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Schreibprozess und Schreibblockaden II Schreibtechnik

Autor:  halfJack

Nun folgt der zweite Eintrag zu meiner Schreibaktion, obwohl ursprünglich nur einer geplant war.
Beim ersten ging es um die Phasen des kreativen Prozesses, von denen ich die Inkubation am wichtigsten finde. Jetzt möchte ich auf ganz einfache, praktische Weise darlegen, wie ich mich selbst auf das Schreiben einstimme und was ich dafür verwende. Ich bezeichne das hier großspurig als "Strategien", wenngleich es sich dabei nur um simple Mechanismen handelt, die bei jedem anders ausfallen. MadMatt hat vor kurzem in einem Blog vom Schreibfluss zur Schreibblockade die Frage gestellt, was bei Schreibblockaden helfen kann. Einige der Kommentare dort könnten ebenso eine Anregung sein.
 

Strategien zur Inspirationsfindung

Ob nun allgemein während der Inkubation oder beim Überwinden von Schreibblockaden, ich persönlich benutze verschiedene Möglichkeiten, um der Inspiration auf die Sprünge zu helfen. Wie gesagt, ich halte das allgemeine und ziellose Nachdenken über den Verlauf für sehr wichtig und dazu kann jeder Moment genutzt werden. Abends beim Einschlafen bietet es sich an, denn auch der Schlaf selbst hat eine ordnende und problemlösende Funktion. Das hilft zudem, von störenden Gedanken Abstand zu nehmen, wie etwa Verpflichtungen, Vorhaben, privaten Problemen etc. Obwohl man dabei Gefahr laufen kann, manch gute Idee bis zum nächsten Morgen zu vergessen, oder man muss eben immer einen Stift griffbereit haben, was vielleicht nicht förderlich für den Schlaf ist. Es gibt allerdings genügend andere Gelegenheiten, zum Beispiel könnte man beim Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln mal die Finger vom Smartphone lassen und stattdessen beim Betrachten der Landschaft über diverse Szenen nachdenken. Auch bei mechanischen Tätigkeiten ist gedankliche Beschäftigung ideal, zum Beispiel beim Abwaschen oder Wäscheaufhängen. Mir persönlich kommen die meisten Ideen immer beim Autofahren oder in meinem Aushilfsjob beim Warenverräumen, wenn vor Ladenöffnung noch keine Kunden da sind. Es sollten Gelegenheiten sein, in denen man gedanklich nicht abgelenkt ist (und sich möglichst auch nicht in Gefahr bringt ^^).

Was mir auch immer hilft, ist Musik. Sie kann mich von allein inspirieren oder ich suche sie mir passend zu der Atmosphäre des Textes aus. Früher schrieb ich noch Songfictions, das mache ich heute nicht mehr. Ich sehe auch eher davon ab, vor einem Text darauf hinzuweisen, was ich dabei gehört habe, da man sonst nicht sicher sein kann, ob die Emotionen des Lesers nun durch die Geschichte oder nur durch das Lied ausgelöst wurden. Das ist nur meine persönliche Ansicht. Einen Song am Ende des Textes zu erwähnen, finde ich völlig okay. Jedenfalls hilft es ungemein, Musik zu hören, um sich in die passende Stimmung zu versetzen oder durch Textzeilen neue Ideen zu entwickeln.

Selbiges gilt für Bücher und andere Medien. Zum Einstimmen lese ich beispielsweise gern Gedichte von Paul Celan. Generell beschäftige ich mich meist mit Dingen, die dem Schreibthema ähnlich sind. Möchte ich ein Märchen verfassen, konsumiere ich auch solche in irgendeiner Form oder lese altmodische Texte, bei Horror schaue ich entsprechende Filme usw. Fachtexte in der passenden thematischen Richtung erweitern das Vorstellungsvermögen und inspirieren zu neuen Ideen.

Um allgemein in eine Geschichte wieder hineinzufinden, nachdem man sich zwischenzeitlich von ihr distanzierte, lange eine Schreibblockade hatte oder das Interesse daran verlor, dann sollte man sich meines Erachtens nicht mit dem beschäftigen, was vor einem liegt, sondern zuerst wieder die Vergangenheit auf sich wirken lassen. Das heißt, sich den bislang geschriebenen Text noch einmal zu Gemüte führen, als wäre man nicht der Autor, sondern selbst ein Leser. Nach einem gewissen Abstand, findet man auf diese Weise auch eher in den Schreibstil hinein (insofern man nicht jede Geschichte gleich schreibt).
Bei Fanfictions bedeutet das zudem, sich noch einmal mit dem Original auseinanderzusetzen, diverse Folgen erneut zu schauen oder den Manga zu lesen usw. Sich daran erinnern, was man damals so toll fand und warum man überhaupt etwas dazu schreiben wollte.
Wenn es keine vollkommen eigene Geschichte ist, sondern eine Fanfiction zu einem gut besuchten Fandom, dann helfen mir persönlich auch Fanworks. Zum Beispiel Fanarts, die einem zu neuen Ideen inspirieren, weil man sich Situationen hinter den Bildern vorstellt, oder auch Fanfictions, die einen zu Alternativen anregen oder dazu, verschiedene Themen aufzugreifen, die einem nicht ausreichend behandelt erscheinen.

Diesem Punkt der Auseinandersetzung schließt sich der Austausch mit anderen Leuten an, entweder über die Vorlage oder direkt über die eigene Geschichte. Hat man einen Betaleser, sollte man sich nicht scheuen, mit ihm über den eigenen Text zu sprechen. Andere Blickwinkel, Sichtweisen, Interpretationen erweitern das Verständnis für den eigenen Text, fördern gleichfalls Ideen und meist auch den Elan, weiter daran zu arbeiten.

Der nächste Vorschlag klingt womöglich etwas merkwürdig, aber zur Anregung und um sich in die Figuren hineinzuversetzen, finde ich es immer gut, manche Szenen in der Realität nachzustellen. Am besten klappt das, wenn man jemanden hat, der das mit einem zusammen macht. Dabei mag man sich vielleicht lächerlich vorkommen, aber auf die Weise bekommt man noch einmal ein ganz anderes Gespür für die Situation und merkt zudem, ob etwas überhaupt funktioniert oder nicht. Viele kennen das Prinzip bereits vom Cosplay, darum ist der Schritt, es auf eine Fanfiction zu übertragen, eigentlich gar nicht so groß. Es geht nicht allein darum, auszutesten, ob die eigenen Vorstellungen der Realität standhalten, sondern es fallen einem plötzlich ganz neue Aspekte auf, an die man nicht dachte, solange die Szene lediglich im Kopf existierte. Das Schauspiel einzelner Textszenen ist also in vielerlei Hinsicht von Vorteil.

Im ersten Teil meines Beitrags habe ich geschrieben, es würde selten helfen, sich bei Schreibblockaden zwanghaft vor ein leeres Blatt zu setzen, wenn man eigentlich noch nicht weiß, was man schreiben möchte. Doch für manche ist das durchaus hilfreich, wenn sie sich hierbei keine Einschränkungen auferlegen, nämlich durch assoziatives Schreiben oder Free Writing. Ich empfinde das als eine Form von Inkubation, die allerdings im geschriebenen Wort stattfindet. Man bringt, ebenfalls mit einem festgelegten Rahmen von 5 bis 15 Minuten, alle Gedanken zu Papier, die einem in den Sinn kommen. Gedanken über die momentane Situation in der Geschichte oder über die Figuren oder was auch immer. Rechtschreibung, Grammatik, Ausdruck spielen keine Rolle. Damit hält man sich nicht auf. Wenn man nicht weiß, wie ein Satz enden soll, dann lässt man ihn so stehen. Wenn die Gedanken sich im Kreis drehen, dann wiederholt man eben diese wiederkehrenden Sätze. Das ist eine Lockerungsübung, die uns vom eigenen Erwartungsdruck befreien soll. Oft finden wir dabei gute, neue Ansätze und Formulierungen.

Ähnlich hilfreich ist es, einfach mal Outtakes, Deleted oder Alternate Scenes zur eigenen Geschichte zu verfassen. Ganz ernsthaft, ich mache das manchmal, um meinen Betaleser oder mich selbst zu erheitern. Bei den Outtakes lasse ich meine Figuren irgendeinen Blödsinn machen, den ich normalerweise ooc fände. Ich achte nicht darauf, dass der Stil in den Kontext passt, und verwende Stilmittel oder Ausdrucksweisen, die ich so generell nicht benutzen würde. Auf die Weise kann man sich auflockern, wenn man sonst vor dem Problem steht, keinen einzigen Satz verfassen zu können, ohne dass er einem irgendwie mies und unzureichend erscheint.
Deleted oder Alternate Scenes hingegen sind eine lustige Hilfestellung, wenn man bei der Handlung nicht weiterkommt, weil man für eine Situation noch keine Lösung hat. Meine Betaleserin hat mal in einer eigenen Fanfiction, bei der im Anime eine absurde Situation vorgegeben war, die eigentlich keinen Sinn ergab und für die keinerlei Erklärung geliefert wurde, kurzerhand eine Fee auftauchen lassen. Solche albernen Umgangswege können unser festgefahrenes Denken sowie Blockaden lösen.

Ein weitere Kniff ist das Wechseln des Ortes oder der Schreibmedien. Unser Denken ist oft von Umwelteinflüssen abhängig, von unserer Umgebung genauso wie etwa von unserer Körperhaltung. Den Standpunkt zu wechseln kann dasselbe in übertragener Form bewirken. Meine Freundin beispielsweise schreibt fast sämtliche Szenen zuerst auf Papier und überträgt sie dann erst auf den PC, wobei der Text sich stark verformt. Doch allein im Computerprogramm fällt ihr das Schreiben nicht so leicht. Ich selbst tippe normalerweise immer am Rechner, aber manchmal nehme ich mir bei einer Szene, deren Anfang ich noch nicht kenne, ein Blatt Papier und schreibe mit einem Stift. Ganz selten nehme ich sogar meine alte Schreibmaschine. Jede dieser Änderungen entfaltet eine Wirkung.
 

Hilfsmittel zum Konzipieren

Wie schreibt ihr eure Geschichten? Chronologisch von Szene zu Szene?
Ein solches Vorgehen kann ich mir schwerlich vorstellen, da ich die meisten Geschichten mit Stichpunkten und einzelnen Szenen konzipiere. Was mir einfällt, halte ich sofort fest. Früher verwendete ich dafür noch diverse Notizbücher. Relativ unzusammenhängend sammelte ich darin zu allen möglichen Geschichten meine Ideen. Beim Schreiben blätterte ich die gesamten Notizbücher durch und suchte alle verstreuten Informationen zusammen. Sobald ich sie in einen Text übertragen hatte, strich ich die entsprechenden Stellen im Notizbuch durch. Ein paar dieser Bücher besitze und benutze ich noch heute, allerdings fülle ich sie nicht weiter, denn mittlerweile sammle ich alles in Programmen auf dem Computer.
Eine Vorgehensweise beim Schreiben ist demnach, eine Geschichte wie einen Flickenteppich zu erstellen. Meine Einfälle kann ich auf diese Weise sofort in die Tat umsetzen. Wenn ich in der richtigen Stimmung bin und gerade den perfekten Moment dafür habe, dann verfasse ich eine Szene, die vielleicht erst in 200 Seiten vorkommt. Es lediglich im Hinterkopf zu bewahren, ist nicht dasselbe, denn dann nutze ich nicht den Augenblick, in welchem mein Elan am größten ist. Die Einzelteile muss ich dann nur noch zusammenfügen. Wenn ich mal in fünf Monaten knapp 100.000 Wörter veröffentliche, dann liegt das genau an diesem Vorgehen. Für andere ist das sicher eine Bagatelle, aber ich gehöre zu den Langsamschreibern.
Meine Betaleserin verfolgt da ein anderes Vorgehen. Sie spart sich diese Szenen auf, damit sie fungieren wie eine Karotte am Strick, die man einem Pferd vorhält, damit es vorwärtsgeht. Auch das ist eine Strategie. Unliebsame Szenen, die zur Handlung beitragen, aber nicht sonderlich aufregend sind, versucht man auf diese Weise schnell zu verfassen, damit man es hinter sich hat und rasch zur wirklich interessanten Szene übergehen kann. Das könnte bei manch anderen vielleicht auch klappen. Meine Freundin beispielsweise schreibt grundsätzlich auch chronologisch, weil sie schließlich gar nicht weiß, wie sich ihre Charaktere verhalten und ob der Handlungsbogen bis zu der späteren Szene noch so ist, wie sie das ursprünglich vorhatte. Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe immer einen ziemlich genauen Plan und setze ihn um, daher passiert mir das nicht.
Zum Sammeln von Informationen, interessanten Artikeln, Bildern, Zitaten usw. benutze ich Trello. Das ist eigentlich eine Seite für Projektmanagement und funktioniert im Grunde wie eine Pinnwand mit Notizzetteln. Ich verwende Trello jedoch für alles Mögliche, die Planung von Urlauben genauso wie von Geschichten. Mir gefällt das besser als Programme wie Evernote, obwohl die ja eigentlich dafür gemacht sind, aber da hat jeder seine eigenen Vorlieben.
Je nach Geschichte gliedere ich mein Konzept in mehreren Punkten:

  • Zeitliche Abfolge der Handlung
  • Ideen für Kapiteltitel
  • Informationen, die relevant sein könnten
  • Ideen für mögliche Handlungsverläufe, sogar einander widersprechende
  • Gespräche, Themen, Zitate
  • Sammlung ausformulierter Szenen, möglichst in richtiger Reihenfolge

Bei meinem jüngsten Projekt kommt noch eine Liste an Mordopfern und eine für Süßigkeiten hinzu. ^^
Die Flickentechnik verwende ich auch bei Kurzgeschichten, dann aber nur in Stichpunkten und Szenen. Bei längeren Geschichten halte ich ein ausgefeiltes Konzept für unerlässlich, um nicht den Überblick zu verlieren.
 

Zusammenfassung der Tipps

1. Mach dir klar, worüber du schreiben willst. Kenne den Sinn und das Ziel, bevor du dich auf den Weg machst.
2. Gönne deiner Idee genügend Raum zur Inkubation. Lass deine Gedanken locker kreisen, statt starr zu fokussieren.
3. Komplexe Ideen werden schrittweise gelöst und erfordern viel Zeit.
4. Beschäftige dich mit Dingen, die mit deinem Text verwandt sind.
5. Finde Möglichkeiten, wie Musik oder Gedichte, dich in die richtige Stimmung zu versetzen.
6. Diskutiere mit anderen über deinen Text.
7. Stelle Szenen in der Realität nach.
8. Ändere zur Abwechslung den Ort oder das Schreibmedium.
9. Schreib ungezwungen, frei oder albern und ohne Druck, Gedanken oder Szenen zu deiner Geschichte.
10. Sammle deine Ideen. Wenn du schnell das Interesse verlierst, dann schreib Szenen sofort, sobald sie dir einfallen.

Weiterführende Seiten:
Free Writing
Trello

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Datum: 17.07.2018 10:56
Jetzt komme ich mir reichlich blöd vor, weil du die paar Dinge, die ich in meinem Kommentar unten erwähnt habe, hier schon mehr als ausführlich erläutert hast.
Dass du dich an meine Deus-Ex-Machina-Fee noch erinnerst. XD Diese bekloppten Deleted Scenes müsste ich mir eigentlich nochmal durchlesen.
Ich hänge übrigens im Augenblick in einem dieser Durststrecken-Kapitel fest, auf die man sich nicht besonders freut. Aber es muss einfach erledigt werden, denn du weißt ja - die Karotte baumelt. Auch, wenn sie nach all der Zeit schon ziemlich trocken und schrumplig ist.

Lass mich mal wissen, an welchem Ort du einen künftig wieder intensiveren Schreibaustausch fortsetzen willst.
Wenn dir Trello am besten gefällt ginge es sicher auch da, schließlich ist da auch noch ein ganz anderes Projekt offen.

(Tangent: Die Erwähnung von Süßigkeiten erinnerte mich daran, dass ich dir die ganze Zeit noch von der Süßigkeitensorte 'Melty Kiss' erzählen wollte, die ihrem Namen -zumindest dem ersten Teil- alle Ehre macht. Da die einzelnen Pralinen klassisch Japanisch noch einmal einzeln verpackt sind, wären sie für deine Zwecke sicherlich auch brauchbar, und es gibt sie in jedem Conbini... du hättest sie jetzt locker ausprobieren können... ich bin so ein Trottel. )
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
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Datum: 17.07.2018 13:14
> Dass du dich an meine Deus-Ex-Machina-Fee noch erinnerst. XD

Wie könnte ich die vergessen? :'D

Süßigkeiten! Ich hatte diesmal nicht einmal einen Crêpe, weil es die Zeit irgendwie nie hergab. DX Aber die Glico-Eiskugeln, zu denen ich dir mal ein Foto schickte, hatte ich alle paar Tage. Allerdings gab es die Sorte Milchkaffee nicht mehr, dafür jedoch Kiwi. (Das hat nichts mehr mit dem Thema zu tun.)


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