R.A.B. von abgemeldet (one last riddle) ================================================================================ Kapitel 1: Unliebsame Zugfahrt ------------------------------ 6 Jahre später. „Woran denkst du gerade?“ Rose, die bis jetzt verträumt an dem Abteilfenster gelehnt und gedankenverloren die vorbeiziehenden Nebelschwaden betrachtet hatte, schreckte mit einem Mal auf. Sie blickte kurz verwirrt um sich, bevor die junge Frau ihre Orientierung und schlechte Laune gleichermaßen wiedergefunden hatte und leise fauchend auf die unerwünschte Frage hin erwiderte: „Was geht dich das an!“ Die Gryffindor warf ihrem amüsiert lächelnden Gegenüber einen tödlichen Blick zu. Ilona zuckte bei diesem grauenvollen Anblick erschreckt zusammen. Rose seufzte, sofort wieder reumütig gestimmt. „Aber gut, wenn es dich so brennend interessiert.“ Das Mädchen holte noch einmal tief und effektheischend Luft. „Ich habe an unsere erste Begegnung gedacht.“ Sofort gefror das Gesicht der Anderen zu einer undurchdringlichen Maske. Die Blonde senkte den Blick und tat geschäftig so, als würde sie sich konzentriert der neuesten Ausgabe des Tagespropheten in ihren Händen widmen. Dem starren Blick, mit dem sie Rose nun fixierte, konnte Ilona mit diesem laschen Ausweichmanöver jedoch nicht entgehen. „Hattest du danach eigentlich noch Schwierigkeiten?“, wollte die Weasley plötzlich argwöhnisch wissen. Dabei zog sie scheinbar uninteressiert an einer ihrer widerspenstigen Locken, die dem Mädchen immer ins Gesicht fielen und ihr die Sicht damit versperrten. „Was meinst du damit?“ Ihre einzige Freundin stellte sich offensichtlich dumm. Das hatte aber nur zur Folge, dass sie damit leichtfertig weitere, bohrende Fragen seitens der Rothaarigen provozierte. „Das Ministerium, Mädel! Du hast immerhin als Minderjährige einen bedeutenden Zauber in einem Muggelgebiet gewirkt. Erzähl mir nicht, dass diese Paragraphenreiter in London das einfach so ad acta gelegt haben“, knurrte Rose angriffslustig und funkelte mit giftig zusammengekniffenen Augen zu der gegenüberliegenden Sitzbank hinüber. Dort schien sich die steif sitzende Ilona mit einem Mal sichtlich unwohl zu fühlen. Dennoch entgegnete die Kleinere der beiden nach kurzem, nachdenklichem Schweigen wenigstens dem Anschein nach ruhig: „Sie haben mich wohl vergessen. Ich erhielt bis heute noch keine Verwarnung vom Ministerium.“ Die junge Weasley schnaubte daraufhin empört, unterließ aber jeden weiteren Kommentar dazu. Sie wusste, dass Ilona log. Nach den sechs Schuljahren, in denen sie zusammen durch dick und dünn gegangen waren, kannten die beiden Freundinnen sich einfach in und auswendig. Aber dennoch bohrte Rose nicht weiter. So genau wollte sie es ja auch wieder nicht wissen. Alles, was zählte, war, dass Ilona die sich manchmal unmöglich aufführende Rose neben sich schon gefühlte Ewigkeiten lang ertrug. Und immer noch gern die Nähe der aufbrausenden Gryffindor aufsuchte, wenn sie eine Kameradin mit Mut und Courage brauchte. Und die hatte die Blonde tatsächlich öfters nötig. Denn Ilona Una war in ihrem ersten Jahr dem Hause Hufflepuff zugeteilt worden. Und da sich bei den Dachsen die meisten Flaschen herumtummelten, waren deren Schüler auch die beliebtesten Opfer aller Slytherin. Aber Ilona rührte man nicht an. Zumindest nicht seit dem Massaker in der zweiten Klasse, in dem Rose beinahe die ganze große Halle in die Luft gesprengt hatte, nachdem Scorpius ihrer Kollegin wieder einmal eine gehässige Bemerkung hinterhergeworfen hatte. Scorpius. Mit einem Mal kam der Weasley die Galle hoch. Scorpius Hyperion Malfoy. Allein bei dem schlichten Klang dieses Namens knirschte Rose wütend mit den Zähnen. Mit der so mühselig aufgebauten Ruhe, die sie Ilona zuliebe manchmal zeigte, war es mit einem Schlag wieder vorbei. Das Mädchen hätte nun am liebsten irgendetwas zertrümmert. Etwas Großes. Wertvolles. Und Teures. Am liebsten etwas aus dem Besitz dieses Schleimbeutels. Wenn es in Hogwarts so etwas wie Todfeinde gab, dann waren sie und der blasse Schönling eindeutig die aussichtsreichsten Kandidaten für diesen Posten. Und in wenigstens einem Punkt war die Weasley sich mit ihrem ansonsten verhassten Vater in Bezug auf diese Schleimschnecke einig: Sie würde lieber sterben, als dem Spross aus dem Hause Malfoy in irgendetwas nachzustehen. Dies galt besonders für Schulerfolge. Also lernte die Rothaarige wie verrückt, um auch ja besser als der beschämend pfiffige, blonde Slytherin zu sein. Mit Ilona, dem Wunderkind, konnte sie zwar nicht mithalten; aber bis zum heutigen Tage war sie in jedem Jahrgang zumindest Zweitbeste geworden. Malfoy hatte sich immer mit dem dritten Platz zufrieden geben müssen. Das wurmte ihn beziehungsweise befriedigte Rose gleichermaßen. Aber wenn man gerade vom Teufel spricht oder an ihn denkt, hat er üblicherweise die schlechte Angewohnheit, genau in diesem Moment aufzutauchen. So auch Scorpius. Mit einem Mal wurde die Tür des Abteils aufgerissen und der Slytherin stolzierte gewichtigen Schrittes herein. Sofort hatte Rose ihren Zauberstab gezogen. Der Wütenden entging bei dieser an sich lobenswerten Reflexhandlung jedoch ein wichtiger Punkt: Scorpius war nicht dumm. Deswegen hatte der junge Mann ebenfalls bereits den Zauberstab gezogen, lange bevor er sich in die Höhle des Weasley Löwen gewagt hatte, und murmelte nun blitzschnell einen Entwaffnungszauber, bevor ihn seine Intimfeindin aus der Tür hinaus sprengen konnte. „Expelliarmus!“ Roses Zauberstab flog wild durch die Luft, während seine Besitzerin hilflos zurück in den Sitz geschleudert wurde, von dem sie sich bereits halb erhoben hatte. Bevor Malfoy jedoch das entflohene Zauberwerkzeug höhnisch grinsend auffangen konnte, war Ilona bereits zur Stelle. Scorpius hatte zwar keine Ahnung, was auf einmal passiert war, aber plötzlich stand er mit leeren Händen auf der Schwelle zum Abteil der beiden Freaks, während Rose frech grinste und Ilona ruhig mit drei Zauberstäben gleichzeitig in einer Hand dasaß. Perplex öffnete der Slytherin seinen Mund. Und schloss ihn auch sofort wieder. Eigentlich sollte ihn bei diesen zwei Missgeburten gar nichts mehr wundern. Die waren doch sowieso nicht mehr zu retten… „Schon gut.“ Zum Zeichen seiner Resignation hob Scorpius beide Hände. „Ich gebe auf.“ „Das hört man gerne. Und jetzt verpass ihm einen richtig gemeinen Fluch, Ilona, ja?“ Mit hoffnungsvoll glitzernden Augen wandte Rose sich ihrer besten Freundin zu, die jedoch nur knapp den Kopf schüttelte. „Zuerst soll er erklären, warum er hierher gekommen ist“, präzisierte das Mädchen wortreich ihre Weigerung, dem blonden Jungen Schmerzen zuzufügen. „Kann ich wenigstens meinen Zauberstab zurückbekommen?“, nörgelte der Slytherin mit betont lässig verschränkten Armen dazwischen. Die Antwort kam gleichzeitig und überraschend einig „Nein.“ „Na gut, na gut.“ Genervt zog der jüngste Erbe des Malfoy Imperiums beide Augenbrauen in die Höhe. „Ich habe dir etwas mitzuteilen, Weasley.“ Stille legte sich über das Abteil. Nach einer angemessenen Pause setzte Scorpius seufzend fort. „Unter vier Augen.“ „Eher sterb ich“, war der einzige Kommentar der Rothaarigen dazu. Eine Zornesader pulsierte plötzlich an der Stirn des dunkelblonden Malfoy und er musste sich sehr zusammennehmen, um nicht einfach loszubrüllen, als er nun betont sachlich versuchte, die Tatsachen darzustellen: „Das geht nur Vertrauensschüler etwas an.“ „Und du glaubst ernsthaft, dass Ilona etwas ausplaudern würde?“, entgegnete Rose spöttisch. Die junge Frau fläzte nun mit einem Mal wieder entspannt auf ihrer Seite des Abteils und zeigte dem Slytherin Schüler dabei seelenruhig den Mittelfinger. Sie hoffte, dass Malfoy wegen dieser groben Unfreundlichkeit vielleicht doch noch die Beherrschung verlieren und mit ihr eine Prügelei vom Zaun brechen würde. Genau wie in ihrem vierten Jahr. Damals hatten sowohl er als auch seine involvierten Spießgesellen eindeutig den Kürzeren gegen die rasende Gryffindor gezogen- somit wäre der heutige Faustkampf sowieso schon praktisch entschieden gewesen. Das war dem Slytherin wohl auch bewusst und er atmete nur einmal zischend aus, bevor er betont ruhig weiterpalaverte: „Wie du willst, Weasley!“ Dann jedoch verfiel seine Stimme. Gespanntes Schweigen breitete sich aus, bis die einzige Rothaarige im Raum es nicht mehr aushielt und beinahe in normaler Lautstärke zu wissen verlangte: „Spucks aus, Malfoy, und dann verschwinde endlich!“ Ilona, von der man bis her überhaupt nichts gehört hatte, schaltete sich mit einem Mal besorgt ein. „So schlimm?“ Beinahe mitfühlend fiel der Blick ihrer kohlschwarzen Augen auf den sich sofort versteifenden Slytherin. „Natürlich nicht“, brummte er, hob aber gleichzeitig nicht den Blick vom Boden, wo er scheinbar hochinteressiert seine zu Hochglanz polierten Schuhe musterte. Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Wenn einem Malfoy einmal die Worte fehlten, war Feuer am Dach. „Zuerst meinen Zauberstab.“ Rose wollte bereits wütend auffahren, doch Ilona warf der jungen Frau einen bittenden Blick zu. Knurrend musste die Weasley also nachgeben. „Na gut…Aber wehe, du versuchst uns nur auch ein Haar zu krümmen, Slytherin“, fauchte sie, wobei sie das letzte Wort ausspuckte wie etwas sehr Widerwärtiges, das sie nicht länger als nötig in ihrem Mund haben wollte. Ihre Freundin warf Scorpius daraufhin vorsichtig seinen Zauberstab zu. Der Junge fing das Zauberhandwerk gekonnt auf. Und dann sprudelte es plötzlich aus dem Vertrauensschüler heraus. „Sie haben Dementoren auf den Ländereien von Hogwarts gesichtet. Jeder Vertrauensschüler ist angehalten, diese Information aber derweil noch streng geheim zu halten, da ansonsten eine Massenpanik unter den jüngeren Klassen drohen könnte.“ Mit einem Mal legte sich eisige Kälte um Roses Herz. Plötzlich fiel es der jungen Frau schwer zu atmen. Sie rang keuchend nach Luft und wäre beinahe sofort ohnmächtig auf ihrem Sitz zusammengeklappt, hätten sie nicht plötzlich zwei dünne Arme an den Schultern gepackt und unsanft durchgerüttelt. „Bleib wach, Rosie“, flüsterte Ilona ihr verzweifelt zu. „Du darfst jetzt unter keinen Umständen schwach werden…“ Da ging mit einem Mal das Licht aus. „Was ist denn jetzt los?“, schnarrte Scorpius mit betont kühl gehaltener Stimme. Er hatte sich scheinbar als Erster von dem Schock, plötzlich in kompletter Finsternis zu stehen, erholt. Genervt kramte er nun seinen eben verstauten Zauberstab wieder hervor und ließ ihn mit einem leisen „Lumos!“ leicht aufleuchten. Was er in dem schwachen Licht jedoch zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache. In dem Abteil der beiden Freaks war es plötzlich eiskalt geworden. Doch das war es nicht, was den jungen Malfoy so überraschte. Stattdessen sah er, wie Rose, die tapfere, aufbrausende Gryffindor Rose, das Mädchen, das niemals Schwäche zeigte, sich hilflos und in namenlosem Schrecken erstarrt an eine ebenfalls sehr unruhig wirkende Ilona klammerte. Die Blonde schien bei dieser ganzen unwirklichen Szenerie aber wenigstens noch einen letzten Rest von Nervenstärke behalten zu haben. Sie flüsterte unhörbare, tröstliche Worte in das Ohr der Rothaarigen, wohl im Bestreben, die plötzlich stark Zitternde wieder zur Räson zu bringen. Aber es schien nichts zu helfen. „Was hat sie?“ So sehr Scorpius seiner Erzfeindin auch alles nur erdenklich Schlechte an den Hals wünschte- dies hier überstieg sogar seinen, sowieso nicht allzu ausgeprägten, schlechten Geschmack. Unschlüssig wedelte er etwas mit seinem Zauberstab hin und her, um noch mehr Licht in der unerwarteten Finsternis zu verbreiten. Als ein Lichthauch dabei auf das rote Haar der vor Angst Bebenden fiel, blickte ihm Rose zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mit ihren stechend hellblauen Pupillen direkt in die Augen. Und die Wirkung auf seinen Anblick war verheerend. „RAUS HIER, DU SCHLEIMSCHNECKE!“, brüllte das Mädchen, mit einem Mal wieder voll reaktionsfähig, wie verrücktgeworden los. Sie stierte den perplexen, jungen Mann dabei aus rollenden Augen dermaßen fuchsteufelswild an, dass es der Spross aus dem Hause Malfoy direkt mit der Angst zu tun bekam. Er stolperte rückwärts und über die Schwelle des Abteils hinaus. Dabei versuchte der Slytherin instinktiv, sich an der Schiebetür festzuhalten. Er erwischte den Haltegriff auch, aber rutschte nur einen Moment später mit seinen Fingern daran ab. Nur mit Mühe konnte Scorpius sich im Gleichgewicht halten. Nachdem er sich erst einmal von dem unerwarteten Schreck erholt hatte, richtete der Junge seinen leuchtenden Zauberstab verwirrt auf die plötzlich glitschig gewordene Tür. Aber sie war gar nicht glitschig geworden. Kaltes, funkelndes Eis spiegelte im Schein des Lichts die erschrockene Miene des Malfoys wieder. Aber damit nicht genug. Mit einem Mal wurde es hinter Scorpius noch kälter. Kälter, als es ohnehin schon im Abteil gewesen war. Der Slytherin fühlte sich plötzlich zutiefst unglücklich und verängstigt. Alte, dunkle Erinnerungen, die er längst verdrängt zu haben glaubte, schossen plötzlich in ihm hoch und schnürten dem Jungen die Luft ab. Das war doch nicht möglich. Sie konnten doch nicht bereits den Zug nach Hogwarts gekapert haben! Oder? Langsam drehte Scorpius sich um. Sein Mund öffnete sich zu einem lauten Schrei, doch kein Ton schien auf einmal mehr aus seiner Kehle kommen zu wollen. Der hell leuchtende Zauberstab entglitt seinen heftig zitternden Fingern und landete mit einem kleinen Ploppen auf dem Boden. Das Licht ging aus. Beinahe konnte man sich einbilden, dass der Dementor auf dem Gang lächelte. Ilona Una glaubte sich in einem Déjà-vu gefangen. Bereits zum zweiten Mal in ihrem Leben begegnete sie einem Dementoren. Eine Rasse, die, dem Zaubereiministerium nach, seit dem Verschwinden Voldemorts von der Erdoberfläche verschwunden war. Dafür sah das schwarzumhüllte Monster im Gang aber allzu lebendig aus. Mit seinen verwesten Leichenfingern packte der Dementor überraschend schnell den Kopf des hilflos vor ihm erstarrten Scorpius und zog das furchtsame Antlitz gierig zu sich. Ilona musste sofort handeln, wenn sie nicht wollte, dass der Junge den Rest seiner Lebtage als seelenlose Hülle fristen wollte. Und obwohl sie den stolzen Malfoy Spross nicht wirklich mochte: Dieses Schicksal wünschte sie nicht einmal ihrem schlimmsten Feind. Mit der linken Hand zog das Mädchen hastig seinen Zauberstab heraus. Mit der rechten zog sie gleichzeitig Rose an sich, die apathisch in die Leere starrte. Ilona intonierte klar: „Expecto Patronum!“ Ein heller Lichtblitz raste plötzlich, von ihrem Stab ausgehend, rasend schnell auf den Dämon zu. Der Dementor musste den wie Espenlaub zitternden Scorpius loslassen und wütend in die Dunkelheit des Ganges zurückweichen, wenn er von dem Patronus nicht in Stücke gerissen werden wollte. Wie ein lebendiger Schutzschild baute sich der Schutzgeist daraufhin knisternd auf der Schwelle des Abteils auf und ließ dem Ungeheuer somit keine Chance, wieder einzudringen. Aber da waren noch mehr. Noch viel mehr. Mit vor Schreck geweiteten Augen machte Ilona nach und nach bestimmt sieben weitere Dementoren aus, die allesamt umtriebig in dem Korridor, der zu den ganzen Abteilen führte, herum huschten. Sie schienen nach niemand Bestimmtem zu suchen- die Monster hatten wohl einfach nur Hunger. Aber wie hatten sie hier nur eindringen können? Ilona erschauderte von ganzem Herzen. Ob die anderen Schüler einen Patronus herbeirufen konnten, um sich gegen die Dementoren verteidigen zu können? Sie bezweifelte es. Aber bevor das Mädchen überhaupt dazu kam, den nächsten klaren Gedanken zu fassen, ertönte ein einzelner Schrei und das Licht ging wieder an. Ein letzter Schatten huschte an der Abteiltür vorbei und wurde von dem Patronus nur mit einem Zischen weggejagt. Überrascht blinzelte Ilona. Was war denn nun passiert? Plötzlich wurde Getrappel auf dem Korridor laut. Hektisch durcheinanderrufende Stimmen bewiesen der Hufflepuff endgültig, dass die Gefahr nun wohl vorläufig vorbei sein musste. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabs ließ sie, immer noch verwundert über die so übertrieben rasche Flucht der Dementoren, den Patronus verschwinden. Ein erneutes, ohrenbetäubendes Knallen ertönte plötzlich auf dem Gang und ließ die ängstlichen Kinder und Jugendlichen allesamt furchtsam verstummen. Aber es war nur ein magisch verstärkter Lautsprecher, der nun, von überallher gleichzeitig, zu verkünden begann Alle Schüler werden gebeten, in ihre Abteile zurückzukehren. Die Ankunft in Hogwarts wird so schnell wie möglich in die Wege geleitet. Bitte machen Sie sich bereit! „Oh verdammte Scheisse!“ Das war das erste Mal, dass Rose seit der Erwähnung des Wortes „Dementor“ wieder sprach. Sie blickte Ilona, die sie immer noch bestimmt an sich gedrückt hielt, fassungslos an und wollte mit überraschend kräftiger Stimme wissen: „Ich bin ohnmächtig geworden, nicht wahr?“ „Fast“, entgegnete ihre Freundin mit besorgter Miene. „Du warst plötzlich nicht mehr ansprechbar. Geht es dir wieder besser?“ Doch bevor die Gefragte auch nur den Mund aufmachen konnte, mischte sich Scorpius unerlaubt ein. Der überraschend schnell von seiner Angst kurierte Vertrauensschüler schnaubte verächtlich durch die Nase und höhnte verächtlich: „Du hast die ganze Show verpasst, Wiesel! Ganz schön schwache Leistung, von einem Dementor Angst zu haben!“ Bei der Erwähnung des gefürchteten Untiers zuckte Rose zusammen. Im nächsten Moment hatte sie sich aber wieder unter Kontrolle und begann lauthals zu kreischen: „DAS MUSST GERADE DU SAGEN, DU FEIGES STÜCK…“ Kurzentschlossen unterbrach Ilona das zu eskalieren drohende Gespräch und rief ungewohnt scharf: „Jeder hat Angst vor Dementoren. Das ist logisch, denn schließlich sind diese Monster die Angst selbst.“ „Du hast uns mit deinem Patronus wieder gerettet, nehme ich an“, fuhr Rose trotz der Unterbrechung ungerührt fort und bedachte Scorpius dabei mit einem gehässigen Nebenblick. „Oder hat Malfoy etwa auch etwas zu unserer Rettung beigetragen?“ „Das ist jetzt nicht wichtig“, wiegelte Ilona sofort diplomatisch ab und erhob sich nun langsam, wobei sie ihre beste Freundin gleich mit sich zog. Diese schien noch etwas Geharnischtes sagen zu wollen, aber die Hufflepuff legte der Rothaarigen kurzentschlossen den linken Zeigefinger auf die Lippen und legte all ihre Überzeugungskraft in die nun folgenden fünf Wörter: „Wir werden uns jetzt umziehen.“ Einen Moment noch starrte Rose sie unversöhnlich an. Dann senkte die Weasley jedoch plötzlich überraschend unterwürfig den Kopf und nickte einmal kurz. Ilona entfernte vorsichtig ihren Finger und wandte sich halb Scorpius zu, um ihn zu bitten, das Abteil nun doch freundlicherweise zu verlassen. Das einzige Problem dabei bestand darin, dass die Schlange schon längst aus dem Abteil geflüchtet war. Die Blonde schüttelte resigniert den Kopf. „Ich höre nur auf dich, weil du mir gerade wieder das Leben gerettet hast, klar?“, murrte Rose in diesem Augenblick missgünstig und warf der neben ihr stehenden, jungen Frau einen stechenden Blick zu. Ilona versuchte zu lächeln. Aber so richtig wollte ihr dies nun nicht mehr gelingen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)