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Rezension: Francine Doujinshi, Science Fiction, Cyberpunk (Sachthema), Feuilleton, Francine, Rezension

Autor:  kikidergecko

Das erste Review dieses Jahres dreht sich um den neuen Comic von Kigeki. Die Sci-Fi-Geschichte Francine spielt in der nicht allzu fernen Zukunft des Jahres 2071 in einer von Servicerobotern und durch verschiedenste Prothesen augmentierte Menschen durchzogenen Gesellschaft der "Unterstadt" von Straßburg. Hier führt eine Abteilung des japanischen Technikkonzerns "HomunCulus" einen Feldversuch mit einer neuen Art von Robotern durch. Wenig überraschend fuer einen Science-Fiction-Comic geht es um Androiden, genauer gesagt um die namensgebende Francine, die für die Forscher verschiedenste Tests durchführen soll. Nicht nur die HomunCulus-Abteilung hat dabei das Sagen, auch andere Forscher sowie ein mysterioeser Agent stellen der Protagonistin nach.

Francine ist stilistisch kein Manga, wer Kigeki und ihre Werke kennt, den sollte das allerdings absolut nicht wundern. Die Zeichnungen sind in einem reduzierten Stil gehalten, insbesondere Umgebungsdetails sind nur dort vorhanden, wo sie Sinn machen oder zum Verständnis der aktuellen Situation beitragen. Der Comic ist vollfarbig, beschränkt sich aber auf eine orange und eine blaue Palette, die dem Ganzen nochmal einen eigenen Charakter verpassen. Das Lettering ist klar, das Wagnis mit einer schreibmaschinen-artigen Monospace-Schrftart glücklicherweise gelungen. Statt Raster werden handgemachte Schraffuren und vor Allem Farbschattierungen verwendet. Die Reduktionen machen es teils schwierig, die Emotionen der Charaktere zu deuten, andererseits könnte man dies auch als nur realistisch erachten, denn im täglichen Leben, insbesondere unter Arbeitskollegen, möchte man meist nicht wie ein offenes Buch gelesen werden können. So bleibt viel Arbeit beim Leser, der sich Gedanken ueber die Motive und Charakterzuege der Personen machen kann oder sogar muss, im Angesicht der heutzutage oft fertig durchpräsentierten Unterhaltung auf vielen Kanälen eine willkommene Abwechlung und ein mehr als guter Grund, die spannende Geschichte mehr als einmal zu lesen.

A propos Spannung: Diese wird in erster Linie dadurch erzeugt, dass der Leser kaum an die Geschichte herangeführt wird und sich vieles selbst zusammenreimen muss. Die Hintergründe mancher Handlungen sind beim jetzigen Stand des Comics noch nicht vollständig erfassbar, das in der Einleitung vorweggenommene mutmaßliche Ende der Geschichte wirft vor allem die Frage auf, wie es dazu kommen konnte und ob das Geschehene nun bewusst von einem der Charaktere (und wenn ja, von welchem) inszeniert wurde, ob es sich um Sabotage oder gar einen tragischen Unfall handelte. Die einzelnen Charaktere bleiben dabei eher auf Distanz zum Leser. Ihre Motive sind nachvollziehbar, doch eine emotionale Bindung zwischen Leser und den Figuren baut sich nicht auf. Als einzige Ausnahme sei die Protagonistin Francine erwaehnt, die trotz ihrer Künstlichkeit die meisten "menschlichen" Züge durchblicken lässt.

Ein weiterer interessanter Aspekt bei Science Fiction ist die Sicht des Autors auf die Technologie und Gesellschaft der behandelten Epoche. Gesellschaftlich teilt Kigeki die Straßburger in das wohlhabende "Europa-Viertel" und die Altstadt, deren Bürger wohl das Gros der Straßburger Bevölkerung ausmachen. In meinen Augen scheint es etwas seltsam, dass ausgehend von der heutigen Politik in Europa die (historischen) Altstädte zu Slums ueberlassen werden, wo doch ein großer Fokus auf Kulturerbe und Erhaltung gelegt wird. Technologisch strebt Kigeki einen minimalistischen, klaren Stil an, vieles schwebt, ist auf geometrische Grundformen reduziert, Computerschriften kommen eckig daher. Im Kontrast dazu werden manchmal beinahe steampunkige Serviceroboter eingestreut, die Erinnerungen an ein älteres Projekt der Künstlerin aufkommen lassen. Besonders angetan hat es mir ein futuristisches Fahrrad, das zu Beginn des zweiten Kapitels auftaucht.

Francine scheint also eine klassische Science-Fiction-Geschichte in einem unkonventionellen grafischen Gewand zu werden. Die Autorin hat bereits durchblicken lassen, dass es das Werk bald auch in gedruckter Forum zu kaufen geben wird, und angesichts dessen kann ich nur hoffen, dass Kigekis Geschichte sich moeglichst weit in der deutschen Comic-Szene verbreitet. Denn so mancher (angehende) Graphic Novelist kann sich sicher noch einiges in Sachen Aufbau, Lettering und vor allem Farben von ihr abgucken.

Datum: 07.02.2015 21:46
Hallo!

Wow, was für ein ausführliches Review. Es freut mich ungemein, dass die meisten Dinge anscheinend genau so für den Leser rüberkommen, wie ich es vorgesehen hatte.
Bei dem Punkt Schauplatz/Gesellschaft merkt man wohl auch ein wenig, dass ich mir nicht genug Zeit dafür genommen habe - sie ist für die Geschichte an sich zwar nicht soo relevant, aber es gäbe wohl ein runderes Bild ab - dabei macht mir sowas eigentlich Spaß, mmh. Es sollte mal eine Art übervölkerte Sonderwirtschaftszone werden - als Stadt habe ich aus Bequemlichkeit die nächste größere Stadt in meiner Nähe genommen, haha.
Danke dass du dir soviel Zeit für meinen Comic genommen hast!

lg
Kigeki


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