Desert Nights von Autumn ================================================================================ Kapitel 1: Der Harem -------------------- Am Anfang war das Schulprojekt, Golden Butterfly, The Balance of Creation und Son of Ra....eigentlich hätte ich doch wirklich genug FFs, an denen ich schreiben müsste, bevor ich was neues anfange....*Kopf schüttel* Aber ich bin, wie in der Kurzbeschreibung schon steht, das Opfer eines fiesen und hinterhältigen Plot-Bunnys geworden, das mir einfach keine Ruhe gelassen hat. Ich weiß noch nicht, wie lange diese Story werden wird - die momentane Planung liegt bei zehn Kapiteln. Viel Spaß beim Lesen! **~~~~** DESERT NIGHTS **~~~~** Erstes Kapitel: Der Harem Odeon Farradji (Fah-ra-dschie gesprochen) sass gelangweilt in der großen Markthalle, in der für gewöhnlich Männer und Frauen für Liebesdienste feilgeboten wurden, weshalb sie in aller Regel von ausgesuchter Schönheit waren. Das bisher Gezeigte hatte ihn jedoch sichtlich enttäuscht, denn sein Ziel war es, jemanden zu finden, der das Herz seines stolzen Gebieters erobern konnte. Andere verpulverten ihr Geld mit immer höheren Beträgen und kauften ein, als hätten sie ein ganzes Bordell auszustaffieren. Odeon verzog verächtlich die Mundwinkel. Um sich in der Welt der Lustbarkeiten behaupten zu können, bedurfte man eines starken Willens und wenn er sich die mitunter zitternden, verängstigten Burschen und Mädchen ansah, die nacheinander hereingeführt und präsentiert wurden, so konnte er nur den Kopf schütteln. Erfolg und ein angenehmes Leben waren einem erst dann vergönnt, wenn man fähig war, seine Reize gewinnbringend einzusetzen, ohne seine eigene Unabhängigkeit dabei aufzugeben und über eine solche Gabe verfügten nur wenige. Er schickte sich schon an, die Versteigerung zu verlassen, als der italienische Händler Pietro mit seiner neuesten Errungenschaft das Rondell betrat, in das die Tribünen mündeten, auf denen die Käufer Platz nahmen. Wie es üblich war, war die "Ware" mit Schleiern verdeckt, nicht einmal die Augen konnte man erkennen. Pietro verneigte sich vor seinem Publikum und erklärte wichtigtuerisch: "Meine Herren, Ihr werdet jeglichen nur erdenklichen Preis zahlen für diesen Schatz, den ich während meiner langen Reisen von den britischen Inseln mitgebracht habe! Ein junger Mann von strahlender Schönheit, der Euch manch eine Nacht versüßen mag!" Mit diesen Worten zog er den ersten Schleier herunter, der einen blonden Schopf, haselnussbraune Augen und ein attraktives, edel geschnittenes Gesicht mit einer geraden Nase und vollen, sinnlichen Lippen entblößte. Odeon nickte leicht. Endlich mal einer, der vielversprechend zu sein schien! "Dreihundert Piaster!" "Fünfhundert!" "Gemach, meine Herren! Ihr habt ja noch nicht alles gesehen!" Und mit einem verschlagenen Grinsen lüftete der Händler auch den zweiten Schleier, was den gierigen Blicken die muskulöse, sehnige Brust des Jünglings darbot, seine breiten, kräftigen Schultern, den flachen, festen Bauch und die schmalen Hüften. Pietro trat hinter ihn und löste das Band, welches das goldene Haar zusammenhielt und die fließende Pracht wallte gleich einem Umhang den geschmeidigen Rücken hinab. "Achthundert!" "Tausend!" "Zweitausend!" Der Händler bat abermals um Ruhe und schickte sich an, den letzten Schleier zu entfernen, doch als er danach griff, schlug der junge Mann seine Hände weg. Die eiligst herbeigerufenen Diener bändigten ihn und umklammerten seine Arme, sodass er sich nicht mehr wehren konnte. Jetzt trennte ihn nur noch ein dünnes Lendentuch von vollständiger Nacktheit, seine langen schlanken Beine kamen zur Geltung und der dürftige Stoff ließ eine gute Ausstattung erahnen. Er wand sich weiterhin in dem stählernen Griff und musterte die Menge vor sich mit unverhohlener Verachtung. Der angewiderte, unnachgiebige, zornige und zugleich feurige Blick aus diesen tiefen braunen Augen traf Odeon wie ein Blitz und mit einem Mal wusste er, dass dies der Mann war, der fähig war, das Herz seines Herrn zu rühren, denn er besass Stolz, Schönheit und Kampfesmut, genau die richtigen Qualitäten. "Sechstausend!" ertönte ein neues Gebot. "Zehntausend!" "Zwölftausend!" "Fünfzehntausend!" "Zwanzig!" Odeon betrachtete die Kiste mit Goldstücken, die sein Gebieter ihm mitgegeben hatte. Er durfte den gesamten Inhalt entleeren, sofern es die Sache auch wert war und daran hatte er keinerlei Zweifel mehr. Gemütlich erhob er sich von den Seidenkissen, auf denen er gesessen hatte und ein respektvolles Schweigen senkte sich auf die Anwesenden herab, denn alle erkannten ihn. "Dreißigtausendfünfhundert Piaster - und ein echter Saphir als Dreingabe! Niemand hier kann das noch überbieten! Kommen wir ins Geschäft, Pietro?" Der Italiener nickte eifrig und befahl den Dienern, den Schönling wieder in die Schleier zu hüllen und ihn dem Käufer zuzuführen. "Wie heißt er?" "Joseph Jay Wheeler, ein Engländer mit gesundem Blut in den Adern. Zweiundzwanzig Jahre alt und ziemlich temperamentvoll." "Das stört mich nicht, ganz im Gegenteil. Und nun zu dir, mein schöner Goldjaspis! Du wirst die größte Zierde sein, die ich meinem Herrn je gebracht habe! Darf ich mich vorstellen: Ich bin Odeon Farradji, der Oberaufseher des Harems Seiner Majestät Seto ab-del Kaiba, des Sultans von Marokko!" Gegen Abend zog eine lange Karawane Richtung Sultanspalast. Odeon hatte seiner Neuerwerbung ein eigenes Kamel mit einer prunkvoll ausgestatteten Sänfte gegeben und ihn in schöne goldfarbene Gewänder kleiden lassen. Obwohl er nicht schlecht behandelt wurde, regte sich der Stolz des jungen Briten, der sich entschieden dagegen wehrte, für die Liebesdienste eines wildfremden Mannes herhalten zu müssen! Sicher, man hatte ihn gebadet, parfümiert und ihn in schönes Tuch gewickelt, aber dennoch konnte der ganzen Aufwand nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nur einer unter Vielen sein würde, eingesperrt in einen Goldenen Käfig, ohne eigenes Mitspracherecht, ein Mann, der immer den Wünschen des Regenten zu willen sein musste und vermutlich gefoltert wurde, wenn er es wagte, eine andere Meinung zu haben! Der Oberaufseher musterte den Blonden mit einem Anflug von Amüsement. "Stimmt etwas nicht, teurer Goldjaspis? Gräme dich nicht! Es hätte dir viel schlimmer ergehen können! Hättest du es vorgezogen, in einem Bordell zu landen?" "Immer noch besser als in einem aufgeputzten Gefängnis wie einem Harem! Ein Prostituierter darf zumindest selbständig auf die Straße gehen und kann sich seine Freiheit erkaufen! In einem Serail gibt es diese Chance nicht - man wird beobachtet von morgens früh bis abends spät und hat sich irgendeinem grausamen Herrscher unterzuordnen! Jedenfalls wird Euer Sultan nicht lange allzu begeistert von mir sein, das verspreche ich Euch!" "Was bringt dich zu dieser Annahme?" "Ich bin noch unerfahren in den Dingen der Liebe." "Das macht nichts. In den Armen Seiner Majestät wirst du ein glänzender Schüler sein!" "Ihr versteht nicht. Ich verabscheue es, von Männern berührt zu werden!" "Du liebst also nur die Frauen, sagst du? Das wäre freilich schlecht! Hast du wirklich noch nie Zärtlichkeiten von der Hand eines Mannes empfangen? Das ist schade. Sie haben ihre Reize." "Zumindest wird Euer Gebieter es Euch nicht sonderlich danken, wenn Ihr ihm einen apathischen Liebhaber ins Bett legt!" Odeon schnaufte verärgert durch die Nase. Konnten die Worte dieses störrischen Jünglings wahr sein? Nun, er hatte so seine eigenen Methoden, um das herauszufinden. Immerhin würde ihre Reise noch ein, zwei Tage in Anspruch nehmen, da würde sich schon eine Möglichkeit finden lassen, es herauszubekommen.... Eine kalte Nacht senkte sich auf die Karawane hernieder, die Kameltreiber hockten in ihren Zelten zusammen und aßen Fladenbrot und Ziegenkäse, während Odeon einer Tanzdarbietung der Unterhaltungsgruppe beiwohnte. Auch Joey war dabei, denn der Schwarzhaarige hoffte, seinen rebellischen Geist durch ein paar leichte Vergnügungen ein wenig besänftigen zu können. Tatsächlich ruhten die Augen des Briten auf einem der Tänzer, einem sinnlichen, bronzefarbenen Gott mit kohlrabenschwarzem Haar und einem makellosen Körper. Seine Haut schimmerte im Schein des Lagerfeuers und feiner Schweiß perlte ihm von der hohen Stirn. Der Tanz verfügte über eine erotisierende Wirkung, denn man bewegte sich lasziv und wollüstig, wie losgelöst von der Realität, und auch Joey nahm die spürbare Leidenschaft gefangen. Er hatte bewusst gelogen, was seine Erfahrung betraf, denn er glaubte, dass der Oberaufseher es sich dann noch einmal anders überlegte. Plötzlich hatte er Blickkontakt mit dem Tänzer. Seine Wangen röteten sich sanft und seine Lippen öffneten sich ein Stück. Sie waren feucht und der schneller werdende Atem teilte sich seiner bebenden Brust mit. Man merkte deutlich, wie erregt er war und diese Erregung schien Joeys Schönheit noch um einen Grad ins beinahe Unwirkliche zu steigern. Der Tänzer starrte sich an ihm fest und sein Lächeln ließ eine Reihe herrlich weißer Zähne sehen. "Osman!" fuhr die schneidende Stimme Odeons dazwischen. "Was machst du da?! Tanz weiter! Dafür wirst du schließlich bezahlt!" Der Zurechtgewiesene zuckte zusammen, doch seine Aufmerksamkeit blieb auf dem Fremden haften wie ein Magnet auf Eisen. Er zwinkerte ihm zu und setzte seinen Tanz fort, bis die Darbietung beendet war. Odeon wünschte seinem Neuerwerb eine gute Nacht und der Blonde begab sich zu seinem Zelt. Es war gerade Wachablösung davor, sodass ihm keiner der riesenhaften Eunuchen den Weg versperrte oder ihn grob ins Innere seines Schlaflagers schubste. Nachdenklich entkleidete er sich. >>Was soll ich tun? An Flucht ist nicht zu denken, das wäre in höchstem Grade leichtsinnig, schließlich befinde ich mich in einer Wüstenlandschaft. Ich wüsste gar nicht, wohin. Und dann ohne Wasser? Nein, das wäre mehr als riskant. Aber ich will nicht das Spielzeug irgendeines alten, hässlichen Sultans werden (Was wollt Ihr? Er kennt Seto ja noch nicht!), das springt, sobald er pfeift! Ich werde mich niemals fügen!! Nie!!<< Als er ein seltsames Geräusch hörte, ging er in Habachtstellung und sah sich suchend um. Der Tänzer von vorhin trat hinter einem der Vorhänge hervor und verneigte sich tief. Joey erschauerte, war sich aber durchaus im Klaren darüber, was es für den anderen bedeutete, fand man ihn hier bei ihm, dem zukünftigen Eigentum des Sultans. So schob er den Begehrenden von sich, als er sich ihm näherte und flüsterte ihm auf Arabisch eine Warnung zu: "Geh! Geh! Du riskierst dein Leben!" Auf seiner unfreiwilligen Reise hierher hatte er lange genug mit diesem Volk zu tun gehabt, um seine Sprache zu erlernen, denn die Mannschaft des Händlers Pietro bestand zu einem Großteil nur aus Marokkanern. "Ich weiß", erwiderte Osman mit verlangendem Unterton, "Aber das spielt keine Rolle! Wen kümmert es schon, dies ist die Nacht der Liebe...." Joey vermochte nicht mehr, sich gegen die aufkeimende Lust zu wehren. Er hatte lange enthaltsam gelebt und harte Entbehrungen hinter sich gebracht; sein anmutiger, gesunder Körper war der Liebkosungen entwöhnt und hungerte nach warmen Berührungen und Zuwendung. Und der Araber war von edler Gestalt und seine männliche Kraft sprudelte aus jeder Faser seines Leibes....es tat ihm wohl, wieder einmal von wissenden, weichen Händen erforscht zu werden, anstatt von schwieligen, ungeschicklichen und schmierigen Fingern, die irgendwelchen würdelosen und abstoßenden Strolchen gehörten. Er ließ sich fallen und schaltete seinen Verstand aus, machte Gebrauch von all den Dingen, die er in verschwiegenen Häusern an der englischen Küste, in versteckten Wäldchen und manch einem Heuschober gelernt hatte. Die Zeit hatte keinerlei Bedeutung mehr und schrumpfte zu einer Nichtigkeit zusammen. Auf einmal aber waren die Eunuchen da. Sie stürzten sich auf Osman, der noch erschöpft in den seidigen Decken lag und wie ein Rudel schwarzer Teufel zerrten sie ihn hinter sich her, hinaus aus dem Zelt. Joey hockte wie betäubt unter dem Baldachin seines Bettes, zunächst unfähig zu begreifen, was soeben geschehen war. Angst befiel ihn und er wälzte sich für den Rest der Nacht rastlos hin und her. Am nächsten Morgen wurde die Reise fortgesetzt. Odeon Farradji begrüßte ihn galant und mit einem eigenartigen Ausdruck der Zufriedenheit im Gesicht. Joey wagte nicht, zu dem Oberaufseher zu blicken, der neben einem provisorisch zusammengezimmerten Galgen stand. Der Blonde ertrug es nicht, denn er ahnte ohnehin, dass derjenige, der dort baumelte, sein Liebhaber von gestern war. "Ihr seid ein Ungeheuer!" stieß er zwischen den Zähnen hervor, mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte, doch das aufreizende Grinsen in diesem rätselhaften Antlitz erlosch nicht. "Osman wusste genau, was er tat, als er dich aufsuchte. Weißt du, dass er gesprochen hat, ehe er starb? Er sagte, du seist heißblütig und leidenschaftlich, und der Tod bedeute nichts für einen Mann, der in deinen Armen die Wollust genossen hat! Du hast mich belogen, Goldjaspis! Du bist in den Dingen der Liebe weder unempfindlich noch unerfahren!" "Ich hasse Euch!" antwortete der junge Brite geringschätzig, aber er spürte auch, dass er, solange er unter der Bewachung Odeons stand, niemals davonkommen würde, denn er war dem Älteren nicht gewachsen. Was blieb ihm? Welche Alternativen boten sich ihm? Was konnte er unternehmen, um seinem Leben doch noch eine Wendung zu geben? Zur Mittagsstunde dieses Tages gelangte der Zug endlich zur gigantischen Palastanlage des Sultans. Obwohl Joey entsetzt und traurig war, dachte er an Osmans Schicksal, konnte er sich dem Zauber und der Prachtentfaltung nicht entziehen. Vergoldete Kuppeln erhoben sich über dem heißen Wüstensand, strahlend weiße Mauern und orientalische Verzierungen komplettierten das Äußere des monumentalen Gebäudes. Er kletterte von seinem Kamel und der Oberaufseher befahl ihm, ihm zu folgen. Widerwillig gehorchte der Blonde und wurde durch ein eher unauffälliges Tor in eine Art Innenhof geführt. Er war hübsch eingerichtet und vollständig überdacht, ein Brunnen in der Mitte blies lustige Fontänen in die Luft und der Fußboden war mit Mosaiken ausgelegt. Mehrere Männer hielten sich hier auf und sie alle trugen cremefarbene, schlichte Beduinenmäntel, ihre Oberkörper waren frei, um die Hüften waren arabische Röcke in Schwarz gebunden. Heiteres Gelächter hallte in Joeys Ohren wider und es duftete nach Speisen, Blumen und Parfüm. "Wo sind wir?" "Dies hier ist der Zweite oder Untere Harem. Der Sultan besucht ihn so gut wie nie." "Und trotzdem werden all diese Männer hier eingesperrt?!" "Sie können sich glücklich schätzen, denn der größte Teil der Bevölkerung lebt in Armut. Als auserwählte Haremsmitglieder bekommen sie jeden Tag drei Mahlzeiten und haben ein sicheres Dach über dem Kopf. Selbst wenn sie nie um die Gunst Seiner Majestät kämpfen werden, verdanken sie ihm ein Leben in Würde und Behaglichkeit. Du aber, Goldjaspis, bist anders als sie! Du wirst das Paradies kennen lernen - den Ersten oder Oberen Harem!" Sie durchmaßen den Hof bis zu einem großen, dunkelblau lackierten Tor, zu dem einige Stufen hinaufführten, die links und rechts von bedrohlich wirkenden Tigerstatuen gesäumt waren. Odeon klopfte an und ein hünenhafter Eunuch klappte die mächtigen Türflügel zur Seite. Im Gegensatz zu jenen, die im Unteren Harem Dienst taten, war seine Uniform nicht braun, sondern blau. Um seine Taille war ein respekteinflößendes Krummschwert gegürtet und seine harten Augen betrachteten den Neuzugang argwöhnisch, aber mit einem gewissen Sinn von Bewunderung für etwas Schönes. Hinter Joey schloss sich das Tor, der Riegel wurde vorgeschoben und es schien ihm, als verschwinde die Außenwelt für immer hinter den dicken Mauern und unüberwindlichen Türmen. "Das hier ist deine zukünftige Heimat!" erklärte Odeon in einer weitausholenden Geste und der Blick des Briten fiel auf einen Garten, der in seiner Herrlichkeit mit Eden zu vergleichen war. Obwohl er sich, wie er wusste, im Inneren eines Palastes befand, wirkte alles groß und weiträumig und man hatte geschickte Öffnungen zum Himmel einbauen lassen, um einen raffiniert ausgeklügelten Sonneneinfall für die einzelnen Pflanzen zu ermöglichen. "Der Obere Harem wird in drei Ränge unterteilt: Bronze, Silber und Gold. Das Haremsgebäude selbst umfasst drei Etagen. Im Erdgeschoss befinden sich die Unterkünfte des Bronze-Ranges, im ersten Stock die für den Silber-Rang und im zweiten Stock die für den Gold-Rang. Alle Neulinge werden im untersten Rang eingestuft und untergebracht. Es liegt an dir allein, ob du aufsteigst oder untergehst!" Der Aufseher geleitete den Blonden durch einen langen, ausgeschmückten Korridor in einen großen Speisesaal, wo viele Männer unterschiedlichster Herkunft zusammensassen und es sich schmecken ließen. Abgesehen mal von den Eunuchen, die als Wachposten herumstanden und den Dienern, die eiligst zwischen den einzelnen Sitzplätzen auf dem mit teuren Teppichen ausgelegten Marmorboden hier hin und dort hin sprangen, waren die übrigen alle Haremsherren. Wie jene im Unteren Serail trugen auch sie lange Beduinenmäntel, die bis zur Erde reichten, doch die ihren waren dunkelblau und offensichtlich aus kostbarerem Material. Ihre Hüftröcke waren zwar gleichfalls schwarz, aber um die Taillen waren noch bronzefarbene Schärpen gebunden, anhand derer man ihre Rangzugehörigkeit erkennen konnte. Die meisten von ihnen hatten schwere goldene Ohrringe und Stirnreifen angelegt oder eine breite Halskette. Einer erhob sich aus der Runde und trat auf Odeon und seinen Begleiter zu. Er hatte zwei verschiedenfarbige Augen, eines golden, das andere türkis, und auch sein bis zu den Unterschenkeln fallendes Haar schimmerte Türkisblau. Er begrüßte den Oberaufseher mit einer Verbeugung und musterte den Briten mit unverhohlener Neugier. "Mein Name ist Dartz und ich bin der Sprecher des Bronze-Ranges. Und wer bist du?" "Joseph Jay Wheeler. Aber die meisten nennen mich Joey." "Joey also. Willkommen in unseren Reihen!" Der Brite konnte diese Begeisterung nicht teilen, da er sich sicher war, dass er sich in einem Harem niemals wie zu Hause fühlen konnte, dennoch tat ihm die Freundlichkeit seitens Dartz durchaus wohl. Ohne dass er es bemerkte, entfernte sich Odeon und überließ ihn der Obhut der anderen. Dartz nahm Joey an der Hand und brachte ihn zu der Gruppe, bei der er gesessen hatte. "Du teilst dein Schlafgemach mit mir und denjenigen, die du hier siehst. Unsere Zimmer fassen insgesamt jeweils fünf Männer, Einzelzimmer gibt es erst im Gold-Rang. Das ist Marko, er stammt aus Italien." Ein hübscher Bursche mit wildem blauen Haar, das er zum Zopf gebändigt hätte, ebensolchen Augen und einer Narbe auf der Wange streckte ihm die Hand hin. "Freut mich, dich kennen zu lernen." "Das ist Raphael, er kommt aus Spanien." Blondes, kurzgeschnittenes Haar mit fast bis ans Kinn reichenden Koteletten, blaue Augen und eine richtige Ringerfigur, mit sehr breiten Schultern und einem starken Brustkasten, prägte sich Joey ein. "Und das hier ist Shadi, er kommt aus Ägypten." Der Letzte im Bunde hatte einen kahlrasierten Schädel, aber sein Gesicht wies edle, aristokratische Züge auf und er hatte schöne, tiefblaue Augen, die den Neuzugang mit Ernsthaftigkeit und würdevoller Ruhe betrachteten. "Und woher stammst du?" erkundigte sich Marko neugierig. "Meine Heimat ist Großbritannien. Und dahin möchte ich auch zurückkehren." "Was soll das heißen? Jetzt, wo du hier bist, wirst du auch bist zu deinem Lebensende bleiben." erklärte Raphael ernüchternd. "Eine Flucht ist völlig unmöglich und jeder Versuch wird mit vierzig Peitschenhieben bestraft. Außerdem wäre es töricht, in die Wüste hinauszurennen. Du solltest glücklich sein, dass das Schicksal dich hierher verschlagen hat." "In einen Goldenen Käfig?! Ich bezweifele, dass man das Glück nennen kann!" Shadi lächelte flüchtig. "Ich erspüre einen unbezähmbaren Willen in dir....und großen Stolz. Du besitzt alle Fähigkeiten, die man in einem Harem benötigt, um dir die Gunst des Herrschers zu sichern! Du könntest zu höchsten Ehren gelangen, wenn du es wolltest. Wer weiß? Vielleicht bist du derjenige, von dem Odeon annimmt, du könntest dir nicht nur den Körper, sondern auch das Herz des Fürsten untertan machen....Das Protokoll verlangt, dass du dem Sultan morgen vorgeführt wirst. Bereite dich darauf vor!" So viel zum Einstieg. Ich würde mich über Kommis freuen, dann verzeihe ich dem Plot-Bunny (fast) alles....*wink* Kapitel 2: Seine Majestät, der Sultan ------------------------------------- Und hier ist das zweite Kapitel! Joey trifft endlich auf den Sultan...uiui...ob das gut geht? Zweites Kapitel: Seine Majestät, der Sultan Joey schlief sehr schlecht in seiner ersten Nacht hinter verschlossenen Türen und hohen Mauern. Sein Lager war weich, seine Zimmergenossen hilfsbereit und gar nicht neidisch oder hinterhältig, wie er erwartet hatte, das Essen köstlich, vor allem die Süßspeisen, und das gemeinsame Baden mit den anderen am Abend hatte ihm sogar Spaß gemacht. Dennoch ertrug er den Gedanken nicht, ein Gefangener zu sein, der sich den Gelüsten des Sultans zu beugen hatte. Bei Tagesanbruch vernahm er eine wunderbare Melodie, die erst zaghaft in seine wirren Träume drang und ihn schließlich aufweckte. Er rüttelte Dartz, der neben ihm nächtigte und dieser blinzelte schlaftrunken. "Was ist los?" "Hörst du das auch? Diese Musik! Und jetzt....singt jemand!" Eine samtene, tenorgleiche Stimme erfüllte die Umgebung, schwang sich von Turmspitze zu Turmspitze und berührte das Herz des Engländers. Es war eine Stimme von solcher tragender, volltönender, sinnlicher Vollkommenheit, dass Joey unweigerlich erschauerte. "Wer ist das? Kennst du den Sänger?" "Ich kenne ihn. Man nennt ihn den ,Magischen Troubadour von Marokko', weil er seinem Instrument himmlische Klänge entlockt, die nur Zauberei sein können, und seine Stimme....nun, du hast ihr gerade ergriffen gelauscht. Er singt oft in den frühen Morgenstunden oder nach Sonnenuntergang, aber niemand weiß, wer er wirklich ist." "Ja? Wie geheimnisvoll...." Ein paar Stunden später, nach dem Frühstück, stellte sich der unvermeidliche Odeon Farradji wieder ein und sagte: "Ich bin gekommen, um dich abzuholen, Goldjaspis! Seine Majestät der Sultan wünscht dich zu sehen!" "Ich will nicht!" "Das nützt dir gar nichts. Wir müssen dich noch herrichten, also sei nicht so störrisch!" Damit rief er zwei Eunuchen herbei, die den sich windenden Jüngling packten und in eines der Ankleidegemächer schleiften. Dort begannen sie, fast wie perfekte Zofen, den Blonden seines dunkelblauen Haremsmantels, seiner Schärpe und seines Rockes zu entledigen, bis er im Lendenschurz dastand. Danach hüllten sie die anmutige Gestalt in undurchsichtige rote Schleier und führten ihn hinter ihrem Vorgesetzten her zu einer Elefantenstatue, die sich vor einer reich verzierten Wand erhob. Odeon drehte die Figur nach rechts, die Wand schob sich zur Seite und offenbarte einen geheimen Durchgang. "Im ganzen Harem gibt es diese versteckten Pfade. Der Sultan benutzt sie, um auf direktem Wege seine Besuche abstatten zu können - und über diese Wege werden ihm auch jene geschickt, die er für die Nacht ausgewählt hat." Er erhielt keine Antwort, denn Joey biss sich zornig auf die Lippen und schwieg stoisch. Die Vorstellung, gleich den gierigen Blicken des Fürsten ausgesetzt zu sein, entzündete helles Widerstreben in ihm und er wand sich in dem eisenharten Griff der Wachen. Endlich gelangten sie zu einer Treppe, die immer weiter hinaufführte, bis sie schließlich in einen weiteren Korridor mündete, der viele Kurven und Biegungen machte. Alleine, das wusste der Brite, würde er sich hier restlos verirren. Nach ungefähr zehn Minuten schlüpfte die Gruppe hinter einem Wandteppich hervor und betrat einen Flur, der an einer großen, goldüberzogenen Tür endete, die von zwei finster aussehenden Soldaten flankiert wurde. Als sie Odeon erkannt hatten, traten sie stumm zurück und ließen ihn passieren. Joey, dessen Augen als einziges nicht verdeckt waren, sah sich um und er hatte das unbestimmte Gefühl, in dieser Pracht und puren Präsentation von Reichtum zu ertrinken. Der Raum glich einem halben Saal, aber es handelte sich hierbei wohl nur um das Schlafgemach des Sultans, wie man anhand des riesigen Himmelbettes vermuten konnte, das ganz von weinroten Brokatvorhängen umschlossen war, sodass man nicht einmal die kleinste Silhouette dahinter ausfindig machen konnte. Plötzlich jedoch wurde einer der Vorhänge beiseite gerafft, und ein Mann schälte sich aus den seidig glänzenden Laken und Kissen. Der Oberaufseher versank in den Knien und flüsterte zu seinem Neuerwerb gewandt: "Das ist er: Seine Majestät Seto ab-del Kaiba, der Sultan von Marokko!" Der Angesprochene vergass für einen Moment, zu atmen. Er hatte mit einem hässlichen, alten Mann Mitte Siebzig gerechnet, der in jungen Jahren zu kurz gekommen war und deshalb seine Geilheit mittels eines Serail befriedigte - aber das....! Ungläubig und überrumpelt glitten seine Augen vorsichtig die Statur des Herrschers hinauf: Schlanke, grazile, endlos scheinende Beine, schmale Hüften, aber ein muskulöser, sehniger Oberkörper, wie an dem weißen Überwurf mit Brustausschnitt festzustellen war, breite Schultern, verführerische, sündige Lippen, ein sanft gebräunter Teint, makellose Haut, gepflegtes brünettes Haar und unergründliche, saphirblaue Augen. Noch nie zuvor hatte er Augen von dieser Klarheit gesehen! Kühl und ruhig lagen sie auf ihm, wie die einer Statue. Dieser Mann war jeder Zoll ein König. "Mein Fürst", begann Odeon euphorisch, "Dies ist der Schatz, den ich gestern für Euch ersteigert habe! Gebt acht!" Damit entfernte er den ersten Schleier und der Blonde seufzte. Diese Prozedur kannte er schon vom Sklavenmarkt und er fühlte, wie Farradji das Band löste, das seine Mähne zusammenhielt. Gleich einer goldenen Flut wallte sie über seine Schultern und seinen Rücken, während der nächste Schleier, der entfernt wurde, seinen Torso entblößte. Als man sich anschickte, auch das dritte Stück Stoff zu entfernen, hob der Sultan die Hand. "Nein, nicht. Ich sehe, dass er sehr schön ist." Man ließ von ihm ab und der Blick des Fürsten wanderte einmal an ihm hinauf und hinunter. "Sage mir deinen Namen!" befahl er. "....Joseph. Aber normalerweise werde ich von meinen Freunden Joey gerufen." "Und wo liegt deine Heimat, Joey?" "...." "Antworte!" "Ich werde von meinen Freunden so genannt und von denjenigen, denen ich es erlaube! Ihr gehört nicht dazu!" Diese Frechheit erstaunte und verblüffte Seto über die Maßen. Was glaubte dieser unverschämte Kerl eigentlich, wo er sich befand?! Er schnippte mit den Fingern und einer der Eunuchen drückte dem Blonden fest seine Hand gleich einer Zange in den Nacken. "Du verbietest mir also, dich mit Joey anzureden? Du wagst es, mir einen Befehl zu erteilen?" "Ja." Ein weiteres Schnippen und der Wächter presste dem Blonden die Halsmuskeln zusammen, sodass er in die Knie sackte und einen Schrei ausstieß. "Ich frage dich noch einmal: Willst du es mir nach wie vor verbieten?" In einer blitzartigen Bewegung hob Joey den Kopf und schmetterte einen wütenden, wilden Blick voller Verachtung auf den Sultan, einen Blick, in dem ein gefährliches, heißblütiges Funkeln lag, das dem jungen Herrscher durch Mark und Bein ging und ihm durch den Körper fuhr wie ein Schwertsreich. "Ja!" wiederholte der Brite mit schneidender Stimme. Obwohl er gedemütigt worden war, brachte er es fertig, seine Unverfrorenheit nachdrücklich zu betonen? "Bis ich Euch nicht vertraue, verbiete ich Euch, meinen Spitznamen zu benutzen! Und wenn Ihr erwartet, dass ich mich Euch hingebe, dann vergesst es! Ich werde mich Euch niemals beugen! Niemals!!" Seto starrte ihn offenen Mundes sprachlos an. Er konnte einfach nicht fassen, dass es offensichtlich einen Mann gab, der bereit war, seinen Zorn auf sich zu ziehen, anstatt sich zu fügen. Seine Hände ballten sich erbost zu Fäusten. "Das wird sich zeigen! Heute Nacht will ich ihn in meinem Lustgemach sehen, verstanden?! Schafft ihn weg!!" "Das hast du tatsächlich getan?!" platzte Marko heraus, nachdem der Blonde erzählt hatte, was ihm widerfahren war. "Bist du verrückt? So offen Ungehorsam zu zeigen! Dir ist doch klar, dass du dich damit nicht sonderlich beliebt machst!" "Ich habe auch nicht die Absicht, beim Sultan beliebt zu sein! Je mehr er mich hasst, desto besser ist es! Dann sieht er vielleicht ein, was für ein Fehler es war, mich hier einzusperren und lässt mich gehen!" "Da kennst du Seine Majestät aber schlecht! Bevor er dich laufen lässt, foltert er dich eher zu Tode!" "Und wenn schon! Ich lasse mich nicht zähmen!" "Sei doch vernünftig!" "Nein!! Dieser verdammte Bastard soll es nur wagen, mich zu berühren! Er wird es büßen!" "Pass nur auf, dass du es nicht büßen musst!" gab Dartz zu bedenken, der mit Sorge das hitzige Temperament und den stählernen Stolz im Charakter des neuen Kameraden in ihrem Kreis festgestellt hatte. Das konnte ihn den Kopf kosten! Aber Joey wollte nicht auf die gut gemeinten Ratschläge hören. Er würde allem und jedem trotzen, der sich getraute, seine Unabhängigkeit und seinen freien Willen anzugreifen! Am Abend, während die anderen Mitglieder des Bronze-Ranges badeten, sass er am Fenster auf seinem Bett und schaute hinaus. Der Mond glich einer silbernen Mandel und die Sterne strahlten so klar und schön wie sie es auch am Firmament über den Britischen Inseln getan hatten. Ob er die sattgrünen Wiesen je wiedersehen, je wieder den prickelnden Sommerregen auf seiner Haut spüren würde? Da klopfte es und Odeon betrat das Zimmer. "Er erwartet dich, Goldjaspis." "Er kann warten, bis er schwarz wird!!" "Fordere ihn nicht zu sehr heraus, Schönster. Es könnte dich teuer zu stehen kommen." Widerwillig erhob sich Joey und folgte dem Aufseher, um zu vermeiden, dass die Eunuchen ihn erneut durch die Gänge zerrten wie ein Stück Vieh. Diesmal brachte man ihn in einen kleinen, verschwiegenen Raum, der ganz in Azurblau gestaltet war und dessen Decke dem natürlichen Sternenhimmel nachempfunden war. Die Einrichtung war sehr geringfügig und wurde von dem breiten Bett dominiert, das von durchsichtigen Schleiern umgeben war. Der 22jährige begriff, warum Ab-del Kaiba es als das "Lustgemach" bezeichnet hatte. Man hatte ihn alleingelassen und er stand nun da im Dunkeln und harrte dem Unvermeidlichen. Eine Tür klappte auf und er vernahm die Schritte einer Person, die sich ihm näherten. Als er sich umdrehte, stand der Sultan vor ihm, gekleidet in einen Lendenschurz und einen Mantel mit weiten Ärmeln. Sonst trug er nichts, er war also praktisch halbnackt, bereit zur Liebe. Das Mondlicht, das durch die beiden Fenster fiel, goss einen sanften Schein auf die unbedeckten Muskeln der Brust und des flachen Bauchs und verlieh den Saphiraugen ein seltsames, beinahe überirdisches Leuchten. Joey musste schlucken, denn er war empfindsam genug, um zu fühlen, dass ihn die Anwesenheit des Fürsten gleichwohl erregte, mochte sein Geist sich auch dagegen sperren. Sein Gegenüber bedeutete ihm, sich auf das Bett zu legen und er gehorchte mit verdächtiger Anschmiegsamkeit. Seto beugte sich über ihn und sog sich an jeder Einzelheit dieses perfekten, göttlichen Körpers fest, der ihm nun, zu nächtlicher Stunde, noch berückender und fesselnder erschien, da der Zauber einer scheuen, zaghaften Lust über ihm lag - feine Schweißperlen netzten seine Brust und sein Atem beschleunigte sich ein wenig. Ob Joseph noch unerfahren war? Odeon hatte sich in dieser Hinsicht nicht deutlich geäußert, um ihn neugierig zu machen. Er suchte die vollen Lippen und strich zart über sie hinweg, registrierte das Erschauern, das den anderen überlief. Davon ermutigt, wechselte er zu einer kühneren Liebkosung und Joeys weiche Finger tanzten über seine linke Schläfe....als...."Aahh!!" Der Sultan sprang auf und starrte den Blonden an, bebend vor Zorn und Entrüstung. Die scharfen Nägel des Jüngeren hatten drei tiefe, blutende Kratzer auf seinem Fleisch hinterlassen und dieser richtete sich triumphierend auf und öffnete die Tür, die aus dem Gemach hinausführte. "Du....erdreistest dich....?!" stieß Seto angestrengt hervor, denn seine Stimme überschlug sich fast und sein Gesicht war beinahe kalkweiß vor Ärger. "Ich hatte es Euch bereits gesagt! Wenn Ihr mir nicht geglaubt habt, ist das Eure Schuld!" "Du....hinaus mit dir, du halsstarriger Mistkerl!! Odeon soll dich in den Harem zurückbringen!! Aber verlass dich darauf: Das wird ein Nachspiel haben!!" Farradji fing den Briten auf, der von dem Herrscher gepackt und nach draußen geschubst wurde. "Ich werden ihn züchtigen lassen, hast du verstanden?! Rede ihm ins Gewissen, damit sein Leid nicht zu lange andauert!" "Was....meint er?" "Diese Kratzer....! Warst du das, Goldjaspis? Du hast ihn verletzt? Wie konntest du! Ich erahnte die Härte deines Willens, aber dass du so dumm bist....! Höre! Du wirst dafür bestraft werden! Aber wenn du kundtust, dass du dich seinem Verlangen ergibst, wird es nicht lange dauern!" "Den Teufel werde ich! Er kann mich nicht zwingen!" Damit rauschte er davon und der Oberaufseher hatte alle Mühe, ihn wieder einzuholen. Am nächsten Morgen begann ein geschäftiges Treiben im Ersten Innenhof des Palastes. Braungebrannte Sklaven errichten ein Holzgestell und ein grobschlächtiger Strolch mit einem grausamen Grinsen schwang eine Peitsche hin und her, als übe er für die Folter. Eine Stunde später wurde Joey abgeholt und nach unten gebracht. Dartz, Marko, Raphael, Shadi und die anderen Mitglieder des Bronze-Ranges säumten die Fenster, und selbst aus dem Silber- und dem Gold-Rang ließ sich das eine oder andere Gesicht sehen. Sie alle beobachteten, wie der Engländer mit rauen Seilen an dem Gerüst festgebunden wurde und man seinen Oberkörper entkleidete. Der Sultan hatte auf einer Liege davor platzgenommen, aß genüsslich ein paar Weintrauben und nickte dem Folterknecht zu. Die gnadenlose Peitsche sauste hernieder, einmal, zweimal, dreimal, aber Joey gab keinen Ton von sich. Wieder und wieder trafen ihn die brutalen Schläge, bis sein Rücken von blutigen Striemen übersät war. "Odeon....frage ihn, warum er nicht schreit." ordnete Ab-del Kaiba in kaltem Ton an und schob sich erneut eine Weintraube in den Mund. Joey, der nach vorne zum Fürsten blickte, während er von hinten bearbeitet wurde, hatte diese Worte gehört und fauchte: "Seid Ihr zu feige, mich selbst zu fragen?! Ich werde mir eher die Lippen zerbeißen, als einen einzigen Schrei auszustoßen!! Diesen Gefallen werde ich Euch nicht tun, Ratte!!" Die nächste Weintraube wurde von den schlanken Fingern zerquetscht, sodass ihr Saft über das feingliedrige Handgelenk lief. "Du beleidigst mich?! Du Narr!! Wie viel kannst du ertragen?!" Der Folterknecht unterbrach seine Tätigkeit, knotete das Ende der Peitsche zusammen und holte mit einer Greifzange einen glühenden Draht aus dem Kohlenbehälter neben sich. Mit Hilfe des Werkzeugs wickelte er den Draht um diesen Knoten und schlug wieder zu. Brennender Schmerz durchzuckte den kraftvollen Leib des Blonden und ungewollt entrang sich ihm ein gepeinigtes Stöhnen. "Lehnst du es immer noch ab, mir zu gehören?!" "....Wenn Ihr meinen Körper wollt....dann müsst Ihr erst mein Herz bezwingen....und das wird Euch nie gelingen, das schwöre ich Euch!" "Alle Männer meines Harems gehören mir durch Fürstenrecht! Du hast mir Lust zu schenken, wenn ich sie fordere!!" "Nein!! Auf dem Gebiet der Liebe habt Ihr mir gar nichts zu befehlen!" "Soso! Und wer dann?" Die Erwiderung erfolgte ohne Zögern, schnell wie ein Pfeil und ebenso spitz. Sie war präzise, erschütternd und gewährte kein Gegenargument. "Ich allein!!!" Seto, dem durch diese sachliche, entwaffnende Antwort jeglicher Wind aus den Segeln genommen worden war, musterte seinen Gegner mit unverhohlener Überraschung und insgeheim auch mit Bewunderung. Er sah in diese glühenden braunen Augen, deren intensives Feuer ihn zu berauschen drohte und in einer plötzlichen, heftigen Geste rief er aus: "Schneidet ihn ab!" Der Folterknecht war erstaunt, tat aber, wie ihm geheißen und zertrennte die Fesseln, die Joey an das Gestell banden. Höllische Pein loderte in jedem winzigen Millimeter seiner selbst, doch der Engländer erhob sich mühsam und stakste auf steifen Beinen auf den Sultan zu. Obwohl man merkte, dass er am Ende seiner Kräfte war, ging er aufrecht, mit gestrafften Schultern und stolz gerecktem Hals, bis er nur noch ein kleines Stück von dem Regenten entfernt war. Dann spuckte er ihm vor die Füße und verschwand schweigend im Inneren des Serail. Odeon verneigte sich vor dem Braunhaarigen und beteuerte: "Wirklich, mein Gebieter, ich hätte nie gedacht, dass er so widerspenstig ist! Vielleicht sollte man ihn zum Sklavenmarkt zurückschicken!" "Nein." "Wie bitte?" "Ich sagte: Nein. Dieser Mann bleibt hier. Ich will ihn haben....seinen Körper, sein Herz, seinen Geist, alles! Er muss mein werden....er muss einfach!!" Er eilte davon und ließ einen irritierten Oberaufseher zurück. Auf einmal aber erkannte dieser die Situation: Es war Joey gelungen, heißes Begehren in Marokkos Fürsten zu entfachen, so stark, dass er ihm sogar seine Verweigerung durchgehen ließ. "Sieh an, Goldjaspis....also habe ich dich doch nicht falsch eingeschätzt...." Es wurde an die mit feinen Mustern geschmückte Tür des Einzelgemachs geklopft, das Yami Muto zu eigen war, einem Asiaten, der Mitglied des Gold-Ranges und einer der Favoriten des Sultans war. Er schmunzelte, hatte er doch von hier oben mit verfolgt, was sich im Ersten Innenhof zutrug. "Herein." Seto schob sich in den großzügig gestalteten Raum und setzte sich dem bunthaarigen Schönling gegenüber. Dessen wissendes Grinsen beruhigte ihn etwas. "Ich entnehme deinem Gesichtsausdruck, dass ich dir nicht erklären muss, warum ich hier bin." "Das ist korrekt, Euer Gnaden. Ich behaupte, dass Ihr es mit mir und anderen Männern in Eurem Harem ähnlich schwer hattet, doch dieser Joseph bricht alle Rekorde. Noch nie habe ich einen erlebt, der Euch so geringschätzig behandelte oder der Euch so gar keinen Respekt entgegenbrachte. Aber das ist es auch, was Euch an ihm fasziniert, nicht wahr? Oh, ich bestreite nicht, dass sein unnachgiebiger Stolz und sein starker Wille, vermischt mit seinem leidenschaftlichen Temperament und seiner unleugbaren Schönheit, ungeheuer reizvoll sind.... auch mich traf sein Anblick bis ins Herz....dennoch werdet Ihr einige Hürden überwinden müssen, bevor Euch in seinen Augen Gnade zuteil wird, mein König. Aber Ihr kennt meine Meinung: Eine leichte Eroberung macht die Liebe wertlos, eine schwierige dagegen macht sie unbezahlbar. Welche Art zieht Ihr vor?" "Das muss ich dir nun wirklich nicht erklären. All jene, die zu meinen Favoriten geworden sind, waren schwierige Eroberungen, denn nur sie sind darin begabt, mich für lange Zeit zu begeistern. Was denkst du über den jungen Briten - abgesehen davon, dass sein feuriges Wesen dich ebenso fesselt wie mich?" "Wollt Ihr meine ehrliche Ansicht über ihn hören?" "Ja. Sonst wäre ich nicht hier. Deine Ratschläge haben sich von jeher als gut und richtig erwiesen." "Dann lasst Euch gesagt sein: Dieser Joseph wäre würdig, Sultan-baschi zu sein." "Ist das dein Ernst?!" "Selbstverständlich." Mit diesem Urteil verließ Ab-del Kaiba den hübschen Yami mit den amethystfarbenen Augen, die so voller Weisheit und Ruhe waren und kehrte in seine eigenen Räume zurück. Er hatte die Stärke dieses Willens gespürt, der seinen eigenen Stolz zu attackieren wagte, doch dieses Verhalten täuschte nicht über die unermesslichen Freuden hinweg, die man erleben würde, gelang es einem, das Herz dieses Schönlings zu erweichen. >>Was hattest du im Sinn, als du diesen Mann gekauft hast, Odeon? Wolltest du, dass er mir Trotz bietet? Bist du überzeugt, dass er es ist, der mein Herz gewinnen könnte? Ja, vielleicht. Über die nötigen Qualitäten verfügt er. Aber wahrlich, noch nie zuvor habe ich es mit einem solchen Tollkopf zu tun gehabt!<< Unterdessen lag Joey bäuchlings auf seinem Lager und ließ seinen geschundenen Rücken mit Heilsalben einreiben. Raphael, dem diese Aufgabe zugefallen war, tadelte gutmütig: "Was hast du dir bloß dabei gedacht? Wir haben dich doch gewarnt! Es ist gefährlich, Seine Majestät zu reizen! Es verwundert mich, dass du diese Lektion nicht begriffen hast." "Ich habe sie begriffen....und genau deshalb musste ich ihm beweisen, wie eisern mein Wille wirklich ist! Ich würde mich lieber von den Zinnen stürzen, als ihm anzugehören!" "Tse, was sind das nur für alberne Ideen! Ein schöner junger Mann wie du es bist, aus dem die Lebenslust nur so herausquillt, redet nicht so ein dummes Zeug! Deine Worte während der Geißelung haben mir zumindest gezeigt, was ich bereits ahnte: Du wärest geeignet, Sultan-baschi zu sein!" "Sultan-baschi? Was ist denn das?" "Das ist der Titel, den man demjenigen verleiht, der geboren wurde, um die Könige zu beherrschen. In jedem Harem gibt es dessen nur einen. Man hat ihn nicht erwählt; er ist es aus sich selbst heraus geworden, weil er alle Fähigkeiten besitzt, Seele und Körper des Fürsten in seinen Bann zu schlagen. Der Sultan tut nichts, ohne ihn zu befragen. Er regiert über die anderen Männer im Serail und entscheidet über Auf- oder Abstieg eines Mitglieds." "Und du traust mir zu, ein solcher Mann zu sein?" erkundigte sich Joey verblüfft. Raphael legte dem Jüngeren einen sauberen Verband aus Leintüchern an. "Ja." sagte er schließlich. Stunden später, als die Sonne als glutroter Edelstein am Horizont versank, hörte der Blonde erneut die klare, herrliche Stimme des namenlosen "Magischen Troubadours von Marokko". Er sang ein Liebeslied, dessen wiederkehrender, inniger Refrain den Engländer in einen entspannten Schlaf wiegte.... Der Begriff für die Hauptfrau ist "Sultanin-baschi" - für meine Zwecke habe ich dann einfach eine männliche Version erfunden!^^ Über Kommis würde ich mich freuen! Bis zum nächsten Teil! *wink* Kapitel 3: Der gestohlene Kuss ------------------------------ Ja, hier ist also das dritte Kapitel! Viel Spaß!^______^ Drittes Kapitel: Der gestohlene Kuss Zwei Wochen waren vergangen, seit der 22jährige Joseph Wheeler, geboren in Britannien, Eigentum von Seto ab-del Kaiba geworden war, des Sultans von Marokko. Er war mittlerweile in die eingeschworene Gemeinschaft des Bronze- oder auch Dritten Ranges aufgenommen worden und selbst jene Männer, die ihn vorher mit Verachtung über die Schulter gemustert hatten, mussten ihm letztendlich Geist, Schlagfertigkeit und Witz zubilligen und nahmen ihn in ihre Zirkel auf. Seit seiner Geißelung hatte der Fürst ihm keinerlei Beachtung mehr geschenkt, offenbar ließ er sich von den Mitgliedern des Gold-Ranges trösten, nachdem der Blondschopf seinem Stolz einen Knick versetzt hatte. Der Singsang des mittäglichen Gebets zu Allah dröhnte dumpf zu den Fenstern des Harems und Joey döste in der sommerlichen Hitze träge vor sich hin, als Marko ihn antippte. "Aufwachen, jetzt wird nicht geschlafen! Heute ist großer Badetag! Komm schon!" "Badetag? Wir baden doch ohnehin jeden Abend!" "Das meine ich auch nicht. Einmal im Monat versammeln sich alle Ränge im Hof der Blumen, um sich gemeinsam zu reinigen. Du weißt, normalerweise sind die Ränge streng voneinander geschieden! Bei der Gelegenheit kann ich dir ein paar Männer aus den oberen Etagen vorstellen! Los, beeil dich!" Ohne Joeys Antwort abzuwarten, zog Marko ihn hinter sich her und führte ihn durch mehrere gewundene Gänge zum "Hof der Blumen". Dieser lag im verstecktesten und hintersten Teil des Serail-Komplexes und wurde offiziell als Siebter Innenhof bezeichnet. Dort fand der Prunk seine volle Entfaltung: Durch ein großes vergoldetes Tor mit schweren Riegeln und kunstvollen Gravuren gelangte man ins Allerheiligste, das eifersüchtig von zwei finsteren Eunuchen bewacht wurde, die unheimlichsten Kerle von allen, nach Ansicht des Briten. Weiße Marmortreppen leiteten in den eigentlichen Hof über, dessen genaue Ausmaße man mit den Augen kaum überschauen konnte. Beeindruckende, farbenprächtige Blumenrabatte säumten die unterschiedlichen Wege, auf denen man sich durch dieses Paradies bewegen konnte, Vögel sangen in den Zweigen der Bäume, die man gepflanzt hatte, um ein paar Schattenspender zu haben, das kristallklare Plätschern von Fontänen, die auf die glitzernden Wasseroberflächen von wunderschön verschnörkelten Brunnen mit Sagengestalten auftrafen, vermischte sich mit dem Summen der Insekten und dem Gelächter und Geplauder der Männer. Normalerweise war der "Hof der Blumen" dem Gold-Rang vorbehalten, aber dieser gemeinsame Badetag einmal pro Monat gestattete rangübergreifende Kontakte. Jedem Rang stand ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit zu, wie Joey inzwischen gelernt hatte. Während der Erste Innenhof noch zum Gebiet des Unteren Harems gehörte, was man auch anhand der eher mageren Ausschmückung erkennen konnte, zählte der Zweite Innenhof zum Bronze-Rang. Je höher der Status war, umso größer waren die Möglichkeiten an Spaziergängen, die sich boten, denn der Silber-Rang durfte sich ungezwungen vom Ersten bis zum Vierten Innenhof begeben, während der Gold-Rang selbstverständlich jeden der Höfe, von Eins bis Sieben, sein Eigen nennen konnte. Für die Angehörigen des niedrigsten Standes innerhalb des Oberen Harems war es also eine richtige Sehenswürdigkeit, wenn man ihnen erlaubte, bis in den Hof der Blumen vorzustoßen. Marko schob den Engländer um eine Kurve und dieser sah ein riesiges Schwimmbecken, in dem sicherlich an die fünfzig Personen hineingepasst hätten, ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Keramiktöpfe mit Dattelpalmen waren in regelmäßigen Abständen am Beckenrand aufgestellt worden und darum herum erhoben sich, zu kleinen Grüppchen zusammen drapiert oder einzeln, einladende Liegen auf goldüberzogenen Gestellen und Überzügen aus Samt, in den verschiedensten Grün- und Blautönen. Marko erläuterte: "Die Liegen in Grün sind für die Mitglieder des Bronze- und des Silber-Ranges. Die nicht in großer Mehrzahl vorhandenen blauen Liegen sind für den Gold-Rang, also setz dich ja nicht auf den falschen Platz, hast du kapiert?" "Und was ist das da? Diese eine rote Liege?" erkundigte sich der Blonde und deutete auf einen weißen Marmorpavillon, der an der rechten Stirnseite des Schwimmbeckens stand. Über eine kleine Treppe gelangte man in die nach allen Seiten hin offene Halle, deren Dach nur von den mit Stuck verzierten Säulen getragen wurde. Er sah, dass wenige blaue Liegen darin untergebracht waren, auf einer extra Erhöhung aber erhob sich eine rote Liege. "Das ist der Platz für den Sultan-baschi", erwiderte der Italiener mit verschwörerischem Zwinkern. "Er ist schon lange unbesetzt. Wer weiß, ob sich das nicht eines Tages ändert...." "Du spielst doch nicht etwa auf mich an?" "Wieso nicht? Der halbe Harem hat deiner Auspeitschung zugesehen und dein Stolz wie auch deine Unverschämtheit haben großen Eindruck hinterlassen. Wir haben sogar die Kratzer an der Schläfe Seiner Majestät gesehen. Noch nie zuvor hat jemand so etwas gewagt! Man spricht bereits im Obersten Rang respektvoll von dir!" "Ach ja? Schon wieder dieses alberne Gerede!" seufzte der junge Mann verstimmt. Als wenn es sein Ziel wäre, Sultan-baschi zu werden! Sein Kamerad brachte ihn zu einem schattigen Plätzchen mit fünf Liegen, von denen drei schon belegt waren. Marko deutete eine Verbeugung an und sagte: "Ich möchte euch Joseph Jay Wheeler vorstellen, den Briten!" Der dieser Art Eingeführte reichte jedem der drei Männer die Hand und prägte sich ihre individuellen Erscheinungen gut ein, um sie später wiedererkennen zu können: Derjenige links von ihm hatte dunkelrotes kurzes Haar und graue Augen und einen eleganten, feingliedrigen Körper, dem der dunkelblaue Stoff des Serailmantels sehr schmeichelte. Wie bei den anderen beiden war sein arabischer Rock schwarz, doch ihre Schärpen glänzten silbern, sie waren also höhergestellt als Joey und sein Begleiter. "Mein Name ist Allister und ich komme aus Irland. Freut mich, dich endlich kennen zu lernen." "Endlich?" "Na ja, du bist zum Tagesgespräch Nummer 1 avanciert, seit du dich dem Fürsten verweigert und sein Ego erschüttert hast." "Hör auf, Allister! Ich glaube, ihm kommt das schon zu den Ohren raus!" unterbrach ihn ein Braunhaariger mit ebenso braunen Augen und einer eigenwilligen Frisur. Dennoch besass er einen makellosen, sportlichen Körper und sein Lächeln hatte etwas Anziehendes. "Ich bin Tristan Taylor, der Sprecher des Silber-Ranges. Ich stamme aus Amerika, genau wie Varon." Damit zeigte er auf den Dritten in der Runde, dessen brünettes Haar vielleicht eine Spur dunkler war als Tristans. Seine blauen Augen verrieten Temperament und Direktheit. "Stimmt genau, ich bin auch ein Kind der neuen Welt! Ich wollte dich bereits seit einiger Zeit treffen, aber immer wieder habe ich meine Chance verpasst! Hm....du bist wirklich eine Schönheit! Kein Wunder, dass der olle Odeon dich gekauft hat!" "Sprich nicht so von ihm! Seine Eunuchen haben ihre Ohren überall!" mahnte Allister mit erhobenem Zeigefinger. "Und wenn schon! Dann soll er von Mann zu Mann mit mir reden und sich nicht hinter seinen kastrierten Pudeln verstecken!" "Varon!!!" "Ist doch wahr...." "Was auch immer du sagst, Varon!" witzelte Marko. "Ich wollte bei euch aber eigentlich zwei Plätze für Joey und mich reservieren! Ist das in Ordnung für euch?" "Natürlich." "Prima! Dann ist jetzt der Gold-Rang an der Reihe! Komm mit!" Der Blondschopf wollte protestieren, aber der Blauhaarige ignorierte das und lenkte ihre Schritte Richtung Pavillon. Sie mussten erst ein aufgebautes Buffet mit den vielfältigsten Speisen umrunden, ehe sie auf ein paar blaue Liegen stießen. Wenn Joseph richtig zählte, gehörten dem Ersten Rang offensichtlich nur ca. zwanzig Männer an, von denen aber nicht einmal die Hälfte den Status eines Favoriten inne hatte, wie Marko ihm erklärend ins Ohr flüsterte. Die Favoriten durften im Pavillon Plätze belegen, anstatt wie die anderen nur davor, denn sie genossen innerhalb des Gold-Ranges noch ein paar Sonderrechte. Der Italiener verneigte sich ehrerbietig und der Engländer entschied sich, es ihm lieber gleichzutun. Er wiederholte das Ganze an den Treppenstufen des Pavillons und fragte höflich: "Würdet Ihr uns erlauben, hinaufzukommen? Ich möchte Euch mit Joseph Jay Wheeler bekannt machen." Ein Mann mit wilden bunten Haaren, welche die Farben der Nacht, der Sonne und des Feuers in sich vereinten, winkte sie herauf und wieder versank man in einer respektvollen Reverenz. Der 22jährige registrierte, dass auch hier die obligatorischen dunkelblauen Haremsmäntel getragen wurden, doch die Hüftröcke leuchteten weiß und wiesen prachtvoll bestickte goldene Schärpen auf. "Lass mich dich ansehen, schöner Brite", bat der Bunthaarige freundlich und Joey merkte, dass das jemand war, mit dem man reden konnte. So erhob er sich gehorsam und ließ es sich gefallen, dass sein Gegenüber ihn von Kopf bis Fuß genau musterte. "Dein Name ist uns bereits bekannt, deshalb möchte ich dir zunächst meinen nennen: Ich bin Yami, einer der Favoriten. Ich stamme aus Japan." Er stand auf und beorderte dem Blonden mit einer vornehmen Geste, ihm zu folgen. "Dies ist Bakura, er kommt aus Russland." stellte er vor und deutete auf einen Mann mit wallendem weißen Haar und dunkelbraunen Augen, dessen Lächeln einen leicht boshaften Zug besass. "Das ist Duke Devlin, er wurde in einer der Kolonien der Neuen Welt geboren." Smaragdgrüne Augen strahlten Joey herausfordernd und offen an, ohne dabei verschlagen zu sein und er fand den Amerikaner auf Anhieb sympathisch. Außerdem hatte er langes, betörend schwarzes Haar, gegen das ihm seine Blondheit fad und langweilig vorkam. "Und hier der Letzte im Bunde, Marik Ishtar. Er ist Ägypter." Glänzende braune Haut, platinblondes Haar und unergründliche lilafarbene Augen, deren Blick erwartungsvoll und kameradschaftlich auf ihn gerichtet war. Irgendwie war er sehr erleichtert, denn er hatte sich die Favoriten hochnäsiger und arroganter vorgestellt, doch auch sie trugen wie alle Haremsherren schwere goldene Ohrringe, Ketten oder Stirnreifen. Warum hatte er eigentlich keinen Schmuck bekommen? Hatte er sich dieses Privileg verscherzt? Na, und wenn schon!!! "Hast du noch ein paar Fragen, die das Leben hier im Serail betreffen?" verlangte Yami zu wissen und Joey nickte zögernd. "Nun, so frage mich. Ich will dir gerne antworten, sofern ich es vermag." "Woher habt Ihr all diese Schmuckstücke?" "Das sind Geschenke des Sultans. Man erhält sie, sobald man zum ersten Mal seine....'Pflicht' als Haremsmitglied erfüllt hat." "Verstehe." raunte der Brite trocken und rümpfte die Nase. "Na, in diesem Fall besteht wohl keine Gefahr, dass ich je so reich behängt werde." "Sag das nicht. Die Favoriten und überhaupt alle, die zum Gold-Rang gehören, waren für Seine Majestät nur schwer zu erobern, aber es ist ihm dennoch geglückt - und in seinen Armen habe ich, wie ich zugeben muss, unerhörte Wollust genossen." "Ihr scheint ja keinerlei Probleme damit zu haben, Euren Körper herzugeben!" "Warum so erbost, Joey? Ach, verzeih, ich darf dich doch so nennen?" "Ja." "Vielen Dank. Nun, deine Einstellung ist durchaus nachvollziehbar. Aber in einem Harem zu leben kann auch schöne Seiten haben, wenn man seine Reize gewinnbringend einzusetzen versteht. Seto ab-del Kaiba kann sehr hart zu jemandem sein, wenn man es wagt, ihn herauszufordern oder sich ihm gar zu verweigern. Aber denkst du nicht, dass du dich damit einrichten könntest? Er ist ein schöner Mann und überaus begabt in der Kunst der Liebe. Er könnte dir erfüllte Stunden schenken, wenn du über deinen Schatten springen würdest. Du könntest sehr erfolgreich sein, wenn du es wirklich wolltest." "Ich will es aber nicht!!" "Du bist recht stur, aber darin ist dir der Fürst ziemlich ähnlich. Erzähle mir nicht, du wärest nur dann in der Lage, dich der Macht der Lust hinzugeben, wenn du ehrliche Gefühle hegst! Du bist ein sinnlicher und leidenschaftlicher Mann, Joey, lebenslustig und erfahren! Auch du schätzt gewiss die prickelnde Süße der körperlichen Vereinigung, selbst wenn sie nur auf reiner Begierde basiert. Wenn das Verlangen heiß genug ist, kann es wunderschön sein. Ich bin davon überzeugt, dass du das weißt." Der Blonde dachte an den Tänzer Osman, der jene Wollust geweckt hatte, von der Yami sprach, und er nickte langsam. "Gut, ich gebe mich geschlagen, Ihr habt recht. Euren Augen scheint nicht das geringste zu entgehen und Ihr verfügt über einen klaren Verstand. Kein Wunder, dass Ihr zum Gold-Rang gehört." Der Bunthaarige zeigte ein geschmeicheltes, charmantes Lächeln und fächelte sich mit einem hübsch bemalten Fächer etwas Kühlung zu. "Sind deine Wunden wieder gut verheilt?" "Ihr meint die Peitschenhiebe? Ja. Man sieht zwar immer noch deutlich ihre Spuren und richtig auf den Rücken legen kann ich mich auch noch nicht, aber es ist viel besser geworden." "Du warst fantastisch an jenem Tag. Trotz deiner Schmerzen hast du ihm Kontra geboten und bist ihm aufrecht entgegengetreten. Bewundernswert. Weißt du, dass ich mit angehört habe, wie Odeon davon sprach, dich zum Sklavenmarkt zurückzuschicken?" "Ist das wahr?" "Sicher. Aber Seine Majestät war nicht für diesen Vorschlag zu gewinnen. Er sagte: ,Dieser Mann bleibt hier. Ich will ihn haben....seinen Körper, sein Herz, seinen Geist, alles! Er muss mein werden....er muss einfach!!' Was ist? Du siehst so überrascht aus?" "Das hat er tatsächlich gesagt? Habe ich denn noch nicht genug getan, damit er mich hasst?" "Nein. Dein Widerstand hat lediglich eines bewirkt: Dass er dich rasend begehrt wie noch keinen zuvor. Und wenn er dich wirklich will....wird er dich auch kriegen!" "NIEMALS!!" Yami lachte melodisch angesichts dieses heftigen Ausbruches. "Sei nicht zu überzeugt davon. Ich versichere dir....es ist sehr schwer, dem Sultan zu widerstehen...." Die Nacht breitete ihren schwarzen Schleier über Marokko aus. Joey dämmerte im Halbschlaf vor sich hin, während seine Zimmergenossen, erschöpft von Sonne und Schwimmen, tief und fest vor sich hin schlummerten. Er musste sich eingestehen, dass dieser Badetag doch ein recht schönes Ereignis gewesen war - gemeinsam in die kristallklaren Fluten tauchen, etwas Gutes essen oder trinken, sich zusammensetzen und über alle möglichen Themen philosophieren....in dieser geschäftigen Männerfamilie herrschte ein Gefühl von Vertrauen und Kameradschaft vor, mit dem er nie im Leben gerechnet hätte. Zweifellos war der Gedanke an die körperliche Unterwerfung, die er dem Sultan noch schuldete, die Ursache seiner heftigen Abwehr gegenüber dem Harem gewesen. Plötzlich klang eine Gitarre unter seinem Fenster auf. Überrascht lehnte sich der Engländer hinaus und bemühte sich, jemanden zu erkennen, doch die Schatten, welche die Palmen warfen, verbargen den Spieler. Dann begann der unsichtbare Musikant zu singen und der Blonde spürte, wie ein wohliger Schauer ihn durchlief, denn diese wunderbare, einschmeichelnd-männliche Stimme war ihm mittlerweile vertraut. Je sinnlicher und langgezogener die Töne wurden, je klarer und reiner, je gewaltiger sie den Innenhof ausfüllten, umso sicherer war er sich: Dies war und konnte nur einer sein - der "Magische Troubadour von Marokko"! Da er ohnehin nicht schlafen konnte, schlüpfte er in seinen Haremsmantel und eilte nach draußen. Der Mond warf ein schwaches Licht auf die Umgebung und markierte sanft die Silhouette des Sängers. Er trat langsam aus den Schatten hervor und verneigte sich höflich vor Joey. Sein Gesicht war mit einer samtenen schwarzen Maske verdeckt, sein Haar verschwand unter einem seidenen Turban. Ansonsten war er gekleidet wie ein Harlekin, in seinen gebräunten Händen hielt er sein Instrument. "Wer seid Ihr und weshalb habt Ihr Euch in den Serail gewagt? Wisst Ihr nicht, dass das Euren Tod bedeuten kann?" "Das ist wahr, doch da ich erfuhr, von welcher Schönheit der neueste Schatz des Fürsten ist, wollte ich ihn mit meinen eigenen Augen sehen. Und man hat nicht gelogen. Ihr seid viel zu schön, viel zu unabhängig, als dass Ihr Euch einem widerlichen Kerl wie dem Sultan hingeben könntet!" "Pst, nicht so laut! Hier hat alles Ohren! Außerdem ist er nicht widerlich!" "Ach nein? Ich habe gehört, Ihr hättet Euch ihm verweigert?" "Das liegt daran, dass ich mich nicht zu diesem ,Dienst' zwingen lasse! Der Sultan ist ein schöner Mann, ich kann es nicht bestreiten....er und die Bezeichnung ,widerlich' sind himmelweit entfernt! Aber er ist nicht bereit, meinen Stolz zu akzeptieren....er verlangt von mir eine Unterwerfung, die ich ihm nicht darbieten kann! Nicht, solange er nicht wenigstens mein Vertrauen gewonnen hat!" "Ihr seid in der Tat sehr stolz, junger Brite! Doch Euer Feuer ist nicht ohne Reiz! Im Gegenteil, es lässt Eure Augen erglühen wie Sterne, verleiht ihnen einen fremden, brennenden Glanz.... Wie recht ich doch tat, als ich hierherkam, in der Hoffnung, mein Gesang möge Euch herunter locken!" "Eure galante Sprache und Eure leise Stimme, die sich zu solchen Höhen aufzuschwingen vermag, sind mir Beweis genug: Ihr seid der Magische Troubadour von Marokko, nicht wahr?" "Der bin ich, mein Schönster." "So singt weiter. Ich möchte Eurer Kunstfertigkeit lauschen." "Wie Ihr wünscht." Er präludierte eine Weile, stieß einen Seufzer aus und begann schließlich damit, ein Liebeslied zum Besten zu geben. Es war arabisch, aber Joey verstand die meisten der leidenschaftlichen Worte, um den Text entschlüsseln zu können. Er handelte von Sehnsucht und Begehren, und der Refrain wurde stets mit dem Wort "Liebe" eingeleitet. Der 22jährige genoss das Aufsteigen und Abflauen dieser makellosen Stimme, die ihn anrührte und bezauberte und lehnte sich gegen den Stamm einer Palme. Plötzlich verstummte der Troubadour, legte sein Instrument zur Seite und trat auf Joey zu. Behutsam bog er dessen Kinn nach oben und streichelte zärtlich über seine rechte Wange. Die Lippen des Sängers hefteten sich heiß und fordernd auf die des Engländers, der, noch betäubt von dem betörenden Gesang, kaum Widerstand zu leisten vermochte. In Joey entzündete sich ein lustvoller Funke und schleuderte ihn erbarmungslos in den weiten Abgrund eines herrischen, überschäumenden Verlangens, dem sich nichts in den Weg würde stellen können. Noch nie zuvor hatte er solche Lippen geschmeckt, sanft und drängend, gebieterisch und doch zärtlich, frisch und köstlich. Dem Blonden wurde bewusst, dass er sich in den Händen eines Meisters der Liebeskunst befand und er überließ sich der wundervollen Erregung, die sich seinem gesamten Wesen mitteilte. Endlich löste sich der Maskierte von ihm und er wich, seltsam verlegen, zurück. "Verzeiht....Ihr müsst mich für recht albern halten, aber....ich ahnte nicht...." "Was ahntet Ihr nicht, mein Schönster? Dass ein Kuss so süß sein kann?" Joey nickte schweigend und betrachtete das verborgene Antlitz vor sich eingehend. Man konnte edle Züge hinter dem schwarzen Stoff vermuten und die Augen des Unbekannten....er stutzte. Sie waren von einem tiefen, bestechenden, verzehrenden Blau....Saphirblau. Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf und er stieß einen Schrei des Zorns aus. "Oh, das ist zu viel!! Das geht entschieden zu weit!! Nehmt Eure Maske ab, Ab-del Kaiba!! Los, herunter damit!! Wie konntet Ihr es wagen!! Ich kratze Euch die Augen aus, ich erdrossele Euch, ich werde....!!" Unter dem Samt schimmerten die weißen Zähne des Fürsten und sein Mund öffnete sich in einem schallenden Gelächter. Er näherte sich dem Blonden mit eleganten Schritten. Der andere war erschrocken, aber mehr noch empört. "Ich erdrossele Euch!" wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen. Seto zeigte sich davon in keiner Weise beeindruckt, sondern lächelte nur aufreizend. "Warum so erbost, Joseph?" "Ihr habt unerhört und schamlos gelogen! Ihr habt mich glauben lassen, Ihr wäret der Magische Troubadour von Marokko!" "Aber ich bin ja der Magische Troubadour von Marokko!" Und da der Brite ihn sprachlos anstarrte: "Was ist daran so ungewöhnlich? Ich hatte eine gewisse Begabung und habe sie genutzt. Ehrlich, Schönster, gefällt dir meine Stimme nicht?" "Oh, das ist zu viel!" wiederholte Joey, doch nachdem seine Wut verraucht war, hatte er plötzlich das Bedürfnis zu lachen. Es war unglaublich! Da hatte der Sultan den Zynismus so weit getrieben, dass er ein Haremsmitglied ermunterte, ihn zu betrügen! Er musste der Teufel in Person sein! "Was für eine üble Komödie, die Ihr mit mir gespielt habt! Ich hielt Euch bisher nur für brutal - und nun muss ich so etwas wie ein Herz in Euch entdecken! Ihr habt Euch nur über mich lustig gemacht, nicht wahr?" "Nicht nur, und das weißt du sehr wohl." Ohne ein weiteres Wort drehte der Blonde sich um und kehrte in sein Gemach zurück. Er hörte noch, wie Seto ihn mit sanfter Stimme anrief: "Joseph! Habe die Güte und sprich zu niemandem von diesem Ereignis! Wenn man herausfindet, dass ich mich verkleidete und maskierte, einzig, um einem Mann, der mich verabscheut, einen Kuss zu stehlen, wird man weidlich über mich spotten." "Ihr seid unerträglich!" erklärte Joey und eilte leichtfüßig über die Treppe davon. In seinem Zimmer angekommen, schlüpfte er aus dem dunkelblauen Mantel, wobei er sich in seiner Nervosität in den langen Falten verhedderte, wälzte sich auf seinem Lager fiebernd von einer Seite zur anderen und konnte erneut keinen Schlaf finden. Immer wieder tauchten das maskierte, dann wieder das klare Gesicht vor ihm auf und das Leuchten dieser blauen Augen drang bis in jede Faser seines Körpers. Schließlich überwältigte ihn die Erinnerung an die Lust, die er in den Armen des Sultans empfunden hatte. Sehr spät versank er im Reich der Träume, verfolgt von dem heißen, leidenschaftlichen Blick Seto ab-del Kaibas.... Kapitel 4: Der Basar (Teil 1) ----------------------------- So, es geht weiter mit meinen "Wüstennächten"! Ich wünsche Euch viel Vergnügen beim Lesen!^______^ Viertes Kapitel: Der Basar (Teil 1) "Joey! Joey, wach auf! Ein Diener ist gekommen! Er hat ein Geschenk für dich dabei! Es ist von Seiner Majestät! Hörst du nicht?!" Shadi stand mit verschränkten Armen ungeduldig vor dem Bett des Briten und rüttelte ihn. Warum schlief er denn noch? War er etwa so müde? Langsam schlug der Blonde die Augen auf und gähnte ausgiebig. "Was sagst du?" "Man hat dir ein Geschenk überbracht. Komm herein, Bursche!" Ein verzagter junger Page betrat den Raum, offensichtlich ganz verwirrt von der Herrlichkeit und dem Prunk um ihn herum. Auch die Anwesenheit von so vielen schönen, selbstbewussten Männern schüchterte ihn ein, denn er hatte erst vor kurzem seine Anstellung hier im Palast erhalten, folglich war er noch nie im Haremsgebäude gewesen. Als er Joeys ansichtig wurde, der nur seinen Hüftrock trug und dessen muskulöser Körper sonst komplett entblößt war, sein goldenes Haar noch offen und nicht zu einem Zopf zusammengebunden, wurde er hochrot und stotterte seinen Auftrag hervor: "Äh....Seine Gnaden schickt mich....eh....Euch....dieses....dieses bescheidene Zeichen seiner....eh....Gunst....zu überreichen...." Der 22jährige nahm das sorgsam in rote Seide eingewickelte Päckchen entgegen und öffnete den Knoten. Zum Vorschein kamen eine breite goldene Kette mit eingravierten Mustern, ein Stirnreif und ein Paar langer goldener Ohrringe, deren Gehänge wie Tropfen geformt waren. Shadi pfiff bewundernd durch die Zähne. "Bemerkenswert, sehr bemerkenswert! Da du dich ihm verweigert hast, würde mich interessieren, was genau du getan hast, um dieses Geschenk zu erhalten!" Joey antwortete nicht, wusste es aber sehr wohl. Der Schmuck war die Belohnung für den Kuss letzte Nacht, den der Sultan ihm gestohlen hatte. Obwohl er dieses Ereignis zu verdrängen versuchte, konnte er dem heißen, wunderbaren Geschmack dieser verführerischen Lippen noch nachspüren und es gelang ihm nicht, diese leidenschaftliche Inbesitznahme zu vergessen. Er seufzte und betrachtete das funkelnde Gold vor sich mit gemischten Gefühlen. Sein Stolz bäumte sich auf und er warf den Stirnreif, den er in die Hand genommen hatte, angewidert in das Päckchen zurück und verschnürte es wieder. "Heda, Page! Bring das seinem Besitzer zurück und richte ihm aus, dass ich mich nicht bestechen lasse!" "Aber....das ist ein teures Geschenk des Fürsten! Wie könnt Ihr es ablehnen?" rief der Bursche entsetzt aus, dem allein der Gedanke an Befehlsverweigerung oder Ungehorsam den kalten Schweiß ausbrechen ließ. "Seine Majestät scheint zu glauben, dass er meinen Widerwillen mit protzigen Gunstbezeugungen einschläfern kann, aber da hat er sich getäuscht! Wenn überhaupt, würde ich mir meinen Schmuck selbst kaufen! Ich bin nicht auf ihn angewiesen! Scher dich raus!" Der Page entschwand kreidebleich und Shadi zog skeptisch eine seiner Augenbrauen nach oben. "Ein Geschenk des Sultans zurückzuweisen ist eine schwere Beleidigung! Wie oft willst du seinen Zorn noch erregen?" "So oft wie es nötig ist. So oft, bis er gelernt hat, meine Unabhängigkeit zu akzeptieren!" "Das ist eine harte Lektion, die du da von ihm verlangst." "Er hat keine andere Wahl!" "Falsch - du gibst ihm keine andere!" "So kann man das auch sehen." "WAS?!?!" Der Page floh Hals über Kopf aus dem Audienzzimmer des Sultans und wagte es nicht, sich auch nur einmal umzudrehen. Seto ab-del Kaiba marschierte auf dem edlen Perserteppich auf und ab, mit dem der Raum ausgelegt war, die Hände im Rücken verschränkt, auf dem Gesicht ein Ausdruck von Wut, Fassungslosigkeit und Frust. Auf dem niedrigen Tischchen vor seinem Diwan lag das Päckchen mit dem Goldschmuck. >>Ich glaube es nicht!!! Wie kann er sich anmaßen, mein Geschenk zurückzuweisen?! Ich dachte, nach dem Kuss gestern wäre sein Widerwille endlich erlahmt, aber nein....!!! Er wagt es noch immer, mich so zu behandeln!!! Dieser....unverschämte....hochmütige....dreiste....stolze.... unbezähmbare....temperamentvolle....wunderschöne....Argh, verflucht sei er!!! Ich....will ihn!!! Niemand schürt dieses Verlangen in mir und entzieht sich dann meinem Zugriff!!!<< Er schleuderte den Schmuck zornig zu Boden und rammte beide Fäuste gegen eines der herrlichen Glasfenster, dass der Rahmen erzitterte. Er erinnerte sich an den Moment, als er diesen sinnlichen Mund erobert hatte und er einen intensiven Kuss beginnen konnte, ganz anders als in jener Nacht, da der Brite ihn gekratzt hatte, denn damals hatte er diese Lippen nur leicht berührt, gekostet. Aber die wirkliche, leidenschaftliche Inbesitznahme in den Stunden der Nacht hatte ein Feuer in ihm entzündet, dem er nicht mehr zu entkommen vermochte. Er hatte das Aufwallen dieses schönen, begehrlichen Körpers gespürt, das lustvolle Schauern, das ihn durchrann, und nach einer Weile hatte sich die zunächst abweisende Mauer der Lippen aufgetan und sich als wissend offenbart. In diesem Augenblick hatte er erkannt, dass Joseph ein erfahrener Mann war, bewandert in der Kunst der Liebe....und es reizte ihn, diesen Mann zu berühren und seinerseits von ihm berührt zu werden.... "Joey...." hauchte er gegen die Fensterscheibe, irritiert und schwer atmend. Es war nun nicht so, dass er noch nie einer komplizierten Eroberung gegenübergestanden hätte - wenn er da an Yami und dessen unnachgiebige Haltung dachte, oder an Bakura und seine Boshaftigkeit, an Duke und seine scharfe Zunge, oder an Marik und seine Launenhaftigkeit....jetzt waren diese Männer alle Mitglieder des Gold-Ranges und zudem seine Favoriten. Aber dieser Engländer.... willensstark wie Yami, unverschämt wie Bakura, nicht auf den Mund gefallen, genau wie Duke, und hitzig wie Marik....oh ja, Odeon hatte ganze Arbeit geleistet, als er diesen Blondschopf für ihn ausgewählt hatte! >>Wie kann ich ihn bloß positiver stimmen? Wenn er mein Geschenk nicht annehmen will, soll er sich seinen Schmuck eben selbst kaufen! Ja, warum eigentlich nicht? Es wäre ohnehin mal wieder an der Zeit, mit dem Harem einen Ausflug zu machen, warum also nicht den Basar aufsuchen?<< Seto ließ nach seinem Oberaufseher schicken und befahl ihm, im Serail bekanntzugeben, dass er (= der Fürst) beabsichtige, diesen Tag auf dem Basar zu verbringen; die Männer sollten sich bereithalten. Odeon versank in einer Reverenz und gehorchte ohne Verzögerung. Er weilte mit seiner Botschaft gerade im Bronze-Rang, während man im Gold-Rang noch nichts davon wusste. Dort lag Yami träge auf seinem Bett, träumte in den Morgen hinein und bemerkte nicht, wie die Tür zu seinem Gemach aufgeschoben und sorgsam wieder geschlossen wurde. Erst, als samtene Lippen die seinen küssten, schlug er die Augen auf. "Bakura!" stieß er im Flüsterton hervor. "Bist du verrückt geworden? Was, wenn dich einer der Eunuchen dabei beobachtet hätte, wie du dich in mein Zimmer schleichst!?" "Aber es ist niemandem aufgefallen! Ewig dieses Versteckspiel! Ich bin es leid, Yami! Warum können wir nicht zu unserer Liebe stehen?" Der Weißhaarige neigte sich vor und heftete seinen Mund sehnsuchtsvoll auf den des Japaners. Unfähig, seine eigenen Wünsche zu verleugnen, sank Yami in die Kissen zurück, schlang seine Arme um den kräftigen Nacken und genoss den Kuss mit all seinen Sinnen. Die kundigen Hände des Russen wanderten unter den Hüftrock und unter den Lendenschurz und der andere stöhnte gedämpft auf. "Oohh....Ba....Bakura....nicht....jetzt...." "Soll ich denn immer nur auf die Verschwiegenheit der Nacht warten? Wie viel Geduld soll ich noch aufbringen?" "Aber es könnte doch jemand kommen?" "Was tut's! Jetzt will ich dich haben....Ich spüre, dass du heiß, erregt bist....deine Augen strahlen wie Sterne und zarter Schweiß bildet sich auf deiner Haut...." Der Bunthaarige konnte sich nicht länger wehren. Mit einem dumpfen Keuchen, das Bakura sein Besiegtsein verkündete, drängte er sich an den warmen, festen Leib seines Liebsten und sie durchwanderten gemeinsam das Tor zur Ekstase. Duke, der zufällig an der Tür vorbeiging, errötete angesichts der Laute, die hindurch drangen: hingegebenes Stöhnen, das Quietschen des Bettes bei ihren rhythmischen Bewegungen und ähnliches. Der Amerikaner hielt sich verlegen den Fächer vor sein verfärbtes Antlitz und hustete lautstark, als Bakuras heisere Stimme hauchte: "Yami, Geliebter...." Zu allem Überfluss entdeckte er Farradji, der eben durch den Eingang zum Ersten Rang schlüpfte. Was wollte der denn so früh schon hier?! Wenn dieser Kerl herausfand, dass zwei der Favoriten eine Affäre miteinander hatten, konnte das schreckliche Folgen für seine beiden Freunde haben! So eilte er geschwind auf den Haremsaufseher zu und verwickelte ihn in ein Gespräch über sein aktuelles Lieblingsthema: Den schönen Joseph, von ihm "Goldjaspis" genannt. Glücklicherweise erschien auch gerade Marik auf der Bildfläche und Duke gab ihm mit einem bedeutungsvollen Schwenk seines Fächers zu verstehen, dass er das Paar warnen sollte. Der Ägypter begriff sofort und klopfte lautstark gegen die Tür. "Yami! Steh endlich auf! Du schläfst wie immer viel zu lange!" rief er vernehmlich, als wäre der andere taub. Nun ja, in diesem speziellen Fall.... "Ah, genau! Zu Yami muss ich, er ist der Sprecher Eures Ranges!" unterbrach sich Odeon und eilte auf das Gemach des Bunthaarigen zu. In diesem Moment schwang die Tür zur Seite und der Japaner trat heraus. Sein Haar war etwas in Unordnung und auch seine Schärpe wirkte wie in Hast zugebunden, doch sonst war ihm nichts anzumerken, zumal Bakura hinter ihm her stürzte und mit flinken Fingern den goldenen Stoff elegant zurecht drapierte. Er hatte schließlich Übung darin. Der Oberaufseher verneigte sich und sagte: "Seine Gnaden schickt mich. Er wird den heutigen Tag auf dem Basar verbringen und wünscht, dass seine Haremsherren sich bereithalten." "Gut, ich habe verstanden." Odeon entfernte sich und kaum war das Tor hinter ihm ins Schloss gefallen, warfen Duke und Marik vorwurfsvolle Blicke auf das sichtlich zerknirschte und schuldbewusste Liebespaar. "Ist in eure Köpfe denn keinerlei Vernunft einzubläuen?!" entrüstete sich der Schwarzhaarige und er klappte seinen Fächer mit einem harten Schlag zu. "Ich kann mir natürlich nicht anmaßen, euch eure Liebe zu verbieten, aber ihr wisst doch, was ihr damit riskiert!! Sollte Seine Majestät je dahinter kommen, was wir nicht hoffen wollen, dann wird das mehr als nur vierzig Peitschenhiebe nach sich ziehen!!" "Das wissen wir auch", erwiderte der Russe mit ernstem, ein wenig verzweifeltem Lächeln, "....aber wir können unsere Gefühle füreinander nicht einfach abtöten. Yami und ich haben den Sultan zu respektieren und zu schätzen gelernt, und in seinen Armen Wollust zu erfahren, kann berauschend sein....aber nichts ist schöner, als wenn tiefe Empfindungen in die Vereinigung mit eingebracht werden. Werdet ihr uns weiterhin decken?" "Was haben wir schon für eine Wahl?" seufzte der Ägypter verstimmt. "Ihr seid schließlich unsere Freunde und wir möchten nicht, dass euch etwas zustößt! Dennoch....dieses gefährliche Spiel behagt mir ganz und gar nicht! Warum musstet ausgerechnet ihr euch ineinander verlieben? Bei Männern aus dem Bronze- oder dem Silber-Rang wäre das ja alles nicht so dramatisch, aber nein, ihr seid Mitglieder des Gold-Ranges und auch noch Favoriten! Es gibt zweifellos viele Methoden, den Fürsten zu erzürnen, aber das ist mit Sicherheit eine der schlimmsten!" "Was sollen wir denn tun? Weiterleben, als wären Bakura und ich uns nie so nahe gewesen? Unsere Gefühle verleugnen? Uns ist nur zu deutlich bewusst, welchem Risiko wir uns aussetzen, aber wir können unsere Liebe nicht einfach unterdrücken!" "Du hast ja recht, Yami." meinte Duke in betrübtem Ton. "Aber es behagt mir dennoch nicht!" "Es ist rührend von euch, dass ihr euch so um uns sorgt, doch falls Seine Majestät tatsächlich von unserer Beziehung erfahren sollte, so werden wir allein die Konsequenzen tragen! Und nun entschuldigt mich, ich muss die übrigen Mitglieder des Gold-Ranges über den geplanten Ausflug in Kenntnis setzen." Er enteilte in einen der vielen reich geschmückten Korridore und ließ seinen Liebsten und die beiden Freunde zurück. Marik fuhr sich nachdenklich durch das platinblonde Haar. "Ich wünsche euch zweien alles Glück dieser Erde und ein gnädiges Schicksal, das eure Entdeckung verhindert. Ihr wisst selbst, was mit dem letzten Mann geschah, der den Sultan betrog - er wurde....hingerichtet." "Ich erinnere mich an diesen schrecklichen Tag", murmelte Bakura und ein Schatten fiel auf seine noblen Züge. "Dennoch....wenn es sich nicht ändern lässt, werden Yami und ich gemeinsam sterben, sollte man unsere Liebe entlarven. Ich habe es nie jemandem gesagt, aber ich bin ruhelos gewesen, fast mein ganzes Leben lang....und als ich in den Harem verkauft wurde, dachte ich, mit mir wäre es endgültig vorbei....Aber in Yami fand ich einen wahren Freund, der mir stets mit Rat und Trost begegnete und Verständnis für mich aufbrachte. Er vermittelte mir Frieden und Geborgenheit - bis ich mich in ihn verliebte, obwohl ich genau wusste, unter welch schlechtem Stern unsere romantische Verbindung stand. Er und ich können nicht mehr zurück....und wenn der Tod unser Weg sein soll, werden wir ihn gehen." Dartz lächelte Joey zufrieden an. "Was immer sich der Fürst dabei gedacht hat, als du ihm sein Geschenk zurückgeschickt hast, jetzt kannst du dir wirklich selbst Schmuck kaufen!" "Ich verstehe nicht...." "Odeon hat mir mitgeteilt, dass der Sultan einen Ausflug zum Basar zu machen wünscht. Dort wirst du sicher etwas finden. Außerdem ist es schon lange genug her, seit der gesamte Harem etwas unternommen hat. Zieh dich um!" Der Brite ließ seinen aufmerksamen Blick durch die Gemächer und Flure des Dritten Ranges gleiten und die ungewohnte Hektik fiel ihm auf. Auch vermummte Gestalten erspähte er darunter und er erkundigte sich: "Umziehen? Wieso das?" "Du bist Haremsmitglied, mein Freund. Kein Mann außerhalb dieser Mauern darf es wagen, dich anzusehen. Deswegen musst du dich bedecken. Ich habe dir deine Kleidung mitgebracht." Der Rangsprecher deutete auf eine dunkelblaue arabische Hose, ein gleichfarbiges Hemd mit langen Ärmeln und einen ebenfalls dunkelblauen Mantel mit Haube. Daneben lag zusammengefaltet eine bronzefarbene Schärpe, anhand derer man seinen Rang würde erkennen können. Neugierig auf den Basar, vergass er einmal seinen Widerwillen und zog sich das Gewand über. Die Haube verbarg sein Haar, würde ihn aber auch vor der sengenden Sonne schützen. Der Umhang wurde über der rechten Brusthälfte mit einer Spange aus Bronze zusammengehalten, an den Füßen trug er schwarze Stiefel. Die einzigen Flecken nackter Haut waren schließlich nur noch sein Gesicht und seine Hände. Dartz, nun auch in voller Montur, schob den überschüssigen Stoff, der dem Blonden über die Kehle und den Brustansatz fiel, nach oben, bis über seine Nase, sodass lediglich seine Augenpartie nicht verdeckt war. "Was soll das?!" "Du musst nicht nur deinen Körper, sondern auch dein Antlitz verbergen! Du bist Eigentum Seiner Majestät - keiner darf um deine Schönheit wissen! Und jetzt komm!" Grummelnd folgte Joey seinem Kameraden und ließ sich von ihm durch den Eingangsbereich des Oberen Harems in eine große Empfangshalle führen. Sie war prächtig ausgestattet, in ihrer Mitte erhob sich sogar ein Springbrunnen, der lustige Fontänen in die Höhe blies und die ihn perfekt geschwungenen kristallklaren Bögen wieder auf der Wasseroberfläche auftrafen. Ein großes eisenbeschlagenes Tor wurde von einem Trupp Eunuchen aufgeschoben und dahinter wurde eine Reihe mehrerer geräumiger Sänften sichtbar, alle versehen mit je acht Trägern in blauer Livree. "In jede Sänfte passen fünf Männer. Da sie vorne schmal geschnitten sind und nach hinten immer breiter werden, haben vorne nur zwei Platz, die übrigen drei liegen hinten. Der Bronze-Rang ist der mit den meisten Mitgliedern; wir sind ungefähr sechzig Männer. Das heißt, zwölf Sänften für alle. Im Silber-Rang befinden sich rund vierzig Männer, also acht Sänften. Für den Gold-Rang werden nur vier benötigt, weil dieser nur zwanzig Männer umfasst. Was ist? Steig ein!" Joey stand unschlüssig vor der geschmückten Sänfte. Hundertzwanzig Männer, eingesperrt in diesen Goldenen Käfig, und tagtäglich wurden es mehr, die sich unter die harte Hand dieses Sultans begaben! Oh, Seto ab-del Kaiba besass einen romantischen Sinn, den konnte er ihm nicht mehr absprechen seit der letzten Nacht, dennoch erwartete er bedingungslosen Gehorsam und griff zu solch entwürdigenden Mitteln wie der Peitsche, wenn man ihm selbigen nicht sofort erwies. Er stieß einen Seufzer aus und kletterte in die Sänfte. Sie war in geschmackvollen Grün- und Goldtönen gestaltet, mit wunderbar weichen Kissen und einem seidig glänzenden Baldachin. Dartz setzte sich zu ihm, dicht hinter ihm kamen Marko, Shadi und Raphael. Langsam füllten sich auch die anderen Sänften und der Zug setzte sich schließlich in Bewegung, einen gepflasterten, von hohen Bäumen gesäumten Weg entlang. Aus einem zweiten Tor des Haremsgebäudes erschienen die Sänften des Silber-Ranges und aus einem dritten die des Gold-Ranges. Odeon Farradji ritt auf einem kostbar aufgezäumten Rappen der Prozession voran, die sich wie eine lange, farbig schillernde und golden funkelnde Schlange durch die Landschaft schob. Vor dem Haupttor des Palastes wartete der Sultan bereits auf sie. Wunderschön war er anzusehen, in seiner bis zu den Oberschenkeln reichenden Weste aus hellblauer Seide, die von Goldschnüren durchwirkt war und die komplizierte Muster über ihre Vorderseite, die Schultern und den Rücken beschrieben. In seinem linken Ohr glitzerte ein Perlenohrring und um den Kopf hatte er einen blauen Turban geschlungen, der mit einer Diamantenspange verziert war, an deren Spitze eine weiße Feder prangte. Unter dem herrlichen blauen Überwurf konnte man das weiße Untergewand erkennen, ebenfalls aus Seide von bester Qualität. Die weite Hose endete in kniehohen dunklen Stiefeln aus geschmeidigem Leder und an jeweils zwei Fingern seiner Hände leuchteten goldene Ringe mit geschliffenen Steinen darauf. Bei dreien von ihnen handelte es sich um Saphire, der letzte war ein Türkis. Joey verkniff es sich, vor Staunen die Luft anzuhalten. Aber er konnte nicht leugnen, dass der Fürst alle möglichen Register gezogen hatte, um seine männliche Schönheit in Szene zu setzen. Von ihm ging eine starke, hoheitsvolle Aura aus, die Würde echter Majestät strömte durch ihn hindurch und teilte sich jedem mit, der ihn ansah. Seto ab-del Kaiba sass auf einem Schimmel von makellosem Äußeren und seine Haltung war harmonisch und ausgeglichen bis in die Fingerspitzen. Da die Sänfte mit dem Briten gerade an ihm vorbeikam, neigte er sich ein wenig hinunter und suchte nach den tiefen braunen Augen, die ihn gleichwohl erzürnten wie faszinierten. "Ah, Joseph! Da bist du also. Ich hoffe doch, dieser Ausflug zum Basar findet zu deiner Zufriedenheit statt. Wenn du meinen Schmuck nicht annehmen willst, so wähle ihn dir selbst. Obwohl ich von deiner neuerlichen Zurückweisung gewiss nicht entzückt war, wie ich dir versichere. Dennoch....mit Honig lockt man die Fliegen, nicht wahr? Auch du wirst mir eines Tages ins Netz gehen!" "Seid nur nicht so von Euch überzeugt, Euer Gnaden." erwiderte der Blonde mit verdächtiger Sanftmut. "Es wird lange - sehr lange - dauern ehe ich mich dazu entschließen kann, Euch zu erhören." "Sprich nicht in diesem gönnerhaften Ton mit mir! Ich habe dir unlängst erklärt, dass es dir nicht zusteht, meine Gewalt über dich in Zweifel zu ziehen! Du wurdest für mich zur Lust gekauft, das solltest du nicht vergessen!" "Wie Ihr meint. Aber Ihr müsst mir erlauben, in Bettangelegenheiten als Mann zu urteilen und nicht als Euer Untertan! Und was meinen Geschmack anbelangt, so habt Ihr sämtliche Regeln des Liebeswerbens rücksichtslos über den Haufen geworfen! Man sollte Euch erst einmal die wichtigsten Grundtugenden der Höflichkeit lehren, bevor man Euch den Umgang mit Männern wie uns gestattet!" "Du erdreistest dich, mich öffentlich zu beleidigen?! Weise mich nicht schulmeisterlich zurecht wie einen ungehörigen Schüler!" "Wie sonst? Auf dem Gebiet der Liebe seid Ihr meiner Meinung nach nicht mehr als ein Schüler! Oh, man hat mir berichtet, Ihr verstündet Euch auf jene Talente, die man benötigt, um das Begehren eines Mannes zu entfachen und zu stillen, aber was mich betrifft, so habt Ihr mir bisher nur Verachtung für Eure Person eingeflößt! Seit gestern weiß ich zwar, dass Ihr ein Herz habt, aber ganz offensichtlich zieht Ihr es vor, selbiges unter Verschluss zu halten, aus was für Gründen auch immer! Ich begrüße diese Einstellung nicht, aber ich habe ja kein Recht, Euch in dieser Hinsicht irgendwelche Ratschläge zu erteilen! Falls Ihr mir noch etwas zu sagen habt, dann tut es, anderenfalls lasst die Sänfte passieren, die Prozession ist schon unterwegs zum Basar!" Er wandte demonstrativ das Gesicht ab, um zu zeigen, dass das Gespräch von seiner Seite aus beendet war und der Sultan machte widerstrebend Platz. Obwohl die edlen Züge des Briten unter dunkelblauem Stoff verborgen waren, waren seine Augen so stolz und ausdrucksstark gewesen wie eh und je. Ihr temperamentvolles Glühen, genährt von einem inneren Feuer, ließ den Fürsten die Verlockungen einer köstlichen Erregung spüren, wie er sie nie zuvor empfunden hatte. Oh Allah, was musste es für ein berauschendes Gefühl sein, diesen wilden Tiger zu zähmen! Er trieb sein Pferd zu einem gestreckten Galopp an, um an die Spitze des Zuges zu gelangen und postierte sich vor Odeon, der rasch ein respektvolles Nicken zustandebrachte. >>Du wirst mir nicht entfliehen können, schöner Joseph! Eines Tages wirst du mir gehören - und wenn ich mich dafür demütigen lassen müsste, nur um deine Liebe zu gewinnen! Bei allem, was mir heilig ist....ich würde es tun!<< Kapitel 5: Der Basar (Teil 2) ----------------------------- So, da bin ich wieder! Vielen Dank für die Kommis! Und ein ganz dickes DANKESCHÖN an san79, die mir eine Empfehlung geschrieben hat! *knuddel* *Schokolade schenk* Hier ist also der neue Teil! Viel Spaß!^^ Fünftes Kapitel: Der Basar (Teil 2) Eine heiße Mittagssonne war dabei, den Zenit dieses Tages zu erklimmen, während der Haremszug des Sultans durch die engen Gassen des Basars kroch. Die Umgebung war erfüllt von den unterschiedlichsten Gerüchen nach Früchten und Gewürzen; Schmuck in allen Variationen und mit den kostbarsten Steinen wurde angeboten; die Händler schrieen sich die Kehlen heiser, während sie elegante Stoffe, Wasserpfeifen oder arabische Süßigkeiten feilhielten. Joey schob den Vorhang der Sänfte zur Seite, um hinaussehen zu können, und das bunte Gewimmel gefiel ihm. Seine Augen flirrten zum Himmel hinauf, der sich heute in seinem herrlichsten Blau präsentierte und seufzte. Seine geliebten britischen Inseln waren so weit entfernt....und er war jetzt das Eigentum eines Mannes, der nichts anderes als grausam sein konnte. Nein, nicht nur grausam. Der Kuss hatte bewiesen, dass der Sultan ein romantisches Herz besass....und jemand, der fähig war, seine Stimme zu solchen musikalischen Meisterleistungen anzutreiben, dessen Gesang die Seele berührte und dessen Lippen so köstlich und betörend sein konnten, musste menschliche Empfindungen hegen können. Er war als Sohn eines Sultans aufgewachsen; vermutlich kannte Seto ab-del Kaiba es nicht anders. Die Mitglieder des Harems hatten sich ihm unterzuordnen, sein Wille war Gesetz und wer widersprach, wurde ausgepeitscht oder sonst wie gefoltert. Ob er begriff, was wahre Liebe war? Wenn er nur etwas von Lust und Begierde, aber nichts von der emotionalen Bindung verstand, die zwischen zwei Individuen existieren konnte, war ihm der tatsächliche Kern der Liebe fremd. Wie mochte er seine ersten Erfahrungen gemacht haben in der Welt des Hofes, die leichtlebig, luxuriös und von verlogenen und verfälschten Gefühlen verdorben war? Neugier keimte in dem Blonden auf; der Wunsch, die Rätsel zu entschlüsseln, die Seto hinter seinen saphirblauen Augen verbarg. >>Was könnte er durchgemacht haben? Warum ist er der Mann, der er heute ist? Was hat ihn geprägt, geformt, verändert? Niemand ist von Geburt an grausam oder hartherzig. Ich frage mich, wie seine Vergangenheit aussehen mag. Aber höchstwahrscheinlich spricht er nicht gern darüber. Immer gibt er sich unerschütterlich und unnahbar....dass ich seine Selbstbeherrschung und insbesondere sein Ego angekratzt habe, ärgert ihn natürlich. Dennoch scheint er meiner noch nicht überdrüssig zu sein. Hm....<< „Worüber denkst du nach, Joey?" unterbrach Raphael seine Überlegungen und auch Dartz, Marko und Shadi musterten ihn fragend. Der Blonde wich in ein Lächeln aus, das seine Kameraden aufgrund des Gesichtsschleiers allerdings nicht sehen konnten. „Ich....ich habe über den Sultan nachgedacht. Wie er so geworden sein könnte, wie er jetzt ist....ob er das Gefühl der wahren Liebe kennt....ob er viel erdulden musste...." Man lauschte ihm überrascht. Schließlich meinte Shadi: „Du bist zweifellos der erste, der über die menschliche Natur Seiner Majestät nachgrübelt. Es stimmt, er wäre es wert, dass man sich Gedanken über ihn macht. Wie lange willst du ihn eigentlich noch hinhalten?" „Hinhalten?" „Er spricht davon, wie lange du dich dem Fürsten noch verweigern willst!" erklärte Marko, der dafür bekannt war, sich höchst selten der gedrechselten Ausdrucksweise des Hofes zu bedienen, sondern statt dessen alles direkt zu benennen. Der Brite stieß einen genervten Seufzer aus. „Habt ihr kein anderes Thema?! So lange, wie es nötig ist! Ich muss eine positivere Meinung von ihm gewinnen, ehe ich mich ihm hingebe!" „Und wann wirst du dir diese positivere Meinung aneignen?" erkundigte sich der Türkishaarige freundlich, obwohl er ahnte, dass die Antwort nicht anders ausfallen würde, als diejenigen davor. Er behielt recht. „Sobald ich den Sultan als vertrauenswürdig betrachte! Was nie passieren wird!" fügte er hinzu. Seine Freunde wechselten bedeutungsvolle Blicke. Sie teilten die Ansicht verschiedener weiterer Haremsmitglieder, dass Joseph des Titels eines „Sultan-baschi" würdig war - allerdings würde er sich Seto ab-del Kaiba irgendwann fügen müssen, sofern ihm an seinem eigenen Leben etwas lag, das war eine Tatsache. Der 22jährige war sich dessen bewusst, obgleich er so tat, als beschäftige es ihn nicht. Er hegte gewiss nicht den Wunsch, Sultan-baschi zu werden, das männliche Pendant zur Hauptfrau, und in Marokko leben wollte er auch nicht. Er sehnte sich nach seiner Heimat, erinnerte sich wehmütig an die langen Ausritte durch die Insellandschaft, das bunte Treiben in den Gassen von London, die frische Brise, die vom Meer herüber wehte....Er hob den Kopf. Sein Entschluss stand fest. Flink wie ein Wiesel sprang er aus der Sänfte, unter den Beinen der verdutzten Wachen hindurch und verschwand in den dicht gedrängten Straßen. Dartz und die anderen starren fassungslos und erschrocken hinterdrein, der Eunuch erholte sich von seiner Verblüffung und schlug Alarm. Der gesamte Haremszug wurde gestoppt und der Sultan und Farradji galoppierten zu dem wild gestikulierenden Soldaten. „Was ist passiert? Rede schon, du Nichtsnutz!" „Euer Gnaden...." Der Mann warf sich auf den Boden und brachte angestrengt hervor: „Der junge Brite ist aus der Sänfte geschlüpft und davongelaufen!" „WAS SAGST DU DA?!?!" „Ich konnte ihn nicht aufhalten! Es kam völlig überraschend für mich, ich schwöre es!" Ab-del Kaibas Augen verengten sich zu bedrohlichen Schlitzen kalten Feuers und seine Züge verhärteten sich. „Mit dir rechne ich später ab, du wertloses Stück! Odeon, schick eine Eskorte aus und führe sie an! Du suchst in nördlicher Richtung, den Rest übernehme ich!" „Glaubt Ihr denn, Ihr könnt ihn alleine finden?" „Verlass dich darauf: Ich WERDE ihn finden!" Der Herrscher von Marokko gab seinem Schimmel die Sporen und tauchte in die Menge ein, nur von einem einzigen Wunsch beseelt: Joseph aufzuspüren und ihn in den Harem zurückzubringen. Sein Herz raste gegen seinen Brustkorb und er konnte selbst nicht genau erklären, weshalb er so nervös war. Hatte er Angst? Machte er sich Sorgen um diesen Wicht, der wahrhaftig die Dreistigkeit besass, zu fliehen? >>Sei verdammt, Unbezähmbarer! Ich werde nicht zulassen, dass du dich meinem Zugriff entziehst! Du gehörst mir, auch wenn du dich dagegen wehrst! Diesmal werde ich dir deinen Ungehorsam nicht verzeihen!<< Joey eilte indessen leichtfüßig durch die Menschenmassen. Sein Gewand verbarg ihn vor neugierigen Blicken, und er war zum ersten Mal dankbar dafür, dass er seine Erscheinung verhüllen musste. Er schlenderte umher, besah sich die unzähligen Waren und entdeckte schließlich ein schönes Paar goldener Ohrringe. Am Ohrläppchen befestigt, hingen sie vermutlich bis zu den Schultern. Sie waren fein gearbeitet und mit flammenähnlichen Gravuren verziert. Auf den Flammenspitzen prangten tropfenförmige Rubine, die im Sonnenlicht feurig glänzten....ein wirklich prachtvolles Geschmeide. Ob er sich das leisten konnte? Jeder der Haremsherren hatte einen Beutel mit Goldstücken bekommen, sozusagen als „Taschengeld", wie Dartz ihm erklärt hatte, um sich auf dem Basar etwas kaufen zu können. Der Händler, der eine günstige Gelegenheit witterte, wandte sich dem eventuellen Kunden freundlich zu. „Was wünsch Ihr, junger Mann?" „Wie viel kosten diese Ohrringe?" „Fünfhundert Piaster." „Oh....das ist dann leider etwas zu teuer für mich, bedaure! Obwohl es schade ist...." „Wie viel könnt Ihr bezahlen, Herr? Wir können feilschen!" „Das....das geht leider nicht!" Dem Briten war schlagartig bewusst geworden, dass er gar keine Zeit für irgendwelche Betrachtungen der Umgebung hatte, er musste einen Weg finden, den Hafen zu erreichen und ein Schiff zu erwischen, das Richtung Europa segelte. Er entschwand mit einer entschuldigenden Verbeugung und lief weiter. Nachträglich wurde ihm die Sinnlosigkeit seiner Unternehmung klar: Er kannte sich in der Stadt nicht aus, und wenn er sich durchfragte, würde das zu viel Aufmerksamkeit erregen. Resigniert hockte er sich neben einen Obststand in den Sand und schob sich die Haube samt Gesichtsschleier vom Kopf. Eine Flucht musste man gründlich planen und vorbereiten, doch sein Temperament verleitete ihn immer wieder zu unpraktischen Reaktionen. Aber wenn er erst wieder hinter den unüberwindlichen Mauern des Serail verschwunden war, starben all seine Hoffnungen. Was blieb ihm? Sich fügen? Niemals!! Er war so versunken in seine Gedanken, dass er nicht bemerkte, wie ihn ein Beduine unauffällig aus den Augenwinkeln heraus betrachtete. Er hielt sich in Joeys Nähe auf und tat so, als begutachte er die Früchte, tatsächlich aber ruhten seine dunklen Augen auf dem Blonden. Goldenes Haar und makellose Züge....solche Schönheit konnte nur einem gehören! Das musste ein Mann aus dem Harem sein! Inzwischen hatte der Sultan den Schmuckhändler erreicht, von einem seltsamen Gefühl geleitet, das ihn beinahe davon überzeugte, sein widerspenstiger neuer Besitz müsse hier entlanggekommen sein. Er verfügte über einen scharfen Verstand und einen ausgezeichneten Instinkt, der ihm bei seiner Suche eine unentbehrliche Hilfe gewesen war. Der Kaufmann erzählte dem König bereitwillig alles, was sich in den letzten Minuten zugetragen hatte und als er erwähnte, der Unbekannte habe sich sehr für das Paar Rubinohrringe interessiert, warf Ab-del Kaiba ohne langes Zögern einen Beutel Piaster in die Hände des verdutzten Händlers, ließ sich seinen Erwerb einpacken und galoppierte weiter. Das Pferd stob mit bebenden Nüstern an den Menschen vorbei, die sich über die Hast ihres Gebieters wunderten und ihm verwirrt hinterher starrten. Plötzlich zerrte er abrupt an den Zügeln und der Schimmel bäumte sich erst auf, ehe er anhielt. Joseph stand dort, wenige Meter vor ihm - und irgendein widerlicher, geistloser Wurm wagte es, ihn zu bedrängen....ihn zu berühren....!! Maßlose Wut explodierte in seinem Inneren, seine sonst so eisige und unerschütterliche Selbstbeherrschung wurde unter einer Woge reinen Zorns begraben. „Nimm deine Hände von mir, du Bastard!!!" zischte der Brite und wand sich in einem stählernen Griff. Verzweifelt bemühte er sich, an den Dolch zu gelangen, den der Beduine an der Hüfte trug, da er selbst ja unbewaffnet war. Mechanisch stieg Seto aus dem Sattel und kam mit langsamen Schritten näher. Er konnte beobachten, wie in den braunen Augen des Jüngeren erbarmungslose Flammen aufloderten. >>Wenn er den Dolch in die Finger bekommt, wird er ihn töten - ohne mit der Wimper zu zucken!<< durchfuhr es den Fürsten in einer unerwartet schockierten Erkenntnis. Warum auch nicht? Wenn er es konnte....Was war Joseph von Beruf gewesen, bevor er in die Hände des Sklavenhändlers Pietro gefallen war? „Lass ihn los." befahl er, und obwohl der Zorn sein edles Antlitz in eine bedrohliche Maske verwandelte, gab es in seiner ganzen Haltung und Art keinen Zweifel daran, dass dies ein echter König war. Der Beduine drehte sich um, ließ aber nicht von seiner schönen Beute ab. „Du weißt, dass es dich den Kopf kostet, einen meiner Männer anzufassen!" stieß der Brünette hervor und fügte hinzu: „Lass ihn frei. Dann verspreche ich dir einen schnellen und schmerzfreien Tod." (Wie nett....*schluck*) Pferdewiehern erklang. Odeon und ein Teil des Suchtrupps, den er gebildet hatte, waren dem Sultan gefolgt. Die Loyalität des Oberaufsehers gebot ihm, in schwierigen Momenten an der Seite seines Gebieters zu sein, weshalb er den anderen Teil der Eskorte alleine in nördliche Richtung geschickt hatte, während er selbst und ein paar Berittene dem Monarchen nachgeeilt waren. Er neigte das Haupt und erkundigte sich: „Sollen wir den Verbrecher festnehmen und heute noch hinrichten, Euer Gnaden?" „Ich habe einen besseren Vorschlag!" erwiderte der Beduine mit einem abscheulichen, fast zahnlosen Grinsen (sein Gebiss war eine Scheußlichkeit), zog seinen Dolch und hielt die kalte Klinge an die berückende Kehle des 22jährigen. Ab-del Kaiba versteinerte und spürte, wie ohnmächtige Wut sich in ihm aufstaute. „Ihr zahlt mich aus! Da Ihr den Basar mit Eurer Anwesenheit beehrt, habt Ihr sicherlich auch ein wenig Kleingeld dabei! Ich will es haben! Bezahlt mich aus, und Euer Gespiele muss nicht sterben! Wie viel habt Ihr bei Euch?" „Fünfhundert Piaster von Tausend. Die andere Hälfte habe ich bereits ausgegeben. Aber ich weigere mich, mich auf einen Handel mit einem nichtswürdigen Dreckkriecher wie dir einzulassen! Töte ihn, wenn du unbedingt willst! Denkst du etwa, auf einen mehr oder weniger käme es wirklich an?" Joey sog scharf die Luft ein vor Empörung. War das sein Ernst oder wollte er den Mistkerl nur verwirren? Aber dass er die Stirn hatte, so gefühllos von ihm zu sprechen, als wäre er ein Ding, das man benutzen und danach wegwerfen konnte, war das letzte! Der Beduine hatte offensichtlich auch eine weniger abwertende Antwort erwartet, denn sein Griff lockerte sich unwillkürlich aus Erstaunen. Der Brite reagierte blitzschnell. Er trat seinem unliebsamen Begleiter auf den Fuß, donnerte ihm die Faust gegen die Nase und den Ellbogen in den Magen, sodass der Beduine stöhnend zu Boden ging. Auf einen Wink von Odeon umkreisten ihn die Wachen und fesselten ihn. Der Fürst schnippte einmal mit den Fingern, und der Unruhestifter wurde brüllend abgeführt. „Richtet ihn in den frühen Abendstunden hin....und lasst ihn vorher auspeitschen! Hundert Hiebe!" „Sehr wohl, Euer Majestät." Er wandte sich an Joseph, der ihn mit einem trotzigen Ausdruck musterte. „Was hast du dir dabei gedacht, einfach davonzulaufen? Ist dir nicht klar, welche Konsequenzen das nach sich ziehen wird?" „Ihr werdet mich erneut auspeitschen lassen, nicht wahr? Wie langweilig! Vielleicht fällt Euch ja auch einmal eine amüsantere Foltermethode ein?" „Du bist nicht in der Situation, um frech zu werden! Hat dir deine letzte Züchtigung nicht genügt? Willst du weiter gedemütigt werden bis aufs Blut?!" „Nein. Aber ich werde die Folgen meines Handelns tragen, wenn es sein muss. Ich bin nicht Euer Spielzeug und verzichte lieber auf Eure zweifelhafte Gunst, als von Euch wie ein Gegenstand benutzt zu werden!" Der Brünette holte aus und verpasste dem Blondschopf eine derbe Ohrfeige, von der ein rötlicher Streifen auf der Wange des jungen Mannes zurückblieb. „Wage es nie wieder, so respektlos mit mir zu reden, hast du verstanden?!" „Ich rede, wie ich will! Ihr könnt mir mein altes Leben wegnehmen, aber nicht meinen Willen oder meine Stimme! Ich werde mich Euch nicht unterwerfen!" Ab-del Kaiba packte ihn am Handgelenk und funkelte ihn mit seinen saphirblauen Augen erbost an. „Auf die Knie mit dir, sofort!!" „Niemals!!!" Mit seiner freien Hand zielte er einen heftigen Schlag auf die aristokratische Wange ab und traf genau. Der Fürst ließ ihn los, zornbebend und fassungslos. Joey erwiderte seinen niederschmetternden, harten Blick, ohne sich in irgendeiner Weise beeindruckt zu zeigen. Schließlich straffte er die Schultern und sagte: „Odeon, bringt mich bitte zum Haremszug zurück. Meine Kameraden werden sich schon sorgen." „Wie du wünschst." meinte der Oberaufseher mit einem rätselhaften Lächeln, stieg vom Pferd und überließ seinen Rappen in einer huldvollen Geste dem Briten, der sich elegant und geschmeidig in den Sattel schwang. Während er das Tier am Zügel führte, erklärte Farradji schmunzelnd: „Weißt du, Schönster, als dieser kriminelle Bursche sein Messer an deinen hübschen Hals legte und für einen kurzen Moment die Furcht in deinem Gesicht deutlich zu erkennen war....da ist etwas Außergewöhnliches geschehen. Bei meiner Ehre, Goldjaspis - zum ersten Mal in meinem Leben habe ich den Sultan leichenblass werden sehen!" Der Abend senkte sich auf die vergoldeten Türme des Palastes. Joey lauschte von seinem Fenster aus den Schmerzesschreien des Mannes, der ihn bedroht hatte. Er bedauerte ihn nicht, hätte aber einen raschen Tod vorgezogen, ohne vorhergehende Qualen. Seit er Seto ab-del Kaiba verlassen hatte, war nichts Nennenswertes passiert. Die Haremsmänner waren in den Serail zurückgekehrt und Marko, Raphael und die anderen hatten viel Aufhebens von seiner Flucht gemacht und suchten ihn zu trösten und von seinem Erlebnis mit dem Verbrecher abzulenken. Sie waren sehr nett zu ihm und zwangen ihn nicht, sich des allgemeinen abendlichen Bades anzuschließen, da er allein sein wollte. Natürlich lieferte seine Abwesenheit im Saal mit den Wasserbecken, dessen Wände und Boden mit Mosaiken aus blauen Steinen ausgelegt waren, eine Möglichkeit, sich offen über ihn zu unterhalten. „Es ist unglaublich, findet ihr nicht? Dass er überhaupt den Mut hatte, sich in das Getümmel zu stürzen, wo man doch nicht weiß, was dort für Kerle herumlaufen!" erklärte Marko aufgeregt und ließ sich, nackt wie er war, in das heiße Wasser fallen, das seine Muskeln lockerte. Shadi tauchte aus den Fluten auf, streckte sich ein wenig und setzte sich neben ihn auf die unter der Wasseroberfläche befindlichen Bänke. „Du sprichst die Wahrheit, mein Freund. Selbstverständlich war seine Tat unüberlegt, aber sie verrät Entschlussfähigkeit und die Gabe, eine günstige Situation nicht einfach nur zu erkennen, sondern auch zu nutzen. Habt ihr übrigens gehört, dass Joey Seine Majestät geschlagen hat?" „Was?! Wirklich?" „Wann? Und wieso?" Raphael und Dartz drängten heran und lauschten Shadis Bericht von dem, was er aufgeschnappt hatte, als Odeon den Blonden im Bronze-Rang abgeliefert und ihn wegen seines Benehmens milde getadelt hatte: „Du hast eine flotte Hand, Goldjaspis! Gib nur acht, dass sie dir nicht zu oft ausrutscht!" „Eine Ohrfeige also? Das ist kolossal!" kicherte der Italiener vor Vergnügen und schnalzte mit der Zunge. „Unser Blondschopf ist ein schweres Kaliber! Ob der Fürst damit fertig werden kann? Was meint ihr?" „Unklar. Momentan beißt er jedenfalls auf Granit", grinste Dartz und warf sein wallendes türkisblaues Haar zurück. „Wenn die beiden aneinander geraten sind, ist es verwunderlich, warum er Joey nicht längst zu sich gerufen hat, um ihn zurechtzuweisen. Weshalb wartet er?" „Vielleicht muss er sich erst einmal von dieser Unverschämtheit erholen, hm?" sagte der Spanier mit einem Zwinkern und die Freunde brachen in Gelächter aus. Auch bei anderen Gruppen innerhalb des Dritten Ranges war der Brite das Gesprächsthema Nummer 1 - wieder einmal. Und wieder einmal waren sie sich einig: Joseph wäre würdig, Sultan-baschi zu sein.... Mittlerweile hatte der Fürst doch nach dem 22jährigen schicken lassen, und Joey, angetan mit dem schwarzen Hüftrock, der bronzefarbenen Schärpe und dem langen dunkelblauen Haremsmantel, betrat missmutig das Audienzzimmer des Königs. Odeon Farradji hatte sein seltsames Lächeln beibehalten, aber der Jüngere konnte es nicht entschlüsseln. Er war ohnehin überrascht, dass der Oberaufseher ihn nicht ausgeschimpft, sondern sich mehr mit einem Anflug von Humor zu seiner „flotten Hand" geäußert hatte. Er verbeugte sich leicht, während Ab-del Kaiba auf und ab marschierte und ihn letztendlich unheilvoll fixierte. „Lass uns allein!" befahl er und Odeon verschwand durch eine Geheimtür. „....Wie lange bist du nun schon Mitglied dieses Serails, Joseph?" „Seit zwei Wochen und zwei Tagen, den heutigen mitgerechnet." „Und noch immer willst du dich mir verweigern?" „Ja - und wenn es Monate werden sollten!" „Ich bin sehr unzufrieden mit dir. Du warst erneut ungehorsam, respektlos und hast dir angemaßt, die Hand gegen mich zu erheben!" „Eine ordentliche Ohrfeige hat noch keinem geschadet." „Ich schließe daraus, dass meine Ohrfeige ebenfalls richtig war?" „Nein! Ich war im Recht, nicht Ihr!" „Was ich sage, gilt hier als Recht. Du stehst auf verlorenem Posten." „Das heißt wohl, selbst wenn Ihr Unsinn redet, ist es trotzdem korrekt und muss akzeptiert werden! Wie lachhaft!" „Überspann den Bogen nicht, Engländer! Ich habe dir schon zu viel durchgehen lassen, das muss ein Ende haben!" „Warum verkauft Ihr mich dann nicht oder foltert mich gleich zu Tode?!" Joey spie diese Worte förmlich aus und ballte die Fäuste. Der Zorn zauberte die leidenschaftlichen Flammen in seine Augen zurück und übertrug auf seinen anmutigen Körper die Anspannung einer Raubkatze, die im Begriff ist, zu einem Spurt auf ihre Beute anzusetzen. Seine kraftvollen Muskeln bewegten sich, erhitzter Atem perlte über seine feuchten, sinnlichen Lippen. Männliche Schönheit in ihrer absoluten Vollendung. Seto erschauerte, trat auf den Blonden zu und packte ihn an den Oberarmen. „Du verdientest Prügel, fürwahr!! Starrsinnig, stolz, unverschämt, temperamentvoll, angriffslustig, unbezähmbar, das bist du! Und dabei das Gesicht eines Engels, goldenes Haar wie aus Seide, Augen, in deren unergründlichem Brennen man verglühen könnte, Lippen, bei deren Anblick man nichts sonst verspürt, als den unwiderstehlichen Drang, sie innig zu küssen!! Aber du verweigerst dich mir....weist mich ab....widersetzt dich mir....beleidigst mich.... missachtest meine Autorität....fertigst mich ab wie einen unbedarften Schuljungen....und doch vermag ich dich nicht zu hassen! Was ist das für ein Gift, das du mir eingeflößt hast?" Joey war unfähig, sich zu rühren. Der heiße Atem des Sultans glitt wie Wüstenwind über ihn hinweg, der Griff der weichen, feingliedrigen Hände und der sündige Mund, der über ihm schwebte, die unmittelbare Nähe des starken, männlichen Körpers und die tiefe, vor Leidenschaft vibrierende Tonlage dieser wundervollen Stimme, deren betörender Gesang ihn schon einmal gebannt hatte, erregten ihn ungemein. Der Monarch schob ihn sanft gegen eine Säule und presste sich fest an ihn. Dem Briten entwich ein lustvolles Keuchen und als sein Kinn angehoben wurde, vermochte er keinen Widerstand zu leisten. Volle, köstliche Lippen verschmolzen mit den seinen, sprengten seine zusammengebissenen Zähne und eroberten seine Mundhöhle. Er ließ sich darauf ein, genoss den Zungenkampf, den sie in all seiner Intensität ausfochten. Wellen des Verlangens durchfluteten beide, als sie sich voneinander lösten. „Wie kann das sein...." murmelte der Jüngere und legte eine Hand über sein wild pochendes Herz. „Wie kann es nur sein....dass Ihr grausam seid....obwohl Eure Küsse so viel Zärtlichkeit in sich bergen? Es will mir scheinen, als existierten zwei Seelen in Eurer Brust. Die eine ist die des tyrannischen Herrschers, des Foltermeisters, die andere die des romantischen Sängers, dessen Lieder einen im Inneren bewegen. Und doch fürchte ich beide." „Warum, mein Schöner?" hauchte der Sultan leise, der die Atmosphäre des Augenblicks nicht zerstören wollte. Er entfernte sich von Joey, um ihn betrachten zu können. „Weil ich mich in den Sänger verlieben könnte." „Und der Tyrann hindert dich daran?" „Er hindert mich daran, weil ich mir angesichts dieser Seite an Euch nur eine einzige Frage zu stellen vermag...." „Welche?" „Wisst Ihr überhaupt, was das ist....Liebe?" Kapitel 6: Im Frauentrakt ------------------------- *schnüff* Danke für die Kommis, Ihr Lieben!^^ Hier ist also der sechste Teil der Geschichte! Diesmal lernt Ihr Setos Mutter kennen, mhm! Hoffentlich ist sie Euch sympathisch, sie ist ja mein selbsterfundener Chara.... Sechstes Kapitel: Im Frauentrakt „Wisst Ihr überhaupt, was das ist....Liebe?" Der Sultan hielt inne, irritiert und verwundert. „Warum glaubst du, dass ich es nicht weiß?" „Ihr seid zu hartherzig zu anderen. Es mag Sitte in Eurem Land sein, Ungehorsame mit der Peitsche zu züchtigen, aber das muss nicht immer richtig sein. Mit Gewalt schürt Ihr in einem starken Charakter nichts als Trotz....wie etwa bei mir. Habt Ihr denn nie....wenigstens einmal.... nur einen einzigen Mann geliebt?" „Weshalb sollte ich mich mit einem begnügen, wo mir mehr als hundert Männer gehören?" „Ich spreche nicht von Lustbarkeiten, sondern von ehrlichen Gefühlen. Zwischen einem Liebhaber und einem Geliebten besteht ein bedeutsamer Unterschied." „So!" entfuhr es dem Fürsten sarkastisch. Er war keineswegs überzeugt oder gar derselben Meinung und deshalb fragte er spöttisch: „Und was für ein ‚bedeutsamer‘ Unterschied ist das?" „Ein Liebhaber erfüllt Euren körperlichen Bedürfnisse. Ihr könnt ohne Probleme mehrere davon haben, weil Euer Herz an keinem von ihnen hängt." „Und du willst sagen, dass ein Geliebter keine körperlichen Bedürfnisse erfüllt?" „Nicht ausschließlich. Ein Geliebter ist Euch ebenbürtig. Er ist Euer Vertrauter, Euer Freund, Euer Berater. Einen Geliebten könnt Ihr nur einen haben, denn er ist allmächtig über Euer Herz. Ihr sucht seine Nähe, nicht einfach, um Euch mit ihm zu verlustieren, sondern um mit ihm zu plaudern, um tiefe Empfindungen auszutauschen, um seine Gegenwart zu genießen....Oh ja, es ist weitaus bedeutsamer, Geliebter anstatt nur Liebhaber zu sein." Seto ab-del Kaiba wich in ein Lächeln aus, ohne seine Bewunderung zu verhehlen. Wie seltsam war das! Er sass hier mit dem feurigen Briten und unterhielt sich mit ihm, obwohl sie wenige Minuten zuvor noch in erbittertem Streit gelegen waren. Der Stolz dieses Mannes und sein wildes, unbändiges Wesen faszinierten ihn, obgleich seine Sturheit und sein rebellischer Geist seinen Zorn entfachten, und schließlich kam noch die Glut eines heißen Begehrens hinzu, so stark und verzehrend, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Gewiss, Joseph war schön und klug, aber das allein reizte ihn nicht. Vielmehr sehnte er sich danach, das Herz dieses ungestümen Jünglings für sich zu erobern, denn dies schien ihm die größte Herausforderung seines bisherigen Lebens zu sein. Die Küsse, die er unlängst mit ihm geteilt hatte, bewiesen die Fähigkeit zur Hingabe, hatten ihm vereinzelte Funken dessen gezeigt, was Joseph an Leidenschaft und Ekstase zu schenken vermochte, wenn er zu nächtlichen Freuden bereit war. Joey seinerseits, war sich bestürzt darüber klar geworden, dass er den Sultan begehrte. Seine edle, elegante Gestalt, durchdrungen von Majestät und dem gefährlichen Zauber einer Raubkatze, die wissenden Hände und der wohlgeformte Mund, die warme, gesunde Haut und das Strahlen jener kühlen Saphire, die der Herrscher seine Augen nannte und hinter denen sich ein schwelendes Feuer verbarg; all das wühlte ihm das Blut auf. Er liebte die Stimme des Königs, da sie so vollkommen war und mit ihrem Gesang in berauschende Träume entführen konnte, hasste aber den Diktator, der je nach Laune über Leben oder Tod entschied. Er verurteilte seine Grausamkeit, sein herablassendes Gebaren, seinen Besitzanspruch und seine Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen anderer. Und doch schätzte er seinen Sinn für Romantik, seine bemerkenswerte Ruhe in bedrohlichen Situationen wie heute auf dem Basar, wo nichts als Wut in seinen Augen zu lesen gewesen war, seine ganze Haltung aber eiserne Beherrschtheit und Kraft ausgedrückt hatte; er mochte sein orientalisches Temperament, das seinem eigenen nicht unähnlich war und seinen wachen, scharfen Verstand. „Deinen Worten entnehme ich, dass du häufiger Geliebter als Liebhaber gewesen bist, nicht wahr? Welchen Beruf hast du ausgeübt oder welche Stellung hattest du inne, ehe du...." „....ehe ich aus meiner Heimat geraubt wurde? Ich war ein Edelmann bei Hofe, im Dienste des englischen Königs und Gesellschafter des heranwachsenden Prinzen, den ich lehrte, den Degen zu gebrauchen und treffsichere Pfeile zu schießen. Übrigens habt Ihr recht: Ich war öfter Geliebter als Liebhaber. Ich galt am Hof als anspruchsvoll und schwer zu erobern. Jemand, der auf eine lockere Liebschaft aus war, hätte sich kaum an mich herangewagt." Der Sultan blieb stumm und betrachtete den Jüngeren noch immer, verwirrt über die Intimität, die sich so plötzlich auf sie herabgesenkt hatte. Sie führten ein simples Gespräch, ohne sich anzugiften und mit einem Mal bestand eine Art respektabler Ton zwischen ihnen. Er wollte etwas sagen, um die Unterhaltung davor zu bewahren, ins Stocken zu geraten, da er um den Zauber fürchtete, der sie beide in diesem Moment gefangen hielt, als an die Tür des königlichen Gemachs geklopft wurde. „Herein!" Ein Page erschien und verneigte sich tief und ehrerbietig. „Ihre Majestät lässt anfragen, was Euer Gnaden mit dem Krieger zu tun gedenkt, der die Flucht des schönen Joseph nicht verhindern konnte." „Betrifft der Soldat Ihre Majestät in irgendeiner Weise?" „Er ist ein Mitglied Ihres Gefolges. Ihre Majestät lässt ausrichten, dass der ehrenwerte Odeon Farradji sich diesen Krieger ausgeliehen hat, um die Bewachung zu verstärken." „Ich verstehe. Teile Ihrer Majestät mit, dass ich beabsichtige, ihn mit sechzig Peitschenhieben zu bestrafen. Falls Ihre Majestät etwas dagegen einzuwenden hat, soll sie entscheiden, auf welche Art der Eunuch zu maßregeln ist!" „Sehr wohl." Damit verschwand der Page unter vielen Bücklingen und Joey bemerkte vorwurfsvoll: „Gerade war ich der Meinung, Ihr könntet doch wie ein Kavalier plaudern, und nun redet Ihr schon wieder von der Peitsche! Der Soldat hat sich nichts zuschulden kommen lassen, ich habe ihn überrascht. Es war ein spontaner Entschluss meinerseits, niemand konnte mein Vorhaben erraten. Er sollte nicht für meine Tat geradestehen müssen." „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er dich nicht aufgehalten hat. Er hat versagt und Versager müssen lernen, für ihre Unfähigkeit zu bezahlen." „Wenn ich das schon höre! Niemand ist perfekt und selbst den Mächtigen unterlaufen Irrtümer! Der einzige Unterschied ist, dass sie keinerlei Konsequenzen zu fürchten brauchen!" „Ich bin der Herrscher dieses Landes. Ich bin unfehlbar." „Das ich nicht lache! Ihr seid ein Mensch wie wir alle! Auch Ihr macht Fehler!" Eine Gotteslästerung hätte keine heftigere Reaktion auslösen können. Mit einem zornigen Aufschrei verpasste der Monarch dem Briten einen satten Kinnhaken, sodass dieser auf den Teppich stürzte und mit den Fingern nach seinem Mund tastete. Seine Lippe war aufgeplatzt und blutete. Scham, Wut und das unerträgliche Gefühl der Demütigung erfüllten Joey, aber das war es nicht allein. Ein kleiner schmerzhafter Stich der Enttäuschung marterte ihn; Enttäuschung darüber, dass die Annäherung, die zwischen ihnen begonnen hatte, wieder zunichte gemacht worden war - und diesmal durch seine eigene Schuld, weil er seine freche Zunge nicht hatte bezähmen können. Denn sosehr er sich auch dagegen sträubte, ganz tief in seinem Inneren musste er sich eingestehen, dass er sich nach der Akzeptanz des Fürsten sehnte. Hilfloser Zorn, bittere Schmach, der zaghafte Wunsch nach Vertrauen und leidenschaftliches Verlangen mischten sich in seinem Antlitz und seinem Herzen; er bedeckte die Verwundung mit dem Schlag seines Mantels, ohne dabei die Abscheu und die leise Verzweiflung in seinen Augen verbergen zu können. Seto ab-del Kaiba atmete schwer, doch je länger die schreckliche Stille zwischen ihnen andauerte, umso schneller verebbte seine wüste Unbeherrschtheit und ließ eine dumpfe, undefinierbare Beklemmung zurück. Innerhalb weniger Sekunden war ihm Joseph von neuem in die Ferne entrückt und bei diesem Gedanken zog sich etwas in seiner Brust schmerzlich zusammen. Der Blonde kniete immer noch am Boden und starrte ihn erbost an, obwohl sich eine Spur von Traurigkeit in das warme Haselnussbraun eingeschlichen zu haben schien. Zum ersten Mal wirkte der Brite verletzlich, bewahrte sich aber dennoch seine reizvolle Ausstrahlung, und der Sultan spürte das Bedürfnis in sich aufwallen, diesen Mann zu beschützen. „Ich....ver....verzeih...." murmelte er durcheinander. Was war bloß los mit ihm? Weshalb entschuldige er sich? Hatte Joseph nicht ihn und seine Königswürde beleidigt? Der Jüngere richtete sich auf, angesichts der geflüsterten Bitte um Vergebung nicht weniger verwirrt als sein Gegenüber. „Ihr....entschuldigt Euch....?" fragte er mit halb erstickter Stimme. So eigenartig es war, der Kinnhaken hatte ihm klar gemacht, dass es nicht Hass war, den er für den Fürsten empfand. Der Schlag selbst war zu verkraften, aber dass es gerade der Sultan gewesen war, der ihn geführt hatte, noch dazu nicht ganz ohne Grund, betrübte ihn viel mehr. >>Er zieht mich an und stößt mich zugleich ab....ich will ihn nicht sehen und erschauere doch jedesmal bei seinem Anblick. Ich verachte diese Stimme, die grausame Befehle ausspricht....und doch liebe ich seinen Gesang. Am liebsten würde ich ihm die eiskalten Augen auskratzen....oder in ihrem überirdischen Leuchten ertrinken. Ich möchte ihm den Hals umdrehen....oder....oder seinen nackten Körper berühren, mich an ihn pressen....Oh, ich werde noch verrückt! Gott, wenn du mich hören kannst, verhindere es, ich bitte dich! Verhindere, dass ich mich in ihn verliebe!!<< >>Was bezweckst du nur, oh Allah? Ich erniedrige mich so weit, mich zu entschuldigen! Das heißt, ich gestehe einen Fehler ein! Ich will das nicht! Ich verliere die Kontrolle in seiner Gegenwart! Er macht mich rasend....und doch....begehre ich ihn voller Inbrunst. Und nicht allein seinen geschmeidigen Körper....ich will sein Herz, seinen Geist....ich will ihn ganz, nicht nur ein bisschen von ihm, sondern alles! Was ist in mich gefahren?! Sollte ich ihn nicht verachten, ja, sogar hassen für seinen Ungehorsam, seine Dreistigkeit und seine Verweigerung? Ich sollte es....aber ich tue es nicht! Statt dessen wird er mir unentbehrlicher, je häufiger er sich mir widersetzt. Ich bewundere seinen stählernen Willen und seinen Stolz, doch zugleich sehne ich mich danach, ihn in meinen Armen schwach werden zu sehen. Ich will....seine Liebe....!<< Diese Erkenntnis traf den Sultan plötzlich und unvorbereitet und er wandte sich ab, aufgewühlt, verstört, unfähig, seinem Gefühlschaos die Stirn zu bieten. Bisher war er immer Herr über seine Emotionen gewesen, aber Joseph verleitete ihn zu Ausbrüchen, die untypisch für ihn waren. Er rief nach Odeon und der Haremsaufseher erschien eilfertig im Zimmer. „Bring ihn in den Bronze-Rang zurück und lass seine Wunde verarzten. Danach schick einen Pagen los und kündige Ihrer Majestät meinen Besuch an." „Wie Ihr wünscht. Komm mit, Goldjaspis." Der besagte Goldjaspis war mindestens genauso bestürzt über seine widerstreitenden Empfindungen wie der Monarch selbst, und so ließ er sich bereitwillig zu den anderen Männern zurückgeleiten. „Du machst den Fürsten regelrecht verrückt, Schönster. Allah hat wahrlich gut daran getan, an jenem Tag auf dem Sklavenmarkt mein Augenmerk auf dich zu lenken." „Ich weiß nicht....die Beziehung zwischen dem Sultan und mir ist sehr....widersprüchlich. Ich war zu direkt, wie üblich, und da hat er mir eine verpasst...." „Die Wunde wird verheilen, keine Sorge. Wir haben hervorragende Ärzte. Merkwürdig, dass er bei dir so unbeherrscht reagiert. Er bewahrt sonst immer seine Ruhe - vielleicht ist deine Unverfrorenheit daran schuld." „Ich habe ihm nur die Wahrheit ins Gesicht gesagt." „Ah, Goldjaspis, genau das war dein Fehler! Du solltest wissen, dass die wenigsten Männer, die regieren, sich gerne die Wahrheit ins Gesicht sagen lassen. Mir scheint, du hast ihn empfindlich getroffen! Was hast du ihm vorgeworfen?" „Vorgeworfen habe ich ihm eigentlich nichts. Nur habe ich ihm erklärt, dass auch ein König nicht vollkommen ist, sondern falsch liegen kann in seinen Entscheidungen, wie wir alle." „Du meinst, du hast seine Unfehlbarkeit in Zweifel gezogen? Das war höchst gewagt von dir! In Anbetracht dieser Tatsache erstaunt es mich, dass ich dich noch lebend neben mir sehe. Obwohl....nein, im Grunde erstaunt es mich nicht." „Ihr sprecht in Rätseln." „Wirklich? Nun, dann ist es an dir, meine rätselhaften Antworten zu entschlüsseln!" Damit schob Odeon den perplexen Briten in die Räumlichkeiten des Bronze-Ranges und ließ nach einem Heilkundigen schicken, der sich um Joeys Verletzung kümmern sollte. Während der Blondschopf sich von einem arabischen Gelehrten untersuchen ließ, winkte der Haremsaufseher einen Pagen heran und richtete ihm die Botschaft aus, die der Sultan ihm aufgetragen hatte. Geschwind sprang der Junge in seiner feinen Seidenlivree durch die unzähligen Korridore und endlosen Flure des Palastes, schlüpfte durch Türen und an Wachposten vorbei, bis er einen weiteren wichtigen Teil der gigantischen Anlage erreicht hatte, der in den Augen von Seto ab-del Kaiba ebenso bedeutsam war wie der Harem: Der Frauentrakt. Als Bediensteter wurde er ohne langes Federlesen von den vier hünenhaften Eunuchen eingelassen, die das Eingangstor flankierten. Trotz seiner sexuellen Vorliebe für das eigene Geschlecht erwartete man vom Sultan natürlich, dass er einen gesunden Erben in die Welt setzte und deshalb durfte sich Seine Majestät mit drei Ehefrauen und fünfzehn Konkubinen brüsten, wenn er schon keinen Harem mit weiblichen Mitgliedern vorzuweisen hatte. Im Frauentrakt befanden sich außerdem die Gemächer seiner Mutter, Sultanin-baschi seines verstorbenen Vaters, Leila-Satis mit vollem Namen. Sie wählte die Frauen für ihren Sohn aus und überwachte jede der Damen mit bemerkenswerter Präzision. Aufgrund ihres Status‘ besass sie den höchsten Rang innerhalb der Hierarchie und nur die Erste Gemahlin hatte das Recht, ihr zu widersprechen und sich auf halbwegs ebenbürtiger Stufe mit ihr zu unterhalten. „Euer Majestät...." begann der Page und verneigte sich tief, als er zum Gartenbereich gelangt war, wo sich Leila mit den drei Ehefrauen um einen beeindruckenden Springbrunnen aus Marmor versammelt hatte, dessen Wasserstrahlen aus den langen weißen Hälsen von vier Schwanskulpturen hervorsprudelten. Man hatte es sich draußen gemütlich gemacht, um zu speisen, denn der Abend war angenehm lau, die Luft mild und der Himmel erstrahlte im Glanz eines sternenübersäten Gewands. In einiger Entfernung zu den Höhergestellten sassen die Konkubinen beisammen, tauschten Gerüchte und den neuesten Klatsch aus, tranken Wein und erzählten sich komische oder auch ein wenig anstößige kleine Geschichtchen. „Was gibt es, Knabe?" ließ die Sultanin-baschi ihre volltönende, samtweiche Stimme hören und der Junge trat zu ihr vor den Diwan, wo er sich erneut so weit hinunter beugte, wie es ihm möglich war. „Odeon Farradji schickt mich im Auftrag des Sultans. Seine Gnaden läßt Euch ausrichten, dass er Euch heute noch mit seinem Besuch beehren wird." Eine der makellos geschwungenen Brauen über den saphirblauen Augen hob sich in einer Andeutung von Erstaunen, doch Leila kannte ihren Sohn gut genug, um sich über ein derartig plötzlich angekündigtes Erscheinen nicht weiter zu wundern. So nickte sie nur leicht und der Page entschwand. „Welchen Grund mag er haben, Euch zu dieser Stunde noch aufsuchen zu wollen? Es wird doch nichts mit Eurem Soldaten zu tun haben, den er mit sechzig Peitschenhieben zu bestrafen beabsichtigt?" „Das wäre zwar nicht unplausibel, aber wegen einem einfachen Krieger wird er sich kaum die Mühe machen, eine gesonderte Unterredung mit mir zu führen. Ich werde ihm diese Sache mit der Züchtigung ohnehin nicht gestatten! In dieser Hinsicht ist er wie sein Vater - sobald etwas nicht nach seinem Kopf geht oder jemand sich einen lächerlichen Fehler erlaubt, wird mit der Peitsche geschwungen. Ein anderer Anlass muss ihn hertreiben....hm. Ich vermute, es handelt sich um diesen Joseph. Nein, ich hoffe es sogar! Es wird Zeit, dass Seto sich daran erinnert, dass mir dieser Mann vorgestellt werden sollte. Der ganze Harem scheint kein aufregenderes Gesprächsthema mehr zu kennen, selbst meine Zofen tuscheln schon darüber. Mein Sohn hat offensichtlich nicht wenige Probleme mit ihm....Ich bin nicht übertrieben neugierig, Ishizu, aber langsam entwickele ich Interesse an diesem....wie nennt ihn Odeon doch gleich?" „Goldjaspis." „Richtig. Ich will mir nicht anmaßen, mich als besonders weise zu bezeichnen, aber ich glaube zu ahnen, weshalb ihn der junge Brite so durcheinander bringt." Sie schmunzelte vieldeutig in Richtung Ishizu. Die junge Frau erwiderte das Lächeln und nahm einen genüsslichen Schluck aus ihrem Weinkelch. Sie war von durchschnittlicher Größe, aber so wohlproportioniert, dass sie groß wirkte. Auch ihre Augen schimmerten in unergründlichem Blau, und das aristokratisch anmutende Antlitz wurde von einer Flut langen schwarzen Haares eingerahmt. Der Goldschmuck kam auf ihrer lieblichen braunen Haut überaus reizvoll zur Geltung und das weiße Kleid, das sie trug, schmeichelte ihren weiblichen Formen sehr. Sie war die ältere Schwester des Favoriten Marik - und die Erste Gemahlin von Seto ab-del Kaiba. „Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich ebenfalls kurz mit ihm spräche, Euer Hoheit? Ich möchte ihm ein wenig....auf den Zahn fühlen." Die Königinmutter lachte und erhob sich anmutig. Sie war in ein prunkvolles, wallendes Gewand in Weiß- und Goldtönen gekleidet, das rückenlange dunkelbraune Haar mit den leichten Wellen war übersät von goldenen und juwelenbesetzten Spangen, und auch der restliche Schmuck an Hals, Armen und Ohren war prachtvoll. Sie strahlte eine Aura hoher Würde aus und dass sie diejenige war, die den Thronfolger und jetzigen Sultan geboren hatte, erkannte man praktisch mit einem Blick. Sie stammte aus einer wenig begüterten Handwerkerfamilie, hatte aber von jeher die Grazie einer Adeligen besessen, worauf auch ihr zukünftiger Gemahl aufmerksam geworden war (als seine Hauptfrau hatte sie es sich irgendwann angewöhnt, von ihm als ihrem „Gemahl" zu sprechen). Sie hatte Töpferarbeiten auf dem Markt verkauft, und obwohl sie züchtig verschleiert gewesen war, wie es sich für eine Frau geziemte, hatten ihre wachen Augen eine unwiderstehliche Bannkraft auf den Monarchen ausgeübt. Er hatte sie von seinem Pferd aus beobachtet, ihre Sprache, ihre Bewegungen, ihr Verhalten, und schließlich hatte er sein attraktives Antlitz zu ihr geneigt und gefragt: „Wie kommt es, dass eine Frau in so ärmlicher Kleidung sich wie eine wahre Dame zu benehmen weiß? Du bist wirklich nicht die Tochter eines in Ungnade gefallenen reichen Mannes?" „Nein, Herr", hatte sie erwidert, „....ich wurde als einfache Untertanin geboren. Aber nicht immer ist der Titel oder der materielle Besitz entscheidend. Es ist das Wesen meines Herzens, das mich adelt." Leila-Satis lächelte dieser Erinnerung zärtlich zu, ehe sie ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart konzentrierte. Sie schätzte Ishizu sehr und schenkte den Meinungen der Jüngeren durchaus Gehör, zumal sich die Schwarzhaarige vom schwierigen Charakter ihres Sohnes nie hatte einschüchtern lassen. Sie wollte ihm also auf den Zahn fühlen, ja....? „Das scheint mir eine ausgezeichnete Idee zu sein. Versuche, ihn ein bisschen auszuhorchen im Bezug auf seine Gefühle für den Briten!" „Glaubt Ihr ernsthaft, er würde sich mir offenbaren?" „Einer deiner Vorzüge ist es, Männer zum Reden zu animieren, da du eine wunderbare Zuhörerin bist. Du kannst ihm auch seinen Erben zeigen. Wenn er damit beschäftigt ist, sich seinen väterlichen Pflichten zu widmen, ist er vergleichsweise zahm." „Ihr redet, als ginge es darum, einen wilden Tiger ruhig zu halten und in Sicherheit zu wiegen." „Du bist klug, Liebes. Ja, man könnte es so nennen. Du weißt, wenn er verärgert ist, ist er recht unleidlich. Ich werde rasch gehen und dort drüben für Ordnung sorgen. Falls Seto auftaucht, kümmere dich um ihn." „Sehr wohl." Leila eilte zu dem Winkel des Gartens hinüber, in dem sich die Konkubinen befanden und aus dessen Richtung zänkisches Geschrei erklungen war. Eifersüchteleien waren bei ihnen an der Tagesordnung und es oblag der gestrengen Aufsicht der Sultanin-baschi, die Damen daran zu erinnern, dass sie keinen Streit duldete. Einige Zeit später traf tatsächlich der Fürst ein und seine drei Gemahlinnen begrüßten ihn ehrerbietig. „Ishizu, Kisara, Mai....wo ist meine Mutter?" erkundigte er sich ohne Umschweife. Seine Erste Frau warf den anderen beiden einen bezeichnenden Blick zu und sie entfernten sich lächelnd in ihre Gemächer, während die Ägypterin eine Zofe rufen ließ und ihr befahl, den kleinen Prinzen aus seiner Wiege zu holen. Kurz darauf schmiegte sich ein in Seide gewickeltes, selig schlummerndes Bündel in ihre Arme, mit einem braunen Gesichtchen und dunklen Haaren. Das Kind war vor drei Monaten geboren worden und der momentan einzige Stammhalter von Seto ab-del Kaiba, der Ishizus Position endgültig gefestigt hatte. „Ihr seht Euren Sohn so selten. Solltet Ihr etwa deswegen gekommen sein? Nein, mich dünkt, Euch beschäftigt etwas gänzlich anderes. Wollt Ihr Euch mir anvertrauen?" „Ich wünsche mit der Herrin zu sprechen und nicht mit dir", entgegnete er gereizt, doch sie ignorierte die unfreundliche Bemerkung und drückte ihm das Baby an die Brust. Er war sichtlich überrumpelt, aber schließlich siegte die Neugier, seinen Sprössling zu begutachten, über seinen Unmut. Der Kleine schlug die blauen Äuglein auf und fasste mit seinen Fingerchen nach der väterlichen Hand, die über ihm schwebte. „Er ist neugierig, aber er lacht selten. Er ist ein ernstes Kind", erklärte die schöne Mutter. „Er schaut jeden offen und einschüchternd an, ganz wie Ihr. Was quält Euch, mein König? Hängt Eure Anwesenheit hier vielleicht mit dem temperamentvollen Jüngling zusammen, der das neueste Mitglied in Eurem Männer-Harem ist?" „Du hast deine Spione überall, wie? Nichts bleibt dir verborgen, Schnüfflerin!" „Euer Majestät ist im Begriff, das Bild einer indiskreten Person zu entwerfen, dessen ich mich schäme. Ich verfüge über keine Spione, aber Ihr erliegt einem Irrtum, wenn Ihr glaubt, dass alles, was sich im Harem zuträgt, nicht auch gerüchteweise in den Frauentrakt gelangt. Erzählt mir von ihm. Wie ist er so?" „Joseph? Er ist....trotzig. Und stur. Und von unglaublicher Frechheit! Er schert sich nicht im geringsten um meine Autorität und wagt es, mir Widerworte zu geben!" „Nun, Widerworte musstet Ihr Euch von all jenen gefallen lassen, die jetzt Eure Favoriten sind. Das ist also nicht so ungewöhnlich wie Ihr behauptet." „Das ist es nicht allein! Die Favoriten haben zumindest eine Spur von Respekt gezeigt, aber Joseph erachtet nicht einmal das für angebracht! Er demütigt mich, provoziert mich, behandelt mich wie ein unartiges Kleinkind! Er gestattet sich, mich zu maßregeln und erdreistet sich, Hand an mich zu legen! Und doch....hat er sich küssen lassen. Oh, er ist der Leidenschaft, der Ekstase fähig....er weiß, wie man die Lust eines Mannes entfacht....er vermag einen schier unstillbaren Hunger zu wecken, einen Hunger nach ihm und seinen Berührungen....Und er ist stolz! Die Härte seines Willens....sie macht einen rasend vor Zorn, und ist zugleich bewundernswert. Er versteht es auch, seinen Verstand zu benutzen....er ist schlagfertig und...." „....schön?" „Wunderschön." antwortete der Sultan. Es klang beinahe wie ein Seufzer. „Sein Körper ist von der Vollkommenheit einer Statue....sein Antlitz....in ihm vermischen sich so viele Gefühle....nie scheint es einen Ausdruck zu tragen, den ich wirklich schon genau kenne....und dieses Haar.... dieses lange, goldene Fließ....von so reicher und blühender Färbung....und seine Augen! Oh Allah, diese Augen....so heiß und glühend...." Verstört richtete er sich auf und reichte Ishizu den Säugling. Er hatte mehr gesagt, als er wollte, aber das war nicht das erste Mal, dass seine Lieblingsfrau ihn dazu veranlasste. Sie schmunzelte in sich hinein und nickte verständnisvoll. Sie verstand ohne Probleme, welche Macht den Fürsten gepackt hatte, doch sie hütete sich, irgendeine Andeutung zu äußern. Diese Aufgabe fiel Leila-Satis zu und pünktlich betrat die stattliche Dame die Szene der Unterhaltung. „Da seid Ihr ja, Mutter." Er verneigte sich halb, um seine Wertschätzung und seinen Respekt auszudrücken. Sie ließ ihm ein Nicken zuteil werden. Ishizu zog sich mit dem Baby zurück und die Sultanin-baschi nahm wieder auf ihrem Diwan Platz. „Ich habe soeben ein paar Zwistigkeiten unter deinen Konkubinen geschlichtet. Sie fühlen sich vernachlässigt, aber das ist nun mal eines der Übel, mit dem sie sich arrangieren müssen, wenn sie im Palast leben wollen. Schließlich gilt deine Vorliebe dem eigenen Geschlecht und mit der Konkurrenz aus dem Harem müssen alle Frauen umzugehen lernen. Du bevorzugst eben Männer, das kann man nicht ändern." „Eines der Übel, mit dem sie sich arrangieren müssen? Was ist das andere?" „Dein Charakter." erwiderte sie unverblümt und Seto ab-del Kaiba schenkte ihr einen pikierten Blick, sagte aber nichts. Er war sich im Klaren darüber, wie klug seine Mutter war und sie kannte ihn besser als jeder andere Mensch des Reiches. Sie war die einzige, die das Vorrecht genoss, ihn maßregeln zu dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen und er suchte immer wieder Rat und Beistand bei ihr, da sie für ihn die vertrauenswürdigste Person der Welt war. So unterließ er es, näher auf ihre Bemerkung einzugehen und erzählte ihr statt dessen von Joseph, in etwa mit den gleichen Worten, die er gegenüber seiner Ersten Gemahlin gebraucht hatte. Leila beobachte den Sultan und war überrascht, so viel Gefühl in seinem Gesicht erkennen zu können, während er sprach. Ihr Interesse an dem Briten wuchs - sie musste den jungen Mann kennen lernen, dem es gelungen war, das Herz ihres Sohnes zu erschüttern, unbedingt! „Was ist nur mit mir los, Mutter? Meine Selbstkontrolle entgleitet mir in seiner Nähe, er macht mich rasend und zugleich verspüre ich den Wunsch, mit ihm zu plaudern wie mit einem Ebenbürtigen, mit ihm über alles zu reden, was mich bewegt....ich bin sehr verwirrt." „Das erstaunt mich nicht. Du dürftest zum ersten Mal mit diesem Gefühl konfrontiert werden. Dein Vater war ähnlich durcheinander, als er mich kennenlernte. Es gibt Begegnungen, die schicksalshaft sind....und ich glaube, dieser Joseph ist dein Schicksal." „Das ist doch wohl nicht Euer Ernst?" „Warum nicht? Du überschätzt deine Bedeutung, mein Sohn. Ich bin nicht immer da, um dir den Kopf zurechtzurücken und es kann dir gar nicht schaden, wenn dich mal einer deiner Erwählten ein bisschen zappeln lässt. Ich erinnere mich zwar, dass deine Favoriten alle relativ unwillig waren, als sie erstmals ihren ‚Haremsdienst‘ ausführen sollten, aber....wie lange haben sie dich hingehalten?" „Marik brachte es auf vier Wochen, Duke auf fünfeinhalb, Bakura zierte sich sieben Wochen lang und Yami verweigerte sich ganze acht Wochen. Und Joseph....ich weiß es nicht, doch ich hege die Befürchtung, dass er den Rekord brechen wird." „Das wäre sehr amüsant." Der Sultan unterließ es, etwas darauf zu erwidern. Er wünschte keineswegs, dass der Blondschopf ihm über eine so große Zeitspanne hinweg widerstand, obwohl er im Grunde bereits darauf vorbereitet war. Er verabschiedete sich von seiner Mutter und kehrte in seine Gemächer zurück. „Es gibt Begegnungen, die schicksalshaft sind....und ich glaube, dieser Joseph ist dein Schicksal." Sie hatte sehr überzeugt geklungen. Sollte das möglich sein? Würde er erfahren, was die Dichter jener Lieder, die er so gerne sang, tatsächlich meinten, wenn sie von der wahren Liebe erzählten? Er warf sich auf sein Bett und murmelte: „Lächerlich!" Doch während er langsam ins Reich der Träume hinüber sank, nahm Joeys schöne Erscheinung in seinem Kopf Gestalt an und lächelte ihm zu. Er, der mächtige Herrscher von Marokko, sollte die Liebe entdecken? Niemals. Wirklich niemals....? Ich weiß, Seto hat nicht auf Joeys Frage geantwortet, aber nein, ich habe es nicht vergessen - die Antwort kommt im nächsten Kapitel!^^ Bis dann! Kapitel 7: Die Antwort des Sultans ---------------------------------- Hallihallo, da bin ich wieder!^______^ Vielen Dank für Eure Kommis, ich habe mich sehr gefreut. Um mal eines vorweg zu sagen: Diese FF wird nur 12 Kapitel umfassen (was für meine Verhältnisse kurz ist, wenn ich nicht gerade einen One-Shot verfasse), stellt Euch also darauf ein. Und nun viel Spaß beim Lesen! Edit: Fast hätte ich es vergessen - ich hab ein Bildchen von Setos Sohn in den Charakterguide aufgenommen!^^ Siebtes Kapitel: Die Antwort des Sultans Das goldene Haar fiel ihm wirr in die Stirn, mit der rechten Hand schirmte er sich gegen die Strahlen der Sonne ab, seine Lippen waren fest zusammengepresst. Er wusste genau, dass er soeben Zeuge einer Szene geworden war, welche für die Beteiligten schreckliche Folgen haben konnte. Sollte er sich zurückziehen? Vortäuschen, nichts bemerkt zu haben? Joey wandte sich zum Gehen, als ihn eine samtweiche Stimme davon abhielt. Er drehte sich um, Bestürzung und Scham im attraktiven Gesicht. Yami und Bakura musterten ihn verstohlen. Es war also geschehen. Jemand, der nicht eingeweiht war, hatte sie gesehen. Heute war wieder einmal großer Badetag im Harem und die Mitglieder der unterschiedlichen Ränge hatten sich im Hof der Blumen eingefunden, um gemeinsam ein paar vergnügliche Stunden zu verbringen. Der junge Brite lebte nun schon seit fast zwei Monaten im Serail von Sultan Seto ab-del Kaiba und war kurz davor, sich dem Fürsten seit acht Wochen zu verweigern. Seine Verletzung an der Lippe war verheilt und seine Beziehung zu dem Monarchen konnte man als distanziert bezeichnen, obgleich es kaum einem im Harem verborgen geblieben war, dass die beiden, sofern sie sich unbeobachtet fühlten, Blicke miteinander wechselten, die ihr gegenseitiges Begehren verrieten. Und nun hatte er, auf der Suche nach einem abgeschiedenen Plätzchen abseits vom Trubel, an dem er ein bisschen die Schönheit des Gartens und die Einsamkeit genießen konnte, eine Entdeckung gemacht, die ihn erschütterte. „Verzeiht....ich....es tut mir leid. Ich nahm nicht an, dass sich an diesem abgelegenen Fleckchen jemand aufhalten könnte. Entschuldigt bitte meine Unhöflichkeit. Wenn Ihr es mir gestattet, will ich mich wieder zu den anderen Männern zurückziehen...." „Ich bat dich, zu bleiben." Yami bedeutete ihm mit einer seiner eleganten Gesten, näherzutreten und Joey, der wie die übrigen Haremsmitglieder auch, die Favoriten anstandslos respektierte, verneigte sich vor den beiden und hielt den Kopf ehrerbietig gesenkt, um ihnen nicht in die Augen sehen zu müssen. „Du warst also zugegen, als Bakura und ich uns küssten?" „Ja. Ich....ich wollte Euch gewiss nicht in Unbehagen versetzen, der Zufall führte mich zu diesem Winkel des Gartens. Erlaubt, dass ich mich entferne." „Nein", mischte sich der Weißhaarige ein. „Wir können dir dies nicht gestatten, bevor du uns nicht ein Versprechen gegeben hast. Du hast erkannt, dass Yami und ich uns lieben....und aus deinem Verhalten schließe ich, dass du sehr wohl weißt, welche Folgen unsere Beziehung haben könnte. Die Gesetze des Serail sind dir vertraut, du bist lange genug hier." „....Eure Liebe kommt dem Frevel gleich, den Sultan zu betrügen. Es ist wie ein Ehebruch. Die Konsequenz dessen ist....die Hinrichtung." Er brachte das Wort kaum über die Lippen und Yami ergriff seine zitternden Hände, angerührt durch die Haltung dieses Stolzen, die ihnen sein Mitgefühl offenbarte - und seine eigene Furcht, die über eine weitere seiner Empfindungen Aufschluss gab. „Du....magst uns, Joey?" „Was ist das für eine Frage! Ihr habt mir von Anfang geholfen, wart Kamerad, Berater und Freund in einer Person....und Ihr, Bakura....waren es nicht Eure Späße und Eure spöttische Zunge, die mich aus meiner Lethargie rissen, wenn ich wehmütig an meine Heimat dachte? Wenn Euer Versprechen, das Ihr fordert, das Versprechen ist, niemandem etwas von Eurer Liebschaft zu verraten, so will ich das schwören! Wer im Harem weiß noch davon?" „Duke und Marik, als unsere engsten Freunde. Und dann natürlich die Sprecher der anderen Ränge, Dartz und Tristan. Sie haben ein Auge auf die Gerüchte und die Klatschgeschichten, die von Mund zu Mund und von Ohr zu Ohr wandern und verstehen es, wichtige Vorkommnisse, die nicht für Seine Majestät bestimmt sind, unter Verschluss zu halten. Du versprichst uns aufrichtigen Herzens, Stillschweigen zu bewahren? Hab vielen Dank." Der Engländer entschwand mit einer Verbeugung und ließ das Paar allein zurück. Yami strich sich durch sein dreifarbiges Haar und stieß einen Seufzer aus. Gedankenverloren setzte er sich auf den Rand eines Brunnens und tauchte eine Hand in das kristallklare Wasser, um die Zierfische aufzuscheuchen, die darin herumschwammen. Der Russe verschränkte die Arme und lehnte sich an eine Dattelpalme, die in der Nähe stand und ein wenig Schatten spendete. „Es missfällt mir, dass wir den Briten einweihen mussten. Ich glaube zwar nicht, dass er uns gefährlich werden könnte, aber was ist, wenn er sich verplappert? Zum Beispiel in einem seiner Wutausbrüche? Ist das nicht riskant?" „Nicht riskanter als deine Wutausbrüche, Geliebter", erwiderte der Japaner und erntete dafür ein ärgerliches Schnauben. „Er ist ein überaus ehrlicher Charakter. Von seiner Seite ist keine Bedrohung zu fürchten und auch sonst sind unsere Mitwisser vertrauenswürdige Persönlichkeiten. Einzig im Silber-Rang gibt es einen, vor dessen Ehrgeiz wir uns hüten müssen. Du weißt, wen ich meine....Machtbesessene Individuen wie er sind skrupellos, also müssen wir vorsichtig sein, denn auf sein Schweigen können wir nicht zählen!" „Er wird es nie begreifen, oder? Er eignet sich nicht für den Gold-Rang! Und noch weniger für einen Favoriten! Er mag die Tugend der Schönheit besitzen und klug ist er ebenfalls, doch seine innere Verbitterung und sein krankhaftes Streben nach Erfolg nehmen ihm viel von seiner Ausstrahlung und dämpfen seine Reize stark. Als Favorit wäre er eine denkbar schlechte Wahl - er würde einfach nur Befehle erteilen und darauf achten, dass sie befolgt werden....und man setzt doch ein bisschen mehr bei einem Favoriten voraus, meinst du nicht auch? Sein Verstand ist in Ordnung, nicht aber sein Herz." „Natürlich, ich bin ganz deiner Ansicht. Aber er hasst mich....und dieser Hass ist die wirkliche Gefahr, der wir uns stellen müssen. Siegfried verhält sich zwar momentan ruhig, doch ich spüre intuitiv, dass er seinen Rachewunsch noch längst nicht aufgegeben hat! Ich....ich habe Angst." Bakura nahm neben ihm Platz und umschlang ihn mit seinen kräftigen Armen. Er wusste, dass Yami nicht grundlos besorgt war und seit einiger Zeit plagte ihn eine dunkle Ahnung. Ihm war, als braue sich über ihren Köpfen ein Unwetter zusammen.... Der Sultan lag in seinem Lustgemach auf dem Bett und schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Joseph verweigerte sich ihm nun seit fast acht Wochen und seine Haltung zeigte kein Anzeichen von Veränderung. Wie lange wollte er ihn noch so quälen? Neun Wochen? Zehn? Elf? Oder gar gleich ein halbes Jahr? „Mein Fürst?" Der Mann, den er sich vergangene Nacht als Gefährten ausgewählt hatte, betrachtete ihn fragend und mit mildem Vorwurf in der Stimme. „Euer Körper ist bei mir, ohne Zweifel....aber Ihr seid es nicht." „Duke....Ich weiß, dass Joseph nicht zum Gold-Rang gehört, aber vielleicht hast du dir eine Meinung über ihn gebildet. Kennst du ihn gut genug, um ihn beurteilen zu können?" Der Schwarzhaarige, der aus den Kolonien der Neuen Welt stammte, drehte sich auf den Bauch und stützte sein Kinn in den Händen ab. Er musterte den König mit einem amüsierten Lächeln, das er sich nur aufgrund seines Status‘ als Favorit erlauben durfte. Seine grünen Augen leuchteten katzenhaft, als er vielsagend erklärte: „Die meisten hier haben sich bereits eine Meinung über jenen gebildet, den Odeon ‚Goldjaspis‘ nennt. Ihr beweist ihm gegenüber mehr Geduld als jemals zuvor, zumindest was die Erfüllung seiner Haremspflicht betrifft. Andererseits erschüttert er Eure Selbstbeherrschung und treibt Euch zu heftigen Temperaments-ausbrüchen. Ihr kommt offenbar nicht mit ihm zurecht....oder nur schwer." „Er ist mir ein Rätsel. Nach all den Unverschämtheiten, die er sich herausgenommen hat, sollte ich ihn längst verkauft haben! Ich begreife selbst nicht, warum ich ihn hier behalten will!" „Weil Ihr ihn erobern wollt. Er ist Eure neueste und bisher interessanteste Herausforderung - und Ihr seid kein Mann, der schnell aufgibt. Und dann ist da natürlich noch ein weiterer, bedeutsamer Grund....den ich Euch leider nicht verraten kann." „Weshalb nicht? Treibe keine Spielchen mit mir, Duke!" „Ah, ich tue nichts dergleichen, Euer Majestät!" Er lachte charmant. „Aber manche Dinge müssen von den Menschen in eigener Anstrengung in Erfahrung gebracht werden. Vielleicht könnt Ihr Euch heute Abend unserem Blondschopf nähern, anlässlich des Festes zu Ehren Eurer Mutter, die ihren Geburtstag glanzvoll zu begehen beabsichtigt. Bei dieser Gelegenheit könntet Ihr die beiden auch gleich einander vorstellen, Ihre Hoheit wartet schon lange darauf." „Das ist wahr." Seto ab-del Kaiba warf sich aufseufzend in die weichen Laken zurück und grübelte vor sich hin. Es stimmte. Er konnte Joey unmöglich wieder die Freiheit schenken. Obwohl es sicher genau das war, was sich der Engländer wünschte, zog sich etwas in ihm wie im Schmerz zusammen, sobald er diese Idee auch nur erwog. Dieses vollkommene Wesen, dieses rebellische, sture, wunderbare Geschöpf aus den Händen geben, nur um dem Chaos in seinem Herzen entgegenzuwirken? Das konnte er einfach nicht! Allah hatte ihm diesen Mann gebracht, damit er ihn zähmte! Und er würde ihn zähmen, ohne Wenn und Aber! Er richtete sich auf, rief einen Pagen herein und befahl ihm, ein Bad für ihn vorzubereiten, damit er sich reinigen konnte. „Leistest du mir Gesellschaft?" „Es wäre mir ein Vergnügen, Gebieter. Was schwebt Euch vor? Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Entschluss gefasst." „Du täuschst dich nicht. Ich werde mit Joseph sprechen. Ich will ergründen, ob er begonnen hat, ein wenig Zuneigung für mich zu entwickeln. Er trägt sein Herz auf der Zunge und doch scheint sein Innerstes mir gleichsam verschlossen zu sein, wie eine Schatzkiste, zu der ich den Schlüssel nicht besitze. Ob er jemals mein sein wird....?" Duke musterte den Monarchen mit der ihm eigenen Präzision und Genauigkeit, die sich nicht nur auf das Äußere eines Menschen beschränkte, sondern bis in seine Tiefen vorzudringen vermochte. Er registrierte den sehnsuchtsvollen Ton in seiner Stimme, sah die leise Hoffnung in seinen Augen, die in weite Ferne gerichtet waren, wie in eine glückliche Zukunft, in der er Joseph für sich gewonnen hatte. Er verließ das Bett und warf sich seinen Haremsmantel über, um seine Blöße zu bedecken. Heute war großer Badetag, aber es störte ihn nicht, dass er aufgrund seiner anderen „Verpflichtung" dieses Beisammensein nicht hatte genießen können, denn immerhin verstand sich Seine Majestät auf die Kunst der Liebe. Sein Blick schweifte über das Palastgelände und verblieb auf einer schlankgewachsenen Gestalt, die sich zur Überraschung des Schwarzhaarigen nicht im Hof der Blumen befand. >>Das ist doch....Was hat er zu dieser Stunde im Bereich des Palastes zu suchen, in dem die Gemächer des Sultans untergebracht sind? Er ist in Ungnade gefallen und der Fürst hat ihm ausdrücklich verboten, wieder einen Fuß in diesen Trakt zu setzen! Wie kann er sich erdreisten....Ich werde sofort mit ihm sprechen! Das ist ungeheuerlich!<< Der Page trat ein und meldete, das Bad wäre bereit. Seto ab-del Kaiba ließ sich genussvoll in das warme Wasser gleiten und Duke folgte ihm, erledigte seine Waschungen aber mit einer beinahe unziemlichen Eile. „Was ist dir, Schöner? So gehetzt?" „Aus gewissen Gründen, ja. Seid nachsichtig, ich bitte Euch." Nachdem er sich abgetrocknet und seine Haut mit einem duftenden Öl eingerieben hatte, um sie geschmeidig zu halten, schlüpfte er rasch in seine Serailgewänder und suchte denjenigen auf, der ihn so wenig positiv durch seine Anwesenheit erstaunt hatte. „Siegfried!" Der Angesprochene drehte sich um und ließ sich zu einem maliziösen Lächeln herab. Er war von großer und anmutiger Statur, mit Augen, die von einem dichten Kranz elegant gebogener Wimpern beschirmt wurden; sein langes Haar von der Farbe des Rosenquarz wallte wie ein Umhang seinen Rücken hinab. Er deutete seine Verbeugung lediglich an, was in sich schon eine Beleidigung war, denn es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Mann im Harem den Favoriten unbedingten Respekt zu zollen hatte. „Was hast du hier zu suchen? Du kannst froh sein, dass Seine Hoheit dich nicht zum Sklavenmarkt zurückgeschickt hat!! Du durftest bleiben und wurdest nur einen einzigen Rang heruntergestuft! Es steht dir nicht zu, die Gemächer des Sultans in Eigeninitiative zu betreten! Das ist ein Privileg, das den Favoriten vorbehalten ist!" „Verpulvert nicht so viel unnötige heiße Luft", erwiderte Siegfried lässig, als amüsiere er sich köstlich über Dukes Entrüstung. „Ich bin Euch keinerlei Rechenschaft schuldig. Außerdem, was soll das Theater? Ich habe nichts getan, dass Ihr mir vorwerfen könntet." „Ach nein!? Es ist dir wohl entfallen, dass du versucht hast, Yami zu vergiften?!" „Es ist ärgerlich, dass Ihr immer noch mit diesen albernen Gerüchten um Euch werft, zumal Ihr keinen einzigen Beweis für Eure unerhörte Anklage habt. Der Fürst hat mich nur deshalb in den Silber-Rang zurückversetzt, weil er Euch und Euren abscheulichen Freunden geglaubt hat. Ich habe nichts dergleichen vorgehabt, aber es hat wohl keinen Sinn, Euch das zu erklären. Ihr wart schließlich einer von denen, die mich verleumdet haben!" „Konkrete Beweise hatten wir nicht, das ist wahr....aber wir besitzen genug gesunden Menschenverstand, um ein Geschwür in unseren Reihen zu entdecken und es aufzustechen, bevor es Schaden anrichtet!" Die Zunge des Amerikaners war scharf und neigte zum Zynismus. Ihre Treffsicherheit bewies sich auch diesmal, indem er das einzige Argument fand, das Siegfrieds verächtliche Haltung erschüttern konnte. Die Bezeichnung als „Geschwür" innerhalb des Gold-Ranges erinnerte ihn an das demütigende, lähmende Gefühl, das er in der Gegenwart der übrigen höhergestellten Männer stets verspürt hatte, die ihn nicht der Ehre als würdig erachteten, ihre Gesellschaft zu teilen. Er war unter ominösen Umständen weitergekommen und die wenigsten glaubten, dass er es der Gunst des Herrschers verdankte. Oh, er war schön und in geistreicher wie humorvoller Unterhaltung bewandert, aber konnten diese Eigenschaften über die gefährliche Listigkeit und die Heuchelei hinwegtäuschen, die man in seinen Augen bisweilen hatte aufblitzen sehen? Es war offenbar, dass er Yami die gesonderte Stellung als Favorit und Sprecher des Ranges neidete, denn als solcher war er der mächtigste Mann im Harem, solange der außergewöhnliche Posten des Sultan-baschi noch unbesetzt war. „Seine Majestät hatte keinen Grund, unseren Verdacht anzuzweifeln. Er vertraut uns! Wenn wir Beweise zur Verfügung gehabt hätten, wärest du längst nicht mehr hier! Ich warne dich nur ein einziges Mal: Verkneife dir deine Intrigen, sonst wirst du es bitter bereuen!" „Glaubt Ihr, diese leere Drohung könne mich erschrecken? Ihr seid noch naiver, als ich dachte! Ihr wisst genauso gut wie ich, dass kein Mann in diesem Harem mir gewachsen ist! Keiner von diesen trägen, eitlen Gecken, die nur müßig in den Tag hineinleben, ist mir in irgendeiner Weise ebenbürtig! Ihr jagt mir keine Angst ein!" Duke starrte ihn kühl an, die grünen Augen zu Schlitzen verengt, was seinem Gesicht etwas Raubtierhaftes verlieh. „Du vergisst, dass seit deiner Vergiftungsaffäre schon einige Zeit vergangen ist. Und auch du kannst kaum leugnen, bereits von jenem gehört zu haben, von dem man erwartet, dass er das Herz des Sultans erobern wird! Wenn einer deine Pläne durchkreuzen kann, welcher Natur sie auch sein mögen, dann ist er es!" Damit faltete er seinen Fächer auf und verschwand im nächsten Korridor, der in Richtung des Hofs der Blumen führte. Siegfried blickte ihm nach, schürzte die Lippen und spie einen Schwall leiser Verwünschungen aus. Der Ruf des Engländers, dieses Joeys, war ihm selbstverständlich zu Ohren gekommen und gefiel ihm gar nicht. Seit er an den Herrscher von Marokko verkauft worden war und man ihn den heimatlichen Landschaften Schwedens entrissen hatte, war es sein Traum, der einflussreichste Mann des Serails zu werden, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Yami war sein größter Konkurrent im Ringen um die momentan höchste Position und in diesem Joseph war ein neuer, noch verführerischer Rivale aufgetaucht, denn seine sinnliche Schönheit und sein stolzes, rebellisches Wesen wühlten Ab-del Kaiba das Blut auf. Man erzählte sich, dass er über alle nötigen Gaben verfüge, die einen Sultan-baschi auszeichneten und das war ein bedeutsamer Grund, ihn zu fürchten. „Siegfried! Zurück in den Silber-Rang mit dir! Du hast in diesem Trakt des Palastes nichts zu suchen!" Er zuckte zusammen und sah sich dem großen, breitschultrigen Hünen Odeon Farradji gegenüber, dem gleichermaßen verehrten wie angstvoll respektierten Oberaufseher des Harems. Vor ihm wagte der Schwede es nicht, sich aufmüpfig zu zeigen, zumal er die Ahnung hegte, dass der Vertraute des Monarchen über die Gift-Geschichte informiert war und trotz mangelnder Beweise von seiner Schuld überzeugt war. Er entschwand also unter einer tiefen Verbeugung, während Odeon im Auftrag seines Herrn zum Hof der Blumen eilte, um seinen Goldjaspis zu rufen. Die Begeisterung des Briten hielt sich in Grenzen, aber dennoch erfüllte ihn ein leiser Stolz in Anbetracht der Tatsache, dass Ab-del Kaiba den Aufseher und nicht einfach nur einen Pagen geschickt hatte, um ihn holen zu lassen. In sich das Geheimnis einer verbotenen Liebe bergend, dessen Mitwisser er geworden war, ließ er sich zum Audienzzimmer des Sultans bringen und verharrte dort in abwartender Haltung. Als dieser zu erscheinen geruhte, war Joey ziemlich verblüfft, denn er hatte seine Morgentoilette noch nicht beendet und war demzufolge nur leicht bekleidet: Seine schlanken Beine steckten in hellen sandfarbenen Hosen und er trug seine Lieblingsstiefel, doch sein kraftvoller Oberkörper war entblößt und noch ein wenig feucht, als käme er gerade aus dem Hammam, dem Bad. Die Perfektion der muskulösen männlichen Formen trat deutlich hervor, aber auf der gebräunten Haut war auch die eine oder andere Narbe zu sehen - Spuren der Kämpfe, die er zur Verteidigung seines Reiches bestritten hatte? Die unerwartete Vertrautheit, die er ihm in seiner Offenheit präsentierte, irritierte den Blonden und ließ ihn erkennen, dass er keineswegs herbeizitiert worden war, um erneut für seine sich hinziehende Verweigerung getadelt zu werden. „Oh, du bist schon da, Joseph?" „Ja. Odeon hat mir ausgerichtet, dass Ihr mich zu sprechen wünschtet." „Das ist richtig. Ich möchte dir eine Frage stellen und ich verlange, dass du sie wahrheitsgemäß beantwortest." Der Engländer nickte, immer noch unsicher, wie diese Situation zu deuten sei. „Hasst du mich?" Diese Frage kam mehr als überraschend, insbesondere, da er annahm, die Meinung eines Odalisken niederen Ranges spiele für den Herrscher keine Rolle. Schon gar nicht, wenn der Betreffende so ungehorsam war wie er! Außerdem rührte sie an jenen verborgenen Ort seines Herzens, an dem er das Verlangen und die zarte, scheue Zuneigung verwahrte, die er dem Sultan entgegenbrachte. Nein, es war kein Hass....aber auch keine Liebe. Noch nicht, vielleicht. >>Ich weiß nicht....ich habe Angst davor, mich in ihn zu verlieben. Ich kann das Grausame an ihm nicht vergessen, die Gleichgültigkeit, mit der er dem Leben anderer gegenübersteht....Ich habe ihn vor Wochen gefragt, ob er wisse, was Liebe ist, aber wirklich geantwortet hat er mir nicht. Eigentlich schade....<< „Was ist? Willst du nichts sagen?" „Ah?! Ich....verzeiht, ich war in Gedanken versunken. Ich....ich hasse Euch nicht, Euer Hoheit." Bildete er sich das nur ein, oder leuchteten diese kalten blauen Augen auf wie von einer neuen Hoffnung erfüllt? „Erlaubt mir, ebenfalls eine Frage zu stellen." „Gern, warum nicht?" „Wisst Ihr überhaupt, was das ist....Liebe?" „Ich glaube, diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal." „Das stimmt, aber damals habt Ihr mir nicht geantwortet. Tut es jetzt, ich bitte Euch." „Was soll ich denn auf eine solche Frage erwidern?" „Die Wahrheit." „Die Wahrheit!" Er lachte bitter auf und dieses harte, höhnische Lachen versetzte dem Briten im Inneren einen schmerzhaften Stich. Was für ein Kummer verbarg sich hinter diesem trotzigen Aufbegehren, welche Enttäuschung, welche Wunden? „Was könnte ich dir da schon erzählen? Das Leben am Hof ist nicht einfach. Meinen Vater habe ich selten gesehen. Sicher kam er ab und zu in seinem Harem vorbei und besuchte seine bevorzugten Damen, zu denen auch meine Mutter gehörte, die er später zu seiner Hauptfrau erhob, aber die meiste Zeit war er damit beschäftigt, andere Länder zu erobern, um sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern. Das hat ihn dann eines Tages auch das Leben gekostet. Ich habe nicht getrauert, denn ich kannte ihn kaum. Aber meine Mutter hat ihn wirklich geliebt. Sie weinte viel....Ich war vierzehn Jahre alt damals und Odeon Farradji nahm mich unter seine Fittiche, um mir alles beizubringen, was ein zukünftiger König wissen muss. Seither ist er mein engster Vertrauter. Aber er konnte nicht überall zugleich sein, genauso wenig wie meine Mutter. Und was hätte ich schon tun können, als der verwöhnte, hübsche Knabe, der ich war, unbedarft und naiv? Ich war im Harem aufgewachsen und konnte dem Verlangen der reifen Frauen nicht entfliehen. Ich war noch nicht fünfzehn, als die dritte Lieblingsfrau meines Vaters mich in ihr Bett einlud, um sich mit mir zu vergnügen. Es gab einige wie sie. Mit sechzehn holte mich ein Botschafter aus Syrien, der bei uns im Palast zu Gast weilte, in seinen Alkoven. Ich wagte es nicht, irgend jemandem davon zu erzählen, sondern vergoss meine Tränen der Scham und Bestürzung im Geheimen, allein. Das ist meine Wahrheit. Bis zu jetzt zufrieden?" Joey wusste nichts zu sagen, er war viel zu erschüttert. Er betrachtete den Sultan mit dem Entsetzen eines Menschen, der erkennen muss, dass einem anderen das Gefühl der Liebe im Herzen zerstört wurde, gerade in dem Alter, in welchem ihr Mysterium normalerweise zum ersten Mal das Leben eines Heranwachsenden zu verwirren beginnt. Er sah ihn an wie einen, der des Notwendigsten beraubt ist. „Es ist also wahr", flüsterte er fassungslos, „....Ihr wisst es nicht. Ihr wisst nicht, was Liebe ist. Diese berauschende Empfindung, die auf ein Individuum die Herrlichkeit und die Wonne aller unausgesprochenen Träume überträgt, diese wirkliche, wirbelnde, unbändige Macht....Ihr habt sie nie kennen gelernt. Lust und Begierde sind Euch vertraut. Die Liebe nicht." „Du verstehst es bemerkenswert gut, von diesem Gefühl zu reden, das die Troubadoure in ihrer Kunst besingen. Nein, ich glaube nicht, dass ich je erfahren habe, was du mir eben so reizend beschrieben hast. Warum so schockiert? Du wolltest meine Antwort und ich habe sie dir gegeben. Du bist der erste, dem ich diese Geschichte erzähle. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil du all meinen Verführungsversuchen getrotzt hast. Meine Lehrmeisterinnen - als solche verstanden sie sich - haben mir nie beigebracht, wie man einen wilden Tiger zähmt. Dennoch will ich es ausprobieren. Bisher bin ich gescheitert, das gebe ich zu. Durch welche List ist es dir gelungen, mein Begehren zu entfachen und meine Sehnsucht nach dir zu wecken, ohne sie zu stillen? Was ist es, das mich an dir so fasziniert? Du scheinst allen Männern zu gleichen, mit denen ich bis dato zu tun hatte und doch bist du keinem von ihnen ähnlich. Ich vermag dich nicht zu begreifen." „Aber ich meine, Euch zu begreifen. Eure Grausamkeit ist eine Folge Eurer Angst und Eurer Scham, eine Folge der Tränen, die Ihr mit niemandem geteilt habt, die Euch keinen Trost gebracht haben. Eure Musik ist die Zuflucht für Euer Herz. Wenn Ihr singt, könnt Ihr Euren Schmerz vergessen. Ja. Alles erklärt sich nun." „Wenigstens einer von uns, der weiß, woran er ist!" bemerkte der Monarch zynisch und kleidete sich komplett an. Er wählte einen schlichten goldenen Ring als Schmuck für den kleinen Finger und nahm einen Pfirsich aus der Obstschale, die auf dem niedrigen Tischchen vor seinem Diwan stand. „Möchtest du diese Frucht haben? Sie schmeckt süß....so süß wie deine Lippen." Der Blonde fing den Pfirsich auf, den Seto ab-del Kaiba ihm zuwarf und sagte so leise, dass ihn der Fürst nicht hören konnte: „Niemandem sollte es versagt sein, die Liebe zu erfahren. Vielleicht....kann ich Euch lehren, was sie bedeutet....eines Tages...." „Meine Mutter feiert heute Abend ihren Geburtstag. Sie hat mich darum gebeten, dich ihr vorzustellen. Wärest du bereit dazu?" Er versank in einer Reverenz und erwiderte: „Es wäre mir eine Ehre." Damit entließ ihn der Sultan. Die Audienz war beendet. Kapitel 8: Das Königliche Fest ------------------------------ Leute, ich danke Euch! So viele liebe Kommis - und ich dachte schon, die "hochgestochene" Sprache würde vielleicht manche abschrecken! Aber ich kann die Jungs im 17. Jahrhundert nun mal nicht so reden lassen wie Otto Normalverbraucher, das würde überhaupt nicht passen und es soll ja authentisch wirken, auch wenn einiges von den Ausschmückungen (z. B. der allgemeine Badetag im Hof der Blumen) meine eigene Erfindung ist. Ich wünsche Euch also viel Vergnügen mit dem neuen Kapitel! Achtes Kapitel: Das Königliche Fest Marik musterte Duke voller Besorgnis. Was war mit seinem Freund los? Seit er von Seiner Majestät zurückgekehrt war, wirkte er sehr gedankenverloren und war nicht recht bei der Sache. „Was ist los mit dir? Du siehst so bedrückt aus. Quält dich etwas?" „Wie?? Oh nein, es ist nichts...." „Das glaube ich dir nicht. Dein Gesicht ist viel zu ernst für diesen schönen sonnigen Tag. Was also bekümmert dich? Erzähle!" Schweigen. Der Ägypter seufzte und entschied, dass der Hof der Blumen mit all seiner Geschäftigkeit nicht der richtige Ort für ein vertrauliches Gespräch war. So begaben sich die beiden in Mariks Gemach und dieser befahl einem Pagen, ihnen heiße „Bestilla" zu bringen, eine hauchzarte Blätterteigpastete aus gehacktem Taubenfleisch, Pfeffer, Zimt und Zucker. Außerdem bestellte er zwei Tassen des schwarzen arabischen Getränks, das man Kaffee nannte. Während sie auf das Verlangte warteten, streckte sich der Platinblonde auf seinem Lager aus, entfernte den Haremsmantel von seinen Schultern und betrachtete seinen Kameraden neugierig, der es sich auf dem roten Diwan bequem gemacht hatte, der neben dem Bett stand. „Nun?" „Siegfried ist in der Nähe der Gemächer unseres Herrn herumgeschlichen." „Was?! Seine Hoheit hat ihm doch untersagt, jemals wieder einen Fuß dorthin zu setzen! Was ist ihm bloß eingefallen!?" „Ich habe keine Ahnung, aber es behagt mir nicht, dass er sich wieder im Palast herumtreibt. Bisher hatte er Ausgangssperre, aber die ist mittlerweile abgelaufen und jetzt darf er sich wieder frei bewegen, so frei, wie es ihm als Mitglied des Silber-Ranges gestattet ist. Seine Degradierung hat ihn nicht zur Einsicht bewogen, er ist immer noch so unerträglich wie früher! Wir sollten aufpassen. Ich habe die Befürchtung, dass er schon wieder einen kleinen widerwärtigen Plan ausheckt!" „Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls. Wir werden Yami und Bakura warnen müssen. Die beiden haben mir übrigens erzählt, dass Joseph ihr Geheimnis herausgefunden hat - unfreiwillig zwar, aber es ist passiert." „Tatsächlich? Er hat doch versprochen, es für sich zu behalten, so hoffe ich?" „Natürlich. Er ist ein ehrlicher und lieber Kerl. Wir können auf ihn zählen. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn er Sultan-baschi würde. Insbesondere, da Siegfried einen Dämpfer nötig hat....und es sollte mich nicht wundern, wenn er den von Joey bekommt." „Das würde ihm nicht schaden!" Es klopfte und der Page trat ein, mit einem Tablett in den Händen. Er servierte die Bestilla und den Kaffee und schlüpfte mit einer Verbeugung wieder hinaus. Duke griff nach einem silbernen Schälchen, das mit Kardamom-Nüssen gefüllt war und rieb etwas davon in sein Getränk. Marik mochte seinen Kaffee lieber mit Zucker und tauchte zwei Stückchen in die dunkle Flüssigkeit. Sie schlürften den Inhalt ihrer Tassen in kleinen Schlucken und jeder von ihnen hing währendem seinen eigenen Gedanken nach, obwohl sie sich um ein und dasselbe Problem drehten: Was ging in Siegfrieds intrigantem Kopf vor? Beide waren von einer unguten Ahnung belastet und diese Ahnung sollte sich bewahrheiten.... Auch Tristan und seine Freunde Allister und Varon hatten sich indessen von der Gesellschaft im Hof der Blumen zurückgezogen. Sie wollten heute nicht in dem großen Freibecken baden, sondern zogen das Hammam in den Unterkünften ihres Ranges vor, zumal außer ihnen niemand dort war. Der Hammamtschi, der Oberbademeister, und einige Eunuchen waren ihnen beim Auskleiden behilflich. Sie stiegen die mit Mosaiken in Grün und Gold ausgelegten Stufen zu einem der großen marmornen Becken hinunter und kletterten voller Wohlbehagen in das heiße Wasser, dem man Mandelöl beigefügt hatte, um die Haut zu pflegen. „Hm, das ist wunderbar....ich bin so schrecklich verspannt...." „Hat dir Seine Majestät in letzter Zeit ein bisschen zu viel Beachtung geschenkt, Allister?" neckte ihn Varon grinsend und wurde mit einem nassen Spritzer belohnt. „Ah, sei nicht eingeschnappt. Du musst doch zugeben, dass er dir in den vergangenen Wochen ungewöhnlich oft gehuldigt hat. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich gar vermuten, dass er beabsichtigt, dich in den Gold-Rang zu erheben." „Rede nicht so einen Unsinn! Ich biete ihm ein wenig Ablenkung von seinen Herzenssorgen, aber das ist schon alles!" „Herzenssorgen? Was, er?!" „Stell dich nicht dumm!" mischte sich Tristan ein und zwinkerte bedeutungsvoll. „Es ist doch offensichtlich, dass der Fürst nur noch an Joey denkt, selbst wenn andere Dinge seine Aufmerksamkeit erfordern. Neulich, da ich in meiner Funktion als Sprecher des Zweiten Ranges bei ihm war, um ihm ein, zwei Beschwerden mitzuteilen, welche freche Pagen und respektlose Haremsmitglieder betrafen...." „Wird Zeit, dass er mal davon erfährt! Es ist empörend, wenn man einen Korridor entlanggeht und es diese Unverschämten aus dem Bronze-Rang nicht einmal für nötig halten, irgendwie ihren Respekt zu bekunden! Mir würde ein simples Nicken ja schon genügen!" grummelte Varon verärgert und verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. „....Na, also, zumindest hatte ich um eine kurze Audienz gebeten und er hörte sich an, was ich ihm zu sagen hatte. Aber er wirkte geistesabwesend und so fragte ich ihn, was ihn beschäftige. Er antwortete: ‚Tristan....ich vermag mich auf nichts sonst zu konzentrieren als auf ihn. Seine vollkommene Schönheit und der leidenschaftliche Glanz seiner Augen....Seine unvergleichlich stolze Haltung....so muss ein König schreiten....er ist widerspenstig und dreist, und doch kann er vergnügt sein wie ein Kind....‘ Ja, meine Freunde, so spricht er von ihm - und ihr wisst genau, wen ich meine." setzte er lächelnd hinzu. Der Rothaarige lachte herzlich. „Du hast recht! Seine Gefühle sind klar zu erkennen....jeder hier im Harem weiß das. Nur er nicht." „Du kannst es Seiner Hoheit nicht vorwerfen. Hat er denn je zuvor geliebt? Seine Favoriten verstehen es, ihn über lange Zeiträume hinweg zu begeistern und besitzen sein Vertrauen. Wir sind unterhaltend für ihn und charmante Gesellschaft. Den verschiedenen Rängen ist gemein, dass ihre Mitglieder allmächtig sind über seine Sinne. Joey hingegen ist auf dem besten Wege, allmächtig über sein Herz zu werden. Das ist ein entscheidender Unterschied!" Der Amerikaner mit den glänzenden blauen Augen lehnte sich zurück und atmete den aufsteigenden Duft der Mandel ein, der sich mit dem Wasserdampf vermengte. „Ich kann dir nur zustimmen. Aber wann wird er verstehen, dass er dabei ist, sein Herz zu verlieren? Das Gefühl ist ihm fremd und er weiß nichts damit anzufangen. Habt ihr eigentlich mitbekommen, dass Farradji unseren Briten zum Sultan gebracht hat? Stellt euch das vor! Der Oberaufseher wird geschickt, um einen Angehörigen des Dritten Ranges herbeizuholen, kein einfacher Page! Raphael hat mir davon erzählt, denn er speiste gerade zusammen mit Joey, als Odeon auf der Bildfläche erschien. Weshalb mag ihn Seine Majestät zu sich gerufen haben?" „Wer weiß? Vielleicht, um mit ihm zu plaudern?" „Wie mit einem Ebenbürtigen? Nun, bei Joey wäre das durchaus möglich...." Der Abend senkte sich auf die Türme, Mauern und Tore des prunkvollen Palastes. Das Fest zu Ehren der Sultanin-baschi Leila-Satis fand im Firouzé-Hof statt, der das Zentrum des Frauentraktes darstellte und in seiner Herrlichkeit nur mit dem Hof der Blumen vergleichbar war. Firouzé bedeutete Türkis und tatsächlich war der Ort der Feierlichkeit überwiegend in dieser Farbe gehalten, während die Edelsteine gleichen Namens die Wände, Säulen und Brunnen schmückten. Ishizu, der die Verantwortung für die Gestaltung des Festes oblag, dirigierte die Schar der Dienerinnen mit wahrhaft königlicher Grazie und Präzision. Kisara, die Zweite Gemahlin des Sultans, das lange silberblaue Haar zu einem mit Perlenschnüren dekorierten Zopf gebunden, trat an sie heran, während sie die Entstehung einer Diwan- und Kissenlandschaft überwachte, auf der die geladenen Gäste Platz nehmen würden. „Seid Ihr immer noch nervös? Alles läuft doch ganz hervorragend. Ich habe den Firouzé-Hof noch nie so strahlend gesehen - und auch Ihr seid nie schöner gewesen, Ishizu!" „Ich danke dir für diese freundlichen Worte. Aber dennoch ist mir, als wäre nicht alles perfekt. Irgendetwas stimmt nicht....es ist ein seltsames Gefühl der Beklemmung, das mich bedrückt. Wie die Ruhe vor dem Sturm....möglicherweise spielt mir meine Intuition aber auch nur einen Streich. Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Hilfst du mir, letzte Hand an ein paar Blumenarrangements zu legen? Die Dienerinnen sind manchmal so unkreativ." „Mit Vergnügen!" Die beiden Frauen begaben sich lachend an die Arbeit, während die Engländerin Mai, die Dritte Gemahlin des Herrschers, das üppige blonde Haar zu einem Knoten aufgesteckt, zum wiederholten Male an diesem Tag damit beschäftigt war, die zänkischen Konkubinen zurechtzuweisen. Als Leila-Satis in diamantenbesticktem Gewand, an der Hand ihren Sohn, gefolgt von den Haremsherren, die er für diesen Abend ausgewählt hatte, auf ihrem erhöht aufgestellten Diwan Platz nahm, spürte es jeder: Die Stunde der Lustbarkeiten war angebrochen. Der herrlichste der Springbrunnen innerhalb des Hofes bildete den großzügigen Mittelpunkt, um den herum die Kissen und Liegen gruppiert waren. Sein Wasser ergoss sich in mehrere übereinander angeordnete Schalen und schließlich in ein mit Blumen geschmücktes Bassin. Flinke Pagen sprangen zwischen den Reihen der Gäste hindurch, reichten auf goldenen und silbernen Tabletts arabische Süßigkeiten als Vorspeise oder schenkten roten perlenden Wein in reichverzierte Kelche. Aus dem Gold-Rang waren die Favoriten anwesend, Tristan, Allister und Varon vertraten den Silber-Rang und Dartz und Joey waren für den Bronze-Rang gekommen. Der Sultan sass auf einem Diwan neben seiner Mutter, seine drei Ehefrauen lagen in den zu seinen Füßen befindlichen Kissen wie gemalt, und die Konkubinen führten einen eigens für diesen Anlass einstudierten Tanz auf, umweht von ihren farbenprächtigen Schleiern. In einer dunklen Ecke, aufmerksam beobachtend und stillschweigend wie eine Statue, stand Odeon Farradji, der Oberaufseher des Serails. Er wirkte teilnahmslos, aber in seiner rechten Faust verbarg er ein zerknülltes Papier. Er war erzürnt und dachte mit Unglauben und Empörung an die Nachricht, die ihm vor einer Stunde von einem Pagen überbracht worden war. Der Schreiber blieb anonym, aber seine Mitteilung war niederschmetternd: „An den ehrenwerten Oberaufseher des Harems! Ich kann es nicht länger mit meinem Gewissen vereinbaren und greife daher zu diesem Mittel, um Euch meine bedeutsame Entdeckung zu berichten. Die beiden Favoriten Yami und Bakura haben eine heimliche Affäre! Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass dies ein Betrug an Seiner Majestät ist. Ich zweifele nicht, dass Ihr die nötigen Schritte einzuleiten versteht." Er wollte es nicht wahrhaben. Er war immer stolz gewesen auf seine Errungenschaften aus Japan und Russland, denn sie waren schöne Männer von einzigartigem Charakter und hatten ihn vom ersten Augenblick an beeindruckt. Es konnte nicht sein, dass sie einen derartigen Verrat begingen! Und wenn doch? Seine Unsicherheit in diesem Punkt war der Grund dafür, dass er die beiden Favoriten beobachtete, um Beweise für eine Vertrautheit zu finden, die über Freundschaft hinausging. Er wusste, dass Yami und Bakura sehr leidenschaftlich waren und dass sie einander in ihrem stahlharten Wesen ähnelten....eine vielversprechende Basis für eine glutvolle Liebschaft. Aber konnte er sich heute überhaupt mit einer solchen Vermutung herumplagen, wo doch sein Goldjaspis der Königin aller Königinnen vorgestellt werden sollte? „Mutter", sagte Seto ab-del Kaiba soeben, „....erlaubt mir, Euch meinen neuesten Schatz zu zeigen." Sie wusste, was er damit meinte und nickte hoheitsvoll. Obgleich sie es sich nicht anmerken ließ, war sie neugierig auf den jungen Briten und registrierte schmunzelnd, dass ihr Sohn ihn als seinen „neuesten Schatz" und nicht als seine „neueste Eroberung" bezeichnet hatte, denn jene, denen die Ehre erwiesen worden war, die Sultanin-baschi kennen zu lernen, hatten stets den Schmuck getragen, den man als Belohnung erhielt, wenn man sich zum ersten Mal dem König hingab. Dem Jüngling, der nun zu ihr trat und respektvoll in die Knie sank, fehlte dieses sichtbare Zeichen seiner Unterwerfung und sie erkannte überrascht, dass es ihm gelungen war, beinahe acht Wochen lang unberührt zu bleiben. Und noch immer war er nicht versöhnlicher gestimmt? Am Ende würde er vielleicht wirklich Yamis Rekord brechen! Sie erhob sich und umrundete ihn einmal, ihre blauen Augen unverwandt auf ihn richtend. Zwar war seine Haltung gebeugt, aber angesichts seiner Muskeln, die sich unter ihrem Blick strafften, wurde ihr klar, dass es nicht in seinem Wesen lag, sich vor anderen zu ducken. Ihm war ein stolzer Gang eigen und ein hocherhobenes Haupt, das sah sie sofort. „Steh auf." befahl sie sanft und er gehorchte. Aufrecht, herausfordernd, das war die Haltung, die ihm geziemte und die zu ihm passte. Auch war er von so vollendeter Schönheit, wie ihr Sohn es ihr erzählt hatte. Sein Antlitz war edel geformt und sein leicht gebräunter Teint von bezaubernder Reinheit. Das lange Haar, eine fließende Zierde aus Honig und Gold, unterstrich den Reiz seiner tiefbraunen Augen, in denen heiße Flammen zu lodern schienen, genährt von dem inneren Feuer seiner Persönlichkeit. Sein Körper war geschmeidig, stark und gesund, mit breiten Schultern, einer makellos kräftigen Brust, einer schlanken Taille und elegant geschwungenen Beinen. Noch einmal kehrte ihr Blick zu seinem Gesicht zurück und betrachtete die sündigen, vollen Lippen, denen die Macht der Verführung innewohnte. Es war nicht verwunderlich, dass ihr Sohn ihn begehrte! „Dein Name ist Joseph, nicht wahr?" wandte sie sich an ihn. „Ich habe bereits viel von dir gehört." „Dann bin ich umso dankbarer, dass ich Euch persönlich begegnen darf, denn welche Meinung könnt Ihr von mir haben, wenn Ihr nur die Gerüchte über mich kennt?" „Du glaubst, sie seien deinem Ruf abträglich?" „Missfällt es Euch nicht, wenn man sich dem Sultan, Eurem Sohn, widersetzt?" „Ja und nein." erwiderte sie mit der Andeutung eines Lächelns. „Ich empfinde Ungehorsam nicht als Tugend, aber es kommt darauf an, wer sich ihm widersetzt und warum." „Jene, die herrschen, fragen selten nach einem Grund." „Eine treffliche Antwort! Ich habe vernommen, du würdest dich nach deiner Heimat sehnen. Wünschst du dir immer noch die Freiheit?" „Euer Hoheit....sosehr ich auch begonnen habe, das Leben hier zu schätzen, kann ich doch nicht meine Inseln vergessen, wo ich geboren wurde. Kann ich Marokko in mein Herz einziehen lassen, wenn auch England diesen Platz für sich beansprucht? Nein, ich vermag es nicht. Böte sich mir eine Möglichkeit, den Harem zu verlassen, ich würde sie ergreifen." Seto zuckte kurz zusammen, als er das hörte. Ein merkwürdiges, schmerzhaftes Stechen marterte ihn in der Brust und er konnte sich nicht erklären, woher es rühren mochte. Joseph trug sich also nach wie vor mit dem Gedanken an Flucht? Konnte er denn diese verrückte Idee nicht aus seinem Kopf vertreiben? Was konnte, musste er tun, um diesen Mann an sich zu binden? Wie war ihm beizukommen? Wie war er zu überzeugen? „Du bist ehrlich, Brite. Das ist eine lobenswerte Eigenschaft. Aber dir ist sicher bewusst, dass du niemals wirst fliehen können?" „Ja." „Du akzeptierst es somit?" Er hob die Augen und sah sie offen an. „Es ist falsch, das Schicksal erzwingen zu wollen. Man kann nur auf seine Chancen warten und muss fähig sein, sie zu nutzen, wenn sie sich bieten." Leila wechselte mit Ishizu einen Blick. Die Königinmutter und die Erste Gemahlin waren sich einig: Dieser Bursche war wie geschaffen dafür, Sultan-baschi zu werden! Ihn hatte Allah gesandt, um das Herz des Fürsten in seinen Bann zu schlagen, damit er endlich die Liebe in all ihrem Reichtum erfahren konnte. Sie bettete ihre Hand auf seiner Schulter und erklärte: „Ich bin erfreut, dich kennen gelernt zu haben, Joseph. Es war mir ein Vergnügen." „Mir war es eine Ehre, Euer Majestät." Er verbeugte sich und kehrte an Dartz‘ Seite zurück, der ihn anerkennend anlächelte. Die große Dame des Reiches neigte sich zu ihrem Sohn hinüber und flüsterte: „Er ist deiner würdig, mehr als je ein Mann zuvor. Gewalt wird dir bei ihm nicht weiterhelfen und auch deine Verführungsversuche müssen unweigerlich scheitern. Du kannst ihn nur durch Liebe erringen." „Wie soll ich ein Gefühl in ihm wecken, das mir selbst fremd ist?" „Indem du ihm offenbarst, was dein Herz bewegt. Singe für meine Festgesellschaft! Singe für deine Frauen und deine Gespielen! Singe für mich....und für ihn!" Er begriff sofort. Sein mangelndes Talent darin, seine Gefühle auszudrücken, löste sich in nichts auf, sobald er zu singen begann und sein Herz befreite sich von den Ketten seiner Angst und seiner Zweifel. Er ließ sich sein Instrument bringen, präludierte eine Weile und wählte ein Liebeslied für seinen Vortrag. Seine volle, sinnliche Stimme erfüllte die Umgebung, überflutete den Hof mit ihrem unvergleichlichen Tenor und jagte den Anwesenden angenehme Schauer über den Rücken. Ishizu, Kisara und Mai lauschten tief bewegt seiner Darbietung und die Männer seines Harems sanken in ihre Kissen zurück und schlossen träumerisch die Augen. „Seine Stimme ist ebenso berauschend wie die des Magischen Troubadours", murmelte Dartz versonnen. Joey unterließ es, ihn darüber aufzuklären, dass der Sultan und der geheimnisvolle Musikant ein und dieselbe Person waren und beobachtete den Monarchen, wie er sich von seinem Diwan erhob und mit eleganten Schritten um den grandiosen Brunnen herumwanderte. Er kam nahe an seinen Platz heran und sang den Refrain des Stückes. Der Blondschopf erkannte endlich das Lied wieder, das ihn einst aus seinem Gemach gelockt hatte, hinaus in den Garten, wo ihm Ab-del Kaiba einen Kuss gestohlen hatte. Er übersetzte die arabischen Worte und fühle sich unweigerlich erbeben, noch viel stärker als damals: „Liebe brennt in meinem Herzen, Liebe hält mich umfangen, Liebe, die ich nie gekannt. Trägt mich auf sanften Schwingen durch die Nacht, ergeben einer Macht, die an dich mich band." Glühende, saphirblaue Augen lagen auf ihm, schimmerten im Glanz eines Verlangens, das herrisch und zugleich zärtlich war, ungebändigt, sehnsuchtsvoll. Aber er las mehr als nur Begehren in diesem unergründlichen, heißen Blick - Bewunderung und Respekt vermischten sich darin und erschütterten Joseph bis in die Grundfesten seines Wesens. Wusste der König überhaupt, dass er ihm einen solchen Blick schenkte? Der Sänger verstummte und neigte sich zu seinem Ohr. Sein warmer Atem streifte die Haut des Briten und er musste schlucken. „Joseph....dieser Name beschäftigt mich unaufhörlich", flüsterte er heiser, in einem leidenschaftlichen, einschmeichelnden Ton, wie er ihn als Verführer so gern gebrauchte. „Wenn ich arbeite, mich um Staatsdinge kümmere, tritt unvermittelt dieser Name auf meine Lippen und ruft deine strahlende Erscheinung in mein Gedächtnis....Ich bedarf deines Stolzes, deiner Kraft, deines unbrechbaren Willens, die mich reizen und verwirren. Und doch möchte ich dich schwach werden sehen....möchte erfahren, welchen Ausdruck deine Augen tragen, wenn du ermattet vom Liebesspiel in meinen Armen in einen süßen Schlummer sinkst.... Joseph....du bist der Traum desjenigen, der nie geträumt hat. Du bist die Quelle in der Wüste, die Speise für den Hungernden, der Frieden für jenen, der nichts als den Krieg kennt. Du bist der Unerklärliche, Unbezähmbare, Unbezwingbare....der Unvergessliche...." Er trat zurück, um den 22jährigen betrachten zu können. Seine Wangen waren gerötet und eine Hand spielte nervös mit den goldenen Strähnen seines Haares. „Komm mit." befahl der Sultan und diesmal gehorchte Joey ihm ohne Widerstreben. Die Gesellschaft verfolgte neugierig, wie ihr Fürst und sein neuer Günstling im Inneren des Palastes verschwanden und gleich darauf begannen die Konkubinen, die Köpfe zusammenzustecken und zu tuscheln. Leila-Satis lächelte ihrem Sohn wissend hinterher; sie wirkte vergnügt und heiter. Seto geleitete den Engländer durch lange gewundene Korridore, bis sie ein kleines Kabinett erreicht hatten. Es war prächtig eingerichtet, mit wunderbaren Fresken an den Wänden, die einen jungen Araberprinzen beim Bade zeigten, umringt von gleichgeschlechtlichen Gefährten. Es handelte sich um eine Bildfolge, die davon erzählte, wie der Prinz sich in einen seiner Begleiter verliebt und wie sie einander ihre Gefühle gestehen und ihre Liebe vollziehen. Das letzte Gemälde war weder obszön noch anrüchig, aber die Szene ließ keinen Zweifel darüber, was die beiden Männer taten. Und obwohl alles Entscheidende züchtig verhüllt oder bedeckt war, waren die kräftigen Farben üppig und wollüstig, die fast nackten Körper in makelloser Vollendung und Schönheit gemalt....Der Blonde erschauerte und versuchte, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen, doch es misslang ihm. „Hierher komme ich in meinen Musestunden....wenn ich darüber nachdenke, auf welche Weise ich meinen Liebhabern noch huldigen könnte." „Zweifellos ist dies der richtige Ort für derartige Überlegungen." antwortete Joey hastig, darum bemüht, sich der erregenden Ausstrahlung der Fresken zu entziehen. Auch die Anwesenheit des Sultans war erschreckend irritierend, denn in dem Kabinett gab es nur wenig Licht von ein paar Kerzen, die ihren feurigen Schein über die Brust, die Hände und die Lippen des Königs gossen, dafür aber die anderen Aspekte seiner Anatomie weiterhin in den Schatten verbargen. Der Rest seines Gesichts war in ein dämmriges Dunkel getaucht, nur seine Augen leuchteten darin wie die einer Katze. Die Finger des Briten krampften sich in seinen schwarzen Haremsrock und seine Lenden begannen zu vibrieren. Die Atmosphäre um sie herum erzeugte eine merkwürdige Beklemmung in ihm und seine Stirn wurde feucht von Schweiß. „Warum....warum habt Ihr mich hergebracht?" „Um dir das hier zu geben." Der Brünette trat zu der Liege, die in dem Raum aufgestellt war und schob sie ein Stück zur Seite. Im Boden kam eine kleine Klappe zum Vorschein und der Fürst öffnete sie. Darunter befand sich eine Versenkung und darin lag ein sorgsam eingewickeltes Päckchen. Er reichte es seinem Gegenüber. „Was ist das?" „Sieh nach." Joey dröselte die Schnur auf und schob den Stoff auseinander. Dann sog er überrascht die Luft ein. Das Päckchen enthielt ein Paar goldener Ohrringe mit Rubinen, umrahmt von einem Flammenmuster. Das war das Geschmeide, das er auf dem Basar hatte erwerben wollen! „Sie gehören dir." „Was erwartet Ihr dafür von mir? Glaubt nicht, dass Ihr mich durch Geschenke erweichen könnt! Ich bin nicht käuflich!" „Das weiß ich. Ich überlasse sie dir als Zeichen meiner Wertschätzung." Den Jüngeren erfasste unversehens ein Schwindel. Keine Gegenleistung? Einfach nur eine Geste, um ihm Bewunderung zu zollen? Er konnte es nicht glauben und wusste doch im selben Moment, dass es dem Sultan ernst war. Er sah ihn an, wie er dort vor ihm stand, geschmackvoll gekleidet, das Hemd nachlässig geknöpft, sodass sein schöner Oberkörper sichtbar war, der Schmuck passend ausgewählt zu den Farben seines Gewands. Schlank und groß, erinnerte er in seiner grazilen Haltung an die unnachahmliche Eleganz der Statuen, nur mit dem Unterschied, dass diese Statue lebte, eine weiche, anschmiegsame Haut besass und heiß pulsierendes Blut in den Adern hatte. Joey taumelte. Von einer plötzlichen, heftigen Woge der Sehnsucht überwältigt, stützte er sich an der Wand ab, immer noch unfähig, seinen Blick von dem anderen zu lösen. Sein Atem ging keuchend und das Begehren schnürte ihm die Kehle zusammen. „Es ist spät, Joseph", meinte der Monarch leise. „Du solltest dich in dein Zimmer zurückziehen und schlafen. Deine Augen sind müde." Er ergriff seine Hand und presste einen langen, süßen Kuss darauf, ehe er ihn losließ. „Ich wünsche dir glückliche Träume." Der Brite wanke hinaus aus dem Kabinett, das Päckchen mit dem Schmuck umklammernd wie einen Rettungsanker. Er fand den Weg, der zu den Gemächern des Bronze-Ranges führte und ließ sich erschöpft auf sein Lager fallen, als er in der ihm vertrauten Umgebung angelangt war. Das Herz hämmerte ihm wild in der Brust und er fühlte sich durch diesen Abend an den Sultan gefesselt, stärker, als er es durch seine Küsse gewesen war.... Fortsetzung folgt^^ Kapitel 9: Fatale Entdeckung ---------------------------- Hallo, Ihr Lieben!^^ 75 Kommis! *sing* *tanz* *schwitz* Okay, bei diesen Temperaturen sollte ich lieber nicht tanzen...jedenfalls vielen Dank für Eure Kommis, ich hab mich sehr gefreut!^^ Hier ist nun also das neue Kapitel! Neuntes Kapitel: Fatale Entdeckung Der Kuss brannte vor Verlangen. Bakura liebkoste Yamis Mund heiß und innig und genoss den Schauer der Erregung, der den anmutigen Körper des Asiaten durchrann. Das Fest anlässlich des Geburtstages der Sultanin-baschi war zu Ende gegangen und die beiden Favoriten hatten, anstatt sich in ihre Schlafgemächer zu begeben, einen Spaziergang durch die Gärten begonnen. Zusätzlich zu den Innenhöfen war die Palastanlage von mehreren Gärten durchzogen, in denen die Haremsmitglieder lustwandeln konnten. Die Nacht war lau, der Himmel präsentierte sich in einem glitzernden Gewand aus schwarzem Samt und goldenen Sternen, der Mond schien wohlwollend auf das junge Paar hinunter. Am Sockel einer Statue hatten sich Yami und Bakura niedergesetzt und sich geküsst. Ihre Lippen glühten bei jeder Berührung und ihre Zungen erkundeten den Geschmack des jeweils anderen voller Inbrunst. „Mein Liebster", hauchte der Russe und zog ihn eng an sich, „....ich....ich habe nachgedacht. Wie lange können wir uns noch verstecken? Ich befürchte, dass wir nur zu bald entdeckt werden könnten - es gelingt mir nicht, diese ungute Ahnung abzuschütteln. Und daher....daher möchte ich dich bitten, Abstand zu mir zu wahren. Aus diesem Grund ersuchte ich dich, noch mit mir spazierenzugehen. Du weißt genau, dass es für unsere Liebe innerhalb dieser Mauern keine Zukunft gibt! Es ist besser, es zu beenden, bevor wir...." „....bevor wir was!?" unterbrach der Japaner ihn hart. „Bevor wir rettungslos ineinander verliebt sind? Ist das nicht bereits geschehen, du dummer, wunderschöner Narr? Ich bin nicht willens, nur wegen einem negativen Gefühl unsere Liebe zu verleugnen! Wie du hege ich eine dunkle Ahnung....aber ist es nicht schon zu spät für einen Rückschritt? Niemand würde uns eine gespielte Gleichgültigkeit abnehmen! Hör mir zu, Bakura: Unsere Verbindung war von Anfang an risikoreich und stand unter einem schlechten Stern. Es ist dem Zufall und einer Portion Glück zu verdanken, dass wir bisher noch nicht entdeckt worden sind. Aber eines Tages wird es geschehen....und ich werde die daraus resultierenden Folgen tragen. Entweder für das büßen, was ich fühle, oder es verschweigen und somit mein eigenes Herz verraten? Das kann ich nicht. Ich liebe dich mit allem, was ich bin! Und wenn der Tod für uns der einzige Ausweg ist, so sei es denn! Ich werde dich nicht aufgeben, nur um mein Leben zu retten!" Der Weißhaarige starrte ihn an und ertrank fast in den unergründlichen violetten Seen, die ihn zärtlich betrachteten. Yamis gesamte Haltung, sein Blick, sein traurig-gefasstes Lächeln drückten die Willenskraft, die innere Stärke, den Stolz seines Charakters aus. Er war bereit, den Tod zu akzeptieren, ohne zögern. Seine blassen Hände krampften sich in seinen Haremsmantel und er erinnerte sich wehmütig an den Tag, da er dem Bunthaarigen zum ersten Mal begegnet war....ein wahrhaft schicksalsträchtiger Tag.... ~~ RÜCKBLENDE ~~ Odeon Farradji betrachtete seine neueste Errungenschaft mit einer Mischung aus Bewunderung und unverhohlener Zufriedenheit. Der Schöne aus dem fernen Land, das so ganz anders war als Marokko, in dem kalte Temperaturen herrschten und wo das für den Oberaufseher so interessante Phänomen des Schnees etwas völlig normales war, besass ein tapferes und stählernes Wesen. Gewiss würde er den Sultan begeistern können! „Diese Jahreszeit, in der dieser Schnee fällt, wie nennst du sie?" „Winter. Wenn es geschneit hat, ist Moskau wie unter einer weißen Haube verschwunden. Für Euch wäre das zweifellos ein ungewohnter und merkwürdiger Anblick. Aber Ihr habt mir meine Frage noch nicht beantwortet - was ist Seto ab-del Kaiba für ein Mensch?" „Du wirst ihn früh genug kennen lernen, Silberhaar. Wir nähern uns dem Oberen Harem. Ich möchte dich darauf hinweisen, dass du die Männer des Serails mit Respekt zu behandeln hast. Du bist der Neuling in ihren Reihen und daher der Rangniedrigste unter ihnen, unabhängig von deinem Alter. Sei also nicht unverschämt! Es ist mir durchaus aufgefallen, dass du eine recht scharfe Zunge hast. Hüte dich!" Bakura hörte nur mit halbem Ohr zu. Er hatte nicht die Absicht, länger als nötig in diesem Goldenen Käfig zu bleiben! Allerdings ahnte er, dass er Odeon nicht gewachsen war, denn dieser hatte bereits einen Fluchtversuch seinerseits vereitelt und hatte seitdem immer ein äußerst wachsames Auge auf ihn. Er wollte etwas erwidern, als er sah, wie der dunkelhäutige Hüne plötzlich in eine ehrerbietige Reverenz versank, ebenso wie die Eunuchen, die seine Wache und Eskorte bildeten. Der Russe wandte sich verwirrt um und erkannte in dem Korridor vor ihnen, der offenbar in einen Garten mündete, eine schlanke Gestalt, die mit eleganten Schritten auf ihre Gruppe zukam. Die Person stand schließlich vor ihnen und musterte ihn mit Neugier und leiser Missbilligung, da er keine Anstalten gemacht hatte, sich zu verbeugen. Bakura war sprachlos vor Staunen und hatte die angemessene Verneigung deshalb vergessen. Wildes Haar in tiefem Schwarz, leuchtendem Rot und sattem Gold umrahmte ein edles, vornehm geschnittenes Gesicht mit einer süßen Nase, ungemein sündigen Lippen und atemberaubenden Augen, die von der Farbe des Amethyst waren. Obwohl von eher geringerer Größe, war er dennoch perfekt proportioniert, seine Muskeln schienen mit der Kunstfertigkeit eines Bildhauers geschaffen worden zu sein, denn sie waren geschmeidig und makellos, die Beine von beneidenswerter Länge und Grazie. Er wirkte ein wenig zierlich, doch der energische Zug um seinen Mund und die eiserne Härte seines Blickes ließen den Weißhaarigen sofort erkennen, dass er hier einen Mann seiner Art vor sich hatte - einen stolzen, unerschütterlichen, mit scharfsinnigem Geist und geschickter Zunge begabten Mann, der Könige bezwingen konnte. Farradji zischte: „Auf die Knie mit dir! Das ist Yami, einer der Favoriten des Sultans!" Er gehorchte automatisch, denn er wusste, dass man sich einen Burschen von ähnlich gestaltetem Wesen nicht zum Feind machte - zumal dies einer der schönsten Männer war, die er je gesehen hatte. Ein Favorit also....nun, es verwunderte ihn nicht. Jemand mit einem solchen Charisma musste einfach eine hohe Position innehaben! Und er trug auch einen ungewöhnlichen Namen. Wo mochte er herkommen? Wie lange lebte er schon hier? Kannte er den Fürsten gut? Es drängte ihn, ein paar Worte mit Yami zu wechseln, doch da wurde er von einem der Eunuchen gepackt und in einen anderen Flur gezerrt.... Einen Monat später wohnte er zum ersten Mal der geselligen Zusammenkunft im Hof der Blumen bei. Er hatte sich im Bronze-Rang etabliert und war umso erstaunter, als Yami von sich aus an ihn herantrat. Er hatte gerade mit schnellen, kraftvollen Zügen das große Becken durchquert und ein Page reichte ihm ein Handtuch, als der Favorit ihn herauswinkte. „Was wünscht Ihr?" „Ich habe gehört, dass du dich Seiner Majestät verweigert hast. Wie war doch gleich dein Name?" „Bakura." „Richtig, ich erinnere mich. Nun, Bakura, und wann beabsichtigst du, deine Pflicht als Haremsmitglied zu erfüllen?" „Wenn ich Lust dazu habe!!" erwiderte er barsch. „Was geht Euch das überhaupt an? Solltet Ihr nicht lieber eifersüchtig sein, anstatt Euch Sorgen um die Gunst zu machen, die der Fürst mir schenkt?" „Eifersüchtig? Oh, ich bitte dich. Glaubst du das wirklich? Der Sultan hat nur einen wahren Geliebten - sich selbst. Ich mag bisweilen seine Sinne betören können, aber noch keinem Mann innerhalb dieser Mauern ist es gelungen, sein Herz an sich zu binden. Odeon Farradji ist schon kurz davor, zu verzweifeln, weil auch du seine Hoffnungen enttäuscht hast!" Der Russe musterte den Bunthaarigen verwirrt. „Welche Hoffnungen?" „Der Oberaufseher ist von dem Wunsch beseelt, Seiner Majestät einen Mann zu liefern, der sein Herz gefangen nimmt. Er sucht die Sklavenmärkte aller Meereshäfen ab, um den Einen zu finden, jenen, der einst den Rang des Sultan-baschi erobern wird." „Davon hat man mir erzählt. Und er ist dem Irrtum erlegen, dass ich das sein könnte?" „Ja, genau wie bei mir. Gewiss, ich bin zum Favoriten aufgestiegen, aber das Herz des Fürsten ist mir fremd geblieben. Ich konnte es nie ergründen - ganz einfach, weil ich nicht der Eine für ihn bin. Ich mag der Eine für einen anderen Mann sein, aber nicht für Seto ab-del Kaiba. Auch Marik, dem zweiten Favoriten, ist es missglückt. Hm...." Er betrachtete seinen Gegenüber ausgiebig und konnte nicht verhindern, ein erregendes Prickeln zu verspüren, als seine Augen über die helle Haut, die makellosen Formen und die verführerischen Lippen wanderten. „Siehst du den Jüngling dort drüben?" Er deutete zum Buffet hinüber, wo ein Schönling mit langen schwarzen Haaren und smaragdgrünen Augen eben dabei war, etwas von den Speisen auszuwählen. Die Schärpe an seinem Hüftrock war silbern und ließ keinen Zweifel an seiner Rangzugehörigkeit. „Das ist Duke. Gerüchten zufolge trägt sich Seine Majestät mit dem Gedanken, ihn in den Gold-Rang zu erheben. Er hat das Zeug zum Favoriten und ich mag ihn. Aber ich glaube nicht, dass er Sultan-baschi werden könnte. Deswegen zeige ich ihn dir auch gar nicht. Ich bin lediglich der Ansicht, dass man seine zukünftigen Kameraden besser sofort kennen sollte." „Zukünftige Kameraden? Wie darf ich denn das verstehen?" „So, wie ich es gesagt habe. Du bist vielleicht nicht des Titels des Sultan-baschi würdig....aber dem eines Favoriten mit Sicherheit. Eines Tages werde ich dich in den Gemächern des Ersten Ranges willkommenheißen, Bakura - und ich freue mich schon darauf." Damit schwenkte er seinen Fächer vor dem Gesicht und marschierte mit einem geheimnisvollen Lächeln von dannen; einem Lächeln, das seltsam verheißungsvoll war und in seinen violetten Augen ein sinnliches Leuchten aufflammen ließ, das dem Russen durch Mark und Bein ging. Wie eigentümlich war das! Und doch....irgendetwas sagte ihm, dass Yamis Gespür für den Charakter und die Fähigkeiten anderer Menschen ihn nicht getrogen hatte.... Yami. Er schmeckte diesen Namen auf der Zunge wie eine volle Mahlzeit nach einer Hungersnot. Seit ihrer ersten Begegnung hatte ihn der Gedanke an diesen erstaunlichen Mann nie verlassen und die Sehnsucht, die ihn dabei befiel, erschreckte und beglückte ihn zugleich. Es stimmte. Er mochte nicht der Eine für den Sultan sein....aber vielleicht für ihn.... ~~ ENDE DER RÜCKBLENDE ~~ „Ich auch nicht...." erklärte er und da der Japaner ihn fragend ansah: „Auch ich werde dich und meine Liebe zu dir nicht aufgeben, um mein Leben zu retten. Ich bin kein Feigling und werde zu dem stehen, was ich empfinde." Sie tauschten ein ernstes, entschiedenes Lächeln und küssen sich innig ein weiteres Mal. Das Geräusch von Schritten veranlasste sie jedoch, sich blitzartig voneinander zu lösen. Beiden stockte der Atem im Bruchteil der nächsten Sekunde und in einer stummen Geste der Furcht und Bereitschaft, das nunmehr Geschehene als unvermeidlich zu akzeptieren, starrten sie in das wie von Schmerzen verzerrte Antlitz Odeon Farradjis. „Oh Allah, was ist das nur für eine schreckliche Entdeckung, die du mich machen lässt!" klagte er und rang die Hände. „Könnte ich blind sein, um die Küsse nicht zu sehen! Könnte ich taub sein, um die zärtlichen Worte nicht zu hören! Zwei der glanzvollsten Männer dieses Serails, Männer, auf deren Erwerb ich immer stolz war....und nun das!" Er schüttelte wehmütig den Kopf, zutiefst bestürzt, da er erkennen musste, dass der Inhalt des anonymen Briefes der Wahrheit entsprach. Yami und Bakura hatten sich erhoben und der Weißhaarige meinte kühl und ruhig: „Grämt Euch nicht. Wir wussten von Anfang an, welchen Preis wir für die Entlarvung unserer Beziehung würden bezahlen müssen. Plagt Euch nicht mit Eurem Weh und Ach. Tut, was getan werden muss." Der Oberaufseher betrachtete sie erschüttert und voller Bewunderung und rief seine Eunuchen herbei. Die beiden Favoriten wurden gepackt und ihre Hände auf den Rücken gedreht. „Bringt sie in das unterirdische Gefängnis. Morgen werde ich den Sultan von diesem....Ereignis in Kenntnis setzen." Seto ab-del Kaiba lauschte am nächsten Tag dem Bericht seines Vertrauten und als er die Identität der zwei Haremsherren erfuhr, die ihn betrogen hatten, war er entsetzt. Er war wütend, verletzt und zum Schluss traurig. Wie hatten sie es nur wagen können?! Wie konnten sie sich erdreisten, einander das zu schenken, was ganz allein ihm zustand?! Seine Mutter, die ihm heute, wie es manchmal vorkam, während der Frühstücks Gesellschaft leistete, unterbrach seinen Zornesausbruch. „Ring um Fassung, mein Sohn, ich bitte dich. Ich wiederhole mich, glaube ich, wenn ich sage, dass du deine Bedeutung überschätzt. Die Männer deines Harems sind jung und lebenslustig. Du kannst ihnen nicht verbieten, sich zu verlieben, auch wenn die Gesetze des Serails es ihnen eigentlich nicht gestatten, einem anderen als dir zu huldigen. Aber du kannst einem menschlichen Herz keine Vorschriften machen! Das ist unsinnig! Du irrst dich, wenn du annimmst, wir wären Herr über unsere Gefühle. Sie lassen sich nicht lenken, nicht beeinflussen. Ich ersuche dich im Namen des jungen Paares, ihnen keine Strafe aufzubürden, die sie nicht verdient haben! Man kann niemanden für seine Liebe schuldig sprechen!" Doch diesmal achtete ihr Sohn nicht auf sie und sie merkte es an seinen blitzenden Augen, die sich wie bei einem Gewitter verdüstert hatten. Er war wieder ganz der unnachgiebige, absolutistische Monarch, der nicht nach Beweggründen und Motiven fragte, sondern Gericht hielt, wie es ihm gefiel und jeden verdammte, der sich ihm widersetzte. Sie verabscheute diesen kalten, harten Blick, wie sie ihn schon bei ihrem Gatten verabscheut hatte und startete einen letzten Versuch, den Sultan zur Vernunft zu bringen: „Lass Gnade walten, ich flehe dich an! Durch Grausamkeit wird dein Volk dich fürchten, aber durch dein Verzeihen wird es lernen, dich zu respektieren!" „Verzeihen!" stieß er höhnisch hervor. „Niemals! Ich kann es mir nicht erlauben, Schwäche zu zeigen!" „Es handelt sich nicht um Schwäche, sondern um Barmherzigkeit." „Gefährliche Nuance! Nein, Mutter. Sosehr ich Euren Rat schätze, in dieser Sache dulde ich keine Einmischung Eurerseits. Alle Männer meines Harems sind mein Eigentum! Mich zu betrügen ist ein Frevel! Darauf gibt es nur eine Antwort - die Hinrichtung! Ich werde ein Exempel statuieren!" „Euer Hoheit...." wagte Odeon, das Wort zu ergreifen, „....wenn ich einen Vorschlag machen darf....Yami ist der Sprecher des Obersten Ranges und nach mir die wohl zweitmächtigste Persönlichkeit innerhalb des Harems. Redet mit ihm. Haltet ihm die Option offen, sich bei Euch zu entschuldigen. Dann muss nur einer sterben." Der Brünette verschränkte die Arme und wanderte eine Weile auf und ab. „Na schön - hole ihn her! Aber das ist seine einzige Chance, vergiss das nicht!" Marik stürzte in Tränen aufgelöst in Dukes Schlafgemach und der Amerikaner, der seine Haare gerade zu dem Zopf band, den er üblicherweise trug, zuckte zusammen. „Du meine Güte! Was ist los mit dir? Du bist ja ganz aufgeregt! Und du weinst....was ist passiert? So sprich doch endlich!" Er packte den Ägypter an den Oberarmen und schüttelte ihn energisch, damit er sich zusammenriss und tatsächlich gelang es dem Platinblonden, zwischen seinen Schluchzern ein paar Wortfetzen hervor zu würgen, die Duke das Blut in den Adern zu Eis erstarren ließen: „Furchtbar....sie sind entdeckt....ich habe es von einem der Pagen erfahren....man hat sie eingesperrt....sie sollen sterben...." Erschöpft sank er in die Umklammerung des Schwarzhaarigen und vergrub sein tränennasses Gesicht an dessen Schulter. Sämtliche Farbe war dem Älteren aus den Wangen gewichen und während er den zitternden Körper wiegte, der sich mit nachlassenden Kräften an ihm festhielt, krampften sich seine Finger in den dunkelblauen Mantel des anderen. Es war unmöglich! Gestern war doch noch alles in Ordnung gewesen! Yami und Bakura hatten sich während des Festes wie Freunde verhalten, nichts hatte einem Uneingeweihten Aufschluss über ihre Gefühle füreinander geben können! Es war nie besonders einfach für sie gewesen, ihre Emotionen zu verbergen, aber sie hatten es geschafft! Wie hatte Farradji sie nur durchschauen können? Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Man hatte die beiden verraten! In einer Aufwallung von Zorn schob er Marik von sich und zischte: „Siegfried....!" „Was....?! Du glaubst....er hat geplaudert?! Aber woher wusste er....?!" „Du vergisst, dass er Yami schon immer loswerden wollte. Ich vermute, dass er ihn beobachtet hat, um etwas Belastendes zu finden. Sie waren vorsichtig, aber wenn man ständig mit der zweifelhaften Aufmerksamkeit einer verlogenen Schlange gestraft ist, ohne sich dessen bewusst zu sein, geschieht es unweigerlich, dass man für einen kleinen Moment mal unachtsam ist. Wahrscheinlich hat er sie in einer verfänglichen Situation beobachtet. Das ist Joey zum Beispiel auch passiert, aber er hat ohne Zögern sein Schweigen versprochen. Von einem Mistkerl wie Siegfried kann man so etwas nicht erwarten. Er war Mitglied des Gold-Ranges, aber das hat ihm nicht genügt. Also hat er versucht, Yami zu vergiften. Gott sei Dank hat er das vergiftete Sorbett nicht gegessen, weil einer der Jagdhunde des Königs ihn angerempelt hat und die Schale am Boden zerschellte. Aber der besagte Hund hat das Sorbett aufgeleckt und ist verschieden. Für uns war der Fall klar, aber wir konnten nicht beweisen, dass Siegfried der Schuldige war. Wir haben es vermutet, aber das war nicht ausreichend, um ihn ganz aus dem Serail zu entfernen. Er wurde nur einen Rang zurückgestuft, wie du weißt - und sein Verrat ist seine Rache, mit der er zugleich seinen verhassten Rivalen beseitigen und seine frühere Position wiedererlangen will." „Das klingt durchaus logisch, aber weshalb sollte er auch Bakuras Tod wollen?" „Da er weiß, dass die beiden ein Liebespaar sind, ist es besser für ihn, Bakura ebenfalls ans Messer zu liefern, denn sonst könnte Bakura auf die Idee kommen, Siegfried an den Pranger zu stellen. Und beizeiten hätten wohl auch wir irgendwann einen kleinen Unfall gehabt." „Ist das....dein Ernst?! Das ist grässlich!" „Ja - und ich finde, Siegfried ist grässlich. Sein Ehrgeiz ist von besessener, krankhafter Natur. Er ist bereit, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Und er ist ein schlechter Verlierer. Wenn er nicht gewinnen kann, will er gar nicht erst spielen. Nur ein niederer Charakter wie er konnte so tief sinken! Er verrät ihre Liebe, um ihnen den Tod zu bringen! Grauenhaft!" Der Ägypter umarmte nun seinerseits den Amerikaner, denn jetzt war dieser in heftiges Schluchzen ausgebrochen. Es war ausgeschlossen! Sie konnten doch nicht zulassen, dass ihre Freunde zum Schafott geführt wurden! Aber was blieb ihnen? Der Fürst würde die ihm zugefügte Kränkung durch den Betrug nicht hinnehmen. Er war der Sultan, der Beherrscher der Gläubigen. Was kümmerten ihn die anderen? Er würde das vernichtende Urteil fällen, grausam, gnadenlos, wie es seit Jahrhunderten in Marokko üblich war. Wer konnte schon dieses verhärtete, rätselhafte Herz anrühren? Der Bunthaarige kniete vor Seiner Majestät. Man hatte ihm seinen Schmuck und seinen Serailmantel abgenommen sowie seinen Rock und seine Schärpe gegen ein Gewand aus schäbigem Leinen ausgetauscht, wie es einem Gefangenen zukam. „Odeon hat mir berichtet, was sich ereignet hat. Ich bin immer noch fassungslos, dass gerade du zu einem solchen Frevel fähig bist. Dennoch biete ich dir eine Wahl, die du kaum ausschlagen kannst: Entschuldige dich bei mir für dein Vergehen und erkläre dich damit einverstanden, deine Bindungen zu Bakura zu lösen. Das wird dir das Leben retten. Lehnst du ab, Einsicht zu zeigen, wirst du zusammen mit ihm exekutiert werden!" Der Asiat hob seine klaren Augen und blickte dem Monarchen ohne Angst offen ins Gesicht. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er antwortete: „Ich dachte, Ihr würdet mich besser kennen, Euer Hoheit. Ich bedaure, nun feststellen zu müssen, das dem nicht so ist. Was Ihr mir bietet, ist keine Wahl, sondern ein Ultimatum, dessen Bedingungen ich nicht akzeptieren kann und will. Was Ihr da von mir verlangt, ist empörend und schamlos! Ich soll meine Gefühle verleugnen und Bakura dafür büßen lassen, um meine eigene Haut zu retten?! Nie!!" Der Ausruf war scharf wie ein Peitschenhieb. „Es existieren nur zwei Alternativen: Leben oder sterben! Und ich werde den Mann, den ich liebe, nicht allein in den Tod gehen lassen!! Wenn es uns schon nicht vergönnt ist, gemeinsam zu leben, so werden wir wenigstens gemeinsam sterben!!" Seto fuhr zurück. Es schien ihm unbegreiflich, dass Yami, der doch sonst so klug und vernünftig war, eine derartige Narretei verüben wollte! Er war bereit, sich an der Seite Bakuras hinrichten zu lassen, anstatt sein eigenes Leben zu wählen?! Der Oberaufseher bedeckte seine Augen mit der Hand und schluckte. Er war nicht verwundert, oh nein. Er hatte geahnt, dass der stolze Japaner ein wahrhaft Liebender war, der niemals sein persönliches Wohlergehen über das seines Geliebten stellen würde. Tränen stauten sich in ihm auf. Was für großartige Männer die Welt verlieren würde! „Du weigerst dich also....nun denn, dann soll es so sein. Odeon, schaff ihn in den Kerker zurück und lass verkünden, dass an den Favoriten Yami und Bakura in drei Tagen das Urteil vollstreckt werden wird! Sie haben sich des Betruges meiner Person schuldig gemacht. Die Strafe lautet: Tod durch Enthauptung!" „Ich bedaure Euch, mein König", erwiderte der Favorit leise. „Ihr habt nie gelernt, was Liebe ist und deshalb ist Euer Herz nicht fähig, zu verzeihen. Ihr mögt über hundert Männer als Euer Eigentum betrachten, aber dennoch....Ich habe noch nie zuvor einen Menschen gesehen, der so einsam ist wie Ihr...." Die Türen schlossen sich hinter ihm und zurück blieb nichts als gespenstische Stille. Dann, in einer jähen Regung des Zorns und der Verzweiflung, fegte der Sultan den Weinkelch vom Tisch. Die rote Flüssigkeit ergoss sich auf den prachtvollen persischen Teppich. Es sah aus wie ein Blutfleck. Fortsetzung folgt... Kapitel 10: Der Tag der Hinrichtung ----------------------------------- So, ich bin aus dem Urlaub zurück und kann wieder was hochladen! Nun also das zehnte Kapitel, das Aufschluss darüber gibt, ob Yami und Bakura sterben oder nicht...(nee, selber lesen, ich schweige wie ein Grab!) Zehntes Kapitel: Der Tag der Hinrichtung Tristan erfuhr es von Duke und Dartz wiederum von Allister, bis sich die schreckliche Nachricht im gesamten Harem verbreitet hatte: Die beiden vielgeachteten Favoriten Yami und Bakura sollten exekutiert werden! Die Sultanin-baschi hatte diese erschütternde Botschaft unlängst den drei Gemahlinnen und den Konkubinen hinterbracht und Ishizu war zutiefst entsetzt. Nachdem Leila ihr aber schweren Herzens versichert hatte, dass selbst ihre Bemühungen, für die beiden Gnade zu erwirken, auf taube Ohren gestoßen waren, obwohl sie doch die Königinmutter war, sank die Schwarzhaarige auf ihrem Diwan zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Sie empfand durchaus Zuneigung für Seto und hatte, da sie andere Seiten an ihm kannte, nie gelernt, seine Grausamkeit zu akzeptieren. Das war.... grauenhaft! Natürlich traf den Fürsten dieser Verrat besonders bitter, da er dem Japaner und dem Russen sein Vertrauen geschenkt hatte, aber deshalb konnte er doch nicht....?! Sie hob ihre Augen, in denen Tränen schimmerten und blickte der älteren Frau flehend ins Gesicht, doch diese schüttelte nur traurig den Kopf. Ja. Er konnte....und er würde. Auch Joey wurde davon in Kenntnis gesetzt und erschrak furchtbar. Er packte Marko, der ihm alles erzählt hatte, an den Oberarmen und rüttelte ihn wie eine Puppe. „Ist das wahr? Ist das wirklich wahr!?! Der Sultan hat befohlen, sie zu töten!?! Das....das kann er unmöglich tun!! Bedeuten ihm die beiden denn gar nichts?!?!" „Gerade das macht ihren Betrug umso schmerzlicher für ihn, mein Freund", widersprach der Italiener und löste sich aus dem Griff des Blonden. „Genau deshalb muss er ein Exempel statuieren. In drei Tagen ist es soweit und bis dahin werden sie im Gefängnis schmoren. Seine Majestät hat Yami zwar angeboten, ihn zu verschonen, wenn er sich für sein Verbrechen entschuldigen würde, aber er hat abgelehnt." „Selbstverständlich hat er abgelehnt!! Was ist das denn schon für ein halbgarer Vorschlag?! Er soll sich für etwas entschuldigen, dass in seinen - und meinen - Augen kein Verbrechen ist, nur um seine eigene Haut zu retten, während man Bakura zum Schafott schleppt?! Er hat doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ein Mann wie Yami, der aufrichtig und mit ganzem Herzen zu lieben vermag, sich auf diesen Handel einlässt?! Das gibt es nicht!! Wie wurden sie überhaupt entdeckt?! Ich dachte, kaum jemand wusste über sie Bescheid!!" „Du klingst, als wärest du einer der Eingeweihten gewesen." „Ich habe geschworen, sie nicht zu verraten!!" zischte der 22jährige gefährlich und Marko verwehrte sich sofort gegen diesen Verdacht. „Nicht doch, ich meinte ja auch gar nicht, dass du schuld bist! Es ist wohl so, dass Odeon Farradji die beiden in flagranti erwischt hat. Das musste er natürlich dem Sultan melden, das ist seine Pflicht." „Seine Pflicht!" höhnte der Engländer und fuhr sich hastig durch sein langes Haar. Schwerfällig setzte er sich auf sein Lager und starrte zornig die geschmackvoll bemalte Decke an. Natürlich war es korrekt, was Marko sagte, und soweit er den Oberaufseher einschätzte, war auch er betrübt über seine Entdeckung. Doch wie alle musste er sich dem Befehl des Sultans beugen. Er richtete sich wieder auf und holte das Päckchen mit dem Schmuck aus dem kleinen Kasten unter seinem Bett hervor, in dem ein Haremsmitglied seinen persönlichen Besitz - in der Regel Geschenke des Fürsten - verwahren konnte. Der Italiener pfiff bewundernd durch die Zähne, während Joseph das Geschmeide betrachtete und mit seinen Fingern leicht über das glänzende Metall strich. „Ich überlasse sie dir als Zeichen meiner Wertschätzung." Das waren seine Worte gewesen, die Worte eines Mannes, der später ein Todesurteil verhängt hatte! Er hätte die Ohrringe gerne getragen, aber nun warf er den einen, den er hochgehoben hatte, angewidert in den Stoff zurück und wickelte den Schmuck wieder ein. Nein. Nun konnte er sich nicht mehr darüber freuen. „Ich will mit ihnen sprechen." „Mit Yami und Bakura? Bist du verrückt?! Erstens wird das Gefängnis bewacht und zweitens ist es uns verboten, die beiden vor ihrer Hinrichtung zu sehen! Du wirst dir den Groll Seiner Majestät einhandeln!" „Ich tue doch nichts anderes, seit ich hier bin. Außerdem ist seine Wut nichts, das mich erschrecken könnte. Und vor der Wache habe ich keine Angst. Ich mag zum Dritten Rang gehören, aber man sagt mir doch nach, dass ich Sultan-baschi werden könnte, nicht wahr? Ich werde also von diesem Ruf Gebrauch machen. Ich lasse mich nicht aufhalten!" Er schlüpfte in seinen Serailmantel und seine Sandalen und lief davon. Als er den Ausgang des Bronzes-Ranges erreicht hatte, erklärte er den diensthabenden Eunuchen, er wolle ein wenig in den Gärten lustwandeln. Die Gärten waren der einzige Ort, an dem es keine rangspezifische Einteilung gab, jeder durfte sich dort frei bewegen und die Eunuchen fanden auch nichts Ungewöhnliches am Wunsch des Briten. Sie ließen ihn also passieren und Joey eilte in den Sonnenschein hinaus. Er lebte jetzt lange genug im Palast, um in etwa zu wissen, wo er die Gefängnisse suchen musste - nämlich im Ersten Innenhof, der noch zum Hauptbereich des Unteren Harems zählte. Einige von den Männern, die sich dort gerade aufhielten, wunderten sich sehr, weshalb wohl einer von den „Oberen", wie man sie nannte, zu ihnen gekommen war, aber der Blonde achtete nicht auf ihre neugierigen Blicke. Er hielt einen geschäftigen kleinen Pagen auf, der soeben ein Tablett mit Kaffee durch die Gegend balancierte und dieser wich ehrfurchtsvoll zurück, als er den dunkelblauen Mantel erkannte. Der Junge war schlichter gekleidet als die Diener des Oberen Serails und wirkte auch nicht so gepflegt. „Was....was kann ich für Euch tun, Herr?" erkundigte er sich mit einem Fistelstimmchen, obwohl er mindestens vierzehn Jahre alt war und normalerweise hätte beginnen müssen, eine tiefere Stimmlage zu entwickeln, bis Joey einfiel, dass innerhalb des Harems natürlich auch die Pagen Eunuchen waren. „Bring mich zu den Kerkern, Bursche. Ich will mit den Verurteilten sprechen!" „Oh, das ist unmöglich, Herr!" „Unsinn! Nichts ist unmöglich, wenn man es sich fest vorgenommen hat. Ich verspreche dir auch, dass du keinen Ärger bekommen wirst. Führe mich einfach hin, mit den Wachposten werde ich selbst reden. Was ist, worauf wartest du?" Der Junge, dem es im Traum nicht eingefallen wäre, die Anordnung eines „Oberen" nicht zu befolgen, stellte sein Tablett auf einem Tischchen ab und geleitete den Engländer zu den Gefängnissen. Das Gebäude bestand aus Gemächern für die Wärter, die Zellen befanden sich im Untergrund und das Tor in die unterirdischen Gefilde wurde von zwei riesenhaften Soldaten bewacht, die grimmig dreinsahen und mit verschränkten Armen davor standen wie Statuen. „Danke. Du kannst gehen, Kleiner." Er näherte sich den beiden Hünen und sofort versperrten sie ihm mit ihren Krummschwertern den Weg. „Was wollt Ihr?" fragte der rechte Riese und befleißigte sich ein wenig der Höflichkeit, da er Joeys Status bemerkte. Er begriff zwar nicht, was ein Mann aus dem Oberen Harem hier tat, aber der Fremdling hatte sicher seine Gründe. „Ich wünsche, mit Yami und Bakura zu sprechen." „Den Verurteilten? Das ist ausgeschlossen!" „Sagt wer?" „Das ist die ausdrückliche Anweisung des Sultans." „Schön. Dann teile ich euch mit, dass mich die Anweisung des Sultans herzlich wenig interessiert! Die beiden sind meine Freunde und niemand kann es mir verbieten, sie vor ihrem Tode noch einmal zu besuchen, verstanden? Tretet zur Seite!" Als Eunuchen waren sie an das Gehorchen gewöhnt, aber trotz der Autorität, die in der Stimme des Blonden mitschwang, weigerten sie sich. „Das geht nicht, hört doch! Niemand darf zu ihnen, nicht einmal die anderen Favoriten! Da können wir bei Euch, der Ihr zum Bronze-Rang gehört, keine Ausnahme machen!" „Mein Name ist Joseph, ihr Herren. Joseph Jay Wheeler. Ist er euch bekannt?" Die Posten wechselten einen Blick. Obwohl selten etwas aus der höheren Ebene zu ihnen drang, war dieser Name samt seines Rufes auch bis zu ihnen gelangt und ihre Sicherheit wurde erschüttert. Wenn das wirklich derjenige war, von dem man sich erzählte, er werde das Herz des Fürsten erobern, konnten sie sich ihm doch nicht widersetzen? Zumal er doch der Liebling von Odeon Farradji, des Oberaufsehers, war? „Falls ihr eine Bestrafung fürchtet, ich werde euch nicht verraten. Bringt mich bitte zu ihnen! Diesen Wunsch könnt ihr mir nicht abschlagen." Schließlich gaben sie nach. Der, der mit Joey gesprochen hatte, begleitete ihn in das Verlies hinunter und führte ihn zu der Zelle, in der die einstigen Favoriten schmorten. „Was immer Ihr ihnen zu sagen habt, beeilt Euch!" Er betrat den finsteren Raum mit den dicken Wänden und die Tür flog hinter ihm ins Schloss. Es war düster, nur durch einen vergitterten Schacht, an dem man das eine oder andere Paar Füße vorbei patrouillieren sah, fiel ein schmaler Lichtstrahl auf die Männer, die auf ihrem Lager aus Stroh lagen und sich umarmten. Sie richteten sich auf, als jemand zu ihnen kam und verwundert erkannten sie den Briten. „Joey! Wie kann das sein? Was machst du hier?" „Ich bin gekommen, um mich selbst von dem himmelschreienden Unrecht zu überzeugen, dass man Euch zufügt, Yami. Keiner von Euch hat es verdient, für seine Liebe geopfert zu werden! Ich kann nicht fassen, dass er so etwas tut!" „Es war uns immer klar, dass wir eines Tages einen hohen Preis für unsere Gefühle würden zahlen müssen", erklärte Bakura ruhig. „Was bleibt uns, außer, das Unvermeidliche geduldig zu erwarten? Uns kann niemand mehr retten." „Aber es passt doch gar nicht zu Euch, Euch einfach zu....zu fügen!" „Das mag schon sein, aber welchen Widerstand können wir einem Todesurteil entgegensetzen? Es wird vollstreckt. So ist das eben." war die nüchterne Antwort des Japaners. „Das kann nicht Euer Ernst sein! Nein! Es ist einfach nicht gerecht, dass ihr für Eure Liebe sterben sollt! Ich kann nicht glauben, dass er so herzlos ist!" „Du kannst es nicht glauben, weil du es nicht glauben willst. Das erstaunt mich nicht. Ich könnte diese Vorstellung auch nicht ertragen, wenn sich der Mann, den ich liebe, so verhielte." Der 22jährige starrte ihn bestürzt an, er entschlüsselte nur langsam den Sinn dieser Worte. Auf seinem schönen Antlitz breitete sich jedoch anschließend ein solcher Ausdruck des Zorns aus, dass Yami schon befürchtete, zu weit gegangen zu sein. „Wie könnt Ihr es wagen, das zu behaupten?! Ihr denkt, dass ich den Sultan liebe?! Ganz gewiss nicht!! Ihr irrt Euch! Wie könnte ich ihn lieben, er...." „....er hat ein Herz, Joey. Und ich weiß, dass du dieses Herz ergründet hast, besser jedenfalls, als es je einem Mann gelungen ist. Ich kenne ihn wahrscheinlich nur halb so gut wie du, obgleich ich schon Jahre hier bin. Aber das ist nur logisch, denn ich bin nicht der Eine für Seine Majestät. Mir hat er vertraut, aber nie sosehr wie dir. Und nun ist auch dieses Vertrauen in sich zusammengestürzt. Aber ich bin nicht traurig, da ich weiß, dass er jetzt dich an seiner Seite haben wird. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass er dich liebt." „Nein....schweigt! Ich will es nicht hören! Ich liebe ihn nicht - und er mich auch nicht! Wenn dem so wäre, würde er Euch nicht töten!" „Weil er uns vertraut hat, ist unser Betrug noch schmerzlicher und verletzender für ihn", erwiderte der Russe überzeugt. „Persönlicher Schmerz ist etwas, dass den Sultan am schwersten trifft und dementsprechend hart fällt seine Strafe aus." „Trotzdem....ich kann das nicht dulden! Ich kann es einfach nicht! Ich werde verhindern, dass Ihr sterbt! Ich weiß noch nicht, wie, aber ich werde es nicht zulassen! Ich verspreche, Euch zu retten!" Damit klopfte er an die Kerkertür, sie wurde geöffnet und er verschwand. „Es ist schon seltsam...." murmelte der Bunthaarige lächelnd. „Was meinst du?" „Wie zuversichtlich ich mich plötzlich fühle. Joey ist wild entschlossen. Wenn es einen gibt, der unseren Tod verhindern könnte, dann ist das wohl er. Mit ihm haben wir vielleicht ein bisschen Hoffnung, Liebster. Ich glaube an ihn." Seto ab-del Kaiba befand sich in seinem Arbeitszimmer und brütete über einem Handelsvertrag mit Frankreich. König Louis XIV. würde für ihn einen dankbaren Partner darstellen, denn Marokko hatte Seide zu liefern, auf welche die Franzosen absolut versessen waren. Allerdings müsste er zu diesem Zweck einen Botschafter nach Versailles entsenden und sein zuverlässigster Mann weilte zur Zeit auf dem Sklavenmarkt in Kandia (das heutige Kreta), um seinen Haushalt mit erstklassigen Sklaven zu bereichern. Außerdem war da noch die bevorstehende Exekution....Ach, das war zu bitter! Warum ausgerechnet Yami und Bakura? Bei zwei anderen wäre er enttäuscht gewesen, aber nicht so tief verletzt. „Bedrückt Euch etwas, Euer Hoheit?" erklang die sanfte Stimme von Siegfried, der sich aus freien Stücken erboten hatte, ihn ein wenig von seinem Kummer abzulenken. Er lag in einiger Entfernung zum Arbeitstisch auf einem blauen Diwan, hatte seinen Kopf auf die im Nacken verschränkten Arme gebettet und dehnte seinen geschmeidigen Körper mit beinahe schamlos-wollüstigen Bewegungen, die Bilder einer zukünftigen Szene heraufzubeschwören schienen. Sein langes Haar umschmeichelte seine Gestalt dabei aufs vortrefflichste und der reizvolle Anblick veranlasste den Monarchen tatsächlich, sich von dem Vertrag loszureißen und die Augen zu heben. „Es....es ist nichts." antwortete er. Wäre Joey bei ihm gewesen, er hätte ihm seinen Schmerz anvertraut, aber bei Siegfried lagen die Dinge anders. Sicher war er schön und anziehend, aber dem Vergleich mit dem Briten konnte er nicht standhalten. Der Herrscher nahm ihn als das, was er zu sein beabsichtigte: Eine Ablenkung, nicht mehr und nicht weniger. „Ihr dürft Euch wegen Eurer untreuen Favoriten nicht so grämen, mein König. Es mag Euch quälen, aber Ihr könnt mit Euch zufrieden sein, da Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. Andere werden sie ersetzen und Euer Herz wird Linderung erfahren. Sorgt Euch nicht länger. Ihr seid im Recht, vergesst das nicht." >>Warum fühle ich mich dann unerklärlicherweise dennoch im Unrecht? Yami und Bakura haben das wichtigste Gesetz des Harems übertreten und mir eine vernichtende Kränkung zugefügt. Warum sollte ich Gnade walten lassen? Es gibt keinen Grund dafür! Aber irgendetwas ist da in mir, das an mir nagt und mir keine Ruhe lässt....<< Siegfried hatte sich erhoben und schickte sich an, die verspannten Schultern des Sultans zu massieren. Er war begabt darin und verstand es, durch seine verführerische Ausstrahlung und seine talentierten Hände das Begehren zu wecken, das ihm zu seinem Aufstieg verhelfen sollte. Umso überraschter war er, als Seto die Massage unterbrach und sagte: „Danke, aber das ist nicht nötig. Du kannst dich zurückziehen. Ich möchte allein sein." „Wie....wie Ihr wünscht, Euer Hoheit." Verärgert entfernte sich der gebürtige Schwede und kehrte zum Silber-Rang zurück. Eigentlich hatte er sich das anders ausgemalt....schließlich definierte man die Ablenkung, die der Sultan sich wünschte, in der Regel als intimes Beisammensein. Nun gut, so würde er eben auf eine andere Gelegenheit warten, die Leidenschaft des Monarchen zu entfachen! Er zweifelte nicht, dass ihm dies gelingen würde, doch als er Joey auf dem Korridor begegnete, den dieser mit stolzen Schritten durchmaß, stieg ein unklares Gefühl der Angst in ihm auf. Der Blonde kannte ihn nicht und verneigte sich daher respektvoll, wie man es von einem Rangniederen erwartete, der einem Höhergestellten über den Weg lief. Siegfried hatte bisher nicht die Möglichkeit gehabt, den Engländer so nah vor sich zu sehen und als er nun seiner ansichtig wurde, überkam ihn eine Woge der Eifersucht und des Neids. Es stimmte, seine Haltung war erhaben und unvergleichlich....und sein Körper....vollkommen und edel, von einer natürlichen Sinnlichkeit durchdrungen, die man nicht oft fand. Sein Haar leuchtete in der Farbe des Goldes und schimmerte gesund und kraftvoll. Jeder, der einen Blick auf diese Pracht erhaschte, musste das Bedürfnis verspüren, diese blonden Flechten zu berühren. Seine Lippen waren voll und makellos geformt und seine Augen loderten in einem verschlingenden Feuer, das wie dafür geschaffen schien, selbst einen heißblütigen Sultan zu unterjochen. >>Ich habe von seiner Schönheit reden hören....aber dass er tatsächlich so schön ist, hätte ich nicht gedacht. Dieser Mann weiß, was er will und das ist eine Eigenschaft, die mir gefährlich werden könnte. Ich werde aufpassen müssen....Falls er es wagen sollte, mir in die Quere zu kommen, wird er es büßen!!<< Der Brite ahnte nichts von diesen feindseligen Gedanken. Er suchte sein Gemach auf, das er sich mit Dartz, Marko, Raphael und Shadi teilte und ließ sich vor ihren Augen seufzend auf sein Lager sinken. „Konntest du zu ihnen vordringen?" erkundigte sich der Rangsprecher und der Blondschopf nickte. Seine Freunde tauschten einen vielsagenden Blick, der ihre Bewunderung für ihn verriet und der Türkishaarige fuhr fort: „Wie geht es ihnen? Haben sie Angst?" „Nein. Sie sind vollkommen ruhig. Wenn sie sich fürchten, so zeigen sie es nicht. Wie auch? Ihr kennt Yami und Bakura, sie sind großartige Männer von starkem Charakter. Sie wussten immer, dass es eines Tages so enden könnte. Dennoch....ich kann das nicht hinnehmen! Sie dürfen einfach nicht sterben! Ich will es nicht!" „Denkst du, es spielt eine Rolle, was du willst?" mischte sich Raphael ein und seine Stimme klang resigniert. „Der Sultan ist der Herr, sein Wort ist Gesetz. Was er sagt, geschieht. Wie könnten wir seine Entscheidung ändern, jetzt, da er sie getroffen hat?" „Ich weiß es nicht....aber ich werde es nicht akzeptieren! Wie kann er so etwas tun?! Ich dachte, ich würde ihn endlich begreifen....und doch scheint mir sein Herz immer noch verschlossen zu sein. Warum bloß....?" Shadi machte den anderen ein Zeichen, ihn mit Joey allein zu lassen und die drei Männer entfernten sich. „He, warum sind sie gegangen?" „Ich habe ihnen bedeutet, uns zu verlassen. Und nun sieh mir in die Augen und sage mir, weshalb dich das Verhalten des Sultans so enttäuscht?" „Enttäuscht? Das ist wohl kaum die richtige Bezeichnung. Ich bin entsetzt, aber nicht enttäuscht. Wieso sollte ich es auch sein?" Der Ägypter erhob sich und postierte sich vor dem Jüngeren, der ihn verwirrt musterte. Die saphirblauen Augen in diesem braungebrannten Gesicht riefen ihm die Augen des Fürsten ins Gedächtnis und er biss sich zornig und traurig zugleich auf die Lippen. „Ja, du bist entsetzt, wie alle hier. Aber du bist auch enttäuscht - weil Seine Majestät erneut beweist, wie wenig er doch von der Liebe versteht. Es verletzt dich, weil er sich dir geöffnet hat und nun plötzlich wieder sein Herz hinter einer Mauer verschanzt. Ich glaube, dass es dir gelungen ist, den Menschen kennen zu lernen, der er ist, nicht einfach nur den Monarchen. Und ich glaube...." Er hielt inne, als besinne er sich, ob es klug wäre, fortzufahren. „....Nein. Ich weiß es. Ja, ich weiß es. Ich weiß, dass du ihn liebst." „Was?! Das hat Yami bereits behauptet! Was soll dieser Unsinn! Jemanden wie ihn kann man nicht lieben! Er ist ein gefühlloser, grausamer, verbohrter...." Noch während er sprach, fiel Joey ein, dass Seto ab-del Kaiba keineswegs gefühllos war, er hatte nur nie gelernt, richtig damit umzugehen. Mit dem Prinzip der Grausamkeit war er aufgewachsen. Wer ihm zuwiderhandelte, wurde bestraft. Er kannte es nicht anders. Aber was er dafür nicht kannte, war die Liebe. Lust und Begierde waren ihm nicht fremd, aber das Gefühl, das diesen Dingen zugrunde liegen konnte, war Neuland für ihn, das er nicht zu entdecken wagte. Aus Angst? Aus Stolz? Aus Wut? Dass er selbst den Sultan begehrte, war ihm schon seit geraumer Zeit klar. Doch Liebe? >>Meine Augen suchten ihn stets, wenn ich einen flüchtigen Blick auf ihn zu erhaschen glaubte....Ich finde ihn wunderschön und wenn ich ehrlich bin, habe ich unsere Streitereien und Auseinandersetzungen immer sehr gemocht, ganz einfach deshalb, weil er sich nie von mir einschüchtern ließ wie so viele andere meiner Verehrer. Die meisten von ihnen haben es irgendwann aufgegeben, mir den Hof zu machen, aber der Sultan....er will mich um jeden Preis zähmen, mich erobern. Ich schätze seine Beharrlichkeit durchaus. Ich hasse ihn auch nicht. Dennoch....was ist es, das ich fühle? Seine Nähe vermag mich zu berauschen, ich leugne es nicht. Ständig grübele ich über ihn nach....mache mir Gedanken, die nirgendwo hinführen und fange doch jedesmal wieder von vorne an. Die Leidenschaft seiner Küsse....und das Treffen in dem Kabinett, das viel intimer war, als es eine gemeinsame Nacht hätte sein können....die Tatsache, dass er mir anvertraut hat, auf welche Weise ihm die Liebe vernichtet wurde....sein herrlicher Gesang und der Schmuck, den er mir als Zeichen seiner Wertschätzung geschenkt hat, ohne etwas von mir zu erwarten....Gott, wenn du mich noch nicht im Stich gelassen hast, dann sage mir, was ich empfinde! Die Sehnsucht, die ich verspüre, wenn er fern von mir ist....mein hilfloser Zorn, weil ich ihn wieder einmal nicht begreife, obwohl ich es mir sosehr wünsche und ich ihm wegen Yami und Bakura am liebsten den Hals umdrehen würde....und doch hoffe und bange ich darum, mich nicht in ihm getäuscht zu haben! Ich stehe hier und glaube immer noch, dass in seinem Herzen Gnade und Mitgefühl wohnen, auch wenn er es nicht zeigen will! Ich muss wohl verrückt sein....oder dumm. Habe ich mir tatsächlich eingebildet, gerade ich könnte diesen Mann ändern?! Trotzdem halte ich eisern daran fest, dass er sein Urteil einfach nicht vollstrecken kann! Was bin ich nur für ein Narr! Wieso sollte er es nicht tun? Könnte ich bloß....ach, ich weiß es nicht. Warum vertraue ich auf sein Herz, wo es doch unglücklich und verhärtet ist? Wo es doch verwundet wurde durch den Verrat zweier Menschen, denen er vertraute und die er in seinem Schmerz töten will? Ich ertrage das nicht! Ich kann seine Entscheidung nicht akzeptieren!! Er muss ein Einsehen haben....er muss - oder alles, was ich in ihm zu erkennen meinte, ist ohne Wert....!! Und das....wäre furchtbar....!<< Shadi strich ihm behutsam über den Rücken. Der 22jährige Engländer stützte sich an einer Säule ab und atmete schwer, als fechte er einen inneren Kampf aus. Sein Herz klopfte heftig und schien sich schmerzlich zusammenzuziehen, je länger er schwieg und mit sich selbst diskutierte. Es konnte unmöglich wahr sein....aber wenn diese Vermutungen wirklich....? Hatten Yami und Shadi es als Vermutung ausgedrückt? Nein, mehr wie eine Tatsache. Er schüttelte wild den Knopf, während sich in seinem Inneren eine Tränenflut aufstaute, die seit dem Eintreffen der schrecklichen Nachricht über die Exekution bereits in ihm wogte. Stur wie er war, hatte er sie heruntergeschluckt, um stark bleiben zu können, doch nun brach sich sein Kummer Bahn. Der Japaner und der Russe waren seine Freunde, er konnte sie nicht sterben lassen....am allerwenigsten durch den Befehl des Mannes, den er....liebte....!?! >>Das kann nicht sein....!! Ich wollte mich nicht in ihn verlieben! Mein einziges Ziel war stets, einen Fluchtweg zu finden, um zu meinen heimatlichen Inseln zurückkehren zu können. Ich will es nicht glauben! Ich kann es nicht! Habe ich nicht genug Schutzwehren um mich errichtet, um mich dagegen abzuschirmen?!<< Shadi betrachtete ihn eindringlich und sagte schließlich: „Lass mich mal raten, was du denkst. Du fragst dich, warum ich diese Gefühle in dir sehe, obwohl du dich doch dagegen verwehrt hast, tiefere Empfindungen für ihn aufkommen zu lassen. Hör zu - so etwas lässt sich nicht vermeiden. Wenn es so sein soll, kann man der Liebe nicht widerstehen. Du wolltest dich nicht an den Fürsten binden lassen und hast dein Herz dazu gezwungen, sich von ihm abzuwenden, während du das seine hervorgelockt hast. Wenn irgend jemand diese Hinrichtung verhindern kann, bist du es....wenn du bereit bist, dir deine Gefühle einzugestehen und sie zu riskieren." „Sie zu....riskieren?" „Wenn Seine Majestät nicht so handelt, wie du es dir erhoffst, wirst du erkennen müssen, dass du dich in ihm geirrt hast. Das wird dich schlimmer treffen als jede körperliche Pein, die er dir zufügen könnte. Der Mensch, den du in ihm entdeckt zu haben glaubst, würde in sich zusammenfallen und nichts würde übrig bleiben als deine bittere Verzweiflung." „....Was also rätst du mir?" „Ich rate dir: Kämpfe um das, woran du glaubst - und rette die beiden! Du kannst es!" Joey umarmte seinen Kameraden freundschaftlich und wischte sich verstohlen ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Er ahnte, dass die meisten Mitglieder des Harems hinter ihm stehen würden, sollte er ihrer Hilfe bedürfen und dies verlieh ihm neue Zuversicht. Er wusste zwar noch nicht, was er tun sollte, aber er würde diese Exekution verhindern! Die drei Tage bis zu dem unheilvollen Termin vergingen rasch. In den frühen Morgenstunden wurde im Ersten Innenhof die Hinrichtungsstätte aufgebaut. Seto ab-del Kaiba erschien, begleitet von Odeon Farradji, das Gesicht zu einer harten, undurchdringlichen Maske erstarrt. Die Angehörigen des Oberen Harems mussten notgedrungen bei der todbringenden Zeremonie anwesend sein, denn sonst hatte es wenig Sinn, „ein Exempel zu statuieren", das allen in Erinnerung blieb. Der Fürst nahm auf einem Diwan Platz, der eigens für ihn dorthin gebracht worden war, hinter ihm stand der Oberaufseher, rechts und links wurde er von zwei Wachsoldaten flankiert. Mit einer herrischen Bewegung wies er in Richtung Gefängnis und einer der beiden Wächter enteilte, um die Verurteilten zu holen. Unterdessen bezogen die Henkersknechte ihre Positionen. Eine gespenstische Stille lag über der großen Versammlung und das lähmende Entsetzen, das auf der Menge lastete, war fast greifbar. Als sich plötzliches Gemurmel erhob, war es klar: Yami und Bakura waren angekommen. Sie waren bleich, aber ihren hocherhobenen Häuptern war keinerlei Furcht zu entnehmen. Synchron schritten sie hinauf zu dem Podest und knieten sich nieder. Ihre makellosen Oberkörper waren entblößt, nur schäbige Tücher waren um ihre Hüften geschlungen. Ihre Hände waren auf den Rücken gedreht und gefesselt. Der Oberaufseher des Serails entrollte ein Schriftstück in seinen Händen und las vor: „Auf Befehl Seiner Majestät Seto ab-del Kaiba, des Sultans von Marokko und Beherrscher der Gläubigen, ergeht folgendes Urteil für den Betrug an seiner Person, den die Favoriten Yami und Bakura zu verantworten haben: Tod durch Enthauptung!" Seine Stimme bebte. Nur wenigen Männern war es bisher gelungen, dem hünenhaften Odeon echten Respekt einzuflößen, und nun miterleben zu müssen, wie jene auf dem Schafott starben, denen dieses Meisterstück geglückt war, überforderte sogar sein sonst so unempfindliches Wesen. Der junge Monarch beobachtete die Treulosen während der Verkündigung und fand sich fassungslos und ungläubig konfrontiert mit ihrer unerschütterlichen Ruhe und Gelassenheit. Er verfolgte, wie Bakura seinem Geliebten einen zärtlichen Blick zuwarf, den dieser mit einem Lächeln erwiderte, das sowohl Trauer als auch eine seltsame Art von Heiterkeit in sich vereinte. Hatten sie keine Angst? Waren sie glücklich, weil sie gemeinsam sterben durften, wenn ihnen ein gemeinsames Leben schon nicht vergönnt war? Glücklich, im Moment ihres nahenden Todes? >>Ist der Grund dafür....ihre Liebe?<< fragte er sich verwirrt. >>Finden sie ineinander den Beistand, den sie für diesen finalen Schritt benötigen? Kann die Liebe wirklich so stark sein? Ich werde das wohl nie selbst erfahren....<< Er erhob sich und rief: „Vollstreckt das Urteil!!" Die Henker zückten ihre scharfgeschliffenen Schwerter mit den langen Klingen und reinigten sie zuerst rituell mit Wasser, bevor sie sich anschickten, ihre Arbeit zu tun. Die Geräusche verstummten, selbst der Wind hatte sich gelegt, als wolle er die grauenhafte Szene nicht unterbrechen. Das Paar senkte die Köpfe, bereit, die tödlichen Schläge zu empfangen. Sie hatten die Augen geschlossen und gedachten jedes einzelnen Tages, den sie miteinander verbracht hatten. Das Sausen der Klingen war zu hören. Zischend zerschnitten sie die Luft und.... "NEIN!!!!" Die Henkersknechte hielten verblüfft inne. Yami und Bakura starrten zu ihrem Retter hinauf und der Sultan schoss aus seinem Sitz in die Höhe. Zwei Hände hatten die rasiermesserscharfen Klingen gepackt [1], ehe sie herniederfahren konnten, um weißes Fleisch zu durchtrennen. Blut rann in dicken Rinnsalen an seinen Armen herunter, während er zwischen dem Paar stand, mit einem Blick, dessen Intensität einem Sturm von ungeheuren Ausmaßen zu gleichen schien. „Joseph!" stieß der Fürst erbost hervor. „Wie kannst du es wagen, dich einzumischen?!" „Und wie könnt Ihr es wagen, so weit zu gehen?! Was haben sie sich schon zuschulden kommen lassen?! Dass sie sich ineinander verliebt haben?! Auch wenn sie Euch damit betrügen, ich werde das niemals als Rechtfertigung akzeptieren!! Ihr könnt ihnen ihre Gefühle nicht vorwerfen! Ihre Liebe zu verurteilen, heißt, die Liebe als Ganzes zu verurteilen! Und wisst Ihr was? Genau das ist der eigentliche Grund, warum Ihr sie sterben lassen wollt!! Euch geht es doch gar nicht um den Betrug, sondern um diese Liebe! Ist es nicht Euer Neid, der Euch dazu getrieben hat?! Sie besitzen etwas, das Ihr Euer Leben lang vermisst habt - sie wissen, was wahre Liebe ist!! Beantwortet mir eine Frage: Fühlt Ihr Euch im Recht!?!" „Selbstverständlich!" erklärte der Sultan wider besseren Wissens. „Die Gesetze des Harems müssen befolgt werden! Wer sich nicht daran hält, wird bestraft! Das ist ein einfaches und zugleich äußerst wirkungsvolles Prinzip! Die Verurteilten wussten, worauf sie sich einließen, als sie ihre verbotene Liebschaft begannen! Nun, da sie entdeckt wurden, bleibt ihnen nur noch der Tod! Dies ist keine Zeit für Schwäche und Gefühlsduselei! Scher dich weg und lass die Henker ihre Arbeit verrichten! Ich lasse keine Gnade walten!!" Zornige Saphire und wütende Topase funkelten einander an, die Spannung zwischen ihnen steigerte sich zu einem Inferno der Emotionen. Die Menge konnte fast mit ansehen, wie die beiden stolzen Männer und ihr Wille miteinander kämpften. Joey achtete nicht auf den Schmerz, der in seinen aufgeschnittenen Handflächen brannte, denn sein Herz litt viel mehr. Er glaubte nicht, dass es Seto mit seinen Worten ernst war. Es konnte nicht sein, dass er sich so in ihm getäuscht haben sollte! >>Es ist unmöglich, dass es geschieht....Ich könnte ihm nicht verzeihen....sie dürfen nicht sterben! Ich werde mich ihm zu Füßen werfen....<< Noch bevor irgend jemand recht begriffen hatte, was er plante, verließ das Brite das Podest und näherte sich dem königlichen Diwan. Ehe ihn der Monarch daran hindern konnte, lag er vor ihm auf den Knien und umklammerte seine Beine. Das Blut seiner Wunden sickerte in den Stoff der Hose. „Ich flehe Euch an, schont sie, Euer Hoheit. Ich bitte Euch! Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie, die meine Freunde sind, hingerichtet würden - durch Euren Befehl. Ich habe Angst, dass diese Tat....das Gefühl verändern könnte, das ich Euch entgegenbringe. Lasst nicht zu, dass es so weit kommt! Ihr habt ihnen vertraut und ihr Verrat hat Euch verletzt, das weiß ich!" „Dann verstehe ich nicht, weshalb du hartnäckig darauf bestehst, dich für sie zu verwenden, wenn du es ebenfalls als Vertrauensbruch betrachtest!" „Nein, das tue ich nicht. Gewiss haben sie das Eure gebrochen, aber wollt Ihr denn nicht sehen, dass sie machtlos dagegen waren?! Wie hätten sie ihre Gefühle kontrollieren können? Sie sind auch nur Menschen! Kann man von irgendeinem Menschen verlangen, seine Empfindungen zu verleugnen? Kann man jemanden dazu zwingen, sich nicht zu verlieben?! Kann man es ihm verbieten?! Sogar ich glaubte, dass das möglich wäre....als ich Euch begegnete, Euch kennenlernte und beschloss, Euch nicht in mein Herz zu lassen, weil mein Stolz und mein Zorn auf Euch sich dagegen aufbäumten. Und jetzt liege ich hier vor Euch und kann nichts anderes tun, als meine Niederlage zuzugeben. Ich habe gekämpft....und habe gegen die Liebe verloren. Ein Herz lässt sich nicht anketten oder einsperren! Yami und Bakura haben das Risiko auf sich genommen, entlarvt zu werden, sie waren bereit, die grausame Konsequenz ihrer Beziehung zu tragen, aber sie waren nicht dazu bereit, ihre Liebe zu opfern! Beweist mir, dass ich mich nicht in Euch geirrt habe! Zeigt Gnade, Euer Majestät!!" Seto hätte ihn gerne zurückgestoßen, doch Joey umfasste ihn mit verzehnfachter Kraft. Er erwiderte seinen flehenden Blick nicht, ignorierte ihn sogar, aber er vermochte es nicht, dem bebenden Klang seiner Stimme zu widerstehen. Er war der Ansicht gewesen, dass nichts ihn erschüttern könne, doch die Geste des Blonden hatte ihn angerührt und tief bewegt, denn es war ihm immer undenkbar erschienen, dass Joseph je die Waffen strecken könnte. Und nun kniete der Stolze, der Unbezwingbare zu seinen Füßen. „Lass diese Albernheit!" antwortete er in hartem Ton. „Dieser unnötige Altruismus [2] passt nicht zu dir und steht dir schlecht! Dass du dich für zwei Verurteilte dermaßen weit erniedrigst, ist eine Schande und wird dir ohnehin nichts nützen!" „Und wie hätte ich mich verhalten sollen, um Euch zu gefallen? Bösartig? Unversöhnlich? Wenn es meine Freunde retten kann, so will ich meinen Stolz aufgeben und demütig zu Euch sprechen, denn wie könnte ich Euch sonst erweichen? Tötet sie nicht! Was vermögen wir denn gegen die Liebe? Sie ist zu groß, zu machtvoll, um ihr zu entgehen. Ich habe unendlich viel verloren, meine Heimat, meine Familie, meinen Titel, mein Vermögen, meine Ländereien....und meine Freiheit. Nehmt mir nicht auch noch das Recht, jenen zu helfen, die mir wichtig sind! Nehmt mir nicht meinen Glauben an Euch und an den Menschen, den ich in Euch entdeckt habe! Raubt mir nicht das letzte, das mir noch geblieben ist!!" Ein Schluchzen würgte sich seine Kehle herauf und er biss sich auf die Lippen. Der König zuckte zusammen und es war ihm, als ginge ein Schwert durch sein Herz. In Allahs Namen, er weinte! Barsch befahl er: „Steh auf, Joseph! Ich kann dich nicht länger so vor mir sehen!" Der junge Engländer erhob sich schwankend und musterte ihn verzweifelt. Waren all seine Worte, all sein Flehen umsonst? Seto ab-del Kaiba betrachtete ihn, aufgewühlt bis ins Innerste seiner Seele. Das goldene Haar fiel dem Jüngeren wirr in die Stirn und glitt wie ein Fließ über seine Schultern. Seine Wimpern waren feucht und seine Wangen von Tränenspuren gezeichnet. Er hatte das Blut seiner Hände an seinem Haremsmantel abgewischt, Blut, das er für seine Freunde vergossen hatte. Seine braunen Augen schimmerten im Silber seiner Tränen. Selbst jetzt war er schön, überwältigend schön. Wie konnte er nur in ein und demselben Moment so stark und so schwach, so demütig und so anmaßend, so tapfer und so ängstlich sein? Es war wohl das Geheimnis seines Zaubers....und er musste sich diesem Zauber unterwerfen, wenn er nicht für alle Ewigkeit der Einsamkeit anheim fallen wollte. Die Stunde seiner Niederlage war gekommen. Die Wahrheit breitete sich vor seinem Geist aus wie ein Teppich, und er fühlte plötzlich, wie wehrlos er gegen diese Erkenntnis war, die nun in ihm aufstieg. Er liebte ihn. Er LIEBTE ihn! Ein Zittern durchlief ihn. Sein Blick kreuzte sich mit dem des anderen Mannes. Langsam hob er die Hand und er konnte förmlich hören, wie die Anwesenden den Atem anhielten. Er machte eine Bewegung und sagte: „Zerschneidet ihre Fesseln." Die Henker gehorchten und durchtrennten die Stricke. Ungläubig, erstaunt, standen der Russe und der Japaner auf und besahen sich ihre Handgelenke, als sei das alles nur ein Traum. Dann versanken ihre Augen ineinander und das Begreifen malte sich auf ihren Gesichtern ab. Yami fiel Bakura in die Arme und dieser presste ihn fest an sich, als wolle er ihn nie mehr loslassen. Odeon lächelte dankbar und trat an Joey heran. Dieser wagte noch gar nicht, an seinen Sieg zu glauben und ihn schwindelte. Verwirrt starrte er den Oberaufseher an, der sich vor ihm verneigte. „Allah war mit mir, als er Euch erschuf. Ihr habt allen hier bewiesen, dass Ihr würdig seid, Sultan-baschi zu werden. Erlaubt mir, Euch meinen Respekt zu zollen, Goldjaspis." Er verbeugte sich ein weiteres Mal, und der Engländer war überrascht, dass Farradji ihn ehrerbietig mit „Ihr" angesprochen hatte. Er hatte es geschafft....? Er hatte es wirklich geschafft, sie zu retten? Eine Welle des Glücks und der Erleichterung erfüllte ihn, als der Sultan eine Frage an ihn richtete: „....Du hast mir wieder einmal getrotzt, Schönster. Diese Dreistigkeit verdient wahrhaft eine Belohnung. Ich erlaube dir also, einen Wunsch zu äußern, der dir auch ohne Zögern gewährt werden wird. Was ist dein Begehr?" „Einen....einen Wunsch?" Seto räusperte sich und bemühte sich um eine gleichgültige Haltung, doch Joey bemerkte, dass sein ganzer Körper bebte, als wäre er im Begriff, etwas zu tun, dass all seine Kraft kosten würde. „Wie genau meint Ihr das, mein Fürst?" „Sehnst du dich nicht nach deiner Heimat? Wolltest du nicht fort von hier? Wenn es dein Wunsch ist, so will ich...." Er unterbrach sich kurz und jeder konnte erkennen, wie er mit sich selbst rang, das erste Mal in seinem Leben bezwungen von seinen Gefühlen. „....so will ich dir die Freiheit schenken und dich zum Hafen bringen, damit du dich einschiffen kannst." Es war mucksmäuschenstill nach dieser Ankündigung. Der Brite war unfähig, irgendwie auf dieses Angebot zu reagieren, es schien, als wäre er gelähmt. Sein Herz begann, rasend zu klopfen. >>Er würde mich freigeben? Er bietet mir die Möglichkeit, nach England zurückzukehren? Er will....er will, dass ich glücklich bin. Nichts anderes können seine Worte bedeuten! Aber das....er würde das nie tun....niemals! Es sei denn....oh Joey, was bist du für ein Narr!! Es sei denn, er liebt mich! Weshalb sonst würde er dieses Opfer bringen? Für ihn wäre es eines....das schwerste Opfer überhaupt! Er ist bereit, mein Glück über das seine zu stellen! Das nimmt doch kein Mann auf sich, wenn er nicht von Herzen liebt!<< „Euer Hoheit....tatsächlich habe ich einen Wunsch. Gebt Yami und Bakura ihren alten Status zurück und nehmt sie wieder im Harem auf." „....Was? Du entscheidest dich für sie und nicht für deine Freiheit? Aber war das nicht das, was du wolltest? Wonach du dich sehntest?" „Doch. Aber da ist noch etwas, nach dem ich mich sehne. Ich weiß es - jetzt. Hätte ich nicht verstanden, so wäre ich vielleicht gegangen. Nun nicht mehr. Ich kann....Euch nicht verlassen. Gestattet mir bitte, mich zurückzuziehen. Ich bin erschöpft." „Gewiss, natürlich. Odeon wird dich begleiten und dir einen Arzt schicken, der sich um deine Wunden kümmert." Joey vollführte eine Reverenz und Odeon geleitete ihn zum Eingang des Palastes. Das ehemals zum Tode verurteilte Paar war von dem Podest heruntergestiegen und eilte auf den Blondschopf zu. Er konnte in ihren Gesichtern ablesen, dass sie ihm unendlich dankbar waren und er schenkte ihnen ein zufriedenes Lächeln. „Na? Habe ich Euch nicht versprochen, dass ich Euch retten würde?" Sie fanden keine Worte. Statt dessen umarmten sie ihn gleichzeitig, und er drückte sie an sich. Yami flüsterte ihm ins Ohr: „Wir können das nie wieder gutmachen, mein Freund. Du hast nicht nur unser Leben bewahrt, sondern auch unseren Status für uns zurückgewonnen, obwohl du die Freiheit hättest wählen können! Ich danke dir....ich danke dir....!" Bakura sagte nichts, seine Umarmung war beredt genug. Es war untypisch für ihn, bei anderen als seinem Geliebten auf Körperkontakt zu setzen, um seine Empfindungen zu vermitteln, aber in Anbetracht der besonderen Situation....Da kamen Duke und Marik auf sie zugelaufen. Sie fielen abwechselnd dem Weißhaarigen und dem Asiaten um den Hals und der Amerikaner erklärte schließlich, klar vernehmbar: „Du hast uns einen Dienst erwiesen, für den es keine Beschreibung seines Wertes gibt. Keiner von uns war mutig genug, um zu tun, was du vollbracht hast. Du hast dir unsere Treue, unsere Bewunderung und unseren Respekt erworben, vergiss das nicht. Nicht du bist es, der sein Haupt beugen muss." Die vier Favoriten verneigten sich vor ihm und Joey wusste kaum, wie ihm geschah. Zutiefst bewegt durch diese Geste, ließ er sich von Farradji fortführen, um seine Verletzungen versorgen zu lassen. Der Sultan blickte ihm nach. In seiner Seele brannte dieser eine Satz, den der Jüngere geäußert hatte: „Ich kann Euch nicht verlassen." Er blieb um seinetwillen. Er blieb um seinetwillen....! Schwerfällig sank er auf seinen Diwan und bettete eine Hand auf seiner Brust, in der sein Herz pochte, schnell und hastig, als müsse er jede Sekunde um sein Leben rennen. >>Oh Allah, hast du ein Einsehen? Lässt du mich endlich jene Liebe erfahren, die mir bisher versagt geblieben ist?<< Von einem Balkon aus hatte Leila-Satis das gesamte Spektakel beobachtet. Tränen hingen in ihren Wimpern und sie betete voller Inbrunst zu Allah, dass er Joseph zu ihnen gesandt hatte. „Mein Sohn", murmelte sie versonnen, „....ich hatte einst befürchtet, du würdest für immer der Liebe nachjagen, ohne sie in ihrer wahren Natur kennen zu lernen. Ich dachte, dein Herz würde sich weiter verhärten, bis nichts dich mehr berühren könnte....Ich war nie glücklicher, mich geirrt zu haben." [1] Nicht, dass Ihr meint, Joeys Hände müssten durchtrennt sein, wenn er die scharfen Schwerter anfasst. Er fängt sie am Schwertschaft ab, das ist die stumpfste Stelle einer Klinge. Wenn man dort zupackt, schneidet sie nicht bis auf die Knochen. [2] Altruismus: Selbstlosigkeit Kapitel 11: Nacht über Marokko ------------------------------ 109 Kommis!!!!!!! Leute, Ihr seid fantastisch!!! *vor Freude heul* *alle Leser umarm und abknuddel* *Schokolade verteil* Ich danke, danke, danke Euch! *Taschentuch rauskram* Hier ist also das vorletzte Kapitel, Ihr Lieben! Viel Vergnügen! Elftes Kapitel: Nacht über Marokko Die phänomenale Rettung der beiden Favoriten und die Wiederherstellung ihres ehemaligen Status‘ war noch wochenlang Gesprächsstoff Nummer 1 im gesamten Serail, vom Unteren Harem angefangen bis hinauf zum Gold-Rang des Oberen Harems, ungeachtet der Tatsache, dass mittlerweile fast alles wieder in seinen ursprünglichen, geordneten Bahnen verlief. Drei Wochen waren ins Land gegangen seit jenem bedeutungsvollen Tag, da Joseph, der junge Engländer, sich mutig und selbstlos für seine Freunde eingesetzt hatte und jeder noch von seinen bewegenden, leidenschaftlichen Worten erzählte, mit denen es ihm gelungen war, das Herz des Sultans anzurühren, sodass er sich gnädig zeigte. Hinzu kam, dass der Fürst in diesen besagten drei Wochen keinerlei Annäherungsversuche unternommen hatte und seltsamerweise Distanz hielt, als bringe er es nicht über sich, mit dem heimlichen Star des Harems zu sprechen. Diesem Umstand hatte Joey es zu verdanken, dass er zusätzlich als der Mann gerühmt wurde, der sich dem Herrscher nun seit elf Wochen verweigerte und somit Yamis Rekord gebrochen hatte. Der 22jährige fühlte sich zum Teil geschmeichelt von diesem Rummel um seine Person, andererseits aber bedrückte es ihn, dass Ab-del Kaiba ihm auswich und ihn nicht mehr zu sich rufen ließ. Bislang war er dankbar dafür gewesen, wenn das Augenmerk des Monarchen nicht auf ihm lag, aber nun ertappte er sich dabei, wie er sich darüber ärgerte. Sein Herz hatte ihn verraten, das war unabänderlich. Er....er....hatte sich in Seto verliebt, obwohl er das niemals hatte zulassen wollen. Und nun war es geschehen und sein Verlangen, bei ihm zu sein, schien mit jeder einsam verbrachten Stunde größer zu werden. So war er glücklich und dankbar, wenn seine Kameraden bei ihm waren und er etwas mit ihnen unternehmen und sich mit ihnen unterhalten konnte. Seine Tat hatte ihm einen Respekt und eine Bewunderung eingetragen, die vor ihm kaum ein Mitglied des Bronze-Ranges besessen hatte und Gerüchte über seine baldige Ernennung zum Sultan-baschi begannen zu kursieren, obgleich daran kein Körnchen Wahrheit war. Allerdings war einer ganz und gar nicht begeistert vom Triumph des Blondschopfes, und das war Siegfried. Joeys Einmischung hatte seinen gesamten Racheplan zunichte gemacht und er sah sich um den Erfolg seiner kleinen aber umso teuflischeren Intrige betrogen. Er hatte erkannt, dass er die Macht, die sein Rivale auf den Sultan ausübte, deutlich unterschätzt hatte, und für diesen Leichtsinn musste er nun büßen! Sein schönes, ebenmäßiges Gesicht verzerrte sich vor Zorn und Tristan warf ihm einen beunruhigten Blick zu. In seiner Funktion als Rangsprecher hatte er die Gelegenheit gehabt, rangübergreifende Kontakte zu knüpfen und sie auch zu pflegen, sodass er um die Vergiftungsaffäre wusste, die dem Schweden nachgesagt wurde und die nur mangels handfester Beweise nicht zu seiner Verbannung aus dem Serail geführt hatte. Wäre es anders gewesen, hätte er vielleicht sogar sterben können.... „Dieser Joseph missfällt mir", ließ er sich soeben vernehmen und glitt mit einer Hand elegant durch sein rückenlanges Haar. „Seit er Yami und Bakura gerettet hat, ist nur noch von ihm die Rede, was mich ziemlich ermüdet. Von welcher Dauer könnte schon die Regentschaft eines solchen Kerls sein, dem Seine Majestät noch nicht einmal gehuldigt hat? Vermutlich wird er schneller welken als eine Rose und wie ein jämmerlicher Schatten dahinschwinden." „Eben genau das halte ich in Anbetracht seines Charakters für vollkommen ausgeschlossen", erwiderte Tristan höflich, aber mit einem scharfen Unterton. „Du magst dich ja vielleicht länger halten, in etwa so wie ein Karpfen, der natürlich nicht verwelkt wie eine Pflanze, aber mit der Zeit Moos ansetzt." Siegfried, über die sarkastische und beleidigende Bemerkung empört, bekam einen feuerroten Kopf und würdigte seinen Gegenüber keines Blickes mehr. Das Gelächter der anderen Haremsherren besserte seine Laune keineswegs, denn er deutete es als das, was es zweifellos hieß: Dass er hier nicht mehr erwünscht war und jeder darauf hoffte, ihn irgendwie loszuwerden. Aber diese Genugtuung würde er ihnen gewiss nicht gönnen! Er würde diesen abscheulichen Briten aus dem Weg räumen und sich den Platz sichern, den er verdiente! Und dann würde ihnen ihr Lachen im Halse steckenbleiben! Die Geschehnisse der folgenden Nacht sollten seine Zuversicht jedoch stark erschüttern, denn der Fürst sehnte sich endlich wieder nach charmanter Gesellschaft. Zwar war er sich seiner Gefühle für Joey bewusst geworden, aber diese hatten ihn gehemmt und scheu werden lassen, da er nicht daran gewöhnt war, offen mit ihnen umzugehen und daher hatte er es auch vermieden, dem Blondschopf zu begegnen und sich in seiner Arbeit eingegraben. Außerdem war er sich der Empfindungen, die der Engländer für ihn hegte, nicht wirklich sicher und das verwirrte ihn zusätzlich, da er sich darüber nie zuvor Gedanken gemacht hatte. Gehetzt und nervlich erschöpft, wanderte er in seinem Audienzzimmer auf und ab, während Odeon ihm dabei zusah. „Was bedrückt Euch, mein König?" „Ich beabsichtige, mich wieder dem Studium der Lustbarkeiten zu widmen, mein Freund. Und doch bin ich durcheinander und eigentümlich beschämt. Ich kann Joseph zu nichts zwingen....aber nach dem, was passiert ist, einen anderen Mann für ein intimes Beisammensein auszuwählen, erscheint mir....verwerflich. Das ist mir noch nie widerfahren. Was soll ich tun?" „Wenn Euer Hoheit die Auswahl des Herren mir überlassen wollen?" „Ist dir diese Aufgabe nicht zu kompliziert?" „Nein, Euer Gnaden. Im Gegenteil, sie dünkt mich sehr einfach." antwortete der Oberaufseher mit seinem rätselhaften, beinah schelmischen Lächeln, aus dem man nie so recht schlau wurde. Der Sultan musterte ihn mit einem Anflug von Skepsis, gab aber schließlich sein Einverständnis und Farradji entfernte sich unter mehreren Bücklingen. Yami wandelte durch die Gärten des Palastes. Noch immer erschien ihm seine Rettung und die seines Liebsten wie ein Wunder. Er hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen und sie wären Seite an Seite in den Tod gegangen - bis Joey aufgetaucht war, stürmisch und entschieden, und die scharfen Klingen, die sie hätten töten sollen, mit bloßen Händen gestoppt hatte. Bakura schritt neben ihm einher und hatte ihn um die Hüfte gefasst, eine Geste, die er sich nun öffentlich erlauben durfte, ohne Angst haben zu müssen. „Die Liebe hat uns bewahrt", meinte er und lächelte dem Bunthaarigen zärtlich zu. „Aus meinem Mund mag das kitschig klingen, aber es lässt sich nicht leugnen. Kein anderer als Joey hätte das Herz des Sultans anrühren oder die richtigen Worte dafür finden können....Mehr denn je wünsche ich mir, dass er es ist, der in den höchsten Rang erhoben wird." „Er ist der einzige, der dessen wirklich würdig ist, du hast recht." „In der Tat." Sie wandten sich überrascht um und Ishizu trat aus dem Flur hinaus, der direkt zum Frauentrakt hinüberführte. Die Sonnenstrahlen verfingen sich in ihrem nachtschwarzen Haar und umschmeichelten ihre weiblichen Formen hervorragend, trug sie doch heute ein sandfarbenes Gewand mit Goldstickereien, das einen wunderbar eleganten Faltenwurf besass. Die beiden Haremsmitglieder verneigten sich vor der Ersten Gemahlin, denn sie war allgemein beliebt und viele bewunderten sie für ihre ruhige Kraft, mit der sie sogar den Fürsten für sich einnehmen konnte. „Ich bin sehr glücklich, Euch noch hier in unserer Mitte zu sehen. Ich hatte bereits das Schlimmste befürchtet, als mir das Urteil Seiner Majestät überbracht worden war. Ihr verdankt Joseph Euer Leben. Er hat großen Mut bewiesen. Seine tapfere Tat hat selbst die kritischsten Betrachter seiner Person positiv gestimmt." „Nicht alle. Siegfried dürfte nicht besonders angetan sein. Ich vermute berechtigterweise, dass er Yami und mich an den Oberaufseher verraten hat, um uns beide loszuwerden und sich an meinem Geliebten zu rächen!" „Siegfried? Siegfried van Schröder, der Schwede? Ich habe von den Konkubinen etwas munkeln hören, dass er in eine Giftsache verwickelt gewesen sei. Er ist ein schöner Mann, aber der falsche Zug um seinen Mund hat mir nie sonderlich gefallen....Ihr glaubt an eine Intrige? Aber so skrupellos kann doch niemand sein, die Liebe zweier Menschen an den Pranger zu stellen und auf ihre Exekution zu hoffen, nur um Rache zu üben!" „Glaubt mir, Ishizu, Siegfrieds Skrupellosigkeit spottet jeder Beschreibung, denn genau das, was Ihr soeben für uns skizziert habt, dürfte sein Plan gewesen sein. Ich will nicht leugnen, dass er äußerlich über gewisse Reize verfügt und sie erfolgreich einzusetzen versteht, doch sein verbissener Ehrgeiz zerstört die bezaubernde Fassade. Durch den Giftanschlag auf mich hat er gezeigt, wie weit zu gehen er bereit ist - und er ist wohl der einzige, der für Joey keine Sympathie empfindet." „Zweifellos." erwiderte der Weißhaarige und er bedeutete der Ersten Ehefrau des Monarchen mit einer Geste Richtung Hals, welche Absichten der Verfemte im Bezug auf den Briten haben könnte. Sie verstand und war zutiefst bestürzt. Hinterhältigkeit und boshafte Ränkespielchen waren Dinge, die eher in einer reinen Frauengemeinschaft anzutreffen waren und nicht selten kamen ihr Lästereien zu Ohren, welche die Konkubinen über sie ersannen, was sie jedoch nicht im mindesten beeindruckte. In der ungezwungenen Atmosphäre des Männer-Serails waren derartige Auswüchse höchst ungewöhnlich, da der Hang zur gehässigen Nachrede nicht unbedingt zu den typisch maskulinen Eigenschaften zählte. Natürlich gab es solche und solche auf beiden Seiten der Linie, aber ohne Frage bildeten Männer in diesem Punkt eher eine Ausnahme. Ein Charakter wie Siegfried hingegen konnte gefährlich sein, denn ihn kümmerte die Gemeinschaft nicht, für ihn war nur eine Person wichtig - er selbst. „Wir werden in den nächsten Tagen mit Marik und Duke darüber sprechen. Wir können nicht sicher sein, dass es tatsächlich er war, der uns verraten hat, aber diese Idee liegt sehr nahe. Jetzt, da sein Vorhaben gescheitert ist und es einen klaren Schuldigen für diesen, in Siegfrieds Augen, beklagenswerten Umstand gibt, könnte es sein, dass Joey vielleicht etwas zustößt....und das können und werden wir nicht zulassen!" „Er hat sich Eure Freundschaft verdient, nicht wahr, Bakura? Aber wie sollte es auch anders sein? Dennoch, Eure Vermutungen schockieren mich. Ich werde Ihrer Majestät, der Königinmutter, davon berichten. Es ist von Vorteil, gewarnt zu sein." Sie verabschiedete sich mit einem hoheitsvollen Nicken und kehrte in ihre Gemächer zurück. Nachdem sie Kisara und Mai dabei behilflich gewesen war, ihre Haare aufzustecken und ihren kleinen Sohn versorgt hatte, suchte sie Leila-Satis auf, die erste Dame des Reiches. Diese lag auf ihrem Diwan in ihrem Schlafzimmer (sie besass eine Flucht von zwölf Räumen im zweiten Stock) und hatte die Türen zu ihrem Balkon weit öffnen lassen, damit frische Luft und Sonnenlicht einströmen konnten. Zwei Pagen flankierten sie und schwenkten große Fächer aus duftigen Straußenfedern an langen goldenen Stielen, um ihr Kühlung zu verschaffen. „Salam aleikum, Euer Majestät. Dürfte ich wohl mit Euch sprechen?" „Wa aleikum salam, Ishizu. Natürlich darfst du das, ich freue mich stets, wenn ich mich mit dir unterhalten kann. Lasst uns allein." befahl sie den beiden Dienern und diese entfernten sich rasch. Die Ägypterin machte es sich in einigen Kissen bequem und begann damit, der Mutter des Sultans von der möglichen Gefahr zu berichten, die Siegfried für Joey darstellte. „Ich habe mir darüber bereits eigene Gedanken gemacht", erwiderte Leila, die sich über die Geschehnisse innerhalb des Harems stets auf dem Laufenden zu halten versuchte und zu diesem Zweck auch oft den Oberaufseher in ihren Gemächern empfing, denn nichts lag ihr ferner als sich auf das mit Vorsicht zu genießende Geschwätz der Konkubinen zu verlassen. „Odeon hat mir den Brief hinterbracht, in dem man ihn anonym über die Beziehung zwischen Yami und Bakura unterrichtete. Die Handschrift ist mir unbekannt, aber die Nachricht ist in der Sprache des Hofes abgefasst worden, daher ist anzunehmen, dass es sich bei dem Urheber um ein Mitglied des Oberen Harems handelt. Wir müssen aufmerksam sein....und du könntest gewiss durch deinen Bruder ein paar Dinge mehr in Erfahrung bringen, die den Schweden betreffen. Dass er im Vergleich zu Joseph keine Konkurrenz ist, dürfte ihm nur allzu bald klar werden - und dann könnte es eng werden für unseren Blondschopf...." Doch allen unguten Befürchtungen zum Trotz sollte in dieser Nacht der letzte Zweifel an Joeys nahendem Aufstieg beseitigt werden. Die Sterne strahlten wie nie zuvor und der Mond präsentierte sich an diesem Abend im reinen Glanz einer Perle. Der Sultan hatte sich vor wenigen Minuten in sein Lustgemach begeben und wartete nun dort auf den Mann, den Farradji für diese Nacht ausgewählt hatte. Er war nervös, eine Tatsache, die ihn sehr irritierte, denn über das Alter der schüchternen Verlegenheit war er bereits hinaus. Als die Tür sich öffnete, wagte er es nicht, sich umzudrehen. Er starrte stumm zu einem der kleinen Fenster hinaus und zog seinen Umhang enger um seine Schultern. „Wollt Ihr mich nicht ansehen, Euer Gnaden?" Seto sog hörbar die Luft ein und sein Herzschlag beschleunigte sich, bis er fast zu rasen schien. Seine Handflächen wurden schweißnass und langsam, zögerlich, wandte er sich zu demjenigen um, der ihn angesprochen hatte. Erlag er einem Trugbild? War er Opfer eines Zaubers? Narrte ihn ein Spuk? Aber nein, es stand wahrhaftig vor ihm und lächelte sanft. Statt den üblichen Haremsgewändern trug er einen roten Mantel mit weiten Ärmeln, der in der Mitte von einer goldenen Kordel gerafft wurde. Rot - eine Farbe, die innerhalb des Serails dem Sultan-baschi vorbehalten war. Hatte Odeon ihm das Kleidungsstück gegeben und sich absichtlich für diese Farbe entschieden? Das lange blonde Haar war noch zu einem Zopf gebändigt, aber einige vorwitzige Strähnen hatten sich aus der Frisur gelöst und umschmeichelten die schönen Gesichtszüge. Die braunen Augen brannten hell und leidenschaftlich, von einer Flamme durchdrungen, die einen verschlingen würde, wenn man sie erst von ihren Ketten befreit hätte. „Joseph....? Was tust du hier....?" „Wie eigenartig, diese Frage ausgerechnet aus Eurem Mund zu hören. Verlangtet Ihr nicht nach einem Gefährten für die Nacht? Ich bin da." Der junge König atmete tief, seine Gedanken verwirrten sich. War das zu glauben? Konnte er es glauben? Das langersehnte Ziel, die ihm beinah unmöglich scheinende Eroberung....erfüllte sich endlich? Er kam, um sich ihm zu unterwerfen....aber zugleich begriff der Monarch auch, dass er sich dem Briten ebenso unterwerfen würde, sehnend, willig, glühend vor Begehren. Seine Kehle war wie ausgedörrt, er war unfähig, irgendetwas zu sagen. Die Stille zwischen ihnen dehnte sich aus, bis der 22jährige die Kordel aufdröselte und den Mantel mit einem leisen Rascheln zu Boden gleiten ließ. Es war dunkel im Zimmer, doch das Mondlicht, das durch die beiden Fenster fiel, beleuchtete seine Konturen. Er war nackt, genierte sich aber keineswegs, als er sich auf das ausladende Bett legte und das Zopfband entfernte. Die Flut seines Haares ergoss sich einem Wasserfall ähnlich über seinen Rücken und mit geschmeidigen Bewegungen glättete und verteilte er es auf den Kissen. Seto beobachtete ihn schweigend, doch sein heftiger Atem verriet seine wachsende Erregung. „Joseph...." flüsterte er heiser. „Bitte....nennt mich Joey." >>Oh Allah....mir ist gerade, als stürbe ich vor Glück. Ist dies die Liebe? Die Magie der Liebe, die ich in den Liedern der Troubadoure beschrieben fand und deren poetische Texte ich sang, ohne ihre Bedeutung ermessen zu können? Ich fühle mich so beklommen....als schickte ich mich an, zum ersten Mal mit einem Mann intim zu werden. Was soll ich sagen? Wie soll ich mich verhalten? Allein sein Anblick geht mir ins Blut wie schwerer Wein....!<< „Kommt her." Der Engländer war der erste, der sich anmaßte, dem Herrscher von Marokko etwas zu befehlen, aber es war ein inniger, sinnlicher Befehl, dem sich niemand hätte widersetzen können. Der Ältere schlüpfte aus seinem Umhang und entledigte sich seines Lendenschurzes, näherte sich mit eleganten Schritten der Bettstaat und nahm Platz. Er spürte Joeys Augen auf seinem makellosen, kraftvollen Körper und rührte sich nicht, als dieser sich auf seinen Händen, die aufgrund seiner Verletzungen immer noch mit festen Bandagen umwickelt waren, abstützte und sich zu seinem Ohr neigte. „Küsst mich." raunte er mit tiefer, verführerischer Stimme und der Fürst meinte, förmlich hören zu können, wie eine als unüberwindlich gepriesene Mauer in sich zusammenfiel. Er musste schlucken, so stark pochte sein Herz und seine Lippen pressten sich anfangs nur unsicher auf die des anderen, bis ihre Zungen ins Spiel kamen. Sie schmeckten und liebkosten sich mit einer Inbrunst, die ihnen beiden fremd war, und der Sultan erkannte voller Verblüffung, dass Joey ihn ebenso sehr begehrte wie er ihn. Kräftige Arme schlangen sich um den adeligen Nacken und zogen ihn zu dem heißen, muskulösen Leib hinunter, der ungeduldig des Mannes harrte, der ihn zu neuen Höhen zu führen vermochte. Sie küssten sich erneut, rieben sich verlangend aneinander und ließen ihre Hände über entblößte, samtweiche Haut wandern. Seto glitt mit seinem Mund über den Hals bis zur rechten Brustwarze und begann, zärtlich an der rosigen Knospe zu saugen und darüber zu lecken, was dem Briten ein genießerisches Keuchen entlockte. Schlanke Finger massierten die linke Brustwarze, während eine warme feuchte Zunge in den Bauchnabel tauchte und ihn verwöhnte. Er fühlte, wie der Blonde sich aufbäumte und sich den Liebkosungen darbot, und sein Glück stürzte in einer Woge reiner Wonne über ihm zusammen. „Wie, Joey....?" hauchte er gegen dessen glühende Lippen. „Wie ist es möglich, dass du nun bei mir bist? Du hast zwar gesagt, du würdest....mich nicht hassen....aber geliebt hast du mich auch nicht....Welcher gnädigen Fügung verdanke ich es, dass ich dich jetzt in meinen Armen halten darf?" Der Engländer lächelte matt. „Der Irrtum liegt bei mir, Euer Majestät....Ich war fasziniert von Euch, kaum, dass ich Euch begegnet war. Aber mein Stolz und mein Zorn auf Euch verhinderten, dass ich es mir eingestand. Ich wollte Euch nicht lieben, ungeachtet der Tatsache, dass ich Euch schon sehr bald begehrte, ohne es akzeptieren zu können. Wart Ihr nicht derjenige, den ich für seine Grausamkeit, für seine Unnachgiebigkeit, hassen musste? Doch gehasst habe ich Euch in Wahrheit nie, vielleicht, weil ich Euch bereits recht früh von einer anderen Seite kennenlernte. Hätte ich mich nicht so gegen meine Gefühle gewehrt, wäre ich mir ihrer selbst schneller bewusst geworden....hätte Yami mich nicht mit der Nase darauf gestoßen, hätte ich die Erkenntnis womöglich noch länger vor mir hergeschoben. Wäre es nicht so gewesen, hätte ich eventuell nicht die richtigen Worte gefunden, um Euer Herz zur Einsicht zu bewegen....ich bin so froh, dass ich mich im Kern Eures Wesens nicht in Euch getäuscht habe. Ich glaube, wenn Ihr mitleidslos und unversöhnlich gewesen wärt, wenn Ihr hart geblieben wärt, ich hätte Euch niemals verzeihen können....Was gab den Ausschlag, dass Ihr die beiden am Leben ließet?" Der Brünette streichelte über einen der Oberschenkel seines Liebsten und antwortete leise: „Was den Ausschlag gab? War es dein Mut, dein Flehen, die Ausstrahlung deiner Augen, alles, was du tatest und sagtest? Es muss wohl alles gewesen sein. Das Entscheidendste war jedoch, dass ich endlich begriff, was ich für dich empfand. Ich konnte es nicht glauben, als es mir klar wurde und trotzdem verstand ich, dass es nichts anderes sein konnte. Ahnst du auch nur, welche Qualen du mir bereitet hast, mein schöner Rebell? Dich immer nahe zu wissen und dich doch nie berühren zu dürfen....Du hast mir deinen Widerwillen, deine Wut ins Gesicht geschrien, hast mich gepeinigt bis aufs Blut....! Das ist vorbei. Die Zeit ist gekommen, da ich dich für deinen Ungehorsam bestrafen werde...." „Aber diesmal wird die Peitsche liegenbleiben und die Buße wird süß sein", erklärte Joey und bewegte sich fordernd und wollüstig unter den wissenden Händen des Fürsten, der sich daraufhin noch fester an ihn presste. „Ihr sagt, ich habe Euch Qualen bereitet? Nun denn....so rächt Euch!" fügte er leidenschaftlich hinzu. Ihre Lippen vereinten sich; halb trunken vor Liebe und Begierde schmiegten sie sich aneinander, erkundeten sich gegenseitig und schlugen immer wieder neue Quellen der Lust an. Bald schwach und erschöpft, bald rasend vor Verlangen, seinen Kopf auf dem Teppich seines goldglänzenden Haares hin und her wendend, spreizte er seine grazilen Beine, während der Sultan seine steife Männlichkeit mit einem heißen, hungrigen Mund umschloss und ihn dem ersten Gipfel zuführte. Es gelang ihm nicht mehr, sein Stöhnen zu unterdrücken, aber es kümmerte ihn auch nicht. Er wurde von einem Rausch der Sinnlichkeit erfasst, seine Welt war zusammengeschrumpft bis auf das Bett, in dessen seidigen Laken sie sich wanden und glutvoll liebten. „Euer....Hoheit....Ich....oh, ich...." Alles um ihn herum drehte sich. Seine Arme legten sich um starke Schultern und der Brite leckte über die elegante Halslinie des Herrschers, ehe er tiefer sank und die Liebkosung erwiderte, die der Monarch ihm dargebracht hatte. Seto lehnte sich keuchend zurück, seine Sinne waren vollkommen vernebelt, außer Joey besass nichts mehr sonst eine Bedeutung. Sein Körper bebte, die Ekstase rann durch ihn hindurch wie Feuer und seine Finger vergruben sich in den blonden Flechten, um den Kontakt zu intensivieren. Nichts an der Situation war an sich neu für ihn und doch schien es ihm, als erlebe er zum ersten Mal wirklich, was es hieß, eine Nacht mit jemandem zu verbringen und im Grunde traf dies zu, denn die Bedeutung einer echten Liebesnacht war ihm bisher fremd geblieben. Ein weiterer Wechsel aus Küssen entspann sich zwischen ihnen, und während sie sich einander hingaben, ungehemmt, sehnsüchtig, merkte der Jüngere, dass er bereit war, den anderen aufzunehmen. Er hielt es nicht mehr aus, sein in Freuden schwelgender Leib betete um Erlösung, hoffte auf eine Beendigung dieser so köstlichen und wunderbaren Folter. „Ich ertrage es nicht länger....Vereine dich mit mir, mein Geliebter...." Die vertrauliche Anrede, weit entfernt von dem distanzierten „Ihr" bzw. „Euch", erschütterte den Fürsten, aber keineswegs negativ. Er hatte noch nie einem seiner Haremsherren erlaubt, ihn zu duzen, doch hier war er geneigt, eine Ausnahme zu machen. „Habe ich....dir das....‘du‘ angeboten....?" „....Verzeiht bitte....daran hatte ich nicht gedacht....ah....ich....oh Seto....!" „Nur du....Von allen Männern im Serail darfst nur du allein mich so nennen...." In einer innigen Umarmung versunken, drang der Monarch in ihn ein und pure Lust wallte in ihnen nach oben, mächtiger, verzehrender, als sie es je zuvor erfahren hatten. Sie erklommen Berge, von denen ein jeder höher war als der vorige und näherten sich beständig ihrem Höhepunkt. Joey schrie nicht auf, als ihn eine rauschhafte Welle über die Klippe spülte, denn er konnte nur noch nach Luft gieren, unfähig, ein verständliches Wort zu formulieren oder auch nur einen vernünftigen Ton hervorzubringen. Muskeln spannten sich in einer finalen Anstrengung unter seinen Fingern an und plötzlich füllte flüssige Hitze seinen Körper. Sein Zeitgefühl hatte ihn völlig verlassen und durch den Schlaf, der ihn langsam übermannte, vergass es alles andere. Benommen und glücklich glitt er ins Reich der Träume hinüber und entschlummerte selig.... Der Morgen brach an. Der Brite blinzelte und erwachte mit einem Gähnen. Seto hatte einen Arm um ihn geschlungen und drückte ihn sanft an sich. Er befreite sich sacht aus der Umarmung und betrachtete zärtlich das Gesicht des Sultans, der noch schlief und dessen Brust sich unter gleichmäßigen Atemzügen hob und senkte. Es war ein sehr friedliches Bild, das er bot und die halbgeöffneten Lippen luden dazu ein, sie zu küssen. Lächelnd liebkoste er den süßen Mund und läutete nach einem Pagen. Er ordnete an, für sie beide ein Bad vorbereiten zu lassen und schickte den Diener zudem mit dem Wunsch nach zwei Tassen Kaffee in die Palastküche. Die Tür fiel hinter dem Jungen ins Schloss und der König kam zu sich. Für einen Moment fragte er sich tatsächlich, ob er die vergangene Nacht lediglich geträumt hatte, doch als samtene Lippen sich auf die seinen legten, wurde ihm klar, dass alles herrliche, kaum zu fassende Wahrheit war. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, strich der Ältere seinem Liebsten durch das lange Haar und sagte: „Allah hatte ein Einsehen mit mir. Er hat dich mit Vorbedacht hierhergeschickt. Ich musste dich kennen lernen, mich mit deinem Widerstand auseinander setzen, um schließlich von deinem Zauber bezwungen zu werden....Elf Wochen, Joey. Ist das zu glauben? Ich habe noch nie zuvor bei einer Eroberung so viel Geduld aufgebracht....vielleicht, weil ich bisher nie selbst erobert wurde, jedenfalls nicht in dem Sinne, in dem es dir gelungen ist. Ich....ich liebe dich...." „Ich weiß, Seto. Ja, jetzt weiß ich es....denn ich liebe dich auch...." „Dir ist doch klar, was nun geschehen wird, oder?" Der 22jährige schwieg eine Weile, dann erwiderte er: „Ich werde....Sultan-baschi....?" „Ja. Sultan-baschi....derjenige, der die Könige beherrscht. Ich bin bereit, dir diesen Titel zuzugestehen, denn wenn ich auch nicht weiß, wie es um den Monarchen deines Landes bestellt ist, so kann ich nicht leugnen, unter deine Herrschaft gefallen zu sein. Das Geschenk jener letzten Nacht....ich würdige es mit ganzem Herzen. Ich habe nie auf einen Mann so lange gewartet, noch mich so lange bezähmt....und nun, da du endlich mein bist, vermag ich kaum richtig auszudrücken, was ich empfinde...." „Das musst du auch nicht. Ich durfte es gestern spüren, in jenen Stunden, da du mir allein gehörtest. Ich durfte es erkennen in der Gnade, die du meinen Freunden zuteil werden ließest. Einst hätte ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, Sultan-baschi zu werden, aber...." „Es geht nicht einfach nur darum, Sultan-baschi zu werden. Es geht vor allem darum, Sultan-baschi zu sein. Derjenige zu sein, der die Geschicke des Harems lenkt und der selbst Odeon Farradji, diesen großen, rätselhaften Hünen, um den kleinen Finger zu wickeln versteht. Derjenige zu sein, vor dem sich selbst die Favoriten verneigen und den ich wie einen Ebenbürtigen behandeln werde. Wer könnte diese Aufgabe besser erfüllen als du?" „Aber um diesen Status zu erhalten, muss ich doch zuerst Mitglied des Gold-Ranges werden?" „Das ist korrekt. Du wirst eben den Silber-Rang überspringen." „Würde das nicht Neid und Missgunst erregen?" „Nein. Bei jenem, der würdig ist, den Titel des Sultan-baschi zu tragen, sollte man so etwas erwarten dürfen. Außerdem hat dein tapferes Einschreiten während der Hinrichtung sogar bei den Männern Sympathie und Bewunderung hervorgerufen, die dich mit weniger wohlwollenden Augen betrachteten. Mut ist eine seltene Gabe, Joey, und ich danke Allah, dass er mir einen so wunderbaren Gefährten wie dich an die Seite gestellt hat. Ich werde schon heute deine Gemächer im Gold-Rang einrichten und deine Habseligkeiten dorthin bringen lassen. Später wirst du im Rahmen einer feierlichen Zeremonie im Hof der Blumen zum Sultan-baschi erhoben werden. Wer sonst, wenn nicht du? Es war dir bestimmt." Er konnte nur nicken. Das über ihn geneigte, makellose Antlitz mit den atemberaubenden, saphirblauen Augen und den vollen Lippen zog ihn unwiderstehlich an. Er besass keinerlei Kraft mehr, um sich weiterhin gegen seine Liebe zu wehren und so war ihm nur die Niederlage geblieben. Aber er hatte jede einzelne Sekunde dieser Niederlage genossen und musste sich ein wenig erstaunt und überrascht eingestehen, dass er wirklich glücklich war. Schließlich reinigten sie sich im heißen Wasser des Hammam und tranken ihren Kaffee, bis es für den Engländer an der Zeit war, in den Bronze-Rang zurückzukehren, denn Seine Majestät musste sich wieder einmal mit Staatangelegenheiten beschäftigen. Natürlich hatten seine Kameraden sehr wohl bemerkt, dass er nicht auf seinem Lager genächtigt hatte und so wurde er von Dartz, Marko, Raphael und Shadi äußerst genau gemustert, als er in ihrem gemeinsamen Zimmer erschien. Er schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln und holte seelenruhig das Päckchen mit den Ohrringen unter seinem Bett hervor. Mit lässiger Eleganz setzte er sich vor den im Raum befindlichen Spiegel und legte die Schmuckstücke an. Sie standen ihm hervorragend, wie er sich mit einem Kennerblick festzustellen erlaubte. Und keiner der Anwesenden zweifelte an der Bedeutung dieser Geste, dieses demonstrativen Schmückens. „Du warst....bei Seiner Hoheit....?" erkundigte sich Dartz vorsichtig, um auch noch den letzten Rest an Unsicherheit zu beseitigen. „Ja, ich war bei Seto." lautete die schlichte Antwort und die Verwendung des Vornamens verscheuchte endgültig selbst die hartnäckigsten Zweifel. Der Blondschopf war sichtlich verlegen, als sich die anderen respektvoll vor ihm verbeugten. „Hört doch auf damit, ihr tut ja gerade, als wäre ich bereits Sultan-baschi....!" Shadi erhob sich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Joey, mein Freund....für uns bist du schon immer Sultan-baschi gewesen." Das war also die Liebesszene....nicht zu detailliert, das hätte nicht zur Atmosphäre der FF gespasst, aber ich hoffe, sie war trotzdem schön. Wir sehen uns beim letzten Kapitel wieder (wo Siggi endlich eins aufs Dach kriegt), bis dann!^^ *wink* Kapitel 12: Der Aufstieg ------------------------ So, da bin ich wieder! Ich wollte das letzte Kapitel eigentlich schon längst on stellen, aber ich hab's immer wieder vergessen! *drop* Ich will mich auch gar nicht lange aufhalten, hier ist also das Abschlusskapitel von "Desert Nights"! Zwölftes Kapitel: Der Aufstieg Es wäre gelinde ausgedrückt, wolle man behaupten, Siegfried sei über die Nachricht, dass Joseph die Nacht zusammen mit dem Sultan verbracht habe, besonders missgestimmt gewesen. Tatsächlich lief er mit einem erschreckend verdrießlichen Gesicht umher und selbst bei Tisch beteiligte er sich so gut wie gar nicht am Gespräch, obwohl er die Mittagsstunde normalerweise gerne dazu nutzte, sich den neuesten Klatsch zu verschaffen. Aber während sein Mund heute fast reglos blieb, arbeiteten seine Gedanken dafür umso fieberhafter. Wenn er nicht bald eine zündende Idee hatte, verwandelten sich seine ehrgeizigen Luftschlösser in Schuttwerk, noch ehe er die Möglichkeit gehabt hatte, ihr Potential vollends auszuschöpfen! »Nicht nur, dass ich Yami nicht losgeworden bin, dieser verdammte Engländer ist der neue Liebhaber des Sultans! Seinetwegen ist mein ganzer Plan gescheitert! Aber ich werde ihn nicht damit davonkommen lassen! Was kann ihm dieser Bengel schon bieten, das ich nicht auch besässe?! Ich bin schön, klug, geistreich, unterhaltend! Und ich habe Mittel und Wege, um ungebetene Rivalen auszuschalten!« Er verfasste ein Schreiben und übergab es einem Pagen. „Bring das in die Küche, aber rasch! Sage der Köchin, dass ich all diese Zutaten benötige. Sie soll sie mir beschaffen und keine unangebrachten Fragen stellen! Los, spute dich!" Das war erledigt. Nun hatte er noch etwas anderes zu tun, das ebenfalls von Bedeutung war. Er band sein Haar zu einem Zopf zusammen und eilte ins Erdgeschoss hinunter, wo die Gemächer des Bronze-Ranges eingerichtet waren. Noch war Joeys Umzug in höhere Gefilde nicht vollzogen, da noch nichts offiziell war und daher nahm Siegfried an, dass er seinen Gegner hier finden würde. Er sollte recht behalten. Die Männer des Dritten Ranges beendeten soeben ihr Mittagsmahl im Speisesaal und waren über den unerwarteten Besuch sehr erstaunt. Dartz, der als Rangsprecher mit Yami und Tristan in Kontakt war, hob alarmiert den Kopf, denn er wusste genau, was er von diesem Kerl zu befürchten hatte. „Was machst du hier? Mir ist kein Besuch gemeldet worden." „Selbstverständlich nicht, weshalb sollte ich mir auch die Mühe machen, einen Mann aus dem Bronze-Rang über meine Vorhaben zu informieren?" „Das gebietet der gute Ton, aber derartige Erwartungen sind an dich ja verschwendet!" Woher nahm der Niedrigergestellte die Dreistigkeit, auf diese Weise mit ihm zu sprechen? Das war empörend! Glaubte er, er hätte einen Narren vor sich?! Nein, das glaubte Dartz keineswegs. Er wusste sehr wohl, dass sein Gegenüber gefährlich war und nicht unterschätzt werden durfte. Aber er hatte nicht die Absicht, einfach klein beizugeben und demütig vor Siegfried auf den Knien herumzurutschen. Ihn respektvoll und höflich zu behandeln, wie es die Regeln der Etikette vorschrieben, das hätte er bereitwillig getan, wenn der andere nicht unmissverständlich klar gemacht hätte, dass er sich über seine Haremskameraden erhaben dünkte. „Was also ist dein Anliegen?" „Ich verlange, mit Joseph zu sprechen!" Joey, der bisher unbeteiligt zwischen Marko und Shadi gesessen hatte, die ihm spannende Sagen und Legenden aus ihren Heimatländern erzählten, horchte verblüfft auf und trat an den Gast heran. „Was kann ich für dich tun?" Der Schwede sah die herrlichen Ohrringe, die der Brite seit zwei Tagen trug und wurde hochrot vor Ärger und Eifersucht. Seine Augen blitzten angriffslustig und er stieß hervor: „Hör zu, Mistkerl: Ich lasse mir nicht den Posten streitig machen, der allein für mich bestimmt ist! Ich werde derjenige sein, der diesen Serail regiert! Das beste wäre, du würdest wieder in deine rückständige Heimat verschwinden! Ich werde es nicht dulden, dass ein dahergelaufener, ehemaliger Adeliger wie du mir meinen Triumph stiehlt! Vielleicht vermag ich dem Fürsten seine Liebe zu dir nicht aus dem Herzen zu reißen, aber dafür werde ich dich aus dem Leben reißen!! Ein minderwertiges Geschöpf wie du es bist, wird mich nicht mattsetzen! Kein Mann liebt den Schatten eines Toten! Ich bin zum Sultan-baschi geschaffen, und ich werde niemals zulassen, dass du aufsteigst!!" Er überbrückte mit fliegenden Schritten die Entfernung zwischen ihnen und grub in einer wilden Bewegung seine Nägel in die Unterarme des Blonden, wo sie tiefe Kratzer zurückließen. Kalte Wut und tödlicher Neid loderten ihm aus diesen himmelblauen Augen entgegen und hüllten ihn ein wie der erstickende Duft giftiger Blumen. Auch am Hofe des englischen Königs hatte er Missgunst erregt durch seine bevorzugte Stellung als Erzieher des Thronfolgers und seine Schönheit, aber noch nie zuvor war ihm dieses ätzende Gefühl in derartig brutaler Klarheit begegnet. Sein Wesen bäumte sich auf gegen diese aggressive Kampfansage, seine Erbitterung wuchs und entlud sich schließlich in einer zornigen Geste - er versetzte Siegfried eine schallende Ohrfeige und dieser schrie auf. „Genug!! Ihr entwürdigt euch!" rief Dartz und trat entschlossen dazwischen. „Ich bin nicht überrascht, eine solche Gehässigkeit bei dir vorzufinden, Schröder! Aber lass dir gesagt sein, dass Joey Sultan-baschi werden wird, auch wenn es noch nicht offiziell verkündet wurde! Und nun bitte ich dich, zu gehen!" Dass er in der Anrede nur seinen Nachnamen benutzte, machte die Verachtung deutlich, die der Türkishaarige für den Schweden empfand und die feindseligen Blicke, die ihm die übrigen Mitglieder des Bronze-Ranges zuwarfen, ließen erkennen, zu wem sie hielten. Aber das kümmerte ihn nicht. Wer brauchte schon das Vertrauen oder die Bewunderung dieser Schwachköpfe, wenn er erst einmal Seine Majestät becirct hatte? Er straffte die Schultern und rauschte hinaus, während Raphael die Kratzer an Joeys Armen vorsichtig mit einem sauberen Tuch abtupfte und mit einer Salbe einrieb. „Ein Verrückter", murmelte der 22jährige, um sich zu beruhigen. Doch die Wirklichkeit war viel schlimmer, denn er hatte genau verstanden, dass dieser Widersacher ein Mann von scharfem Verstand war und ihn hasste. „Wer....wer war das?" Dartz wandte sich ihm zu und bedeutete ihm, sich zu setzen. Sie nahmen in den weichen Kissen Platz und der Rangsprecher berichtete dem Jüngeren alles, was er über Siegfried wusste.... Kazim Ismael ab-del Kaiba, der bisher erste und einzige Sohn des Sultans, bemühte sich angestrengt, Krabbeln zu lernen. Er war jetzt über fünfeinhalb Monate alt und wollte nicht mehr ständig herumgetragen werden. Seine Mutter lag auf ihrem Diwan im Garten und sah ihm beim Spielen und Üben zu. Immer, wenn er sich auf seine Knie und Händchen aufgestellt hatte, rutschte er wieder nach hinten ab, doch noch war er nicht bereit, aufzugeben. Leila-Satis sass am Rand des Schwanenbrunnens und ermunterte ihren Enkel mit Rufen. Da kam eine der Dienerinnen gelaufen und kündigte den jungen Briten an. „Nanu? Weshalb ist er hier? Nicht, dass ich mich nicht auf ihn freuen würde....aber er muss einen Grund für sein Erscheinen haben. Schick ihn zu mir, Suleika!" Das Mädchen eilte davon und wenig später verneigte sich Joey vor den beiden Frauen. „Ich hatte vor einer halben Stunde eine äußerst beklagenswerte....Auseinandersetzung mit einem gewissen Siegfried. Dartz hat mir von ihm und der Vergiftungsaffäre erzählt und von dem ominösen Brief, der Odeon die Beziehung von Yami und Bakura verriet. Der schwatzhafte Page, der den Brief an Farradji weiterleiten sollte, hat sich verplappert, daher weiß er davon. Ich habe den Oberaufseher herbeizitieren lassen und er teilte mir mit, dass er Euch dieses anonyme Machwerk übergeben habe, Euer Majestät." „Das ist richtig. Ich nehme an, du möchtest das Schriftstück einsehen?" Er nickte und die Königinmutter ließ das Papier holen. Während er die Zeilen las, die in einer ordentlichen Orthographie und in der Sprache des Hofes niedergeschrieben worden waren, staute sich heiße Wut in ihm auf. Die geheuchelte Ergebenheit und die Hinterhältigkeit, die aus dem Inhalt dieses Briefes bzw. aus seiner bloßen Existenz geradezu herausquollen, verursachten ihm Übelkeit. Er zitterte vor Entsetzen und zerknüllte die Nachricht nach Beendigung der Lektüre erbost. Jemand hatte es gewagt, seine Freunde zu verraten und sie ihrer Liebe wegen anzuprangern! Wäre das nicht geschehen, ihr Leben wäre vielleicht nie in Gefahr geraten! Jetzt, da er über Siegfried und seine ehrgeizigen Absichten im Bilde war, erschien es ihm fast als erwiesen, dass er der Urheber dieses Textes war. »Er hat mir ganz offen den Kampf angesagt....und wenn er es wirklich will, wird er Mittel und Wege finden, um mich zu beseitigen! Dieser Brief ist vielleicht meine einzige Chance, diesen Bastard in die Knie zu zwingen. Meine Erhebung in den Rang des Sultan-baschi steht bevor und er wird nicht ruhen, ehe er mich sicher unter der Erde weiß. Ich muss nachdenken. Sein nächster Schritt wird zweifellos ein Anschlag auf mein Leben sein....aber wie wird er es bewerkstelligen? Vermutlich durch Gift, genau wie bei Yami. Ein grausiger Gedanke, dass ein solcher Mann in unserer Mitte lebt! Er ist es, der verschwinden muss!« „Du glaubst, dass Siegfried etwas damit zu tun hat, nicht wahr? Du hast recht, auch Ishizu und ich sind davon überzeugt. Aber ohne Beweise können wir gegen ihn nichts ausrichten. Außerdem ist das ein Kampf zwischen dir und ihm. Es würde nichts nützen, meinen Sohn über die Sachlage in Kenntnis zu setzen, solange wir den mutmaßlichen Schuldigen nicht festsetzen können. Du bist es, der ihn in seine Schranken weisen muss, damit er begreift, dass er es nicht wert ist, Sultan-baschi zu werden." Er nickte, bedankte sich bei Leila-Satis und kehrte in den Bronze-Rang zurück. Gegen Abend kam eine Gruppe flinker Pagen zu dem Gemach, das er sich mit seinen Freunden teilte und begann, seine Habseligkeiten in sein neues Zimmer zu bringen - wobei es in diesem Fall angemessener wäre, in der Mehrzahl zu sprechen, denn als zukünftiger Regent des Harems stand ihm eine Kombination aus zwanzig Räumen zur Verfügung, unter anderem ein eigener Audienzsaal, ein Ankleideraum, ein Schlafgemach, ein Speisezimmer und ein persönliches Bad sowie ein Balkon, der jedoch ehe einer Terrasse ähnelte. Und natürlich gab es ein Zimmer, in dem ihn nur der Sultan besuchen durfte. Während die eifrigen Diener seinen geringen Besitz in den Fächern der Schränke verstauten, besah sich der Brite all seine neuen Errungenschaften. Er besass nun auch mehr Gewänder, nicht mehr nur den Hüftrock, den Umhang und das Beduinenkostüm, das ihn verhüllen sollte. Die Schärpen waren zwar allesamt golden, um seinen Status zu verdeutlichen, aber sie waren mit den verschiedensten Stickereien verziert und die unterschiedlichsten Edelsteine waren auf den Stoff genäht, mochten es Rubine, Smaragde, Saphire oder gar Diamanten sein. Die Serailmäntel schimmerten in Dutzenden von Rottönen, hell oder dunkel, weinrot, kirschrot, korallenrot, selbst blutrot. Einige waren mit Goldfäden geschmückt, die man zu Bildern verwoben hatte, etwa als Drache oder Tiger, wohingegen wieder andere einfach nur elegante Muster aufwiesen. Der Saum war bei jedem Exemplar bestickt, ohne Ausnahme. Sogar Kleidung für festliche Anlässe konnte er nun sein eigen nennen und er ließ fasziniert einen silbrig-weißen Schleier durch seine Finger gleiten. „Seine Majestät möchte Euch noch einen weiteren Schleier schenken, den er erst kürzlich für Euch herstellen ließ. Er sagte, er sei ein Einzelstück." Joey wandte sich lächelnd an den Pagen, der ihn ehrfürchtig anblickte und betrachtete das zarte Gewebe, das der Junge ihm hinhielt. Der Schleier war aus roter Seide gefertigt und mit goldenen Schriftzügen bedruckt. „Ich habe Arabisch nur durch das Hören gelernt, die Buchstaben kenne ich nicht. Könntest du mir vorlesen, was hier steht?" „Es....es ist die Strophe eines Liedes, glaube ich...." antwortete der Bursche und seine Hände fingen an zu zittern. „Ungefähr so: ‚Liebe brennt in meinem Herzen, Liebe hält mich umfangen, Liebe, die ich nie gekannt. Trägt mich auf sanften Schwingen durch die Nacht, ergeben einer Macht, die an dich mich band.‘ Wie wunderschön! Der Fürst muss Euch sehr lieben, wenn er diese Worte für Euch auf einem Schleier verewigen lässt, den Ihr immer bei Euch tragen könnt....Ihr....Ihr seid....ach, ich kann nicht!" schrie der Bursche plötzlich gepeinigt auf und warf den Schleier zu Boden. Zwischen seinen Händen steckten Platanenblätter. „Was soll das? Wie kommst du zu diesen Blättern, was willst du damit?" „Oh bitte, Herr, Ihr dürft mich nicht bestrafen! Der Schleier....er ist mit einem Gift getränkt! Ohne die Blätter hätte ich ihn nicht anfassen können, denn das Gift dringt durch die Haut in den Körper ein! Der Schwede hat mir gedroht. Er hat gesagt, wenn ich ihm den Schleier nicht bringen und danach nicht genau seinen Anweisungen folgen würde, würde er dafür sorgen, dass ich ausgepeitscht würde, bis ich sterbe! Ich hatte solche Angst! Ich ahnte, dass er etwas Schlimmes plante, als er mich mit einer Nachricht für die Köchin in die Palastküche schickte.... sie musste ihm Zutaten für das Gift beschaffen, da bin ich sicher! Und dann....dann hat er den Schleier in der Mixtur gebadet, die er gebraut hatte. Ich habe ihn dabei beobachtet. Herr, ich schwöre Euch, ich habe nur aus Furcht seine Befehle befolgt....! Bitte, bestraft mich nicht, bestraft mich nicht! Ich....ich wollte Euch nie ein Übel! Ich weiß, wie sehr der Sultan Euch liebt, der ganze Harem weiß es! Ihr seid so schön und so tapfer und so freundlich, auch zu uns Dienern....jemanden wie Euch verderben zu wollen, ist ein Verbrechen!" Heiße Tränen rannen über seine Wangen und er vergrub sein Gesicht beschämt in den weiten Falten seines Gewands. Joey, viel zu bestürzt über die Art der Methoden, die sein Feind für sich nutzte, war weit davon entfernt, auf den Jungen wütend zu sein. Sein Zorn galt Siegfried. Er kniete sich nieder und umarmte den verblüfften Pagen. „Weine nicht. Ich werde dich nicht bestrafen. Dich trifft keine Schuld. Du bist noch ein Kind - und dass er es wagt, ein Kind zu bedrohen, dass er es in Todesangst versetzt, nur um mir zu schaden, das ist das wahre Verbrechen! Er wird dir nichts antun, das verspreche ich dir. Sag, hast du diese Nachricht noch bei dir, die du der Köchin überbringen solltest?" „Ihr....Ihr seid so gut....Ihr verzeiht mir....ich danke Euch von Herzen für Eure Güte! Ich....ich....ja....Ja, ich habe die Nachricht noch bei mir. Wollt Ihr sie haben?" Er reichte dem Blonden ein ordentlich zusammengefaltetes Stück Papier und der Engländer erkannte die Schrift sofort wieder: Es war jene, mit der auch der Brief an Odeon Farradji geschrieben worden war. Er wischte dem Jungen behutsam die Tränen fort und ließ ihm ein schmelzendes Lächeln zuteil werden. Der Page, dessen rundes Gesicht von einem Pelz herrlicher schwarzer Locken umrahmt war, errötete bis zum Haaransatz hinauf und verneigte sich tief. „Habt Dank für Eure Güte", wiederholte er leise. „Nein, im Grunde muss ich dir danken. Wie ist dein Name?" „Ich heiße Rashid, Herr." „Nun, Rashid....du behältst es für dich, was zwischen und beiden geschah, dann wird dir nichts passieren, solange sich Siegfried in Sicherheit wiegt. Er eignet sich nicht zum Sultan-baschi....und weißt du auch, warum? Er interessiert sich nur für sich selbst, alle anderen sind ihm gleichgültig. Es würde ihm nicht einfallen, jemandem zu helfen, der in Not ist. Aber auch ein Sultan-baschi kann sich nicht an der Spitze behaupten, wenn die Männer des Harems ihn verachten. Er wollte meine Freunde ans Messer liefern und mich umbringen. Er ist es, der bestraft werden muss." „Was wollt Ihr unternehmen? Meint Ihr, dass Seine Majestät ihn hinrichten lassen wird?" „Hinrichten? Oh nein, eine Exekution ist nicht das, was ich im Sinn hatte. Er soll am Leben bleiben, aber dafür aus dem Palast verbannt werden." „Ihr wollt, dass er weiterlebt? Das begreife ich nicht!" „Eine Verbannung ist die größte Demütigung und die schlimmste Enttäuschung, die ihm widerfahren könnte. Für Siegfried wäre sie schrecklicher als der Tod, weil ein anderer über ihn triumphiert hätte. Und genau das ist es, was er verdient!" Joey steckte die Botschaft unter seine Schärpe und befahl Rashid, den besagten Schleier mittels der Platanenblätter in die Wäscherei zu tragen, mit seiner ausdrücklichen Anweisung, ihn nur mit Holzgreifern und ähnlichen Instrumenten anzufassen. Man solle versuchen, ihn von dem Gift zu reinigen. Der Bursche entschwand und der Brite machte sich auf den Weg zu seinem Rivalen, von wilder Entschlossenheit erfüllt. »Er hat wirklich keine Zeit verloren! Wie kann man nur so skrupellos sein und ein Kind für derartige Zwecke missbrauchen!? Ich hatte vor, ihn mir nach meiner Ernennung zum Sultan-baschi vorzuknöpfen, aber es könnte sein, dass ich bis dahin nicht mehr lebe, wenn ich Pech habe! Die Idee mit dem Schleier ist ziemlich durchtrieben, noch dazu, wo es sich dabei um ein Geschenk von Seto handelt. Je eher ich diesem Teufel das Handwerk lege, desto besser ist es! An mir wird er sich die Zähne ausbeißen!« Wer dem Geliebten des Herrschers in den nächsten Minuten begegnete, war überrascht von dem gefährlichen Funkeln, das in seinen leidenschaftlichen Augen lag. Doch der Zorn, der sein Blut in Wallung brachte, hatte schon immer dazu geführt, die Ausstrahlung seiner Schönheit zu verstärken, sodass manch einer stehenblieb, um ihm nachzusehen. Er gelangte zum Silber-Rang und traf auf Tristan, der ihn mit einer Verbeugung begrüßte. „Guten Abend, Joey. Welcher Anlass verschafft uns die Ehre deines Besuches? Oh, verzeih....ich sollte mich wohl respektvoller ausdrücken. Was verschafft uns die Ehre Eures Besuches?" „Es ist nicht nötig, dass du dich korrigierst, mein Freund. Kannst du mir sagen, wo sich Siegfried zur Zeit befindet? Ich habe mit ihm zu reden." „Er ist in seinem Gemach. Geht es um die abscheuliche Szene beim Mittagsmahl, von der ich gehört habe? Er hat dich öffentlich angegriffen, hat man mir berichtet. Ihn zurechtzuweisen, dürfte wenig nützen. Er ist der Meinung, dir überlegen zu sein." „Ich bin hier, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen." Der Braunhaarige deutete ein Lächeln an und wies in den Korridor, in dem das Fünferzimmer untergebracht war, zu dem auch der Schwede gehörte. Der Engländer bedankte sich und betrat den besagten Raum, ohne anzuklopfen. Sein Gegner sass gerade vor dem Spiegel und flocht sein Haar zu einem Zopf, sodass er erschrocken zusammenfuhr, als mit einem Mal Joey hinter ihm stand. Nachdem er sich von diesem Schreck erholt hatte, griff er sich eine Quaste und trug ein wenig Gesichtspuder damit auf. „Es ist sehr unhöflich, nicht anzuklopfen. Aber von jemandem wie dir gute Manieren zu erwarten, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Was willst du hier?" „Wenn es nach dir ginge, sollte ich überhaupt nicht mehr hier sein. Das Gift des von dir präparierten Schleiers wäre schon längst über die Haut in meinen Körper gelangt, wenn ich ihn getragen hätte. Unglücklicherweise hast du dir den falschen Überbringer für dieses elegante Tötungswerkzeug ausgesucht. Der Page mag mich und konnte den Plan nicht ausführen, trotz deiner Drohungen. Er ist ein sehr ehrlicher und lieber Junge. Aber du hättest zweifellos einen Weg gefunden, ihn foltern zu lassen, wenn er dir nicht gehorcht hätte! Du bist widerlich!" Siegfried hatte ihm immer noch den Rücken zugedreht und legte soeben letzte Hand an seinen Schmuck, als der Blonde diese Worte aussprach. Sein Antlitz war völlig regungslos, nur bei der Beleidigung blitzte etwas Unheilvolles in seinen hellblauen Augen auf. Betont langsam wandte er sich um, schlug die Beine übereinander und erwiderte geringschätzig: „So, du willst mir also auch ein Attentat in die Schuhe schieben? Allmählich wird das ermüdend. Wer sollte dir ohne Beweise Glauben schenken? Ich gebe gerne zu, dass ich es war, der den Schleier einer besonderen Behandlung unterzog, doch was könntest du mit diesem Geständnis schon anfangen? Die Nachricht, die ich an die Köchin sandte, ist verbrannt worden. Du kannst mir nichts nachweisen....und Seine Majestät zu erobern, wird ein Kinderspiel sein." „Wenn es ein Kinderspiel ist, erstaunt es mich, weshalb du es noch nicht geschafft hast!" war die spöttische Antwort und Siegfrieds Augen verengten sich zu Schlitzen. „Außerdem erliegst du einem Irrtum. Die Nachricht an die Köchin wurde nicht verbrannt, der Page hat sie einbehalten. Er ist ein kluges Kerlchen - und offenbar trug er sich bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, deinen Plan nicht zu befolgen, obwohl er große Angst gehabt haben muss. Eine äußerst interessante Botschaft...." Er funkelte seinen Gegenüber erbost an und zitierte ironisch: „‚Beschaffe mir diese Zutaten, die unten aufgelistet sind. Ich benötige sie für eine Giftmischung. Stell keine Fragen und behalte für dich, was ich dir aufgetragen habe, oder du wirst es büßen! Im Palast arbeiten viele Köchinnen, auf eine mehr oder weniger kommt es nicht an! Die verwünschte Person darf diesen Tag nicht überleben und du wirst mir dabei helfen, sie loszuwerden!‘ Der Inhalt ist ziemlich eindeutig formuliert, oder nicht?" „Bastard....hinterhältiger, dreckiger Bastard!" zischte Siegfried und sprang auf. „Du würdest tatsächlich so weit gehen, mich an den Pranger zu stellen....!" „Und du!?!" rief Joey aus, bebend vor Wut und Abscheu, dass dieser Heuchler und Intrigant es wagte, für sich selbst Gerechtigkeit zu fordern, die ihm in keiner Weise zustand. „Was hast du nicht alles gewagt!? Du hast versucht, Yami zu vergiften, um einen Konkurrenten um einen Posten loszuwerden, den du niemals hättest ausfüllen können! Als das fehlschlug, hast du die Liebe meiner Freunde verraten, auf dass sie hingerichtet würden, damit du deine Rache genießen kannst! Und jetzt wolltest du mich umbringen, auf ganz und gar schändliche Art! Ich werde diese reizende Nachricht an Odeon Farradji weitergeben. Ich zweifele nicht, dass er deine hübsche Schrift wiedererkennen wird! Was mit dir geschieht, wenn der Sultan von seinem engsten Vertrauten über deine Taten aufgeklärt werden wird, dürfte dir klar sein!" „Und was, wenn mir das egal wäre?!" schrie er außer sich. „Wenn es mir egal wäre, ob ich sterbe, solange ich dich mit mir in den Tod reißen kann?! Ich wollte es mir nicht eingestehen.... aber zurückerobern könnte ich den Fürsten nie. Wenn sich ein Mann einmal in dich verliebt hat, besitzt du ihn fürs ganze Leben! Du bist allmächtig über sein Herz und es will etwas heißen, über das Herz eines Mannes allmächtig zu sein, der daran gewöhnt ist, es fest in seiner Gewalt zu haben! Wenn ich schon nicht als Lebender über dich triumphieren kann, so sollst du wenigstens mein Schicksal teilen und vor mir sterben, damit ich das Vergnügen habe, dich tot zu sehen! Tot!!!" Für einen Moment war Joey von dem abgrundtiefen Hass, der ihm entgegen peitschte, wie betäubt, doch bereits im nächsten war er sich seines Sieges sicher. „Ich habe nicht vor, dir diese Genugtuung zu gönnen, Siegfried. Ich wünsche nicht deinen Tod, sondern nur deine Verbannung und ich werde den Sultan gewiss dazu überreden können. Du verdienst es, in Schimpf und Schande davongejagt zu werden, der Tod wäre zu gnädig für dich. Du sollst mit dieser Demütigung und dem Scheitern deiner ehrgeizigen Träume weiterleben! Es war dir nicht bestimmt, Sultan-baschi zu werden, damit musst du dich abfinden. Vielleicht gibt es für dich an einem anderen Ort einen Platz, obgleich ich geneigt bin, das anzuzweifeln. Du bist wie ein Teekessel, der einem selbst an guten Tagen die Hand verbrühen kann." Der Schwede starrte seinen Rivalen schweigend an, dessen Schönheit er nicht leugnen konnte. Die ausdrucksstarken Augen, welche über die goldbraune Tönung von Topasen verfügten, passten wunderbar zu dem korngelben Haar, das ein Gesicht mit einem vollendeten Teint, feinen Brauen, einer reizenden Nase und ungemein verführerischen Lippen einrahmte. Seine Haltung war stolz und anmutig und in seinem Blick lag nichts als Verächtlichkeit, vermischt mit einer leisen Spur von Mitleid. Und da wusste er sich geschlagen. „Ich bin Euch unterlegen." Der Brite, dem die Veränderung in der Anrede sofort auffiel, zuckte kühl die Schultern. „Spiel nicht das arme Opfer, es steht dir schlecht. Und wenn ich dir noch einen kleinen Rat geben darf - du bist entzückend frisiert, aber der Schmuck ist eine schlechte und unmögliche Wahl ohne jeden Stil. Ich würde ihn abnehmen und dir vorschlagen, diesmal eine etwas geschmackvollere Zusammenstellung zu versuchen." Nachdem er gegangen war, betrachtete Siegfried, in dessen Wimpern Tränen der Verzweiflung und der Niederlage hingen, sein Konterfei im Spiegel und seufzte ungehalten, während seine Finger den Verschluss der Kette lösten. „Er hat recht, der Mistkerl. Es ist unmöglich." Joey war noch am selben Abend bei Odeon und berichtete ihm die einzelnen Vorfälle. Der Oberaufseher verglich die Schrift der Nachricht an die Köchin mit der des anonymen Briefes, den er bekommen hatte und nickte. Man ließ Rashid als Zeugen rufen und gemeinsam baten sie um eine Audienz bei Seto ab-del Kaiba. Niemand erfuhr je, was hinter den geschlossenen Türen besprochen wurde, doch am nächsten Morgen wurde Siegfried von ein paar Eunuchen aus dem Ersten Harem hinunter in den Zweiten gebracht und von dort aus dem Palast hinaus. Sein Haar war zu einem schäbigen, fransigen Knoten gebunden und er trug ein graues Arbeitergewand. Marokkos König hatte ihn verbannt, anstatt ihn zu töten, und wie Joey es vorausgesagt hatte, empfand er den Schmerz seines Sturzes intensiver als alles andere. Niemand hielt sich über sein Verschwinden auf, denn es galt, den Tag der Aufstiegszeremonie zu feiern. Der gesamte Obere Serail war in den Hof der Blumen eingeladen worden und auch Ishizu, Kisara und Mai sowie die Konkubinen durften dem Fest beiwohnen. Man hatte einen roten Teppich ausgelegt, der im Sechsten Innenhof begann und bis zu dem Pavillon im Hof der Blumen reichte, an dessen Eingang am oberen Ende der Stufen der Sultan auf einem thronähnlichen Stuhl sass, flankiert von seiner Mutter und Odeon Farradji. Links und rechts des Weges hatten die Männer des Harems Platz genommen, allen voran natürlich die vier Favoriten. Die Musikanten, die auf einem separat aufgebauten Podium versammelt waren, spielten eine majestätische Melodie, als der Engländer sich der Menge näherte, begleitet von mehreren Eunuchen und zwei Pagen, von denen ihm der eine einen prachtvoll bestickten Sonnenschirm über den Kopf hielt, während der andere ihm mit einem Fächer aus Straußenfedern Luft zufächelte. Vorneweg lief der junge Rashid mit einem Kissen in Händen, auf dem zusammengefaltet ein Serailmantel und eine goldene Schärpe lagen. Der Blonde selbst hatte nicht mehr am Leibe als einen weißen Hüftrock, sein rückenlanges Haar war offen und die herrlichen Ohrringe glitzerten feurig im Licht. Um seinen Hals prangte ein weiteres Schmuckstück in Form einer breiten Goldkette mit einem ovalen Anhänger, in dessen Mitte ein blauer Diamant eingefasst war. Er kam bis zur Treppe des Pavillons und verbeugte sich, während die Musik verstummte. Odeon verließ seinen Platz zur Rechten des Fürsten und erhob seine wohlkingende Stimme: „Der Tag, um den ich gebetet habe, ist endlich eingetroffen. Allah hat mir den Mann geschickt, nach dem ich jahrelang gesucht habe, den Mann, der das Herz meines Herrschers erobert. Joseph....ich habe mich nicht in Euch getäuscht, als ich auf dem Sklavenmarkt Eure Qualitäten erkannte. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, Euch heute die Insignien Eures neuen Standes zu verleihen. Tragt diese Schärpe als äußeres Zeichen des Gold-Ranges." Er gürtete die Schärpe, die mit winzigen Rubinen verziert war, um Joeys Taille und verneigte sich. Danach nahm er den Mantel, der tiefrot schimmerte und half seinem Goldjaspis, hineinzuschlüpfen. „Tragt diesen Mantel als äußeres Zeichen eines Status‘, den Ihr Euch verdientermaßen erworben habt, indem Ihr mir Respekt und Zuneigung eingeflößt habt, indem Ihr die Freundschaft der Favoriten und die Bewunderung und Kameradschaft der übrigen Haremsherren gewonnen habt....und indem Ihr das Herz des Königs bezwungen habt. Von dieser Stunde an seid Ihr der Mann an seiner Seite....der Sultan-baschi!" Er vollführte eine erneute Reverenz und Joey schritt die Stufen hinauf, bis er seinem adeligen Geliebten gegenüberstand. Seto ergriff seine Hände, hauchte einen zarten Kuss auf seine Fingerspitzen und flüsterte: „Schönster....Du bist mir entgegengekommen, in all deinem berückenden Glanz, und hast mich geblendet. Ich weiß nicht, was du mit mir getan hast....ich fühle mich wie behext. Du hast mich zum Sklaven gemacht und ich genieße es. Aber ich muss dich warnen: Glaube nicht, dass ich die Rolle des Gebieters einfach so aufgebe!" „Wozu solltet Ihr auch? Ihr seid mein Gebieter und zugleich mein Sklave, wie Ihr selbst gesagt habt....doch ich bin nicht weniger Sklave als Ihr. Wenn Ihr mich beherrscht, unterliege ich Euch mit unbeschreiblicher Wonne, mein schöner Troubadour...." Er sah ihn an und verlor sich in den meerblauen Tiefen, die ihn in ihren mächtigen Bann schlugen. Sinnliche Lippen berührten seinen Mund und ein Schauer der Lust durchrann ihn; wie trunken hing er in dieser starken, leidenschaftlichen Umarmung, die ihn davor bewahrte, seines Haltes verlustig zu werden, denn seine Knie wurden ihm weich, während er diesen glühenden Kampf ausfocht, der all seine Sinne beanspruchte und ihn berauschte. Als sie sich voneinander lösten, begann die Menge zu applaudieren und Joey lächelte einmal glücklich in die Runde. Zusammen mit dem Sultan, der ihm wie ein Kavalier der französischen Schule den Arm bot und ihn zum Buffet hinüber geleitete, präsidierte er der Festgesellschaft. Der Wein floss in Strömen, man tanzte ausgelassen und niemand bedauerte Siegfrieds Fehlen. Den meisten fiel es nicht einmal auf, aber Yami und Bakura bemerkten es. „Wo ist van Schröder? Ich hätte es ihm gegönnt, deinen Triumph zu erleben!" „So boshaft, Bakura?" schmunzelte der Bunthaarige und setzte sich neben Joey, der gerade damit beschäftigt war, die Glückwünsche einiger Konkubinen entgegenzunehmen. „Vielleicht kann der Sultan-baschi uns darüber aufklären, hm? Wo steckt er?" „Siegfried werdet ihr hier nicht mehr finden. Er hat meinen Triumph miterlebt, wenn auch auf etwas andere Weise. Er ist verbannt worden, weil er versucht hat, mich umzubringen." „Ich wusste, er würde nicht einmal davor zurückschrecken. Umso besser, dass wir ihn endlich los sind! Aber warum nur eine Verbannung, keine Hinrichtung?" „Das müsste dir doch klar sein", meinte der Russe ernst. „Für Siegfried wäre der Tod keine Strafe. Er verdient Demütigung und Erniedrigung, weil das genau das ist, was er sein Leben lang verbreitet hat. Ich ahnte, dass du es sein würdest, der....Entschuldigung. Ich ahnte, dass Ihr es sein würdet, der ihn besiegt. Ich muss mich erst an Euren neuen Rang gewöhnen, verzeiht." „Ich will nichts davon hören. Wir sind Freunde, ich könnt weiterhin ‚du‘ zu mir sagen. Ich spreche euch doch jetzt auch so an. Jene, die ich kaum kenne, sollen die ehrerbietigen Floskeln benutzen, aber ihr müsst das nicht tun. Es ist seltsam, dass ich nun genau dort bin, wo ich anfangs überhaupt nicht hin wollte. Aber ich habe mich verliebt....und jetzt bin ich der einzige, der Setos Herz von der Einsamkeit seiner früheren Jahre befreien kann. Es ist merkwürdig, der Erste Mann des Harems zu sein....und nicht alle werden stets von mir überzeugt sein." „Darüber solltest du dich nicht grämen", erklärte Yami zuversichtlich. „Welche Herausforderungen dir auch begegnen mögen, du kannst auf uns zählen. Das wichtigste ist, dass Seine Majestät dich aufrichtig liebt und du diese Gefühle ebenso aufrichtig erwiderst. Es wird Streit geben, Meinungsverschiedenheiten und schlechte Tage, aber solange ihr einander in Liebe tragt, wird euch niemand etwas anhaben können. Liebe ist wie eine Perle, Joey. Zu Beginn ist sie schön und strahlend, aber wenn man eine Perle nicht pflegt, wird sie stumpf und unansehnlich. Doch solange ihr nicht in Gleichgültigkeit verfallt und lernt, Verständnis für die Schwächen des anderen aufzubringen und sie zu akzeptieren, werdet ihr ein Paar sein, dem die Welt zu Füßen liegt. Das ist es, was ich mir für euch wünsche." „Hab Dank, mein Freund. Ich werde es nicht vergessen." Kazim Ismael ab-del Kaiba, seines Zeichens Erster Sohn des Sultans und zehn Jahre jung, lauschte dem Ende der Erzählung mit leuchtenden Augen. Neben ihm sassen seine sechsjährige Schwester Fatima und sein dreijähriger Halbbruder Karim, der Sohn von Kisara, der Zweiten Gemahlin, der allerdings schon eingeschlafen war, denn es war spät. [1] „So bist du also Sultan-baschi geworden und hast meinen Vater erobert", murmelte der Junge und strahlte über das ganze Gesicht. „Und du hast Onkel Yamis Worte wirklich nie vergessen! Ich hoffe, dass ich auch einmal solche Freunde finden und eine solche Liebe erleben werde. Vater mag auch meine Mutter, aber du bist das, was sie die ‚Sonne seines Lebens‘ nennt." „So drück sie es aus?" Kazim nickte eifrig. „Ja! Vater muss dich sehr lieben....glaubst du, dass ich auch einmal so glücklich sein werde wie ihr beide?" „Du vereinst die besten Eigenschaften deines Vaters und deiner Mutter in dir, mein Kleiner. Das Glück wäre ungerecht, wenn es nicht auch zu dir käme. Und nun wecke dein Brüderchen, ihr müsst ins Bett." „Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?" bettelte Fatima, aber Joey ließ sich nicht beirren, zumal Ishizu den Schlaf der Kinder streng überwachte. „Es ist nicht nötig, den kleinen Prinzen zu wecken, Herr", meinte Rashid, der seit damals der persönliche Diener des Sultan-baschi war. „Ich trage ihn einfach in den Frauentrakt hinüber. Außerdem soll ich Euch ausrichten, dass Seine Hoheit Euch sehen möchte." „Tatsächlich? Gut, dann will ich mich beeilen, um ihn nicht zu verärgern." Rashid, der diese Worte hörte, ehe er die Erben des Fürsten zu ihren Müttern zurückbrachte, konnte sich eines wissenden Grinsens nicht erwehren und wünschte seinem Herrn eine gute Nacht. Joey hüllte sich in einen seiner roten Umhänge und warf einen abschätzenden Blick in den Spiegel. Er hatte sich zu einem reifen Mann von 32 Jahren entwickelt, und sein Haar war kürzer geschnitten als einst, doch die Glut seiner Augen und die temperamentvolle Dynamik seiner Bewegungen waren immer noch dieselben. Höchst befriedigt mit seinem Aussehen, suchte er seinen Liebsten in seinen Gemächern auf. Entgegen seiner Annahme erwartete ihn Ab-del Kaiba jedoch nicht in seinem Schlafzimmer, sondern draußen auf dem großen Balkon. „Du hast mich rufen lassen, Seto?" Der Monarch winkte ihn zu sich und umschlang seine Taille. Gemeinsam betrachteten sie den Sternenhimmel, der sich über ihnen spannte wie ein endloses Zelt. „Erinnerst du dich?" erkundigte er sich zärtlich. „Heute vor zehn Jahren lockte dich der ‚Magische Troubadour von Marokko‘ mit seinem Lied hinunter in den Garten und raubte dir einen Kuss." „Er raubte mir nicht nur einen Kuss, sondern auch mein Herz." „Aber er ließ das seine als Pfand in deinen Händen zurück....obwohl das nicht seine eigentliche Absicht gewesen war. Du hast ihn die Liebe gelehrt. Hast du es je bereut?" „Es gibt nichts zu bereuen, wenn man glücklich ist." Unten marschierte Odeon Farradji auf seiner abendlichen Kontrollrunde an dem Paar vorbei, das sich innig küsste, als er einen Blick nach oben schweifen ließ. Ein warmes Lächeln verwandelte seine alternden Züge und er pries Allah mit einem kurzen Gebet. »Ich wusste, dass du mich nicht enttäuschen würdest, Goldjaspis.« ENDE [1] Mir gefiel die Idee, Seto könnte noch ein paar Kinder mehr haben. Und übrigens, Joey hat den Kleinen die Geschichte seines Werdegangs erzählt, allerdings hat er natürlich die Schilderung der Liebesnacht ausgelassen! Das ist der Teil, der Euch Lesern vorbehalten geblieben ist!^^ An dieser Stelle möchte ich meinen lieben Lesern und Kommi-Schreibern danken, die diese FF so eifrig verfolgt haben! Ein herzliches Dankeschön an: Airi_chan Angel-of-Sins Archimedes Arzu Bey_engel Black-Nana bloodymary-chan blubbbspinat Browneyes Cathy ChibiSeth ChUcKy_KrUeMI Darina DevilAngel Fallen Ferdl Hieads_Angel hexenkind20 Hiromi2 Hydewahn Hwa Icedragon IsisKaiba izuka Kaede_chan KikiChan KirrikaYuumura Kore LaLue-ChaN Latey Leonessa Lica87 LindenRathan LOL-Girl loscar Love-chan MAC01 MarieSoledad mero-chanXD Mick18 MikaChan88 -Misa- -Misya- Moehre Montespinneratz Nariaki Pikari-chan -Raziel- Rowan sally42 san79 satoshira Schreiberling Selayko Seto-Joey SetoKun Simarillion Sweetkaibergirl -TK- Uriel-Sama wheinachtsmann yuki_ryou VIELEN DANK EUCH ALLEN!!!!^_______^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)