellen und keiner würde auch nur eine Ahnung haben, dass sich auch die Familie Richelieus mit unter diesem Dach befand. Man konnte sich perfekt aus dem Weg gehen. Der Garten lud gerade zu dazu ein, im Sommer große Feste zu veranstalten. Dann sollte Rochefort eben noch einmal den braven Ehemann seines Engels spielen. Es wussten ja sowieso nur die Comptesse und der Compte und Madame de Bergerac. Und selbst die glaubten, er sei Maries Bruder. Was für eine perfekte Farce! Die anderen Gäste würden glauben, er veranstalte ein Fest zu Ehren seiner Schwester. Ein liebevoller Bruder. Ohne jeden Zweifel. „Sag mal, wo ist eigentlich diese Madame de Bergerac? Seit ich wieder da bin, habe ich sie nur einmal zu Gesicht bekommen.“, Richelieu sah Marie fragend an. „Oh, Angelique ist im Moment bei ihrer Schwester in Amsterdam. Sie hat wohl gerade erst ihr drittes Kind bekommen. Einen zweiten Jungen. Und da ist Angelique zur Taufe gefahren.“ „Ist sie Witwe?“ „Angelique?“ Ein Nicken. „Ja, ihr Mann war Monsieur de Bergerac. Er war wohl ein einflussreicher Blumenlieferant. Sie hat ihn durch ihren Vater damals in den Amsterdam kennen gelernt. Er starb vor vier Jahren. Warum fragst du?“ „Ich habe sie, glaube ich, schon einmal gesehen. Aber das ist mindestens sieben Jahre her. Denn der Name de Bergerac kam mir doch irgendwie bekannt vor.“ Marie nahm es mit einem Nicken war, eifersüchtig war sie nicht. Sie wusste, dass Richelieu ihr treu war. Darin bestand nicht der geringste Zweifel. Sie löst sich aus seinen Armen und schritt durch das große Zimmer. Der Boden zeigte eine Art Schachmuster aus verschiedenen Holzarten und man konnte sich fast darin spiegeln, so sehr hatte das neue Personal die Dielen gescheuert und gebohnert mit Wachs. Marie und Richelieu mussten beim Betreten schon aufpassen, dass sie nicht hinfielen, so glatt war es teilweise. Die Fenster waren groß. Vier Stück gab es insgesamt, die viel Licht in den Raum ließen. Die Decke war hoch. Mindestens drei Meter und fünfzig. Sie war weiß, aus Stuck und unterteilt in drei Teile, die mit Deckenmalerei verziert waren. Der erste Teil zeigte Feen, die auf einer Sommerwiese spielten, tanzten und musizierten. Der zweite Teil zeigte Engel, die ihren Schabernack im Himmelsreich trieben und sich dabei anscheinend prächtig amüsierten, zumindest zeigten das ihre Gesichter. Der dritte und letzte Teil zeigte die Unterwasserwelt mit Nixen. Sie kämmten ihre langen, goldenen Haare, schwammen mit den Fischen. Das Zimmer war perfekt für ein Kind! „Wo soll die Wiege stehen?“, Richelieu weckte Marie aus ihren Gedanken. Sie sah sich um. „Da!“, ihr Zeigefinger zeigte fast in die Mitte des Raumes. „Es ist nicht allzu nah am Ofen und auch nicht zu weit weg. Und zugig ist es dort auch nicht, die Fenster sind zu weit weg. Dort kommt der Schrank hin. Ein Stück neben die Tür. Dort eine Kommode und dort ein Schaukelstuhl. Das Kindermädchen schläft dort in dem kleinen Raum neben an. Unser Schlafgemach ist ja auch gleich das nächste Zimmer. Das Spielzeug verteilen wir dann nach belieben.“ Richelieu sah seinen Engel an. Dann beugte er sich zu ihrem Bauch hinunter: „Eigentlich hätten wir gar nicht mitkommen müssen, was? Die Mama hat das ja schon alles im Voraus geplant, wie und wo was steht.“ Richelieu schaute Marie grinsend von unten an und erntete einen schmollenden Blick von ihr. „Nun schau nicht so böse.“, er erhob sich und hob sie auf seine Arme und ging in das bereits fertig eingerichtete Schlafgemach, wo er sie auf das Bett hob. „So, wenn du jetzt gleich immer noch schmollst, dann mach dich auf was gefasst.“ Marie brachte nur ein unverhohlenes Lachen raus. Doch dann beugte sie sich seinem Willen und vor allem seinem Verlangen. ********************************************* Es war spät am Abend als Richelieu hinunter in die Küche ging und etwas zu essen bestellte. Die Köchin war nicht gerade erfreut darüber, doch der Gedanke, am Ende der Woche mit Geld nach Hause zu kommen, trieb sie zum Herd. „Ich werde es nach oben bringen lassen, in den Speisesaal.“ „Nein, nicht dorthin. Bringt es in das Kaminzimmer.“ „Wie Monsieur wünschen.“ Die Köchin verneigte sich, doch Richelieu hatte ihr schon den Rücken zugewandt und war schon wieder aus der Küche hinaus. Auf dem gang begegnete er Rochefort. „Bonsoir, Eminenz.“ „Bonsoir Rochefort. Was treibt Ihr euch noch so spät hier in den Fluren herum ? Könnt Ihr nicht schlafen?“ „Nein Eminenz. Nicht wirklich. Es liegt vielleicht am neuen Bett.“ „Nun, dann solltet Ihr es schnellst möglichst einlegen.“, grinste Richelieu den Mann an. „Das werde ich tun, Eminenz.“, Rochefort verneigte sich leicht. Seit Richelieu wieder da war, machte er seinen Diener auch wieder in Anwesenheit von Marie. Was sein Rücken ihm mit Schmerzen dankte. „Nun, wir sehen uns sicherlich morgen früh, Rochefort. Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht.“, Richelieu schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und ging dann weiter. Doch nach ein paar Schritten drehte er sich noch einmal zu seinem Vertrauten um: „Ach ja, falls Euch noch der Hunger überkommen haben sollte, dann geht nur schnell hinunter in die Küche. Die Köchin bereitet mir und meiner Frau auch gerade einen kleinen Mitternachtsimbiss zu. Sagt Ihr, dass sie Euch auch etwas geben soll. Sofern Ihr natürlich Hunger habt. Ich will Euch schließlich nicht zum Essen zwingen. Adieu.“ Schon war Richelieu in der dem schwach von Kerzen beleuchteten Gang verschwunden. Rochefort schaute seinem Herrn leicht irritiert hinterher. Es war nicht zu übersehen, dass Richelieu furchtbar gute Laune hatte. ‚Kein Wunder!’, dachte sich Rochefort, ‚Seit er wieder zurück in den Armen von Marie ist, kann er wieder in Ruhe schlafen. Sie tut ihm eben gut. Und jetzt sind sie hier ungestört von jedem Besuch.’ Rochefort unterdrückt den kleinen Anflug von Eifersucht und Neid. Er gönnte es seinem Herrn. Richelieu war jung, attraktiv und intelligent. Er war begehrt bei den Frauen am Hofe und es wurden unter ihnen schon Wetten abgeschlossen, wer ihn als erste verführen würde. Doch Rochefort wusste, dass Richelieu nur bei einer Frau schwach werden würde: Und zwar bei seiner eigenen! Bei seiner Marie. Und außerdem würde er ja jetzt bald Vater werden. Im Grunde hinterging sein Herr noch nicht einmal Gott. Schließlich war er mit Marie nun verheiratet. Und die Priester der Hugenotten heirateten auch. Solange Richelieu Marie lieben würde, würde es Gott sicher auch tolerieren. „Ein wahrer Glückspilz!“, sagte Rochefort zu sich selbst und ging anschließend die Treppe hinunter in die Küche. ******************************************* „Wo warst du denn solange?“, Marie sah erstaunt zu Richelieu als er zu ihr ins Kaminzimmer stieß. „In der Küche und dann traf ich noch Rochefort. Und da haben wir noch ein bisschen geplaudert.“, erklärte Richelieu und setzte sich zu Marie, die in einer warmen Wolldecke eingepackt auf Kissen vor dem Kaminfeuer saß. Ihr Haare standen ihr wild vom Kopf ab. Doch für Richelieu wurde sie dadurch noch schöner. „Wann kommt denn das Essen?“, Marie legte ihren Kopf auf Richelieus Schulter. „In ein paar Minuten. Warum? Hast du Hunger?“ „Ja. Immerhin esse ich ja für zwei.“ Richelieu legte sich die Wolldecke mit um seine Schulter und zog Marie näher an sich, bis sie beide das Gleichgewicht verloren und Marie mit ihrem Liebsten in den unzähligen Kissen landete. Marie musste lachen. „Was ist, warum lachst du?“, Richelieu schaute sie fragend an. „Nur so.“ „Nur so?“ „Ja. Ich genieß es einfach mit dir hier allein zu sein. Unbeachtet von den Leuten, die deine Stellung kennen. Nur du und ich. Alleine. Wie ein frischvermähltes Ehepaar.“ „Wie eine baldige Familie.“, Richelieu strich Marie über den Bauch. Plötzlich zog er die Hand zurück und schaute Marie an. Sie nickte lächelnd, nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch zurück. „Ich war mir heute Nachmittag nicht sicher, ob es sich wirklich bewegt hat. Deswegen hab ich erst einmal nichts gesagt. Nur du haste s ja nun auch gespürt.“ „Tut das nicht weh, wenn es dich tritt?“ „Nein, nicht wirkli…autsch!“, Marie kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht. „Was ist, was hast du mein Engel?“, Richelieu zog die Hand zurück und Marie hoch. „Alles in Ordnung mit dir?“ Marie nickte: “Ja, alles in Ordnung. Nur das eben tat weh.“ „Was ist denn passiert?“ „Es hat mich geboxt.“, lachte Marie. „Dann ist es wohl ein Junge.“, grinste Richelieu zurück. „Na dann hoffen wir mal, dass er nicht demnächst anfängt mit dem Fechten.“ Marie lehnte sich wieder zurück. Und beobachtete Richelieu, wie er gedankenverloren über ihren Bauch strich und sie liebevoll anblickte. Erst das Anklopfen eines Dieners holte sie zurück in die Realität. Richelieu stand auf, öffnete die Tür und nahm dem Diener das Tablett ab. Keine fünf Minuten später saß er wieder neben seinem Engel. Keiner der beiden sprach ein Wort während sie aßen. Still schauten sie den jeweils anderen ab und an von der Seite verstohlen an. ‚Mit jedem Tag wird sie schöner!’, dachte Richelieu bei sich. Er musste schon mit sich selbst kämpfen, um nicht jeden Tag mit Marie nur im Bett zu verbringen. So wie in stetigem Maße ihre Schönheit wuchs, wuchs sein Verlangen nach ihr. Ihre kindliche Naivität, die sie letztes Jahr noch besaß, wich immer mehr der Verantwortung, die sie nun trug. Lediglich in ihren Augen erkannte man noch das Kind. Und sie ließ das Kind nur raus, wenn sie etwas wollte. Wenn sie ihn wollte! Richelieu wusste selbst, dass er ihr dann nur zu gerne folgte. Er konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen. Er liebte sie einfach viel zu sehr und mit jedem Tag noch mehr. Bei ihr konnte Richelieu sich sicher sein, dass Marie nach der Geburt nicht so aussehen würde, wie all die anderen vornehmen Damen. Und sie würde sich um ihr Kind kümmern. Natürlich würden sie eine Amme, ein Kindermädchen haben, aber Marie würde den Großteil wohl selbst machen. Richelieu wusste es. Es lag ganz einfach an ihrer Herkunft. Denn auch wenn sie jetzt im Hochadel stand, so würde sie ihre Herkunft nie ganz verleugnen können. Doch genau das war das Interessanteste an ihr. War das Interessanteste für Richelieu. Gedankenverloren strich er ihr wieder über den Bauch. „Na, wo bist du mit deinen Gedanken?“, Marie strich ihrem Liebsten sanft über die Wange. „Ich hoffe doch wohl bei mir.“ Richelieu nahm ihre Hand und küsste die Innenfläche. „Nur bei dir mein Engel! Aber das weißt du doch.“ Marie nickte. Wie glücklich er sie mit jedem Treffen, mit jedem noch so kurzen Zusammensein machte. Nie hätte sie es sich träumen lassen. Das Glück war wunderschön und stattlich, in der Form ihres Märchenprinzen zu ihr gekommen. Liebevoll küsste sie seine Stirn. „Ich liebe dich!“ „Ich liebe dich ebenso mein Engel!“ Marie lehnte ihre Stirn an die von Richelieu. „Bald ist es soweit. Bald werden wir eine Familie sein. Und du wirst nachts vom Geschrei geweckt. Ob dich dann der König noch gebrauchen kann?“ „Ich habe keine Ahnung. Aber ansonsten erbitte ich vielleicht zunächst einmal einen Rücktritt. Käme doch dem Kardinal sehr gelegen.“, Richelieu grinste sie an und küsste sie kurz darauf. „Hat der Arzt bei seinem letzten Besuch eine genaue Angaben gemacht, wann es soweit ist?“ „In ungefähr dreieinhalb Monaten. Mitte Juni.“ „Hmm, ist ja doch noch etwas hin. Aber ich kann es kaum erwarten. Und dann möchte ich noch viel, viel mehr Kinder mit dir haben. Am liebsten einen ganzen kleinen Hofstaat.“ Richelieu lachte übermütig, benahm sich selbst wie ein kleines Kind. „Ich freue mich auch.“ „Aber willst du denn überhaupt noch mehr Kinder mit mir?“ „Natürlich. Du bist der Mann meiner Träume. Und sehr sanft.“, sie küsste ihn, „Warum sollte ich also unter den gegebenen Umständen keine Kinder mehr mit dir wollen?“ Sie hatte Recht. Das wusste er. Richelieu zog seinen geliebten Engel von Frau näher an sich heran. Strich ihr sanft die Haare aus dem Nacken. „Ich will für immer mit dir zusammensein, denn so soll es sein. Ich bleib dir treu. Solang wie ich leb. Bei den Sternen ich schwör’s!“ Sanft und liebevoll drückte er ihr einen Kuss auf den Hals. Sie wussten beide in diesem Moment, dass sie die wenigen Tage in ihrem neuen Reich genießen wollten, bevor es wieder zurück ging nach Paris. Sie wollten diesen Moment festhalten und für immer in ihren Herzen tragen. Kapitel 16: Gerüchte -------------------- Kapitel XVI: Gerüchte Die Tage im neuen Palais vergingen wie im Fluge. Es reichte gerade einmal, um im Dorf die neuen Möbel für das Kinderzimmer zu bestellen. Richelieu verfluchte schon im Voraus Paris und gab immer wieder bekannt, dass er nicht dorthin zurück wolle. Am letzten Abend saß Richelieu im Kaminzimmer. Marie schlief schon seit gut zwei Stunden tief und fest. Für sie waren die letzten Tage anstrengend gewesen. Auch wenn sie und Richelieu im Dorf immer und immer wieder eine Pause machten, so war sie am Abend fertig mit sich und der Welt. Richelieu schonte sie seit zwei Tage, was sie zum Demonstrieren bracht, doch ihn nicht erweichen konnte. Es war besser für sie. Die Schwangerschaft wurde immer anstrengender für sie. Und Richelieu wollte kein unnötiges Risiko eingehen, wollte nicht Gefahr laufen, seine Marie und sein ungeborenes Kind zu verlieren. Nun saß er vor dem lodernden Kamin und starrte ins Feuer. Er konnte einfach nicht einschlafen. So sehr er sich auch bemühte. Ein innere Stimme sagte ihm, dass es in Paris nicht mit rechten Dingen zu ging. Das irgendetwas gewaltig schief lief. Er wusste nicht, was es sein könnte. Doch es war beunruhigend genug, dass er mit Marie gar nicht mehr zurückkehren wollte. Er ließ einen Kammerdiener nach Rochefort rufen. „Eminenz, Ihr habt nach mir rufen lassen?“, Rochefort verneigte sich tiefer als es sein Rücken eigentlich erlaubt hätte. „Hab ich Euch geweckt?“ „Nein, Eure Eminenz. Ich habe noch nicht sonderlich tief geschlafen.“ „Wisst Ihr Neuigkeiten aus Paris?“ „Nein, Eminenz.“ „Keine Aufstände, keine Unruhen, keine heimlichen Versammlungen?“ Richelieu schaute Rochefort fragend an. „Nein, Eminenz. Alles ist ruhig.“ „Danke. Ihr könnt wieder schlafen gehen.“ Rochefort verneigte sich und ging rückwärts aus dem Zimmer. ********************************************** Es war sechs Uhr morgens als Marie aufwachte. Allein. Richelieu lag nicht neben ihr. Unruhig stieg sie aus dem Bett und zog sich ihren Morgenrock über. Eine Ahnung ließ sie ins Kaminzimmer gehen, wo sie ihren Geliebten auch fand. Er starrte vor sich hin in die nur noch glühende Asche. Er schien sie gar nicht zu registrieren, denn er zuckte erschrocken zusammen, als er ihre Hände auf seinen Schultern spürte. Er rieb sich die Augen, starrte aber weiter ins Feuer, selbst als sich Marie vor ihn hockte und ihre Arme auf seinen Schoß legte. Sie spürte, dass seine Laune nicht die beste war. „Wie spät ist es?“ „Die Glocken im Dorf schlugen gerade eben sechs.“, antwortete Marie zaghaft. „Hmm.“ Marie kannte ihren Richelieu lang genug. Doch jetzt wurde sie aus ihm nicht schlau. Doch solange er ihr nichts sagen würde, nichts sagen wollte, würde sie auch nicht fragen. Einen unnötigen Streit wollte sie nicht riskieren. „Hast du schon alles zusammen gepackt?“, er fragte sie ganz belanglos. „Ja.“ „Ich auch. Geh noch einmal ins Bett. Es ist noch früh. Und ihr zwei braucht euren Schlaf.“ „Ich kann aber nicht mehr schlafen.“, erwiderte Marie. „Geh trotzdem. Mit großer Sicherheit schläfst du noch einmal ein.“, Richelieu versuchte sie anzulächeln. Doch das Lächeln was er zustande brachte, war nicht von einem einzigen Gefühl geprägt. „Nein, dass tu ich sicherlich nicht.“, Marie stand auf. Richelieu schaute sie an. Er hatte nicht gerade Lust dazu, sich mit ihr zu streiten. Seinen Nerven waren einfach zu dünn gerade dafür. „Warum sollte ich auch. Müde bin ich nicht. Ich nicht, und unser Kind auch nicht.“ „Du gehst auch nicht, wenn ich dich darum bitte?“ „Nein.“, sie schüttelte grinsend den Kopf. „Marie, bitte, ich hab jetzt nicht die Nerven für solche kindischen Wortgefechte mit dir.“ Marie dachte, sie höre nicht recht. „Bitte was? Kann ich denn etwas dafür, wenn du nicht schlafen kannst?“, sie giftete ihn an. „Nein, aber dann musst du mich auch nicht noch nerven, wenn du siehst, dass ich es nicht kann, oder?“ Marie trat auf ihn zu, funkelte ihn böse an: „Mach doch, was du willst. Dann geh ich eben wieder ins Bett. Dann geht dein Kind eben wieder ins Bett. Aber glaube ja nicht, dass du mich heute noch einmal ansprechen brauchst.“ Sie fuhr herum und flüchtete aus dem Zimmer. Richelieu wollte sie aufhalten. Doch sie war zu flink und er zu müde. „Verdammt!“, er fluchte laut genug. Marie hatte es sicherlich gehört. Er wusste, dass er sie mit höchster Sicherheit verletzt hatte, etwas, was er nie wieder tun wollte. Er hasste sich gerade selbst dafür. Und sie konnte nichts dafür. Er musste sich irgendwie bei ihr entschuldigen. Nur wie? Aufs Geradewohl ging er ihr nach. Doch im Schlafgemach fand er sie nicht. Erst im nächsten Zimmer, dem Kinderzimmer. Marie stand am Fenster und starrte die Eisblumen an. Sie bemerkte nicht, wie er ins Zimmer kam und so sprach sie noch immer mit sich selbst: „Wie kann es möglich sein, dass er, nur weil er schlechte Laune hat, mich so erniedrigt? Er hat doch keine Ahnung, wie es um mich bestellt war in den letzten Monaten. Ich habe mir Tag und Nacht Sorgen gemacht, und nun sitzt er wieder so da und zerbricht sich den Kopf. Da ist es doch wohl klar, dass ich mir Sorgen mache. Wieder einmal. Es ist doch wohl klar, dass ich mir um ihn Sorgen mache. Aber anscheinend will es Monsieur nicht verstehen. Warum…“ „Ich schätze es, dass du dir Sorgen um mich machst.“ Marie fuhr herum und sah Richelieu im Türrahmen stehen. Sie ließ ihm einen eisigen Blick zu kommen und schaute wieder aus dem Fenster. Der Blick tat seine Wirkung, denn Richelieu wusste nicht mehr, ob er noch näher an sie heran treten sollte. Der Türrahmen bot in jenem Moment mehr Sicherheit. „Ich schätze es wirklich. Nur im Moment habe ich das Gefühl, dass es in Paris nicht mit rechten Dingen zu geht. Und Rochefort konnte mir nichts genaueres sagen. Verzeih mir, dass ich eben so kalt zu dir war. Du weißt, dass du mir alles bedeutest. Das du und unser Kind, dass ihr beide das wichtigste auf der Welt seid. Was auch immer kommen mag. Ich will euch beide nie verlieren. Und das eben, meine Reaktion eben war sehr dumm.“, er trat nun doch aus dem Türrahmen hinaus und ging langsam auf seinen geliebten Engel zu. Doch Marie rührte sich nicht. Sie schien es glatt zu ignorieren, dass er sich gerade ehrlich bei ihr entschuldigt hatte. Als Richelieu sie erreicht hatte, legte er sanft seine Hände auf ihre Schulter und ihren Bauch. Doch sie rührte sich noch immer nicht. „Nimmst du meine Entschuldigung nicht an?“ Marie sah ihn an. Sie besaß einen Blick, den er nicht deuten konnte. „Ich habe mitbekommen, dass dich etwas sehr in Gedanken versinken ließ, aber ich habe nicht gefragt. Ich konnte mir denken, dass du es mir sowieso nicht sagen würdest. Also ließ ich es eben bleiben. Aber deswegen brauchst du mich nicht so zu behandeln, als wäre ich noch ein Kind. Ich weiß, dass ich jünger bin als du. Doch ich denke, dass es um meine Lebenserfahrungen besser bestellt ist als um deine. Oder bezweifelst du das? Ich liebe dich und ich achte dich. Denn du bist mein Mann. Ich will dich nicht verlieren. Doch ich sehe es nicht ein, mich von dir wie ein Kind behandeln zu lassen, dass sowieso nichts von der Welt da draußen versteht.“ Marie redete in einem ruhigen Ton mit ihm, doch Richelieu ahnte und spürte, dass es unter ihrer Oberfläche gerade mächtig am Brodeln war. Und sie hatte recht. Er hatte sie wirklich behandelt wie ein Kind. Vom Aussehen hatte sie noch so manch kindliches an sich, aber vom Verstand her nicht. Er musste selbst zugeben, dass er eben das des Öfteren vergaß. Zum Leidwesen seiner geliebten Frau. Richelieu beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen sanften aber bestimmten Kuss auf die Stirn. Ein Zeichen dass er sie verstand. „Ich weiß, dass du die Welt verstehst. Dein Verstand ist scharfsinniger als der von so manchem königlichem Berater. Und dafür schätze und liebe ich dich.“ Marie senkte den Blick: „Ja, deine Reaktion und dein Verhalten eben war wirklich sehr dumm. Kein Zweifel. Wie ein sturer kleiner Junge dem man seine Geburtstagsgeschenke nicht verraten hat.“ Richelieu hob ihr Kinn an. „Hey, du grinst ja.“ „Über so ein Verhalten von dir kann man auch nur lachen.“, lachte Marie ihm jetzt entgegen. Sie nahm seine Hand und Richelieu ließ sich bereitwillig mit ins Schlafgemach und ins Bett ziehen. Zärtlich bettete Marie seinen Kopf auf ihre Brust. „Schlaf noch ein wenig.“, beruhigend strich Marie Richelieu seinen blonden Strähnen aus dem Gesicht, „Du brauchst wieder viel Kraft, wenn wir zurück in Paris sind. Ich werde über deinen Schlaf wachen. Ich und unser kleiner Schatz. Wir werden dich vor schlimmen Träumen bewachen. Schlaf ruhig und sicher.“ Ihre Worte hatten für Richelieu eine beruhigende und schläfrige Wirkung. So sehr er sich auch gegen den Schlaf wehren wollte, ihre süße Stimme, ihre Streicheleinheiten und ihr ruhiger Herzschlag ließen es nicht zu. Langsam fielen ihm die Augen zu. Wie aus der Ferne hörte er nur noch Maries Stimme, wie sie ein Schlaflied sang. So süß, so angenehm, so magisch. ******************************************* Die Kutsche war nur noch wenige Meilen von Paris entfernt. Im trüben Licht konnte man schon ein wenig die Stadtmauer erkennen. Marie hatte ihren Kopf an die Schultern Richelieus gelehnt. Solange wie er geschlafen hatte, war sie wach gewesen und hatte einen Gedichtband gelesen. Doch kaum hatten sie Mirabelle und das Dorf hinter sich gelassen, überkam sie die Müdigkeit. Allerdings hielt das Schaukeln der Kutsche sie vom Schlafen ab. So sah sie mit halboffenen Augen hinaus und streichelte gedankenverloren über ihren Bauch. Richelieu las in einem italienischen Theologiebuch über Hexenprozesse. Er wusste, dass seinem Engel das Thema zuwider war, also erzählte er ihr gar nicht erst, worum es im Buch ging. Maries Meinung nach, waren Hexen nur Erfindungen von egoistischen und machthungrigen Männern, die sich in ihrer Position gefährdet sahen. Richelieu vermied das Thema peinlichst. Seine Nerven beruhigten sich langsam. Der Schlaf unter Maries Obhut hatte ihm gut getan. In einer guten Stunde würde er Rochefort in Paris ausschicken, um Informationen zu sammeln. Ganz war das flaue Gefühl in Richelieus Magen dann doch noch nicht verschwunden. Er legte das Buch beiseite und schaute zu seinem Engel hinab. Sie hatte die Augen geschlossen, doch er war sich nicht sicher, ob sie auch wirklich schlief. Wenn ja, würde es doch noch recht langweilig sein auf die letzten Meilen. Rochefort saß beim Kutscher oben auf dem Bock. Michelle, Madame Curée und die Frau von Alexandre mit den Kindern fuhren in der zweiten Kutsche, die Alexandre lenkte und hinter ihnen fuhr. Richelieu seufzte. „Was hast du? Grübelst du schon wieder?“ „Du bist wach?“, Richelieu schaute erstaunt zu seinem Engel hinab. „Ja, ich döse nur ab und an ein wenig. Doch das Rucken der Kutsche lässt einen nicht wirklich schlafen.“ Marie richtete sich auf und sah ihren Mann an. „Was schaust du so?“ „Ich will mich dir nur noch einmal genau einprägen, bevor dich der König wieder voll in Beschlag nimmt und du wieder erst mitten in der Nacht heim kommst.“, sie küsste ihn zärtlich. „Ich will versuchen, dass ich mich loseisen kann von ihm. Immerhin will ich jede Minute mit euch beiden verbringen. Und sicher gehen, dass ich auch bei dir sein kann, wenn es da jemanden drängt, auf die Welt zu kommen. Die Geburt von meinem ersten Spross will ich auf keinen Fall verpassen.“ „Ja, beim zweiten und dritten ist es ja dann auch nicht mehr so spannend, nicht wahr?“, Marie grinste ihn an. „Ganz genau.“, grinste Richelieu zurück. Die Kutsche zuckelte durch die Vororte von Paris und das Gefühl in Richelieus Bauch wurde wieder stärker. Doch er ließ es sich nicht anmerken. Auch dann noch nicht, als sie das Stadttor passierten und nun durch die engen Gassen Paris’ fuhren. Unauffällig beobachtete Richelieu die Menschen auf der Straße und an eine Kreuzung, wo sie kurz hielten, versuchte er einige Worte aufzuschnappen. Doch es gab nichts auffälliges in ihren Gesprächsthemen. Es war der übliche Klatsch und Tratsch von Paris. Das der König von seinen Ministern kontrolliert wird, dass es immer noch keinen Nachwuchs gab, dass der alte Kardinal senil wurde und ein neuer her musste. „Wir sind da.“ Maries Worte rissen ihn aus seinem Lauschangriff. Er hatte kaum noch auf die Umgebung geachtet und auch nicht mitbekommen, wie schnell sie am Palais waren. Rochefort hatte bereits die Tür geöffnet, Richelieu stieg aus, reichte Marie seine Hand und sie folgte ihm. Michelle hüpfte vergnügt aus der zweiten Kutsche. Marie wusste, dass Michelle lieber in der Stadt war. Das Landleben war ihr zu langweilig, wie sie mehrmals in den letzten Tagen Marie unter die Nase rieb. Ihr folgte Madame Curée und Alexandres Frau mit den Kindern. Michelle lief voller Freude neben Marie her und schwärmte davon, wieder in Paris zu sein. Marie hörte ihr zu, doch sie bemerkte, dass Richelieu ihr nicht folgte. Er stand zusammen mit Rochefort noch bei der Kutsche, während die ersten Diener schon herbei eilten, um das Gepäck hinauf zu tragen. „Warte einen Moment Michelle.“ Die Genannte nickte und bleib stehen, während ihre Herrin zu ihrem Mann ging. „Was ist los? Warum kommst du nicht mit rein? Es ist kalt hier draußen und du holst dir noch eine Erkältung.“ Marie legte ihr Hand sanft auf Richelieus Unterarm, er erwiderte die Geste seines Engels mit einem Kuss auf ihre Stirn. „Ich bin gleich bei dir. Geh doch bitte schon hinein. Denke an unseren kleinen Engel. Lass uns nichts riskieren.“, liebevoll strich er ihr über den Bauch. Marie quittierte es mit einem Nicken und folgte Michelle die Stufen hinauf. Richelieu wartete, bis Marie im Palais war, dann beugte er sich zu Rochefort, während er langsam eine Handschuhe abstreifte. „Nun mein lieber Rochefort. Ich habe gewisse Aufträge für Euch.“ Rochefort machte einen seiner nicht rückenschonenden Diener: „Ich erwarte Ihre Befehle, Eure Eminenz.“ „Ihr habt sicher Kontakte. Kontakte, von denen ich nichts wissen will, wohlgemerkt.“; Richelieu schaute Rochefort nicht an, sein Blick schweifte aufmerksam durch die angrenzenden Straßen und Gassen. Vielleicht konnte er ja schon selbst etwas auffälliges ausmachen. „“Rochefort! Ihr werdet diese Kontakte aufsuchen. Lasst Euch alle Informationen bezüglich Paris geben. Ich will alles wissen, alles, was in den letzten Tagen meiner Abwesenheit hier vorgefallen ist. Egal ob es wichtig ist oder nicht. Ich muss wissen, was in den letzten Tagen in Paris vorgefallen ist. Habt Ihr Euch alles gemerkt?“ Rochefort spürte den durchdringenden Blick seines Herrn auf sich ruhen: „Ja, Eure Eminenz. Ich werde es so ausführen wie Ihr wünscht. Darf ich fragen, wozu Eure Eminenz all die Informationen brauchen?“ „Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit meiner Frau und meines ungeborenen Kindes. Irgendetwas stimmt nicht. Das spüre ich. Also fragt nicht weiter, sondern macht Euch auf den Weg.“ Richelieu warf Rochefort einen Lederbeutel zu. Er sollte sich bei seiner Informationssuche damit zu helfen wissen. Rochefort bemühte sich noch einmal zu einem Diener, um kurz darauf ein herbeigeführtes Pferd zu besteigen und davon ritt. ********************************************* Marie packte zusammen mit Michelle ihre Kleider aus, als Richelieu in das Gemach trat und sich auf einem Sessel niederließ. Gedankenverloren spielte er mit einem Gedichtband, dass Marie von Sophie Christin geschenkt bekommen hatte. Still beobachtete er seinen Engel. Auf keinen Fall dürfte er zulassen, dass ihr was passiert. Das wäre sein Ende. Da war er sich ganz sicher. Natürlich würde Rochefort mit Informationen zurückkommen. Die Frage war bloß: Würde die Informationen für ihn von Nutzen sein?! Michelle nahm Marie jedes Kleid ab, was sie ihr reichte. Sie hatte ihrer Herrin streng verboten, sich zu bücken. Nicht in ihrem Zustand! Marie war es recht, so konnte sie ihren geliebten Mann still beobachten. Er war schon wieder in Gedanken versunken. Seit zwei Tagen sah sie ihn nur noch die Stirn runzeln. Jedes Mal hatte sie das Gefühl, sie würde ihn aus wichtigen Gedankengängen reißen, wenn sie ihn ansprach. Warum wollte er ihr nur nichts sagen? Marie bat Michelle, sie alleine zu lassen. Die junge Dienerin verstand, nickte lächelnd und verließ leise den Raum, nicht ohne noch die Tür zu schließen. Marie ging hinüber zu ihrem Liebsten, setzte sich zu seinen Füßen und legte ihren Kopf auf seine Knie. Stille legte sich über den Raum. Marie ertrug es kaum. Sie versuchte sich zusammenzureißen, um nicht laut los zu schreien. Sie war verzweifelt, noch nie hatte sie Richelieu so erlebt wie in jenem Moment. „Ich bin völlig fertig!“ Überrascht schaute Marie Richelieu an. „Was schaust du so, mein Engel?“, Richelieu sah ihren überraschten Gesichtsausdruck. „Geht es dir nicht gut? Willst du dich vielleicht lieber hinlegen?“ Marie schüttelte, mit leicht geöffnetem Mund, den Kopf und ihre dunklen Locken folgen um ihr hübsches Gesicht. Sie war nur perplex von seinem plötzlichen Ausspruch. Erst war er doch so tief in Gedanken gewesen und dann warf er so einen Satz in den Raum und schaute sie noch dabei an, als wäre er nie weit weg in seinen Gedanken gewesen. Manchmal wurde Marie aus ihrem Geliebten nicht schlau. So wie eben jetzt. Sie spürte seinen Lippen auf ihrer Stirn. „Könntest du bitte aufhören, mich weiter so merkwürdig anzustarren. Das steht dir nicht.“ Marie konnte seinen Atem spüren. „Ja, natürlich. Aber du hast mich gerade so überrascht.“, sagte sie kaum hörbar. „Warum das denn?“ Richelieu schaute sie nun ebenfalls überrascht an. „Erst warst du soweit in Gedanken und dann kam dieser Satz von dir.“ „Aha, aber das muss ich jetzt nicht wirklich verstehen, oder?“, er erhob sich und zog Marie mit hoch. Marie schüttelte den Kopf: „Nein, dass musst du nicht.“ „Wärst du mir sehr böse, wenn ich das Abendessen heute ausfallen lasse und gleich zu Bett gehe?“ „Fühlst du dich nicht wohl?“, Maries Blick war voll Sorgen. „Du hättest eben gleich mit hinein kommen sollen, anstatt noch mit Rochefort solange draußen in der Kälte zu stehen.“ „Solange stand ich gar nicht mit ihm draußen. Wenn ich eine Erkältung haben würde, die ich aber nicht habe, dann käme das höchstens von unseren langen Spaziergängen in Mirabelle.“, Richelieu lächelte. „Ich bin lediglich ein wenig müde.“ „Gut, dann werde ich später in der Küche zusammen mit Michelle und Madame Curée essen. Sofern es dir nichts ausmacht.“ Richelieu schüttelte den Kopf. Sanft presste er seine Lippen auf Maries, drückte sie kurz an sich, strich ihr über den Bauch und zog sich dann in das gemeinsame Schlafgemach zurück. Marie ließ die restlichen Kleider liegen und zog sich zu Michelle in die Küche zurück. ************************************* Die Glocken Notre Dames hatten drei Uhr geschlagen. Stille lag über dem Palais, als sich eine hagere Gestalt durch die Flure stahl. Leise öffnete sie eine verborgene Tür und schlüpfte hinein. Keiner bekam die Gestalt mit, die sich da durch die Geheimgänge schlich, um am Ende ins Schlafgemach des Bischofs zu gelangen. Richelieu lag tief und fest schlafend quer über dem Bett. Auf seiner Brust ruhte der dunkle Lockenkopf Maries. „Sie sind so glücklich!“, leise beugte sich die Gestalt hinunter zu Richelieu und stieß ihn vorsichtig an. Zur Antwort gab es ein Gemurmel und eine abwehrende Handbewegung. Noch einmal stieß der Besucher den Schlafenden vorsichtig an. „Eminenz, ich bin es. Rochefort. Ich muss Euch sprechen!“ Langsam öffnete Richelieu seine Augen, doch in der Dunkelheit sah er nur wage Umrisse. Verschlafen rieb er sich die Augen. „Rochefort, es ist mitten in der Nacht!“, flüsterte er so leise wie möglich. „Was tut Ihr um diese nachttrunken Zeit hier und vor allem in meinem Schlafgemach?“ „Ich habe Informationen für Euch, Eminenz!“ Vorsichtig richtete sich Richelieu auf. Mit einem Male war er schlagartig wach. Behutsame bettete er Maries Kopf auf ein Kissen, nicht ohne ein leises Knurren seines Engels als Antwort zu bekommen. „Wartet im Arbeitszimmer auf mich!“ Rochefort tat seinen Diener und verließ in gebeugter Haltung rückwärtsgehend das Gemach. Richelieu indes gab seinem Engel einen sanften und liebevollen Kuss auf die Wange. „Schlaf süß weiter, ich bin bald wieder bei dir.“ Vorsichtig deckte er sie zu und ebenso vorsichtig erhob er sich. Er griff nach seinem roten Morgenrock, streifte ihn sich über und verließ leise Marie. Rochefort wartete schon im Arbeitszimmer. Es gab genügend Sitzmöglichkeiten, jedoch wollte und durfte er sich nicht setzen, ehe es ihm sein Herr erlaubte. Und eben jener betrat gerade den Raum. „Was habt ihr herausgefunden?“ „Putschversuche, Eure Eminenz!“ Richelieu starrte etwas entgeistert seinen Diener an. „Putschversuche?“, er sprach so langsam, als müsste er das Wort erst einmal neu lernen.. „Gegen wen und vor allem warum?“ „Gegen den Kardinal!“ „Gegen den Kardinal?!“, ein hohles Lachen umspielte Richelieus Satz, „Aus welchem Grund denn?“ „Angeblich passt dem König seine Meinung nicht mehr. Es ist wohl auch, weil der Kardinal sich auch immer noch gegen Euch stellt, Eminenz! Er behauptete, dass Ihr Euch die Verletzung selbst zugefügt hättet, und stellte Hauptmann Raoul als Lügner hin. Der König glaubte ihm jedoch nicht. Noch ist er im Amt. Aber aus diversen Reihen habe ich erfahren, dass der Kardinal wohl in den nächsten Tagen und Wochen abgesetzt werden soll.“ Richelieu ging unruhig wie ein wildes Tier im Käfig auf und ab. „Steht schon jemand als Nachfolger für den Ersten Minister zur Debatte?“ „Nein, Eminenz. Es wird noch spekuliert. In den Wettbüros der Stadt setzt man auf Euch, den Bischof von Toulouse und einem Unbekannten aus dem Elsass.“ „Wie hoch sind die Wetten?“ „Man setzt auf den Bischof von Toulouse.“, brachte Rochefort zähneknirschend hervor und rechnete schon mit einem Wutausbruch seines Herrn. „Sehr gut, ich bin also nicht wirklich im Gespräch. Dann wird es Zeit, das Netz auszuwerfen.“, lächelte Richelieu. Er ging zu seinem Schreibpult und zog einen Ledersack heraus, den er Rochefort zuwarf. „Schlaf Euch aus. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Euer Lohn!“ Rochefort fing den Beutel und verneigte sich zutiefst ergeben, doch Richelieu hatte ihm schon den Rücken zugewandt und war auf dem Weg zurück zu Marie. Im Türrahmen drehte er sich noch einmal kurz um: „Lasst Euch das nächste Mal ankündigen und überrascht mich nie wieder in meinem Schlafgemach.“ „Ja, Eure Eminenz!“ Richelieu verließ das Arbeitszimmer und auch Rochefort stahl sich durch einen Geheimgang hinaus. Leise legte sich Richelieu zurück zu Marie und zog sie wieder an sich. Marie ließ einen wohligen Seufzer erklingen. Zärtlich strich ihr Richelieu über die Haare und küsste sie. „Jetzt fängt etwas ganz Neues an, mein Engel!“ Mit den Vorstellungen seines neuen Lebens schlief er ein. Kapitel 17: Brauchbare Informationen ------------------------------------ Kapitel XVII: Brauchbare Informationen Marie wachte am nächsten Tag auf, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Schlaftrunken blickte sie sich um, doch das Bett neben ihr war leer. Sie sah sich um, doch auch die Gewänder ihres geliebten Mannes waren nicht im Raum. Vorsichtig erhob sie sich, schwang die Beine aus dem Bett und streifte sich den Morgenrock über. Sie bekam ihn kaum noch zu, so musste sie ihn lediglich mit den Händen zuhalten, während sie in den angrenzenden Raum, dem Arbeitszimmer, ging. Suchend sah sie sich um. Doch auch hier war er nicht zu finden. Es lag nicht einmal ein Zettel, eine Notiz auf dem Arbeitstisch. Marie ging zu einem langen Seidenband und zog daran. Irgendjemand musste ihr doch sagen können, wohin Richelieu gegangen war und wann man ihn zurück erwartete. Keine fünf Minuten später trat Rochefort ins Zimmer und setzte an zum Diener. „Bemüht Euch nicht, Rochefort. Meinetwegen müsst ihr Euch nicht quälen.“, Marie bedachte ihn mit einem liebevollen Lächeln. „Ich danke Ihnen, Madame!“, lächelte Rochefort zurück. „Könnt Ihr mir sagen, seit wann mein Mann weg ist, wohin und wann er zurück erwartet wird?“ „Madame, er gab mir das hier!“ Rochefort zog einen Umschlag aus einer seiner Brusttaschen und gab ihn Marie. Marie nahm den Umschlag entgegen, ging um den Tisch herum und setzte sich auf den Sessel, der eigentlich nur Richelieu zustand. Sie brach das Siegel und las. „Guten Morgen mein geliebter Engel! Ich hoffe, deine Nacht war ruhig und du hast süß geträumt. Verzeih mir, dass ich schon so früh außer Haus bin und dich nicht geweckt habe. Aber du sahst so friedlich aus und ich wollte dich nicht aus deinen Träumen reißen. Ich weiß noch nicht, wann ich zurück sein werde. Es könnte spät werden. Ich habe einiges im Palast Seiner Majestät zu erledigen. Bitte warte, wenn du sehr hungrig bist, nicht mit dem Abendessen auf mich. Ich liebe dich mein Engel und schicke dir durch diese Nachricht tausend und aber tausend Küsse. Jean PS: Falls du auf die aberwitzige Idee kommen solltest, dass Palais zu verlassen, um Einkäufe zu erledigen oder jemanden einen Besuch abzustatten, dann nimm um Gottes Willen bitte Rochefort mit. Er wird wieder deinen Mann spielen. Ich küsse dich!“ Ein Lächeln trat auf Maries Gesicht. Richelieu hatte sie gerade auf eine Idee gebracht. „Rochefort!“ Der Genannte schaute auf. „Lasst einen Boten zum Palais der Comptesse du Marseillié schicken. Er soll meinen Besuch für ein Uhr ankündigen. Und ihr werdet mich bekleiden.“ „Sehr wohl, Madame!“ Eilends verließ Rochefort den Raum und ließ Marie allein. Diese betrachtete gedankenverloren den Brief. Was konnte er nur für Geschäfte meinen? Sonst bezog er sie immer mit ein. Und er konnte sie unmöglich überraschen wollen. Sie war noch immer am Grübeln, als Michelle ins Zimmer trat. „Madame, ich bringe Euch Euer Frühstück. Monsieur Rochefort ließ verlauten, dass Ihr wach seid. Darf ich Euch dann beim Ankleiden helfen?“ „Oh, guten Morgen Michelle. Ja, folg mir bitte, ich möchte gerne im Salon frühstücken.“ Michelle tat wie geheißen und zwei weitere Diener erschienen kurz darauf im Salon, um den Tisch vorzubereiten. Marie hielt sich nicht lange am Frühstück auf, sie verspürte nicht den üblichen Appetit. Michelle machte es einige Sorgen, doch Marie beruhigte sie. Sie würde sicher noch ein halbes Ferkel bei der Comptesse zu essen bekommen. „Wie Madame meinen.“, antwortete Michelle, die das Haar Maries kämmte. „Möchtest du mich begleiten?“ „Was, ich? Ich soll sie zur Comptesse begleiten? Aber, Monsieur Rochefort begleitet Euch doch, ich wäre doch nicht von Nutzen.“, vor Überraschung über diesen plötzlichen Vorschlag ihrer Herrin, vergaß Michelle völlig das Kämmen. „Er dient nur meinem Schutz. Und ich würde mich schrecklich in der Kutsche langweilen auf dem Weg zu meiner Freundin.“, Marie beobachtete Michelles Gesicht im Spiegel. „ Du wirst einfach eines meiner Kleider tragen, die ich ja jetzt nicht mehr tragen kann. Oh bitte, erfüll mir diesen Wunsch. Ich wäre ernsthaft beleidigt, wenn du ihn mir ausschlagen würdest.“ Michelle starrte ihre Herrin immer noch an. „Aber wenn mich jemand vom Markt erkennt. Eine aus dem Hause Eurer Freundin.“ „Ach was, du hast doch genug Selbstvertrauen, um das durchzustehen.“ Das Lächeln Maries war erweichend und Michelle stimmte zu. Auch wenn ihr dabei mulmig war. Noch nie war sie in einem anderen Palais gewesen. Noch nie war sie außerhalb ihres Standes unterwegs. Und nun sollte sie auch noch Kleider tragen, von denen sie bis jetzt nur träumen konnte. Marie suchte indes im Schrank nach einem passenden Kleid. Es durfte nicht zu aufgesetzt und nicht zu hässlich sein. Es sollte Michelle so darstellen, wie sie war. Als natürliches Mädchen. Sie war so vertieft in die Suche, dass sie nicht bemerkte, wie Michelle plötzlich neben ihr stand. „Madame, dürfte ich dieses tragen?“ Marie schaute erst zu Michelle, dann in die Richtung in die sie zeigte. Auf dem Boden lag ein fliederfarbenes Kleid. Nicht zu schlicht und nicht zu pompös. Genau richtig. Marie nickte und half Michelle kurz darauf in ihr Kleid. „Es steht dir wunderbar!“, lächelte Marie. „Und nun suchen wir für mich weiter. Ich hab immer noch nichts gefunden.“ Sie war frustriert. Ihr passte nichts mehr. Und das würde noch gute drei Monate weitergehen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, war sie jetzt schon froh, wenn alles vorbei war. Und auch erst weit hinten im Schrank fand sie ein Kleid, was sicher passen würde. Sie zerrte es mit Michelles Hilfe heraus und zog sich auch mit ihrer Hilfe an. „Ehrlich, ich kann es kaum erwarten, dass unser Kind kommt!“, seufzte Marie, während Michelle ihr hinten das Mieder zuband. „Jeder freut sich auf Ihr Kind Madame.“ „Ja, aber das meine ich nicht.“ „Wie meinen Madame?“, fragte Michelle verwirrt. „Ich bin froh, wenn ich die Kugel nicht mehr vor mich herschieben muss. Wirklich, so schön wie das Gefühl einer Schwangerschaft auch ist, ich werde es mir noch dreimal überlegen, bevor ich mich wieder dazu hinreißen lasse.“ Michelle musste laut kichern, als sie das von ihrer Herrin zu hören bekam. Und auch Marie konnte sich nicht mehr zurückhalten und stimmt in das Lachen mit ein. „Was gibt es denn so Komisches, dass ich meine Frau und ihre Zofe beim Ausgiebigen Lachen treffe?“ Marie fuhr herum. In der Tür stand Richelieu und grinste sie an. „Eminenz!“, Michelle verneigte sich tief. „Ein schönes Kleid hast du.“, erwiderte Richelieu und ging hinüber zu seiner Frau. „Madame hat es mir gegeben.“ Richelieu schaute Marie an, hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Du bist einfach zu großzügig!“ „Michelle sollte mich darin zur Comptesse du Marseillié begleiten. Ich wollte gerade Rochefort beten, die Kutsche anspannen zu lassen. Und selbstverständlich sollte er mich auch begleiten.“, beeilte sich Marie zu erklären, als sie die Denkfalten auf Richelieus Gesicht bemerkte. „Ich würde dich auch gerne begleiten, wenn es dir nichts ausmacht. Ich hätte einiges mit Sebastian Manuel zu besprechen. Und Michelle du kommst auch mit.“ Michelle knickste vor Richelieu: “Ich werde Monsieur Rochefort Bescheid geben, dass die Kutsche angespannt wird.“ Richelieu nickte nur und Michelle zog sich zurück. Marie setzte sich auf einen Sessel und beobachtete Richelieu. Warum bloß war er so schnell zurück gekommen, wo doch in seinem Brief stand, dass es länger dauern würde. Er schien vollkommen ruhig zu sein. Manchmal noch war er selbst Marie ein Rätsel. Richelieu bemerkte ihr Blicke, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er wollte sie nicht mit den neusten Nachrichten bezüglich des Sturzes des Kardinals belasten. Sie würde es zwar verstehen, allerdings würde sie sich auch aufregen, was ihr und dem Kind nicht gut tat. Zunächst einmal musste er mit dem Compte sprechen. Der Compte wusste genauso gut über die derzeitige Beziehung zwischen dem König und seinem ersten Minister Bescheid, wie Richelieu es selbst tat. Er würde ihn mit großer Sicherheit bei dem Plan des Sturzes unterstützen. „Wir sollten gehen, mein Engel!“, er reichte Marie seine Hand, welche sie annahm. „Versprich mir nur, dass du nicht ständig über die Politik mit dem Compte reden wirst.“, sie blitzte ihn mit ihren dunkelbraunen Augen an. „Ich denke ja, du bist eine Hexe. Jetzt ließt du schon meine Gedanken.“ Marie lächelte und hakte sich bei ihm ein, bevor sie sich von ihm zur Kutsche führen ließ. ****************************************** „Verstehst du? Wenn der Kardinal weg ist, wirst du mehr Einfluss haben.“ „Ich versteh dich ja Richelieu, aber wie willst du es anstellen. Immerhin steht dir noch der Bischof von Toulouse und dieser Niemand aus dem Elsass im Weg.“, der Compte Sebastian Manuel du Marseillié schaute Richelieu skeptisch an. Die beiden Männer waren nach der Begrüßung und dem obligatorischen Kaffeegetränk hinaus in den kleinen Garten des Stadtpalais gegangen. Richelieu hatte dem Compte seinen Neuigkeiten mitgeteilt und war nun mit ihm in eine hitzige Diskussion darüber ausgebrochen, dass viele alte Adlige ihre Privilegien verlieren würden, wenn nur endlich der alte Kardinal verschwinden würde. Beide waren sich einig darüber, dass es Zeit wurde, das neue, junge Adlige die Chance beim König bekamen und Einfluss für neue Reformen hatten. „Über den Bischof mache ich mir weniger Sorgen! Er ist Unmengen. Selbst wenn es ihm ein schmieriger Wirt vorsetzt. Es ist leicht, ihm eine durch Tollkirschensaft gefüllte Praline zu geben. Ein paar nette Worte das es ein Präsent einer guten alten Bekannten sei und er stopft es nur so in sich hinein.“ „Wie willst du den Saft in die Praline bekommen?“ „Rochefort. Er hat da seine Quellen, oder glaubst du wirklich , dass ich mir für einen fetten Bischof die Finger schmutzig mache?“, Richelieu schaute seinen Freund an und schnitt eine Grimasse dabei, worauf der Compte nur lachend den Kopf schüttelte. „Natürlich, Rochefort. Ich sollte dich nicht unterschätzen. Für wann ist das Präsent geplant?“ „Wir haben nun Ende Februar. Der Bischof hat am vierten März seinen Ehrentag. Ich denke, da lohnt es sich, ein nettes Geschenk zu schicken.“ Richelieu war stehen geblieben und schaute auf den Brunnen, der in der Mitte des Gartens stand. Er konnte sein Spiegelbild im Wasser nicht sehen, der Brunnen war zugefroren. Der Compte trat zu ihm heran. „Was geht dir durch den Kopf, mein Freund?“ „Ich habe keinerlei Informationen über den Kandidaten aus dem Elsass. Nicht einmal den Namen und seinen Rang.“ „Nun ja, soviel wie ich weiß, ist es ein frischgebackener Bischof aus Mouhlhausen. Er trägt seinen Titel noch nicht sehr lange. Ich glaube, der Compte de la Gardè sprach von ihm mit dem Namen Marquis Maffei. Er ist wohl verwandt mit der Comptesse Maffei-Cointreau, der Frau des Gouverneurs. Aber mehr weiß ich auch leider nicht.“ Richelieu packte den Compte an den Schulter und umarmte ihn dankend. „Ich danke dir mein Freund. Das ist mehr Information als ich zu hoffen wagte.“ „Schon gut, schön dir helfen zu können.“, der Compte kratzte sich verlegen am Hinterkopf, „Aber nun sag mir, wie willst du ihn aus dem Weg räumen und vor allem, wie willst du die alteingesessenen Adligen verdrängen, um Platz für uns Jungspunde zu schaffen?“ „Ehrlich, was diesen Maffei angeht, habe ich noch keine Ahnung. Ich werde Rochefort schicken, damit er ihn ein wenig ausspioniert. Dann sehen wir weiter. Was die Alten betrifft werden wir auf die gute alte Methode der Intrigen zurückgreifen müssen.“ „Intrigen?!“ „Ja Intrigen. Wir werden hier und dort ein wenig lauter sprechen, auf das unser nettes Dienstpersonal auch ja mithören kann. Wir wissen doch beide, dass es sich vor allem die Küchenmägde nicht nehmen lassen, unsinnige Gerüchte auf dem Markt breit zu tratschen. Wenn die gackernden Hühner erstmal angefangen haben, werden sie nicht so schnell aufhören und es wird nur eine kurze Frage der Zeit sein., bis es ein Adliger oder ein Geistlicher in seiner Kutsche aufschnappt. Dann drehen sich ein paar Räder und der König wird denken, dass die Alten nur Verbündete des Ersten Ministers waren. Nicht sehr schön, wer unterstützt denn dann Seine Majestät und seinen neune Minister?“, Richelieu erklärte alles seelenruhig und der Compte nickte dann und wann. „Und dann kommen wir ins Spiel. Wir werden hinter dir stehen und treu ergeben deine Politik unterstützen. Sehe ich das richtig, Richelieu?“ „Ja, ganz genau. Von jeher hat der neue Minister seine Freunde mit hinein in den Hofstaat des Königs gebracht. Warum sollte es bitte bei mir anders sein?“ „Du weißt, dass du auf mich zählen kannst. Auch der Compte Ristori und der Marquis Beauville wird hinter dir stehen. Und wenn Beauville hinter dir steht, dann auch der Marquis Van Neckar, der Marquis Scallsi und der Compte Ranieri. Vor allem Van Neckar wird dir noch mehr Ansehen bringen.. Seine Schwester ist seit langem die Mätresse Seiner Majestät. Und vor kurzem hat sie ihm einen Jungen geschenkt. Wo doch seine Frau bis jetzt noch nichts zustande brachte.“ „Stimmt. Im Übrigen kann ich diese Österreicherin nicht leiden.“ Richelieu verzog das Gesicht. Schon als er die Gemahlin des Königs das erste Mal sah, war sie ihm mehr als nur unsymphatisch. Sie war verzogen, wie es nur die Österreicher waren und ihre Beziehungen zu einem Engländer machten es auch nicht besser. „Ich denke, wir sollten uns wieder hinein begeben. Schau, deine Marie schaut schon am Fenster.“ Richelieu schaute auf und lächelte. „Wenn sie jetzt böse ist dann auch zu Recht.“ Der Compte schaute ihn fragend an. „Ich habe ihr versprochen, nicht mit dir nur über Politik zu reden.“ „Na dann. Ich hoffe, sie wird dir kein allzu großes Donnerwetter bescheren.“ Richelieu nickte und folgte seinem Freund hinein in das Palais. ********************************************** Marie saß vor dem Frisiertisch und kämmte sich die Haare. Sie fühlte sich sehr müde. Der Tag war anstrengend gewesen und schon auf der Rückfahrt war sie weggedöst. Sie wusste, dass Richelieu mit dem Compte über Politik gesprochen hatte, doch sie sagte dazu nichts. Sie hatte es sowieso geahnt. Warum sonst, hätte er sie begleiten sollen. Trotzdem hatte er sich zurückgehalten, als sie und die Comptesse mit im Raum saßen. Stattdessen sprachen sie dabei über eventuelle Kindernamen und welche Lehrer später einmal in Frage kämen. Michelle hatte zusammen mit dem Kindermädchen der Comptesse auf Laurien und Julie aufgepasst und gespielt. Und Marie dachte sich innerlich, dass sie Michelle bitten würde, auch auf ihr Kind aufzupassen. Sie wollte keine fremde Amme und später Kinderfrau bei sich im Haus. Sie vertraute Michelle. In nächster Zeit würde sie noch mit Richelieu drüber sprechen. Doch unter keinen Umständen würde sie es sich ausreden lassen. Marie würde ihren Willen bekommen. Richelieu war derweil in seinem Arbeitszimmer beschäftigt und gab Rochefort letzte Instruktionen. „Bereitet alles für das Präsent vor. Ich dulde keinen Fehler in dieser Angelegenheit. Immerhin geht es um die Zukunft meiner Familie.“ „Ja, Eminenz!“, Rochefort machte einen Diener. „Und was diesen Marquis Maffei angeht, werdet Ihr, nachdem Ihr das Präsent in Auftrag gegeben habt, sofort nach Mouhlhausen reiten und Nachforschungen anstellen. Ihr habt alles verstanden?“ „Ja, Eminenz! Alles. Ihr werdet zufrieden sein. Ich werde Euch keine unangenehmen Überraschungen bringen. Auf keinen Fall möchte ich das Glück Euer Familie aufs Spiel setzen!“, wieder machte er seinen Diener. „Du bist barbarisch.“ Richelieu drehte sich um und sah seinen Engel in ihrem Morgenrock im Türrahmen stehen. Auch Rochefort schaute auf, setze aber sofort wieder an zu einem Diener. „Nein, nicht Rochefort. Ich habe es Euch schon dutzend Male gesagt, dass ihr Euch nicht ständig vor mir verneigen müsst, nur weil ich den Raum betrete.“ „Engel, das gebietet die Höflichkeit!“, kam es von Richelieu. „Und trotzdem bist du barbarisch. Der arme Kerl hat es mit dem Rücken, des wegen schaut er auch immer so steif. Wenn er noch länger für dich dienen soll, solltest du ihn nicht mehr allzu oft zu seinen Verbeugungen nötigen. Oder zumindest ein Kopfnicken akzeptieren.“ Richelieu schaute von Marie zu Rochefort und wieder zurück, bevor er mit den Schultern zuckte. „Von mir aus. Ihr habt meine Frau gehört Rochefort. Nicken reicht aus. Nun denn, ich denke, Ihr habt gut zu tun.“ „Jawohl, Eminenz. Ich danke Ihnen Madame. Eminenz!“, Rochefort nickte nur noch und verließ den Raum: Marie setzte sich bei Richelieu auf den Schoß. „Was hat er denn um diese Uhrzeit noch zu tun?“ „Hm, magst du das wirklich wissen?“, er strich ihr durch das Haar. „Schon.“ Richelieu wusste, dass sie es sowieso herausfinden würde. Und bevor da noch ein paar Unwahrheiten dazu kamen, so sollte Marie lieber die komplette Wahrheit aus seinem Mund hören. Er zog seinen Engel ein wenig enger an sich und erklärte die Arbeit Rocheforts in kurzen und klaren Umrissen. Marie nickte hin und wieder, hakte noch einmal nach. Richelieu wusste, dass sie es verstand. Sie war schlau und clever genug dazu. Er bemühte sich, ihr die Sorgen wegzunehmen, die sie trotz dieses sicheren Plans hatte. „Es wird gut gehen.“ Richelieu schaute sie aufmunternd an. „Ich weiß. Aber wir sollten ins Bett. Morgen musst du wieder früh raus und der Plan wird dich ebenfalls Kraft kosten.“ Marie stand auf und zog Richelieu mit ins Schlafgemach. Sie legte den Morgenrock ab, spürte kurze Zeit später die warmen und kräftigen Arme ihres Liebsten. Mit ihm hinter sich ging sie zum Bett, bettete ihren Kopf kurz danach auf seine Brust. Sie schmiegte sich so eng an ihn, wie es ihr Bauch zu ließ. „Du kannst froh sein, das du so gut mit de Compte stehst.“ „Ich weiß. Seine Informationen über diesen Maffei sind mehr als nur brauchbar. Sie sind meine Einladung zum Ersten Minister.“ Richelieu strich Marie zärtlich über den Rücken. Spürte, dass sie immer ruhiger wurde und entspannter. Als er ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge hörte, wusste er, dass sie eingeschlafen war. „Träum süß!“ Er zog die Decke noch ein wenig höher über Marie und sich, schloss die Auge und träumte von der neuen Zukunft zusammen mit Marie und seinem Kind. Kapitel 18: Vorahnungen ----------------------- In den nächsten Wochen war Richelieu mehr zuhause als Marie gedacht hatte. Nachdem Rochefort nach Mouhlhausen aufgebrochen war, um Informationen über den Marquis Maffei herauszufinden, war Richelieu nur noch vormittags im Palast Seiner Majestät zu gegen. Marie überlegte, wie er es so aushielt. Immerhin bekam er auch sehr viele Informationen von dort. Doch ihr Liebster beruhigte sie. Er hätte genügend Informanten im Palast, die ihn auf dem Laufenden hielten. Man würde ihn außerdem sowieso nicht vermissen. Zwar sank der Stern des ersten Ministers, doch das hielt den König noch lange nicht davon ab, ihm weiterhin sein Vertrauen zu schenken. Man musste als weiterhin Gerüchte verstreuen. Marie fand diese Gerüchte teilweise zum Schreien komisch. Kurz nach dem Aufbrechen Rocheforts in den Elsass unterhielt sie sich lautstark mit Richelieu über den Compte Beaufort und seine Gattin. Der Compte würde wohl angeblich Orgien treiben, während seine arme Gattin doch nebenan sitzen und sticken würde. Mittlerweile war das Gerücht in ganz Paris verbreitet und hat die wildesten Ausmaße angenommen. So würde der Compte es nun mit der eigenen Schwester und der Tochter seines Bruders treiben und seine Frau hätte sich wohl für ein Benediktinerinnenkloster in den Ardennen entschieden. Jedoch müsste sie zur Aufnahme wohl doch noch den Vorsteher überreden, was ihr ob ihrer Verklemmungen sehr schwer fiele. Als Marie das Gerücht zum ersten Mal zu Ohren bekam, musste sie laut auflachen. Die Köchin Curée, die es ihr ahnungslos erzählte, war völlig verwirrt gewesen ob der Reaktion ihrer Herrin. Und auch Richelieu musste mehrmals nach Luft schnappen, als Marie es ihm erzählte. Nie hätte er gedacht, dass es so glatt laufen würde. Kaum war das Gerücht öffentlich geworden, musste der Compte den Hof verlassen und auch seine Gattin wurde von den Kaffeerunden der Königin ausgeschlossen. Doch durch die Wildheit des Gerüchts mussten sie nun auch schon die Stadt verlassen und hatten sich auf ihr Schloss in der Provence zurückgezogen. Und so zog sich die Schlinge immer enger, um den Hals des ersten Ministers. Es war der sechste März als Richelieu in seinem Arbeitszimmer saß mit Marie auf seinem Schoß. „Sag mir, wenn ich die zu schwer werde!“, meinte Marie beiläufig, als sie ein Buch von ihm in die Hände bekam und es durchblätterte. Es war voller Zahlen. Das Finanzbuch. „Keine Sorge, ich bin ja nun nicht aus Zucker gemacht.“ „Nun, aber aus Stein bist nun auch nicht. Sind das die aktuellen Finanzen?“ „Ja.“ Richelieu schaute von einer Depesche auf. Seit kurzem beschäftigte sich sein Engel mit dem privaten Finanzhaushalt. Es war erstaunlich, wie schnell sie es begriffen hatte. Täglich gab sie ihm nun einen Zettel mit den aktuellen Tagesausgaben, die er dann in das Buch eintrug. „Hast du heute noch nichts eingetragen?“, fragte sie. „Nein, wenn du magst, kannst du es gerne tun.“, lächelte er. Marie stand auf, nahm sich die zweite Feder die auf dem Arbeitstisch von Richelieu lag und tauchte sie fein säuberlich in die Tinte, bevor sie mit einem leichten Krächzen die Zahlen niederschrieb. Richelieu streckte sich. Sie saßen nun schon gute drei Stunde hier, Marie hatte sich wieder von seinem Schoß erhoben. Er sah Depeschen durch und sie suchte weiter nach guten Gerüchten, die sie aufschrieb. Da Maries Freundin die Comptesse Sophie du Marseillié durch ihren Mann teilweise über Gerüchte informiert war, war es für Marie kein Hindernis von weiteren interessanten Informationen zu berichten. „Au!“ Richelieu sprang auf und eilte zu seinem Engel. „Was hast du? Tut dir was weh? Ist es soweit?“ „Nein. Mir geht es gut. Und das Kleine wird erst in gut zehn Wochen kommen. Kein Sorge!“ „Aber du hast dir doch was getan, sonst hättest du wohl kaum aufgerufen.“ Marie ging um den Tisch herum und auf ihren Liebsten zu. „Mir geht es gut. Das Kleine hat nur in die falsche Richtung getreten.“ Richelieu strich ihr über den stetig wachsenden Bauch. „Doch ein Junge. Aber hörst du, du darfst deine Maman nicht allzu sehr ärgern.“ Er schloss dir Arme um seine Liebste, hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen, den Marie nur allzu gerne erwiderte, bevor das Ungebornen sie erneut trat. „Au, jetzt ist aber mal Ruhe!“ Richelieu lächelte. Er war sich nicht sicher, ob sich der Arzt nicht vielleicht im Monat geirrt hatte. Anscheinend hatte es sein Kind sehr eilig auf die Welt zukommen. Er zog Marie vom Schreibtisch weg hinüber zum Sofa, das in der Ecke stand. Er legte ein Bein gegen die Lehne, das andere stand auf dem Boden, sodass Marie sich bequem an ihn lehnen konnte. Sie strich weiterhin über ihren Bauch, um ihr Kind zu beruhigen. Sie spürte, dass es ihm zwar gut ging, ihm jedoch irgendetwas nicht passte. Der Arzt hatte beim letzten Besuch allerdings auch gesagt, dass das Kind irgendwann seine Lage ändern würde. Das es das jedoch mit soviel Boxen und Treten tat, war ihr gar nicht in den Sinn bekommen. Anscheinend aber hatte es wieder eine passendere Lage gefunden, denn es hielt still. Marie atmete erleichtert auf. „Ist es wieder ruhig?“, fragte Richelieu. „Ja, und ich bin nicht böse drum.“ „Haben wir denn nun schon einen Namen?“ Marie schüttelte den Kopf. Sie hatten zwar vor kurzem über Namen gesprochen, aber in dem ganzen Trubel der letzten Tage, war das ganze wieder völlig untergegangen. „Hast du denn eine Idee?“, sie wand den Kopf ein wenig, um ihren Gatten anzuschauen. „Bei einem Jungen würde ich gerne zumindest einen Namen von mir mit bei haben.“ „Dann aber Armand. Jean heißt jeder zweite Junge in ganz Paris.“, lachte sie, „ Und noch irgendeinen Vorschlag?“ „Hm, im Moment nicht, nein. Oder hast du noch einen?“ „Nun ja, ich würde ihm gerne den Namen meines Vaters geben.“ „Und wie hieß er?“ „Luc!“ „Ein schöner Name. Dann wird er eben Luc Armand heißen. Nach seinem Großvater und seinem Vater.“, grinste Richelieu. Es war eine beschlossene Sache, denn Marie nickte. „Und bei einem Mädchen?“, fragte sie nun. „Wie hieß denn deine Mutter?“ .Charlotte Und deine?“ „Susanne.“ „Charlotte Susanne. Was denkst du?“ „Der Namen klingt komisch.“ „Was ist mit Alexandrine?“ „Alexandrine Charlotte?“ „Charlotte Alexandrine.“ „Ja, das klingt schön. Dann lassen wir es dabei. Entweder Luc Armand oder Charlotte Alexandrine.“ Marie schaute an die Decke. Zu gerne wüsste sie, wie es jetzt im Palais Mirabelle aussah. Ob das Kinderzimmer schon fertig war und ihr eigener kleiner Salon. Sie seufzte tief. „Was hast du?“, Richelieu schaute sie leicht besorgt an. „Nichts. Ich dachte nur an unser Mirabelle. Wie es jetzt wohl ausschaut. Zu gerne würde ich es wieder sehen. Könnten wir nicht wieder einmal hin fahren?“ Marie richtete sich auf, sodass sie ihren Geliebten besser sah. Doch sein Gesichtsausdruck war nicht gerade der positivste. Im Gegenteil: Er schaute sogar ziemlich böse drein, Marie konnte sich seine Antwort schon denken. „Also nein?“ Richelieu schüttelte den Kopf. „Nicht einmal für drei Tage?“ Wiederum erfuhr sie nur ein Kopfschütteln, was Marie veranlasste, auf den Boden zu schauen. „Und warum nicht?“ „Erstens wegen dir und zweitens wegen der Arbeit!“ „Aha. Aber mir und dem Kind geht es gut!“ „Die Arbeit, Liebes!“ Marie stand auf, ging ein paar Schritte, bevor sie weiter leise nachhakte: „Es sind doch schon soviel Intrigen und Gerüchte momentan im Umlauf. Was willst du denn noch tun? Mir fällt schon nichts mehr ein ob der Kreativität des Hauspersonals. Die Gerüchte verselbständigen sich so dermaßen, wie du es dir nie hättest besser wünschen können.“ Richelieu schaute sie an. „Marie, ich werde kaum etwas erfahren, wenn ich auf dem Land weile. Es ist für mich schon unerträglich genug, dass Rochefort immer noch nicht aus dem Elsass zurück ist.“ Marie wurde gereizter, und ging unruhig hin und her. Ihre Schritte schepperten geradezu auf dem Parkettboden. Es war nervtötend für sie, hier zu verweilen. Natürlich hatte sie ihren Liebsten hier. Aber trotz allem fiel ihr die Decke fast nun schon stündlich auf den Kopf. Mit einem Ruck drehte sie sich zu Richelieu um, der immer noch auf dem Sofa lümmelte. „Schreib Rochefort eine Depesche und sag ihm, wo wir uns in den nächsten drei bis vier Tagen aufhalten werden. Dann weiß er, wohin er seine Nachrichten zu senden hat oder wohin er selbst reiten muss.“ Richelieu stöhnte auf. Ihm war schon zu Beginn der Diskussion bewusst gewesen, dass sich Marie nicht so leicht mit einer einfachen Antwort abspeisen lassen würde. Im Grunde hatte er nicht einmal selbst Lust, sich mit ihrem Sturkopf auseinander zu setzen. Nachgeben wäre sicher die einfachste Möglichkeit, seine Gattin zufrieden zu stellen. Erneut, aber resignierend stöhnte er auf, rieb sich die Stirn, schwang die Beine wieder auf den Boden und ging zu ihr. Sanft strich er ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht, küsste sanft ihre Stirn. „Also gut, mein Liebling. Wenn es dein Wunsch ist, so werden wir morgen Vormittag aufbrechen nach Mirabelle. Einverstanden?“ Marie schaute ihn an. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, aber sie brach nicht wie sonst in überschäumende Freude aus. Sie gab lediglich Richelieu einen sanften Kuss auf die Wange und entschuldigte sich dann mit den Worten, zusammen mit Michelle packen zu wollen. Richelieu ließ sie ziehen. Wahrscheinlich würde die Freude erst heute Abend kommen oder morgen während der Fahrt. Entspannt und froh, dem Streit fast gänzlich aus dem Weg gegangen zu sein, begab er sich wieder an seinen Schreibtisch und schrieb an Rochefort über die bevorstehende Kurzreise. ******************************************** Schweigend hatte sich Marie zu Bett begeben. Schon den ganzen Nachmittag über war sie immer stiller geworden, sodass es Richelieu beinahe schon mit der Angst zu tun bekam. Vorsichtig schob er sich an sie im Bett heran, strich ihr durch das lockige Haar. „Ist alles in Ordnung mein Engel?“ Marie nickte. „Du bist so schweigsam. Was hast du nur?“ Marie rollte sich von der Seite auf den Rücken und schaute ihren Liebsten an. „Vielleicht…“ „Vielleicht?“ „Vielleicht hattest du Recht wegen der Reise. Vielleicht sollten wir hier bleiben. Im sicheren Paris.“ Richelieu setzte sich auf. Schon wieder einer ihrer Sinneswandel; “Aber wie kommst du denn nun darauf?“ „Na wegen dem Kind.“ „Marie?!“ Sie wich seinem Blick aus. „Marie, der Arzt kommt doch mit. Sonst hätte ich dem Unternehmen wohl kaum zugestimmt.“ „Aber deine Arbeit!“ „Die kann ich auch in Mirabelle machen.“ „Und die Intrigen!“ „Die können, wie du bereits heute Nachmittag eindringlich mir versichert hast, warten. Schließlich sind im Moment genug im Umlauf.“ Marie holte Luft, doch ihr fiel kein Argument mehr ein. „Sag mir, was hast du?“, Richelieu sah sie eindringlich an. „Nichts.“, sie wandte den Blick erneut aus. „Marie Valerie Duplessis de Richelieu!“ « Ich ahne nur etwas. » „Was ?“ „Das etwas Schlimmes passieren wird.“ „Was sollte denn Schlimmes passieren?“, er runzelte die Stirn. „Ich weiß es nicht. Aber ich habe das Gefühl, das irgendetwas uns auseinander reißen wird. Vielleicht nicht heute oder morgen oder die nächsten Tage und Wochen, aber es wird kommen.“ Zärtlich zog Richelieu seinen Engel an sich, strich ihr über den Rücken. „Nichts wird passieren. Nie wird uns etwas trennen können.“ Marie schwieg. Sie betete dafür, dass er Recht haben möge, bevor sie einschlief. ******************************************** Die Kutsche ratterte die von Kies bedeckte Auffahrt zum Schloss Mirabelle hinauf. Gespannt lehnte sich Marie aus dem Fenster und strahlte über das ganze Gesicht. „Schau nur, schau! Da kann man es das erste Mal sehen.“ Richelieu lachte auf, sie war so aufgeregt wie ein kleines Kind. „So schau doch. Die Fassade wurde neu gestrichen. Strahlendes Weiß!“ Richelieu beugte sich nun auch raus und was er sah, verschlug ihm fast die Sprache. Das alte Jagdschloss, das vor ein paar Wochen noch recht trostlos von außen gewirkt hatte, strahlte nun. Wenn es nun schon so von außen aussah, wie mochte es dann nun drinnen aussehen? Lediglich der kleine Salon und das Schlafzimmer von ihm und Marie waren schon fertig gewesen beim ersten und letzten Besuch. Nun konnte es auch Richelieu nicht mehr erwarten, endlich da zu sein. Selbst die anfangs unbändige Wildnis links und rechts der Auffahrt schien nun schon halbwegs gezähmt. Das Unkraut war zu Gunsten von bunten Frühblühern gewichen und ein paar immergrünen Sträuchern. Und dazu strahlte die Aprilsonne vom Himmel. Als die Kutsche anhielt, sprang er geradezu heraus, nur um kurz danach Marie heraus zu helfen. Beide warteten gar nicht erst auf die bereits vorhandene Dienerschaft, sondern öffneten selbst das Portal und stolperten geradezu in die Eingangshalle. „Du meine Güte!“, entfuhr es Marie. „ Das komplette Deckengemälde wurde erneuert. Sieh nur, die kleinen filigranen Engelsfiguren.“ Richelieu folgte ihrem Blick und konnte ihr Staunen nur allzu gut verstehen. Die Farben erstrahlten in einem vollkommenen Glanz, nicht mehr so trostlos wie noch vor einigen Wochen. Mit gehobenem Kopf ging er in Richtung Freitreppe und zog seine Frau mit. Beide gingen ehrfürchtig durch die restaurierten Räume. Alle Räume strahlten durch den erneuerten weißen Stuck der Decken. Es gab neue Tapeten aus Stoff in den unterschiedlichsten Mustern von floral bis gepunktet. Marie blieb des Öfteren der Mund offen stehen. „Man hat wirklich wunderbare Arbeit geleistet! Es ist so wunderbar und traumhaft geworden.“, schwärmte Marie. „Am liebsten mag man gar nicht mehr hier weg.“, schmunzelte auch Richelieu. „Nun ja…“ „Nun ja was?“, er schaute seine Liebste an, kannte ihren Blick, wenn sie etwas plante nur allzu gut. „Das Kind kommt in gut zwei Monaten. Der König fährt doch auch demnächst auf seine Landgüter über den Sommer. Warum sollten wir das nicht auch tun.“ „Wir sind bereits auf dem Land, Engelchen!“ „Genau, und da du mittlerweile genug Leute auf deiner Seite hast, kannst du doch auch hier bleiben, sie begleiten den König und wir genießen unseren Urlaub.“ Richelieu dachte einige Augenblicke nach. Sah dabei in Maries Augen, die sie anblickten wie die eines Hundewelpen. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee. „Och bitte!“ „Ja, du hast wohl recht. Ein paar Tage Urlaub könnten uns durchaus gut tun. Bleiben wir hier. Ich schreib nur eine Depesche an den Compte du Marseillié. Er wird alles weitere in die Wege leiten.“ Kapitel 19: Urlaubsgäste ------------------------ Richelieu erhielt vier Tage nach seinem Urlaubsentschluss und der Depesche an Compte du Marseillié eine Antwort von eben jenem. Dieser versprach, sich um alles weiter zu kümmern. Er wäre ohnehin mit zu den Landausflügen Seiner Majestät eingeladen zusammen mit seiner Frau, daher würde es ihm eh passen. Als Richelieu es gelesen hatte, begab er sich sofort zu Marie, um ihr von der positiven Nachricht zu berichten. „Marie? Marie wo steckst du?“ „Madame ist im Garten, Monsieur!“ „Danke Michelle!“ Er eilte durch den offiziellen Gästesalon hinüber zur Terrasse. Die Sonne schien strahlend von Himmel, sodass Richelieu im ersten Moment geblendet war. Es brauchte ein paar Sekunden, bis er Marie im Garten erblickte. Mitten umgeben von den Gärtnern. „Marie, ich habe gute Nachrichten!“ Sie fuhr herum und winkte ihm: „Komm her, ich muss dir was zeigen!“ Lächelnd ging er die Marmortreppen hinunter und zu ihr hinüber. Die vier neuen Gärtner taten leichte Diener und fuhren in ihren Erklärungen bezüglich der neuen Pflanzen fort. „Wenn Madame möchten, könnten wir diese Sträucher in bestimmte Formen schneiden lassen.“ „Das wäre eine wirklich hübsche Idee, findest du nicht?!“, Marie drehte sich zu ihrem Richelieu um. „Alles was du willst, mein Engel!“ Marie errötete leicht, während die Gärtner ein Grinsen nicht unterdrücken konnten. „Würden Sie uns entschuldigen?“, Richelieu schaute zu seinen neuen Angestellten, welche diskret nickten und sich dann hinüber zu einer Reihe Rosensträucher begaben. „Lass uns ein wenig spazieren gehen!“ Marie nickte und hakte sich bei ihm ein, während sie langsam über den weißen Kies schlenderten und dieser unter ihren Füßen knirschte. „Was gibt es denn?“ „Sébastien hat mir geantwortet.“ „Und?“ „Er versprach, sich um alles zu kümmern. Er und seine Gattin sind wohl selbst bei den Landausflügen eingeladen, von daher kann er alles Weitere in Ruhe dort regeln. Zudem soll ich dich von Ihnen und den Kindern ganz herzlichst grüßen und du sollst recht gut erholen.“ „Das ist wirklich nett von ihnen.“, lächelte Marie. „Wie war dein bisheriger Tag denn sonst?“ „Nun ja, heute Morgen war nach dem Frühstück der Arzt bei mir, und dann erhielt ich eine Nachricht von Madame de Bergerac. Sie würde uns gern für einige Zeit besuchen. Würde es dir etwas ausmachen?“ Richelieu schaute Marie kurz an. Ihm war diese Madame nicht ganz symphatisch, doch wollte er es seinem Engel nicht direkt sagen. Anscheinend mochte sie diese sehr. Zudem sollte sie auch Erholung haben, wozu ein Streit nun jetzt gerade nicht sehr dienlich wäre. Also sollte sie ihren Willen haben. „Warum nicht. Schreib ihr, das ich die Gästeappartement für sie vorbereiten lasse.“ Marie fiel ihm um den Hals. Den Rest des Spazierganges erkundigte sich Richelieu über den Arztbesuch vom Morgen. Anscheinend war alles in bester Ordnung. ************************************************* Die nächsten Tage ließen Richelieu und Marie ins Land gehen. Sie genossen ihre Zweisamkeit bei herrlichstem Wetter. Alle Tage lang schien die Sonne und der Aprilwind war außergewöhnlich warm für dieses Jahr. Marie konnte leichtere Stoffe tragen, was Richelieu jeden Morgen zu einem leichten Zusammenbruch brachte, da er es doch in ihrem Zustand angemessen hielt, sich doch wärmer anzuziehen. Doch sie stand ihm entgegen, da es ja nicht gerade angenehm für ihn wäre, wenn sie aufgrund der warmen Temperatur in ihrem Winterkleidern schwitzen würde. Ein Argument das ihn jedes Mal breitschlug. Nach dem Frühstück erwarteten sie jeden Morgen den Arzt. Doch stets waren es gute Nachrichten. Das Kind sei wohl schon sehr gut ausgestattet mit Kraft und werde sich wohl auch nach der Geburt erstaunlich schnell und gut weiter entwickeln. Daran würde schon jetzt kein Zweifel bestehen. Der Termin der Niederkunft wurde nun ebenfalls immer detaillierter. Es wäre wohl in der letzten Juniwoche soweit. „Ich wünschte nur, der Tag wäre schon da.“, entfuhr es an einem Tag Marie. Richelieu ging es nicht anders. Er wollte einfach seine Familie, sein kleines Kind. Marie entdeckte ihre Leidenschaft für den neuen Garten von Mirabelle. Täglich konnte Richelieu sie im Garten finden und beobachten, wie sie sich mit den Gärtnern unterhielt, sich ihre Vorschläge bezüglich der Gestaltung anhörte. An manchen Tagen legte sie sogar selbst Hand an, wenn es leichte Arbeit war. Sie fand sogar Regenwürmer niedlich, im Gegensatz zu Richelieu, der geradezu die Flucht ergriff, wenn er nur einen über den Kies kriechen sah. Marie fand das nur zum Lachen und konnte es nicht lassen, ihn damit zu triezen. „Es ist nur ein kleiner Wurm.“ „Du sagst es: Ein Wurm!“, kam es trocken von ihm. „Er ist nützlich. Er durchgräbt unseren Rasen und lockert ihn und hält ihn dadurch jung!“ „Vielleicht sollte ich auch mal Regenwurm spielen und dich durchgraben, junges Fräulein!“ Marie verging das Lachen, als er sie an den Hüften packte und sie an sich zog. Ihm entging es nicht und er schaute sie ernst an. „Was hast du?“ „Der Arzt sagt, dass wir vorerst, also bis zur Geburt nicht mehr intim werden dürfen. Wegen dem Kind. Es ist schon zu groß und könnte mich am Ende durch deine Bewegungen verletzen. Das Risiko ist zu groß. Sei bitte nicht böse.“ „Warum sollte ich böse sein? Lieber verzichte ich etwas, als das ich dich und das Kleine in Gefahr bringe.“, sanft gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. Marie war froh über die Reaktion ihres Mannes. „Danke!“ „Schon in Ordnung. Sag, hast du was von Madame de Bergerac gehört?“ „Oh, ja, schon gestern. Verzeih, ich habe vergessen, es dir zu sagen. Sie kommt in zirka drei Tagen hier an. Ich freue mich so.“ „Wie lange bleibt sie denn?“ „Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht so genau. Ein paar Wochen vielleicht?!“ Ein paar Wochen vielleicht?! Musste das sein. Richelieu wandte sich etwas von Marie ab, zog die Stirn kraus. Da erlaubte er schon diese Madame hier und dann nistet sie sich vermutlich auch noch ein paar Wochen ein. „Ich wäre froh, wenn sie auch bei der Geburt dabei sein könnte. Sie ist älter als ich und hatte bereits einmal so etwas durchgestanden.“ „Ach so? Sie hat nie erwähnt, zumindest nicht in meinem Beisein, dass sie ein Kind hat.“ „Es starb nach drei Monaten an einem Fieberkatarrh. Ich kann mir vorstellen, dass keine frau gerne über den Verlust eines Kindes spricht.“ Das war wohl war, wie sich Richelieu eingestehen musste. „Außerdem war sie auch bei ihrer Cousine dabei, als sie schwanger war. Und die hat wohl bis heute schon ein halbes Dutzend entbunden. Es wäre mir einfach eine ungeheure Hilfe, wenn sie auch nur meine Hand halten würde. Das tust du zwar auch, aber ich glaube, allein den Schmerz mit dir durchzustehen, würde ich nicht schaffen.“ Für Richelieu klang das durchaus plausibel. So sehr auch diese Bergerac nicht leiden mochte, wenn es dadurch den Geburtsschmerz für seinen Engel erträglicher machte, sollte sie eben bleiben. ******************************************** An einem Donnerstag im April kam Angelique de Bergerac in Mirabelle an. Marie war außer sich vor Freude und bestürmte ihre Freundin geradezu. „Was freut es mich, dich zu sehen.“ „Und mich erst meine liebe, aber bald kugelrunde Marie.“, lachte Angelique und umarmte ihre Freundin. „Nun ja, in zwei Monaten hab ich es ja überstanden. Zum Glück! Komm, ich zeig dir alles. Rochefort sorgt dafür, dass dein Gepäck in die Appartements gebracht wird.“ „Nun lass sie doch erst einmal richtig ankommen, bevor du sie durch die Räume führst!“, Richelieu war hinaus auf die Freitreppe der Einfahrt getreten. Angelique tat einen tiefen Knicks, während Richelieu auf sie zu kam, ihre Hand nehmend für einen angedeuteten Handkuss. „Willkommen in Mirabelle. Ich hoffe Ihre Reise war angenehm, Madame?“ „Ja, Eure Eminenz. Die Straßen waren dank der leichten Federung der Kutsche durchaus zu ertragen. Vielen Dank der Nachfrage.“, sie wandte sich an Marie, „Es wäre überaus freundlich, wenn du mir das Appartement vielleicht zu erst zeigen könntest. Ich würde mich gerne etwas frisch machen.“ „Natürlich. Komm mit!“, Marie nahm ihre Hand und zog sie an Richelieu vorbei mit sich fort. Rochefort trat zu seinem Herrn. „Ich habe das untrügliche Gefühl, dass ich Madame de Bergerac von irgendwoher kenne.“ „Da seid Ihr nicht der einzige. Mir geht es ebenso. Und ich weiß nicht woher. Allerdings ist sie mir überaus unsymphatisch. Doch kein Wort darüber an meine Frau, Rochefort.“ „Selbstverständlich, Eminenz. Wäret Ihr beruhigt, wenn ich einige Nachforschungen anstellen würde?“ „Nein, vorerst nicht. Warten wir noch eine Weile. Im Moment ist unser Verdacht unbegründet und ich möchte meine Frau nicht in Aufregung versetzen aufgrund eines dummen Bauchgefühls. Doch wenn es soweit ist, werde ich auf Euch zurück kommen. Vielen Dank!“ „Stets zu Diensten, Eminenz.“, Rochefort tat einen Diener, jedoch nicht zu tief, bevor er sich entfernte, um das Gepäck zu verladen. „Wirklich sehr hübsch.“ „Danke! Mein Gatte hat sich wirklich Mühe gegeben mit der Restaurierung. Ich hoffe, du wirst dich hier sehr wohl fühlen, Angelique.“, lächelte Marie. „Das denke ich wohl.“ „Gut, dann mach dich doch etwas frisch und ruh dich aus. Wenn du uns suchen solltest, wirst du uns wahrscheinlich im Garten finden.“ „Gut. Und vielen Dank noch einmal.“ Marie lächelte und entschwand, während sich Angelique auf das Bett fallen ließ. Sie zog die Handschuhe aus, sah sich um. So wohnte nun also die ehemalige Hure Marie. Anscheinend hatte sie es besser getroffen mit Armand als sie selbst vor so etlichen Jahren. Was hat sie, was eine geborene Adlige nicht hatte. Oh natürlich, sie trug ein Balg von ihm unter ihrem Herzen. Wenn es denn von ihm war. Und dann dieses lächeln. So ekelerregend liebenswert. Sie zeigte alles, was Armand früher so abstoßend fand. Woher nur dieser Sinneswandel. Aber sie würde es rausfinden. Egal wie. „Warum lässt du sie so förmlich zu dir sein?“, Marie stellte sich neben Richelieu, der auf einem Terrassenstuhl saß und seine Post durchlas. „ Nun ja, ich kenne sie nun mal nicht so gut wie du. Und bevor ich das nicht tue, bleibe ich dabei.“ „Ach du und deine förmliche Erziehung.“, lachte sie. Doch sie ahnte, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. In solchen Angelegenheiten konnte er überaus dickköpfig sein und sie wollte keinen Streit vom Zaun brechen. Sollte er eben eine ihre engsten Vertrauten nur gut kennenlernen, dann würde er bald wissen, warum sie sie so schätzte. Sie schaute über ihren Garten. Der Rasen war mittlerweile ein sattes Grün und die Blumen strahlten in allen Farben. Im hinteren linken Teil hatte sie einen kleinen Teil des Gartens umgestalten lassen für Obst und Gemüse. In der Stadt war so etwas teuer und warum sollte man es nicht am Ende einfach mitnehmen bei der Abreise zurück in die Stadt. „Heute Morgen sagte mir einer der Gärtner, dass die Salate und Möhren schon langsam die Erde nach oben stoßen würden. Und die Sträucher mit Stachelbeeren, Heidelbeeren und Himbeeren gedeihen wohl auch sehr gut. Und die Bäume stehen auch in voller Blüte und werden eifrig von allerlei Insekten besucht. Wir sollten wohl eine reiche Ernte haben.“ Richelieu nickte, las nebenbei weiter. Die Depeschen hatten im Moment wieder einmal Vorrang, und Marie wusste es. Also ließ sie ihn in Ruhe, setzte sich neben ihn und stickte ein wenig. ************************************************* Am Abend nahmen die drei ein Dîner ein. Die Köchin Madame Curée hatte sich besonders bemüht. „Eure Köchin ist wirklich großartig. Ich wünschte mein Koch wäre so gut. Aber er ist es leider nicht.“ „Ist er denn so arg, Madame?“, hakte Richelieu nach. „Man kann es durchaus essen, aber nicht genießen. Aller drei Tage ist es nun einmal doch das gleich.“, lächelte Angelique. „Nun, dann werde Eure Euphorie etwas dämpfen müssen. Wir essen nicht jeden Tag in solchem Ausmaße. Auch wir wiederholen die Komponenten aller Tage.“ „Jedoch scheint sie sich mehr Mühe zu geben. Anscheinend hat sie auch eine rege Fantasie bezüglich der Anordnung.“ Marie verfolgte die kleine Diskussion. Sie wusste, dass Richelieu es nicht leiden mochte, wenn man alles so lobte, wie es Angelique nun eben tat. Er war bescheidener als alle dachten und übertrug es auch auf seine Dienerschaft. Für ihn war es nur normal, dass sie die Köchin heute eben mehr ins Zeug legte, als an Tagen, wenn er und Marie alleine aßen. Gäste waren eben Gäste und wollten auch als solche behandelt werden. Ohne wenn und aber. „Nun, lass uns hören, wie es dir ansonsten in Paris ergangen ist. Wir sind hier mitten auf dem Land. Uns kommt hier nicht allzu viel zu Ohren, was Gott lob auch sehr erholsam ist. Trotzdem bin ich doch neugierig.“, geschickt lenkte Marie das Thema auf ein unverfänglicheres. Denn die Vorkommnisse in Paris und vor allem am Louvre und dem Hofstaat, an dem Angelique mehrmals die Woche verkehrte, sollte auch Richelieu interessieren. Angelique sprach unbedarft und fröhlich von dem neuesten Tratsch. Mitunter kam es vor, dass Marie und Richelieu sich angrinsen mussten, wenn ein Gerücht auftauchte, dass sie selbst gestreut hatten zu Richelieus Gunsten. De Bergerac ließ sich davon allerdings nicht irritieren, nur ab und an wurde sie gestört durch ein neues Einsetzen der Gänge oder eines Weinservices. Der Abend verging und Marie wünschte ihrer Freundin eine angenehme Nachtruhe, bevor sie selbst ins Bett ging. **************************************************** „Und hat sich dein Bild über sie schon verändert?“, Marie schmiegte sich an ihren Mann. „Nein, noch nicht. Aber ich lass es dich wissen, sobald es soweit ist, mein Engel. War der Abend für dich ansonsten angenehm?“ „Ja durchaus. Ich fand die Gespräche sehr unterhaltsam. Und es tat regelrecht gut, etwas Neues aus der Stadt zu erfahren.“ „Du wolltest ja unbedingt Ferien auf dem Land machen, meine Liebe. Das hast du nun davon: Vollkommene Abgeschiedenheit.“, lachte Richelieu. „Ich habe mich ja gar nicht beschwert. Es war lediglich eine Bemerkung, meiner Liebster.“ Sanft schmiegte sie sich noch näher an ihn, während er ihr sanft über den Rücken mit seiner Hand strich. Marie genoss es sehr, da ihr in den letzten Wochen mehr und mehr der Rücken wegen dem Kind wehtat. Manchmal wünschte sie sich sogar in ihr unliebsames Korsett zurück. Doch sie klagte nicht. Warum auch? Es waren nur kleine Schmerzen, die sie stoisch ertrug. Vor allem wollte sie Richelieu dazu nicht in Sorgen versetzen. Ein kurzer Seufzer entfuhr ihr und pünktlich dazu schreckte Richelieu auf und stand schon wieder halb im Bett. „Was ist? Geht es dir gut?“ „Ja, kein Grund zur Panik. Es war nur mal wieder ein Tritt. Mehr nicht. Es ist nur gerade munter geworden.“ „Sollte es nicht schlafen? Ich meine, es sollte sich doch nach der Mutter richten.“ „Wenn es so einfach wäre.“, lachte Marie auf, „Es ist manchmal tagsüber vollkommen ruhig und wird erst am frühen Abend munter und bleibt die ganze Nacht hindurch aktiv.“ „Ach so?“, Richelieu war erstaunt. Auch deshalb weil Marie in letzter Zeit nicht mehr groß etwas sagte, wenn es trat oder sich um seine eigene Achse drehte. Er glitt wieder ein bisschen zurück auf das Laken und legte vorsichtig seinen Kopf auf ihren Bauch. Er spürte leichtes Boxen und Tritte und musste lächeln. Das ist also sein erstes Kleines. „Hör mal, du darfst die Mama nicht um den Schlaf bringen, hörst du? Sie braucht doch die Kraft, um dich gesund unter uns zu bringen.“, er schaute auf, „Es wird ruhiger!“ „Es wird wohl deine Stimme gehört haben.“, lächelte Marie und gähnte leise. „Schlaft ihr zwei. Ich pass schon auf euch auf.“ „Danke.“, seufzte Marie, schloss die Augen und schlief nach en paar kurzen Minuten ein. Richelieu lag noch einige Zeiten wach. Sanft strich er seinem Engel über den kleinen kugelrunden Bauch. Er freute sich über alle Maßen auf sein Kind. Egal ob es ein Junge oder ein Mädchen sein würde. Er würde es trotz allem verwöhnen und schätzen und respektieren und schützen. Egal was kommen würde, er würde sein Leben für seine Familie geben. Durch das geöffnete Fenster konnte er das Zirpen der Grillen hören, die ihn langsam aber sicher in den Schlaf schickten. Kapitel 20: Ein kleiner Bauerhof in Mirabelle --------------------------------------------- Kapitel XX: Ein kleiner Bauernhof in Mirabelle Die Wochen vergingen in ruhiger und angenehmer Weise für Richelieu, Marie und ihrem Dauergast Angelique de Bergerac. Von Zeit zu Zeit kamen Sébastien Compte du Marseillié und seine Frau Sophie herüber, wenn sie von dem König genug hatten, was aller paar Tage der Fall war. Die Damen verbrachten die Tage im Garten, von dem sich Marie nicht mehr trennen konnte. Nahezu aller paar Stunden erkundigte sich Marie nach den Blüten und vor allem nach ihrem kleinen Nutzgarten. Die Gärtner nahmen sie gerne mit, was Richelieu dazu brachte, Marie zu sagen, dass sie wohl Gärtnerin ehrenhalber werden würde. Doch selbst das würde sie nicht stören. Die Gärtner waren erstaunt, dass eine so elegante Dame sich um ihre Belange kümmerte und auch einmal selbst Hand anlegte, sofern es ging. Sie konnten ja nicht ahnen, dass Marie eigentlich wie sie selbst aus dem dritten Stand stammte. Woher auch? Sophie Comptesse du Marseillié war jeden Besuch auf das neue entzückt von ihrem Garten. „Wie machen das deine Gärtner nur? Meine sind nicht einmal in der Lage, die Kletterrosen in Zaum zu halten. Sie schneiden fast täglich daran herum. Ich fürchte, das wird so lange gehen, bis ich gar keine mehr habe.“, scherzte sie, als sich die Damen auf den Steinbänken niederließen, die rund um das kleine Basin mit seiner Fontaine standen. „Ach was, ich habe einfach nur Glück gehabt. Um ehrlich zu sein, sind es nicht einmal richtige Gärtner. Sie haben einfach nur ein günstiges Händchen für Pflanzen.“, antwortete Marie, „Erst vor ein paar Tagen haben Richelieu und ich einen Spaziergang gemacht und sind dabei an einigen Gärten vorbei gekommen, von denen wir wussten, dass dort einer unserer Gärtner wohnt. Es war ein kleiner, typischer Bauerngarten. Alles wuchs wild aber gepflegt durcheinander. Einfach wunderschön.“ Marie hatte bereits stolz ihren Nutzgarten gezeigt, was Sophie zu noch mehr Staunen veranlasste. Sofort hatte sie begonnen, Marie zu überreden, ihr doch etwas von der ersten Ernte zukommen zu lassen. So würden denn auch die Kinder mit frischer Nahrung versorgt werden. „Ich habe mir schon überlegt, vielleicht auch ein paar Nutztiere anzuschaffen. Zum Beispiel Hühner und Kaninchen. Kleine Tiere die nicht viel Pflege benötigen. Man könnte sie heranziehen und hätte so auch eine stetige Quelle für Fleisch. Nicht zu vergessen frische Hühnereier für Brot und Kuchen.“ „Marie, du wirst noch einen kleinen Bauernhof hier haben.“, lachte Angelique, doch Marie zuckte nur mit den Schultern. „Ach was, es sollen ja keine Kühe oder Schweine hier leben. Dafür gibt es die größeren Bauernhöfe ein paar Meter die Straße hinunter.“ „Aber Angelique hat schon etwas recht. Du solltest auf jeden Fall vorher mit deinem Mann reden.“, fiel nun auch Sophie ein. Marie nickte nur, seufzte und stand auf, um wieder einige Schritte zu gehen, worauf ihr ihre Freundinnen nach kurzer Zeit ebenfalls folgten. ******************************************************* „Was hälst du davon, wenn wir uns einige kleine Tiere anschaffen würden?“ Richelieu schaute von seinem Buch auf. Mit so einer Frage hatte er nun heute Abend überhaupt nicht gerechnet. Es brauchte einige Zeit, bis er verstand, wovon Marie sprach. „Wie kommst du denn nun auf diese Idee?“ „ Na wir haben doch schon den Nutzgarten. Gleich daneben ist noch genug Platz, um ein paar Hühnern und Kaninchen Platz zu schaffen. Wir würden sparen, da wir Fleisch und frische Eier praktisch selbst vor der Tür hätten. Was denkst du?“ „Nun ja… Das ist an sich keine schlechte Idee. Sehr ökonomisch, das muss ich unumwunden zu geben.“, überlegte er. Marie lächelte. Das sollte ja wohl für das Erste genügen. Das wäre ein kleiner Denkanstoß, über den ihr Liebster nun nachdenken würde. Und sicher in ein paar Tagen würde sie ein passende und wahrscheinlich positive Antwort bekommen. Sie freute sich. Auch Richelieu fand die Idee an sich ganz gut. Das würde doch einige Kosten einsparen, die sie später in das Kind investieren könnten. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass ihr Kind dann auch selbst etwas bei lernen würde, wenn es mit diesem kleinen Bauernhof aufwachsen würde. Es würde in einigen Tagen Erkundigungen einholen, was man alles so benötigt, für Kleintiere. „Ich werde schlafen gehen.“, seufzte Marie und hauchte Richelieu unverwandt einen Kuss auf seine Lippen, „Mach du bitte auch nicht mehr allzu lange.“ „Nein, ich möchte nur noch ein paar Depeschen beantworten, die Rochefort morgen nach Paris bringen soll. Ich bin dann gleich bei dir.“ Marie nickte und entschwand gen Schlafgemach. „Rochefort.“, der genannte trat durch einen Geheimgang in den Salon. „Eminenz!“, ein Diener folgte. „Das geht morgen unverzüglich nach Paris. Und besteht darauf, dass ich sofort Antwort erhalte. Dank Sébastien weiß ich zwar, dass es dem Kardinal gesundheitlich nicht gerade sehr gut geht, aber es gibt immer noch Konkurrenz.“ „Eminenz, der Tollkirschsaft ist wohl sehr gut beim Bischof von Toulouse angeschlagen. Er hat schwere Vergiftungserscheinungen. Doch seine unfähigen Ärzte wissen nicht woher es kommen mag.“, Rochefort konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja wem würde da nicht der Überblick fehlen, bei diesen Unmengen die er täglich, nein stündlich vertilgt. Na umso besser für uns. Beliefern wir in weiter. Nur der Absender wird gewechselt. Man weiß ja nie, was uns die Zukunft bringen mag.“, meinte Richelieu, rieb sich die Stirn und reichte Rochefort die Depeschen. Dieser blieb weiterhin kerzengrade stehen. Richelieu schaute auf: „Ihr könnt gehen. Oder habt Ihr noch etwas für mich brauchbares?“ „Eminenz, es geht um Madame de Bergerac.“ „Und?“ „Ich habe lange überlegt, woher ich sie kennen könnte.“ „Und?“ „Ich traf sie einmal in Amsterdam. Damals war sie noch vermählt. Noch…“ „Rochefort, lasst Euch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.“, in Richelieus Stimme schwang etwas Ungeduld mit. Er war müde und wollte nur schlafen. „Ich traf sie, wie bereits gesagt, einige Zeit bevor ihr Gatte starb. Kurz nach seinem Tod ging ein fürchterliches Gerücht durch die Straßen Amsterdams. Es hieß, sie hätte ihn aus Eifersucht und Gier umgebracht. Er war sehr vermögend, hatte deswegen und seines Standes wegen am königlichen niederländischen Hof zahlreiche Affären. Was bei seinem guten Aussehen auch keine Verwunderung war. Jeder Mann wusste, dass er im Falle seines Todes sein Vermögen aufteilen würde. Sein Bruder und sein Advokat wussten davon. Als er jedoch am Ende tatsächlich starb, erbte die Bergerac alles. Plötzlich ist sie wohl dagestanden und hatte ein angeblich neues Testament in ihren Händen, welches er wohl kurz vor seinem Tode schrieb.“ „Wie starb er?“ „Das weiß keiner so genau. Er wurde eines Morgens tot im Bett von seinem Kammerdiener gefunden. Neben ihm lag seine Gattin. Angeblich arglos. Sie gab zu Protokoll, dass sie wohl nachts noch intim geworden sind, sie aber nicht bemerkt haben will, dass er irgendwann nicht mehr atmete. Man fand auch sonst keine äußerlichen Wunden an ihm. Aber sein Bruder und der Advokat fanden die Geschichte seltsam, da der Herr schon lange nicht mehr mit seiner Frau sondern nur noch mit Gespielinnen verkehrte. Sehr seltsam…und dann noch das angeblich neue Gerücht. Kaum hatte die Madame zudem ihr Geld erhalten, das Gerücht hatte sich schon bis zum Hof verbreitet, verschwand sie. Bis heute. Findet Eure Eminenz das nicht seltsam?“ Das war durchaus seltsam. Doch wusste Richelieu dadurch immer noch nicht, woher er sie kennen sollte. Aber für Nachforschungen war es alle Male genug. „Ich danke Euch. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Heute Nacht ist sie wohl beim Ball Seiner Majestät auf dessen Landschloss. Sie wird für morgen Abend oder für übermorgen in der Früh erwartet. Beeilt Euch bis dahin wieder aus Paris zurück zu sein. Und kein Ton zu meiner Frau. Verstanden?!“ Rochefort nickt, tat einen leichten Diener und ging seiner Wege. ********************************************************* Als Madame de Bergerac wieder zurück war vom Königshofe, stand sie unter ständiger und möglichst unauffälliger Überwachung durch Rochefort. Richelieu musste seine Gattin ein wenig manipulieren, doch er fand dafür passende Entschuldigungen. „Liebling, wenn du deinen kleinen Bauernhof haben möchtest, möchte ich mich persönlich darum kümmern. Und solange ich nicht in deiner Nähe sein kann, soll Rochefort auf dich aufpassen.“, er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Aber ich habe doch Angelique.“, war der erste Protest den er von Marie zu hören bekam, „Sie kann mir sofort helfen, wenn etwas mit dem Kind ist.“ „Ja das weiß ich wohl. Doch mir geht es darum, wenn etwas anderes ist. Wenn du fallen solltest oder sonst was. Ich glaube nicht, dass Angelique in der Lage sein wird, dich ins Schloss zu tragen oder spontan mit einem Degen oder Florett umgehen kann.“ Das leuchtete Marie ein und sie stimmte, wenn auch leicht widerwillig zu. Richelieu legte seine Köder wieder einmal so aus, dass keiner etwas ahnte. Selbst Madame de Bergerac nicht. „Nun denn. Wann gedenkst du die Tiere anzuschaffen?“, unterbrach Marie seinen Gedankenfluss. „Oh, ich denke dass ich mich bereits heute Nachmittag einmal in der Nachbarschaft umsehen werde. Vielleicht kann ich bereits ein paar gute Angebote aushandeln.“ Marie nickte, nahm sich noch etwas von den Blätterteigteilchen. In den letzten Tagen hatte sie wieder einen unbändigen Appetit entwickelt. Richelieu nahm das mit Wohlwollen zur Kenntnis. Wenn sein Engel gut aß, war, wie der Doktor meinte, alles in bester Ordnung. „Wo ist Madame de Bergerac?“, er schaute von seinem Frühstück auf. „So schläft noch. Ich bat Michelle, sie zu wecken, wegen des Frühstückes. Aber sie meinte, dass sich Angelique leicht unwohl fühle. Am Hofe geht wohl momentan eine kleine Verkühlung rum, und sie möchte mich wegen des Kindes nicht anstecken.“ „Ah ja.“ „Hast du ihr immer noch nichts Persönlicheres angeboten? Du nennst sie immer noch Madame, nie bei ihrem Vornamen.“ „Ich habe eben noch nicht die Gelegenheit gehabt, sie näher kennenzulernen. Wie dir sicher nicht entgangen sein wird, habe ich hier auch zu tun. Jeden Tag kommen Depeschen, die beantwortet werden sollen, nein müssen. Und am bei den Mahlzeiten genieße ich es lieber, deinen Erzählungen eurer Freizeit zu lauschen, anstatt ewig bei ihr nachzuhaken. Also sieh es mir nach mein Engel!“, sanft nahm er Maries Hand und hauchte einen Kuss auf dessen Rücken. Marie nickte liebevoll. Sie wusste selbst, dass ihr gemeinsamer Urlaub nicht so ausfiel, wie sie es gedacht hatte. Richelieu musste trotz allem arbeiten. Auch wenn es nicht mehr von früh bis spät war. Gewöhnlich stand er um kurz nach Sieben Uhr auf, um liegengebliebene Depeschen zu beantworten. Wenn er fertig war, meistens dauerte es nur gute anderthalb bis zwei Stunden, weckte er sanft Marie und sie begaben sich zum Petit Déjeuner, bei dem auch Angelique zu denen meisten Zeiten zugegen war. Anschließend kümmerte sich Marie in Gegenwart von ihrer Freundin um ihren Garten, erfragte Neuigkeiten bei den Gärtnern und ging spazieren. Während dieser Zeit durchschaute Richelieu weitere Depeschen, zeichnete Verträge ab, die vom Königshof kamen und plante die nächsten Monate. Nach Mittag entspannten sie für gewöhnlich ein wenig auf der Terrasse oder im Garten am Basin, bevor Richelieu seinem neuen Landgut und den dort lebenden Menschen Stippvisiten abstattete. Es kam des Öfteren vor, das er Vermittler, Seelsorger und Richter spielen musste. Der König war weit weg, und für die Menschen in der Umgebung von Mirabelle war er der einzige Adelige, der sich um ihre Belange kümmern konnte und es auch wollte. Sie waren ihm mehr als dankbar. Am Abend nahmen sie gemeinsam das Dîner ein und anschließend unterhielten sie sich noch. Marie genoss die Tage sichtlich. Solange sie ihren Liebsten fast ständig um sich haben durfte, war sie zufrieden. ****************************************************** Zum Mittag war Angelique wieder zu gegen. Sie entschuldigte sich allerdings: „Verzeih mir meine liebe Marie, aber es wird wohl besser sein, wenn wir nicht unbedingt nebeneinander sitzen und du wirst es mir doch hoffentlich ebenfalls verzeihen, wenn ich auch den heutigen Nachmittag nicht mit dir so arg verbringe.“ „Das ist vollkommen in Ordnung. Vielleicht kannst du ja auf der Terrasse lesen, zeichnen oder sticken. Ich würde mich im Garten betätigen.“ „Das ist wirklich nett von dir.“ „Dann wärst du ja für heute Nachmittag bestens versorgt, mein Engel.“, ergänzte Richelieu, während er an seinem Bordeaux nippte, „Rochefort ist ebenfalls da. Ich hoffe, es stört Euch nicht Madame?!“ „Nein, ganz und gar nicht Eminenz. Wenn etwas passiert, würde ich es mir nie verzeihen, alleine gewesen zu sein mit Marie. Vier Hände sind immer besser als zwei.“ Richelieu nickt, tupfte sich die Lippen ab und erhob sich. „Du gehst schon?“ „Ja, einer der Angestellten hat mir erzählt, dass ein Bauer aus dem Dorf ein paar junge Kaninchen hat, die er gerne verkaufen möchte. Ich will sie mir ansehen.“ „Oh, tut das. Es wird Zeit, dass in die leeren Gehege Leben einzieht. Die dazugehörenden Ställe sind ja auch schon fertig.“ „Genau deswegen. Ich denke, ich werde in ein paar Stunden zurück sein.“, er wendete sich Madame de Bergerac zu, „Madame, wenn etwas passieren sollte, ist Rochefort instruiert. Er wird Paul schicken, um mich zu informieren.“ „Ja Eminenz.“, Angelique nickte höflich. Richelieu beugte sich zu Marie, gab ihr einen sanften Kuss und verabschiedete Angelique mit einem angedeuteten Handkuss. *********************************************************** Richelieu ritt entspannt die Straße ins Dorf hinab. Er liebte es, entspannt wieder ausreiten zu können. Was er nun fast jeden Tag tat. Die Luft war nicht so dreckig wie in der Stadt und er musste zugeben, dass er das seit seinem Verlassen aus den heimatlichen Gefilden vor beinahe elf Jahren vermisst hatte. Sein Pferd Neapolitano genoss es ebenfalls, über weiche Straßen zu traben anstatt über das holprige Pflaster der Pariser Straßen. Keine Hektik, kein Geschrei das den Hengst aus der Ruhe bringen konnte. Richelieu braucht lediglich eine gute halbe Stunde bis ins Dorf, wo er schon sehr gut bekannt war. Man schätzte ihn und es gab kaum ein Tag, an dem er nicht beschenkt wurde. Meistens durch Blumen oder kleinen süßen Backwaren. Kaum hatte er das Dorf erreicht, wurde er auch schon gegrüßt. Des Öfteren gab er den Kindern seinen Hengst an die Hand, während er durch das Dorf schritt. So wie auch heute wieder einmal. „Christopher, nimm bitte Neapolitano und gib ihm etwas Wasser. Es ist sehr warm heute und wird sind den ganzen Weg hierher getrabt.“, Richelieu gab dem Jungen, der noch keine dreizehn Jahre zählte, drei Livre. „Eminenz, ich danke Eurer Eminenz. Ich werde mich sofort um Euren Hengst kümmern.“, der Junge war vollkommen aus dem Häuschen. Es war bekannt, dass Richelieu jedem etwas gab, der sich um seinen wertvollen Hengst kümmerte. Heute traf es ihn. „Schon gut, Christopher. Kein Grund sich hier und jetzt im Kreis zu drehen vor Freude. Ich weiß, dass du gute Arbeit verrichtest. Aber beantworte mir eine Frage.“ „Ich werde es versuchen, Eure Eminenz.“ „Wo finde ich den Bauern namens Mourie?“ „Eure Eminenz brauchen nur die Straße ein Stück weiter runter gehen. Es ist das einzige Haus mit einem Storchnest auf dem Scheunendach. Eminenz können es gar nicht verfehlen.“ „Ich danke dir.“, Richelieu strich dem verdutzten Jungen über den Kopf und ging dann in die beschriebene Richtung. Er erreichte das Haus schneller, als er es gedacht hätte. Vor dem niedrigen Zaun samt von Rosenwinden umrankten Torbogen blieb er stehen: „Monsieur Mourie? Monsieur Mourie, sind sie da?“ „Einen Moment, ich komme sofort!“ Anständig wartete Richelieu vor dem Zaun. Soviel Anstand musste ja sein. Ihm wäre es auch nicht recht, wenn jemand einfach so sein Grundstück betreten würde. Und da war Richelieu auch der Standesunterschied egal. Es dauerte ja auch nicht lange, bis Monsieur Mourie erschien. Er wurde sogar noch etwas schneller, als er erkannte, welcher Herr da vor seinem Zaun wartete. „Verzeiht mir Eminenz, dass ich Euch hab warten lassen. Hätte ich es gewusst, wer mich da verlangt, glaubt mir Eminenz, ich wäre schneller gewesen.“, unaufhörlich verneigte sich der kleine, etwas dicke Mann, der wohl gerade die Fünfzig überschritten hatte, „Nicole, Nicole so sieh doch, wer uns heute beehrt.“ Auf das Geschrei des kleinen Mannes eilte eine ebenso kleine und rundliche Frau über den kleinen Hof und hielt erstaunt inne beim Anblick Richelieus. „Eminenz, welch Ehre. Was führt sie zu uns?“, und an ihren Mann gewandt, „Claude, so lass ihn doch herein. Seine Eminenz steht immer noch auf der Straße.“ „Oh natürlich. Sehr wohl.“ Claude Mourie tat wie geheißen, öffnete das Tor und Richelieu trat ein auf den Hof. Er war leicht amüsiert über das plötzlich geschäftige Treiben, dass diese beiden Menschen an den Tag legten bei seinem Anblick. „Nehmen Eure Eminenz doch bitte Platz. Wir bitten unsere bescheidene Bleibe und die Möbel zu entschuldigen.“, Nicole Mourie knickste unaufhörlich und bot Richelieu einen Platz auf einer kleiner hölzernen Gartenbank an. Claude Mourie brachte indessen seinen laut eigener Aussage besten Wein. „Oh, ich finde es doch sehr beschaulich. Sie haben einen wirklich schönen Hof. Meiner Gattin würden die bunten Blumen sicher große Freude bereiten.“, erwiderte Richelieu freundlich. „Wenn Eminenz wünschen, würde ich Eurer Gemahlin gerne einen Blumenstrauß zukommen lassen. Wir haben selbst genug der Pracht.“ „Das wäre überaus freundlich, Madame Mourie.“, er nahm einen Schluck des Landweines. „Was führt Eure Eminenz zu uns?“, erkundigte sich nun auch Claude Mourie. „Mir kam zu Ohren, dass Ihr einige Kaninchen habt, die ihr gerne verkaufen möchtet.“ „Ja, das stimmt.“ „Ich würde ihnen gerne einige Tiere abkaufen. Wenn möglich ein paar entwöhnte Jungtiere und einen Rammler sowie eine Häsin.“ „Wollen Eminenz eine Zucht aufmachen?“, lächelte Nicole. „Nein, nicht direkt. Meine Frau würde gerne so etwas wie einen kleinen Bauernhof betreiben. Wir haben bereits einen Nutzgarten mit Obst und Gemüse und nun hätte sie eben gerne auch ein paar Kleintiere.“ „Oh, das ist wirklich reizend.“ „Natürlich haben wir Kaninchen. Reichlich sogar. Man kommt kaum noch hinterher, neue Stallungen zu bauen. Und soviel Kaninchen kann man nicht essen.“, lachte Claude. „Das heißt, ich könnte einige Eurer Tiere erwerben?“ „Ich schenke sie Eurer Eminenz.“ „Oh, nein Monsieur Mourie. Ich werde selbstverständlich dafür zahlen. So wie es ein jeder tun würde, der Eure Tiere erwirbt.“ „Aber Eminenz sind…“, entfuhr es nun auch Nicole. „Kein Aber, Madame. Ich werde dafür bezahlen. Reichen Fünfzig Livre?“ Dem Ehepaar Mourie stand der Mund offen. Mit soviel Geld hätten sie nicht gerechnet. Für sie war das ein kleines Vermögen. Noch nie hatte jemand soviel Geld für ihre Tiere gezahlt. „Das ist viel zu viel, Eminenz.“, erwiderte Claude nach ein paar Sekunden tonlos. „Nun ja, ich würde ja auch alle Jungtiere nehmen und dazu zwei Zuchttiere.“ „Na gut.“, nickte Nicole. Sie war etwas geschäftstüchtiger. „Könnt Ihr mir die Tiere in den nächsten zwei Tagen zukommen lassen?“, erkundigte sic Richelieu. „Natürlich.“ „Gut, dann wäre es das auch schon.“, er holte ein ledernes Säckchen heraus und legte es auf den Gartentisch, holte die Fünfzig Livre heraus. „Kennt Ihr Jemanden im Dorf, der mir eventuell ein paar Hühner verkaufen würde?“ Richelieu erhob sich. „Ja, Louis und Claire Fuisette.“, erwiderte Claude. „Gut, ich vertraue auf Sie, Monsieur.“, er legte einen weiteren Ledersack auf den Tisch, „Gebt das Monsieur Fuisette. Es sollte für zwanzig Tiere reichen. Bringt sie mir zusammen mit Euren Kaninchen.“ „Sehr gerne Eminenz.“, Claude tat einen tiefen Diener. „Ich danke Euch für die Gastfreundschaft. Wir werden uns in zwei Tagen sehen, Monsieur.“ Richelieu deutete einen Handkuss bei Nicole Mourie an, nickte ihrem Mann zu und entschwand hinaus auf die Straße, während das immer noch verdutzte Ehepaar zurück blieb, unfassbar über die so eben erhaltene Summe. Richelieu ging die Straße zurück zu Christopher und holte sein frisch gestärktes Pferd ab. „War er brav?“, erkundigte er sich. „Ja Eminenz. Darf ich Eure Eminenz um einen Gefallen bitten?“ „Ja was denn?“, Richelieu ging etwas in die Knie, um auf halber Augenhöhe mit dem Jungen zu sein. „Meine Hündin hat Welpen bekommen. Zwei Stück, aber ich darf nur einen behalten, sagt mein Vater. Ich soll mich darum kümmern, dass der andere ein gutes Zuhause bekommt.“ „Und ich soll mit deinem Vater reden, damit du ihn behalten darfst?“ „Nein, das nicht Eure Eminenz. Ich weiß ja, dass wir nicht drei Hunde durchfüttern können. Aber im Dorf hat jeder einen Hund oder mehr. Ich wollte Eure Eminenz fragen, ob Eure Eminenz nicht einen Hund gebrauchen könnten?!“ „Na ich weiß nicht. Was ist es denn für einer?“ „Warten Sie!“, Christopher drückte ihm die Zügel für Neapolitano wieder in die Hand und stürmte auf den Hof seiner Eltern. Es dauerte keine zwei Minuten, da war er wieder da. Mit einem jungen Hund auf dem Arm. „Das ist er. Vielleicht neun Wochen alt und er heißt Cupido. Seine Mutter ist ein Border-Collie und sein Vater ein Deutscher Schäferhund.“ „Ah ja. Ein schönes Tier. Mit einem sehr kuriosen Namen, dass muss ich sagen. Nun gut, ich nehme ihn mit.“, er kramte nach ein paar Livres. „Oh nein, Eminenz. Ich schenke ihn Euch. Ich möchte ihn nur ab und an besuchen kommen. Das wäre mir Lohn genug.“ Richelieu war erstaunt: „Nun gut, von mir aus. Dann so.“ Er sattelte auf, ließ sich den jungen Rüden reichen. „Dann auf Wiedersehen Christopher!“ „Auf Wiedersehen, Eminenz!“, rief dieser ihm fröhlich zu. ****************************************************** Richelieu kam am Nachmittag wieder auf seinem Gut an. „Marie, schau wen ich für dich habe!“ Marie drehte sich von ihren Blumenbeeten ab und auch Angelique schaute auf von ihrer Stickereien. „Oh mein Gott, wie niedlich!“, sofort nahm sie den jungen Hund in ihre Arme, „Wie heißt der denn?“ „Cupido. Ein Junge hat ihn mir geschenkt. Als Lohn möchte er ihn nur ab und an sehen.“ Marie verliebte sich sofort in das Tier. Sie tätschelte ihn, während sie zur Terrasse ging und ihn ihrer Freundin vorstellte. Richelieu erzählte ihnen von seinen Einkäufen und das bald die Tiere eintreffen würden. ******************************************************** Zwei Tage später war es tatsächlich so weit. Die Tiere zogen in ihre neuen Gehege. Die Mouries hatten nicht zu viel versprochen. Sie hatten die schönsten und kräftigsten Tiere ausgesucht, ebenso die Fuisettes. Die Hühner und der eine Hahn waren ganz prächtig. Marie war den ganzen Tag mit Cupido nicht von ihren neuen Schützlingen abzubringen, selbst die kleine Vesper nahmen alle an den Gehegen ein. Richelieu war glücklich, dass er Marie eine Freude machen konnte. Nichts ahnend, dass das Glück bald vorbei sein könnte auf die schrecklichste Weise, die es geben konnte. Kapitel 21: Erschöpfungszustand ------------------------------- Kapitel XXI: Erschöpfungszustand Marie beugte sich hinunter zu ihren Erdbeeren, die mittlerweile mehr als reif waren. Das durchwachsene Wetter der letzten Tage hatte sie noch einmal verwöhnt mit Sonnenschein am Tag und Regen in der Nacht. Ideale Voraussetzungen für einen neuerlichen Wachstumsschub. Sie würde die Früchte Madame Curée geben und einkochen lassen zu Marmelade. Für Kompott waren sie schon zu reif. Dafür würden dann die Birnen und Äpfel herhalten müssen. Wobei vor allem bei den Äpfeln Richelieu ganz anderer Meinung war. Er meinte, man sollte doch Cidre daraus herstellen. Für den Sommer wäre das eine viel leichter Erfrischung als der sonstige Wein. Vor allem da der bestelle Roséwein immer noch nicht eingetroffen war. Marie war nicht so ganz der Meinung. Doch sollten mehr Früchte geplant noch einmal am Baum hängen, würde sie ihm zustimmen. Soviel Kompott konnten sie unmöglich essen, selbst über die Wintermonate nicht und auch nicht das Kleine. Ein leichter Schmerz durchzog ihren Unterleib. Es war wohl wieder einmal munter geworden. Marie musste lächeln. Sanft stich sie über ihren mehr als kugelrunden Bauch. „Was bin ich froh, wenn du hier raus bist.“, lächelte sie leise zu sich selbst. „Wer wäre das nicht?“ Marie fuhr leicht erschrocken herum. Es war Angelique, die leise näher gekommen war und nun grinsend vor ihr stand. „Ach du bist es.“ „Wer sollte es denn sonst sein?“ „Du hast mich erschrocken. Und es hätten auch Michelle oder Madame Curée sein können. Oder Sophie.“ „Nein, wie du siehst bin ich es nur leider.“, sie setzte sich auf eine kleine Holzbank, die Richelieu hatte aufstellen lassen, falls Marie den Drang verspüren sollte, sich setzen zu wollen aufgrund der Anstrengung. Marie ließ sich neben ihrer Freundin nieder: „Schau nur, wie groß die Beeren geworden sind. Ich werde sie nachher pflücken lassen. Madame Curée soll sie zu Marmelade verarbeiten. Ein paar Gläser werde ich Sophie mitgeben. Wir werden mehr als genug davon haben. Und jeden Morgen werde wir sie gewiss auch nicht essen.“ „Du hast wirklich großartige Arbeit geleistet.“ „Ach was, das ist nicht mein Verdienst. Wir hatten einfach Glück mit dem Wetter und die Gärtner haben einfach ein grandioses Wissen. Mehr nicht.“ „Nun ich bleibe bei meiner Meinung. Und dein Mann wird mir sicherlich zu stimmen, wenn ich es ihm sage. Deine Bescheidenheit ehrt dich zwar, doch hier ist sie etwas zu arg.“ Marie wurde immer verlegener. Sie suchte nach Worten, die sind nicht fand. Schweigend betrachtete sie ihre Nutzbeete und auch ihren kleinen Bauernhof. Die Tiere fühlten sich sichtlich wohl. Der Hahn krähte jeden Morgen pünktlich ab Sonnenaufgang zu jeder vollen Stunde. Er war der ideale Muntermacher. Die Küchenjungen, die seit einigen Wochen hier arbeiteten, gingen jeden Morgen zum Stall und schauten nach frischen Eiern, meistens fanden sie auch welche. Manchmal wollte man schon gar keine Eier mehr essen. Erst vier Tage zuvor hatte Richelieu die Anweisung gegeben, dass man einige Eier liegen lassen und bebrüten lassen solle. Somit müsse man sich nicht jeden Tag ein Ei hinunter zwingen und gleichzeitig sorge man für Fleischnachschub. So ging es auch bei den Kaninchen. Die beiden Zuchttiere widmeten sich ganz dem jeweils anderen, während die Jungtiere gut wuchsen. Marie und Angelique fanden sie alle so niedlich, dass sie den Gedanken, die Tiere würden in nächster Zeit geschlachtet werden müssen, stets bei ihrem Anblick beiseite wischten. Lieber kuschelten sie mit ihnen und verwöhnten sie mit Möhren. Die beiden Frauen saßen so einige Zeit und unterhielten sich, als Rochefort mit zwei Schirmen herbei geeilt kam. Die beiden waren mehr als verwundert und mussten breit grinsen. „Rochefort, was wollt ihr denn mit Schirmen? Die Sonne strahlt doch vom Himmel.“, lachte Marie. „Und einen Sonnenbrand bekommen wir trotz allem nicht, da wir doch im Schatten sitzen.“, ergänzte Angelique. „Nun, die Damen werden entschuldigen. Aber mir wurde soeben von Paul gemeldet, dass wohl ein starkes Unwetter hierüber ziehen würde. Es seien wohl schon Gewitterwolken über dem Dorf aufgekreuzt und auch einige Felder wurden durch Platzregen überschwemmt. Daher bitte ich die Damen, sich doch bitte der Schirme anzunehmen und ins Haus zu gehen.“ „Wie stark ist das Unwetter denn?“ „Madame, es ist unangenehm stark. Ihr Gatte sucht im Gasthaus Schutz. Paul kam halb nass hier an.“ „Gut, dann gehen wir wohl besser ins Warme.“, sagte Marie und an Rochefort gewandt, „Veranlassen Sie, dass die Beete halbwegs geschützt werden vor dem Unwetter und die Tiere haben auch in die Scheune gebracht zu werden, sicher ist sicher.“ Rochefort nickte als Zeichen dafür, dass er alles nötige sofort veranlassen würde. Marie und Angelique nahmen die Schirme sicherheitshalber entgegen und gingen in Richtung des Schlosses. Bereits auf den Stufen der Terrasse fielen die ersten dicken Tropfen und klatschten geradezu auf den Marmor. Als sie die Terrasse zum Salon hin durchquerten, fielen immer mehr und die Damen mussten einiges Tempo anziehen. Kaum im Salon angekommen, platzte der Wolkenkessel auf und es regnete geradezu in Strömen und schnurrgerade auf die Erde hinunter. „Das war wirklich knapp.“, hauchte Marie das Unwetter und die Regenströme bestaunend. Angelique trat heran, reichte Marie ein Glas verdünnten Sherrys. „Bitte sehr, zum Aufwärmen.“ „Danke.“, Marie nahm das Glas entgegen, „Aber mir ist nicht kalt.“ „Nun, schaden wird es trotzdem nicht.“, lachte Angelique, nahm von ihrem eigenen unverdünnten Sherry einen Schluck, „Dein Gatte wird sicher vollkommen durchnässt hier ankommen.“ „Bei diesem Wetter wäre es mir lieber, wenn er vorerst im Gasthaus bleiben würde. Sonst wird er sich nur eine unsymphatische Verkühlung einholen. Und wenn das geschieht, wird er sich wieder ewig und drei Tage von mir und dem Kleinen fernhalten. Soll er ruhig im Gasthaus schlafen. Das ist das Beste im Moment.“ Ihre Freundin nickte nur und schaute, wie bereits zuvor Marie zum Fenster hinaus und dem Unwetter zu. Etwas weiterhinten im Garten konnte man sehen, wie ein Teil der Gärtner die Beete versuchten zu schützen, indem sie Wolldecken und ähnliches drüber legten und mit Steinen beschwerten gegen den starken Wind. Der andere Teil der Gärtner scheuchte die Hühner zusammen und verfrachtete sie, wie auch die Kaninchen in die Scheune. Dort wären sie besser aufgehoben, als in den losen Freilaufbehausungen. Auch Rochefort rannte, so schnell es ihm möglich war. Ab und an hatte er eine Henne unter dem Arm und ihre dazugehörenden Küken in den Taschen seiner alten Lederjacke. Um ihn herum sprang Cupido, wild bellend. Rochefort hatte seine Mühe, nicht über ihn zu stolpern. „Geh weg!“, maulte er, doch der Hund hörte nicht im Geringsten zu. „Hörst du denn nicht? Ich habe zu tun. Also nerve mich nicht. Geh zu deinem neuen Frauchen. Ich muss die Tiere in die Scheune bringen, da bist du mir keine große Hilfe dabei.“ Doch im Gegensatz zu Rochefort fand Cupido das alles sehr amüsant. Eine knappe Viertelstunde später kam Rochefort zusammen mit Cupido in den Salon. Beide waren vollkommen durchnässt. Marie schaut auf und auch Angelique folgte ihrem Blick. Rochefort stand triefend vor Nässe im Salon, neben ihm stand ebenso nass Cupido, der es sich nicht nehmen lies, sich zu schütteln. Am Ende war sein Fell trocken, Rochefort dafür umso nässer. Marie stand auf, nahm eine der Decken vom Sofa und ging hinüber zu dem treuen Leibdiener ihres Liebsten. „Schnell Rochefort, trocknet Eure Haare und dann geht in Eure Gemächer und zieht Euch etwas anderes an. Sonst werdet Ihr euch schneller verkühlen als Euch lieb ist.“ „Danke Madame.“, Rochefort nahm die Decke, deutete einen Diener an und ging dann raschen Schrittes in Richtung seiner kleinen Gemächer unterem Dach. Die beiden Frauen konnten das Gezeter der Zimmermädchen hören. Sie wussten, dass diese gerade die Flure und Stiegenhäuser reinigten und nun schien Rochefort alles wieder mit Schlamm und Dreck voll zutropfen. „Der Armer.“, schmunzelte Angelique, „ Er hat es wahrlich nicht leicht. Vor allem nicht bei uns weiblichen Wesen.“ „Da hast du recht. Ich glaube, er wird nie jemanden finden, mit dem er bis ans Ende seiner Tage zusammen leben wird.“ „Darüber solltest du dir aber nicht deinen hübschen Kopf zerbrechen. Immerhin hast du ja deinen Prinzen gefunden.“ „Kein Prinz, ein Herzog.“, lachte Marie. *********************************************** Richelieu kam am späten Nachmittag zurück nach Mirabelle. Im Gegensatz zu dem Laufburschen Paul war er von oben bis unten trockenen Fußes. Er ließ sich seinen Umhang abnehmen und erkundigte sich bei Rochefort, der gerade aus seinem Gemach kam, wo er denn seine Frau und deren Freundin finden würde. „Die Damen befinden sich auf der Terrasse, Eminenz!“, Rochefort deutete einen seiner ungeschickten Diener an. „Meine Frau war doch wohl hoffentlich nicht bei diesem Unwetter heute Nachmittag draußen im Garten?“ „Nein Eminenz, sie und Madame de Bergerac gingen sofort ins Haus, als ich ihnen die Nachricht von Paul überbrachte.“ „Sehr gut!“, Richelieu streifte sich seine braunen Lederhandschuhe ab. Sein Gesicht hatte eine ernste Miene und Rochefort entging dies nicht. „Eminenz, Ihr schaut, als läge Euch etwas auf dem Herzen.“ Richelieu schaute ihn an und nickte. „Ja, ich habe gewisse Dinge in Erfahrung bringen können, was Madame de Bergerac anbelangt. Gehen wir in mein Arbeitszimmer. Dort werde ich es Euch erklären Rochefort.“ Sein Diener nickte und folgte seinem Herrn. Auf dem Weg in dessen Arbeitszimmer begegneten sie Paul und Michelle. Richelieu gab beiden zu verstehen, dass Marie unter keinen Umständen erfahren sollte, dass er bereits wieder da war und das sie diesen Befehl auch den anderen Bediensteten zu sagen hätten. Beide nickten und als ihr Herr samt Diener weiter ging, sah Michelle ihm hinterher mit einem seltsamen Gefühl im Bauch. „Michelle, kommst du?“ „Ja Paul.“, nickte sie. Richelieu ließ sich unterdessen in seinen Arbeitssessel fallen, während Rochefort die schwere Eichentür abschloss. „Ich habe nach eurer Geschichte bezüglich Madames erster Ehe in Amsterdam ein paar Boten dorthin geschickt. Sie sollten ein paar Nachforschungen anstellen. Natürlich vertraue ich Euch Rochefort, allerdings wollte ich die Geschichte noch einmal bestätigen lassen. Ich hoffe, dass ich Euch in Eurer Ehre nicht gekränkt habe.“ Rochefort schüttelte den Kopf. Wenn er ehrlich war, machte es ihn sogar stolz, dass sein Herr noch mal nachhakte. Er nahm auf einem Holzschemel Platz. „Einer meiner Boten traf einen Nachbarn, der im Palais neben den Bergeracs wohnte. Der Herr gab an, dass ihm Madame noch nie ganz geheuer vorkam. Sie gab damals an, sie würde aus dem einfachen aber mit Gütern versehenen Landadel stammen. Jedoch kursierten immer wieder Gerüchte unter den Dienstboten, dass sie lediglich eine niedere Kammerzofe sei und ihre Eltern wären wohl eben einfach Händler auf den Wochenmärkten gewesen. Einige Mädchen erkannten sie aus den Sommerpalais’ der flämischen Adelsfamilien.“ „Das klingt, verzeiht den Ausdruck Eminenz, sehr weit hergeholt.“ „Ja, das dachte ich auch. Aber der Nachbar erzählte auch, dass eines Tages die flämische Adelsfamilie Van de Hoaken bei ihm speiste, da seine Frau eine Freundin von Madame Van de Hoaken war und gerade eben erst ihren ersten Sohn entbunden hatte. Als es zur Verabschiedung vor dem Haus kam, kamen die Bergerac und ihr Gatte auf Besuch. In einem späteren Brief schrieb die Van der Hoaken, dass sie die Bergerac kenne. Sie wäre früher eine ihrer Kammerzofen gewesen.“ „Gewesen Eminenz?“ „Sie hätte sie wohl entlassen, weil sie angeblich Schmuck gestohlen hatte.“ „Und nun?“, fragte Rochefort. Er erwartete ein Ende der Geschichte. „Nichts und. Das war es. Mehr haben die Männer noch nicht raus gefunden. Ich hoffe jedoch, dass in den nächsten Tagen neue Nachrichten eintreffen werden.“ Rochefort nickte. „Solange Rochefort, wirst du die beiden Damen auf Schritt und Tritt begleiten.“, Richelieus Stimme schlug einen schärferen Ton an. „Mit welcher Begründung, Eminenz. Eure Frau ist sehr misstrauisch, wenn es darum geht, sie zu beschützen und bewachen. Sie wird es hinterfragen.“ „Wie ich sehe, kennt Ihr meine Frau schon sehr gut, Rochefort.“, Richelieu musste ein lautes Lachen verbergen und grinste stattdessen einmal quer über sein Gesicht, „ Nun gut, dann werde ich ihr eben heute beim Dîner etwas spontan erfinden müssen.“ Rochefort stimmte mit einem Nicken zu: „Eminenz wird schon – „ Weiter kam er nicht, da die Tür von Michelle aufgerissen wurde. Sofort stand Richelieu. „Michelle was ist?“, ein ungutes Gefühl beschlich ihn. „Madame, Madame ist ohnmächtig geworden. Auf der Terasse.“ „Was stehst du dann noch hier, Michelle? Ruf sofort Monsieur Nuré. Los!“ Michelle nickte und rannte los, um den Doktor im Sommerhäuschen im unteren Gartenteil zu benachrichtigen und auch Richelieu und Rochefort stürzten in Richtung Terrasse, wo bereits Madame Cureé zusammen mit Madame de Bergerac neben der bewusstlosen Marie kniete. Beide Frauen rutschten sofort zur Seite, als Richelieu kam. „Was ist passiert?“ „Madame ist plötzlich bewusstlos geworden, Eminenz. Wir unterhielten uns und dann rutschte sie plötzlich vom Sessel.“, erklärte Angelique hektisch. „Wir konnten gar nicht so schnell schauen, wie sie auf dem Boden lag.“ Richelieu hörte nur mit einem Ohr zu, nahm Marie in die Arme und hob sich hoch. „Madame Cureé, bereitet das Bett vor und wartet dann auf Michelle, sie holt gerade den Doktor.“ Die Köchin nickte und eilte voraus. Richelieu wandte sich an Rochefort. „Rochefort, Ihr bleibt bei Madame de Bergerac und beruhigt sie. Es war jetzt sicherlich ein Schock für sie.“. Rochefort nickte, während Angelique Richelieu mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Monsieur,“, sie tat einen Knicks, „vielleicht sollte ich Euch als Frau doch begleiten. Madame ist in anderen Umständen und vielleicht kann ich ja helfen.“ „Nein, Ihr bleibt hier Madame. Ihr habt ihr gerade genug geholfen, vielen Dank. Aber ich glaube nicht, dass meine Gattin vor der Geburt steht. Sie braucht wahrscheinlich einfach nur Ruhe oder sonstiges. Und für das Sonstige kommt ja jetzt auch Monsieur Nuré.“, Richelieus Ton war bestimmend und ließ keinen Widerspruch zu. Missgelaunt tat Angelique einen erneuten Knicks und ging zurück zu dem Sessel in dem sie saß. ********************************************* Monsieur Nuré war eine gute Stunde in Maries und Richelieus Schlafgemach und untersuchte die junge Frau genau. „Was ist mit mir passiert Doktor?“, fragte Marie erschöpft, „Mir wurde so plötzlcih schwarz vor Augen.“ „Madame, das kann ich Euch leider im Moment nicht sagen. Ich weiß allerdings, dass Ihr erst einmal etwas Ruhe braucht. Schlaft und esst regelmäßig. Und im Garten solltet Ihr auch nicht mehr so oft selbst Hand anlegen, lasst das Eure Gärtner verrichten.“ Marie nickte schwach und schloss daraufhin gleich wieder die Augen. Monsieur Nuré ging in das kleine Vorzimmer und Richelieu, der bis dahin auf dem Bettrand neben Marie gesessen hat, folgte ihm leise und wortlos und schloss die Türe. „Monsieur Nuré, vielen Dank für Euren schnellen Besuch.“, er gab dem Doktor einen kleinen Ledersack mit dessen Entlohnung und bat ihn, sich zu setzen. „Danke Eure Eminenz.“, Nuré steckte den Sack in seinen Gehrock und schaute dann Richelieu an, „Ihr seht blass aus.“ „Nun ja, meine Frau ist in ihrem Zustand plötzlich schwanger geworden, wie sollte ich sonst aussehen?“ „Natürlich, dass ist nur selbstverständlich, dass das ein kleiner Schock für Euch war. Ihr solltet Euch ebenso etwas Ruhe gönnen.“ Richelieu nickte: “Wisste Ihr wirklich nicht, was es sein könnte, Doktor?“ „Leider nein. Ich bin wirklich etwas ratlos. Eure Gattin hat keinerlei Verkühlung noch zeigt sie sonst irgendwelche Anzeichen einer Krankheit. Im Moment scheint es sich wirklich nur um einen reinen Erschöpfungszustand zu handeln.“ „Wie geht es dem Kind?“ „Dem geht es ausgezeichnet. So weit ich das beurteilen kann, entwickelt es sich so, wie es sein sollte. Es wird gesund und munter und kräftig zur Welt kommen. Es ist ja auch bald soweit. Nur noch etwas mehr als zwei Monate. Gute sieben Wochen.“ „Sind solche Erschöpfungszustände denn normal bei Frauen in diesen Umständen?“, fragte Richelieu nach. Schließlich war es das erste Mal, dass er mit so was konfrontiert war. Auch wenn er hoffte, dass es noch öfters sein möge in späteren Zeiten. Monsieur Nuré musste lachen, was Richelieu jedoch anscheinden nicht verärgerte. „Bei vielen Frauen ist das bei der ersten Schwangerschaft vollkommen normal. Ihr Körper ist es nicht gewohnt. Sie werden sehen, dass es bei der nächsten und übernächsten ganz anders aussehen wird. Nicht nur der Mensch auch sein Körper wächst an seinen Aufgaben.“ „Na dann bin ich ja beruhigt.“ Nuré kannte diese Angst junger Väter. Aber auch diese Angst würde sich legen. Er fragte nach, ob er sonst noch etwas für Richelieu tun könne und als dieser verneinte, tat der Doktor einen Diener und verabschiedete sich. Richelieu ging unterdessen wieder in sein Arbeitszimmer, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte den Kopf in seine Hände und begann fieberhaft nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)