R.A.B. von abgemeldet (one last riddle) ================================================================================ Kapitel 26: Musik ist Magie --------------------------- Musik ist Magie. Magie, die sich weder von Zeit noch Raum davon abbringen lässt, ihr Ziel zu erreichen. Als Ilona verwirrt und orientierungslos den dunklen Gang entlang gelaufen war, hatte sie sich in jenem Moment nur eines verzweifelt gewünscht: Dass jemand in ihrer Nähe wäre, dem sie vertrauen konnte. Jemand, dem sie von diesem ersten, eiskalten Kuss berichten konnte, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Jemand, an dessen Schulter das Mädchen sich anlehnen und einfach nur ausweinen konnte. Ilona brauchte Rose. Mehr als alles andere auf der Welt wollte die Hufflepuff in jenem dunklen Moment ihres Lebens, in diesem düsteren Korridor von Riddle Manor, nach Hogwarts zurückkehren, zurück in das einzige Heim, das sie je gekannt hatte. Sie wollte zurück zu ihrer Freundin, sofort, um sich endlich wieder sicher fühlen zu können! Gerade als diese Sehnsucht am größten, am verzehrendsten im Herzen der jungen Frau geworden war, hatte sich neben der ziellos Umherwandernden plötzlich wie von Zauberhand eine Tür geöffnet. Noch viel zu sehr beschäftigt mit ihrem Seelenleid, hatte das Mädchen alle Vorsicht in den Wind geschlagen und war sofort gedankenlos in diese sich ihr einladend öffnende Finsternis eingetreten. Sie hatte eine Kammer entdeckt, in der ein verstaubtes Klavier sein Dasein fristete. Der Klimperkasten weckte viele Erinnerungen, wie er so dastand, scheinbar nur ein weiterer großer Schatten zwischen all der anderen Finsternis. Es war so seltsam und auch schwierig, sich an diesem kalten Ort an etwas Glückliches in seinem bisherigen Leben zu entsinnen… aber der Blonden war dieser Drahtseilakt schnell geglückt. Ilona war dem Piano Spielen zwar schon immer sehr zugetan gewesen, meistens hatten der jungen Frau aber einfach die Zeit und die Möglichkeiten gefehlt, ausreichend an ihren Fertigkeiten zu feilen. Jedoch Rose hatte ihr trotzdem immer gerne zugehört, wenn sie spielte, besonders in den Sommerferien, wenn Miss Una die junge Weasley im Fuchsbau besucht hatte. Dort, im gemütlichen Wohnzimmer, war immer ein uraltes, verstimmtes Pianoforte, von dem sich niemand so genau erinnern konnte, es jemals gekauft oder benützt zu haben, zur freien Verfügung der Hufflepuff gestanden. Das Instrument war immer schrecklich verstimmt gewesen und musste beinahe jeden Tag, manchmal stundenlang, aufs Neue überredet werden, einen ersten, halbwegs geraden Ton auszuspeien. Für Ilonas Zwecke hatte es jedoch gereicht. Wie oft hatte man sie an lauen Sommerabenden gebeten zu spielen, wenn das wunderbare Abendmahl, das Mrs. Weasley ihnen kredenzt hatte, eben zu Ende gegangen war! Es mochte zwar Faktum sein, dass die Hufflepuff sich manchmal im Ton vergriff, aber ihr Spiel war dennoch immer wieder aufs Neue bezaubernd. Das Mädchen musizierte mit, ja womit? Mit einer derart verträumten Seligkeit, sodass jedem, der ihr zuhörte, sofort das Herz aufging? Mit versteckter Leidenschaft, die jedem durch Mark und Bein drang? Oder waren es doch nur die Gene der versunkenen Meerwesen in Ilona, die das Mädchen die Geheimnisse der blauen Tiefe in ertränkenden Tönen übermitteln ließen? Die junge Frau wusste selbst nicht so genau, was ihr Klavierspiel so ungewöhnlich machte. Fest stand aber zumindest, dass Rose mehr als nur einmal nach einer Vorführung der von der Blonden selbst erdachten, nachdenklich zum Besten gegebenen Melodien im Fuchsbau lautstark verkündet hatte, dass ihre beste Freundin doch Musik studieren sollte, wenn sie die Zauberer Ausbildung abgeschlossen hatte! Mit dem Spiel der Blonden wären sicherlich allzu bald alle Herzen im ganzen Land gewonnen… Doch Ilona hatte solch großes Lob immer wieder zwar schüchtern lächelnd zur Kenntnis, aber nie wirklich ernst genommen. Sie hatte es sich schlicht und einfach nie vorstellen können, ihr Leben mit der Musik zu verbringen. Aber es war doch trotzdem immer wieder schön gewesen, wegen ihrem angeblich so meisterhaften Können im Klavierspiel gelobt zu werden! So schön… Wehmütig erinnerte sich das Mädchen nun, scheinbar unendlich weit von jeglicher Freude entfernt, an jene lichten Momente im Fuchsbau zurück, die ihr, selbst jetzt noch, immer noch so viel an Freundschaft und Geborgenheit bedeuteten. Wie lange diese glücklichen Tage schon vergangen zu sein schienen! Als die Blonde dann zum ersten Mal das hölzerne, verwaiste Klavier in dem verdunkelten Raum in Riddle Manor ausgemacht hatte, war sie kurz davor gewesen, endgültig in Trauer um dieses verlorene Glück zu versinken. Doch das Mädchen hatte sich mit größter Mühe weiterhin, aus ihr selbst nicht ersichtlichen Gründen, aufrecht gehalten und war in die stockfinstere Kammer eingetreten. Als hätte sie damit einen unsichtbaren Lichtschalter umgelegt, waren plötzlich diese weiß glühenden Kerzen in der Dunkelheit aufgetaucht und hatten der Hufflepuff den Weg zu dem Instrument gewiesen. Eigentlich, so hatte Ilona nach dem ersten, überraschten Augenblick furchtsam argumentiert, wusste sie doch gar nicht, ob dieses Klavier überhaupt berührt werden durfte. Oder ob es überhaupt ungefährlich war, darauf zu spielen. Wer wusste schon, was Lord Voldemort mit diesem Klimperkasten nicht alles angestellt haben könnte? Vielleicht war er ja mit einem Bann belegt, der jeden sofort niederstreckte, der es wagte, seine Tasten zu berühren? Aber Ilonas geballtes Heimweh nach ihrer geliebten Freundin hatte schnell auch noch den letzten Funken Zweifel überwunden. Und immerhin, wen kümmerte es überhaupt, wenn sie starb? Das Mädchen wusste zwar nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, seit Du weißt schon wer sie entführt hatte. Aber es musste schon länger als 48 Stunden lang her sein. In Hogwarts hatten sie die Suche nach ihr bestimmt schon aufgegeben. Hoffentlich war Rose nur nicht zu traurig wegen ihrem plötzlichen Verschwinden. Das war die einzige Sorge, die Ilona derzeit noch aufrecht hielt und auch ablenkte von der eigenen Misere, in der die Hufflepuff gerade selbst hoffnungslos zu versinken drohte. Hoffentlich überwand die Rothaarige bald ihre Trauer und vergaß ihre blonde, stille, unauffällige Freundin… Mit trübem Blick senkte das Mädchen ihre Finger auf die Tastatur. Schon der erste Ton des alten Schlafliedes ließ die junge Frau in ihre eigene Traumwelt versinken. Sie sank hinab in dieses ihr allein eigene Reich, das einfach nur aus Wasser bestand, Wasser und Sand und Sonne. Hier gab es keinen Grund zur Beunruhigung. In dieser hellen Fantasie gab es nur Rose. Rose und Rose und wiederum Rose… Ilona spielte in dieser Nacht nur für die rothaarige Weasley. Da war es doch eigentlich selbstverständlich, dass die hitzige Gryffindor dieses wunderbare Spiel auch zu hören bekam. Auf die eine oder andere Weise. Halb ohnmächtig vor Müdigkeit vollendete Rose Weasley zur exakt gleichen Zeit, in der Ilona zum ersten Mal ihre Finger auf die Tasten des Klaviers legte, das bestimmt millionste Kondolenzschreiben. Sie war noch immer nicht von Professor Malfoy aus den Kerkern entlassen worden, obwohl die Zeiger ihrer Armbanduhr nun bereits kurz vor Mitternacht zeigten. Normalerweise hätte die junge Frau sich inzwischen Sorgen um ihren Plan, aus Hogwarts zu flüchten, gemacht, da er inzwischen ja aus Zeitgründen drohte, sang- und klanglos hopps zu gehen. Aber nun, nach stundenlangem, erschöpfendem Niederschreiben von Traueraussendungen, schien sich jeder sinnvolle Gedanke aus dem Gehirn der Gryffindor verflüchtigt zu haben. Zurück in ihrem strapazierten Denken blieb nur eine einzige Hoffnung, die mit jeder vergangenen Minute schwächer zu flackern schien, nichtsdestotrotz aber immer noch vorhanden war. Bald muss es vorbei sein. Bald muss es vorbei sein. Bald muss es vorbei sein. Bald, ja bald… Doch die Turmuhr im Zentrum Hogwarts schlug Mitternacht und nichts passierte. Sie war nun bereits 13 Stunden lang hier und schrieb. Und schrieb. Und zerschnitt sich mit jedem weiteren Wort unwillentlich das Herz. Vielleicht war die Weasley ja inzwischen schon vor Kummer gestorben und nun in der Hölle gelandet? Rose verharrte für einen Augenblick. Das immerwährende Kratzen ihrer Feder wurde dabei automatisch von ihren zitternden Fingern unterbrochen und ungewohnte Stille machte sich plötzlich in den Kerkern breit. Müde schloss das Mädchen die Augen. Hmm. Wenn sie genauer darüber nachdachte… Es stimmte schon, die junge Frau hatte sich ihr Fegefeuer noch nie so genau vorgestellt- also konnte sie auch nicht so genau sagen, wie es sich für jemanden wie sie wohl anfühlen musste, in der Hölle gefangen zu sein. Aber dass ihre unendlichen Qualen mit Professor Malfoy zu tun haben würden, war für die Rothaarige schon bereits seit geraumer Zeit festgestanden… „Nun, ich denke, dass für heute einmal Schluss sein sollte, nicht wahr?“ Zum ersten Mal seit Stunden hatte sich der blonde Professor für Zaubertränke nun gemeldet. Und mit diesen wenigen, ausgewählten Worten, die er ausgesprochen hatte, hatte der Zaubertränkemeister Roses derzeit größten Herzenswunsch kompakt zusammengefasst. Der junge Mann fläzte noch immer auf genau derselben Stelle auf genau demselben Sofa, wo er sich vor mehr als 12 Stunden hingesetzt hatte. Dabei war sein wachsamer Blick keinen einzigen Augenblick lang von der zusammengesunkenen Statur der rothaarigen Schülerin ganz in seiner Nähe gewichen. Bis zu diesem Moment, in dem er beschlossen hatte, dass es für heute einmal genug sein musste. Leider. Zufrieden wandte Draco sich von dem innerlich zerstörten Persönchen am Nebentisch ab und begann, gleichzeitig abstoßend lächelnd, seine korrigierten Arbeiten, die noch immer auf dem Couchtisch lagen, flink zu ordnen. Ohne ein Wort ließ die Gryffindor zur selben Zeit langsam die mit allerlei Tintenflecken verzierte Feder aus ihrer verkrampften Hand sinken und stand schwankend auf. Das Mädchen griff fahrig nach ihrer Tasche, die die ganze Zeit am eiskalten Boden gelegen hatte, und hängte sie sich mit einem tonlosen Seufzen um. In ihrem Kopf hämmerte es. Die junge Frau wollte den Professor anschreien, mit den wüstesten Schimpfwörtern bedecken, ihn verfluchen, ihn töten… Dafür, dass sie nun zu spät kommen würde. Sie würde zu spät sein, um Ilona zu retten. Und es war allein SEINE Schuld! Nur mit Mühe konnte die Gryffindor einige vorwitzige Tränen zurückhalten, die plötzlich Gefahr liefen, sich einen Weg über ihre erkalteten Wangen zu bahnen. Doch Rose war stark. Sie würde jetzt nicht aufgeben. Niemals. Es würde auch noch andere Wege geben, um Ilona zu retten… Und in genau diesem Moment hörte die junge Frau es. Sie wollte gerade mit unsicheren Schritten an dem Sofa vorbeihasten, als ein erster, lieblicher Ton in der Luft erklang. Wie vom Blitz getroffen blieb das Mädchen stehen. Sie kannte diesen charakteristischen, weichen Klang, der plötzlich zwischen den feuchten Wänden des Kerkers widerhallte. Die Weasley würde ihn aus Tausenden, nein, aus Millionen von verschiedenen Tonhöhen sofort erkennen. Da spielte jemand Klavier. Die Augen der Rothaarigen weiteten sich. Die leichten Noten, die nun behaglich ein unsichtbares Netz um sie zu spinnen begannen, schickten sich auch gemächlich an, immer volltönender und weicher in einer vollendete Klangkonsistenz um sie zu fließen und das Mädchen somit auf eine wunderbare Art zu ertränken… Nein. Nicht ein bloßer Jemand konnte einem Piano solch eine Melodie entlocken, die das Meer selbst zu sein schien, endlos, blau und ewiglich tief… Dazu war nur Ilona im Stande. Die Tränen, die Rose eben noch so angestrengt zurückgehalten hatte, fanden plötzlich keinen Widerstand mehr. Sie hatten freie Bahn und überströmten das Gesicht der jungen Frau in zahlloser, glänzender Nässe. Dieses Mal aber war nicht Trauer, sondern Freude, erquickende, lebensspendende Freude, der Grund für diesen Gefühlsausbruch. Vergessen war all der Zorn, all die Wut, all die Verzweiflung! Ilona war wieder da! Das wusste die Weasley plötzlich ganz sicher. „Hören Sie das?“, wandte die junge Frau sich nicht länger erschöpft, sondern jubilierend dem verhassten Zaubertrankmeister zu, der zu ihrer rechten immer noch unbeweglich auf dem Sofa saß. „Diese Musik kenne ich! Nur Ilona kann so spielen!“, setzte die Gryffindor sofort eifrig hinzu. Und im selben Moment streifte Rose eine böse Idee. Das Mädchen, mit einem Mal wieder aufrecht stehend, proklamierte plötzlich mit einem kaum verhohlenen Grinsen und lauter Stimme in den still gewordenen Keller hinein: „Sie werden sich nächste Woche wohl eine neue Strafarbeit für mich ausdenken müssen! Jetzt, wo Ilona wieder da ist, kann ich doch keine Trauerschreiben mehr über ihr frühes Ableben verfassen…“ Ihre Stimme verhallte. Geschockt starrte die Weasley auf den blonden Mann herab, der ihrem freudigen Blick mit einem Mal plötzlich so voller Hass, Verachtung und überraschenderweise Angst, nackter Todesangst begegnete, dass der Schülerin die Worte im Halse stecken blieben. Schließlich, nach einer Ewigkeit der Stille, die tonnenschwer auf beider Schultern zu lasten schien, sprach Draco mit leiser Stimme: „Bist du dir ganz sicher, Weasley?“ Sein Gesichtsausdruck war mit einem Mal wieder die blanke Maske, die der junge Herr auch sonst aufzusetzen pflegte. Scheinbar gelangweilt drehte er sich von der beinahe hyperventilierenden Rothaarigen weg und setzte schnarrend fort: „Meines Wissens gibt es in Hogwarts derzeit kein funktionierendes Klavier, zu dem Schüler Zugang haben… Und gilt Ilona nicht immer noch als vermisst? Eine freudige Nachricht über ihre Wiederkehr hätten wir selbst in diesen abgeschiedenen Räumen bestimmt vernommen…“ Doch von dieser kühlen Logik ließ sich Rose keineswegs beeindrucken. Sofort wieder in ihr temperamentvolles Selbst zurück fallend (nachdem sie sich erst einmal von diesem ungewöhnlichen Gesichtsausdruck ihres verhassten Zaubertränkemeisters nur Sekunden zuvor erholt hatte), rief die junge Frau enthusiastisch und mit glitzerndem Blick aus: „Aber das muss sie sein, ich kenne doch ihren Stil! Warten Sie, lassen Sie mich erst einmal lokalisieren, woher die Musik kommt- die Melodie wird uns sicher zu Ilona führen!“ Und zu Draco Malfoys großem Erstaunen und noch größerem Entsetzen schloss die rothaarige Schülerin bei diesen Worten beide Augen und legte lauschend den Kopf schief. In dem Blonden machte sich Fassungslosigkeit breit. Scheinbar glaubte die Kleine zu wissen, was sie da tat. Und das war grauenhaft. Schlicht und einfach grauenhaft. Innerhalb weniger Augenblicke hatte das Mädchen den Ursprung der Melodie erhascht. Mit noch immer geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen tastete sich die Gryffindor unter den Augen des erstarrten Professors überraschend flink bis zu dem riesigen Spiegel vor, der die ganze linke Wand des Kerkers bedeckte. Direkt davor machte die junge Frau abrupt Halt. Sie blinzelte verwirrt zwischen ihren nun nur mehr halb geschlossenen Augenlidern hindurch. „Ich verstehe nicht…“, murmelte sie enttäuscht und streckte dabei die linke Hand nach der scheinbar festen, spiegelnden Oberfläche vor ihr aus. „Wie kann Ilona…“ Ein stumm angewandter Stupor Fluch traf das Mädchen direkt zwischen den Schulterblättern. Sie hatte gerade noch Zeit, überrascht die Augen aufzureißen, bevor sie in die gnädige Dunkelheit der Ohnmacht gezogen wurde. Hart kam die junge Frau am Boden auf. Draco Malfoy wusste, dass die Weasley schon längst ohnmächtig war. Dennoch hielt er seinen zitternden Zauberstab weiterhin auf die gefallene Rothaarige gerichtet. Seine Gedanken rasten. Was sollte er nur tun? 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