Der Tag an dem ich dich wiedersah... von -Sessy- (Sesshoumaru x Rin) ================================================================================ Kapitel 7: Das Geheimnis der Gärten ----------------------------------- Mittlerweile war Rin schon seit einer geschlagenen Woche hier und es hatte sich nicht das Geringste getan. Sie hatte gehofft, dass Sesshoumaru sich ändern würde. Das er nur die erste Zeit sauer war, weil sie ungebeten hergekommen war und dass er sich nach zwei drei Tagen wieder beruhigen würde. Aber wie Rin nach dieser Woche feststellen musste, was dies nicht der Fall. Sie musste die Nächte immer noch in diesem verrotteten Zimmer verbringen und bessere Kleidung hatte sie auch nicht bekommen. Sie versuchte dieses Zimmer so gut es ging zu meiden, nur des nachts hielt sie sich dort auf. Und wenn sie tagsüber im Schloss oder außerhalb des Schlosses unterwegs war, schämte sie sich dafür, in solch unangemessener Kleidung herumzulaufen. Zwar hatten die anderen Leute auch nichts besseres, aber das war selbst für Rins Verhältnisse unter aller Würde. >Langsam glaube ich, dass er mich wirklich nicht hier haben will. Und ich blöde Kuh hatte mir vorher noch was darauf eingebildet...< Rin saß alleine in dem Speisesaal und kaute auf einer Brotkruste rum, die noch von ihrem Frühstück übrig war. Alle anderen gingen schon ihren Tätigkeiten im Schloss nach. Sesshoumaru war diesen Morgen nicht erschienen, was Rin sehr wunderte. Normalerweise war er immer da. Zwar viel früher als die anderen, aber das lag daran, dass er seine Ruhe haben wollte. Er aß nicht gerne mit anderen zusammen. Überhaupt hatte Rin ihn nur zweimal dabei beobachtet, wie er etwas zu sich nahm. Eigentlich traf man ihn immer pünktlich zu Sonnenaufgang im Speisesaal an. Rin stand deshalb jeden Morgen extra früh auf, um ihn zu sehen. Denn tagsüber ging sie ihm meistens aus dem Weg, obwohl ihr die Fragen, die sie ihm stellen wollte, schon höllisch auf der Zunge brannten. Doch ihr fehlte einfach der Mut dazu. An diesem Morgen aber war keine Spur von Sesshoumaru zu sehen. Eigentlich sollte sie sich gut fühlen, denn das erste Mal, seit sie hier war, wurde beim Speisen munter geredet. Es war alles viel lockerer als die ganzen Tage zuvor. Aber das lag wohl daran, dass der Herr des Schlosses nicht anwesend war. Irgendwann erhob Rin sich, brachte das übrige Geschirr in die Küche und fragte die drei Frauen, die dort tätig waren, ob sie Sesshoumaru heute morgen begegnet seien. Eine der Drei nickte schließlich. „Ich habe ihn heute gesehen. Es war noch ziemlich in der Frühe und noch sehr dunkel draußen. Er hat mich zwar gesehen, aber nichts gesagt. Dann ging er raus. Ich glaube, dass er wieder in die Wälder gegangen ist. Das macht er oft. Aber ich habe keine Ahnung, wann er wieder zurück kommt. Vielleicht heute Abend, vielleicht auch erst in zwei Tagen. Das weiß keiner.“ Die junge Frau musterte Rin genau. „Wieso interessiert dich das, Kleine?“, wollte sie wissen. Rin stutzte etwas. Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet. „Ach... Das ist nur reine Neugierde, nichts weiter.“ „Na, wenn das so ist...“ Die Frau drehte sich wieder weg, ohne die schwarzhaarige junge Frau weiter zu beachten, und ging ihrer Arbeit nach. Rin musste sich schließlich mit dieser Antwort auf ihre Frage zufrieden geben und verließ anschließend die Küche. Sie betrat die Eingangshalle. Niemand war zu sehen oder auch nur zu hören. „Wo sind die denn alle?“, murmelte Rin leise vor sich hin. Sie blickte sich noch einige Male um, konnte aber niemanden in ihrer Nähe ausmachen. Es kam ihr vor, als wäre sie ganz allein in dem großen Gebäude. Das war sie natürlich nicht und dies wusste sie auch, aber momentan schien das Schloss wie verlassen. Ganz spontan fiel ihr Blick erst auf die Treppe und dann nach oben. Sie spielte mit dem Gedanken es zu wagen. Warum, wusste sie auch nicht genau. Vielleicht lag es auch gerade daran, dass es verboten war sich dort aufzuhalten. Eine Herausforderung? Ihre Neugierde brauchte sie immer wieder in solche Situationen. Trotzdem hätte sie zu gerne gewusst, was dort oben wohl sein mochte. Es musste doch einen Grund geben, wieso man dort nicht hinaufgehen durfte. Langsam setzte sie einen Fuß auf die erste Stufe. Doch genau in diesem Augenblick hörte sie auf dem Hof eine Stimme, die ihr doch sehr bekannt und vertraut vorkam. Schnell vergaß sie ihren Gedanken, den sie gerade noch im Kopf hatte, und ging neugierig Richtung Eingangstor, welches einen Spalt offen stand. Vorsichtig näherte sie sich dem Tor und lauschte einige Worte, die draußen gesprochen wurden. „...und Sesshoumaru-sama hat eindeutig angeordnet, dass sich alle Wachen mit ihren Rüstungen und Waffen unverzüglich vor dem Tor zu versammeln haben. Und was sehe ich? Ihr lasst euch alle Zeit der Welt! Ihr faules Pack! Und außerdem ist es einfach nur beschämend, dass unter euch auch noch Dämonen sind! Ihr seid auch nicht besser als diese abscheulichen Menschen! Wenn Sesshoumaru-sama sehen würde, wie ihr hier...“ Rin schluckte einmal, als ob sie etwas im Hals hätte. Sie guckte langsam um die Ecke, um nachsehen zu können, was dort eigentlich vor sich ging. Sie sah eine Ansammlung von Wachen, die gelangweilt in der Gegend herumstanden, gähnten, sich abwesend am Hinterkopf kratzen, ihre Schwerter begutachteten, oder mit geschlossenen Augen die frische Morgenluft genossen, ohne auch nur einmal richtig zuzuhören, was ihr Gegenüber ihnen versuchte mitzuteilen. „Ihr werdet euch noch wundern! Eure Faulheit soll bestraft werden! Sesshoumaru-sama wird erfahren, dass ihr euch seinen Befehlen widersetzt! Und ihr wollt euch Wachen nennen? Lächerlich!“, waren die aufbrausenden Worte zu hören. Diese schrille, manchmal quietschende Stimme kam Rin so unheimlich bekannt vor. „Geht mir aus dem Weg, ihr nutzloser Haufen!“ Einige der Wachen machten Platz, andere hatten anscheinend gar nicht mitbekommen, was in den letzten Minuten geschehen war. Etwas weiter von ihr entfernt, sah Rin, wie sich ein kleiner grüner Youkai, mit großen gelben Augen, von den faul herumstehenden Wachen entfernte. Man hörte noch, wie er leise etwas vor sich hin fluchte. „Jaken!“, flüsterte Rin. In ihr stieg Freude auf. Sie hatte den kleinen Dämon die ganze Zeit, in der sie schon hier war, nicht gesehen. Aber sie freute sich, dass er wieder da war. Er war zwar nervig, aber ohne ihn war es langweilig. Rin schob die große schwere Tür mit Mühe beiseite, so dass sie austreten konnte und lief mit schnellen Schritten hinter dem fluchenden Youkai her. Als sie ihn fast eingeholt hatte, rief sie seinen Namen. Der kleine Kerl drehte sich verwundert um. Doch genau in diesen Moment fiel ihm jemand um den Hals. „Jaken! Wie schön dich wieder zu sehen! Ich freu mich so!“ Wie erstarrt blieb der Dämon stehen und musste seine momentane Lage erst einmal realisieren. Erst nach einigen Sekunden fasste er sich wieder. „Was zum...? Lass mich los, sonst kannst du was erleben!“, rief Jaken und fuchtelte wild mit den Armen umher. Dabei hielt er seinen Kopfstab in einer Hand, den er jetzt auf Rin richtete. Dann sah er zu ihr. „Wie? Noch ein Mensch? Das gibt es doch gar nicht! Haben wir hier eine Sammelstätte für herumstreunende Menschen? Ich verstehe es nicht, dass Sesshoumaru-sama so viele von eurer Sorte hier duldet! An seiner Stelle würde ich euch alle zum Teufel jagen!“, krächzte er vor sich hin. „Jaken! Ich bin es doch, Rin!“, unterbrach sie ihn. Einen Moment stutzte der Dämon etwas und schaute Rin etwas genauer an. Doch anscheinend erkannte er sie nicht. „Rin? Verarsch mich nicht, du ekelhafter Mensch! Du kannst unmöglich Rin sein. Sie ist seit vielen Jahren bei den Menschen! Sesshoumaru-sama hat sie dort zurückgelassen! Und ich muss sagen, dass das eine gute Entscheidung gewesen war!“ Diese Worte trafen Rin sehr tief. Sie hatte sich doch so gefreut Jaken wieder zu sehen. Und jetzt musste sie feststellen, dass ihre Vermutungen, die sie anfangs gehabt hatte, tatsächlich der Wahrheit entsprachen. Sie war Sesshoumaru, sowie Jaken, von Anfang an nur eine Last gewesen. Sie war nur im Weg und störte. Kein Wunder, dass sie in einem Menschendorf zurückgelassen wurde. Jetzt verstand sie es. Nur das sie es auf so eine schmerzhafte Art und Weise erfahren musste. Konnte er es nicht etwas mitfühlender ausdrücken? Aber im Gegensatz zu Sesshoumaru, hatte Jaken Rin nicht sofort erkannt. Er glaubte ihr nicht, und das streute noch mehr Salz in die schon schmerzende Wunde. „Und jetzt bleib mir vom Leib, sonst wirst du die Kraft meines Kopfstabes zu spüren bekommen!“, drohte der kleine Dämon und hielt Rin den Stab entgegen, den er immer mit sich trug. Rin ging einen Schritt zurück. Sie merkte, dass er heute in ziemlich schlechter Stimmung war und er würde seinen Kopfstab mit Sicherheit einsetzen. „So glaub mir doch, Jaken...“, versucht es Rin noch einmal, um ihn etwas zu beruhigen. Sie verstand es nicht, dass er so reagierte. Früher war er anders. Sie hatte sich oft mit ihm unterhalten. Er hatte ihr so vieles erklärt, wenn sie etwas nicht wusste. Und nun? Sollten sie sich nun etwa als Feinde gegenüberstehen? Das wollte sie um nichts auf der Welt. „Halte dich fern von mir! Deine Lügen kannst du jemand anderem auftischen!“ Jaken hob erneut bedrohlich seinen Kopfstab in Rins Höhe. Man konnte ihm förmlich ansehen, dass es ihm Freude bereiten würde, wenn er jetzt jemanden angreifen könnte. Wahrscheinlich nur, um seine schlechte Laune an jemandem auslassen zu können. Rin ging einen weiteren Schritt zurück, schaute aber dabei immer den Stab an, den der grüne Youkai in der Hand hielt. Sie hatte das Gefühl, dass ihr jeden Augenblick die Flammen des Stabes entgegen kommen würden. „Jaken! Wage es nicht den Kopfstab Rin gegenüber zu erheben!“ Beide, Rin und Jaken, drehten sich verwundert in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. „Wa... wa... was? Sesshoumaru-sama!“, rief Jaken und warf sich förmlich vor ihm auf den Boden. „Ihr seid wieder da. Welch erfreuliche Nachricht!“ Der am Boden liegende Dämon hob etwas den Kopf an, um seinen Meister sehen zu können. „Rin, sagt Ihr? Aber ich dachte...“ Sesshoumaru ging auf Jaken zu. „Hast du verstanden, was ich eben gesagt habe? Wage es nie wieder!“, wiederholte er seine Worte etwas lauter und drückte dabei den kleineren Youkai mit einem Fuß auf den Boden. “Ja, mein Herr! Bitte vergebt mir! Vergebt mir! Es wird nie wieder vorkommen!“, nuschelte er vor sich hin. „Das will ich für dich hoffen. Andererseits wirst du es mit deinem Leben bezahlen.“ Sesshoumaru nahm den Fuß von Jaken herunter, der immer noch auf dem Boden lag und sich nicht rührte. Einen Augenblick lang stand Sesshoumaru da und es sah so aus, als würde er selbst über seine eben gesagten Worte verwundert sein. Er fasste sich aber fast im selben Moment wieder. Dann ging der hochgewachsene Dämon mit den weiß-silbrigen Haaren auch an Rin vorbei, ohne weiter auf sie zu achten. Sein Gesicht hatte einen sehr ernsten Ausdruck. >Wieso habe ich mich da eingemischt? Hätte Jaken den Kopfstab eingesetzt, wäre ich mein Problem jetzt los. Warum habe ich mich für sie eingesetzt? Ich habe sie beschützt, sowie vor so vielen Jahren. Ich tue genau das Gegenteil, von dem, was ich vorhabe. Genau das will ich doch vermeiden.< Er schüttelte kaum erkennbar den Kopf, um seine Gedanken loszuwerden, und schlug einen Weg ein, der hinter das Schloss führte. Rin wunderte es auch, dass er sie verteidigt hatte. Nachdem, was sie von Jaken erfahren hatte, hätte sie schwören können, dass es Sesshoumaru egal gewesen wäre, wenn sie durch den Kopfstab gegrillt worden wäre. Aber er hatte Jaken davon abgehalten und ihm sogar mit dem Tod gedroht. Vielleicht war sie ja doch nicht so unerwünscht, wie sie gedacht hatte. Der kleine Hoffnungsschimmer, den Rin erst vor kurzem verloren hatte, hatte sich jetzt wieder etwas in ihr ausgebreitet. In ihrem Körper hatten sich alle möglichen Gefühle und Empfindungen angesammelt. Nach den Ereignissen von gerade brauchte sie jetzt etwas Zeit für sich. Sie wollte allein sein. Nicht um nachzudenken. Das tat sie schon viel zu oft. Nein, sie wollte alleine sein, um einfach mal ihre Ruhe zu haben. Abschalten zu können, einfach mal über gar nichts nachdenken zu müssen. Ihre Gedanken für einige Zeit beiseite legen zu können und sich entspannen. Genau, entspannen! Das hatte sie noch gar nicht getan, seit sie hier war. Sie schlug den Weg in die Gärten ein. Dort kam nie jemand hin, oder nur sehr selten. Meistens die alte Youkai, der Rin vor einigen Tagen das erste Mal begegnet war. Aber Rin war sehr oft in den Gärten. Sie fühlte sich dort sehr wohl, obwohl es nicht sonderlich schön war. Noch immer hatten die Bäume und Sträucher keine Blätter und die Blumen blühten nicht. Aber Rin konnte sich schließlich nicht um alles gleichzeitig kümmern. Was keiner wusste, war, dass Rin sich die Zeit nahm und sich um einige Hecken und Sträucher kümmerte. Sie pflegte sie und versorgte sie mit Wasser. Und ihre Mühe wurde auch belohnt. Die Heckenrose zeigte ihre Dankbarkeit und hatte wieder ihre ursprüngliche grüne Farbe angenommen. Sie hatte auch schon viele neue Knospen und auch sah man schon die schönen roten und roséfarbenen Blütenblätter, die den Weg an die frische und sonnige Luft suchten. Rin war sichtlich stolz auf ihr kleines vollbrachtes Werk. Ihr bereitete es große Freude sich so um etwas kümmern zu können. Gerne saß sie dort auf der Wiese und betrachtete die Rosen, wie sie in der Sonne aufgingen. Genauso tat sie es auch an diesem Tag. Sesshoumaru war, im Gegensatz zu Rin, nur gegangen, um in Ruhe nachdenken zu können. Das war auch der Grund, weswegen er am Morgen so früh aufgebrochen war. Doch im Wald fand er nicht die Ruhe, die er gesucht hatte. Im Gegenteil. Er stieß auf zwei kampfwütige Dämonen, die es wagten, ihn, Sesshoumaru, zu einem Kampf herauszufordern. Für den InuYoukai waren das keine ernstzunehmenden Gegner. Nach wenigen Sekunden lagen die Körper der Beiden auf dem Boden und die Flammen, die die regungslosen Dämonenkadaver umhüllten, schlugen meterhoch gen Himmel. In der Luft lag der widerliche Geruch von verbranntem Fleisch. Sesshoumaru konnte nicht an diesem Ort bleiben. Seine Nase war zu empfindlich, um dort länger zu verweilen. Deswegen war er wieder zum Schloss zurückgekehrt und suchte sich nun einen anderen Platz, an dem er ungestört sein konnte. Er ging an einen Ort, zu dem niemand Zutritt hatte. Für jeden war es strickt verboten gewesen sich diesem Ort auch nur ansatzweise zu nähern. Ein besonderer Ort, den wirklich niemand im Schloss je gesehen hatte. Nicht einmal Jaken. Und falls es doch irgendjemandem in den Sinn kommen sollte sich diesem Ort zu nähern, wurde er mit dem Tode bestraft. So lautete die Regel. Dort hielten sich früher nur Familienmitglieder auf und so war es bis zu diesem Tag geblieben. Sesshoumarus Vater, InuTaisho, war sehr oft dort gewesen. Und auch seine Mutter hatte des öfteren den Weg dorthin gefunden. Selbst InuYasha, seinem Halbbruder, den er immer noch zutiefst verachtete, wäre der Zutritt dorthin nicht verwehrt gewesen. Und nun war wieder einmal die Zeit gekommen, dass sich der jetzige Lord der westlichen Ländereien dort niederließ. Für wie lange konnte er nicht sagen. Er würde erst wieder zum Schloss zurückkehren, wenn er seine Gedanken, Probleme und unerwünschte Erinnerungen aus der Welt geschafft hatte oder es einen Zwischenfall beim Schloss geben würde. Aber das konnte er mit Gewissheit ausschließen. Er konnte im Moment keinen Feind ausmachen, der ihm gefährlich werden könnte. Der Youkai, mit den goldglänzenden Augen, ging auf eine Wand aus Bäumen zu, die etwas abseits des Schlosses standen. Die großen und hochgewachsenen Weiden, deren Äste bis fast an den Boden reichten und in voller Pracht blühten, ließen keine fremden Blicke durchdringen und verbargen auf diese Art, was sich hinter ihnen erstreckte. Der Dämon schob mit einer Hand einige der Äste beiseite, um sich so einen Weg durch das Grün zu bannen. Die Äste fielen wieder zurück und Sesshoumaru verschwand im Schatten der Weiden. Die Dunkelheit umhüllte ihn, als er zwischen den Bäumen umherwandelte. Es war kaum zu glauben, dass er immer noch in der Nähe des Schlosses war. Doch auch dieser Ort gehörte zu den Gärten, nur wussten das die Wenigsten. Hier wurde eine gewisse, sonderbare Wärme ausgestrahlt. Die beruhigende Atmosphäre half ihm dabei, alles zu vergessen, was ihm bis zu diesem Moment im Kopf herumgeschwirrt war. Alles, bis auf eines. Rin. Ein leises Plätschern war wahrzunehmen und die Dunkelheit verschwand mit der Zeit. Dichter Farn und ein paar herunterhängende Äste der Weiden versteckten eine heiße Quelle hinter dem Grün. Ein paar Glühwürmchen hatten sich dort verirrt und schwirrten nun hin und her. Sesshoumaru blieb vor der Quelle stehen und starrte einen Augenblick hinein. Ein leises Seufzen entwich seiner Kehle und nur er wusste, an was er in diesem Moment dachte. Langsam lies er seinen Suikan seine glatte helle Haut hinunter gleiten und stieg dann mit eleganten und stolzen Schritten in die Quelle hinein. Nachdem er sich eine Stelle gesucht hatte, an der er bequem saß, entspannte er sich, atmete noch einmal tief durch und schloss dann die Augen, um endlich die Ruhe genießen zu können, die er gesucht hatte. Zumindest hatte er es sich erhofft. Doch so einfach, wie er sich dies vorgestellt hatte, war es nicht. Vor seinem inneren Auge sah er Rin. Sie stand vor ihm und sah ihn an. Sie sah ihn einfach an, ohne auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Er konnte es sich nicht erklären, wieso er vorhin so gehandelt hatte. Das war ganz und gar nicht seine Art. Früher nicht, genauso wenig wie jetzt auch. Aber doch hatte er es getan. Und genau das war sein Problem. Er verstand seine eigene Handlung nicht. Vielleicht lag es daran, dass er sie schon so lange kannte. Immerhin ist er ihr das erste Mal begegnet, als sie noch ein siebenjähriges Mädchen war. Oder lag es doch eher daran, dass sie nun eine erwachsene junge Frau war? Sie war zwar ein Mensch, aber für einen Menschen war sie sehr hübsch, wie er doch ungewollt zugeben musste. Was dachte er da nur? Wie konnte er solche Gedanken auch nur ansatzweise fassen? Er, Sesshoumaru, ein reinrassiger InuYoukai und dazu noch einer der mächtigsten seiner Rasse. Sesshoumaru öffnete schlagartig seine Augen. Noch nicht einmal hier fand er das, was er eigentlich suchte. Ruhe, einen Rat, eine Lösung. Er setzte sich wieder etwas aufrechter hin, strecke den linken Arm aus, ballte die Hand zu einer Faust und öffnete diese dann wieder langsam. „Es kann doch nicht sein, dass ich sie nicht aus meinem Kopf verbannen kann. Seitdem sie hier aufgetaucht ist, hat sie alles durcheinander gebracht.“ Er setzte einen Moment aus, um dann einige Sekunden später sein Selbstgespräch fortzuführen. „Nein, sie hat mich durcheinander gebracht. So kann und darf es nicht weitergehen. Ich lasse mich ja schon von einem Menschen beeinflussen...“ Langsam bekam er durch dieses Thema schlechte Laune. Er konnte sich jede Frau aussuchen, die er haben wollte. Klar, er war ja auch ein DaiYoukai. Niemand hätte je etwas dagegen gesagt. Aber eine menschliche Frau? Nein! Soweit würde er es niemals kommen lassen! Er musste sich irgendwie anders ablenken, bevor dieser Gedanke sich völlig in sein Gehirn festfraß. Rin saß noch immer an dem Platz, an dem sie sich nach dem Zusammentreffen mit Sesshoumaru niedergelassen hatte. Was sie nicht merkte, war, dass sich die alte Youkai Rin näherte, die sie einige Tage zuvor kennen lernte. „Wie ich sehe, hast du dich hier gut eingelebt.“, sprach die Youkai zu der schwarzhaarigen jungen Frau, die zuerst gar nicht wahrnahm, dass sie gemeint war. Etwas unsicher drehte sie sich zu ihrer Gesprächspartnerin um. „Oh, bitte verzeiht mir. Ich habe Euch nicht bemerkt.“, entschuldigte sich Rin und erhob sich. „Du brauchst dich deswegen nicht bei mir zu entschuldigen, mein Kind.“ Die Frau sah Rin mit einem warmen Lächeln an. „Um genau zu sein, bin ich mir noch nicht sicher, ob ich mich eingelebt habe. Nach meiner Ansicht ist alles immer noch wie vorher, nur mit dem Unterschied, dass ich mich jetzt besser zurecht finde.“ „Da mach dir mal keine Sorgen. Alles zu seiner Zeit.“ Die Youkai machte eine kurze Pause, um Rin zu Wort kommen zu lassen. Aber da die junge Frau keine Anstalten machte überhaupt eine Antwort zu geben, setzte die grauhaarige Frau das Gespräch fort. „Du hast dir das hier wirklich sehr zu Herzen genommen. Ich hätte nicht gedacht, dass du es wirklich versuchen würdest.“, meinte sie noch anschließend und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Rosenbusch, der hinter Rin seine Knospen aufgehen ließ. „Ich dachte, einen Versuch wäre es wert.“ Rin schaute etwas verlegen zu Boden. „Ich habe gleich gewusst, dass es dir gelingen würde.“, sagte die Frau und nickte zufrieden. „Und auch der nächste Schritt wird bald folgen, da bin ich mir sicher.“ Rin schaute die alte Frau etwas irritiert an. „Welcher Schritt? Ich kann Euch nicht ganz folgen.“ „Der nächste Schritt? Hast du es denn noch nicht verstanden?“ Sie schaute Rin eindringlich einige Sekunden in die Augen. „Sieht wohl nicht so aus.“, murmelte sie vor sich hin. „Der nächste Schritt lautet Sesshoumaru!“ Jetzt war Rin völlig irritiert. Was hatte denn Sesshoumaru mit all dem hier zu schaffen? Als ob die alte Frau, mit den grünen Augen und den grauen, mit roten Strähnen durchzogenen Haaren, Rins Frage geahnt hatte, gab sie ihr schon die Antwort, bevor diese ihre Frage überhaupt stellen konnte. „Nun, seit einigen Jahren ist der junge Lord zunehmend immer ernster und verschlossener geworden. Zu all dem kommt noch hinzu, dass er dieses Land vernachlässigt hat und es noch immer tut. Angefangen hat das vor ziemlich genau 12 Jahren.“ Rin hörte der Frau aufmerksam zu. „Doch seit deiner Ankunft, hat sich das Verhalten des jungen Lords zusehend geändert. Es mag vielleicht nicht jedem auffallen, doch ich kenne Sesshoumaru-sama schon seit seiner Geburt und glaube mir, ich kenne ihn genau. Mir fällt eine Veränderung an ihm sofort auf. Du würdest es nicht erkennen.“ Sie setzte ein sanftes Lächeln auf und sah ihr Gegenüber dabei an, so dass Rin ein nichtgewollter Schauer über den Rücken lief. Die alte Dämonin setzte ihre Erklärung fort, nachdem sie Rin etwas genauer beobachtet hatte. „Ich denke, dass das etwas mit dir zu tun hat. Du bist der Grund dafür.“ Rin sah der Frau direkt in die Augen. Sie schien über diese Aussage überrascht, aber auch zum Teil verwirrt. „Ich glaube nicht, dass ich mit der ganzen Sache etwas zu tun habe. Ich bin eher der Meinung, dass er mich gar nicht hier haben will.“, entgegnete Rin und schüttelte den Kopf. „Natürlich, so sieht es aus. Das weiß ich. Aber ich weiß auch, dass Sesshoumaru sich schon immer so gab. Er gehört eben zu unserer Art. Er ist ein Youkai. Die Meisten sind so wie er, doch sie verstellen sich auch zum größten Teil, um nicht ihre Schwächen zu zeigen. Aber jeder hat nun einmal eine Schwäche, dass lässt sich nicht leugnen.“ Sie schaute einmal kurz um sich, als ob sie nach jemandem Ausschau hielt. Schon im nächsten Augenblick wandte sie sich wieder Rin zu. „Und genau das ist es auch, was Sesshoumaru derzeit tut. Sein ganzes Leben schon, und seit 12 Jahren kommt man gar nicht mehr an ihn heran. Bis jetzt.“ „Tut mir leid, aber ich sehe da keine Verbindung zu mir. Ihr müsst Euch irren.“, widersprach Rin und wollte gehen. Doch die Youkai hielt sie am Arm fest. „Ich weiß, dass du ihn ändern kannst. Er wird auf dich hören. Es wird zwar seine Zeit brauchen, aber du könntest es sein, wenn du die Geduld aufbringen kannst.“ Die alte Frau zog Rin näher zu sich und sprach zu ihr in einem flüsternden Ton, den Rin nur beim genaueren Hinhören verstand. „Mein Kind, höre mir gut zu, was ich dir jetzt zu sagen habe. Dieses Schlossgelände ist sehr groß und ich kenne das Geheimnis dieser Gärten. Nur Wenige wissen Genaueres davon. Es gibt diese drei Gärten, die du hier siehst. Den Rosengarten, den See mit der Blumenwiese und den Garten, der am meisten Früchte bringt. Jeder Einzelne hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Man sagt vieles, aber nur eines kann stimmen. Und ich weiß welche Geschichte die Richtige ist.“ Rin fühlte sich sichtlich unwohl, doch die Youkai ignorierte dies und erzählte weiter. „Siehst du die große Eiche dort neben dem See? Ein Paar, welches sich zu Vollmond unter der Eiche küsst, soll auf ewig glücklich werden. Ein Paar, welches zu Vollmond die Zweisamkeit bei den blühenden Rosen sucht, wird bis ans Lebensende glücklich werden. Ein Paar, welches zu Vollmond die süßesten Früchte des Baumes speist, wird sich niemals trennen. Ich weiß es genau, denn alle Vorfahren dieser Familie haben die Richtigkeit dieser Legenden auf diese Art bewiesen. Jetzt liegt es an Sesshoumaru, diese Tradition fortzuführen. Und du könntest ihn auf den richtigen Weg bringen. Es gibt noch einen vierten Garten, den allerdings niemand betreten darf. Nur engsten Familienangehörigen ist es gestattet dort Einblick zu erhalten. Es gibt ebenfalls Geschichten über ihn, allerdings sind es nur Vermutungen. Aber ich bin mir sicher, dass du hinter dieses Geheimnis kommen würdest. Merke dir das alles sehr gut. Es wird dir noch von Nutzen sein.“ Rin hatte genug gehört. Sie riss sich von der alten Frau los. „Wieso erzählt Ihr mir das? Das interessiert mich nicht. Ich will davon nichts mehr wissen!“, fuhr sie die grauhaarige Youkai in einem verärgertem Ton an. Nicht weiter auf die alte Frau achtend, ging Rin an ihr vorbei, die ihr noch nachsah und dabei lächelte. >Was sollte das denn werden? Ein Verkupplungsversuch? Was bildet die sich eigentlich ein? Ich soll mir alles gut merken... Lächerlich!< Rin verließ mit großen Schritten den Garten. Doch dann wurden ihre Schritte wieder kleiner und ihr Gang verlangsamte sich. >Was rede ich denn da? Genau das ist es doch, was ich eigentlich will. Deswegen bin ich doch hier. Ich habe diesen ganzen weiten Weg auf mich genommen, nur um aus diesem Grund herzukommen. Wieso wollte ich es denn eben nicht wahrhaben? Weil sie meine Gefühle durchschaut hat?< Rins Blick fiel zu Boden. „Ich habe ihn immer noch nicht gefragt.“, murmelte sie still vor sich hin. „Ich werde wohl nie eine passende Gelegenheit dazu finden.“ Ein paar Wolken zogen auf und verdeckten für kurze Zeit die Sonne. Rin schaute nach oben und musste kurz daran denken, wie es wohl Yazuma, Kokomi, Shiomi und all den anderen aus dem Dorf erginge. Seit sie das kleine Dorf verlassen hatte, hatte sie nur selten Zeit, über ihre alten Freunde nachzudenken, da sie hier mit ganz anderen Sachen beschäftigt war. Einige Wachen, die ihren Streifzug über den Hof machten, kreuzten Rins Weg und sie entschloss sich, ihnen etwas zu folgen. Die Wachmänner, zwei Youkai und ein Mensch, bemerkten die junge Frau schnell und warfen ihr des öfteren Blicke zu. Doch Rin störte dies nicht weiter. Seit sie hier war, war sie es mehr oder weniger gewohnt gewesen, angestarrt zu werden. Schließlich brach sie ihren Weg ab und ging wieder zurück ins Schloss. Sie bemerkte, dass es in der Eingangshalle genau so leer war, wie auch einige Stunden zuvor. Auch Sesshoumaru war nirgends zu sehen. >Wo er jetzt wohl sein mochte?< Das hätte sie brennend interessiert. Aber es gab hier wohl niemanden, der ihr dies mitteilen konnte. Wenn Sesshoumaru ungestört sein wollte, dann war er auch ungestört. Er war nun einmal der Herr dieses Schlosses und dieser Ländereien. Er konnte tun und lassen was auch immer er wollte. Aber in diesem Augenblick war er nicht anwesend und Rin überlegte, ob sie diese Gelegenheit vielleicht nutzen sollte. Wieder fiel ihr Blick auf die große Treppe, dann immer höher bis hin zur obersten Etage. Vorhin wurde sie davon abgehalten, das zu tun, was sie vorhatte. Nun aber war niemand in der Nähe, der sie stören und somit verhindern konnte, ihr Vorhaben zu unterlassen. Rin schaute sich noch einmal nach allen Seiten um und ging dann mit etwas schnelleren Schritten nach oben. Dabei achtete sie genau darauf, dass sie niemandem begegnete. Nur wenige Minuten später stand sie vor den Stufen, die sie von Sesshoumarus privatem Reich trennten. Sie war sich bewusst, dass sie gerade dabei war etwas sehr dummes zu tun, dass eventuell auch Konsequenzen haben könnte. Aber in diesem Moment war es ihr egal. Ihre derzeitige Lage hätte sich sowieso nicht mehr großartig verschlimmern können. Letztendlich ging sie Schritt für Schritt die letzten Stufen hinauf. Der Unterschied zu den unteren Bereichen wurde sehr schnell klar und es war überwältigend. Die Schwarzhaarige wusste, dass sie nicht hier sein sollte und auch nicht hier sein durfte, aber sie konnte sich einfach nicht gegen ihre Neugierde wehren. Und da sie sich immer noch etwas über die Worte der alten Youkai ärgerte, kam ihr in diesem Moment ihre Neugierde ganz gelegen. Sie wagte es und brachte den Mut auf, um sich etwas genauer umzusehen. Der schöne Marmorboden war so auf Hochglanz poliert, dass er das Sonnenlicht, welches von draußen hinein schien, reflektierte. Ein angenehmer Duft lag in der Luft, der Rin sehr gefiel. Ohne großartig zu zögern, ging sie die linke Seite des Korridors entlang, der mit wunderschönen Portraits und, wie es aussah, mit handgestickten Wandteppichen behangen war. Die Sachen mussten schon sehr alt sein. Die Türen, die sich in dem Korridor befanden, waren alle geschlossen. Rin ging ganz spontan zu der Tür, die ihr als Erste ins Auge fiel. Langsam und vorsichtig schob sie sie auf. Sie hoffte nur, dass Sesshoumaru nicht in einem dieser Räume saß. Normalerweise suchte sie seine Nähe, aber in diesem Moment war es ihr lieber nicht auf ihn zu stoßen. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie er reagieren würde, wenn er wüsste, dass sie sich hier oben herumtrieb. Zum Glück war niemand in diesem Raum. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, fiel ihr auf die Schnelle keiner ein, der hier sein würde. Jaken war immer noch unten mit einem Teil der Wachen beschäftigt, Aoi hatte nicht die Erlaubnis hier zu sein und außerdem hatte Rin zu den anderen nicht so einen guten Kontakt. Nur ausgewählte Personen durften hier sein. Doch wer zu diesen ausgewählten Personen gehörte, wusste Rin nicht. Vielleicht war es nur eine einzige Person. Vielleicht aber auch Zwei oder Drei. Und fraglich war auch, ob es Menschen waren, oder doch eher Dämonen? Sie wusste es nicht und ihr war es zu diesem Zeitpunkt auch egal, solang niemand hier oben war. Der Raum, den sie betreten hatte, beinhaltete einen kleineren Tisch, einen Stuhl, der verkehrt herum auf dem Tisch abgestellt wurde, einige alte Bücher, die das letzte Mal vor einigen Jahren durchgeblättert wurden und einen alten, verrotteten Schrank, der seinen Dienst schon vor Jahrzehnten aufgegeben hatte. Sonst lang nur noch wertloses Gerümpel herum. Es war wohl eine Art Abstellkammer, in der Rin da gelandet war. Sie schloss die Tür genau so leise, wie sie sie geöffnet hatte, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Die nächsten paar Türen waren verschlossen und es gab keine Möglichkeit hinein zu kommen. Rin machte kehrt, um ihr Glück auf der anderen Seite des Korridors zu versuchen. Ihre Neugierde war einfach zu groß, um wieder nach unten zurück zu gehen. Sie ging zum anderen Ende des langen Flures. Genau wie auf der gegenüberliegenden Seite hingen hier verschiedene Gemälde, Wandteppiche und Kronenleuchter an den Wänden. Die letzte Tür am Ende des Flures zog sie magisch an. Wie auch zuvor schob sie die Tür zur Seite und trat langsam in das Zimmer ein. Helles Licht kam ihr entgegen und auch der angenehme Duft, der ihr vorhin aufgefallen war, schien von diesem Zimmer auszugehen. Das ganze Zimmer war in warmen Pastellfarben getaucht worden. Seidene Vorhänge, die sich leicht bewegten, verschaffen dem Zimmer etwas Lebendiges. Hinter den Vorhängen war eine Tür geöffnet worden, die zu einer Terrasse direkt vor dem Zimmer führte. Die edlen Verziehrungen am Türrahmen wahren sehr eindrucksvoll und machten durch ihre Auffälligkeit schnell auf sich aufmerksam. Genau die selben Verziehrungen, die in das Holz der Rahmen geschnitzt wurden, waren auch an einem Schrank zu finden, der an der linken Seite stand, und an dem großen Himmelbett, welches rechts von Rin an der Wand stand. Das Bett war mit vielen großen und auch kleineren Kissen ausgestattet und es war genau gegenüber der Terrasse aufgestellt worden, so dass man bei klarer Nacht einen guten Blick auf den Mond und die Sterne hatte, sollten diese günstig stehen. Rin hatte mit dieser Wahl einen wahren Volltreffer gelandet. >Sein Schlafgemach?< Sie schien darüber sehr erstaunt zu sein. >Das ist sehr...<, sie suchte nach den richtigen Worten. >... überraschend.<, beendete sie schließlich ihren Gedanken. >Das habe ich nicht erwartet. Es ist... einfach nur wundervoll hier. Es passt zu ihm, aber irgendwie auch wieder nicht.< Am liebsten hätte sie sich jetzt auf das riesige Bett geschmissen. Es war so verlockend, es rief nach ihr. Aber Sesshoumaru würde es merken, dass sich hier jemand aufgehalten hatte. Deswegen wollte Rin nicht so lange in diesem Zimmer verweilen, obwohl sie gerne noch geblieben wäre. Aber dieses Risiko war ihr zu groß. Vielleicht bot sich ja irgendwann noch einmal die Chance für sie, sich etwas genauer dort umzusehen. Mit einem schweren Seufzen schloss sie die Tür des Zimmers, aber der Duft, der von diesem Gemach ausging, war noch im ganzen Flur zu riechen. Rins nächste, und vorerst auch letzte Wahl, fiel auf eine Tür, schräg gegenüber Sesshoumarus Schlafgemach, die einen Spalt geöffnet war. Zuerst hatte sie ein eher ungutes Gefühl diesen Raum zu betreten und wollte für einen Augenblick wieder hinunter gehen, da sie befürchtete, jemanden dort drinnen anzutreffen. Doch mal wieder siegte ihre Neugierde, wie schon so oft. Bevor sie die Tür weiter öffnete, vergewisserte sie sich, dass dieses Zimmer leer war, in dem sie durch den Spalt guckte. Sehr viel sah sie nicht, aber sie war sich sicher, dass keine Person in dem Raum war. Sie wagte es und schob auch diese Tür ganz beiseite, schloss sie aber wieder bis auf den kleinen Spalt, nachdem sie eingetreten war. „Ein... Arbeitszimmer?“, nuschelte sie vor sich hin. Es war ganz eindeutig ein Arbeitszimmer. Das erkannt man sofort. Zwei gewaltige Schränke nahmen fast die Hälfte des Zimmers ein, in denen haufenweise dicke gebundene Bücher ordentlich eingeordnet waren, die schon sehr alt sein mussten. Ein großer und ziemlich breiter Tisch stand mittig im Raum, auf dem viele verschiedene Dokumente und einige Schreibfedern herumlagen. Die Dokumente schienen wichtig zu sein, denn sie waren separat von den anderen Unterlagen geordnet. Unmengen von anderem Pergament lag ebenfalls ausgebreitet und zum Teil auch aufgestapelt auf dem Tisch. Einige einzelne Pergamente lagen auf dem Boden herum. Der Wind musste sie wohl vom Tisch geweht haben. Ein Kronenleuchter hang von der Decke und die Kerzen darin flackerten leicht. Hinter dem Tisch an der Wand, hang ein sehr großes Gemälde. Rin trat etwas näher an dieses heran, um das Bild besser betrachten zu können. Eine Frau war auf dem Gemälde zu erkennen. Sie war eindeutig eine Youkai und sehr hübsch. Was Rin bemerkte, war, dass sie sehr viel Ähnlichkeit mit Sesshoumaru hatte und ihr kam der Verdacht, dass es sich bei dieser Frau möglicherweise um seine Mutter handelte. Sie hatte die selben Dämonenstreifen an den Wangen und Armen, genau die selbe Mondsichel auf der Stirn, auch ihre Augen ähnelten die von Sesshoumaru sehr. Neben der Frau auf dem Gemälde, war InuTaisho, Sesshoumarus Vater. Rin kannte ihn zwar nicht persönlich, aber sie hatte ihn dennoch vor einigen Jahren einmal gesehen. Daher kannte sie sein Gesicht. Zwischen den Beiden war auf dem Gemälde noch ein Kind zu sehen. Ein kleiner Junge, mit Dämonenstreifen an den Wangen, einer Mondsichel an der Stirn, goldglänzenden Augen und weiß-silbrigen Haaren. Nach dem Blick des Kleinen zu urteilen, musste es Sesshoumaru gewesen sein. Das hier war eindeutig ein Familienportrait. Seine Eltern und Sesshoumaru als kleiner Youkai. >Das ist endlich mal was Interessantes. Den kühlen Blick hatte er schon als Kind gut drauf.<, dachte sich Rin und betrachtete weiter hin das Bild. Sie war erstaunt, etwas derartiges hier zu finden. Aber ihr gefiel dieses Gemälde. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie alt dieses Gemälde schon sein musste. Da sie es wie gebannt betrachtete, vergaß sie die Zeit und auch, dass sie hier eigentlich nicht sein sollte. Rin wurde förmlich davon angezogen und sie war nicht in der Lage, sich aus diesem Bann zu befreien. ~Unterdessen bei Sesshoumaru...~ Er saß noch immer in der Quelle und entspannte sich so gut es ging. Er hatte zwar seine Gedanken zum größten Teil verdrängt, aber ganz aus seinem Kopf bekam er sie nicht, ganz gleich, was er auch tat. Aber es dauerte nicht lange und es war vorbei mit seiner Entspanntheit. Wie aus dem Nichts überkam ihn plötzlich ein ungutes Gefühl, welches er noch nicht ganz einordnen konnte. Irgendetwas stimmte nicht. Er setzte sich auf und versuchte etwas zu wittern, irgendeinen fremden Geruch ausfindig zu machen, der hier nicht hingehörte. Doch er konnte nichts Ungewöhnliches in der Nähe ausmachen. Es war kein anderer Youkai, kein Feind, der ihm gefährlich werden konnte. Es musste etwas anderes sein. Sein Instinkt sagte ihm, er solle zum Schloss zurückkehren und genau das tat er auch. Bis jetzt konnte er sich immer blind auf seinen Scharfsinn verlassen. Sesshoumaru stieg aus der Quelle und bekleidete sich schnell wieder mit seinem Suikan, ohne sich großartig abzutrocknen. Wasser tropfte von seinen Haaren, als er ohne große Rücksicht die Äste der Weiden beiseite schlug, um den versteckten Garten zu verlassen. Seine Schritte wurden immer schneller und als er den vorderen Schlosshof betrat, wusste er, was hier nicht stimmte. Sesshoumaru setzte sich in Bewegung. >Wer wagt es...<, waren derzeitig seine einzigen Gedanken. Einige Wachen sahen sich verwundert um, als ihr Herr an ihnen vorbei rannte. Jaken, der nun auf Sesshoumaru zugelaufen kam, sprang noch gerade rechtzeitig aus dem Weg, um nicht von seinem Herren überrannt zu werden. „Sesshoumaru-sama...?“, fing der kleine Kerl an und schaute verblüfft dem hochgewachsenen Youkai nach. Sesshoumaru interessierte es nicht, was Jaken von ihm wollte. Im Moment wollte er nur denjenigen finden, der ohne Erlaubnis in seinen Gemächern herumstreute. Fast im selben Augenblick, als er durch das Eingangstor schritt, sagte ihm seine Nase, dass es Rin sein musste, die dort oben war. Es war ihr Geruch, der ihm in die Nase stieg und auf diese konnte er sich immer verlassen. Einige der Bediensteten im Schloss hatten die stürmische Ankunft ihres Herren bemerkt und blickten sich nun fragend und neugierig untereinander an. Sesshoumaru riss sich zusammen und ging mit normalen Schritten die Treppe hinauf, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als er es ohnehin schon tat. Oben angekommen blieb er vorerst stehen. Er wusste, in welchen Räumen sie war und wo sie sich im Moment aufhielt, aber er wusste nicht, wie er sich jetzt ihr gegenüber verhalten sollte. Sollte er sie zur Rede stellen? Sie anschreien? Oder sie doch einfach machen lassen? Er war unschlüssig. Leise atmete er tief ein und ging dann mit leichten und stolzen Schritten zu seinem Arbeitszimmer, in dem Rin war. Er blickte durch den Spalt, der immer noch vorhanden war und sah Rin, wie sie einfach nur da stand und sich anscheinend etwas ansah. Sie hatte ihn nicht bemerkt. In Sesshoumaru stieg nun langsam eine Wut auf, die er nicht länger zurückhalten konnte. Mit einem Ruck schob er die Tür beiseite, so dass es einen lauten Knall gab, als die Tür an den Rahmen schlug. Rin fuhr erschrocken zusammen und wurde leichenblass im Gesicht, als sie erkannte, dass Sesshoumaru wütend vor ihr stand. Sie öffnete leicht den Mund, um etwas sagen zu können, aber es geschah alles so schnell, dass sie kein Wort heraus bekam. Stattdessen ergriff Sesshoumaru das erste Wort. „Was machst du hier?“, fragte er sie mit einer tiefen und ruhigen Stimme in einem noch angemessenen Tonfall. Als Rin sich, auf seine Frage hin, nicht rührte und auch keine Anstalten machte ihm zu antworten, konnte er seine unterdrückte Wut nicht mehr unter Kontrolle halten. „Was zum Teufel hast du hier verloren?“, brüllte er sie an, so dass Rin erneut zusammenfuhr. Sesshoumaru schob die Tür zu, damit niemand, der in der Nähe war, etwas von dem hier mitbekam. Aber für die Anderen war es schwer, das alles zu überhören. „Ich habe dich gefragt, was du hier zu suchen hast? Antworte gefälligst!“, brüllte er sie weiterhin an und schlug dabei mit der Faust gegen einen der Schränke, der in seiner Nähe stand. Ein paar Bücher fielen auf den Boden. Rin war momentan unfähig zu reden und auch unfähig sich zu bewegen. Wie angewurzelt stand sie da und starrte dem Youkai ins Gesicht, dem man seine Wut ansah. Er ging einen Schritt auf Rin zu und blickte sie voller Zorn an. „Wer oder was gibt dir das Recht deine Nase in Dinge zu stecken, die dich nichts angehen?“ Er brüllte sie nicht mehr an, aber seine Stimme klang immer noch tief und bedrohlich. „Dir wurde mitgeteilt, dass ich hier oben niemanden zu sehen wünsche und dennoch bist du hergekommen!“ Rin wich nun einen Schritt zurück, um den Abstand zu Sesshoumaru wieder zu vergrößern. Er holte mit einer Hand aus und schlug einen Stapel Pergament von dem Tisch. „Denkst du, du kannst hier einfach aufkreuzen und dann tun und lassen was immer du willst?“, fing er wieder an sie anzuschreien. Rin konnte man immer noch den Schrecken ansehen. Noch immer war sie unfähig ein Wort zu sagen. Sie wich aber noch einen weiteren Schritt zurück. Tränen stiegen ihr in die Augen und sorgten dafür, dass sie nicht mehr klar sehen konnte. Ihr Herz raste. Es schlug so stark gegen ihre Rippen, dass es schmerzte. Sie hatte Angst. Sie hatte tatsächlich Angst vor ihm. Jedenfalls in diesem Moment. So war er bisher noch nie mit ihr umgegangen. So kannte sie ihn nicht. Weiter konnte Rin nicht zurückweichen. Sie stand schon mit dem Rücken zur Wand. Sesshoumaru ging noch einen weiterer bedrohlichen Schritt auf sie zu und stieß mit den Händen den Tisch beiseite, so dass die Dokumente, Pergamentrollen und Federn herunter fielen und der Tisch an die Wand schlug. „Glaube ja nicht, dass du hier alles machen kannst! Niemand hat dich hier her eingeladen! Und du brauchst gar nicht erst zu denken, dass dein Aufenthalt hier noch von langer Dauer sein wird!“ Sesshoumaru ging nun auf Rin zu und blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen. Ihr Herz pochte immer noch wie wild. Sesshoumaru konnte es hören. Die Tränen, die sie gerade noch in den Augen hatte, liefen ihr jetzt über die Wangen und tropften am Kinn hinunter. Der InuYoukai schaute Rin von oben herab mit einem finsteren Blick an. „Und jetzt verschwinde hier!“, schrie er sie ein letztes Mal an. Rin hielt sich die Hand vor den Mund, als sie Sesshoumarus letzte Worte hörte, und rannte, ohne ihn dabei noch einmal anzusehen, an ihm vorbei. Sie schob hastig die Tür auf und lief Richtung Treppe. Ihre Sicht war verschwommen, weil ihr immer mehr Tränen in die Augen stiegen. Sesshoumaru, der noch immer in dem verwüsteten Zimmer war, ballte erneut die Fäuste und starrte aus dem Fenster hinaus, bevor er seine übrige Wut an den Büchern ausließ, die es bis jetzt noch geschafft hatten, in den Schränken zu bleiben. Rin rannte die Treppe hinunter, lief die Eingangshalle entlang, öffnete die Tür der Halle und eilte schließlich über den Hof Richtung Tor, um dann anschließend den Weg in den Wald zu suchen. >War es denn so schlimm, dass ich dort war? Konnte er denn nicht normal mit mir reden? Ich habe doch nichts böses gewollt.< Sie wischte sich einige der Tränen aus dem Gesicht. Ihr war es im Moment egal, wohin sie ging. Hauptsache weg von diesem Schloss, weg von Sesshoumaru. Ihm war es eh egal, was mit ihr geschah. Noch letzte Woche hätte sie alles dafür gegeben, um hier zu sein. Aber nun war das Gegenteil eingetroffen. Sie wollte weg von ihm. Er hatte sie damit sehr verletzt. Seine letzten Worte hörte sie immer wieder und sie wollten ihren Kopf einfach nicht verlassen. Sesshoumaru hingegen war noch immer in dem Zimmer. Er war dabei sich zu beruhigen. Was brachte ihn dazu so die Kontrolle zu verlieren? Er war ihr gegenüber noch nie so aus der Haut gefahren. Seine Selbstbeherrschung ließ nach. Er hatte es übertrieben, dass wusste er. Sie hatte ja auch eigentlich nichts getan. Er schaute zur Wand, an der das Gemälde hing. Sein Vater hätte nie in der Gegenwart einer Frau so gehandelt. Sesshoumaru schüttelte den Kopf. Das ganze Theater verschaffte ihm Kopfschmerzen. Er rief nach einem der Diener, der gerade an dem Zimmer vorbei ging und verdonnerte ihn dazu, dass soeben verwüstetet Zimmer wieder so herzurichten, wie es ursprünglich aussah. Der arme Kerl schluckte einmal. Er hatte eine Menge Arbeit vor sich. Es wurde dunkel draußen. Die Nacht brach an. Der Youkai ging seit einer Stunde im Schloss hin und her, hatte sich aber in dieser Zeit wieder völlig beruhigt. Sesshoumaru war klar, dass er bei Rin zu weit gegangen war. Sie hatte zwar gegen eine seiner Regeln verstoßen, aber doch kein Schwerverbrechen begangen. In seinem Kopf schwirrte ein Gedanke herum, den er noch nie zuvor bei jemandem in Erwägung gezogen hatte. Er wollte sich bei Rin entschuldigen. Nach einigen Überlegungen entschloss er sich doch, sie zu suchen. Er konnte es nicht fassen, dass er das wirklich vorhatte. Er, Sesshoumaru, wollte sich bei einem Menschen entschuldigen. Wenn das rauskommen sollte, wäre sein Ruf ruiniert. Er machte sich auf den Weg durch das Schloss, um Rin ausfindig zu machen. Etwas kam ihm aber komisch vor. Er witterte sie nicht. Ihr Geruch war da, aber nur der von vorhin. Sesshoumaru war sich sicher, dass sie nicht hier war. Jedenfalls nicht im Schloss. Vielleicht war sie draußen. In den Gärten? Dort war sie sehr oft. Er hatte immer ein Auge auf sie geworfen. Sesshoumaru verließ das Schloss und schlug den Weg zu den Gärten ein. Es war schon sehr dunkel geworden und da der Mond nicht mehr voll war, war es schwieriger draußen etwas zu sehen. Zwei Wachen kamen dem Youkai kurz vor dem Rosengarten entgegen und verneigten sich tief vor ihm. Doch Sesshoumaru nahm keine Kenntnis von ihnen und ging an ihnen vorbei, ohne auf die beiden Männer zu achten. Alles war ruhig und friedlich. Man konnte von außen sehen, wie die Lichter im Schloss nach und nach erloschen. Sesshoumaru betrat den Garten und hielt Ausschau nach Rin. Sie war heute hier gewesen, dass spürte er. Und er spürte auch, dass sie sich im Moment nicht hier aufhielt. Nicht in diesem und auch nicht in einem der anderen Gärten. Sesshoumaru hob den Kopf etwas an und konzentrierte sich auf Rin, um sie ausfindig zu machen. Nach einigen Sekunden gelang ihm das auch. Sein Blick schnellte zum Tor. War sie etwa in den Wald gegangen? Jetzt, um diese Zeit? Er eilte zu den Wachen, die etwas gelangweilt an den Türmen standen, welche sich neben dem Tor befanden. Als sie ihren Herren sahen, nahmen sie Haltung an und verbeugten sich tief vor ihm. „Ist Rin hier gewesen?“, fragte er die beiden Wachen, die sich beide fragende Blicke zuwarfen. “Mein Lord, meint Ihr, die junge Frau, die vor einiger Zeit mit Euch hergekommen war? Ja, sie hat vor einer guten Stunde das Schlossgelände verlassen.“, antwortete ihm der eine Wachmann. Sesshoumaru, der sichtlich verärgert über die Antwort war, die ihm die Wache gegeben hatte, ging in einem Laufschritt an ihnen vorbei. „Ist etwas nicht in Ordnung, mein Lord?“, fragte ihn der andere Mann. „Schließt das Tor. Lasst niemanden rein oder raus. Ich werde bald wieder zurück sein.“, sprach der Youkai zu ihnen und entfernte sich dabei immer weiter von dem Tor und den Wachen, die davor standen. „Jawohl, Herr.“, riefen beide Männer gleichzeitig. Sesshoumaru, der in den Wald ging, hört noch, wie hinter ihm das gewaltige Eisentor verschlossen wurde. Im Wald war es stockfinster. Die dichten Bäume verdeckten noch das schwache Mondlicht, so dass man fast gar nichts sehen konnte. Sesshoumaru wusste, dass Rin hier draußen war. Er musste sie nur finden. Da er aber eine gute Nase hatte, würde das nicht lange dauern. Er wollte sich lieber etwas beeilen. Zwar brauchte er keine Bedenken zu haben, dass er hier und jetzt angegriffen wurde, aber Rin war schutzlos. Wenn ein anderer Youkai sie jetzt angreifen würde... Daran mochte er gar nicht denken. Ihr Duft führte ihn genau zu diesem Ort, wo er sie auch das erste Mal gefunden hatte. Sie war wieder zu der Lichtung gegangen. Sesshoumaru war überrascht, dass sie es überhaupt bei dieser Dunkelheit bis dorthin geschafft hatte. Er sah eine Gestalt neben einem Baum hocken, den Rücken zu ihm gewandt. Er hatte sie gefunden. „Wieso bist du in den Wald gegangen? Es ist gefährlich hier.“ Er sprach zu ihr in einem ruhigen Ton. Rin antwortete ihm nicht. Sesshoumaru roch etwas salziges. Tränen? Weinte sie? „Rin, wir gehen.“, sagte er zu ihr, aber Rin bewegte sich nicht, sondern blieb weiterhin neben dem Baum hocken. Er ging einige Schritte näher zu ihr. „Ich werde nicht mit dir gehen.“, bekam er plötzlich eine Antwort von ihr, mit der er nicht gerechnet hatte. „Wie?“ Sesshoumaru war etwas verblüfft über diese Aussage. Sie schien es erst zu meinen. Er merkte zwar, dass Rin weinte, aber ihre Stimme klang ernst und selbstbewusst. „Du hast mich richtig verstanden. Ich werde nicht wieder mit dir gehen.“ Sie stand auf, drehte sich langsam um und ging ein paar Meter auf ihn zu. Dabei wischte sie sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht. „Du hast mir deutlich zu erkennen gegeben, dass du mich nicht hier haben willst. Das habe ich jetzt verstanden. Ich werde nicht weiter stören und wieder dorthin zurück gehen, wo ich herkam. Sei froh, du bist mich endlich los.“ Sesshoumaru war über Rins Worte überrascht, dass konnte man ihm ansehen. Sie schien es wirklich ernst zu meinen. „Lass uns nachher darüber reden. Komm jetzt, wir gehen. Es ist nicht ungefährlich des nachts hier herumzuirren.“ „Ich will darüber nicht reden. Für mich gibt es da nichts mehr zu bereden. Du hast alles gesagt.“ Ein frischer Wind kam auf und verschaffte Rin eine Gänsehaut. Ihr war kalt, sie war müde und hungrig. Sesshoumaru hatte sich wieder etwas fassen können. Das Rin so mit ihm sprach, war für ihn neu. Aber sie äußerte ihm gegenüber ihre offene und ehrliche Meinung. Er verstand sie auf eine Art. Aber jetzt musste er sie erst einmal dazu bringen, wieder mit ihm zurück zu kehren. Sicher, er konnte sie einfach packen und zurück tragen. Aber das würde keinen Sinn machen. Hier war seine Überredungskunst gefragt, die er nicht allzu oft anwendete, da er sowieso immer seinen Willen durchsetzte. „Rin, ich will nicht, dass du hier draußen alleine bist. Lass uns das morgen klären, oder von mir aus auch gleich. Aber komm jetzt mit mir mit, bitte...“ Bitte? Hatte er sie etwa darum gebeten? Rin stand nur ein paar Meter von ihm entfernt. Sie wollte gerne wieder mit ihm mitgehen, aber nachdem, was sie vorhin erlebt hatte, sagte etwas in ihr, sie solle es nicht tun. Ihr Blick sank zu Boden. „Warum?“, stellte sie ihm die Frage. „Warum? Sag es mir!“ Wieder hatte sie dieses Glitzern in den Augen. „Du wolltest mich von Anfang an nicht bei dir haben. Warum hast du es mir nicht einfach gesagt, anstatt es mir auf so eine Art zu zeigen?“ Sesshoumaru wollte dazu etwas sagen, nahm sich aber die Zeit und ließ sie ausreden. „Wieso willst du jetzt auf einmal, dass ich wieder zurück komme?“ Ihre Stimme wurde immer lauter. „Damit ich das Ganze noch einmal durchmachen muss? Hat es denn nicht gereicht? Hast du mir nicht schon oft genug wehgetan? Macht es dir spaß mich auf diese Art zu verletzten? Ich hatte gedacht, ich könnte endlich mal bei dir bleiben, aber unter diesen Umständen verzichte ich lieber darauf!“ Sie hielt inne. Den letzten Satz wollte sie gar nicht sagen. Er war ihr einfach rausgerutscht. Sesshoumaru stand da und hörte sich an, was sie zu sagen hatte. Er konnte es kaum fassen, dass sie es tatsächlich wagte, ihn zur Rede zu Stellen. Sie hatte sich in den Jahren wirklich sehr verändert. Sesshoumaru fühlte sich nicht sonderlich wohl. Hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Natürlich hatte sie recht mit dem, was sie sagte. Aber der Youkai musste gewaltig mit seinem Stolz kämpfen, um dies zuzugeben. „Ich... habe überreagiert. Das war falsch. Ich hatte nicht die Absicht, dir Angst einzujagen oder dich soweit zu bringen, dass du weg gehen willst. Ich habe mich in diesem Moment nicht unter Kontrolle gehabt.“ Die schwarzhaarige junge Frau, die ihm gegenüber stand, sah ihn an, als ob sie auf etwas wartete. „Es tut mir leid, Rin...“, fügte er schließlich in leisem Ton hinzu. Dieser Satz hatte ihn die meiste Überwindung gekostet. Rin wusste nicht recht, ob sie nun lachen oder weinen sollte. Er hatte sich tatsächlich bei ihr entschuldigt. Und das sogar noch recht glaubwürdig, so dass sie sofort mit ihm gegangen wäre. Andererseits hatte sie Angst, dass sich so etwas in der Art wiederholen könnte. Das wollte sie auf keinen Fall, denn das war für sie sehr schmerzhaft. „Komm, Rin. Lass uns zurück gehen.“, sagte er schließlich erneut zu ihr und hielt ihr eine Hand entgegen. Sie zögerte etwas, konnte sich noch nicht so richtig zwischen ja und nein entscheiden. Dennoch entschloss sie sich wenig später. Sie ging auf Sesshoumaru zu und griff dann zögernd nach seiner Hand, die er ihr immer noch entgegen streckte. Sie hoffte, dass es die richtige Entscheidung ihrerseits gewesen war. Sesshoumaru konnte immer noch nicht so richtig fassen, was er da eigentlich gerade getan hatte. So etwas war ihm bis jetzt noch nie passiert. Aber er war dennoch froh, Rin gefunden zu haben, wenigstens ein bisschen mit ihr über das Ereignis gesprochen zu haben, was für beide sehr unangenehm gewesen war und dass er sie jetzt wieder heil zum Schlossgelände zurück bringen konnte. Rin ging nahe neben Sesshoumaru her. Ihr war nicht wohl dabei, bei Dunkelheit im Wald herum zu laufen. Sie war doch ganz froh, dass Sesshoumaru gekommen war, um sie zu suchen. Was hätte sie denn getan, wenn er sie nicht gesucht hätte? Was wäre gewesen, wenn jemand anderes zuerst auf sie gestoßen wäre? Ein bösartiger Youkai, der sich freute, endlich seinen Mitternachtsimbiss gefunden zu haben? Darüber wollte sie gar nicht nachdenken. Sesshoumaru ging gemütlich den Weg zum Schloss zurück. Rin fühlte sich bei ihm sicher, denn es wäre bestimmt niemand so blöd gewesen, einen DaiYoukai anzugreifen. Schon bald sah sie die Fackeln der beiden Türme, die neben dem Tor standen. Sie hatte es geschafft. Endlich war sie raus aus dem Wald. Als die Wachmänner Sesshoumaru mit seiner Begleitung sahen, wurde hektisch das Tor aufgeschoben. „Willkommen zurück, mein Lord.“, sagten die Wachen und verbeugten sich wieder vor ihm. “Tor schließen!“, befahl Sesshoumaru und die Wachen gehorchten aufs Wort. Er schickte Rin schon etwas vor und diese ging langsam, wenn auch zuerst etwas zögernd, auf das Schloss zu. Sesshoumaru drehte sich zu den Wachen um. „Wenn ihr sie noch einmal hier raus lasst, dann macht euch auf was gefasst! Ohne meine Begleitung wird sie nicht durch dieses Tor gelassen! Ist das klar?“ „Natürlich, Sesshoumaru-sama. Wie Ihr wünscht.“ Sesshoumaru entfernte sich wieder von den Wachen und holte Rin schnell ein, die schon fast am Schloss angekommen war. „Es wäre besser, wenn du jetzt schlafen würdest.“, sagte der Youkai und hielt ihr die Tür zur Eingangshalle auf, damit sie eintreten konnte. Rin nickte nur und ging auf die Treppe zu. „Warte.“ Sie blieb stehen und sah sich nach Sesshoumaru um. Dieser ging zunächst auf sie zu, dann an ihr vorbei. „Folge mir.“ Rin tat, was Sesshoumaru von ihr verlangte und folgte ihm in die zweite Etage. Vor einer verschlossenen Tür blieb er stehen. „Du wirst ab jetzt hier nächtigen.“, sagte er nur zu ihr, schob die Tür zur Seite und trat einen Schritt zurück. Neugierig begutachtete Rin von außen das Zimmer. Sesshoumaru, der von Rins Reaktion annahm, dass es für sie in Ordnung ginge, entfernte sich nun. Das Zimmer sah wesentlich gemütlicher und bequemer aus. Es war zwar nur spärlich mit einem Bett, einem Schrank und einem Tisch ausgestattet, aber es reichte ihr alle Male. „Vielen Dank...“, flüsterte sie ihm mit einem leichten Lächeln nach. Sesshoumaru war schon nicht mehr zu sehen. Er war wohl wieder nach oben gegangen. Trotzdem hatte er noch ihre letzten Worte gehört. Rin war froh, dass dieser Tag vorbei war. Sie war erschöpft. So erschöpft, dass sie sogar ihren Hunger vergaß, den sie zuvor noch gehabt hatte. Sie trat in das Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ging zielstrebig auf das Bett zu, das um einiges bequemer aussah, als den Haufen aus Decken, auf dem sie vorher schlafen musste. Sie legte sich mit ihren Sachen ins Bett. Um sich jetzt noch umzuziehen war sie zu erschöpft. Die Kerze, die auf dem Tisch stand, flackerte noch einige Male und ging dann ganz von selbst aus. Doch dies bekam Rin schon nicht mehr mit. Schon längst waren ihr die Augen zugefallen und sie genoss ihren wohlverdienten Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)