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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey! Familienpsychologie, Pädagogik

Autor:  halfJack

Manche Dinge sollten eigentlich nicht mehr verwundern. Ich habe einen Cousin, der seinen Sohn Bastienne nennen wollte. Wirklich, seinen Sohn. Bei der Namensgebung wies man ihn darauf hin, dass dies ein französischer Mädchenname sei, die männliche Variante davon sei Bastien mit einem entsprechend nasalen Laut am Ende. Gut für den kleinen Bastien. Blöd nur, dass seine Eltern ihn trotz der richtigen Schreibweise weiterhin wie ein Mädchen ansprechen. Angesichts dessen, dass der Kleine total verwöhnt und verweichlicht ist, vielleicht gar nicht so unpassend, aber das würde nur wieder überholte Klischees bedienen, die den nächsten Gender-Beauftragten (oder Beauftragtix?) in Empörung stürzen.

Nun also zu dem Fall von Frau Seeberg: Die Familienpsychologin erzählt in ihrem Buch von wahren Begebenheiten aus ihrem Alltag. Mir fiel dabei unwillkürlich ein Bild ein, das ich letztens im Kaufhaus auf einem Kalender sah: Ein Lehrer sitzt vor einem Ehepaar und sagt: „Tut mir leid, Ihr Kind ist nicht hochbegabt. Sie beide sind einfach nur sehr, sehr dumm.“ Es folgt ein Zitat.

 

 

Es roch nach Schweiß, Zigarettenqualm, Frittierfett und nassem Hund. Mal wieder.

Dieser Geruch fällt mir bei so vielen Leuten, zu denen ich als Gutachterin komme, auf. Manchmal mit mehr Zigarettenqualm, manchmal variiert durch Windel- und Erbrochenemaroma, falls kleine Kinder und/oder schwerste Alkoholiker im Haushalt leben. Aber irgendwie ist er doch immer ähnlich. Warum frittieren diese Leute alle ihr Essen? Ist das billiger? Geht das schneller? Oder handelt es sich um eine Familientradition? Jemand sollte diesen Zusammenhang einmal erforschen.

 

Es ging diesmal um eine Mutter und ihre siebenjährige Tochter, Schakkeline. Ja, genau. Schakkeline. Wird genauso geschrieben. Und gesprochen. Ja, auch geschrieben. Mit sch, zwei k und allem Drum und Dran: Schakkeline.

Wie in einer schlechten RTLII-Frauentausch-Parodie.

Ihr sechs Jahre älterer Bruder, Dewid, lebte bei seinen Großeltern väterlicherseits im Harz. Dewid... Wenn man es laut liest, weiß man, welcher Name sich eigentlich dahinter verbirgt. Und auch dieser wurde genau so geschrieben, wie ihn seine Eltern aussprachen: Dewid. Tatsache.

Wahrscheinlich hieß der zuständige Standesbeamte Üffes und hatte im Laufe der Jahre einen perfiden Sinn für Humor entwickelt, weil er sich ständig die urbane Legende vom Üffes anhören musste, der eigentlich Yves heißt, von seinen Eltern aber „Üffes“ genannt wird, weil die eben nicht wissen, dass Yves französisch ist und entsprechend ausgesprochen wird. Ich stelle mir vor, wie Üffes, mittlerweile Anfang vierzig, da hinter seinem dunkelbraunen Schreibtisch sitzt, der immer ein bisschen wackelt. Egal wie viele Bierdeckel Üffes Schneider – er hat sicher einen ganz langweiligen Nachnamen – darunterlegt, immer wackelt der Tisch ein wenig, ohne dass herauszufinden ist, wo genau die Ursache dafür liegt. Vielleicht hat sich der Tisch im Laufe der Jahre schlicht und ergreifend der Persönlichkeit seines Besitzers angepasst. Und weil sein Leben aus schlechtem Kaffee, einer unbefriedigenden Schwärmerei für die Dame, die in der Kantine an der Kasse sitzt, und dem ewigen Gewackel seines Schreibtischs besteht, begann Üffes Schneider eines Tages damit, bei der Anmeldung Neugeborener jeden, aber auch wirklich jeden Namen anzunehmen und keinerlei Korrekturen bezüglich deren Schreibweise vorzuschlagen. Im Gegenteil, er ging sicherlich irgendwann dazu über, den Leuten einzureden, dass man gewisse Namen tatsächlich so schreibe, wie man sie spreche. Das ist zwar niederträchtig vom Herrn Schneider und auch gemein den wehrlosen Kindern gegenüber, aber ein bisschen tat er mir auch leid.

 

Aber nun zu Schakkeline beziehungsweise ihrer Mutter, Frau Höffers: Sie hatte nie mit Schakkelines Vater (dem Mann nach Dewids Vater) zusammengelebt, aber ihre Tochter hatte Kontakt zu ihm und auch zu dessen Eltern. Immerhin. Die Großeltern und der Vater schienen den Berichten des Jugendamtes und der Schule zufolge nicht ganz unfähig zu sein, sodass ich die Hoffnung hegte, Schakkeline dort unterbringen zu können. Denn, wie sich spätestens im Laufe der Interaktionsbeobachtung herausstellte, tat die Mutter dem kleinen Mädchen keineswegs gut – im Gegenteil.

Frau Höffers hatte dreifarbige Haare und ein Zungenpiercing, das den Blick ganz wunderbar auf ihren Mund lenkte, sodass man die verfaulten Zähne und den ständig vorhandenen Speichelfaden im Mundwinkel immer vor Augen hatte. Warum eigentlich? Ich habe mich wirklich bemüht wegzusehen, aber es war kaum möglich. Wenn ich es mir recht überlege, ist dieses Zungenpiercing in Verbindung mit verfaulten Zähnen ebenso typisch wie der Geruch der Wohnungen. Jedes Mal nehme ich mir vor zu googeln, ich meine natürlich: zu recherchieren, ob vielleicht Piercings zu verfaulten Zähnen führen können. Wenn aber zuerst die braunen Stumpen da waren, ist es dann nicht einigermaßen dämlich, dann auch noch durch eine Glitzerkugel darauf hinzuweisen?

 

Im Einzelgespräch berichtete mir Frau Höffers, dass Schakkeline nach den Sommerferien noch einmal die erste Klasse wiederholen solle. Die Lehrerin habe gesagt, sie könne noch nicht genug, um mit ihren Klassenkameraden in die zweite Klasse zu gehen, und müsse noch einmal von vorne anfangen. Sie habe das ihrer Tochter so weitergegeben, worauf diese „voll rumgeheult“ habe. Es war offensichtlich, dass Frau Höffers keinerlei Verständnis für ihre Tochter hatte. Auf meine Frage, wie sie denn auf ihr Weinen reagiert habe, schaute mich Schakkelines Mutter leer an: „Wie jetz?“

„Na ja, haben Sie etwas zu ihr gesagt? Sie getröstet?“

Man könnte Frau Höffers zugutehalten, dass sie angestrengt in ihren Erinnerungen kramte und versuchte, etwas hervorzuholen, das als passende Antwort angesehen werden konnte. Schließlich wurde sie fündig und grinste mich samt braunen Zahnstumpen, Piercing und Speichelfaden im Mundwinkel an, als hätte ihr jemand eröffnet, dass sie gerade die goldene Friteuse gewonnen hatte, und sagte stolz: „Na, ich hab ihr gesagt, sie soll da mal nicht so blöd rumheulen.“

Da ich wohl nicht mit der Begeisterung reagierte, die sie erwartet hatte, fügte sie hinzu: „Und dann hab ich ihr gesagt, dass sie ja später wieder eine Klasse überspringen kann. Hab ich ja auch gemacht. Zweimal. Also ist das ja jetzt nicht so schlimm, wenn sie mal ’ne Klasse wiederholen muss, ey.“

Ich befürchte, dass mir kurzfristig die Gesichtszüge entgleisten. Ich fragte noch einmal nach...

„Ja, klar hab ich eine Klasse übersprungen, ey! Sogar zweimal!“ Auf meine erneute Nachfrage stellte sich heraus, dass sie „einen ganz normalen Schulabschluss halt, normal halt“ hatte (nämlich keinen – sie war auf einer Sonderschule gewesen und ohne Abschluss abgegangen). Sie war aber dennoch der festen Überzeugung, dass sie zweimal eine Klasse übersprungen habe, „weil, da hätte ich wieder in die sechste gesollt und bin dann auf der anderen Schule in die siebte. Und das dann danach noch mal. Statt noch mal die siebte in die achte. Also eine übersprungen. Zweimal.“ Sie rechnete mir wilde Sachen vor, bis sie zu dem Ergebnis kam, dass sie wahrscheinlich sogar dreimal eine Klasse übersprungen habe. Beeindruckend – auf eine Art...

Meine Tochter wäre sicher interessiert, den Rechenweg zu erfahren, um früher die Schule verlassen zu können.

 

Frau Höffers erklärte mir, dass auch ihre Schwester und ihr Bruder hochbegabt seien. Das liege bei ihnen in der Familie. So sei es auch bei ihrer Tochter. „Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey! Da kann man nix machen. Wir sind alle so. Die ganze Familie ist hochbegabt. Das ist so ein Genetik, das bei uns anders ist. Verstehen Sie? Das ist dann nur in unserer Familie. Okay, wenn die Schakkeline mal heiraten tut, kann der Mann das dann auch bekommen. Aber sonst bleibt das nur bei uns.“

Es war klar, dass Frau Höffers’ kognitives Niveau eher suboptimal war. So drücke ich das in Gesprächen mit Jugendamt und Gericht immer aus, um nicht sagen zu müssen, dass die Eltern leider strohdoof sind.

 

Ich war jedenfalls froh, als das Gespräch mit der Mutter beendet war und Schakkeline von der Schule nach Hause kam. Bei Interaktionsbeobachtungen muss ich den Leuten ja nicht ständig gegenübersitzen und sie anschauen.

Nach zehn Minuten wünschte ich mir jedoch die Gesprächssituation zurück. Denn Schakkeline tat mir so leid – und das nicht nur wegen ihres Namens.

Ihre Mutter gab ihr ständig widersprüchliche Anweisungen, was dazu führte, dass das Mädchen das einzig Richtige tat, nämlich gar nichts mehr. Nach den Aufforderungen, sowohl die Schultasche abzulegen als auch „jetzt gefälligst mal hier zu bleiben“, die Schuhe sofort auszuziehen, sich „ja wohl mal als Allererstes die Hände zu waschen“ und ihr „sofort wenigstens eiiiiin-maaaal“ zu helfen, den Tisch zu decken, wäre ich wohl auch verwirrt gewesen und hätte mich nicht mehr gerührt – zumal all das in einem extrem unfreundlichen Tonfall vorgetragen wurde und es wohl wahrscheinlich besser war, gar nichts zu tun anstatt das Falsche.

Schakkeline stand also da, schaute auf den Boden und bewegte sich nicht. Ihre Mutter packte sie an den Schultern, drehte sie um und schubste sie mit einem „Boooooah, ab, Hände waschen, wir ham Besuuuuuch!“ in Richtung Bad. Endlich wusste das Mädchen, was zu tun war.

Die gesamte folgende Interaktion ging genau in diesem Stil weiter. Eine Anweisung nach der anderen, teilweise widersprüchlich, teilweise unverständlich: „Jetzt, boah, mach mal, hopp, da, mach doch das, da! Mann, ey!“

Das war wirklich ihr O-Ton. Ich habe mitgeschrieben.

Ich fand es schwer auszuhalten und habe mich mal wieder gefragt, warum ich eigentlich nichts Anständiges gelernt habe. Oder zumindest einen Job mache, bei dem ich einfach von vornherein und ausschließlich helfen kann und nicht ewig lange beobachten muss, um hinterher nur das Allerschlimmste abwenden zu können. Die arme Kleine tat mir so leid. Ich glaube, sie hätte wirklich gern getan, was ihre Mutter von ihr wollte, aber es war einfach unmöglich herauszufinden, was zum Henker das sein sollte.

 

Ich habe die Interaktionsbeobachtung nach einer Stunde beendet – und denke im Nachhinein, dass das eigentlich noch viel zu lange war. Also, für mein Wohlbefinden war es definitiv zu lang. Für die Begutachtung natürlich nicht, denn es hätte ja sein können, dass sich doch noch was Positives entwickelt. Ein Spiel oder etwas in der Art... Ich hatte Frau Höffers mehrfach darauf hingewiesen, dass sie ruhig auch etwas mit Schakkeline spielen könne, aber ich befürchte, so etwas hatte sie noch nie gemacht.

Im Einzelgespräch, das ich mit Schakkeline in ihrem vollgestellten Kinderzimmer führte, war das Mädchen angenehm offen und gesprächig. Sie war keineswegs dumm, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie tatsächlich den Stoff der ersten Klasse nicht aufnehmen konnte.

Es musste einen anderen Grund für ihr schulisches Versagen geben. Dieses Kind hatte durchaus Potential, und niemand hatte es bemerkt! In solchen Momenten frage ich mich, was die Lehrer eigentlich tun. Na ja, die sind auch nur Menschen und haben dreißig Kinder in der Klasse. Und Schakkeline war kein auffälliges Kind. Dennoch... Die Lehrerin hätte sich nur einmal eingehend mit Schakkeline beschäftigen müssen, um zu bemerken, dass ihr Schulversagen ganz sicher andere Gründe hatte als mangelnde Begabung oder eine zu langsame Auffassungsgabe.

Schakkeline war still und zurückhaltend, verschwand also wahrscheinlich komplett vom Radar der Lehrerin, wenn im gleichen Klassenverband fünf bis sieben hyperaktive Kevins den Hannahs ihre Lillifee-Jacken in die Jungentoilette stopften. Gelegentlich kam es vor, dass Lehrer nach Gesprächen mit Eltern wie Frau Höffers annahmen, dass deren Schakkelines auch eher suboptimal ausgestattet waren. Oder sie schlossen einfach von dem dämlich geschriebenen Namen auf das Potential des Kindes.

Schakkeline aber war wissbegierig und konnte sich im Eins-zu-eins-Kontakt auch viel länger konzentrieren, als mir beschrieben wurde.

Nun war ich gespannt auf den Vater, den ich als nächstes treffen würde. Ich betete, dass er die Defizite der Mutter würde ausgleichen können.

 

Leider war es gar nicht von Belang, ob Herr Liedke dies können würde oder nicht. Er saß breitbeinig auf seinem leopardenimitationsdeckenbehangenen Sofa, rauchte eine Selbstgedrehte nach der anderen und hatte schlicht keinerlei Interesse an seiner Tochter. „Ja, die Schakkeline besucht mich immer mal wieder hier, aber ich hab da keine Zeit für. Die ist dann bei meinen Eltern und meiner Schwester oder so.“ Er machte eine Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. „Ich hab ja einen Job, und dann will man ja auch mal ein bisschen Freizeit haben! Man kann ja nicht immer nur arbeiten und dann das Kind da um sich haben. Das geht nicht. Das ist ja mal klar!“

Ja, stimmt... Wie konnte irgendwer nur auf die irrsinnige Idee kommen, dass ein Mann mit einem Job sich auch noch um seine Tochter kümmern konnte?

„Und dann hab ich ja auch eine Freundin. Da geht ja auch schon mal Zeit drauf. Und wo soll ich denn dann mit der Schakkeline hin, wenn die da ist? Also, das ist von mir aus schon irgendwie okay so, wie es jetzt ist, aber öfter kann die Schakkeline echt nicht zu mir kommen. Für so was fehlt mir echt die Zeit, wissen Sie.“

 

Das Gespräch mit Herrn Liedke war schnell beendet. Der Vollständigkeit halber erkundigte ich mich, ob er für den Fall, dass Frau Höffers sich nicht mehr um Schakkeline kümmern könne, sich vielleicht vorstellen könnte... Da unterbrach er mich schon: „Wenn die Frau Höffers ihren Arsch nicht hochkriegt, dann kann ich da auch nichts dafür. Die soll mal schön ihren Job machen. Immerhin kassiert die da Kindergeld und so was für. Dann soll die auch mal was machen, die faule Kuh, die. Also, das seh ich echt nicht ein, dass ich der dann auch noch helfen soll. Außerdem hab ich keine Zeit für die Schakkeline. Hab ich doch gesagt. Also, nee, echt nicht!“

 

Ich hatte mich gerade von ihm verabschiedet und das Haus verlassen, als eine junge Frau direkt auf mich zukam und mir ihre Hand hinstreckte. „Hallo, ich bin Manuela Liedke, Herrn Liedkes Schwester. Hätten Sie kurz Zeit?“ Sie machte eine einladende Armbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Ich würde gern mit ihnen sprechen. Ich... Also, ich wohne gleich um die Ecke.“

Ich war mit Herrn Liedke schneller fertig geworden, als ich geplant hatte. Also hatte ich noch Zeit bis zum nächsten Termin. Und da ich nicht unhöflich sein wollte und zudem neugierig war, stimmte ich zu.

Manuela Liedke war etwa Anfang dreißig, wohnte in einer einfachen, aber netten Wohnung und knetete nervös ihre Hände. „Kommen Sie doch rein. Hier... Also, ich habe... wenn sie wollen...“ Sie machte eine fahrige Geste in Richtung Kaffeetisch. Sie hatte zwei Tassen samt Untertassen aus mit Rosen bedrucktem Porzellan hingestellt, eine passende Kanne (mit Kaffee, nahm ich an) sowie ein kleine Milchkanne samt Zuckerdose. Dazu einen Teller mit ordentlich drapierten Keksen und ebenso gefalteten Servietten.

„Ich hab gewartet, bis ich Sie... Also, ich hab vor dem Haus gewartet, damit ich mitkriege, wenn Sie sich verabschieden, weil... Also, ich wollte mit Ihnen reden und wusste nicht... Also, das ist mir alles ein wenig peinlich jetzt...“

Ich fand Manuela Liedke gar nicht peinlich, sondern erfrischend ehrlich und authentisch. Und zudem schien sie im Gegensatz zu ihrem Bruder ein irgendwie geartetes Interesse an Schakkeline zu haben. Sonst hätte sie diesen Aufwand nicht betrieben.

„Ich hab die Lina gerne hier, wissen Sie?“

„Verzeihung, wen?“

Lag eine Verwechslung vor? Trank ich in einer ganz falschen Wohnung nicht für mich bestimmten Kaffee?

Frau Liedke hatte offenbar ähnliche Gedanken, denn sie riss die Augen auf. „Na, die Lina! Wegen ihr waren Sie doch bei meinem Bruder, oder nicht? Sie...“

Aber dann lächelte sie erleichtert.

„Schakkeline.“

„Ah...“

„Schakkeline ist Lina. Wir sagen schon immer Lina zu ihr. Schakkeline... Also, das ist ja wohl ein schlechter Scherz, oder? Mal ehrlich! Ich kann nicht fassen, dass sie jetzt in der Schule auch noch so genannt werden muss. Das ist doch... Also, ich glaube, dass das nicht gut ist. Da denkt die Lehrerin natürlich gleich, dass sie ein bisschen dumm ist. Oder?“

Jetzt lächelte auch ich erleichtert. Ich saß in der richtigen Wohnung mit einer Frau am Tisch, die offensichtlich die Möglichkeit hatte, die Situation zu retten. Und das tat sie dann auch.

Schakkeline, also Lina, zog zu ihrer Tante, Manuela Liedke. Frau Höffers wollte dem zwar zunächst nicht zustimmen, konnte sich aber erstaunlich schnell damit anfreunden, als Frau Liedke ihr versicherte, dass sie das Kindergeld behalten und Lina weiterhin bei ihr gemeldet sein könne. Sie arbeitete als Sekretärin bei einem Steuerberater und erklärte mir, dass sie auch ohne Kindergeld für Lina würde sorgen können.

Lina wiederholte die erste Klasse auf einer neuen Schule im Wohnumfeld von Frau Liedke und kam dort sehr gut zurecht – sie übersprang zwar keine Klasse, bewältigte den Schulstoff aber mehr oder weniger mühelos, fand schnell neue Freunde und fühlte sich bei ihrer Tante offenbar sehr wohl.

Ihren Vater sah sie hin und wieder, und auch ihre Mutter besuchte sie ab und an. Allerdings nicht wirklich oft, was aber weder Vater noch Mutter störte. Und Lina ebenso wenig.

 

 

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"Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey!" von Sophie Seeberg