Desert Nights von Autumn ================================================================================ Kapitel 8: Das Königliche Fest ------------------------------ Leute, ich danke Euch! So viele liebe Kommis - und ich dachte schon, die "hochgestochene" Sprache würde vielleicht manche abschrecken! Aber ich kann die Jungs im 17. Jahrhundert nun mal nicht so reden lassen wie Otto Normalverbraucher, das würde überhaupt nicht passen und es soll ja authentisch wirken, auch wenn einiges von den Ausschmückungen (z. B. der allgemeine Badetag im Hof der Blumen) meine eigene Erfindung ist. Ich wünsche Euch also viel Vergnügen mit dem neuen Kapitel! Achtes Kapitel: Das Königliche Fest Marik musterte Duke voller Besorgnis. Was war mit seinem Freund los? Seit er von Seiner Majestät zurückgekehrt war, wirkte er sehr gedankenverloren und war nicht recht bei der Sache. „Was ist los mit dir? Du siehst so bedrückt aus. Quält dich etwas?" „Wie?? Oh nein, es ist nichts...." „Das glaube ich dir nicht. Dein Gesicht ist viel zu ernst für diesen schönen sonnigen Tag. Was also bekümmert dich? Erzähle!" Schweigen. Der Ägypter seufzte und entschied, dass der Hof der Blumen mit all seiner Geschäftigkeit nicht der richtige Ort für ein vertrauliches Gespräch war. So begaben sich die beiden in Mariks Gemach und dieser befahl einem Pagen, ihnen heiße „Bestilla" zu bringen, eine hauchzarte Blätterteigpastete aus gehacktem Taubenfleisch, Pfeffer, Zimt und Zucker. Außerdem bestellte er zwei Tassen des schwarzen arabischen Getränks, das man Kaffee nannte. Während sie auf das Verlangte warteten, streckte sich der Platinblonde auf seinem Lager aus, entfernte den Haremsmantel von seinen Schultern und betrachtete seinen Kameraden neugierig, der es sich auf dem roten Diwan bequem gemacht hatte, der neben dem Bett stand. „Nun?" „Siegfried ist in der Nähe der Gemächer unseres Herrn herumgeschlichen." „Was?! Seine Hoheit hat ihm doch untersagt, jemals wieder einen Fuß dorthin zu setzen! Was ist ihm bloß eingefallen!?" „Ich habe keine Ahnung, aber es behagt mir nicht, dass er sich wieder im Palast herumtreibt. Bisher hatte er Ausgangssperre, aber die ist mittlerweile abgelaufen und jetzt darf er sich wieder frei bewegen, so frei, wie es ihm als Mitglied des Silber-Ranges gestattet ist. Seine Degradierung hat ihn nicht zur Einsicht bewogen, er ist immer noch so unerträglich wie früher! Wir sollten aufpassen. Ich habe die Befürchtung, dass er schon wieder einen kleinen widerwärtigen Plan ausheckt!" „Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls. Wir werden Yami und Bakura warnen müssen. Die beiden haben mir übrigens erzählt, dass Joseph ihr Geheimnis herausgefunden hat - unfreiwillig zwar, aber es ist passiert." „Tatsächlich? Er hat doch versprochen, es für sich zu behalten, so hoffe ich?" „Natürlich. Er ist ein ehrlicher und lieber Kerl. Wir können auf ihn zählen. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn er Sultan-baschi würde. Insbesondere, da Siegfried einen Dämpfer nötig hat....und es sollte mich nicht wundern, wenn er den von Joey bekommt." „Das würde ihm nicht schaden!" Es klopfte und der Page trat ein, mit einem Tablett in den Händen. Er servierte die Bestilla und den Kaffee und schlüpfte mit einer Verbeugung wieder hinaus. Duke griff nach einem silbernen Schälchen, das mit Kardamom-Nüssen gefüllt war und rieb etwas davon in sein Getränk. Marik mochte seinen Kaffee lieber mit Zucker und tauchte zwei Stückchen in die dunkle Flüssigkeit. Sie schlürften den Inhalt ihrer Tassen in kleinen Schlucken und jeder von ihnen hing währendem seinen eigenen Gedanken nach, obwohl sie sich um ein und dasselbe Problem drehten: Was ging in Siegfrieds intrigantem Kopf vor? Beide waren von einer unguten Ahnung belastet und diese Ahnung sollte sich bewahrheiten.... Auch Tristan und seine Freunde Allister und Varon hatten sich indessen von der Gesellschaft im Hof der Blumen zurückgezogen. Sie wollten heute nicht in dem großen Freibecken baden, sondern zogen das Hammam in den Unterkünften ihres Ranges vor, zumal außer ihnen niemand dort war. Der Hammamtschi, der Oberbademeister, und einige Eunuchen waren ihnen beim Auskleiden behilflich. Sie stiegen die mit Mosaiken in Grün und Gold ausgelegten Stufen zu einem der großen marmornen Becken hinunter und kletterten voller Wohlbehagen in das heiße Wasser, dem man Mandelöl beigefügt hatte, um die Haut zu pflegen. „Hm, das ist wunderbar....ich bin so schrecklich verspannt...." „Hat dir Seine Majestät in letzter Zeit ein bisschen zu viel Beachtung geschenkt, Allister?" neckte ihn Varon grinsend und wurde mit einem nassen Spritzer belohnt. „Ah, sei nicht eingeschnappt. Du musst doch zugeben, dass er dir in den vergangenen Wochen ungewöhnlich oft gehuldigt hat. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich gar vermuten, dass er beabsichtigt, dich in den Gold-Rang zu erheben." „Rede nicht so einen Unsinn! Ich biete ihm ein wenig Ablenkung von seinen Herzenssorgen, aber das ist schon alles!" „Herzenssorgen? Was, er?!" „Stell dich nicht dumm!" mischte sich Tristan ein und zwinkerte bedeutungsvoll. „Es ist doch offensichtlich, dass der Fürst nur noch an Joey denkt, selbst wenn andere Dinge seine Aufmerksamkeit erfordern. Neulich, da ich in meiner Funktion als Sprecher des Zweiten Ranges bei ihm war, um ihm ein, zwei Beschwerden mitzuteilen, welche freche Pagen und respektlose Haremsmitglieder betrafen...." „Wird Zeit, dass er mal davon erfährt! Es ist empörend, wenn man einen Korridor entlanggeht und es diese Unverschämten aus dem Bronze-Rang nicht einmal für nötig halten, irgendwie ihren Respekt zu bekunden! Mir würde ein simples Nicken ja schon genügen!" grummelte Varon verärgert und verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. „....Na, also, zumindest hatte ich um eine kurze Audienz gebeten und er hörte sich an, was ich ihm zu sagen hatte. Aber er wirkte geistesabwesend und so fragte ich ihn, was ihn beschäftige. Er antwortete: ‚Tristan....ich vermag mich auf nichts sonst zu konzentrieren als auf ihn. Seine vollkommene Schönheit und der leidenschaftliche Glanz seiner Augen....Seine unvergleichlich stolze Haltung....so muss ein König schreiten....er ist widerspenstig und dreist, und doch kann er vergnügt sein wie ein Kind....‘ Ja, meine Freunde, so spricht er von ihm - und ihr wisst genau, wen ich meine." setzte er lächelnd hinzu. Der Rothaarige lachte herzlich. „Du hast recht! Seine Gefühle sind klar zu erkennen....jeder hier im Harem weiß das. Nur er nicht." „Du kannst es Seiner Hoheit nicht vorwerfen. Hat er denn je zuvor geliebt? Seine Favoriten verstehen es, ihn über lange Zeiträume hinweg zu begeistern und besitzen sein Vertrauen. Wir sind unterhaltend für ihn und charmante Gesellschaft. Den verschiedenen Rängen ist gemein, dass ihre Mitglieder allmächtig sind über seine Sinne. Joey hingegen ist auf dem besten Wege, allmächtig über sein Herz zu werden. Das ist ein entscheidender Unterschied!" Der Amerikaner mit den glänzenden blauen Augen lehnte sich zurück und atmete den aufsteigenden Duft der Mandel ein, der sich mit dem Wasserdampf vermengte. „Ich kann dir nur zustimmen. Aber wann wird er verstehen, dass er dabei ist, sein Herz zu verlieren? Das Gefühl ist ihm fremd und er weiß nichts damit anzufangen. Habt ihr eigentlich mitbekommen, dass Farradji unseren Briten zum Sultan gebracht hat? Stellt euch das vor! Der Oberaufseher wird geschickt, um einen Angehörigen des Dritten Ranges herbeizuholen, kein einfacher Page! Raphael hat mir davon erzählt, denn er speiste gerade zusammen mit Joey, als Odeon auf der Bildfläche erschien. Weshalb mag ihn Seine Majestät zu sich gerufen haben?" „Wer weiß? Vielleicht, um mit ihm zu plaudern?" „Wie mit einem Ebenbürtigen? Nun, bei Joey wäre das durchaus möglich...." Der Abend senkte sich auf die Türme, Mauern und Tore des prunkvollen Palastes. Das Fest zu Ehren der Sultanin-baschi Leila-Satis fand im Firouzé-Hof statt, der das Zentrum des Frauentraktes darstellte und in seiner Herrlichkeit nur mit dem Hof der Blumen vergleichbar war. Firouzé bedeutete Türkis und tatsächlich war der Ort der Feierlichkeit überwiegend in dieser Farbe gehalten, während die Edelsteine gleichen Namens die Wände, Säulen und Brunnen schmückten. Ishizu, der die Verantwortung für die Gestaltung des Festes oblag, dirigierte die Schar der Dienerinnen mit wahrhaft königlicher Grazie und Präzision. Kisara, die Zweite Gemahlin des Sultans, das lange silberblaue Haar zu einem mit Perlenschnüren dekorierten Zopf gebunden, trat an sie heran, während sie die Entstehung einer Diwan- und Kissenlandschaft überwachte, auf der die geladenen Gäste Platz nehmen würden. „Seid Ihr immer noch nervös? Alles läuft doch ganz hervorragend. Ich habe den Firouzé-Hof noch nie so strahlend gesehen - und auch Ihr seid nie schöner gewesen, Ishizu!" „Ich danke dir für diese freundlichen Worte. Aber dennoch ist mir, als wäre nicht alles perfekt. Irgendetwas stimmt nicht....es ist ein seltsames Gefühl der Beklemmung, das mich bedrückt. Wie die Ruhe vor dem Sturm....möglicherweise spielt mir meine Intuition aber auch nur einen Streich. Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Hilfst du mir, letzte Hand an ein paar Blumenarrangements zu legen? Die Dienerinnen sind manchmal so unkreativ." „Mit Vergnügen!" Die beiden Frauen begaben sich lachend an die Arbeit, während die Engländerin Mai, die Dritte Gemahlin des Herrschers, das üppige blonde Haar zu einem Knoten aufgesteckt, zum wiederholten Male an diesem Tag damit beschäftigt war, die zänkischen Konkubinen zurechtzuweisen. Als Leila-Satis in diamantenbesticktem Gewand, an der Hand ihren Sohn, gefolgt von den Haremsherren, die er für diesen Abend ausgewählt hatte, auf ihrem erhöht aufgestellten Diwan Platz nahm, spürte es jeder: Die Stunde der Lustbarkeiten war angebrochen. Der herrlichste der Springbrunnen innerhalb des Hofes bildete den großzügigen Mittelpunkt, um den herum die Kissen und Liegen gruppiert waren. Sein Wasser ergoss sich in mehrere übereinander angeordnete Schalen und schließlich in ein mit Blumen geschmücktes Bassin. Flinke Pagen sprangen zwischen den Reihen der Gäste hindurch, reichten auf goldenen und silbernen Tabletts arabische Süßigkeiten als Vorspeise oder schenkten roten perlenden Wein in reichverzierte Kelche. Aus dem Gold-Rang waren die Favoriten anwesend, Tristan, Allister und Varon vertraten den Silber-Rang und Dartz und Joey waren für den Bronze-Rang gekommen. Der Sultan sass auf einem Diwan neben seiner Mutter, seine drei Ehefrauen lagen in den zu seinen Füßen befindlichen Kissen wie gemalt, und die Konkubinen führten einen eigens für diesen Anlass einstudierten Tanz auf, umweht von ihren farbenprächtigen Schleiern. In einer dunklen Ecke, aufmerksam beobachtend und stillschweigend wie eine Statue, stand Odeon Farradji, der Oberaufseher des Serails. Er wirkte teilnahmslos, aber in seiner rechten Faust verbarg er ein zerknülltes Papier. Er war erzürnt und dachte mit Unglauben und Empörung an die Nachricht, die ihm vor einer Stunde von einem Pagen überbracht worden war. Der Schreiber blieb anonym, aber seine Mitteilung war niederschmetternd: „An den ehrenwerten Oberaufseher des Harems! Ich kann es nicht länger mit meinem Gewissen vereinbaren und greife daher zu diesem Mittel, um Euch meine bedeutsame Entdeckung zu berichten. Die beiden Favoriten Yami und Bakura haben eine heimliche Affäre! Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass dies ein Betrug an Seiner Majestät ist. Ich zweifele nicht, dass Ihr die nötigen Schritte einzuleiten versteht." Er wollte es nicht wahrhaben. Er war immer stolz gewesen auf seine Errungenschaften aus Japan und Russland, denn sie waren schöne Männer von einzigartigem Charakter und hatten ihn vom ersten Augenblick an beeindruckt. Es konnte nicht sein, dass sie einen derartigen Verrat begingen! Und wenn doch? Seine Unsicherheit in diesem Punkt war der Grund dafür, dass er die beiden Favoriten beobachtete, um Beweise für eine Vertrautheit zu finden, die über Freundschaft hinausging. Er wusste, dass Yami und Bakura sehr leidenschaftlich waren und dass sie einander in ihrem stahlharten Wesen ähnelten....eine vielversprechende Basis für eine glutvolle Liebschaft. Aber konnte er sich heute überhaupt mit einer solchen Vermutung herumplagen, wo doch sein Goldjaspis der Königin aller Königinnen vorgestellt werden sollte? „Mutter", sagte Seto ab-del Kaiba soeben, „....erlaubt mir, Euch meinen neuesten Schatz zu zeigen." Sie wusste, was er damit meinte und nickte hoheitsvoll. Obgleich sie es sich nicht anmerken ließ, war sie neugierig auf den jungen Briten und registrierte schmunzelnd, dass ihr Sohn ihn als seinen „neuesten Schatz" und nicht als seine „neueste Eroberung" bezeichnet hatte, denn jene, denen die Ehre erwiesen worden war, die Sultanin-baschi kennen zu lernen, hatten stets den Schmuck getragen, den man als Belohnung erhielt, wenn man sich zum ersten Mal dem König hingab. Dem Jüngling, der nun zu ihr trat und respektvoll in die Knie sank, fehlte dieses sichtbare Zeichen seiner Unterwerfung und sie erkannte überrascht, dass es ihm gelungen war, beinahe acht Wochen lang unberührt zu bleiben. Und noch immer war er nicht versöhnlicher gestimmt? Am Ende würde er vielleicht wirklich Yamis Rekord brechen! Sie erhob sich und umrundete ihn einmal, ihre blauen Augen unverwandt auf ihn richtend. Zwar war seine Haltung gebeugt, aber angesichts seiner Muskeln, die sich unter ihrem Blick strafften, wurde ihr klar, dass es nicht in seinem Wesen lag, sich vor anderen zu ducken. Ihm war ein stolzer Gang eigen und ein hocherhobenes Haupt, das sah sie sofort. „Steh auf." befahl sie sanft und er gehorchte. Aufrecht, herausfordernd, das war die Haltung, die ihm geziemte und die zu ihm passte. Auch war er von so vollendeter Schönheit, wie ihr Sohn es ihr erzählt hatte. Sein Antlitz war edel geformt und sein leicht gebräunter Teint von bezaubernder Reinheit. Das lange Haar, eine fließende Zierde aus Honig und Gold, unterstrich den Reiz seiner tiefbraunen Augen, in denen heiße Flammen zu lodern schienen, genährt von dem inneren Feuer seiner Persönlichkeit. Sein Körper war geschmeidig, stark und gesund, mit breiten Schultern, einer makellos kräftigen Brust, einer schlanken Taille und elegant geschwungenen Beinen. Noch einmal kehrte ihr Blick zu seinem Gesicht zurück und betrachtete die sündigen, vollen Lippen, denen die Macht der Verführung innewohnte. Es war nicht verwunderlich, dass ihr Sohn ihn begehrte! „Dein Name ist Joseph, nicht wahr?" wandte sie sich an ihn. „Ich habe bereits viel von dir gehört." „Dann bin ich umso dankbarer, dass ich Euch persönlich begegnen darf, denn welche Meinung könnt Ihr von mir haben, wenn Ihr nur die Gerüchte über mich kennt?" „Du glaubst, sie seien deinem Ruf abträglich?" „Missfällt es Euch nicht, wenn man sich dem Sultan, Eurem Sohn, widersetzt?" „Ja und nein." erwiderte sie mit der Andeutung eines Lächelns. „Ich empfinde Ungehorsam nicht als Tugend, aber es kommt darauf an, wer sich ihm widersetzt und warum." „Jene, die herrschen, fragen selten nach einem Grund." „Eine treffliche Antwort! Ich habe vernommen, du würdest dich nach deiner Heimat sehnen. Wünschst du dir immer noch die Freiheit?" „Euer Hoheit....sosehr ich auch begonnen habe, das Leben hier zu schätzen, kann ich doch nicht meine Inseln vergessen, wo ich geboren wurde. Kann ich Marokko in mein Herz einziehen lassen, wenn auch England diesen Platz für sich beansprucht? Nein, ich vermag es nicht. Böte sich mir eine Möglichkeit, den Harem zu verlassen, ich würde sie ergreifen." Seto zuckte kurz zusammen, als er das hörte. Ein merkwürdiges, schmerzhaftes Stechen marterte ihn in der Brust und er konnte sich nicht erklären, woher es rühren mochte. Joseph trug sich also nach wie vor mit dem Gedanken an Flucht? Konnte er denn diese verrückte Idee nicht aus seinem Kopf vertreiben? Was konnte, musste er tun, um diesen Mann an sich zu binden? Wie war ihm beizukommen? Wie war er zu überzeugen? „Du bist ehrlich, Brite. Das ist eine lobenswerte Eigenschaft. Aber dir ist sicher bewusst, dass du niemals wirst fliehen können?" „Ja." „Du akzeptierst es somit?" Er hob die Augen und sah sie offen an. „Es ist falsch, das Schicksal erzwingen zu wollen. Man kann nur auf seine Chancen warten und muss fähig sein, sie zu nutzen, wenn sie sich bieten." Leila wechselte mit Ishizu einen Blick. Die Königinmutter und die Erste Gemahlin waren sich einig: Dieser Bursche war wie geschaffen dafür, Sultan-baschi zu werden! Ihn hatte Allah gesandt, um das Herz des Fürsten in seinen Bann zu schlagen, damit er endlich die Liebe in all ihrem Reichtum erfahren konnte. Sie bettete ihre Hand auf seiner Schulter und erklärte: „Ich bin erfreut, dich kennen gelernt zu haben, Joseph. Es war mir ein Vergnügen." „Mir war es eine Ehre, Euer Majestät." Er verbeugte sich und kehrte an Dartz‘ Seite zurück, der ihn anerkennend anlächelte. Die große Dame des Reiches neigte sich zu ihrem Sohn hinüber und flüsterte: „Er ist deiner würdig, mehr als je ein Mann zuvor. Gewalt wird dir bei ihm nicht weiterhelfen und auch deine Verführungsversuche müssen unweigerlich scheitern. Du kannst ihn nur durch Liebe erringen." „Wie soll ich ein Gefühl in ihm wecken, das mir selbst fremd ist?" „Indem du ihm offenbarst, was dein Herz bewegt. Singe für meine Festgesellschaft! Singe für deine Frauen und deine Gespielen! Singe für mich....und für ihn!" Er begriff sofort. Sein mangelndes Talent darin, seine Gefühle auszudrücken, löste sich in nichts auf, sobald er zu singen begann und sein Herz befreite sich von den Ketten seiner Angst und seiner Zweifel. Er ließ sich sein Instrument bringen, präludierte eine Weile und wählte ein Liebeslied für seinen Vortrag. Seine volle, sinnliche Stimme erfüllte die Umgebung, überflutete den Hof mit ihrem unvergleichlichen Tenor und jagte den Anwesenden angenehme Schauer über den Rücken. Ishizu, Kisara und Mai lauschten tief bewegt seiner Darbietung und die Männer seines Harems sanken in ihre Kissen zurück und schlossen träumerisch die Augen. „Seine Stimme ist ebenso berauschend wie die des Magischen Troubadours", murmelte Dartz versonnen. Joey unterließ es, ihn darüber aufzuklären, dass der Sultan und der geheimnisvolle Musikant ein und dieselbe Person waren und beobachtete den Monarchen, wie er sich von seinem Diwan erhob und mit eleganten Schritten um den grandiosen Brunnen herumwanderte. Er kam nahe an seinen Platz heran und sang den Refrain des Stückes. Der Blondschopf erkannte endlich das Lied wieder, das ihn einst aus seinem Gemach gelockt hatte, hinaus in den Garten, wo ihm Ab-del Kaiba einen Kuss gestohlen hatte. Er übersetzte die arabischen Worte und fühle sich unweigerlich erbeben, noch viel stärker als damals: „Liebe brennt in meinem Herzen, Liebe hält mich umfangen, Liebe, die ich nie gekannt. Trägt mich auf sanften Schwingen durch die Nacht, ergeben einer Macht, die an dich mich band." Glühende, saphirblaue Augen lagen auf ihm, schimmerten im Glanz eines Verlangens, das herrisch und zugleich zärtlich war, ungebändigt, sehnsuchtsvoll. Aber er las mehr als nur Begehren in diesem unergründlichen, heißen Blick - Bewunderung und Respekt vermischten sich darin und erschütterten Joseph bis in die Grundfesten seines Wesens. Wusste der König überhaupt, dass er ihm einen solchen Blick schenkte? Der Sänger verstummte und neigte sich zu seinem Ohr. Sein warmer Atem streifte die Haut des Briten und er musste schlucken. „Joseph....dieser Name beschäftigt mich unaufhörlich", flüsterte er heiser, in einem leidenschaftlichen, einschmeichelnden Ton, wie er ihn als Verführer so gern gebrauchte. „Wenn ich arbeite, mich um Staatsdinge kümmere, tritt unvermittelt dieser Name auf meine Lippen und ruft deine strahlende Erscheinung in mein Gedächtnis....Ich bedarf deines Stolzes, deiner Kraft, deines unbrechbaren Willens, die mich reizen und verwirren. Und doch möchte ich dich schwach werden sehen....möchte erfahren, welchen Ausdruck deine Augen tragen, wenn du ermattet vom Liebesspiel in meinen Armen in einen süßen Schlummer sinkst.... Joseph....du bist der Traum desjenigen, der nie geträumt hat. Du bist die Quelle in der Wüste, die Speise für den Hungernden, der Frieden für jenen, der nichts als den Krieg kennt. Du bist der Unerklärliche, Unbezähmbare, Unbezwingbare....der Unvergessliche...." Er trat zurück, um den 22jährigen betrachten zu können. Seine Wangen waren gerötet und eine Hand spielte nervös mit den goldenen Strähnen seines Haares. „Komm mit." befahl der Sultan und diesmal gehorchte Joey ihm ohne Widerstreben. Die Gesellschaft verfolgte neugierig, wie ihr Fürst und sein neuer Günstling im Inneren des Palastes verschwanden und gleich darauf begannen die Konkubinen, die Köpfe zusammenzustecken und zu tuscheln. Leila-Satis lächelte ihrem Sohn wissend hinterher; sie wirkte vergnügt und heiter. Seto geleitete den Engländer durch lange gewundene Korridore, bis sie ein kleines Kabinett erreicht hatten. Es war prächtig eingerichtet, mit wunderbaren Fresken an den Wänden, die einen jungen Araberprinzen beim Bade zeigten, umringt von gleichgeschlechtlichen Gefährten. Es handelte sich um eine Bildfolge, die davon erzählte, wie der Prinz sich in einen seiner Begleiter verliebt und wie sie einander ihre Gefühle gestehen und ihre Liebe vollziehen. Das letzte Gemälde war weder obszön noch anrüchig, aber die Szene ließ keinen Zweifel darüber, was die beiden Männer taten. Und obwohl alles Entscheidende züchtig verhüllt oder bedeckt war, waren die kräftigen Farben üppig und wollüstig, die fast nackten Körper in makelloser Vollendung und Schönheit gemalt....Der Blonde erschauerte und versuchte, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen, doch es misslang ihm. „Hierher komme ich in meinen Musestunden....wenn ich darüber nachdenke, auf welche Weise ich meinen Liebhabern noch huldigen könnte." „Zweifellos ist dies der richtige Ort für derartige Überlegungen." antwortete Joey hastig, darum bemüht, sich der erregenden Ausstrahlung der Fresken zu entziehen. Auch die Anwesenheit des Sultans war erschreckend irritierend, denn in dem Kabinett gab es nur wenig Licht von ein paar Kerzen, die ihren feurigen Schein über die Brust, die Hände und die Lippen des Königs gossen, dafür aber die anderen Aspekte seiner Anatomie weiterhin in den Schatten verbargen. Der Rest seines Gesichts war in ein dämmriges Dunkel getaucht, nur seine Augen leuchteten darin wie die einer Katze. Die Finger des Briten krampften sich in seinen schwarzen Haremsrock und seine Lenden begannen zu vibrieren. Die Atmosphäre um sie herum erzeugte eine merkwürdige Beklemmung in ihm und seine Stirn wurde feucht von Schweiß. „Warum....warum habt Ihr mich hergebracht?" „Um dir das hier zu geben." Der Brünette trat zu der Liege, die in dem Raum aufgestellt war und schob sie ein Stück zur Seite. Im Boden kam eine kleine Klappe zum Vorschein und der Fürst öffnete sie. Darunter befand sich eine Versenkung und darin lag ein sorgsam eingewickeltes Päckchen. Er reichte es seinem Gegenüber. „Was ist das?" „Sieh nach." Joey dröselte die Schnur auf und schob den Stoff auseinander. Dann sog er überrascht die Luft ein. Das Päckchen enthielt ein Paar goldener Ohrringe mit Rubinen, umrahmt von einem Flammenmuster. Das war das Geschmeide, das er auf dem Basar hatte erwerben wollen! „Sie gehören dir." „Was erwartet Ihr dafür von mir? Glaubt nicht, dass Ihr mich durch Geschenke erweichen könnt! Ich bin nicht käuflich!" „Das weiß ich. Ich überlasse sie dir als Zeichen meiner Wertschätzung." Den Jüngeren erfasste unversehens ein Schwindel. Keine Gegenleistung? Einfach nur eine Geste, um ihm Bewunderung zu zollen? Er konnte es nicht glauben und wusste doch im selben Moment, dass es dem Sultan ernst war. Er sah ihn an, wie er dort vor ihm stand, geschmackvoll gekleidet, das Hemd nachlässig geknöpft, sodass sein schöner Oberkörper sichtbar war, der Schmuck passend ausgewählt zu den Farben seines Gewands. Schlank und groß, erinnerte er in seiner grazilen Haltung an die unnachahmliche Eleganz der Statuen, nur mit dem Unterschied, dass diese Statue lebte, eine weiche, anschmiegsame Haut besass und heiß pulsierendes Blut in den Adern hatte. Joey taumelte. Von einer plötzlichen, heftigen Woge der Sehnsucht überwältigt, stützte er sich an der Wand ab, immer noch unfähig, seinen Blick von dem anderen zu lösen. Sein Atem ging keuchend und das Begehren schnürte ihm die Kehle zusammen. „Es ist spät, Joseph", meinte der Monarch leise. „Du solltest dich in dein Zimmer zurückziehen und schlafen. Deine Augen sind müde." Er ergriff seine Hand und presste einen langen, süßen Kuss darauf, ehe er ihn losließ. „Ich wünsche dir glückliche Träume." Der Brite wanke hinaus aus dem Kabinett, das Päckchen mit dem Schmuck umklammernd wie einen Rettungsanker. Er fand den Weg, der zu den Gemächern des Bronze-Ranges führte und ließ sich erschöpft auf sein Lager fallen, als er in der ihm vertrauten Umgebung angelangt war. Das Herz hämmerte ihm wild in der Brust und er fühlte sich durch diesen Abend an den Sultan gefesselt, stärker, als er es durch seine Küsse gewesen war.... Fortsetzung folgt^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)