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Relevanz statt Redundanz: Neue Themen, neue Käuferschicht? DManga, Thematik, Zielpublikum, Zukunft

Autor:  roterKater

Scott McCloud hat heute in seinem Blog einen interessanten Beitrag zur Zukunft des Comics verfasst. Hauptsächlich geht es ihm darum, neue Publikumsschichten zu erschließen, indem neue Thematiken in Comics (und Manga) verarbeitet werden. Dann würden nämlich nicht nur die Comicleser darauf aufmerksam werden, sondern auch Leute, die gar nichts mit Comics am Hut haben, aber allein an der Thematik interessiert sind. McCloud gibt die Beispiele "Morbus Crohn" und "Arbeitslosigkeit", zu denen kürzlich Comics erschienen sind oder noch erscheinen und bei denen nicht nur der hohe Betroffenenkreis auf die Bücher gestoßen sind, sondern auch die nationale Tagespresse. Laut McCloud ist es dadurch möglich, neue Leser selbst quasi aus dem Nichts zu erschaffen, anstatt nur auf die bereits vorhandenen Fankreise zurückzugreifen.

Schaut man sich die deutsche Mangaszene an, kann ein vereinzelter Vorstoß in die richtige Richtung mit Anike Hages "Die Wolke" ausgemacht werden, welcher pünktlich zum aktuellen Atomstreit von Tokyopop nachgedruckt wurde und damit auch an der AKW-Debatte interessierte Leser jenseits der eingefleischten Manga-Fans ansprach. Dass die Veröffentlichung dennoch ohne weitreichende Resonanz blieb, lässt sich natürlich dadurch erklären, dass das Thema bereits in zweifacher Ausführung als Roman und Film vorhanden war und sich damit dann doch wieder eher an Manga-Leser richtet, die sich die Geschichte in "ihrem" Medium zuführen sollen, anstatt neue Leserschichten außerhalb der Szene antzusprechen. Das gleiche Problem betrifft auch David Fülekis "Struwwelpeter".

Mit der Adaption alleine ist es also nicht getan. Originale Stoffe mit originalen Themen müssen her. Schaut man sich dagegen an, was die Verlage derzeit von ihren Heimzeichnern produzieren lassen, ist das genaue Gegenteil der Fall. Im immer neuen Auflegen der immer gleichen Stoffe gibt sich die Mangaszene derzeit eher redundant als originell. Der Markt konzentriert sich allein auf die Ausbeute etablierter Trends denn auf das Ansprechen neuer Interessentenkreise. Mehreren heimischen Zeichnern wurden bei den Großverlagen schon gesagt, dass sie, wenn überhaupt, ausschließlich mit Boyslove und Shôjo Bewerbungschancen hätten.

Das Problem dabei liegt auf der Hand: mit etablierten Trendthemen, die zudem auch nur in der Mangaszene selbst irgendeine Relevanz haben, werden nur Interessen innerhalb der Szene angesprochen, und auch nur die, denen das exzessive Trendhopping noch nicht auf die Nerven geht. Langfristig bedeutet das: der Interessenkreis wird immer weiter schrumpfen. Der Mangamarkt in Deutschland würgt sich gerade selbst ab.

Sicherlich sehen die Verlage ihr Trendhopping darin berechtigt, dass sie alternative Inhalte nicht oder nur vergleichsweise schlecht verkauft kriegen. Dann steht das Argument da, Shôjo und Boyslove ist das einzige, was sich verkaufen lässt, also ist es auch das einzige, was wir produzieren. Dagegen möchte ich aber einwenden: wo denn? Keiner der großen Verlage engagiert sich bislang merkbar außerhalb der Mangaszene. Zudem gibt es derzeit nicht eine eigenproduzierte Mangapublikation, die McClouds oben formulierte Forderung erfüllt. Nicht eine! Nein, liebe Verlage, ihr habt es nicht versucht!

Mit den gelegentlich auftauchenden originelleren Lizenzprodukten besteht übrigens das Problem, dass sie in der Regel japanische Themen betreffen. Beispiel "Tokyo Inferno". Ein grandioses und wichtiges Projekt (und ein toller Manga, ganz nebenbei), aber Erdbeben haben keine Relevanz für Deutschland. Es gibt vielleicht ein, zwei Ausnahmen, die wirklich auch starken Bezug zu Deutschland haben und dadurch ihren berechtigten Eingang in deutsche Feuilletons finden (Tezukas "Adolf" zum Beispiel). Darüberhinaus sind fast alle Linzenzmanga in erster Linie für Japanophile interessant. Und die sind eh alle Manga-Fans. Selbst wenn das Thema international ist (Mobbing oder Kindsmissbrauch), die Umsetzung bezieht sich auf japanische Verhältnisse und bleibt daher ohne Bedeutung für deutsche Betroffene.

Wir brauchen Themen, die die Menschen hier ansprechen, die für sie aktuell und relevant sind, und die über die Mangaszene hinausgehen. Dann wird auch das Zielpublikum über die Mangaszene hinausgehen. Sicherlich ist eine gesunde und mehr oder weniger allgemein akzeptierte Comickultur wie in den USA ein großer Vorteil für McClouds Forderung. Aber sowas kann ja gar nicht entstehen, wenn man sich immerfort in der eigenen Redundanz wälzt. Hier sind sowohl die Autoren als auch die Verlage gefragt, eine gezielte Ausbreitung der Comicszene in die Gesellschaft hinein anzugehen. Von den Autoren brauchen wir die relevanten Stoffe, von den Verlagen eine verbesserte Infrastruktur und Engagement jenseits der eingefahrenen Wege. Wenn es ein Kleinverlag wie Comic Culture schafft, sich auf die IFA, den Karneval der Kulturen und in den FAZ-Feuilleton zu schmuggeln, warum dann nicht auch Tokyopop oder Carlsen?

Potential haben wir genug, wir müssen es nur nutzen!