Nicht aus Stein von Vienne (Der Kardinal und das Mädchen) ================================================================================ Kapitel 8: Abschied und Trennung -------------------------------- Kapitel VIII: Abschied und Trennung Am Abend gab es ein kleines Souper, wobei Richelieu seine Augen nicht von Marie lassen konnte. Sie benahm sich wahrhaft königlich. Selbst die Königin hatte schlechtere Tischmanieren als Marie, was ihn immer pikierte, wenn er im Palast aß. Doch Marie war faszinierend. Wie sie die Silbergabel zum Mund führte und ihn sich abtupfte, bevor sie das Weinglas an jenen führte. Er vergaß völlig dabei, selbst zu essen, was seine Schwester bemerkte. „Armand, ist dir nicht wohl? Du hast noch kaum etwas gegessen.“ Richelieu schreckte auf. „Nein, mir geht es gut. Vielen Dank.“ Auch Marie sah nun besorgt zu ihm hinüber, ebenso sein Schwager. Sofort nahm er das Besteck wieder auf und aß weiter. Marie sah, wie unsicher er plötzlich war und beugte sich zu ihm hinüber: „Ich weiß, dass du mich beobachtet hast. Willst du unbedingt die letzten Blicke auf mich erhaschen?“ Er drehte sein Gesicht zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Oh, ich würde gerne noch etwas anderes von dir erhaschen.“ Marie grinste ihn an und nickte. Still tuschelten die beiden weiter, nicht ohne des Öfteren etwas lauter zu kichern Gegenüber saßen zwei etwas errötete Eheleute. Catherine war es sehr peinlich. Obwohl sie kaum etwas von dem leisen Gespräch der Beiden mitbekam, so wusste sie dennoch, worum es ging. Das Kichern war einfach zu auffällig. Ebenso die Ausblicke die Marie ihrem Mann schenkte, sie beugte sich viel zu weit nach vorne. Catherine tat so etwas nie. Und irgendwie fand dieses Verhalten auch in keiner Weise ihre Zustimmung. So sehr sie Marie auch mochte, so ein Benehmen am Tisch ging ihr zu weit. Emanuél war ebenfalls peinlich berührt. Es mochte ja sein, dass die beiden noch nicht sehr lange verheiratet waren und womöglich auch jede Möglichkeit nutzten, um ihrem Verlangen nachzugeben. Jedoch war ihm so ein Verhalten noch nie untergekommen. Catherine verhielt sich seit ihrer Brautzeit nicht so. Und würde es mit Sicherheit auch nie tun. Was Emanuél keinesfalls Leid tat. Er räusperte sich halblaut, sodass Marie und Richelieu überrascht zu ihm und Catherine hinüber schauten. Ihnen war nicht wirklich klar, dass sie mit ihrem Verhalten gerade die liebe Verwandtschaft in Verlegenheit gebracht hatten. „Ja?“, fragte Richelieu belanglos. „Mein lieber Schwager. Du weißt, dass ich dich schätze und auch Euch, Marie. Aber Euer beider Verhalten am Tisch, nun ja, ist doch etwas peinlich. Nicht nur für uns. Schämt ihr euch denn nicht?“ „Warum sollten wir. Es ist doch nur natürlich, wenn Eheleute darüber reden, wie sie die Nacht verbringen. Mir ist es lieber, Maries Vorlieben zu kennen, als sie mit irgendeiner Methode zu verletzen.“, grinste Richelieu seinen Schwager an, der errötete. „Methode?“, nun starrte auch Catherine ihren Bruder an. „Oh Catherine, schau nicht so entsetzt. Du kennst mich.“ „Wohl nicht so gut, wie ich dachte.“ „Wenn ihr uns entschuldigt. Marie und ich haben in New Amsterdam kaum Zeit für einander. So wollen wir sie hier nutzen.“ Marie ergriff die Hand ihres Liebsten, nickte kurz den beiden mit dem Kopf zu und folgte dann Richelieu hinauf in sein Gemach, was er früher bewohnte. Catherine und Emanuél schauten ihnen nur nach. ******************************************** Der nächste Morgen brach an und für manche weniger gut als für andere. „Musstet ihr so laut sein?“, Catherine schaute ihren Bruder böse an, als sie beim Frühstück auf der Terrasse saßen. „Und warum habt ihr zusammen geschlafen. Ich hatte für Marie extra ein zweites Zimmer einrichten lassen.“ Marie wollte antworten, doch Richelieu legte seine Hand auf ihren Arm und bedeutete ihr damit, dass das ein Kampf zwischen ihm und seiner Schwester war. „Oh Catherine, ich bin nicht wie du, ich war es noch nie. Du weißt genau, dass ich nie war wie meine Geschwister. Und ich wollte und will es auch nicht sein. Im Gegensatz zu dir teile ich das Bett mit meiner Frau seit Beginn unserer Ehe. Nicht wie ihr zwei. Es tut mir leid, dass du nicht den Selben Spaß an deiner Ehe hast wie ich. Und auch, dass du nicht die Selben Freuden teilst.“ Catherine sprang auf, ihr Gesicht war feuerrot vor Wut: „Es ist nicht rechtmäßig vor dem Herrn, dass ihr euch solchen Frivolitäten hingebt.“ „Bitte, ich weiß mehr von Gottes Lehren als du. Habe ich den Unterricht damals bekommen, oder du?“ „Armand, was ist aus dir geworden? Ich erkenne dich gar nicht wieder. Früher wärst du nicht so mit mir umgegangen. Und du wärst auch nicht so wild gewesen und hättest dich so schamlos dem Verlangen hingegeben.“ Catherine funkelte Marie böse an. Ihre ganze Wut lenkte sich nun auf sie. „Das kommt nur durch dieses Weib. Wahrscheinlich ist ihr Mann gestorben, weil sie zu hungrig war und er nicht mehr konnte. Man sollte ihn bedauern und nicht deine kleine Hure!“ Das waren die Worte, die Marie trafen. Wie konnte Catherine nur so böse sein? Sie hatte ihr doch gar nichts getan. Außer ihren Bruder zu lieben. Sie war gestern doch so nett und lieb gewesen. Konnte ein Mensch so falsch sein? Tränen schossen ihr in die Augen. „Ja!“, Catherine triumphierte, „Weine nur. Aber ich habe dich durchschaut. Du hattest es doch von Anfang an auf meinen Bruder abgesehen. Hurenbraut!“ Das war zu viel. Marie war nur noch am Schluchzen. Doch für Catherine war noch lange nicht Schluss. Sie redete sich geradezu in einen Rausch. „Hure! Hure! Hure! Hu...“ Patsch! Richelieu hatte seiner Schwester eine Ohrfeige verpasst und Catherine schaute ihn geschockt an, ebenso ihr Mann, der der Szene davor eher belustigt gefolgt war. „Ar...Arman...Armand, wieso...“ „Wieso ich dir eine Ohrfeige gegeben habe?“, Richelieu schaute seine Schwester verachtend und wütend an. „Du hast meine Frau beleidigt. Du hast sie Hure genannt. Und wenn ich etwas nicht vertrage, dann das man sie Hure nennt. Nur weil sie es versteht, mich zu verführen mit den Reizen, die du nicht hast, ist sie noch lange keine Hure. Ich lasse mich gerne auf sie ein. Ich liebe sie! Verstehst du? Ich liebe sie!“ Richelieu nahm Marie in die Arme. Sie zitterte am ganzen Körper. Er wusste, dass sie wieder an ihre Vergangenheit erinnert wurde. Sanft küsste er sie auf die Stirn und wischte ihre Tränen weg. „Ich möchte nach Hause.“, flüsterte Marie halblaut. „Ist gut, mein Schatz.“ „Ja natürlich. Tu das, was sie sagt.“, rief Catherine wütend. „Nein, Marie spricht mir aus der Seele, ich halte es hier auch nicht länger aus.“ Ohne ein weiteres Wort ging Richelieu mit der noch immer weinenden Marie ins Schloss hinein. Schnell war alles zusammengepackt und die Pferde vor die Kutsche gespannt. Emanuél musste seine Frau zwingen, an die Kutsche heran zu treten, um sich bei ihrem Bruder und vor allem bei Marie zu entschuldigen. Er hieß es zwar nicht gut, dass sein Schwager ihr eine Ohrfeige gegeben hatte, aber auch Catherine war zu weit gegangen. „Es...es tut mir leid!“ Marie würdigte sie keines Blickes, was Catherine nicht entging. Sie wollte schon antworten, aber wurde von ihrem Bruder unterbrochen. „Ich habe ihr nicht gesagt, dass sie dich ignorieren soll. Aber sie tut das Richtige. Ich melde mich eventuell, wenn wir wieder in Amerika sind. Lebt wohl.“ Mit einem Klopfen an die Vorderwand der Kutsche befahl er dem Kutscher, loszufahren. Catherine fluchte ihm halblaut hinterher, was ihr ein spöttisches Winken Richelieus einbrachte. „Er hat sich verändert.“, sagte Emanuél still. Catherine schaute ihn an. „Und nein, es liegt nicht nur an ihr. Sein ganzes Wesen ist völlig verändert. Sein Auftreten. Alles. Ein komischer Kauz ist er geworden.“ „Pah!“ Catherine drehte sich auf der Stelle um, wobei ihre blonden Haare wild umher flogen. Für sie war das Thema Bruder und Schwägerin abgehakt. Sie hatte sich zwar über den Besuch gefreut, aber nach vier Jahren der Trennung war trotz Briefwechsel alles anders. Etwas zu stolz marschierte sie ins Schloss zurück. ******************************************* Als Richelieu und Marie wieder in Paris ankamen und die Kutsche vor dem Palais vorfuhr, wartete Marie nicht bis jemand ihr die Tür öffnete, sondern stürmte aus der gerade angehaltenen Kutsche und rannte förmlich hinein ins Palais und hinauf ins Schlafgemach. Schon die ganze Rückfahrt über, also fast fünf Stunden, hatte sie kein Wort mehr gesagt. Sie hatte einfach still aus der Kutsche geschaut. Richelieu ahnte, dass ihr die Sätze seiner Schwester zu schaffen machten. Und im Stillen verfluchte er Catherine dafür. Als er Marie die Stufen hinauf eilen sah, dachte er im Stillen: ‚Bitte lass nicht wieder alles von vorne beginnen.’ Auf halbem Wege kam ihm Madame Curée entgegen. Sie schaute ihn fragend an. „Meine Schwester war unverschämt. Sie hat Marie sehr gekränkt. Lassen wir sie eine Zeit in Ruhe. Sie wird sich im Schlafgemach eingeschlossen haben. Ich lasse ihre Kleider ins Ankleidezimmer bringen. Wäret Ihr so freundlich und würdet sie dort einordnen?“ „Natürlich Eure Eminenz.“, Madame Curée knickste leicht und lächelte ihn dann an. „Macht Euch keine Sorgen um sie.“ Richelieu nickte. Dann gab er einem Kammerdiener seinen Reiseumhang und ging ebenfalls hinauf. In seinem Arbeitszimmer angekommen, begrüßte ihn ein neuer Stapel voller Akten. Wie liebevoll der König doch mit seinem kranken Bischof umging. Damit seine Intelligenz ihn nicht verließ, schickte er ihm Akten. Nun gut, dann würde er die Nacht wohl wieder nur maximal fünf Stunden schlafen. Er ließ sich auf seinem Sessel hinter dem schweren Eichentisch nieder und seufzte schwer. Da er Marie erst einmal alleine lassen wollte, machte er sich schweren Herzens über die Akten her. Es war erst fünf Uhr am Nachmittag und die Sonne schien noch immer durch die Fenster, aber Richelieu konnte sich nicht wirklich konzentrieren. Maries Sorgen machten ihm ebenso zu schaffen. Was sich jedoch als völlig grundlos herausstellte, da in jenem Moment Marie durch die angrenzende Tür schneite und sich auf seinen Tisch setzte. Verblüfft schaute er zu ihr auf, als sie auch schon anfing, los zu poltern: „Was bildet sich deine Schwester eigentlich ein? Sie kennt mich doch gar nicht. Weißt du, gestern im Park sagte sie mir auch noch, dass eine Herkunft ja gar nicht sooo wichtig sei. Sie meinte, ihr sei es egal, wen ihr Bruder heiratet. Solange sie nur lieb und freundlich und nett wäre. Und bin ich das etwa nicht?“, Marie schaute Richelieu an, bevor sie weiter zeterte. „Sie bot mir doch sogar noch das Du an und meinte vor dem Souper gestern Abend noch, dass du und ich ein so bezauberndes Paar abgeben würden und das sie es niedlich fand, wie du mich im Park in die Arme genommen und geküsst hast. Sie fand es niedlich. Wie alt ist diese Frau, dass sie so etwas niedlich findet und nicht romantisch? Als ich dreizehn war, fand ich das niedlich.“ Sie machte Pausbäckchen und Richelieu musste anfangen zu lachen. „Was ist daran so komisch?“ „Nichts.“, er zog sie auf seinen Schoß, „Aber du verhältst dich auch gerade wie dreizehn.“ Marie schaute ihn böse an. „Ich weiß ja, dass sie gemein und unverschämt zu dir war, aber ändern können wir es jetzt nicht mehr.“ „Doch, lass Rochefort rufen und wir tarnen es als Reitunfall.“ Richelieu schaute sie überrascht an, während sie triumphierend grinste. „Marie! Bleib ernst. Vergiss meine dumme Schwester. Und übrigens, sie ist sechsundzwanzig.“ Marie schaute immer noch böse. Für sie war das Thema noch längst nicht vom Tisch. Sie setzte wieder an, doch ein Kuss Richelieus unterbrach sie darin. „Lass uns nicht mehr darüber sprechen. In wenigen Tagen reise ich ab. Und solange möchte ich dich lächeln sehen. Und nicht mit bösem Blick herumlaufen. Dafür ist Rochefort zu ständig.“ „Na gut.“ Marie lehnte ihre Stirn an seine, sodass sie sich tief in die Augen blicken konnten. Richelieu versuchte standhaft zu bleiben und nicht in diesen wunderschönen Augen zu ertrinken. Doch schon seit langem gab es keinen rettenden Anker mehr für ihn. Wie sehr er diese Augen vermissen würde. Und nicht nur diese. Auch der Rest seiner geliebten, süßen, kleinen Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu würde ihm schrecklich fehlen. Er würde ihr schreiben. Vom ersten Tage an. Aber wie viele seiner Briefe würden sie erreichen? Und würde sie ihm antworten? Dieser Gedanke war abwegig, dass wusste er. Denn mit größter Sicherheit würde sie das tun. War sie hier auch sicher in seinem Palais. Rochefort konnte ihr keinen Schutz bieten. Den würde er mitnehmen. Richelieu war sich mit sich selbst einig, dass er die restliche Dienerschaft einweihen musste. Nur wenn sie alle von Marie wussten, konnten sie sie auch schützen. Madame Curée sollte ihre Vertraute werden. Und seinen Beichtvater, Pater Ludovic, würde er auch einweihen. Richelieu wusste, dass dieser konservative Mann ihm eine Menge Vater Unser und Ave Marie einbringen würde, aber Marie war es wert. Außerdem sollte Pater Ludovic auch ihr Beichtvater werden. Zudem musste er ja verschwiegen sein. Er würde also keine Probleme machen. Und außerdem war er nur ein kleiner Pater, Richelieu war Bischof. „Worüber denkst du nach?“, Marie weckte ihn aus seinen Gedanken. „Oh, verzeih. Aber ich dachte bei mir, dass es besser wäre, wenn ich der restlichen Dienerschaft von dir erzählen würde. Zu deiner eigenen Sicherheit. Und ich werde meinem Beichtvater von dir erzählen. Ich möchte, dass er auch deiner wird.“ Marie musste lachen. „Was hast du? Wieso lachst du?“ „Du, “, sie schnappte vor Lachen nach Luft, „Du hast einen Beichtvater?“ „Natürlich. Dachtest du ich nehme mir die Beichte selber ab?“, nun musste auch er lachen. Marie kam sich in dem Moment blöd vor. Sie hätte es wissen müssen. Mit leicht rotem Kopf ob ihrer Dummheit erhob sie sich rasch von seinem Schoß und verließ das Arbeitzimmer, wobei sie nuschelte, sie wolle Madame Curée helfen, die Kleider auszupacken. Richelieu grinste ihr hinterher. Er ließ kurz danach seinen obersten Kammerdiener René rufen und erzählte ihm von Marie. „Ich möchte, dass die Dienerschaft von ihr erfährt. Während meiner Abwesenheit hat jeder ein Auge auf sie zu werfen. Nur so kann ich sie optimal schützen. Jedoch warne ich Euch davor: Nur irgendein Wort, egal ob wahr oder gelogen, über sie das an die Öffentlichkeit gelangt und ich lasse denjenigen vom Henker abführen. Ist das klar?“ „Ja, Eminenz. Jedes einzelne Wort. Ich werde es auf der Stelle jedem der Dienerschaft einzeln überbringen. Ihr habt mein Wort, dass Eure Dienerschaft verschwiegener sein wird, als die des königlichen Hofes.“ René machte eine sehr tiefe, aufrichtige und ehrliche Verbeugung, welche Richelieu mit einem Kopfnicken quittierte. Dann verließ der Kammerdiener immer noch leicht gebeugt und rückwärts gehend das Arbeitszimmer. Richelieu setzte ein Schreiben an seinen Beichtvater auf, welches er unverzüglich einem Boten übergab, mit den Worten, es sei dringend, dann suchte er Marie auf. Madame Curée lauschte gerade Marie, die wieder über Catherine zeterte. Und das nun auch schon seit einer halben Stunde. „Sie ist ja so etwas von eingebildet.“ „So beruhigt Euch doch. Das Wetter ist viel zu drückend, um sich dermaßen in Rage zu reden. Ihr könnt froh sein, dass sie nicht weiß, was Ihr durchmachen musstet. Sonst wäre sie womöglich noch damit kommen, dass Ihr es freiwillig getan habt, Mademoiselle.“ „Hrm.“, das Räuspern gehörte Richelieu, der in der Tür stand und beide Frauen auf dem Boden sitzend vorfand. „Oh, Eminenz.“ Madame Curée stand sofort wieder. Er schritt auf Marie zu und half ihr beim Aufstehen „Madame Curée?“ Richelieu wandte sich zu seiner Köchin. „Ja Eminenz? Was wünscht Ihr?“ „Nur, dass Ihr Marie ab heute mit ‚Madame’ anredet.“ Die Köchin schaute ihren Herrn an, bevor sie zu lächeln anfing: „Oh, dass ist ja wunderbar. Wann...“ „Noch gar nicht. Aber ich konnte doch nicht mit einer Frau erscheinen bei meiner Schwester, mit der ich nicht verheiratet bin. Aber da ich Bischof bin, sind wir es inoffiziell schon. Pater Ludovic kommt nachher vorbei. Vielleicht zeigt er sich ja kulant?!“ ****************************************** Marie wartete nervös im Salon. Sie hatte sich hierher zurückgezogen, kurz bevor der Pater angekommen war. Sie wollte erst das Gespräch, besser gesagt die Beichte Richelieus abwarten, bevor sie sich selbst zeigte. Sie hielt es für das angebrachteste. Nun saß sie schon eine halbe Stunde hier und versuchte sich auf das Buch in ihren Händen zu konzentrieren: Dantes ‚Göttliche Komödie’. Doch es gelang ihr nicht dieses Buch zu lesen, ohne auch nur einen Satz mindestens dreimal zu lesen, so nervös war sie. Eigentlich überflog sie die Sätze nur. Das dreimal. Was konnte denn nur so lange dauern. Im Grunde hatte ihr Liebster doch nur sie zu beichten. Denn den Mord über zweite Hand hatte er sicher schon vor Jahren gebeichtet. „Oh verdammt noch mal.“, sie stand auf, stellte das Buch zurück ins Regal, wo sie es her hatte und ging zur Tür. Marie wusste, dass lauschen nicht unbedingt das Beste war, aber da sie von Natur aus neugierig war, musste sie es einfach tun. „Und es geht ja auch um mich.“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie ihr Ohr an die Tür legte. „Eminenz, wie konntet Ihr nur? Ein Straßenmädchen.“ Die Stimme kam eindeutig von dem Pater. „Ja, ehrt mich das nicht? Ich habe sie von der Straße geholt. Und außerdem liebe ich sie. Das ehrt mich fast doppelt.“ Das war Richelieus Stimme, und Marie musste bei seinem Satz lächeln. Wie lieb er war. „Aber ihr teilt Euch trotzdem das Bett mit ihr. Ihr lasst Euch von ihr verführen, wie ein gewöhnlicher Bauerntrampel es tun würde.“ Der Pater war sehr unverschämt. „Da liegt Ihr falsch. Ich habe sie verführt. Ich fragte sie, ob ich sie küssen dürfte und ich war es, der sie ins Bett legte und verführte.“ Wie wahr. „Ihr steht höher als ich, aber das ist keine Entschuldigung für solch ein Verlangen. Da ihr bei mir beichtet, nehme ich an, dass ihr danach diese Affäre beenden wollt?“ Davon konnte wohl keine Rede sein. Er verließ sie zwar, würde aber wieder zurückkehren. „Nein, ganz im Gegenteil. Pater Ludovic, ich möchte sie Euch vorstellen.“ Das war der Augenblick, in dem Marie sich das Buch aus dem Regal schnappte, sich in den Sessel warf und vorgab zu lesen. Keinesfalls wollte sie vom Pater beim Lauschen erwischt werden. Bei Richelieu wäre das etwas anderes gewesen, aber nun war der Pater mit dabei. Sie versuchte überrascht aufzuschauen, als sich die Tür öffnete und ihr Liebster mit dem Pater im Schlepptau eintrat. Anmutig erhob sie sich. Sie ergriff die Hand, die ihr Richelieu reichte und trat näher an ihm heran. Sie verzichtete im Beisein des Kirchenmannes auf einen obligatorischen Begrüßungskuss, die sie ihrem Liebsten nun im Normalfall gegeben hätte. Stattdessen knickste sie nun höflich vor dem Pater und streckte ihm, so wie es ihr Richelieu vorab gesagt hatte, ihre Hand entgegen. Richelieu hatte ihr vorher erklärt, dass sie das ruhig tun könne, da er immerhin Bischof sei und sie seine Verlobte. Sie würde somit also nur höher stehen als Pater Ludovic. Pater Ludovic nahm die ihm dargebotene Hand und hauchte sanft einen Handkuss darauf, was Richelieu mit einem selbstsicheren und leicht triumphierenden Lächeln wahrnahm. „Darf ich Euch Marie Valerie Dujacque- Duplessis de Richelieu vorstellen?“ Die Augen des Paters weiteten sich. Hatte der Bischof es tatsächlich gewagt, dieses Straßenmädchen zu heiraten? Das konnte nicht sein Ernst sein. „Eminenz, Ihr habt...Ihr habt sie geehelicht?“ „Nein, noch nicht. Aber ich habe es vor, wenn ich von meiner Reise zurück bin. Und Ihr sollt uns trauen Pater. Im Moment sind wir nur verlobt.“ „Auf keinen Fall werde ich das tun.“, entrüstete sich Pater Ludovic, wofür er einen verständnislosen Blick Richelieus erntete. „Nun gut, dann vollziehen wir es jetzt gleich.“, entgegnete Richelieu. „Nein, auch nicht jetzt. Eminenz, Ihr seid Bischof, was sollen die Leute von Euch denken?“ „Sie sollen es gar nicht erst wissen. Und mit Eurem Beichtgeheimnis habt ihr dafür zu sorgen. Verstanden?“ „Aber...“, versuchte der Pater einen letzten Einwand. „Kein ‚aber’. In einem Staat, wo man glaubt, die katholische Kirche sorge noch für Ordnung, wo der König mehr uneheliche Kinder mit Mätressen hat als mit seiner eigenen Frau, da werde ich doch wohl auch heiraten dürfen.“ Der Pater konnte nur noch nicken. Jedoch konnte er sich mit Richelieu darauf einigen, dass die Trauung erst nach seiner Rückkehr vollzogen werden würde. Pater Ludovic wurde zum Beichtvater von Marie ernannt und entlohnt für sein schweigen. Und das war auch der ausschlaggebende Grunde, warum er seinen Mund halten würde. ************************************************** Der letzte gemeinsame Abend brach an. Richelieu hatte sich mit einer persönlichen und erlogenen Trauermeldung über eine verstorbene Tante vom König loseisen können. So war er noch vor neun Uhr am Abend bei Marie gewesen, die ihn schon sehnsüchtig erwartet hatte. Den ganzen Tag über hatte sie mit Madame Curée seine Kleidung in großen, schweren Reisekoffern verstaut. Sie fand sogar etwas Zeit, um in eines seiner Taschentücher neben seine auch ihre Initialen zu sticken. Neben dem ‚R’ für Richelieu war nun auch ein ‚M’ zu sehen. Sie legte es ganz oben auf, sodass er es als erstes sehen würde, wenn er den Deckel aufschlug. Richelieu war sehr froh über diese Hilfe. Er selbst hätte es nie zu Stande gebracht, diese Koffer richtig zu packen. Dafür hatte er stets Diener gehabt. Dankbar nahm er seine Marie in die Arme. Er merkte, dass sie jetzt schon den Tränen nahe war, obwohl sie noch gute zwölf Stunden hatten. In diesen zwölf Stunden überschüttete er sie mir Liebesbeweisen aller Arten. Im Bett ließ er ihr freie Hand. Während der kleinen Pausen, ließ er sich von ihr füttern und bedankte sich anschließend mit hingebungsvoller Leidenschaft bei ihr. Sie liebten sich in einen völligen Rausch. Marie wusste immer weniger, wie ihr geschah in diesen Stunden. Seine Hände erkundeten jede Stelle ihres Körpers. So, als ob er sie das erste Mal berührte. Seine Lippen auf ihrer Haut und den heiße Atem den sie spürte, ließen sie in einen Taumel geraten, aus dem sie sich nicht wieder loseisen wollte. Seine liebevollen Worte in ihren Ohren klangen für ewige Zeiten wieder. Richelieu genoss sie. Seine Marie war so wunderbar und schwindelerregend wie noch nie zuvor. Wie sich ihr Brustkorb unter seinen Fingern und heißen Küssen hob und wieder senkte. Ihre Haare umschlossen ihr Gesicht wie ein Rahmen ein Bild der Venus. Er spürte den süßlichen Schmerz, der ihn durchzuckte, als sie sich auf seinem Rücken festkrallte. Ihr Seufzen in seinen Ohren klang wie ein wunderschönes Lied. Marie mochte ich noch nicht vorstellen, dass dieses Mal das vorerst letzte Mal sein würde für eine lange Zeit. Aber je mehr sich dieser Gedanke in ihrem Kopf breit machte, desto mehr beobachtete sie jede seiner Bewegungen. Die Muskeln, die sich bewegten, wie die einer geschmeidigen Katze. Jede Bewegung schien bei ihm so geplant, und doch überraschte sie Marie immer wieder. Sie presste sich an ihn, wollte ihn noch mehr spüren. Sein Herz hören. Jede Stelle seines Körpers schmecken. Jedes einzelne Haar wollte sie fühlen. Seine Gesichtszüge einprägen. Auf das sie das alles nie wieder vergessen würde. Mit seinen Fingern durchfuhr er ihre Haare. Sie dufteten so wunderbar. Er sog tief den Geruch ein. Dieser Geruch. Er würde sie unter allen Frauen der Welt daran wiedererkennen. Er beobachtete ihre Hände, wie sie langsam seine Brust und seinen Bauch hinunter glitten. Ihre Finger waren so graziös. So zerbrechlich wie der Rest von ihr. Sie war seine Puppe. Eine Puppe die man wie einen Schatz hüten musste. Er merkte, wie ihr Atem flacher wurde. Ihre Brust hob sich nicht mehr so stark wie am Anfang. Ihre Atemzüge wurden kürzer, sie kamen nur noch stoßweise. Seine Züge waren so entspannt. Sein Blick so klar wie das Meer. Eine einzelne Haarsträhne hing ihm ins Gesicht, die sie ihm wegstrich. Sie spürte einen leichten Schweißfilm auf seiner Stirn, der sich seinen Weg über den Rest des Körpers bahnte. Seine Lenden hoben sich in immer kleineren Abständen. Und wieder bahnten sich wogen des Wohlgefühls durch ihren Körper. Sein heißer Atem an ihrem Hals machte sie schier verrückt. Er ließ ihr alle Härchen zu Berge stehen. Leidenschaft lag in den Küssen, die sie ihm gab und die er ebenso erwiderte. Sacht biss sie sich in seinen Schultern fest, was ihn aber keineswegs störte. Er genoss den Schmerz, den sie ihm mit ihrem Biss verpasste. Zärtlich und doch fordernd fuhr er mit seiner Hand an ihrem Oberschenkel entlang, sowohl außen als auch an der Innenseite, und zog sie noch näher an sich heran. Wie salzig ihre Haut nun schmeckte. Mit der Zungenspitze zog er jede einzelne Kontur ihres Körpers nach. Er spürte, wie sie darunter erzitterte und sich nur noch mehr an ihn presste. Ihre Körper schlossen sich zu einer untrennbaren Einheit zusammen. Seine Finger bahnten sich einen Weg entlang ihrer Wirbelsäure. Seine Finger waren wir tausend süße Stiche auf der Haut. Vollkommen dem Schwindel und der Erregung erlegen, warf sie ihren Kopf in den Nacken. Wieso war sie ihm nur so vollkommen unterlegen? Sie wand sich unter jeder einzelnen Berührung. Seine Zunge an ihrem Hals und Ohrläppchen war so wunderschön. Sie durchzog seine Haare und drückte sanft seinen Kopf auf ihre Brust. Wie lange würde er sie noch quälen? Sie erzitterte. Ihren Atem konnte sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr kontrollieren. Ihr ganzer Körper entzog sich jeglicher Kontrolle ihrerseits. Wie süß sie war. Sie wand sich wie eine junge Katze. Er spürte ihre Füße, die versuchten, sich auf seinem Gesäß einen Halt zu verschaffen. Es gelang ihnen nicht. Dafür sorgte er. Ihm wurde langsam klar, dass er nicht mehr lange so weiter machen konnte. Seine Lenden zogen sich immer schneller zusammen. Er wusste, dass es seiner süßen Geliebten nicht anders erging. Sie verkrampfte unter ihm immer mehr und teilweise hielt sie den Atem am, um noch etwas Aufschub sich und ihm zu gewähren. Bevor sie an ihrer Leidenschaft ersticken würde, presste er ihr seine Lippen auf den Mund. Sanft biss er in ihre Unterlippe und Marie verkrampfte auf der Stelle. Seine Lippen pressten sich auf ihren Mund, ein kurzer Biss auf die Unterlippe und ihre Spannung entlud sich. Sie spürte, wie er den Atem kurz nach dem Biss anhielt. In jenem Moment fühlten sich beide unbesiegbar. ************************************************ Völlig fertig mit sich und der Welt stieg Marie aus dem Bett. Richelieu lag schon lange nicht mehr neben ihr. Er war kurz vor Sonnenaufgang aufgestanden, um die wichtigsten Unterlagen zusammenzusuchen. Am Vorabend bat er Marie darum, diese Sache ihm zu überlassen, mit der Entschuldigung dass er nur so sicher gehen könne, alles dabei zu haben. Außerdem wollte er Marie nicht die Notizen zu seinen Kriegsschritten und Foltermethoden zu muten. Marie fand ihn im Arbeitszimmer, wie immer tief in seine Unterlagen vertieft. „Herr Gott noch mal, wo ist der Wisch denn nun?“ „Als ein Mann der Kirche solltest du nicht so laut fluchen, mein Liebster.“ Richelieu drehte ich um. Wie sie da stand, mit den offenen Haaren, den verschlafenen Augen und dem liebevollen Lächeln. Er stürmte auf sie zu und umarmte sie. Noch einmal wollte er sie spüren. Sie sein Herz spüren lassen, es zerbarst beinahe. Er vergrub sein Gesicht tief in ihren Haaren, wie weich sie doch waren. Waren sie schon immer so? Oder fiel es ihm erst jetzt auf? Jetzt wo er in weniger als einer Stunde aufbrechen würde. Er zog sie fest an sich. Richelieu spürte, wie sie ihre Finger in seinen Haaren vergrub und leise schluchzte. „Still, hör auf zu weinen. Du weißt, dass ich das nicht ertrage.“ „Ich kann aber nicht anders. Verzeih mir.“ „Ich verzeihe dir alles, dass weißt du.“ Sanft strich er ihr über den Rücken. „Aber es schmerzt mich so sehr, dass du gleich aufbrichst.“ „Ich weiß. Aber wir teilen den Schmerz, ja? Denn ich glaube, mein Herz müsse zerspringen, wenn ich dich in ein paar Augenblicken alleine lassen werde.“ „Ja, ja lass ihn uns teilen.“ Marie löste sich von ihm. Er versuchte ihr in die Augen zu schauen, aber sie hielt den Blick gesenkt. Stattdessen fuhr sie vorsichtig mit ihren Fingern über seine Augen und bedeutete ihm somit, sie zu schließen. Sie umfasste mit ihren Händen sein Gesicht und küsste ihn sanft auf die Lippen und anschließend auf die Stirn. „Umarme mich noch einmal.“ Er tat, wie sie sagte. Er konnte ihre nassen Wangen an seinem Hals spüren. Vorsichtig drehte er sein Gesicht zur Seite und küsste ihr die Tränen weg. Zumindest versuchte er es. Denn sie weinte soviel, dass Richelieu glaubte, sie würde mittlerweile den Ozean mit ihren Tränen füllen. Sekunden vergingen. Minuten verflogen. „Mein Herr.“ Ohne Marie loszulassen oder aufzuhören, durch ihre Haare zu streichen, drehte sich Richelieu zu Rochefort um, der in der Tür stand. „Verzeiht, mein Herr, aber ich hatte bereits ein paar Male geklopft, doch...“ „Ist gut Rochefort. Ich nehme an, die Kutsche ist vorgefahren?“ „Ja, ich lasse sie gerade beladen.“ „Gut, ich werde in wenigen Augenblicken nachkommen.“ Rochefort zeigte sein verständnisvollstes Nicken und verließ mit geneigtem Kopf rückwärts den Raum, den er nur halb betreten hatte. „Du hast es gehört. Die Kutsche ist vorgefahren und auch gleich voll beladen sein. Nur noch ich muss aufgeladen werden und meine Akten.“ So sachte wie möglich löste er sich von ihr und wischte ihr nebenbei die Tränen weg. „Dann geh jetzt.“ „Wir werden uns wiedersehen.“, Richelieu schaute sie ernst an. „Aber das hoffe ich doch.“, schniefte sie und versuchte ihr freches Grinsen aufzusetzen. Es blieb bei einem aufgesetzten Versuch. Ein letztes Mal drückte er sie an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich schreibe dir sofort, egal aus welcher Spelunke oder durchnässten Offizierszelt. Das verspreche ich dir.“ „Ich schreibe dir sofort zurück.“ Ein letzter leidenschaftlicher Kuss. Richelieu musste sich dazuzwingen, sie loszulassen. Ruckartig drehte er sich um, griff hektisch und leicht panisch nach seinen Unterlagen und verließ fast im Laufschritt den Raum. An der Tür begegnete ihm Madame Curée. Er drehte sich zu Marie um, sie sah ihn nicht an und sagte zur Köchin: „Kümmert Euch bitte sehr gut um sie. Ihr seid die einzigste Person hier, der sie vertraut.“ Madame Curée nickte, warf einen bedauernswerten Blick auf Marie und wünschte ihrem Herrn eine gute Reise und das er bald wiederkommen möge. Richelieu dankte ihr dafür und verließ fluchtartig das Palais. Als er in der Kutsche saß, warf er einen letzten Blick hinauf zu den Fenstern, die sein Arbeitszimmer erhellten. Marie stand nicht an ihnen. Er war froh drüber. Sonst wäre es für beide noch schmerzhafter gewesen. Marie konnte nicht am Fenster stehen. Gerne hätte sie es getan. Jedoch versagten ihre Beine kurz nach dem er das Zimmer verlassen hatte, und nur Madame Curée war es zu verdanken, dass sie sich nicht ernsthaft dabei wehtat, als sie zu Boden sank. Marie weinte nur noch. Madame Curée ließ sie gewähren. Sie wusste, dass es für sie beide schwer gewesen war, voneinander zu lassen. Der schmerz schien sie beide jetzt schon aufzufressen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)