Desert Nights von Autumn ================================================================================ Kapitel 4: Der Basar (Teil 1) ----------------------------- So, es geht weiter mit meinen "Wüstennächten"! Ich wünsche Euch viel Vergnügen beim Lesen!^______^ Viertes Kapitel: Der Basar (Teil 1) "Joey! Joey, wach auf! Ein Diener ist gekommen! Er hat ein Geschenk für dich dabei! Es ist von Seiner Majestät! Hörst du nicht?!" Shadi stand mit verschränkten Armen ungeduldig vor dem Bett des Briten und rüttelte ihn. Warum schlief er denn noch? War er etwa so müde? Langsam schlug der Blonde die Augen auf und gähnte ausgiebig. "Was sagst du?" "Man hat dir ein Geschenk überbracht. Komm herein, Bursche!" Ein verzagter junger Page betrat den Raum, offensichtlich ganz verwirrt von der Herrlichkeit und dem Prunk um ihn herum. Auch die Anwesenheit von so vielen schönen, selbstbewussten Männern schüchterte ihn ein, denn er hatte erst vor kurzem seine Anstellung hier im Palast erhalten, folglich war er noch nie im Haremsgebäude gewesen. Als er Joeys ansichtig wurde, der nur seinen Hüftrock trug und dessen muskulöser Körper sonst komplett entblößt war, sein goldenes Haar noch offen und nicht zu einem Zopf zusammengebunden, wurde er hochrot und stotterte seinen Auftrag hervor: "Äh....Seine Gnaden schickt mich....eh....Euch....dieses....dieses bescheidene Zeichen seiner....eh....Gunst....zu überreichen...." Der 22jährige nahm das sorgsam in rote Seide eingewickelte Päckchen entgegen und öffnete den Knoten. Zum Vorschein kamen eine breite goldene Kette mit eingravierten Mustern, ein Stirnreif und ein Paar langer goldener Ohrringe, deren Gehänge wie Tropfen geformt waren. Shadi pfiff bewundernd durch die Zähne. "Bemerkenswert, sehr bemerkenswert! Da du dich ihm verweigert hast, würde mich interessieren, was genau du getan hast, um dieses Geschenk zu erhalten!" Joey antwortete nicht, wusste es aber sehr wohl. Der Schmuck war die Belohnung für den Kuss letzte Nacht, den der Sultan ihm gestohlen hatte. Obwohl er dieses Ereignis zu verdrängen versuchte, konnte er dem heißen, wunderbaren Geschmack dieser verführerischen Lippen noch nachspüren und es gelang ihm nicht, diese leidenschaftliche Inbesitznahme zu vergessen. Er seufzte und betrachtete das funkelnde Gold vor sich mit gemischten Gefühlen. Sein Stolz bäumte sich auf und er warf den Stirnreif, den er in die Hand genommen hatte, angewidert in das Päckchen zurück und verschnürte es wieder. "Heda, Page! Bring das seinem Besitzer zurück und richte ihm aus, dass ich mich nicht bestechen lasse!" "Aber....das ist ein teures Geschenk des Fürsten! Wie könnt Ihr es ablehnen?" rief der Bursche entsetzt aus, dem allein der Gedanke an Befehlsverweigerung oder Ungehorsam den kalten Schweiß ausbrechen ließ. "Seine Majestät scheint zu glauben, dass er meinen Widerwillen mit protzigen Gunstbezeugungen einschläfern kann, aber da hat er sich getäuscht! Wenn überhaupt, würde ich mir meinen Schmuck selbst kaufen! Ich bin nicht auf ihn angewiesen! Scher dich raus!" Der Page entschwand kreidebleich und Shadi zog skeptisch eine seiner Augenbrauen nach oben. "Ein Geschenk des Sultans zurückzuweisen ist eine schwere Beleidigung! Wie oft willst du seinen Zorn noch erregen?" "So oft wie es nötig ist. So oft, bis er gelernt hat, meine Unabhängigkeit zu akzeptieren!" "Das ist eine harte Lektion, die du da von ihm verlangst." "Er hat keine andere Wahl!" "Falsch - du gibst ihm keine andere!" "So kann man das auch sehen." "WAS?!?!" Der Page floh Hals über Kopf aus dem Audienzzimmer des Sultans und wagte es nicht, sich auch nur einmal umzudrehen. Seto ab-del Kaiba marschierte auf dem edlen Perserteppich auf und ab, mit dem der Raum ausgelegt war, die Hände im Rücken verschränkt, auf dem Gesicht ein Ausdruck von Wut, Fassungslosigkeit und Frust. Auf dem niedrigen Tischchen vor seinem Diwan lag das Päckchen mit dem Goldschmuck. >>Ich glaube es nicht!!! Wie kann er sich anmaßen, mein Geschenk zurückzuweisen?! Ich dachte, nach dem Kuss gestern wäre sein Widerwille endlich erlahmt, aber nein....!!! Er wagt es noch immer, mich so zu behandeln!!! Dieser....unverschämte....hochmütige....dreiste....stolze.... unbezähmbare....temperamentvolle....wunderschöne....Argh, verflucht sei er!!! Ich....will ihn!!! Niemand schürt dieses Verlangen in mir und entzieht sich dann meinem Zugriff!!!<< Er schleuderte den Schmuck zornig zu Boden und rammte beide Fäuste gegen eines der herrlichen Glasfenster, dass der Rahmen erzitterte. Er erinnerte sich an den Moment, als er diesen sinnlichen Mund erobert hatte und er einen intensiven Kuss beginnen konnte, ganz anders als in jener Nacht, da der Brite ihn gekratzt hatte, denn damals hatte er diese Lippen nur leicht berührt, gekostet. Aber die wirkliche, leidenschaftliche Inbesitznahme in den Stunden der Nacht hatte ein Feuer in ihm entzündet, dem er nicht mehr zu entkommen vermochte. Er hatte das Aufwallen dieses schönen, begehrlichen Körpers gespürt, das lustvolle Schauern, das ihn durchrann, und nach einer Weile hatte sich die zunächst abweisende Mauer der Lippen aufgetan und sich als wissend offenbart. In diesem Augenblick hatte er erkannt, dass Joseph ein erfahrener Mann war, bewandert in der Kunst der Liebe....und es reizte ihn, diesen Mann zu berühren und seinerseits von ihm berührt zu werden.... "Joey...." hauchte er gegen die Fensterscheibe, irritiert und schwer atmend. Es war nun nicht so, dass er noch nie einer komplizierten Eroberung gegenübergestanden hätte - wenn er da an Yami und dessen unnachgiebige Haltung dachte, oder an Bakura und seine Boshaftigkeit, an Duke und seine scharfe Zunge, oder an Marik und seine Launenhaftigkeit....jetzt waren diese Männer alle Mitglieder des Gold-Ranges und zudem seine Favoriten. Aber dieser Engländer.... willensstark wie Yami, unverschämt wie Bakura, nicht auf den Mund gefallen, genau wie Duke, und hitzig wie Marik....oh ja, Odeon hatte ganze Arbeit geleistet, als er diesen Blondschopf für ihn ausgewählt hatte! >>Wie kann ich ihn bloß positiver stimmen? Wenn er mein Geschenk nicht annehmen will, soll er sich seinen Schmuck eben selbst kaufen! Ja, warum eigentlich nicht? Es wäre ohnehin mal wieder an der Zeit, mit dem Harem einen Ausflug zu machen, warum also nicht den Basar aufsuchen?<< Seto ließ nach seinem Oberaufseher schicken und befahl ihm, im Serail bekanntzugeben, dass er (= der Fürst) beabsichtige, diesen Tag auf dem Basar zu verbringen; die Männer sollten sich bereithalten. Odeon versank in einer Reverenz und gehorchte ohne Verzögerung. Er weilte mit seiner Botschaft gerade im Bronze-Rang, während man im Gold-Rang noch nichts davon wusste. Dort lag Yami träge auf seinem Bett, träumte in den Morgen hinein und bemerkte nicht, wie die Tür zu seinem Gemach aufgeschoben und sorgsam wieder geschlossen wurde. Erst, als samtene Lippen die seinen küssten, schlug er die Augen auf. "Bakura!" stieß er im Flüsterton hervor. "Bist du verrückt geworden? Was, wenn dich einer der Eunuchen dabei beobachtet hätte, wie du dich in mein Zimmer schleichst!?" "Aber es ist niemandem aufgefallen! Ewig dieses Versteckspiel! Ich bin es leid, Yami! Warum können wir nicht zu unserer Liebe stehen?" Der Weißhaarige neigte sich vor und heftete seinen Mund sehnsuchtsvoll auf den des Japaners. Unfähig, seine eigenen Wünsche zu verleugnen, sank Yami in die Kissen zurück, schlang seine Arme um den kräftigen Nacken und genoss den Kuss mit all seinen Sinnen. Die kundigen Hände des Russen wanderten unter den Hüftrock und unter den Lendenschurz und der andere stöhnte gedämpft auf. "Oohh....Ba....Bakura....nicht....jetzt...." "Soll ich denn immer nur auf die Verschwiegenheit der Nacht warten? Wie viel Geduld soll ich noch aufbringen?" "Aber es könnte doch jemand kommen?" "Was tut's! Jetzt will ich dich haben....Ich spüre, dass du heiß, erregt bist....deine Augen strahlen wie Sterne und zarter Schweiß bildet sich auf deiner Haut...." Der Bunthaarige konnte sich nicht länger wehren. Mit einem dumpfen Keuchen, das Bakura sein Besiegtsein verkündete, drängte er sich an den warmen, festen Leib seines Liebsten und sie durchwanderten gemeinsam das Tor zur Ekstase. Duke, der zufällig an der Tür vorbeiging, errötete angesichts der Laute, die hindurch drangen: hingegebenes Stöhnen, das Quietschen des Bettes bei ihren rhythmischen Bewegungen und ähnliches. Der Amerikaner hielt sich verlegen den Fächer vor sein verfärbtes Antlitz und hustete lautstark, als Bakuras heisere Stimme hauchte: "Yami, Geliebter...." Zu allem Überfluss entdeckte er Farradji, der eben durch den Eingang zum Ersten Rang schlüpfte. Was wollte der denn so früh schon hier?! Wenn dieser Kerl herausfand, dass zwei der Favoriten eine Affäre miteinander hatten, konnte das schreckliche Folgen für seine beiden Freunde haben! So eilte er geschwind auf den Haremsaufseher zu und verwickelte ihn in ein Gespräch über sein aktuelles Lieblingsthema: Den schönen Joseph, von ihm "Goldjaspis" genannt. Glücklicherweise erschien auch gerade Marik auf der Bildfläche und Duke gab ihm mit einem bedeutungsvollen Schwenk seines Fächers zu verstehen, dass er das Paar warnen sollte. Der Ägypter begriff sofort und klopfte lautstark gegen die Tür. "Yami! Steh endlich auf! Du schläfst wie immer viel zu lange!" rief er vernehmlich, als wäre der andere taub. Nun ja, in diesem speziellen Fall.... "Ah, genau! Zu Yami muss ich, er ist der Sprecher Eures Ranges!" unterbrach sich Odeon und eilte auf das Gemach des Bunthaarigen zu. In diesem Moment schwang die Tür zur Seite und der Japaner trat heraus. Sein Haar war etwas in Unordnung und auch seine Schärpe wirkte wie in Hast zugebunden, doch sonst war ihm nichts anzumerken, zumal Bakura hinter ihm her stürzte und mit flinken Fingern den goldenen Stoff elegant zurecht drapierte. Er hatte schließlich Übung darin. Der Oberaufseher verneigte sich und sagte: "Seine Gnaden schickt mich. Er wird den heutigen Tag auf dem Basar verbringen und wünscht, dass seine Haremsherren sich bereithalten." "Gut, ich habe verstanden." Odeon entfernte sich und kaum war das Tor hinter ihm ins Schloss gefallen, warfen Duke und Marik vorwurfsvolle Blicke auf das sichtlich zerknirschte und schuldbewusste Liebespaar. "Ist in eure Köpfe denn keinerlei Vernunft einzubläuen?!" entrüstete sich der Schwarzhaarige und er klappte seinen Fächer mit einem harten Schlag zu. "Ich kann mir natürlich nicht anmaßen, euch eure Liebe zu verbieten, aber ihr wisst doch, was ihr damit riskiert!! Sollte Seine Majestät je dahinter kommen, was wir nicht hoffen wollen, dann wird das mehr als nur vierzig Peitschenhiebe nach sich ziehen!!" "Das wissen wir auch", erwiderte der Russe mit ernstem, ein wenig verzweifeltem Lächeln, "....aber wir können unsere Gefühle füreinander nicht einfach abtöten. Yami und ich haben den Sultan zu respektieren und zu schätzen gelernt, und in seinen Armen Wollust zu erfahren, kann berauschend sein....aber nichts ist schöner, als wenn tiefe Empfindungen in die Vereinigung mit eingebracht werden. Werdet ihr uns weiterhin decken?" "Was haben wir schon für eine Wahl?" seufzte der Ägypter verstimmt. "Ihr seid schließlich unsere Freunde und wir möchten nicht, dass euch etwas zustößt! Dennoch....dieses gefährliche Spiel behagt mir ganz und gar nicht! Warum musstet ausgerechnet ihr euch ineinander verlieben? Bei Männern aus dem Bronze- oder dem Silber-Rang wäre das ja alles nicht so dramatisch, aber nein, ihr seid Mitglieder des Gold-Ranges und auch noch Favoriten! Es gibt zweifellos viele Methoden, den Fürsten zu erzürnen, aber das ist mit Sicherheit eine der schlimmsten!" "Was sollen wir denn tun? Weiterleben, als wären Bakura und ich uns nie so nahe gewesen? Unsere Gefühle verleugnen? Uns ist nur zu deutlich bewusst, welchem Risiko wir uns aussetzen, aber wir können unsere Liebe nicht einfach unterdrücken!" "Du hast ja recht, Yami." meinte Duke in betrübtem Ton. "Aber es behagt mir dennoch nicht!" "Es ist rührend von euch, dass ihr euch so um uns sorgt, doch falls Seine Majestät tatsächlich von unserer Beziehung erfahren sollte, so werden wir allein die Konsequenzen tragen! Und nun entschuldigt mich, ich muss die übrigen Mitglieder des Gold-Ranges über den geplanten Ausflug in Kenntnis setzen." Er enteilte in einen der vielen reich geschmückten Korridore und ließ seinen Liebsten und die beiden Freunde zurück. Marik fuhr sich nachdenklich durch das platinblonde Haar. "Ich wünsche euch zweien alles Glück dieser Erde und ein gnädiges Schicksal, das eure Entdeckung verhindert. Ihr wisst selbst, was mit dem letzten Mann geschah, der den Sultan betrog - er wurde....hingerichtet." "Ich erinnere mich an diesen schrecklichen Tag", murmelte Bakura und ein Schatten fiel auf seine noblen Züge. "Dennoch....wenn es sich nicht ändern lässt, werden Yami und ich gemeinsam sterben, sollte man unsere Liebe entlarven. Ich habe es nie jemandem gesagt, aber ich bin ruhelos gewesen, fast mein ganzes Leben lang....und als ich in den Harem verkauft wurde, dachte ich, mit mir wäre es endgültig vorbei....Aber in Yami fand ich einen wahren Freund, der mir stets mit Rat und Trost begegnete und Verständnis für mich aufbrachte. Er vermittelte mir Frieden und Geborgenheit - bis ich mich in ihn verliebte, obwohl ich genau wusste, unter welch schlechtem Stern unsere romantische Verbindung stand. Er und ich können nicht mehr zurück....und wenn der Tod unser Weg sein soll, werden wir ihn gehen." Dartz lächelte Joey zufrieden an. "Was immer sich der Fürst dabei gedacht hat, als du ihm sein Geschenk zurückgeschickt hast, jetzt kannst du dir wirklich selbst Schmuck kaufen!" "Ich verstehe nicht...." "Odeon hat mir mitgeteilt, dass der Sultan einen Ausflug zum Basar zu machen wünscht. Dort wirst du sicher etwas finden. Außerdem ist es schon lange genug her, seit der gesamte Harem etwas unternommen hat. Zieh dich um!" Der Brite ließ seinen aufmerksamen Blick durch die Gemächer und Flure des Dritten Ranges gleiten und die ungewohnte Hektik fiel ihm auf. Auch vermummte Gestalten erspähte er darunter und er erkundigte sich: "Umziehen? Wieso das?" "Du bist Haremsmitglied, mein Freund. Kein Mann außerhalb dieser Mauern darf es wagen, dich anzusehen. Deswegen musst du dich bedecken. Ich habe dir deine Kleidung mitgebracht." Der Rangsprecher deutete auf eine dunkelblaue arabische Hose, ein gleichfarbiges Hemd mit langen Ärmeln und einen ebenfalls dunkelblauen Mantel mit Haube. Daneben lag zusammengefaltet eine bronzefarbene Schärpe, anhand derer man seinen Rang würde erkennen können. Neugierig auf den Basar, vergass er einmal seinen Widerwillen und zog sich das Gewand über. Die Haube verbarg sein Haar, würde ihn aber auch vor der sengenden Sonne schützen. Der Umhang wurde über der rechten Brusthälfte mit einer Spange aus Bronze zusammengehalten, an den Füßen trug er schwarze Stiefel. Die einzigen Flecken nackter Haut waren schließlich nur noch sein Gesicht und seine Hände. Dartz, nun auch in voller Montur, schob den überschüssigen Stoff, der dem Blonden über die Kehle und den Brustansatz fiel, nach oben, bis über seine Nase, sodass lediglich seine Augenpartie nicht verdeckt war. "Was soll das?!" "Du musst nicht nur deinen Körper, sondern auch dein Antlitz verbergen! Du bist Eigentum Seiner Majestät - keiner darf um deine Schönheit wissen! Und jetzt komm!" Grummelnd folgte Joey seinem Kameraden und ließ sich von ihm durch den Eingangsbereich des Oberen Harems in eine große Empfangshalle führen. Sie war prächtig ausgestattet, in ihrer Mitte erhob sich sogar ein Springbrunnen, der lustige Fontänen in die Höhe blies und die ihn perfekt geschwungenen kristallklaren Bögen wieder auf der Wasseroberfläche auftrafen. Ein großes eisenbeschlagenes Tor wurde von einem Trupp Eunuchen aufgeschoben und dahinter wurde eine Reihe mehrerer geräumiger Sänften sichtbar, alle versehen mit je acht Trägern in blauer Livree. "In jede Sänfte passen fünf Männer. Da sie vorne schmal geschnitten sind und nach hinten immer breiter werden, haben vorne nur zwei Platz, die übrigen drei liegen hinten. Der Bronze-Rang ist der mit den meisten Mitgliedern; wir sind ungefähr sechzig Männer. Das heißt, zwölf Sänften für alle. Im Silber-Rang befinden sich rund vierzig Männer, also acht Sänften. Für den Gold-Rang werden nur vier benötigt, weil dieser nur zwanzig Männer umfasst. Was ist? Steig ein!" Joey stand unschlüssig vor der geschmückten Sänfte. Hundertzwanzig Männer, eingesperrt in diesen Goldenen Käfig, und tagtäglich wurden es mehr, die sich unter die harte Hand dieses Sultans begaben! Oh, Seto ab-del Kaiba besass einen romantischen Sinn, den konnte er ihm nicht mehr absprechen seit der letzten Nacht, dennoch erwartete er bedingungslosen Gehorsam und griff zu solch entwürdigenden Mitteln wie der Peitsche, wenn man ihm selbigen nicht sofort erwies. Er stieß einen Seufzer aus und kletterte in die Sänfte. Sie war in geschmackvollen Grün- und Goldtönen gestaltet, mit wunderbar weichen Kissen und einem seidig glänzenden Baldachin. Dartz setzte sich zu ihm, dicht hinter ihm kamen Marko, Shadi und Raphael. Langsam füllten sich auch die anderen Sänften und der Zug setzte sich schließlich in Bewegung, einen gepflasterten, von hohen Bäumen gesäumten Weg entlang. Aus einem zweiten Tor des Haremsgebäudes erschienen die Sänften des Silber-Ranges und aus einem dritten die des Gold-Ranges. Odeon Farradji ritt auf einem kostbar aufgezäumten Rappen der Prozession voran, die sich wie eine lange, farbig schillernde und golden funkelnde Schlange durch die Landschaft schob. Vor dem Haupttor des Palastes wartete der Sultan bereits auf sie. Wunderschön war er anzusehen, in seiner bis zu den Oberschenkeln reichenden Weste aus hellblauer Seide, die von Goldschnüren durchwirkt war und die komplizierte Muster über ihre Vorderseite, die Schultern und den Rücken beschrieben. In seinem linken Ohr glitzerte ein Perlenohrring und um den Kopf hatte er einen blauen Turban geschlungen, der mit einer Diamantenspange verziert war, an deren Spitze eine weiße Feder prangte. Unter dem herrlichen blauen Überwurf konnte man das weiße Untergewand erkennen, ebenfalls aus Seide von bester Qualität. Die weite Hose endete in kniehohen dunklen Stiefeln aus geschmeidigem Leder und an jeweils zwei Fingern seiner Hände leuchteten goldene Ringe mit geschliffenen Steinen darauf. Bei dreien von ihnen handelte es sich um Saphire, der letzte war ein Türkis. Joey verkniff es sich, vor Staunen die Luft anzuhalten. Aber er konnte nicht leugnen, dass der Fürst alle möglichen Register gezogen hatte, um seine männliche Schönheit in Szene zu setzen. Von ihm ging eine starke, hoheitsvolle Aura aus, die Würde echter Majestät strömte durch ihn hindurch und teilte sich jedem mit, der ihn ansah. Seto ab-del Kaiba sass auf einem Schimmel von makellosem Äußeren und seine Haltung war harmonisch und ausgeglichen bis in die Fingerspitzen. Da die Sänfte mit dem Briten gerade an ihm vorbeikam, neigte er sich ein wenig hinunter und suchte nach den tiefen braunen Augen, die ihn gleichwohl erzürnten wie faszinierten. "Ah, Joseph! Da bist du also. Ich hoffe doch, dieser Ausflug zum Basar findet zu deiner Zufriedenheit statt. Wenn du meinen Schmuck nicht annehmen willst, so wähle ihn dir selbst. Obwohl ich von deiner neuerlichen Zurückweisung gewiss nicht entzückt war, wie ich dir versichere. Dennoch....mit Honig lockt man die Fliegen, nicht wahr? Auch du wirst mir eines Tages ins Netz gehen!" "Seid nur nicht so von Euch überzeugt, Euer Gnaden." erwiderte der Blonde mit verdächtiger Sanftmut. "Es wird lange - sehr lange - dauern ehe ich mich dazu entschließen kann, Euch zu erhören." "Sprich nicht in diesem gönnerhaften Ton mit mir! Ich habe dir unlängst erklärt, dass es dir nicht zusteht, meine Gewalt über dich in Zweifel zu ziehen! Du wurdest für mich zur Lust gekauft, das solltest du nicht vergessen!" "Wie Ihr meint. Aber Ihr müsst mir erlauben, in Bettangelegenheiten als Mann zu urteilen und nicht als Euer Untertan! Und was meinen Geschmack anbelangt, so habt Ihr sämtliche Regeln des Liebeswerbens rücksichtslos über den Haufen geworfen! Man sollte Euch erst einmal die wichtigsten Grundtugenden der Höflichkeit lehren, bevor man Euch den Umgang mit Männern wie uns gestattet!" "Du erdreistest dich, mich öffentlich zu beleidigen?! Weise mich nicht schulmeisterlich zurecht wie einen ungehörigen Schüler!" "Wie sonst? Auf dem Gebiet der Liebe seid Ihr meiner Meinung nach nicht mehr als ein Schüler! Oh, man hat mir berichtet, Ihr verstündet Euch auf jene Talente, die man benötigt, um das Begehren eines Mannes zu entfachen und zu stillen, aber was mich betrifft, so habt Ihr mir bisher nur Verachtung für Eure Person eingeflößt! Seit gestern weiß ich zwar, dass Ihr ein Herz habt, aber ganz offensichtlich zieht Ihr es vor, selbiges unter Verschluss zu halten, aus was für Gründen auch immer! Ich begrüße diese Einstellung nicht, aber ich habe ja kein Recht, Euch in dieser Hinsicht irgendwelche Ratschläge zu erteilen! Falls Ihr mir noch etwas zu sagen habt, dann tut es, anderenfalls lasst die Sänfte passieren, die Prozession ist schon unterwegs zum Basar!" Er wandte demonstrativ das Gesicht ab, um zu zeigen, dass das Gespräch von seiner Seite aus beendet war und der Sultan machte widerstrebend Platz. Obwohl die edlen Züge des Briten unter dunkelblauem Stoff verborgen waren, waren seine Augen so stolz und ausdrucksstark gewesen wie eh und je. Ihr temperamentvolles Glühen, genährt von einem inneren Feuer, ließ den Fürsten die Verlockungen einer köstlichen Erregung spüren, wie er sie nie zuvor empfunden hatte. Oh Allah, was musste es für ein berauschendes Gefühl sein, diesen wilden Tiger zu zähmen! Er trieb sein Pferd zu einem gestreckten Galopp an, um an die Spitze des Zuges zu gelangen und postierte sich vor Odeon, der rasch ein respektvolles Nicken zustandebrachte. >>Du wirst mir nicht entfliehen können, schöner Joseph! Eines Tages wirst du mir gehören - und wenn ich mich dafür demütigen lassen müsste, nur um deine Liebe zu gewinnen! Bei allem, was mir heilig ist....ich würde es tun!<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)