R.A.B. von abgemeldet (one last riddle) ================================================================================ Kapitel 3: Unliebsame erste Zaubertrankstunde --------------------------------------------- Zu Roses großer Enttäuschung und Ilonas grenzenloser Erleichterung passierte in der folgenden ersten Woche in Hogwarts jedoch rein gar nichts ähnlich Aufregendes wie noch während der Zugfahrt. Das dunkle Mal verblasste mit jeder vergehenden Stunde mehr in dem Gedächtnis der Hogwarts Bewohner. Bald war es nichts mehr als eine gefürchtete Erinnerung, die schließlich als schlechter Scherz abgetan und von den zuständigen Professoren ad acta gelegt wurde. Nicht einmal die Dementoren ließen sich blicken. Abgesehen also von dem beinahe unmöglich zu bewältigenden Berg Hausaufgaben, den die Siebtklässler bereits in den ersten drei Tagen aufbekommen hatten, nahm alles seinen gewohnten Gang. Die Professoren schienen zwar noch aufmerksamer und gereizter als sonst, aber auch damit konnte man sich arrangieren. Wenn man nicht gerade Rose Weasley hieß oder einen verdammten Dickkopf hatte, konnte man in Hogwarts ein angenehmes Leben führen. Wie gesagt. Wenn man nicht Rose Weasley hieß… Freitag. Die letzte Doppelstunde vor dem ersten Wochenende stand an, und wie es der Zufall so wollte, hatten Gryffindor und Slytherin gemeinsam zu einer Doppelstunde Zaubertränke anzutreten. Eine sehr ungünstige Konstellation für beide Seiten. Denn kaum war Rose in die kalten, klammen Kerkerräume getreten, drehte Scorpius sich bereits von seinem Sitzplatz in der ersten Reihe um und schenkte der Rothaarigen ein erwartungsvolles Grinsen. Plötzlich tönte es lauthals durch den ganzen Kerker: „Hey Weasley, noch immer Angst vor Dementoren? Wuhuuu!“ Bei den letzten Worten hatte der junge Mann sich eine Kapuze übers Gesicht geworfen und versuchte nun, ein möglichst angsteinflößendes Gesicht zu machen. „Gib dir keine Mühe, Malfoy“, entgegnete die Rothaarige lässig und ließ sich bedächtig auf dem hintersten Platz im Kerker nieder. „Du bist und bleibst einfach eine Witzfigur.“ Ausnahmslos alle im Raum starrten das Mädchen verblüfft an. Normalerweise wäre Rose schon längst an die Decke gegangen. Normalerweise begann jede Stunde, in der die Gryffindor und der Slytherin am selben Unterricht teilnehmen mussten, entweder gleich mit einem zünftigen Duell oder zumindest einem Wutausbruch ihrerseits oder seinerseits, der die Decke wackeln ließ. Aber heute? Heute war anscheinend nichts normal. Und zu allem Übel lächelte die Weasley jetzt auch noch dem perplexen Malfoy zu, bevor sie fröhlich summend einen Zettel aus ihrer Rocktasche zog und sich verträumt darin vertiefte. Das war zu viel für Scorpius. Der junge Mann klappte den Mund auf. Und wieder zu. Er war sprachlos. So wie der Rest der Klasse. Bevor sich jedoch irgendjemand einen Reim auf diese beunruhigend friedliche Weasley machen konnte, krachte die Tür auf und der neue Professor für Zaubertränke trat ein. „Herzlich willkommen, Siebtklässler!“, begrüßte Draco Malfoy die Schüler huldvoll. „Schön, euch endlich kennen zu lernen.“ Für die Gryffindors war diese neue Bekanntschaft aber weder schön noch angenehm. Obwohl Slughorn, der alte Zaubertrankprofessor, sein Haus leicht bevorzugt hatte, war es den Schülern aus anderen Häusern, sofern sie fleißig lernten, auch nicht schlecht ergangen. Malfoy hingegen. Dieser Sadist genoss es regelrecht, jeden falschen Fingerzeig der Gryffindor genüsslich zu kommentieren. Und das Schlimme dabei war, dass er trotzdem immer freundlich blieb. Allein in der ersten Stunde zog der neue Zaubertrankmeister den Löwen zehn Punkte ab. Aber er tat dies auf so widerlich nette Weise, dass die Gryffindormädchen ihn trotzdem anhimmelten. Ja, der neue Professor sah wirklich gut aus mit seinem kurzen, blonden Haar und den sturmgrauen Augen. Seine Fassade wirkte perfekt. Bis sie in der zweiten Stunde dann erste Risse bekam. Bis jetzt hatte Draco die junge Weasley nämlich noch nicht aufs Korn genommen. Aber nun, gleich gegen Anfang der zweiten Stunde, schlich sich der ehemalige Slytherin von hinten an die abwesend wirkende Rothaarige heran und flüsterte dem Mädchen unerwartet ins Ohr: „Was tun Sie da, Miss Weasley?“ Die junge Frau, die bis jetzt in ein abgegriffen wirkendes Stück Pergament vertieft gewesen war, schreckte überrascht aus ihren Tagträumen auf. Verwundert blinzelte Rose zu dem Professor neben sich auf und fragte laut: „Wer zum Teufel sind Sie denn?“ Malfoys Augen bekamen daraufhin einen ungewohnt eisigen Farbton und er entgegnete weit unfreundlicher, als seine Klasse es bisher von ihm gewohnt gewesen war: „Ich bin der neue Professor für Zaubertränke, Miss Weasley. Hätten Sie meinem Unterricht bis jetzt auch nur eine Sekunde lang gefolgt, wäre Ihnen das wohl aufgefallen.“ „Ach so…“ Rose zuckte kurz mit den Achseln und wandte sich wieder dem ominösen Schriftstück in ihren Händen zu. Scorpius hielt den Atem an. Es konnte sich sicherlich nur mehr um Sekunden handeln, bis sein Vater die Fassung verlor. Und dann würde es schlecht für Rose aussehen… Seltsamerweise gefiel dem Jungen diese Vorstellung überhaupt nicht. „Was lesen Sie denn so Wichtiges?“, wollte Draco plötzlich mit zuckersüßer Stimme wissen. Seine Frage hallte hohl in dem mucksmäuschenstill gewordenen Kerker wieder. Der Blick jedes Schülers hatte sich inzwischen von der einfachen Schlaftranklösung- Arbeitsaufgabe an der Tafel abgewandt und wanderte nun erwartungsvoll zwischen dem neuen Lehrer und der ungehorsamen Weasley hin und her. Während die Slytherin sich jedoch voller Vorfreude bereits die Hände rieben, sahen alle Löwen verdächtig blass aus. Die Gedanken beider Häuser gingen aber in die gleiche Richtung: Das würde ein Donnerwetter geben. Besser noch. Ein richtig fetter, mörderischer Tropensturm braute sich da vor ihren Augen zusammen. „Gar nichts“, antwortete die Gryffindor schließlich gedehnt und wollte den Zettel gleichzeitig unauffällig in ihrer Tasche verschwinden lassen. Aber Professor Malfoy war schneller. Mit einer geübten Handbewegung entriss er seiner Schülerin den Zettel. Das Papier raschelte unruhig in seinen Händen, als der Lehrer es nun langsam auffaltete. Leise räusperte Draco sich, bevor er genüsslich begann, die wenigen geschriebenen Sätze darauf der aufmerksam lauschenden Klasse mit weithin gut hörbarer Stimme vorzutragen: Sehr geehrte Miss Weasley! Es ist uns eine Ehre Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie als der Mannschaftskapitän der diesjährigen Gryffindor- Quidditchmannschaft ausgewählt wurden. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und viel Glück! Hochachtungsvoll, Hermine Weasley (Professorin für Verwandlung und Hausvorsteherin der Gryffindors) Unter den amtlich wirkenden Brief waren noch ein paar hektische Wörter in verschlungener Schrift gekritzelt worden. Draco ließ keine Gnade walten und las auch dieses Postskriptum mit inzwischen verdächtig leuchtenden Augen vor: Schatz, ich bin so stolz auf dich! „Faszinierend.“ Professor Malfoy legte feixend eine weiße Hand auf Roses Schulter. „Da muss ich Ihnen ja gratulieren, Miss Weasley“, fuhr der junge Mann gefährlich freundlich fort und musterte dabei eingehend seine Schülerin. Deren Kopf hatte sich bei jedem der laut vorgelesenen Wörter immer dunkler verfärbt und glänzte nun in einem matten Burgunder. Man sah der Kleinen direkt an, dass sie kurz davor war, in einen ohrenbetäubenden Schreikrampf zu verfallen. „Sind Sie fertig?“, knurrte das Mädchen dennoch beunruhigend ruhig und warf dabei einen mörderischen Blick zu dem Antlitz ihres neuen Zaubertrankprofessors hinauf. „Nicht ganz.“ Draco schenkte ihr sein schrecklichstes Lächeln. „Hundert Punkte Abzug für Gryffindor und Strafarbeiten das ganze Jahr lang. Ferners werde ich mich bei Ihrer Hausvorsteherin stark gegen Sie aussprechen müssen, fürchte ich. Den verantwortungsvollen Posten eines Quidditch Kapitäns in solch ungeeignete Hände zu übergeben…“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Das erscheint mir als keine allzu gute Idee.“ Das war, wie nicht anders zu erwarten, zu viel. Mit einem Hechtsprung sprang Rose auf. Instinktiv federte ihr der treue Zauberstab in die rechte Hand und sie richtete ihn dem Zaubertrankmeister direkt auf die Kehle. Dieser zog jedoch nur verächtlich eine Augenbraue hoch. „Ein Wort, Weasley“, intonierte er kühl. „Ein einziges Wort, und ich schwöre, dass Sie schneller von dieser Schule fliegen werden, als dass Sie Quidditch buchstabieren können.“ Schwer atmend verharrte Rose noch eine Sekunde lang in ihrer Position. Dann jedoch senkte sie den Blick. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und rannte aus dem Kerker. Innerlich frohlockend blickte Professor Malfoy ihr nach. Ilona fand Rose schließlich am späten Abend mit verheultem Gesicht im hintersten Winkel der kaum besuchten Bibliothek sitzend. Ohne ein Wort zu verlieren lief die Blondine der jungen Frau entgegen und schloss die Weasley in ihre Arme. Sanft wiegte sie die Verstörte hin und her, während die Rothaarige den Kopf stumm auf die Schulter ihrer Freundin legte. So verharrten die beiden Kameradinnen eine gefühlte Ewigkeit lang. Schließlich hatte Rose aber genug von dieser Gefühlsduselei und befreite sich unnötig grob aus der teilnahmsvollen Umarmung. Gleichzeitig wollte sie mürrisch wissen: „Woher weißt du davon?“ „Du meinst wohl eher: Wer weiß nicht davon?“ Die Hufflepuff schenkte ihrem Gegenüber einem teilnahmsvollen Blick. „Die ganze Schule zerreißt sich die Mäuler über deinen eskalierten Zusammenstoß mit Malfoy senior.“ „Oh verdammt.“ Rose barg verzweifelt ihr Gesicht in beiden Händen. „Mum wird mich UMBRINGEN.“ „Das glaube ich nicht.“ „Und warum nicht?“ Die Rothaarige blickte auf und funkelte das andere Mädchen wütend an. Ilona zuckte jedoch nur mit den Schultern. Ihre dunklen Augen waren dabei krampfhaft an die Decke gerichtet, scheinbar in dem Bestreben, nur ja nicht dem fuchsteufelswilden Blick der Weasley begegnen zu müssen. „Ivy…“ Doch bevor Rose ihre noch unausgesprochene Drohung vollenden konnte, fiel die Hufflepuff ihr hastig ins Wort: „Hast du eigentlich schon die Hausaufgaben für Zauberkünste fertig? Es gibt da einen Punkt, den ich nicht verstehe…“ Diese Ablenkung reichte, um die Rothaarige wieder stöhnend den Kopf in beide Hände sinken zu lassen. „Was sollte das, Vater?“ Exakt zur gleichen Zeit tigerte Scorpius unruhig im Büro des Zaubertrankmeisters umher. Er blickte dabei missmutig zu seinem Erzeuger auf, der vor dem riesigen Spiegel am anderen Ende des Raumes stand und sich selbst zufrieden musterte. „Was soll denn gewesen sein, Sohnemann?“, murmelte Malfoy senior abwesend. Der Ältere zog dabei gleichzeitig in einer fließenden Bewegung seinen Zauberstab hervor, im Bestreben, sich damit selbst die ohnehin schon perfekt zurückgelegten Haare gerade zu richten. „Das, was du heute mit Weasel- bee abgezogen hast“, half sein Spross ihm murrend auf die Sprünge. „Und übrigens.“ Der junge Mann warf seinem Vater einen fragenden Blick zu. „Warum zum Teufel putzt du dich so heraus?“ Draco seufzte gekünstelt. Er ließ seinen Zauberstab sinken und drehte sich elegant zu seinem einzigen Nachkommen um. „Sie hat mich provoziert“, antwortete er und zuckte gelassen mit den Schultern. „Ich denke, das Schlammblut hat seine gerechte Strafe bekommen.“ „Sie ist Halbblüter“, entgegnete Scorpius ungewöhnlich scharf. „Ist sie das?“ Malfoy senior drehte sich wieder um und warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. „Für mich ist und bleibt sie Grangers Tochter- also Dreck der letzten Güte.“ Sein Sohn zog heftig die Luft ein, sagte aber nichts. „Solltest du eigentlich nicht schon längst in deinem Gemeinschaftsraum sein?“, wollte Draco plötzlich wie zufällig wissen und warf seinem Sohn dabei aus den Augenwinkeln einen unmissverständlichen Blick zu. Scorpius ignorierte diese unausgesprochene Aufforderung, gefälligst von hier zu verschwinden, jedoch geflissentlich. Der junge Mann blieb stehen, ließ sich demonstrativ auf die sich direkt hinter ihm befindende, riesige Couch sinken und bemerkte trotzig: „Ich bin schon in der siebten Klasse, Dad. Wir dürfen bis Mitternacht draußen bleiben.“ „Ich will aber, dass du jetzt gehst.“ Die Stimme des Älteren war nun eisig. Die Temperatur im Raum schien auf einmal um einige Grad zu sinken. Der Jüngere schnaubte jedoch nur abfällig. „Was denn? Glaubst du, ich ertrage den Anblick deiner Geliebten nicht?“, schoss Scorpius ebenso unterkühlt wie sein Vater zurück. „Was bildest du dir eigentlich ein?“ Wütend wandte sich Draco erneut um und erdolchte sein eigen Fleisch und Blut nun beinahe mit einem unerträglich harten Blick. Malfoy junior indessen war von der Couch aufgesprungen. Er versuchte, all den Hass und die Verachtung, die er schon ewig für seinen Vater empfand, nun in wenigen Wörter zu kompensieren. Giftig spuckte der Slytherin aus: „Für wie dumm hältst du mich eigentlich?“ „Für ziemlich dumm. Wieso?“, entgegnete Draco cool und wandte sich wieder seinem Spiegelbild zu. Für einen Moment war Scorpius geneigt, seinen Zauberstab hervorzuziehen und seinem Vater einen unverzeihlichen Fluch an den Hals zu schicken. Aber Malfoy senior würde ihn schneller entwaffnen, als er auch nur einmal blinzeln würde können. Deswegen beließ es der junge Mann nach kurzem Nachdenken schließlich bei einer unterdrückten, nichtmagischen Verwünschung und der Flucht aus den Kammern seines Vaters. Draco verdrehte die Augen. Der Junge geriet eindeutig nicht nach ihm. Aber egal. Mit einem letzten Schwung seines Zauberstabs bürstete der Zaubertrankprofessor nicht vorhandene Fussel von seinem nachtschwarzen Umhang. Er konnte nicht anders und musste lächeln. Endlich. Jetzt würde sie ihm nicht mehr entkommen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)