Die Karten legt das Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 21: Einladung zum Geburtstag ------------------------------------ Es war eine tolle Zeit mit Paul gewesen und auch Madeline konnte mit dem Gedanken Leben, dass wir beide einander gern hatten. Ich war wirklich dankbar darüber. Doch wie so oft waren schöne Momente rar gesät und wie ich das Gebäude des Jugendamtes betrat merkte ich, wie nervös ich wieder wurde. Unruhig knetete ich meine Hände ineinander und starrte auf den Boden zu meinen Füßen. Ich war unruhig und schloss kurz die Augen um mich zu beruhigen. Immer wieder begann mein Puls zu rasen und nur durch ruhiges ein- und ausatmen schaffte ich es, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen. Schon in der Nacht hatte ich nicht gut geschlafen und immer wieder gingen mir Varianten durch den Kopf, wie dieses Gespräch heute im Jugendamt ablaufen könnte. Die größte Sorge die ich hatte war, dass ich vollkommen ausflippte. Wenn Brian und ich uns anschrieen, wie vor meiner Haustür, warf das sicher kein gutes Bild auf uns. Ich war froh, dass ich es dennoch schaffte mein Arbeitspensum zu schaffen. Würde das noch einknicken, bekäme ich sicherlich noch Probleme mit meinem Chef. Noch bevor ich mich auf den Weg hier her gemacht hatte, hatte Benjamin mir noch ins Gewissen geredet. Ich sollte den Kopf nicht verlieren und mir die Vorschläge durch den Kopf gehen lassen. Doch es war so verdammt schwer nachzugeben, wenn man eigentlich vollkommen davon überzeugt war, dass man Recht hatte. Erneut drangen mir Pauls Worte in den Kopf. Was würde Madeline wollen und was würde sie enttäuschen. Vielleicht nicht jetzt, aber in vielleicht 10 oder 15 Jahren. Unsicher biss ich mir auf die Lippen. Wie sollte ich das Gespräch führen? Was war richtig und was war falsch? Sollte ich Kompromisse vorschlagen? Und wenn ja, wollte ich das überhaupt? Kurz strich ich mir mit beiden Händen übers Gesicht und setzte mich langsam auf. Der Verkehr war besser gewesen als ich dachte und so kam es, dass ich 10 Minuten zu früh im Jugendamt eingetroffen war. Tief ein- und ausatmend versuchte ich erneut meine Gefühle und Gedanken zu ordnen. Auch versuchte ich angestrengt meine Gefühle nicht in meine Entscheidungen einfließen zu lassen, etwas was mir derzeit einfach nicht gelingen wollte und etwas, was sich einfach unglaublich schwer anfühlte. Ich betrachtete die Bilder an der Wand. Es waren dieselben, die auch bei meinem letzten Besuch hier hingen. Niemand sonst saß hier im Flur und wartete. Doch ich hörte Stimmen hinter einer anderen verschlossenen Tür. Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde und als ich automatisch in die Richtung blickte, sah ich Brian. Die Haare waren ordentlich gekämmt. Auch er wirkte angespannt und ich war wahnsinnig froh, ihn ohne diese Frau zu sehen. Sie war ein Störfaktor in meinen Augen und doch sollte es mir eigentlich egal sein. Doch immer war sie da gewesen und immer hatte sie sich eingemischt. Die Höflichkeit gebot mir ihm zuzunicken, doch etwas anderes wollte mir nicht über die Lippen gehen. Auch Brian nickte und über seine Brille hinweg betrachtete er mich. Ich versuchte es zu ignorieren und tat lieber so, als sei ich mit meinem Handy beschäftigt. Tief durchatmend meinte ich nach einem Augenblick: „Dir ist bewusst, dass die eine Situation letzten bei mir Zuhause einfach scheiße war, oder?“ Stille breitete sich zwischen uns aus und erst nach einem Augenblick nickte Brian und murmelte: „Ich weiß…“ Er wich meinen Blick aus und ich war mir sicher, dass es ihm unangenehm war, dass ich Recht hatte. Entschuldigungen lagen ihm noch nie. Selbst als wir noch verheiratet waren, war es immer etwas, was ihm einfach schwer fiel. Gerade, als ich etwas sagen wollte, öffnete sich die Tür und Mrs. Brown stand in der Tür. Ihr Blick glitt von mir zu meinem Ex-Mann, freundlich nickte sie uns zu und bat uns in ihr Büro. Sie trug eine blaue Bluse mit modernem Blumenmuster und eine dunkelblaue, enge Jeans. Einige Ketten und Armbänder waren zu sehen und freundlich blickte sie von mir zu meinem Ex-Mann. Ich setzte mich Brian gegenüber und wie beim Gespräch zuvor sagte die Sozialarbeiterin, dass sie sich Notizen machen wolle. Unschlüssig nickten wir und ich sah wie sie oben Namen und Daten eintrug. Nachdem sie alles fertig geschrieben hatte, blickte sie zu uns auf. „Zunächst einmal“, meinte sie mit einem freundlichen und doch recht bestimmenden Ton, „möchte ich Ihnen Mr. Nolan sagen, dass ich es für nicht gut erachtete, wenn sie vor der Tür ihres Ex-Mannes stehen und das auch noch unangemeldet. Im Gespräch mit Mr. Prescot habe ich gehört, dass Madeline diese laute und augenscheinlich für sie, beängstigende Situation nicht gut verkraftet hat!“ Zufrieden blickte ich hinauf und sah in die so bekannten braunen Augen Brians. Doch sein Blick galt der Sozialarbeiterin. Er nickte nur und meinte, dass er dies verstanden habe. „Aber verstehen Sie“, meinte er mit eindringlicher Stimme, „Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten und war… vielleicht etwas überstürzt, als ich zu Rick gefahren bin. Ich wollte meiner Tochter keine Angst machen, dass war nie mein Ziel.“ Unschlüssig biss ich mir auf die Lippen und hätte am liebsten gelacht. Doch ich hielt mich zurück, jetzt einfach zu lachen sähe aus, als sei ich ein Psycho. Und wieso nannte er mich wieder Rick… Ich dachte, dieses Thema hätten wir gehabt. „Ich kann nachvollziehen, dass Sie ihre Tochter sehen möchten und doch muss ich sagen, dass so etwas das nur erschweren wird“, sagte sie mit zwar immer noch freundlicher Stimme, jedoch war ein Unterton vorhanden, der eigentlich keine Widerworte zuließ. Brian nickte nur und das nächste was Mrs Brown sagte überraschte mich. „Das Gericht hat mir im Übrigen den Termin zugefaxt. Die normale Post dauert sicher noch etwas. Der Termin wird am 03.05. stattfinden, um 11.45 Uhr.“ Sofort fragte ich, ob sie mir den Zettel kopieren würde. „Das kann ich später machen“, meinte sie höflich und sprach weiter, „Ich werde jetzt mit Ihnen eine Umgangsvereinbarung erarbeiten. Ich habe bereits unabhängig voneinander erklärt, dass ich dies machen werde und befürworte.“ Alle Augen richteten sich auf mich und ich wusste, dass sie alle auf einen Einwand von mir warteten. Fest biss ich die Lippen aufeinander und starrte Brian zornig an. Ich konnte es nicht verhindern und musste einfach fragen: „Wieso, wieso tauchst du einfach auf und was passiert, wenn du plötzlich wieder einfach verschwindest? Wie soll ich das Madeline erklären?“ Den eigenen Schatten zu überspringen und etwas zu machen was so gegen die Gefühle ging, war unglaublich schwer, denn immer noch war ich mir unschlüssig, ob ich das Richtige mache. „Rick, es tut mir leid“, meinte er ruhig und strich sich kurz durch das Gesicht, „Es war damals halt alles zu viel und dann musste ich einfach ausbrechen. Es war dumm und ich bereue es, wirklich. Ich werde so etwas nicht noch mal machen! Pastor Graham meinte auch, dass ich mich wieder einkriegen sollte und das habe ich geschafft.“ Noch bevor ich dazu kam etwas zu sagen, fiel mir Mrs. Brown ins Wort. „Ich verstehe, dass hier viele Gefühle verletzt wurden und bevor wir zu der genauen Umgangsvereinbarung kommen, würde ich selbst noch zwei Themen ansprechen“, meinte sie und blickte von mir zu meinem Ex-Mann. „Mir ist es eigentlich egal welche Haltungen und Meinungen Menschen vertreten. Wie offen und aufgeschlossen wer ist, oder welche Kirche wer besucht. Doch ich möchte Ihnen etwas ans Herz legen. Sie haben sich damals mit ihrem Mann dazu entschlossen, ein Kind zu bekommen und lebten damals in einer homosexuellen Beziehung. Auch wenn sie jetzt nicht mehr in so einer Beziehung sind, heiße ich es nicht gut, dass sie es jetzt vertreten lassen, dass ihr Kind bei einem Homosexuellen nicht gut aufgehoben sei. Ich werde das auch in meinem Bericht so schreiben. Sie haben sich vor Jahren dazu entschlossen und nun so zu argumentieren finde ich fragwürdig. Wie ich bereits Mr. Prescot mitgeteilt hatte, werde ich es nicht gut heißen, dass Madeline ihren Lebensmittelpunkt wechselt und wenn sie Kontakt haben, sollten sie diesen nutzen um ihr Kind kennen zu lernen und nicht, um ihr zu erklären, dass ihr Vater nicht normal sei oder ihr zu sagen, sie bräuchte dringend eine Mutter.“ Überrascht sah ich sie an. Ich hätte erwartet, dass dieses Gespräch anders abläuft. „Meine Freundin hat mir auch schon gesagt, ich soll das sein lassen“, murmelte er genervt und blickte von Mrs. Brown zu mir, „Und ich weiß ja auch, dass es schwierig ist. Ich bin bereit zu tun, was ich tun muss, um mit meiner Tochter in Kontakt zu kommen.“ Innerlich lachte ich auf. Ich hatte vollkommen Recht gehabt. Es ging nie um das Sorgerecht, es ging einzig um Kontakte. Wie ich vermutet hatte und nun wurde ich gezwungen darüber zu verhandeln. Ich erinnerte mich an Pauls Worte, was ich tat wenn ich Madeline ihrem Vater vorenthielt. Ob sie wirklich hinterher sauer sein würde? Ich wusste es nicht, aber ich wünschte, ich hätte es gewusst. Doch es gab keine Glaskugel und ich konnte nirgends reinblicken. Tief durchatmend strich ich mir über mein Kinn und war erleichtert, dass Mrs. Brown das Gespräch führte, ich selbst wäre schon längst wieder ausgeflippt. „Ja“, meinte Mrs. Brown und ich musste mich wieder in das hier und jetzt katapultieren, denn genau jetzt begann es um das zu gehen, was wichtig war. „Wie würden Sie sich denn den Umgang vorstellen“, meinte Mrs. Brown und blickte von Brian zu mir. Mit großen Augen betrachtete ich die Sozialarbeiterin vor mir. Am liebsten hätte ich gesagt: Gar nicht. Doch diese Worte wollten glücklicherweise nicht so unbedacht über meine Lippen kommen. Ich war dankbar, dass ich mich zurückhalten konnte und nachdenklich strich ich mir durch die schwarzen Haare und blickte von der Sozialpädagogin zu meinem Ex-Mann. Unsere Blicke trafen sich und immer noch waren seine Augen unheimlich vertraut. Doch anders als früher war da dieser harte Zug um seine Lippen und ich konnte nur mutmaßen, dass um meine Lippen der gleiche Ausdruck lag. „Ich glaube, wenn es nach meinem Ex-Mann geht, dann gar nicht“, stichelte Brian und blickte mich provozierend an. Mit verengten Augen betrachtete ich den Mann vor mir. Nur am Rande bekam ich mit, wie Mrs. Brown sich Notizen machte, wann sie es davor getan hatte wusste ich gar nicht. Ich hatte nicht darauf geachtet. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass sie auf der Seite von Brian sei. Weswegen genau, hätte ich nie erklären können. Tief atmete ich durch, denn zu lange durfte und wollte ich jetzt auch nicht schweigen. „Ja, ich habe mir Gedanken gemacht. Gedanken ob es gut ist oder nicht. Und… ich weiß nicht was Richtig oder Falsch ist. Doch ich möchte mir… glaube ich, hinterher nicht anhören, dass ich etwas verhindert habe, was meine Tochter vielleicht wollte…. Wenn du sie wieder im Stich lässt… ach, ich weiß auch nicht“, meinte ich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick durch das Büro schweifen. Ich betrachtete eine Karte der Stadt Portland und fragte mich, was diese Frau wohl alles in ihrem Job sah. Selbst machen würde ich ihn freiwillig nicht! Ich bemerkte selbst, dass ich mich extra ablenkte und zwang meine Gedanken wieder zu dem Gespräch zurückzufinden und meine grünen Augen suchten die des Mannes vor mir. „Ich verstehe ihre Sorge“, meinte Mrs. Brown freundlich und lächelte mich an. Ich nickte leicht und konnte mir denken, dass hier schon öfter Ex-Paare wie wir gesessen hatten. Vielleicht auch welche, welche noch mehr Streit hatten. Erneut legte sich Schweigen über uns und als ich zu der Sozialarbeiterin schaute, sah ich wie sie einen Zettel zur Hand nahm. „Wir haben dafür etwas, was wir begleiteten Umgang nennen. Diese begleiteten Umgänge finden um die zehn Mal statt und werden von einem Pädagogen begleitet. Sie würden Madeline zum Beispiel hier her bringen. Wir haben hier für so etwas einen extra Raum, in dem wir Spiele und eine Couch haben. Dort bringen sie ihre Tochter eine viertel Stunde vorher hin. Sie wird dann mit der Pädagogin auf Mr. Nolan warten und nach circa einer Stunde können sie ihre Tochter wieder hier abholen. Sie brauchen sich dann keine Sorgen zu machen, dass Madeline irgendetwas passiert und ich bekomme später einen Bericht, den ich zu meiner Stellungnahme hinzufügen kann.“ Unschlüssig nickte ich und dachte über diesen Vorschlag nach. Ich wollte nicht, dass Madeline Kontakt zu ihm hatte. „Sollen wir dann nicht die Gerichtsverhandlung abwarten“, meinte ich und versuchte einfach Zeit zu schinden. Ich bemerkte, wie Brian die Lippen aufeinander presste und mich missmutig betrachtete. Auch Mrs. Brown blickte mich unschlüssig an und meinte: „Können wir auch. Doch ich vermute, dass es eh darauf hinausläuft. Wir können auch jetzt etwas fest machen und schauen, wie es sich entwickelt“, schlug sie in einem neutralen und sachlichen Ton vor, den ich nicht einzuschätzen vermochte. „Madeline hat aber in eineinhalb Wochen Geburtstag“, meinte ich ausweichend, „Und ich würde sagen, wir können danach starten. Brian hatte ihr schon Angst gemacht.“ Ich hörte ein genervtes Stöhnen und Brian polterte genervt: „Man Rick, ist doch egal! Dann lass mich doch mit unserer Tochter den Geburtstag nachfeiern. Hast du nicht gehört, dass der Richter vermutlich eh so etwas einleiten wird?“ Ich spürte wie etwas in mir implodierte und ich konnte nicht verhindern, es nach außen zu zeigen! „Es ist deine Schuld, dass du nie einen Geburtstag deiner Tochter mitbekommen hast!“, fuhr ich ihn wütend an und schlug mit der Hand tatsächlich auf den Tisch. Dieser Mann brachte mich zur Weißglut! Ein kleiner Funke genügte und ich konnte hochgehen wie eine Bombe. „Mr. Prescot!“, fuhr mich die Sozialarbeiterin an, „Ich möchte, dass dieses Gespräch weiterhin ruhig und konstruktiv verläuft, dasselbe gilt für sie, Mr. Nolan.“ Wütend funkelten wir einander an und ich schluckte meine Wut hinunter. Ich biss mir leicht auf die Lippen und als sich Brian und ich uns in die Augen sahen, verengten sich unsere Augen. „Bis zum Gerichtstermin sind noch gut drei Wochen“, meinte Mrs. Brown, „Und bis dahin könnten wir den begleiteten Umgang vorbereiten. Bis dahin muss ich eh jemanden finden, der dafür Kapazitäten hat und das mit meinem Chef abklären. Dennoch sollten wir wenigstens einen ersten Termin festlegen.“ Stur meinte ich genervt, dass dieser Termin nicht vor ihrem Geburtstag sein sollte. „Wie wäre es mit dem Montag nach ihrem Geburtstag“, schlug Mrs. Brown vor und Brian und ich blickten einander stur in die Augen. In meinen Kopf ratterte es. Wenn ich nicht auf den Kompromiss einging, würde das Gericht vermutlich bestimmen, dass genau das umgesetzt würde und so war Madeline wenigstens nicht alleine mit Brian. Langsam nickte ich und schloss verzweifelt die Augen „Okay“, raunte ich und zwang mich nachzugeben. Ob es richtig war oder nicht, dass wusste ich nicht und ich vermutete, dass ich es auch in den nächsten Tagen nicht wissen würde. „Ich schaue, dass ich es montags schaffe sie hier her zu bringen. Aber es wird sicher nicht vor 16.30 sein“, meinte ich genervt und holte mein Handy aus der Tasche. Endlich war ich am Kindergarten und holte meine Tochter ab. Sie saß mit einem anderen Kind am Maltisch und unterhielt sich. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich, dass es Candy war. Sie reichte meine Tochter gerade einen Stift und sie schienen die einzigen Kinder hier zu sein. Anna, die Kindergärtnerin nahm mich kurz beiseite und berichtete mir kurz von Madelines Tag. Doch anders als meine Prognosen, war dieser ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Nur das Madeline beim Toben hingefallen sei und eine Schramme am Knie hatte. Ich winkte ab und sagte, dass das immer mal passieren könne. „Stimme es eigentlich“, fragte Anna mit freundlicher Stimme, „Dass sie einen neuen Partner haben? Madeline erwähnte da etwas.“ Leicht lächelte mich Anna an und grinsend und gleichzeitig augenverdrehend sah ich zu meine Tochter. „Ja, aber es ist noch nicht… also ja schon und Madeline hat ihn auch schon kennen gelernt“, meinte ich grinsend und konnte das Strahlen nicht aus meinem Gesicht verbannen. Dieses Gespräch tat gut, denn es lenkte von dem ab, welches ich vor einer Stunde geführt hatte. Anna kannte mich und ich sah deutlich in dem Gesicht der jungen Frau, dass sie sich wirklich freute für mich. „Madeline hatte schon gesagt, dass er auch zu ihrem Geburtstag kommt“, meinte sie und perplex blickte ich sie an. „Ach?“, meinte ich verwirrt, „Hat sie das? Gut das ich davon noch nichts weiß und er auch nicht. Dann sollte ich ihm das gleich mal sagen.“ Beide lachten wir auf und ich hörte hinter uns meine Tochter nach mir rufen. „Du bist ja da“, rief sie und ich sah, dass sie im Gesicht und auf den Händen bemalt war. „Ja bin ich“, meinte ich schmunzelnd und sah, dass auf ihrem Knie ein Pflaster klebte. „Da ist das Wetter einen Tag mal richtig gut, du ziehst eine kurze Hose an und kommst gleich mit einem Tiger auf den Knie nach Hause“, meinte ich und hockte mich hinunter zu meinem Kind. Grinsend tippte sie auf das Pflaster und sagte: „Ich bin ausgerutscht. Als Taylor mich fangen wollte“, erklärte sie und in mein Gesicht. „Und?“, fragte ich grinsend, „Hast du geweint?“ Mit großen grünen Augen blickte sie von mir zu Anna und leise murmelte sie: „Nur ein bisschen.“ Leise lachend erhob ich mich wieder und wuschelte ihr durch die Haare. „Komm zieh deine Sachen an“, meinte ich grinsend und verabschiedete mich von Anna. Gemeinsam mit Madeline saß ich im Auto und lauschte ihren Berichten und erst als sie aufhörte zu erzählen fragte ich sie: „Stimmt es, dass du Paul zu deinem Geburtstag einladen möchtest?“ Als ich in den Rückspiegel blickte sah ich, dass sie nickte und fröhlich meinte sie: „Ja. Ich finde ihn nett. Wenn er kommt, ist das okay“, meinte sie und als ich ihr sagte, dass sie ihn aber einladen müsse, murmelte sie ein okay. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, denn sie zeigte mir, dass sie mir und Paul wirklich eine Chance gab. Sie schien keine Angst zu haben, dass er mir wichtiger werden könnte. „Darf ich ihn anrufen“, fragte sie auf einmal und verwirrt sagte ich ohne groß darüber nachzudenken „Okay“. Als wir Zuhause waren, verlangte Madeline tatsächlich, dass ich Pauls Nummer wählte und schmunzelnd setzte ich mich mit ihr auf unsere Treppe. Sie schien Nägel mit Köpfe machen zu wollen. Schell wurde abgenommen und die entspannte Stimme von Paul drang an meine Ohren: „Na, hat da wer Sehnsucht?“ Leise und frech erwiderte ich: „Nur nach bestimmten Teilen von dir. Nein Spaß. Madeline will mit dir sprechen.“ Sie konnte mit diesem Humor eh nichts anfangen und verstand ihn nicht. Zum Glück. Ein verwirrter Laut drang an meine Ohren. Natürlich war er verwirrt, denn wann wollte schon eine fast vierjährige mit einem telefonieren. „Okay“, meinte er und klang immer noch verwundert. Ich reichte meiner Tochter mein Handy und etwas ungeschickt hielt sie es sich an ihr Ohr. Stolz sah sie aus mit dem Handy in der Hand und ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Zu gerne hätte ich davon ein Foto gemacht. „Hallo, Paul“, sagte und obwohl sie gerade so stolz wirkte, da sie mit meinem Handy telefonieren durfte, sprach sie dennoch sehr leise und piepsig. „Bei mir ist alles gut. Und Jane war nicht im Kindergarten…. Ja, finde ich auch. Ich will, dass du zu meinem Geburtstag kommst“, sagte sie und nach einem Augenblick hörte ich, dass Paul etwas sagte. Doch genau konnte ich es nicht entschlüsseln. Doch als Madeline antwortete, wusste ich, was er gefragt hatte. „Ich weiß nicht genau wann. Aber bald“, erklärte sie und ich half ihr das große Handy am Ohr zu halten. Ich hatte keine Lust, dass es auf den Boden fiel. „Das ist toll“, meinte sie leise und als erneut etwas gesagt wurde, verstand ich das Wort „Geschenk.“ „Ich mag Puppen und Einhörner und Frozen“, sagte sie und als erneut Paul etwas sagte, reichte sie mir das Handy wieder. „Er kommt“, meinte sie zufrieden und ich nahm mein Smartphone entgegen. „Ich spiel jetzt oben“, meinte sie grinsend und zufrieden ging sie rauf. Das Handy ans Ohr nehmend, meinte ich: „Ich bin da. Also du kommst zum Geburtstag?“ Lachend meinte Paul: „Nach der süßen Einladung auf jeden Fall. Sag mir nur, wann er ist.“ Sofort sagte ich ihm das Datum und meinte: „Sie hat Glück und ich auch. Sie hat an einem Freitag Geburtstag. Meine Familie kommt auch… die würdest du auch kennen lernen und Taylor aus dem Kindergarten.“ Kurz war Stille am Ende der Leitung zu hören und nach einem Augenblick fragte Paul: „Und du willst mich dann deinen Eltern vorstellen?“ Sofort sagte ich ja. Mich störte es nicht und wenn sie ihn kannten, waren sie sicher froh, dass ich endlich die Chance auf eine vernünftige Beziehung hatte. „Okay…. Ja, ich komme. Du musst mir nur sagen, was ich besorgen soll. Oder besorg du was und ich gebe dir das Geld wieder. „In Ordnung“, meinte ich und ging in das Wohnzimmer. Schwer seufzte ich auf und ohne, dass Paul nachfragte, begann ich einfach von meinem Tag zu erzählen. Ich berichtete von dem Gespräch im Jugendamt und von dem Vorschlag des begleiteten Umganges. Ich musste es einfach los werden und dieser Mann betrachtete die Situation immer aus einem anderen Blickwinkel. Einem klareren, wenn ich ehrlich war. „Hm“, meinte Paul, nachdem ich ihm das Konzept vorgestellt hatte, „das klingt doch gar nicht verkehrt. Du weißt, dass Madeline nicht mit ihm alleine ist und du entzieht ihr nicht ihren Vater… Richie, ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber ich denke wirklich, dass es der richtige Weg ist. Auch wenn du es scheiße findest, das kann ich verstehen.“ Genervt seufzte ich auf und meinte: „Nenne mich nicht Richie.“ Ich wollte ablenken und ich mochte den Namen einfach nicht. Das Lachen am anderen Ende der Leitung ließ mich kalt und Paul erwiderte: „Ich finde Richie besser als Rick und lenk nicht immer ab. Ich meine es wirklich ernst. Hab mich sogar für dich im Internet schlau gemacht. Aber wesentlich schlauer als vorher bin ich auch nicht. Versuch es für Madeline. Sie kann so etwas noch nicht selbst entscheiden und so hast du immer das Argument, ich wollte dir nie ein Elternteil vorenthalten.“ Fast schon genervt raunte ich ihm zu, dass ich das wisse. „Ist trotzdem irgendwie doof. Ich soll ihr auch noch Lust auf das Treffen machen hat die Sozialarbeiterin gesagt. Ich hab keine Ahnung, wie ich das machen soll. Vor allem nicht nach der Aktion, wo er vor der Tür stand mit dieser Hannah. Ich war ja schon froh, dass er die nicht mitgebracht hat.“ Ich hörte ihn tief ein und ausatmen am Telefon. „Du hast ja noch etwas Zeit bis dahin. Also komm schon. Das schaffst du auch. Brauchst du mich heute, sonst würde ich mich nämlich zum Sport auf machen.“ Nachdenklich meinte ich: „Kannst ja mit dem Fahrrad vorbei kommen. Dann können wir zu dritt eine Runde fahren.“ Es wurde still am Ende der Leitung und als ich verwirrt nachfragte, ob er noch dran sei, raunte er leise ein ja, in den Hörer. Weswegen verstand ich erst, als er wieder begann zu sprechen. „Ich kann kein Fahrrad mehr fahren“, meinte er leise und als ich wiedersprach sagte er erneut, dass er es nicht mehr könne. Ich merkte, dass ich gerade gegen eine Wand sprach und schlug vor: „Was hältst du davon, wenn wir das am Wochenende einfach ausprobieren?“ Er schien immer noch zu große Sorge zu haben. Wie man ihm diese nehmen könnte, wusste ich selbst nicht. Der simpelste Spruch der mir durch den Kopf schwirrte war, dass er sich einfach auf seinen Drahtesel setzten sollte, um es zu versuchen. Doch vermutlich war es für ihn genauso schwer, wie mich davon zu überzeugen, dass es gut war, dass Madeline sich mit Brian trifft. „Ich weiß nicht…. Können wir ja dann schauen. Madeline weiß schließlich auch noch nichts von dem Bein“, meinte er und sagte, dass er dann gerne zum Sport aufbrechen würde. Ich ließ ihn, denn ich wusste nicht, ob er gerade wieder Schmerzen hatte oder nicht. Ich wusste, dass er noch Fahrradfahren konnte, doch vermutlich traute er es sich nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)