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Wegen eines Bissen Brotes Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

In seinem autobiografischen Werk beschreibt Elie Wiesel, wie er am Ende des Zweiten Weltkrieges mit hundert anderen Juden in einem Güterwaggon von einem Konzentrationslager in ein anderes verfrachtet wurde.

Wir erhielten keinen Proviant. Statt von Brot lebten wir von Schnee. Die Tage glichen den Nächten, und die Nächte ließen in unseren Seelen die Hefe ihrer Finsternis zurück. Der Zug fuhr langsam, hielt oft einige Stunden und fuhr dann weiter. Es schneite ununterbrochen. Tage und Nächte hindurch hockten wir wortlos aufeinander. Wir waren nur noch ausgekühlte Körper. Mit geschlossenen Lidern warteten wir nur auf den nächsten Halt, um unsere Toten ausladen zu können.

Zehn Tage, zehn Nächte Reise. Manchmal, meist morgens, fuhren wir durch deutsche Ortschaften. Arbeiter blieben auf dem Weg zur Arbeit stehen und blickten uns kaum verwundert nach.
Als wir einmal anhielten, zog ein Arbeiter ein Stück Brot aus seinem Brotbeutel und warf es in einen Wagen, was einen Aufruhr verursachte. Dutzende von Ausgehungerten brachten sich gegenseitig für ein paar Krumen um. Gebannt schauten die deutschen Arbeiter diesem Schauspiel zu.

In dem Viehwagen, in den das Stück Brot gefallen war, entstand eine wahre Schlacht. Man stürzte aufeinander los, trat, zerfleischte und zerbiss sich gegenseitig - entfesselte Raubtiere mit hassverzerrtem Blick, denen eine plötzliche, ungewöhnliche Lebenskraft Zähne und Klauen gewetzt hatte.
Eine Schar von Arbeitern und Gaffern lief am Zug zusammen. Vermutlich hatten sie noch nie einen derartigen Güterzug gesehen. Bald flogen an vielen Stellen Brotstücke in die Waggons, und die Zuschauer schauten den ausgemergelten Gestalten zu, die wegen eines Bissen Brotes einander den Garaus machten.

Jahre später wohnte ich in Aden einem ähnlichen Schauspiel bei. Die Passagiere unseres Schiffes belustigten sich damit, den "Eingeborenen" Münzen ins Wasser zu werfen, nach denen diese tauchten. Eine aristokratisch aussehende Pariserin empfand besonderes Vergnügen bei diesem Spiel. Plötzlich sah ich zwei Kinder, die sich auf Leben und Tod balgten, wobei das eine das andere zu erdrosseln suchte.
"Ich flehe Sie an, gnädige Frau, werfen Sie keine Münzen mehr hinunter!", bat ich die Dame.
"Warum denn nicht?", antwortete sie. "Ich tue gern Gutes."

"Die Nacht" von Elie Wiesel

Ulysses: Eine Leidensgeschichte Buchvorstellung, Literatur

Autor:  halfJack

Was habe ich da eigentlich gelesen? Es kam mir vor, als würde ich zunehmend hysterisch werden, und damit meine ich nicht das amüsierte Unverständnis, das ich empfand, als ich besoffen in Prag anfing Fifty Shades of Grey zu lesen. Das war eher lustig als quälend. Doch kaum ein Buch musste ich so durchleiden wie dieses:

James Joyce
Ulysses

Man wird mein Review nicht verstehen, wenn man dieses Stück wegweisende Weltliteratur nicht kennt. Um dennoch einen Einblick zu gewinnen, schicke ich mein Lesetagebuch voraus, das ich ungefähr ab der Hälfte zu führen begann, nachdem mir Dornentanz geraten hatte, im Takt von 10 Seiten weiterzulesen. Im Grunde dokumentiere ich hiermit meinen geistigen Verfall während der Lektüre. Ich warne vor galoppierender Beklopptheit.
 

Ulysses und ich: Irrfahrt im 10-Seiten-Schritt

Lesetagebuch

[Davor knapp 400 Seiten undokumentiertes Leid.]

Von den (ersten dokumentierten) zehn Seiten Ulysses blieben mir besonders zwei in Erinnerung: auf der einen wurden die Namen von Heiligen aufgezählt, eine ganze verf***te Seite lang; auf der nächsten standen dann ihre Heiligenzeichen (Kreuze, Bäume, Ranken, Stäbe, Baby in Badewanne (sic), Juwelen etc.). Als Autor würde ich in so eine Aufzählung Sätze reinschmuggeln, zum Beispiel: "... K. Johnson und F. Gibbel und S. Nervtdichbestimmtschon und W. Clarrington und F. U. Warumliestdudenscheiß und H. H. Verschwendetezeit und M. Sterling und ..."

Auf den neuesten zehn Seiten ging es um eine Frau (Wer ist das eigentlich?), die sich irgendwo befindet und die so Sachen anhat und ihre Augenbrauen waren früher nicht so hübsch wie jetzt und sie hat komischen Ausfluss. Mehr fällt mir jetzt nicht ein. Dublin, quo vadis?

Zehn Seiten über, äh, den Traumgatten und spielende Kinder am Strand, über eine Pissepfütze, einen Ball, Engel und heilige Jungfrauen. Oder so.

Zehn Seiten, von denen drei sich irgendwie um eine Uhr drehten (Uhr am Handgelenk, Wie spät ist es?, Uhr als Geschenk, Uhr auf Kaminsims). Zwei Pater bei Zeremonie. Abwechselnd Kirche, Strand, Kirche, Strand. Dann ein Feuerwerk und Mädchenschwärmerei. Als Lektor hätte ich die zehn Seiten gestrichen. Genauso wie die 400 Seiten davor. Bergfest, wuhu.

Zehn Seiten wirrer Schwachsinn. Palaver über Gerüche. (Da ist mir Das Parfüm doch lieber.) Abartiges stereotypes Gedankengut über Frauen. Und Blooms Vorhaut ist nass und tut weh.

Zehn Seiten Farbenblabla, Frauen, Hafen, Hafenhintern, P.L.E.M.: plem. Plemplemplem. Die Uhr gurrte. Kockuck Kockuck Kockuck. Argh.

Zehn Seiten Ulysses, verfasst im Stile der Bibel, zu Ehren Gottes und der Geburt des männlichen Erben und der gebärenden Jungfrau und der entjungferten Ehegattin.

Zehn Seiten mit ellenlangen Sätzen, Bibelstil und Huren und Geburten (zum Glück gibt es Präservativ und Kindstod), dann ein Mann oder Bulle (war nicht eindeutig zu erschließen) und ganz viel, weil irisch, grünes Gras (von dem hier jemand zu viel geraucht hat).

Zehn Seiten Ulysses, auf denen ein paar Besoffene über Schwangerschaft und Geburt reden. Glaube ich.

Zehn Seiten, oh, ah, siehe, Licht! Virgo! Götter! Dann ein Pferderennen (Spectre verliert). Zum Schluss Theorien über Empfängnis und Kindstod, was alles nur Ironie sein kann. Aber ein Thema, das ihn offenbar umtreibt.

Allfressendes Wesen, das kauen, schlucken und verdauen kann, auf den nächsten zehn Seiten Ulysses. Sie stürzen alle raus, auch der arme Zarathustra diesmal. Und ganz viel Milch. Soffne Umjangsprach daf nich fehln. Digidi Bum Bum.

Handelt die zweite Hälfte von Ulysses nur noch von Besoffenen, die durch die Nacht torkeln?
(Zehn Seiten Papier kommen übers Pflaster gekrochen.)
DAS PAPIER. Bam Bam, ritschratsch.
FRAGENDER. Was, was wollt ihr mir sagen, sprecht!
DAS PAPIER. Ritschratsch.
Die zehn Seiten es zerreißet,
Der Nachtwind trägt die Fetzen fort.
Auch ein Stück Seife
Meldet sich zu Wort.

Die nächsten zehn Seiten teetopfen vor sich hin. London teetopft. Mensch teetopft von oben bis unten. Nach 500 Seiten war sich Joyce sicher, dass solche Sätze nicht mehr auffallen. Bloom und irgendeine Frau sind offenbar im Hurenviertel. Zwei Armlose kämpfen miteinander. Und mich interessiert nicht besonders, was die Leute so anhaben.

Bloom wird von Polizisten aufgegriffen, weil er was weggeworfen hat oder einen Hund gefüttert oder mit zu vielen Frauen rumgemacht hat o. ä. Dabei wechselt er ein paar Mal die Identität. Irgendwo auf den zehn Seiten ist er plötzlich nicht mehr bei den Huren, sondern steht vor Gericht. Venus im Pelz ist auch dabei. Also alles eine Mischung aus Sacher-Masoch, Lewis Carroll und Shakespeare.

Bloom wird ausgepeitscht und soll für seine Verbrechen gehenkt werden. Der Geist von Dignam taucht auf und entlastet ihn. Dann ist er wieder bei den Huren, eine holt ihm eine Kartoffel aus der Tasche, Bloom referiert über Kartoffeln. Dann kandidiert er und spricht zu seinen Wählern, das ganze Volk glorifiziert ihn. Dazwischen habe ich irgendwo den Faden verloren.

Bloom wird gekrönt. Man baut ihm Bloomusalem. Schaulustige sterben. Ein Mann erscheint aus einer Falltür und beschuldigt ihn, Bloom lässt ihn erschießen. Viele andere sterben aus verschiedenen Gründen. Es werden die zwölf schlechtesten Bücher der Welt aufgezählt (und Ulysses steht nicht dabei). Bloom gebiert acht männliche, gut gekleidete Kinder, die fließend fünf Sprachen sprechen. P. L. E. M.: plem.
Wahrscheinlich habe ich einfach nur den Punkt verpasst, wo Bloom ins Saufkoma gefallen ist.

Nebenbei zehn Seiten Ulysses. Mittlerweile gehen die Huren richtig (und wortwörtlich) auf den Sack. Was sollen eigentlich die ständigen Seitenhiebe auf Juden? Witz oder Bösartigkeit? Tod ist die höchste Form des Lebens. Sogar die Mütze spricht. Das Ende der Welt naht.

BLOOM. Ich wünschte dann, es wäre jetzt zu Ende.
(Ich auch.)
BLOOM. Ich schreie gleich los.
(Ich auch.)
Jemand verwandelt sich in eine Motte und miaut.
(Ich haue Ulysses gegen die Klotür, jetzt ist da ne Delle drin, und tatsächlich sagt die übernächste Seite:)
Todeskampf auf dem Klosett.

Weitere zehn Seiten. Bloom unterhält sich mit einem Fächer. Sie werden vom Schuhband beobachtet. Sadomaso. Bloom wird jetzt ab und an zur Frau.

Zehn Seiten what the Ulysses. Bloom wird feilgeboten wie eine Kuh. Er gibt Milch und jemand schiebt ihm den Arm bis zum Ellbogen in die Vulva. Die Eiben unterhalten sich mit einer Nymphe. Und die Tölpelmumie spricht: Bbbbbbbbbbbbbschrpt. Mägmägmäg.

Ich fange gerade erst mit den heutigen zehn Seiten Ulysses an und schon spricht ein Hosenknopf. Schwapp! Noch immer Huren. Bloom will seine Kartoffel wiederhaben, ist nämlich ein Andenken an die Mama. Handlesen. Bloom hat ständig neue Klamotten an. Und mittlerweile ein Geweih. Gublasruck brukrachkrasch (sic).

Zehn Seiten, sie reden über einen Vampir, der eine Nonne vergewaltigt, lustigerweise heißt eine der Huren Bella, dann tanzendes Gemüse, froschhüpft beinwirft Bummhammer Halali wildeschnaufenblicktorkelntaumelnschiessen. Tränen aus geschmolzener Butter fallen aus seinen Augen auf den Kuchen.

ZEHN SEITEN ULYSSES. Was meinst du, wenn ich dir mal einen in die Kiemen wichste?
BUCHDECKEL.
Zwischen meinem Deckel drin
Steckt a lot of schwacher Sinn.

SCHMUTZTITEL. Also ich stecke mit dem Kopf in Eingeweiden.
(Soldaten tauchen auf.)
FOTZEN-KATE. Kann es sein, dass es seit über 100 Seiten um Huren geht?
(Dublin brennt, Kanonen, Vögel.)

Paar Seiten nur bis Teil III. Irgendwas mit Polizisten. Das Pferd wiehert Hauhauhause.

Hab grad nen guten Lauf, darum nochmal zehn Seiten. Bloom und Typ gehen in eine Kneipe. Ähm, den Rest hab ich nicht so aufmerksam gelesen.

Die nächsten zehn Seiten Ulysses befinden sich, nicht nur nicht zu meiner, sondern wahrscheinlich zu keines Menschen Verwunderung, in jenem Part, den ich angesichts der bisher vergangenen Stile bereits, und dies durchaus mit einer vorahnungsvollen Genervtheit, erwartet habe, nämlich einer Aneinanderreihung von nicht enden wollenden Sätzen, in denen nichts wesentlich Interessantes passiert, außer man findet es interessant, wenn ein Matrose erzählt, dass jemand mal zwei Eier zerschossen hat und das über die Schulter.

Nochmal zehn Seiten, der Matrose redet weiter, oder ist das jemand anderes, sollte vielleicht das Lied überspringen, worum geht es eigentlich gerade, irgendwas mit Physik und schon wieder Shakespeare, der arme Hamlet, wie viele Seiten muss ich noch, echt erst fünf hinter mir, es geht um Kaffee und ein Messer und römische Geschichte und Schifffahrt, hab ich jetzt eine Zeile übersprungen, ach egal, was könnte ich denn danach lesen, ist das langweilig, langweilig, langweilig.

Nochmal zehn Seiten Ulysses. Achilles wird erwähnt. Erstmals ein Hinweis auf Homer? Oder kam schon mal Helena vor? Bloom liest die Todesanzeige von Dignam in der Zeitung. Sein eigener Name ist falsch geschrieben (Boom, mit Absicht des Autors). Darunter die Nachricht vom Pferderennen. (Hieß das Pferd nicht Spectre? Hier steht jetzt Sceptre, ist wahrscheinlich auch Absicht).

Noch zehn Seiten. Es geht um eine Ehefrau, die fremdgeht oder so. Reicht es nicht, wenn ich meinen Kopf drauflege? Vielleicht erinnere ich mich später dann auch nicht an mehr. Ich verstehe, warum manche das Buch als Pageturner bezeichnen. Man möchte so schnell umblättern, dass man nicht mal dazu käme, die Seiten zu lesen.

Bei Ulysses könnte es jetzt auch mal zur Sache gehen, denn auf den nächsten zehn Seiten verlassen Bloom und Stephan gemeinsam die Kneipe, Arm in Arm, und ich denke mir, da geht doch was, aber stattdessen quatschen sie über Musik und Bloom denkt über Tiere nach, wäre ja auch zu schön gewesen, wie verzweifelt bin ich eigentlich, der Kutscher reagiert nicht und das Pferd lässt drei dampfende Äpfel fallen, vielen Dank für diese Information.

Was passierte auf den nächsten Seiten Ulysses?
Bloom und Stephan gingen zu Bloom nach Hause. Viele Aufzählungen von Dublins Straßen.
Kann man sich Dublin jetzt gut vorstellen?
Keine Ahnung, hab das nur überflogen.
Worauf wurde am meisten Aufmerksamkeit gelenkt?
Woher das Wasser aus dem Wasserhahn kam. Eine Seite für die Beschreibung der Rohre und Wasserwerke mit genauen Längenangaben. Zwei weitere Seiten darüber, was Bloom an Wasser toll findet.
Wie ist der Stil mittlerweile?
Das Buch stellt mir Fragen, deren Anworten mich nicht die Bohne interessieren.

Was weiß man nach den nächsten zehn Seiten Ulysses?
Was Bloom alles in seinem Küchenschrank hat.
Was ist eine Schnurrbarttasse?
Wen interessiert's?

Adressen, Namen, Adressen. Irgendwo street Zahl, Sonstwie lane Wievielauchimmer, Grafschaft Interessiertmichnicht. Werbung. Teischflopf. Blaumenpfaum. Toschfleipf. Plaumenbfaum. Stephan zitiert: suil arun. (Heißt das nicht Siúil a Rún?) Notenzeilen über Notenzeilen. (Na wenigstens lesen sich die Seiten dann schnell.)
Sie nahm ein Messer aus der Tasch
Und schnitt ihm ab den Kopf,
Und Ballspiele gibt's für ihn nicht mehr,
Den armen, kleinen Tropf.

Dem Mädchen (vgl. Katze, die eine Vorlesung hält), Philosophie, Kerze, Eschenstock, Universum und immer allen Eitelkeiten, den Eitelkeiten aller Eitelkeiten und allem was Eitelkeit ist, frönen.

Auf den nächsten zehn Seiten gehen Bloom und Stephan raus und pissen. Ihr jeweiliger Pissestrahl wird parallel vergleichend beschrieben. 10 Zeilen für den Pissestrahl und nochmal 13 für ihre jeweiligen Pimmelprobleme. (Kurzer Lachanfall meinerseits.) Sie trennen sich. Bloom stößt sich beim Reingehen den Kopf. Seine Einrichtung wird aufgezählt, natürlich mit Auflistung seiner Bücher nebst enthaltenen Lesezeichen auf korrekter Seitenzahl. (Wenn ich mal nicht weiß, was ich schreiben soll, zähle ich auch einfach alle meine Bücher auf, beschreibe den Einband, eventuelle Macken, Auflage, Bibliotheksausleihdatum etc.).

Was beschäftigte Bloom auf den nächsten zehn Seiten?
Das fehlende Verständnis für Literatur bei Frauen. (Ach, JETZT verstehe ich, warum ich das Buch so scheiße finde!!!)
Es folgt eine Art Einkaufszettel oder Bilanz.
Bloom hat ein Loch in der Socke. Er reißt ein Stück vom Zehnagel ab und riecht zufrieden dran. (Was. Zur. Hölle.)
Dann Immobilien, Finanzen, Zinsen, Zeug.

Was enthielt die erste Schublade, die Bloom aufzog?
Zwei Seiten über den Inhalt der Schublade. Währenddessen denke ich: "Erste" Schublade? Da wird doch nicht...?
Kurz darauf:
Was enthielt die zweite Schublade?
...

Zehn Seiten: Bloom geht ins Bett.

Zehn Seiten mit Sindbad dem Seefahrer und Tindbad dem Teefahrer und Jindbad dem Jefahrer und Windbad dem Wehfahrer und Nindbad dem Nefahrer und Findbad dem Feefahrer und Rindbad dem Refahrer und Drindbad dem Drehfahrer und Schnindbad dem Schneefahrer udn Bindfad de Befagev umd Hindbarx m Hefarbl un Zndba d Zeeefaaahahaa...

Nein nun denkt offenbar schon wieder eine Frau oder das was man für eine Frau halten soll diese ganze diffuse Scheiße ergibt überhaupt keinen Sinn lieber Gott mir wird ganz heiß das Kind ist schwarz und ist nicht weiß selbst wenn das kein Rassismus sondern Zynismus sein soll geht es mir gehörig auf die Nerven ständig denken alle in diesem Buch nur an Beischlaf und Kinderkriegen und die sogenannten Frauenzimmer haben so herrlich sensibel dämliche Gedanken hier steht eindeutig zu viel auf einer einzelnen Seite

denkt im September werde ich 33 was das erste Mal ist dass ich ihren Gedanken denen der Frau wahrscheinlich von Bloom zustimmen kann was für ein Zufall insofern ich überhaupt noch richtig weiß wie alt ich bin aber ein zweites Mal als sie denkt wie unästhetisch beim Mann die beiden vollen Säcke und dass das andere Ding runterhängt oder einem ins Gesicht steht wie ein Hutständer kann die eigentlich auch mal an was anderes denken

als Ulysses Grant wer war das jedenfalls wars ein berühmter Mann vom Schiff an Land kam scheint es als würde endlich der Titel des Buches aufgegriffen werden aber mehr Sinn als das Ende einer Irrfahrt kann ich darin auch nicht entdecken und dafür braucht man doch nicht

wie Blooms Frau sich über die Jüngeren aufregt früher sah sie ja auch ganz toll aus versucht im Bett leise zu furzen war beim Arzt wegen Ausfluss auf dem Nachttopf ist es so laut Bloom hält ihr beim Schlafen die Füße ins Gesicht wenn ich mir jetzt ein Auge aussteche ob ich dann nur noch über die Hälfte berichten muss und schon am Ende wäre aber so fehlen noch 11 Seiten

Die letzten Seiten Ulysses auf denen ISMIRSCHEIßEGAL.

Es schrieb einst James Joyce mit Witz und Genuss
Hunderte Seiten gefüllt bloß mit Stuss;
Ein leidender Leser, der es nicht mehr ertrug,
Ihn erschlug.


Mein Fazit

Beim Lesen bin ich einiges gewohnt. In meiner Teenagerzeit habe ich Homers Ilias und Odyssee gelesen, ich ackerte mich durch Herr der Ringe, las Kant (wenn auch nicht gern) oder sämtliche abartig pornografischen Werke von de Sade. Ich bin da recht ausdauernd und finde Gefallen an Werken, die andere staubtrocken finden. (Okay, Herr der Ringe ist beliebt, das mochte ich dennoch nicht und habe es in einem Monat durchlitten, äh, durchgelesen.) Bei Literatur mag ich es durchaus experimentell, konfus, metaphorisch. Aber Ulysses ...

Was wird an Ulysses gelobt und dem ignoranten Leser vorgehalten, der hierin keine große Kunst erkennt?

Es sei auf Basis der Irrfahrt des Odysseus konzipiert und beschreibe eine ähnliche Reise des Leopold Bloom entlang der gleichen Stationen, angewendet auf das moderne Dublin am 16. Juni 1904, also die Beschreibung eines einzigen Tages auf über 800 Seiten.
Es gibt ein nettes, wenn auch nicht überragendes Buch von José Carlos Somoza, der sich die Aufgaben des Herakles zum Fundament für sein Rätsel des Philosophen gewählt hat. Konzipiert ist dieses Buch wie eine überraschend entdeckte Quelle, die von jemandem übersetzt und kommentiert wird, also ähnlich wie Ecos Der Name der Rose, bloß dass bei Somoza beides - die fiktive Quelle und der Kommentar - fortwährend miteinander verwoben sind. Somoza hat sich hierfür das Stilmittel der Eidesis ausgedacht, bei der in den Text spezielle Metaphern zur Beschreibung der Handlung einfließen, die auf einen verschlüsselten doppelten Boden hinweisen, also zum Beispiel vielköpfige Schlangen als Verweis auf die Hydra, selbst wenn es eigentlich um eine Krimiszene in einem Keller geht o. ä. Man muss das nicht mögen. Der springende Punkt ist vielmehr, dass Somoza eine klare Idee verfolgte und in seine Umsetzung alles aufnahm, was dieser Idee dienlich war. Nicht weniger, aber vor allem nicht mehr.
Joyce hingegen dachte sich offenbar: Mehr ist mehr. Irgendwie scheint er alle Schmierblätter und Notizen, die im Laufe seines Schreibens anfielen, in sein Werk integriert zu haben. Wenn etwas unverständlich, unnötig, langgezogen, langweilig etc. wirkt, kann man ja im Nachhinein noch immer behaupten, es habe alles seinen Sinn und gehöre zum Konzept.

Joyce wollte mit Ulysses den Menschen in seiner Gesamtheit zeigen. Auch andere Autoren versuchten das und stellten fest, dass sie scheitern mussten, selbst wenn sie Tausende Seiten verfasst hätten. Bei Sartre führte diese Erkenntnis nicht zu einer wirren ausschweifenden Aneinanderreihung, sondern zu solchen dünnen Büchlein wie Baudelaire.
Erwähnt wird in den Lobhudeleien auf Joyce außerdem, dass er die vielen vermeintlich peinlichen Aspekte des Lebens aufgreift, nicht nur Sex, sondern auch Verdauungsprobleme oder komischen Ausfluss, nächtliche Fürze oder den nächsten Klogang. Natürlich kann man ihm anrechnen, dass er diese Dinge nicht übergeht. Aber wiederum die Frage: Wie ungewöhnlich ist das eigentlich? Angesichts der zahlreichen erotischen Literatur, die unter der Hand kursierte? Angesichts solcher Werke wie von de Sade, der bereits Ende des 18. Jahrhunderts perverse Auswüchse und Fäkalien noch und nöcher glorifizierte? Es ist okay, das Joyce das aufgreift, aber seine Protagonisten beschäftigen sich fast ausschließlich mit so etwas; Sex, Kinder, Kacken, neben Ausnahmen von unzusammenhängenden Gedanken (wohlgemerkt ausschließlich der Männer) über Philosophie, Politik, Wissenschaft ohne wirkliche Stellungnahme oder Fazit. Die Frauen denken über ihr Aussehen nach.

Was man bei Joyce loben kann, sind seine unkonventionellen Spielereien mit der Sprache. Unabhängig von Rechtschreibung und Grammatik versucht er, die Natur von Gedanken und Gesprächen einzufangen. Für mich persönlich funktioniert das jedoch oft nicht, weil ich weder die Unterhaltungen noch die Gedanken realistisch oder natürlich finde. Da fällt mir eher American Psycho von Bret Easton Ellis ein, bei dem sich die Zusammenhänge und Gedankensprünge viel organischer und echter anfühlten. Ob es daran liegt, dass dieses Buch ein knappes Jahrhundert später zu datieren ist, wage ich zu bezweifeln. Auch die ermüdende Detailliertheit, die Ellis zum Beispiel darauf verwendet, die scheinbar völlig gleichen Visitenkarten jedes einzelnen Protagonisten zu beschreiben, geschieht nicht aus bloßer Willkür, sondern sagt eine Menge über die Personen aus und ist ganz offensichtlich zynisch gemeint.

Zynismus ist der nächste Punkt, der im Ulysses auftauchen soll. Man erkennt ihn an den vielen rassistischen Seitenhieben, besonders auf Juden. Aber auch hier bleibt es bloß der Interpretation des Lesers überlassen. Nur weil etwas ständig erwähnt wird, ist es noch lange keine Kritik. Man entdeckt keinerlei Hintergründigkeit oder Humor wie etwa bei den zahlreichen Rückgriffen auf Verschwörungstheorien und Fremdenhass bei Eco. Und auch sämtliche "weiblichen" Gedanken, die Joyce kitschig übertreibt, wirken allenfalls oberflächlich und diskriminierend. Das hat nichts mit der Zeit zu tun. Edwin A. Abbott schrieb Ende des 19. Jahrhunderts die Satire Flatland, die einerseits mathematische Dimensionen anschaulich erklärte und andererseits eine Parodie auf die Struktur der Viktorianischen Gesellschaft war. In Flatland sind alle Akteure verschiedene geometrische Flächen, zum Beispiel Dreiecke, Vierecke usw. Weibliche Akteure hingegen sind bloß Striche, ohne eine weitere Dimension. Die Darstellung ist ganz offensichtlich eine Kritik am Frauenbild dieser Zeit, die als geistig minderbemittelt hingestellt wurden. Darüber gibt es aufgrund der satirischen Außensicht keinen Zweifel, wohingegen man sich bei Joyce fragt, ob er sich überhaupt schon mal mit einer Frau unterhalten hat oder nur versucht, ein angeblich weibliches Bewusstsein durch möglichst blumige Sprache und kitschige Gedanken rüberzubringen. Satire erkenne ich darin nicht.

Zahlreiche Professoren und Literaturkritiker werden das wahrscheinlich anders sehen, aber Ulysses ist meines Erachtens bloß eine Aneinanderreihung von Banalitäten mit einer passablen Grundidee, deren Umsetzung erstens an der Länge des Buches und zweitens an den fehlenden wirklich guten Ideen des Autors scheitert. Bis zur Hälfte hätte ich dem Buch noch zwei von fünf Sternen gegeben, weil es manchmal ganz nett formuliert war, weil ich einige intertextuelle Inhalte mochte oder Diskussionen und Gedanken, die sich zum Beispiel um Shakespeare drehten. Doch anders als etwa bei Oscar Wildes Bildnis des Mr. W. H. sind diese Überlegungen bei Joyce nicht zielgerichtet und virtuos konzipiert - was man bei Oscar Wilde wegen seiner sprachlichen Gewandtheit durchaus behaupten kann - sondern diese Themen werden allenfalls mal angeschnitten, als hätte Joyce das Erstbeste aufgeschrieben, das ihm durch den Kopf ging.
Manchmal wirkt es, als hätte er bloß irgendwelche Fremdwörter aus Lexika und wissenschaftlichen Werken eingebunden und das wiederum wird von der Nachwelt als lyrisch und genial bezeichnet. Im Grunde habe ich nichts gegen solche Entlehnungen. Paul Celan verwendet in seinen Gedichten zahlreiche botanische Begriffe, Felsformationen, Mineralien usw. Anhand seiner Notizen kann man jedes Wort zurückverfolgen und entschlüsseln, deshalb wirkt es bei Celan tatsächlich lyrisch virtuos. Bei Joyce dagegen nur lax und willkürlich.
Zeugt es wirklich von Genie, wenn ich einfach bloß aufschreibe, was mir gerade in den Sinn kommt, wenn ich alle Fremdwörter und Gedanken zu Themen erfasse, mit denen ich mich gerade wirr beschäftige, auf diverse Bücher querverweise oder intertextualisiere, weil mir gerade irgendwas in den Sinn kommt, und da ich gerade schon vor meinem Regal stehe, könnte ich ja alle meine Bücher aufzählen und meinen letzten Einkaufszettel einbinden und den kompletten Inhalt meines Küchenschranks und den Inhalt meiner Schublade und den Inhalt meiner zweiten Schublade usw.?
Die Grundideen von Ulysses sind nicht das Problem. Dafür hätte allerdings auch die Hälfte an Buch gereicht, wozu muss man damit über 800 Seiten füllen? Da ich mich irgendwann nur noch durchgequält habe, mit null Lesespaß und kaum Erkenntnis (außer, dass ich jetzt weiß, was eine Barttasse ist), fiel nun auch der zweite Stern weg. Ein Stern für das Grundkonzept ist schon ausreichend.

Das wahre Genie von James Joyce besteht meines Erachtens darin, dass er genau wusste, wie wahrscheinlich er zum Klassiker werden würde, wenn er nur ein genügend verschwurbeltes Werk erschuf, das vorher noch niemand verfasst hatte. Sprachliche Fähigkeiten hatte er durchaus. Er hätte auch ein gutes Buch schreiben können. Hat er aber nicht.

Eine Parade, die vorüberzieht Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Le soleil ni la mort ne se peuvent regarder en face.
(Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Gesicht blicken.)
François de la Rochefoucauld


Einige Monate nach dem Tod ihres Mannes Albert beschloss Alice, aus dem Haus, in dem sie vierzig Jahre lang gelebt hatte, in ein Seniorenheim umzuziehen, das die Pflege und medizinische Unterstützung bot, die ihr kritischer Bluthochdruck und ihre durch grauen Star eingeschränkte Sehkraft erforderten.
Nun war Alice mit der Auflösung ihres Besitzes beschäftigt. Sie hatte keinen anderen Gedanken mehr im Kopf. Aus einem großen Haus voller Möbel, Erinnerungsstücke und einer Sammlung antiker Musikinstrumente in ein kleines Apartment zu ziehen bedeutete natürlich, dass sie einen Großteil ihrer Habseligkeiten loswerden musste. Ihr einziges Kind, ein unsteter Sohn, der gerade in Dänemark arbeitete und in einer kleinen Wohnung lebte, hatte keinerlei Platz für Sachen von ihr. Die härteste aller schmerzlichen Entscheidungen, die sie zu treffen hatte, war, was sie mit den Musikinstrumenten machen sollte, die sie und Albert im Laufe ihres gemeinsamen Lebens gesammelt hatten. Häufig konnte sie in der Einsamkeit ihres schwindenden Lebens die geisterhaften Akkorde ihres Großvaters hören, wie er das Paolo-Testore-Cello von 1751 spielte, oder ihren Mann auf dem britischen Cembalo von 1775, das er geliebt hatte. Und dann gab es noch die Konzertina und die Flöte, die ihre Eltern ihnen als Hochzeitsgeschenk gegeben hatten.
Jeder Gegenstand in ihrem Haus barg Erinnerungen, deren alleinige Besitzerin sie nun war. Alle Stücke, so erklärte sie mir, würden nun an Fremde gehen, die niemals etwas von ihrer Geschichte wissen oder sie so hegen würden, wie sie es getan hatte. Und am Schluss würde ihr eigener Tod all die wunderbaren Erinnerungen endgültig ausradieren, die im Cembalo und im Cello, in den Querflöten und Blockflöten und so vielem anderen verankert waren. Ihre Vergangenheit würde mit ihr untergehen.
Der Tag von Alices Umzug zeichnete sich bedrohlich ab. Stück für Stück verschwanden die Möbel und Gegenstände, die sie nicht behalten konnte - verkauft, an Freunde und Fremde verschenkt. Während sich das Haus leerte, wuchs ihr Gefühl panischer Desorientiertheit.
Einen besonderen Schlag versetzte ihr der letzte Tag in ihrem Zuhause. Da die neuen Besitzer eine ausgedehnte Umgestaltung planten, bestanden sie darauf, das Haus komplett leer zu übernehmen. Sogar die Bücherregale mussten entfernt werden. Während Alice zusah, wie sie von der Wand gerissen wurden, entdeckte sie verblüfft die darunter liegenden Streifen von Robin's-Egg-Blau an der Wand.
Meiseneierblau! Alice erinnerte sich an diese Farbe! Als sie vor vierzig Jahren in dieses Haus eingezogen war, hatten die Wände diese Farbe gehabt. Und zum ersten Mal in all den Jahren erinnerte sie sich an den Gesichtsausdruck der Frau, die ihnen das Haus verkauft hatte, das verhärmte Gesicht einer gequälten, bitteren Witwe, die es, genau wie sie, hasste, ihr Zuhause verlassen zu müssen. Nun war auch Alice eine Witwe, die es, ebenso bitter, hasste, ihr Haus aufzugeben.
Das Leben ist eine Parade, die vorüberzieht, sagte sie sich.

"In die Sonne schauen" von Irvin D. Yalom

Buchvorstellung: Kafkas Puppe Buchvorstellung, Literatur

Autor:  halfJack

„Verbraucht alle Kohle, leer der Kübel, sinnlos die Schaufel!“ Franz lächelt, als sie wieder auf der Straße gehen.

„Was sagst du?“

„Wir werden nicht erfrieren!“

„Was macht dich plötzlich so sicher, Lieber? Du hast gehört, was für eine Angst die Leute vor dem Winter haben.“

„Wenn unser Ofen kalt ist, nehmen wir den Kübel und reiten darauf zum Händler!“

„Was ist das für ein merkwürdiges Rätsel?“, lacht Dora.

„Als Kübelreiter, die Hand oben am Griff, dem einfachsten Zaumzeug, reiten wir die Treppe hinab, vorbei am staunend aufgerissenen Maul unserer Wirtin. Unten aber steigen wir auf in den silbernen Himmel, prächtig dahinfliegend quer über die dunkle Stadt hin zum Kohlenhändler.“

„Wir reiten zum Kohlenhändler? Wie auf einem fliegenden Teppich?“

„Der Mann wird aus seinem Keller herausstürzen  und rufen, oh, unsere beste Kundschaft! Immer pünktlich bezahlt! Was darf es sein? Und schon beeilt er sich, unseren Kübel mit Kohle zu füllen, voll bis an den Rand, und noch eine Schaufel oben drauf. Nein, wir werden nicht frieren, ganz sicher nicht! Mit unserem Kübel reiten wir hin, wann immer es notwendig ist, und besorgen uns alles, was wir brauchen. Nicht auf dem fliegenden Teppich. Mit unserem wunderbaren Kohlenkübel reiten wir, liebste Dora.“

„Was du immer für Ideen hast! Komm, lass uns nach Hause gehen, zu unserem wunderbaren Kübel, und den Ofen heizen!“

„Ja“, erwiderte Franz. Er sagt ihr allerdings nicht, dass seine Geschichte vom Kübelreiter, im vorigen Jahre geschrieben, als er Dora noch nicht kannte, gar kein gutes Ende nimmt: abgewiesen vom Kohlenhändler und dessen Frau, die ihn gar mit der Schürze fortwedelt, fort aus dem Hof; nicht einmal eine Schaufel mit der schlechtesten Kohle, nur gefüllt mit ihrem Staub sozusagen, nicht einmal das ist zu haben für jemanden, der nicht sogleich bezahlen kann. Die Schürze der Frau scheucht den armseligen Reiter und seinen Kübel im Nu wieder fort und er steigt auf in die Regionen der Eisgebirge und verliert sich auf Nimmerwiedersehen.

„Wenn dieser schöne Herbst vorbei ist und die Kälte kommt“, sagt Franz, „haben wir, wenn der Kübel wirklich leer ist, immer noch viel Papier, um den Ofen anzuheizen.“

„Papier?“

„Einen Koffer voll Erzählungen, Notizen, Briefe. Die vielen tausend Seiten müssen zu etwas gut sein!“

„Deine Manuskripte willst du verbrennen?“

„Sie werden uns wärmen, Dora, sie werden uns in den kalten Nächten, die noch kommen, vor dem Erfrieren retten.“

„Aber...“

„Kein Aber, Liebste. Jahrelang habe ich vergebens versucht, mich an meinem Schreiben zu erwärmen. Doch Wärme wird es nur geben, wenn das Papier im Ofen landet.“

„Ich werde nichts verbrennen!“, sagt sie, fasst seinen Arm fester und beschleunigt den Schritt. Doch sie würde es sicher tun, wenn sie Franz Kafka damit auch nur eine Nacht lang retten könnte.

 

Gerd Schneider

Kafkas Puppe

 

Als wir in Berlin waren, ging Kafka oft in den Steglitzer Park. Ich begleitete ihn manchmal. Eines Tages trafen wir ein kleines Mädchen, das weinte und ganz verzweifelt zu sein schien. Wir sprachen mit dem Mädchen. Franz fragte es nach seinem Kummer, und wir erfuhren, dass es seine Puppe verloren hatte. Sofort erfindet er eine plausible Geschichte, um dieses Verschwinden zu erklären: „Deine Puppe macht nur gerade eine Reise, ich weiß es, sie hat mir einen Brief geschickt.“ Das kleine Mädchen ist etwas misstrauisch: „Hast du ihn bei dir?“ „Nein, ich habe ihn zu Haus liegen lassen, aber ich werde ihn dir morgen mitbringen.“ Das neugierig gewordene Mädchen hatte seinen Kummer schon halb vergessen, und Franz kehrte sofort nach Hause zurück, um den Brief zu schreiben.

„Mein Leben mit Franz Kafka“ von Dora Diamant

 

Fiktiv, wenn auch mit vielen biografischen Inhalten angereichert, wird in „Kafkas Puppe“ diese Begegnung geschildert. Es ist eines jener traurigen Kinderbücher, die von der Suche nach dem Glück handeln, von der Einsamkeit im Heim und von dem noch unbekannten Leiden der Erwachsenen. In dieser Hinsicht erinnert es an Klassiker wie „Mio mein Mio“ oder „Der kleine Lord“, in seiner Härte manchmal an „Huckleberry Finn“. Es gibt etliche Beispiele und viele enden in irgendeiner Weise mit einem Lichtblick. Viele, aber eben nicht alle; manche auch nur mit einer düsteren Ahnung davon, dass es vielleicht doch nicht das erträumte Land und die liebenden Eltern gibt, sondern nur die Kälte draußen vor der Tür oder lediglich den Trost, eine Kinderseele sei besonders geliebt worden, wenn sie frühzeitig stirbt, wie in „Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna“.

„Kafkas Puppe“ geht anders an die Sache heran, das eigentlich Tragische bleibt unterschwellig nicht dem Kind vorbehalten. Damit erinnert diese Geschichte eher an den Ursprung für Barries Peter Pan, an seinen stellenweise autobiografischen Roman „Kleiner weißer Vogel“ oder den Film „Finding Neverland (Wenn Träume fliegen lernen)“.

Ich glaube, es geht etwas verloren, wenn man manche Bücher, Filme oder ähnliches nicht im frühen Alter kennen lernt. Auf der anderen Seite eröffnet der Blick des Erwachsenen gerade jene Rezeption, die einen wünschen lässt, etwas eher gelesen zu haben. Als Kind hätte ich dieses Buch mit Sicherheit geliebt. Genauso sicher hätte ich es zum Schluss wenig hoffnungsvoll gefunden. Die Geschichte kann man nun einmal nicht umschreiben.

Es ist 1923, als Kafka das Mädchen trifft und ihr fortan täglich im Park einen Brief ihrer Puppe überreicht. Zu dieser Zeit ist er bereits schwerkrank. Im folgenden Jahr wird er an seiner Lungentuberkulose sterben, womit ihm im Gegensatz zu seiner Familie erspart bleibt, ins Konzentrationslager deportiert zu werden. Seine Briefe an das kleine Mädchen sind bis heute verschollen.

Venus im Pelz Literatur

Autor:  halfJack

Wanda zu Severin:

Ich glaube wahrhaftig, dein ganzer Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur muss solche Krankheiten erzeugen. Wärst du weniger tugendhaft, so wärst du vollkommen vernünftig.

Der Genuss macht allein das Dasein wertvoll, wer genießt, der scheidet schwer vom Leben, wer leidet oder darbt, grüßt den Tod wie einen Freund; wer aber genießen will, muss das Leben heiter nehmen, im Sinne der Antike, er muss sich nicht scheuen, auf Kosten anderer zu schwelgen, er darf nie Erbarmen haben, er muss andere vor seinen Wagen, vor seinen Pflug spannen, wie Tiere; Menschen, die fühlen, die genießen möchten, wie er, zu seinen Sklaven machen, sie ausnützen in seinem Dienste, zu seinen Freuden, ohne Reue; nicht fragen, ob ihnen auch wohl dabei geschieht, ob sie zugrunde gehen. Er muss immer vor Augen haben: wenn sie mich so in der Hand hätten, wie ich sie, täten sie mir dasselbe, und ich müsste mit meinem Schweiße, meinem Blute, meiner Seele ihre Genüsse bezahlen. So war die Welt der Alten, Genuss und Grausamkeit, Freiheit und Sklaverei gingen von jeher Hand in Hand; Menschen, welche gleich olympischen Göttern leben wollen, müssen Sklaven haben, welche sie in ihre Fischteiche werfen, und die Gladiatoren, die sie während ihres üppigen Gastmahls kämpfen lassen und sich nichts daraus machen, wenn dabei etwas Blut auf sie spritzt.

"Venus im Pelz" von Leopold von Sacher-Masoch

Rodin über den Fortschritt Literatur

Autor:  halfJack


Der Chirurg Rodin, eine der finstersten Erfindungen des Marquis de Sade, steigert seine Mitleidlosigkeit zur äußersten Menschenverachtung und hält ein Plädoyer für tödliche Operationen am lebenden Menschen. Dafür zerfleischt er sogar, ohne mit der Wimper zu zucken, seine eigene Tochter.

"Ob ich dazu bereit bin? Natürlich! Solche lächerlichen Erwägungen dürfen nie und nimmer den Fortschritt der Wissenschaften hemmen. Haben sich wahrhaft große Männer etwa von so verachtenswerten Ketten fesseln lassen? Machte sich Michelangelo etwa ein Gewissen daraus, einen jungen Mann kreuzigen zu lassen und mit seinen Todesqualen abzumalen, um einen Christus am Kreuz so naturnah wie möglich zu zeichnen? Wenn es um die Fortschritte unserer Kunst geht, wie notwendig sind da dieselben Mittel! Man opfert einen, um eine Million zu retten. Kann man bei dieser Bilanz noch zögern?"

"Justine oder Die Leiden der Tugend" von Marquis de Sade

Jedem seine Chimäre Literatur

Autor:  halfJack

Unter einem weiten, grauen Himmel, in einer großen, staubigen Ebene, ohne Wege, ohne Rasen, ohne eine Distel, ohne eine Brennnessel, begegneten mir mehrere gebeugt schreitende Männer.
Jeder von ihnen trug auf seinem Rücken eine riesige Chimäre, die schwer war wie ein Mehlsack oder Kohlensack oder der Tornister eines römischen Fußsoldaten.
Aber das ungeheure Tier war keine tote Last: im Gegenteil umklammerte und presste sie den Mann mit ihren elastischen und mächtigen Muskeln; sie krallte sich mit ihren beiden breiten Pranken an die Brust ihres Reittieres an; und ihr Fabelhaupt ragte über die Stirn des Mannes wie einer jener grässlichen Helme, mit denen die alten Krieger ihren Feinden Schrecken einzujagen hofften.
Ich fragte einen der Männer aus und erkundigte mich, wohin sie so gingen. Er antwortete mir, er wisse es nicht, weder er noch die anderen; aber dass sie scheinbar irgendwohin gingen, da sie von unbezähmbarem Drang zu schreiten getrieben würden.
Und sonderbar, keiner der Wanderer schien sich gegen das wilde Tier zu empören, das um seinen Hals hing, an seinem Rücken klebte; man hätte sagen können, dass er es betrachtete, als wäre es ein Teil seiner selbst. Keins dieser müden und ernsten Gesichter verriet irgendeine Verzweiflung unter der spleenigen Himmelskuppel. Die Füße versinkend im Staub eines Bodens, der trostlos war wie dieser Himmel, schritten sie mit den resignierten Gesichtern derer, die verflucht sind, ewig zu hoffen.
Und der Zug überholte mich und tauchte im Dunst der Horizonte dort unter, wo die Kugelform des Planeten sich der Neugier des menschlichen Blickes entzieht.
Und während weniger Augenblicke war ich darauf versessen, dieses Mysterium zu begreifen; aber bald warf sich die unwiderstehliche Gleichgültigkeit auf mich, und sie lastete schwerer auf mir als auf den anderen selbst ihre erdrückende Chimäre.

"Die künstlichen Paradiese" von Charles Baudelaire

Heilige Schriften und andere Märchen Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Nach alledem ist dieser Gott ein launenhaftes Wesen, welches das von ihm geschaffene Geschöpf dem Verderben weiht. Wie fürchterlich, welch ein Ungeheuer ist ein solcher Gott! Gegen ihn müssten wir uns empören. Nicht zufrieden mit einer so großen Aufgabe, ertränkt er den Menschen, um ihn zu bekehren, er verbrennt, er verflucht ihn, er ändert nichts daran, dieser hohe Gott, ja er duldet ein noch viel mächtigeres Wesen neben sich, indem er das Reich Satans aufrecht erhält, welcher seinem Erschaffer zu trotzen vermag, der imstande ist, die Geschöpfe, die sich Gott auserkoren, zu verderben und zu verführen. Denn nichts vermag die Energie Satans über uns zu besiegen. So hat ihn die Religion geschaffen, samt seinem einzigen Sohne, den er vom Himmel herabgeschickt und in einen sterblichen Leib bannt. Man wäre geneigt zu glauben, dieser Sohn Gottes müsste die Erde inmitten eines Engelchores, beleuchtet von glänzenden Strahlen betreten. Aber nein, er wird von einer sündhaften Jüdin in einem Stalle geboren. Wird uns seine ehrenvolle Sendung vor dem ewigen Tod retten? Folgen wir ihm, sehen wir, was er tut, hören wir, was er spricht! Welche erhabene Mission vollführt er? Welches Geheimnis offenbart er uns? Welche Lehre predigt er uns? Durch welche Tat lässt er uns seine Größe erkennen? Wir sehen vor allem eine unbekannte Kindheit, einige Dienste, die er den jüdischen Priestern des Tempels von Jerusalem leistet, dann ein 15jähriges Verschwinden, während welcher Zeit er sich vom alten ägyptischen Kultus vergiften lässt, den er nach Judäa bringt. Er geht so weit, sich für einen Sohn Gottes zu erklären, der dem Vater an Macht gleich ist; er verbindet mit diesem Bündnis die Erschaffung eines dritten Wesens, des Heiligen Geistes, indem er uns glauben machen will, diese drei Personen seien nur eine. Er sagt, er habe eine menschliche Form angenommen, um uns zu retten. Der sublime Geist musste also Materie, Fleisch werden und setzt die einfältige Welt durch seine Wunder in Erstaunen.
Während eines Abendmahles betrunkener Männer verwandelt er Wasser in Wein. Er speist in einer Wüste einige Faseler mit den von ihm verborgen gehaltenen Lebensmitteln. Einer von seinen Genossen spielt den Toten, um sich von ihm erwecken zu lassen. Er besteigt in Gegenwart zweier oder dreier seiner Freunde einen Berg und führt hier ungeschickte Taschenspielerkunststücke aus, deren sich jetzt ein Tausendkünstler schämen müsste. Dabei aber verflucht er alle, die ihm nicht glauben wollen, er verspricht den Gläubigen das Himmelreich. Er hinterlässt nichts Geschriebenes, spricht sehr wenig und tut noch weniger. Dennoch bringt er durch seine aufrührerischen Reden die Behörden auf und wird endlich gekreuzigt. In seinen letzten Augenblicken verspricht er seinen Gläubigen, zu erscheinen, so oft sie ihn anrufen, um sich von ihnen – essen zu lassen. Er lässt sich also hinrichten, ohne dass sein Herr Papa, dieser erhabene Gott, auch nur das Geringste täte, um ihn vor dem schimpflichen Tode zu retten. Seine Anhänger versammeln sich jetzt und sagen, die Menschheit sei verloren, wenn sie dieselbe durch einen auffallenden Handstreich nicht retteten. Lasst uns die Grabwächter einschläfern, stehlen wird den Leichnam, verkünden wir seine Auferstehung! Dies ist ein sicheres Mittel, um an dieses Wunder glauben zu machen; es soll uns dazu helfen, die neue Lehre zu verbreiten. Der Streich gelingt. Alle Einfältigen, die Weiber und Kinder faseln von einem geschehenen Wunder und dennoch will niemand an diesen Gott glauben. Nicht ein Mensch lässt sich bekehren. Man veröffentlicht das Leben Jesu. Dieser schale Roman findet Menschen, die ihn für Wahrheit halten. Seine Apostel legen ihrem selbsterschaffenen Erlöser Worte in den Mund, an die er niemals gedacht hat. Einige überspannte Maximen werden zur Basis ihrer Moral gemacht, und da man dies alles Bettlern verkündet, so wird die Liebe des Nächsten und Wohltätigkeit zur ersten Tugend erhoben. Verschiedene bizarre Zeremonien werden unter der Benennung „Sakramente“ eingeführt, unter welchen die unsinnigste die ist, dass ein sündenbelasteter Priester mittels einiger Worte, eines Galimathias, ein Stück Brot in den Leib Jesu verwandelt.

"Der Marquis de Sade. Eine Kultur- und Sittengeschichte" von Eugen Dühren.

Zamonische Zahlensysteme Zamonien (Bücherreihe), Humor, Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Da die meisten Zamonier an jeder Hand vier Finger haben, basiert die zamonische Urmathematik auf der Zahl Vier. Es gibt die Zahlen Eins, Zwei, Drei, Vier und Doppelvier, die eigentlich Acht bedeutet. Die dazwischenliegenden Zahlen Fünf, Sechs und Sieben werden von der zamonischen Urmathematik als "Unzahlen" verachtet, sie streitet die Existenz dieser Zahlen schlichtweg ab. Auf die Doppelvier (8) folgt die Doppeldoppelvier (16), darauf die Doppeldoppeldoppelvier (32), darauf die Doppeldoppeldoppeldoppelvier (64) und so weiter - ein System, das offensichtlich auf der Multiplikation von durch vier teilbaren Zahlen basiert.
Die zamonische Urmathematik leugnet weiterhin alle Zahlen, die zwischen Doppelvier (8) und Doppeldoppelvier (16) sowie zwischen Doppeldoppelvier (16) und Doppeldoppeldoppelvier (32) liegen, sowie die zwischen Doppeldoppeldoppelvier (32) und Doppeldoppeldoppeldoppelvier (64) - und so weiter, bis ins Unendliche. Die zamonische Urmathematik lehnt also insgesamt ziemlich viele Zahlen ab - eigentlich die meisten. Sie gilt daher als das ungenaueste aller Rechensysteme.
Die zamonischen Druiden hingegen akzeptieren nur eine einzige Zahl, die sie Olz nennen. Olz ist die Anzahl von Druidenseelen, die angeblich gleichzeitig durch ein Schlüsselloch passen, und das ist eine sehr hohe, eigentlich nur für Druiden erfassbare Summe. Weil die Zahl so hoch ist, muss der Druide im alltäglichen Bereich mit Bruchteilen von einem Olz rechnen - die druidische Mathematik basiert also auf dem Dividieren von Olzen. Die kleinste druidische Zahl (außer dem Nicht-Olz, das kein einziges Teil eines Olzes bedeutet und der arabischen Null vergleichbar ist) ist das Ukzilliarden-Olz, also der ukzilliardenste Teil eines Olzes. Eine Ukzilliarde entspricht übrigens einer Million Ukzillionen.
Ganz anders rechnen die Rikschadämonen, sie vertreten die gruseligste Mathematik Zamoniens und zählen in Schrecksekunden: Das ist die Dauer, die ein durchschnittliches Haar braucht, um sich beim Erschrecken aufzurichten (ungefähr 0,3 Sekunden). Diese Zahleneinheit nennen sie 1 Horror, zehn Horror bedeuten einen leichten Schreck, hundert Horror einen Schock und tausend Horror einen Herzinfarkt.
Die umständlichste Mathematik Zamoniens wird aber von den Fhernhachen praktiziert: Sie rechnen in Zuneigungen, und deswegen können sie nur zählen, wenn sie mindestens zu zweit sind. Eine Zuneigung wird durch das Aneinanderreiben von zwei Fhernhachen-Nasen repräsentiert, zwei Zuneigungen durch das zweimalige Reiben und so weiter. Außerdem gehören die Fhernhachen zu den wenigen Anhängern der zamonischen Urmathematik, weshalb sie immer bis Vier abzählen statt bis Drei.

"Ensel und Krete" von Walter Moers

Zamonische Zahlensysteme Zamonien (Bücherreihe), Humor, Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Da die meisten Zamonier an jeder Hand vier Finger haben, basiert die zamonische Urmathematik auf der Zahl Vier. Es gibt die Zahlen Eins, Zwei, Drei, Vier und Doppelvier, die eigentlich Acht bedeutet. Die dazwischenliegenden Zahlen Fünf, Sechs und Sieben werden von der zamonischen Urmathematik als "Unzahlen" verachtet, sie streitet die Existenz dieser Zahlen schlichtweg ab. Auf die Doppelvier (8) folgt die Doppeldoppelvier (16), darauf die Doppeldoppeldoppelvier (32), darauf die Doppeldoppeldoppeldoppelvier (64) und so weiter - ein System, das offensichtlich auf der Multiplikation von durch vier teilbaren Zahlen basiert.
Die zamonische Urmathematik leugnet weiterhin alle Zahlen, die zwischen Doppelvier (8) und Doppeldoppelvier (16) sowie zwischen Doppeldoppelvier (16) und Doppeldoppeldoppelvier (32) liegen, sowie die zwischen Doppeldoppeldoppelvier (32) und Doppeldoppeldoppeldoppelvier (64) - und so weiter, bis ins Unendliche. Die zamonische Urmathematik lehnt also insgesamt ziemlich viele Zahlen ab - eigentlich die meisten. Sie gilt daher als das ungenaueste aller Rechensysteme.
Die zamonischen Druiden hingegen akzeptieren nur eine einzige Zahl, die sie Olz nennen. Olz ist die Anzahl von Druidenseelen, die angeblich gleichzeitig durch ein Schlüsselloch passen, und das ist eine sehr hohe, eigentlich nur für Druiden erfassbare Summe. Weil die Zahl so hoch ist, muss der Druide im alltäglichen Bereich mit Bruchteilen von einem Olz rechnen - die druidische Mathematik basiert also auf dem Dividieren von Olzen. Die kleinste druidische Zahl (außer dem Nicht-Olz, das kein einziges Teil eines Olzes bedeutet und der arabischen Null vergleichbar ist) ist das Ukzilliarden-Olz, also der ukzilliardenste Teil eines Olzes. Eine Ukzilliarde entspricht übrigens einer Million Ukzillionen.
Ganz anders rechnen die Rikschadämonen, sie vertreten die gruseligste Mathematik Zamoniens und zählen in Schrecksekunden: Das ist die Dauer, die ein durchschnittliches Haar braucht, um sich beim Erschrecken aufzurichten (ungefähr 0,3 Sekunden). Diese Zahleneinheit nennen sie 1 Horror, zehn Horror bedeuten einen leichten Schreck, hundert Horror einen Schock und tausend Horror einen Herzinfarkt.
Die umständlichste Mathematik Zamoniens wird aber von den Fhernhachen praktiziert: Sie rechnen in Zuneigungen, und deswegen können sie nur zählen, wenn sie mindestens zu zweit sind. Eine Zuneigung wird durch das Aneinanderreiben von zwei Fhernhachen-Nasen repräsentiert, zwei Zuneigungen durch das zweimalige Reiben und so weiter. Außerdem gehören die Fhernhachen zu den wenigen Anhängern der zamonischen Urmathematik, weshalb sie immer bis Vier abzählen statt bis Drei.

"Ensel und Krete" von Walter Moers


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