Desert Nights von Autumn ================================================================================ Kapitel 7: Die Antwort des Sultans ---------------------------------- Hallihallo, da bin ich wieder!^______^ Vielen Dank für Eure Kommis, ich habe mich sehr gefreut. Um mal eines vorweg zu sagen: Diese FF wird nur 12 Kapitel umfassen (was für meine Verhältnisse kurz ist, wenn ich nicht gerade einen One-Shot verfasse), stellt Euch also darauf ein. Und nun viel Spaß beim Lesen! Edit: Fast hätte ich es vergessen - ich hab ein Bildchen von Setos Sohn in den Charakterguide aufgenommen!^^ Siebtes Kapitel: Die Antwort des Sultans Das goldene Haar fiel ihm wirr in die Stirn, mit der rechten Hand schirmte er sich gegen die Strahlen der Sonne ab, seine Lippen waren fest zusammengepresst. Er wusste genau, dass er soeben Zeuge einer Szene geworden war, welche für die Beteiligten schreckliche Folgen haben konnte. Sollte er sich zurückziehen? Vortäuschen, nichts bemerkt zu haben? Joey wandte sich zum Gehen, als ihn eine samtweiche Stimme davon abhielt. Er drehte sich um, Bestürzung und Scham im attraktiven Gesicht. Yami und Bakura musterten ihn verstohlen. Es war also geschehen. Jemand, der nicht eingeweiht war, hatte sie gesehen. Heute war wieder einmal großer Badetag im Harem und die Mitglieder der unterschiedlichen Ränge hatten sich im Hof der Blumen eingefunden, um gemeinsam ein paar vergnügliche Stunden zu verbringen. Der junge Brite lebte nun schon seit fast zwei Monaten im Serail von Sultan Seto ab-del Kaiba und war kurz davor, sich dem Fürsten seit acht Wochen zu verweigern. Seine Verletzung an der Lippe war verheilt und seine Beziehung zu dem Monarchen konnte man als distanziert bezeichnen, obgleich es kaum einem im Harem verborgen geblieben war, dass die beiden, sofern sie sich unbeobachtet fühlten, Blicke miteinander wechselten, die ihr gegenseitiges Begehren verrieten. Und nun hatte er, auf der Suche nach einem abgeschiedenen Plätzchen abseits vom Trubel, an dem er ein bisschen die Schönheit des Gartens und die Einsamkeit genießen konnte, eine Entdeckung gemacht, die ihn erschütterte. „Verzeiht....ich....es tut mir leid. Ich nahm nicht an, dass sich an diesem abgelegenen Fleckchen jemand aufhalten könnte. Entschuldigt bitte meine Unhöflichkeit. Wenn Ihr es mir gestattet, will ich mich wieder zu den anderen Männern zurückziehen...." „Ich bat dich, zu bleiben." Yami bedeutete ihm mit einer seiner eleganten Gesten, näherzutreten und Joey, der wie die übrigen Haremsmitglieder auch, die Favoriten anstandslos respektierte, verneigte sich vor den beiden und hielt den Kopf ehrerbietig gesenkt, um ihnen nicht in die Augen sehen zu müssen. „Du warst also zugegen, als Bakura und ich uns küssten?" „Ja. Ich....ich wollte Euch gewiss nicht in Unbehagen versetzen, der Zufall führte mich zu diesem Winkel des Gartens. Erlaubt, dass ich mich entferne." „Nein", mischte sich der Weißhaarige ein. „Wir können dir dies nicht gestatten, bevor du uns nicht ein Versprechen gegeben hast. Du hast erkannt, dass Yami und ich uns lieben....und aus deinem Verhalten schließe ich, dass du sehr wohl weißt, welche Folgen unsere Beziehung haben könnte. Die Gesetze des Serail sind dir vertraut, du bist lange genug hier." „....Eure Liebe kommt dem Frevel gleich, den Sultan zu betrügen. Es ist wie ein Ehebruch. Die Konsequenz dessen ist....die Hinrichtung." Er brachte das Wort kaum über die Lippen und Yami ergriff seine zitternden Hände, angerührt durch die Haltung dieses Stolzen, die ihnen sein Mitgefühl offenbarte - und seine eigene Furcht, die über eine weitere seiner Empfindungen Aufschluss gab. „Du....magst uns, Joey?" „Was ist das für eine Frage! Ihr habt mir von Anfang geholfen, wart Kamerad, Berater und Freund in einer Person....und Ihr, Bakura....waren es nicht Eure Späße und Eure spöttische Zunge, die mich aus meiner Lethargie rissen, wenn ich wehmütig an meine Heimat dachte? Wenn Euer Versprechen, das Ihr fordert, das Versprechen ist, niemandem etwas von Eurer Liebschaft zu verraten, so will ich das schwören! Wer im Harem weiß noch davon?" „Duke und Marik, als unsere engsten Freunde. Und dann natürlich die Sprecher der anderen Ränge, Dartz und Tristan. Sie haben ein Auge auf die Gerüchte und die Klatschgeschichten, die von Mund zu Mund und von Ohr zu Ohr wandern und verstehen es, wichtige Vorkommnisse, die nicht für Seine Majestät bestimmt sind, unter Verschluss zu halten. Du versprichst uns aufrichtigen Herzens, Stillschweigen zu bewahren? Hab vielen Dank." Der Engländer entschwand mit einer Verbeugung und ließ das Paar allein zurück. Yami strich sich durch sein dreifarbiges Haar und stieß einen Seufzer aus. Gedankenverloren setzte er sich auf den Rand eines Brunnens und tauchte eine Hand in das kristallklare Wasser, um die Zierfische aufzuscheuchen, die darin herumschwammen. Der Russe verschränkte die Arme und lehnte sich an eine Dattelpalme, die in der Nähe stand und ein wenig Schatten spendete. „Es missfällt mir, dass wir den Briten einweihen mussten. Ich glaube zwar nicht, dass er uns gefährlich werden könnte, aber was ist, wenn er sich verplappert? Zum Beispiel in einem seiner Wutausbrüche? Ist das nicht riskant?" „Nicht riskanter als deine Wutausbrüche, Geliebter", erwiderte der Japaner und erntete dafür ein ärgerliches Schnauben. „Er ist ein überaus ehrlicher Charakter. Von seiner Seite ist keine Bedrohung zu fürchten und auch sonst sind unsere Mitwisser vertrauenswürdige Persönlichkeiten. Einzig im Silber-Rang gibt es einen, vor dessen Ehrgeiz wir uns hüten müssen. Du weißt, wen ich meine....Machtbesessene Individuen wie er sind skrupellos, also müssen wir vorsichtig sein, denn auf sein Schweigen können wir nicht zählen!" „Er wird es nie begreifen, oder? Er eignet sich nicht für den Gold-Rang! Und noch weniger für einen Favoriten! Er mag die Tugend der Schönheit besitzen und klug ist er ebenfalls, doch seine innere Verbitterung und sein krankhaftes Streben nach Erfolg nehmen ihm viel von seiner Ausstrahlung und dämpfen seine Reize stark. Als Favorit wäre er eine denkbar schlechte Wahl - er würde einfach nur Befehle erteilen und darauf achten, dass sie befolgt werden....und man setzt doch ein bisschen mehr bei einem Favoriten voraus, meinst du nicht auch? Sein Verstand ist in Ordnung, nicht aber sein Herz." „Natürlich, ich bin ganz deiner Ansicht. Aber er hasst mich....und dieser Hass ist die wirkliche Gefahr, der wir uns stellen müssen. Siegfried verhält sich zwar momentan ruhig, doch ich spüre intuitiv, dass er seinen Rachewunsch noch längst nicht aufgegeben hat! Ich....ich habe Angst." Bakura nahm neben ihm Platz und umschlang ihn mit seinen kräftigen Armen. Er wusste, dass Yami nicht grundlos besorgt war und seit einiger Zeit plagte ihn eine dunkle Ahnung. Ihm war, als braue sich über ihren Köpfen ein Unwetter zusammen.... Der Sultan lag in seinem Lustgemach auf dem Bett und schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Joseph verweigerte sich ihm nun seit fast acht Wochen und seine Haltung zeigte kein Anzeichen von Veränderung. Wie lange wollte er ihn noch so quälen? Neun Wochen? Zehn? Elf? Oder gar gleich ein halbes Jahr? „Mein Fürst?" Der Mann, den er sich vergangene Nacht als Gefährten ausgewählt hatte, betrachtete ihn fragend und mit mildem Vorwurf in der Stimme. „Euer Körper ist bei mir, ohne Zweifel....aber Ihr seid es nicht." „Duke....Ich weiß, dass Joseph nicht zum Gold-Rang gehört, aber vielleicht hast du dir eine Meinung über ihn gebildet. Kennst du ihn gut genug, um ihn beurteilen zu können?" Der Schwarzhaarige, der aus den Kolonien der Neuen Welt stammte, drehte sich auf den Bauch und stützte sein Kinn in den Händen ab. Er musterte den König mit einem amüsierten Lächeln, das er sich nur aufgrund seines Status‘ als Favorit erlauben durfte. Seine grünen Augen leuchteten katzenhaft, als er vielsagend erklärte: „Die meisten hier haben sich bereits eine Meinung über jenen gebildet, den Odeon ‚Goldjaspis‘ nennt. Ihr beweist ihm gegenüber mehr Geduld als jemals zuvor, zumindest was die Erfüllung seiner Haremspflicht betrifft. Andererseits erschüttert er Eure Selbstbeherrschung und treibt Euch zu heftigen Temperaments-ausbrüchen. Ihr kommt offenbar nicht mit ihm zurecht....oder nur schwer." „Er ist mir ein Rätsel. Nach all den Unverschämtheiten, die er sich herausgenommen hat, sollte ich ihn längst verkauft haben! Ich begreife selbst nicht, warum ich ihn hier behalten will!" „Weil Ihr ihn erobern wollt. Er ist Eure neueste und bisher interessanteste Herausforderung - und Ihr seid kein Mann, der schnell aufgibt. Und dann ist da natürlich noch ein weiterer, bedeutsamer Grund....den ich Euch leider nicht verraten kann." „Weshalb nicht? Treibe keine Spielchen mit mir, Duke!" „Ah, ich tue nichts dergleichen, Euer Majestät!" Er lachte charmant. „Aber manche Dinge müssen von den Menschen in eigener Anstrengung in Erfahrung gebracht werden. Vielleicht könnt Ihr Euch heute Abend unserem Blondschopf nähern, anlässlich des Festes zu Ehren Eurer Mutter, die ihren Geburtstag glanzvoll zu begehen beabsichtigt. Bei dieser Gelegenheit könntet Ihr die beiden auch gleich einander vorstellen, Ihre Hoheit wartet schon lange darauf." „Das ist wahr." Seto ab-del Kaiba warf sich aufseufzend in die weichen Laken zurück und grübelte vor sich hin. Es stimmte. Er konnte Joey unmöglich wieder die Freiheit schenken. Obwohl es sicher genau das war, was sich der Engländer wünschte, zog sich etwas in ihm wie im Schmerz zusammen, sobald er diese Idee auch nur erwog. Dieses vollkommene Wesen, dieses rebellische, sture, wunderbare Geschöpf aus den Händen geben, nur um dem Chaos in seinem Herzen entgegenzuwirken? Das konnte er einfach nicht! Allah hatte ihm diesen Mann gebracht, damit er ihn zähmte! Und er würde ihn zähmen, ohne Wenn und Aber! Er richtete sich auf, rief einen Pagen herein und befahl ihm, ein Bad für ihn vorzubereiten, damit er sich reinigen konnte. „Leistest du mir Gesellschaft?" „Es wäre mir ein Vergnügen, Gebieter. Was schwebt Euch vor? Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Entschluss gefasst." „Du täuschst dich nicht. Ich werde mit Joseph sprechen. Ich will ergründen, ob er begonnen hat, ein wenig Zuneigung für mich zu entwickeln. Er trägt sein Herz auf der Zunge und doch scheint sein Innerstes mir gleichsam verschlossen zu sein, wie eine Schatzkiste, zu der ich den Schlüssel nicht besitze. Ob er jemals mein sein wird....?" Duke musterte den Monarchen mit der ihm eigenen Präzision und Genauigkeit, die sich nicht nur auf das Äußere eines Menschen beschränkte, sondern bis in seine Tiefen vorzudringen vermochte. Er registrierte den sehnsuchtsvollen Ton in seiner Stimme, sah die leise Hoffnung in seinen Augen, die in weite Ferne gerichtet waren, wie in eine glückliche Zukunft, in der er Joseph für sich gewonnen hatte. Er verließ das Bett und warf sich seinen Haremsmantel über, um seine Blöße zu bedecken. Heute war großer Badetag, aber es störte ihn nicht, dass er aufgrund seiner anderen „Verpflichtung" dieses Beisammensein nicht hatte genießen können, denn immerhin verstand sich Seine Majestät auf die Kunst der Liebe. Sein Blick schweifte über das Palastgelände und verblieb auf einer schlankgewachsenen Gestalt, die sich zur Überraschung des Schwarzhaarigen nicht im Hof der Blumen befand. >>Das ist doch....Was hat er zu dieser Stunde im Bereich des Palastes zu suchen, in dem die Gemächer des Sultans untergebracht sind? Er ist in Ungnade gefallen und der Fürst hat ihm ausdrücklich verboten, wieder einen Fuß in diesen Trakt zu setzen! Wie kann er sich erdreisten....Ich werde sofort mit ihm sprechen! Das ist ungeheuerlich!<< Der Page trat ein und meldete, das Bad wäre bereit. Seto ab-del Kaiba ließ sich genussvoll in das warme Wasser gleiten und Duke folgte ihm, erledigte seine Waschungen aber mit einer beinahe unziemlichen Eile. „Was ist dir, Schöner? So gehetzt?" „Aus gewissen Gründen, ja. Seid nachsichtig, ich bitte Euch." Nachdem er sich abgetrocknet und seine Haut mit einem duftenden Öl eingerieben hatte, um sie geschmeidig zu halten, schlüpfte er rasch in seine Serailgewänder und suchte denjenigen auf, der ihn so wenig positiv durch seine Anwesenheit erstaunt hatte. „Siegfried!" Der Angesprochene drehte sich um und ließ sich zu einem maliziösen Lächeln herab. Er war von großer und anmutiger Statur, mit Augen, die von einem dichten Kranz elegant gebogener Wimpern beschirmt wurden; sein langes Haar von der Farbe des Rosenquarz wallte wie ein Umhang seinen Rücken hinab. Er deutete seine Verbeugung lediglich an, was in sich schon eine Beleidigung war, denn es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Mann im Harem den Favoriten unbedingten Respekt zu zollen hatte. „Was hast du hier zu suchen? Du kannst froh sein, dass Seine Hoheit dich nicht zum Sklavenmarkt zurückgeschickt hat!! Du durftest bleiben und wurdest nur einen einzigen Rang heruntergestuft! Es steht dir nicht zu, die Gemächer des Sultans in Eigeninitiative zu betreten! Das ist ein Privileg, das den Favoriten vorbehalten ist!" „Verpulvert nicht so viel unnötige heiße Luft", erwiderte Siegfried lässig, als amüsiere er sich köstlich über Dukes Entrüstung. „Ich bin Euch keinerlei Rechenschaft schuldig. Außerdem, was soll das Theater? Ich habe nichts getan, dass Ihr mir vorwerfen könntet." „Ach nein!? Es ist dir wohl entfallen, dass du versucht hast, Yami zu vergiften?!" „Es ist ärgerlich, dass Ihr immer noch mit diesen albernen Gerüchten um Euch werft, zumal Ihr keinen einzigen Beweis für Eure unerhörte Anklage habt. Der Fürst hat mich nur deshalb in den Silber-Rang zurückversetzt, weil er Euch und Euren abscheulichen Freunden geglaubt hat. Ich habe nichts dergleichen vorgehabt, aber es hat wohl keinen Sinn, Euch das zu erklären. Ihr wart schließlich einer von denen, die mich verleumdet haben!" „Konkrete Beweise hatten wir nicht, das ist wahr....aber wir besitzen genug gesunden Menschenverstand, um ein Geschwür in unseren Reihen zu entdecken und es aufzustechen, bevor es Schaden anrichtet!" Die Zunge des Amerikaners war scharf und neigte zum Zynismus. Ihre Treffsicherheit bewies sich auch diesmal, indem er das einzige Argument fand, das Siegfrieds verächtliche Haltung erschüttern konnte. Die Bezeichnung als „Geschwür" innerhalb des Gold-Ranges erinnerte ihn an das demütigende, lähmende Gefühl, das er in der Gegenwart der übrigen höhergestellten Männer stets verspürt hatte, die ihn nicht der Ehre als würdig erachteten, ihre Gesellschaft zu teilen. Er war unter ominösen Umständen weitergekommen und die wenigsten glaubten, dass er es der Gunst des Herrschers verdankte. Oh, er war schön und in geistreicher wie humorvoller Unterhaltung bewandert, aber konnten diese Eigenschaften über die gefährliche Listigkeit und die Heuchelei hinwegtäuschen, die man in seinen Augen bisweilen hatte aufblitzen sehen? Es war offenbar, dass er Yami die gesonderte Stellung als Favorit und Sprecher des Ranges neidete, denn als solcher war er der mächtigste Mann im Harem, solange der außergewöhnliche Posten des Sultan-baschi noch unbesetzt war. „Seine Majestät hatte keinen Grund, unseren Verdacht anzuzweifeln. Er vertraut uns! Wenn wir Beweise zur Verfügung gehabt hätten, wärest du längst nicht mehr hier! Ich warne dich nur ein einziges Mal: Verkneife dir deine Intrigen, sonst wirst du es bitter bereuen!" „Glaubt Ihr, diese leere Drohung könne mich erschrecken? Ihr seid noch naiver, als ich dachte! Ihr wisst genauso gut wie ich, dass kein Mann in diesem Harem mir gewachsen ist! Keiner von diesen trägen, eitlen Gecken, die nur müßig in den Tag hineinleben, ist mir in irgendeiner Weise ebenbürtig! Ihr jagt mir keine Angst ein!" Duke starrte ihn kühl an, die grünen Augen zu Schlitzen verengt, was seinem Gesicht etwas Raubtierhaftes verlieh. „Du vergisst, dass seit deiner Vergiftungsaffäre schon einige Zeit vergangen ist. Und auch du kannst kaum leugnen, bereits von jenem gehört zu haben, von dem man erwartet, dass er das Herz des Sultans erobern wird! Wenn einer deine Pläne durchkreuzen kann, welcher Natur sie auch sein mögen, dann ist er es!" Damit faltete er seinen Fächer auf und verschwand im nächsten Korridor, der in Richtung des Hofs der Blumen führte. Siegfried blickte ihm nach, schürzte die Lippen und spie einen Schwall leiser Verwünschungen aus. Der Ruf des Engländers, dieses Joeys, war ihm selbstverständlich zu Ohren gekommen und gefiel ihm gar nicht. Seit er an den Herrscher von Marokko verkauft worden war und man ihn den heimatlichen Landschaften Schwedens entrissen hatte, war es sein Traum, der einflussreichste Mann des Serails zu werden, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Yami war sein größter Konkurrent im Ringen um die momentan höchste Position und in diesem Joseph war ein neuer, noch verführerischer Rivale aufgetaucht, denn seine sinnliche Schönheit und sein stolzes, rebellisches Wesen wühlten Ab-del Kaiba das Blut auf. Man erzählte sich, dass er über alle nötigen Gaben verfüge, die einen Sultan-baschi auszeichneten und das war ein bedeutsamer Grund, ihn zu fürchten. „Siegfried! Zurück in den Silber-Rang mit dir! Du hast in diesem Trakt des Palastes nichts zu suchen!" Er zuckte zusammen und sah sich dem großen, breitschultrigen Hünen Odeon Farradji gegenüber, dem gleichermaßen verehrten wie angstvoll respektierten Oberaufseher des Harems. Vor ihm wagte der Schwede es nicht, sich aufmüpfig zu zeigen, zumal er die Ahnung hegte, dass der Vertraute des Monarchen über die Gift-Geschichte informiert war und trotz mangelnder Beweise von seiner Schuld überzeugt war. Er entschwand also unter einer tiefen Verbeugung, während Odeon im Auftrag seines Herrn zum Hof der Blumen eilte, um seinen Goldjaspis zu rufen. Die Begeisterung des Briten hielt sich in Grenzen, aber dennoch erfüllte ihn ein leiser Stolz in Anbetracht der Tatsache, dass Ab-del Kaiba den Aufseher und nicht einfach nur einen Pagen geschickt hatte, um ihn holen zu lassen. In sich das Geheimnis einer verbotenen Liebe bergend, dessen Mitwisser er geworden war, ließ er sich zum Audienzzimmer des Sultans bringen und verharrte dort in abwartender Haltung. Als dieser zu erscheinen geruhte, war Joey ziemlich verblüfft, denn er hatte seine Morgentoilette noch nicht beendet und war demzufolge nur leicht bekleidet: Seine schlanken Beine steckten in hellen sandfarbenen Hosen und er trug seine Lieblingsstiefel, doch sein kraftvoller Oberkörper war entblößt und noch ein wenig feucht, als käme er gerade aus dem Hammam, dem Bad. Die Perfektion der muskulösen männlichen Formen trat deutlich hervor, aber auf der gebräunten Haut war auch die eine oder andere Narbe zu sehen - Spuren der Kämpfe, die er zur Verteidigung seines Reiches bestritten hatte? Die unerwartete Vertrautheit, die er ihm in seiner Offenheit präsentierte, irritierte den Blonden und ließ ihn erkennen, dass er keineswegs herbeizitiert worden war, um erneut für seine sich hinziehende Verweigerung getadelt zu werden. „Oh, du bist schon da, Joseph?" „Ja. Odeon hat mir ausgerichtet, dass Ihr mich zu sprechen wünschtet." „Das ist richtig. Ich möchte dir eine Frage stellen und ich verlange, dass du sie wahrheitsgemäß beantwortest." Der Engländer nickte, immer noch unsicher, wie diese Situation zu deuten sei. „Hasst du mich?" Diese Frage kam mehr als überraschend, insbesondere, da er annahm, die Meinung eines Odalisken niederen Ranges spiele für den Herrscher keine Rolle. Schon gar nicht, wenn der Betreffende so ungehorsam war wie er! Außerdem rührte sie an jenen verborgenen Ort seines Herzens, an dem er das Verlangen und die zarte, scheue Zuneigung verwahrte, die er dem Sultan entgegenbrachte. Nein, es war kein Hass....aber auch keine Liebe. Noch nicht, vielleicht. >>Ich weiß nicht....ich habe Angst davor, mich in ihn zu verlieben. Ich kann das Grausame an ihm nicht vergessen, die Gleichgültigkeit, mit der er dem Leben anderer gegenübersteht....Ich habe ihn vor Wochen gefragt, ob er wisse, was Liebe ist, aber wirklich geantwortet hat er mir nicht. Eigentlich schade....<< „Was ist? Willst du nichts sagen?" „Ah?! Ich....verzeiht, ich war in Gedanken versunken. Ich....ich hasse Euch nicht, Euer Hoheit." Bildete er sich das nur ein, oder leuchteten diese kalten blauen Augen auf wie von einer neuen Hoffnung erfüllt? „Erlaubt mir, ebenfalls eine Frage zu stellen." „Gern, warum nicht?" „Wisst Ihr überhaupt, was das ist....Liebe?" „Ich glaube, diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal." „Das stimmt, aber damals habt Ihr mir nicht geantwortet. Tut es jetzt, ich bitte Euch." „Was soll ich denn auf eine solche Frage erwidern?" „Die Wahrheit." „Die Wahrheit!" Er lachte bitter auf und dieses harte, höhnische Lachen versetzte dem Briten im Inneren einen schmerzhaften Stich. Was für ein Kummer verbarg sich hinter diesem trotzigen Aufbegehren, welche Enttäuschung, welche Wunden? „Was könnte ich dir da schon erzählen? Das Leben am Hof ist nicht einfach. Meinen Vater habe ich selten gesehen. Sicher kam er ab und zu in seinem Harem vorbei und besuchte seine bevorzugten Damen, zu denen auch meine Mutter gehörte, die er später zu seiner Hauptfrau erhob, aber die meiste Zeit war er damit beschäftigt, andere Länder zu erobern, um sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern. Das hat ihn dann eines Tages auch das Leben gekostet. Ich habe nicht getrauert, denn ich kannte ihn kaum. Aber meine Mutter hat ihn wirklich geliebt. Sie weinte viel....Ich war vierzehn Jahre alt damals und Odeon Farradji nahm mich unter seine Fittiche, um mir alles beizubringen, was ein zukünftiger König wissen muss. Seither ist er mein engster Vertrauter. Aber er konnte nicht überall zugleich sein, genauso wenig wie meine Mutter. Und was hätte ich schon tun können, als der verwöhnte, hübsche Knabe, der ich war, unbedarft und naiv? Ich war im Harem aufgewachsen und konnte dem Verlangen der reifen Frauen nicht entfliehen. Ich war noch nicht fünfzehn, als die dritte Lieblingsfrau meines Vaters mich in ihr Bett einlud, um sich mit mir zu vergnügen. Es gab einige wie sie. Mit sechzehn holte mich ein Botschafter aus Syrien, der bei uns im Palast zu Gast weilte, in seinen Alkoven. Ich wagte es nicht, irgend jemandem davon zu erzählen, sondern vergoss meine Tränen der Scham und Bestürzung im Geheimen, allein. Das ist meine Wahrheit. Bis zu jetzt zufrieden?" Joey wusste nichts zu sagen, er war viel zu erschüttert. Er betrachtete den Sultan mit dem Entsetzen eines Menschen, der erkennen muss, dass einem anderen das Gefühl der Liebe im Herzen zerstört wurde, gerade in dem Alter, in welchem ihr Mysterium normalerweise zum ersten Mal das Leben eines Heranwachsenden zu verwirren beginnt. Er sah ihn an wie einen, der des Notwendigsten beraubt ist. „Es ist also wahr", flüsterte er fassungslos, „....Ihr wisst es nicht. Ihr wisst nicht, was Liebe ist. Diese berauschende Empfindung, die auf ein Individuum die Herrlichkeit und die Wonne aller unausgesprochenen Träume überträgt, diese wirkliche, wirbelnde, unbändige Macht....Ihr habt sie nie kennen gelernt. Lust und Begierde sind Euch vertraut. Die Liebe nicht." „Du verstehst es bemerkenswert gut, von diesem Gefühl zu reden, das die Troubadoure in ihrer Kunst besingen. Nein, ich glaube nicht, dass ich je erfahren habe, was du mir eben so reizend beschrieben hast. Warum so schockiert? Du wolltest meine Antwort und ich habe sie dir gegeben. Du bist der erste, dem ich diese Geschichte erzähle. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil du all meinen Verführungsversuchen getrotzt hast. Meine Lehrmeisterinnen - als solche verstanden sie sich - haben mir nie beigebracht, wie man einen wilden Tiger zähmt. Dennoch will ich es ausprobieren. Bisher bin ich gescheitert, das gebe ich zu. Durch welche List ist es dir gelungen, mein Begehren zu entfachen und meine Sehnsucht nach dir zu wecken, ohne sie zu stillen? Was ist es, das mich an dir so fasziniert? Du scheinst allen Männern zu gleichen, mit denen ich bis dato zu tun hatte und doch bist du keinem von ihnen ähnlich. Ich vermag dich nicht zu begreifen." „Aber ich meine, Euch zu begreifen. Eure Grausamkeit ist eine Folge Eurer Angst und Eurer Scham, eine Folge der Tränen, die Ihr mit niemandem geteilt habt, die Euch keinen Trost gebracht haben. Eure Musik ist die Zuflucht für Euer Herz. Wenn Ihr singt, könnt Ihr Euren Schmerz vergessen. Ja. Alles erklärt sich nun." „Wenigstens einer von uns, der weiß, woran er ist!" bemerkte der Monarch zynisch und kleidete sich komplett an. Er wählte einen schlichten goldenen Ring als Schmuck für den kleinen Finger und nahm einen Pfirsich aus der Obstschale, die auf dem niedrigen Tischchen vor seinem Diwan stand. „Möchtest du diese Frucht haben? Sie schmeckt süß....so süß wie deine Lippen." Der Blonde fing den Pfirsich auf, den Seto ab-del Kaiba ihm zuwarf und sagte so leise, dass ihn der Fürst nicht hören konnte: „Niemandem sollte es versagt sein, die Liebe zu erfahren. Vielleicht....kann ich Euch lehren, was sie bedeutet....eines Tages...." „Meine Mutter feiert heute Abend ihren Geburtstag. Sie hat mich darum gebeten, dich ihr vorzustellen. Wärest du bereit dazu?" Er versank in einer Reverenz und erwiderte: „Es wäre mir eine Ehre." Damit entließ ihn der Sultan. Die Audienz war beendet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)