Someone to watch over me ☆ von Rizumu ([Honoka x Maki | Winterwichteln '17]) ================================================================================ Prolog: ◊ Prolog ---------------- Prolog       Über jeden Mensch, wacht ein Stern. Manche strahlen heller und manche weniger. Sie sind weit entfernt oder nah bei uns. Wir sehen sie nur nicht. Maki Nishikino begegnete begegnete ihrem Stern in einer Alptraumnacht, die sie mit sechs Jahren durchlebt hatte. Sie hatte so laut geweint, dass ihr der Kopf weh getan hatte und dennoch konnte sie nicht aufhören. Niemand schien sie zu hören und dann, ganz plötzlich hatte sie jemand in den Arm genommen und sie mit ihrer sanften Stimme getröstet. Sie sang ihr ein Lied, welches ihr wie kein anderes die Angst genommen hatte. Als sie sich zu ihr umgedreht hatte, sah sie nichts weiteres als die funkelnde Sterne am Himmel, durch ihr Fenster scheinen, sonst nichts. Heute erinnerte sich Maki weder an das Gesicht dieses Mädchens, noch an ihre Stimme – von der sie aber wusste, dass sie wundervoll war – noch an den Text des Liedes. Doch die Melodie blieb für immer unvergesslich. Sie hatte sie in ihrem Herz eingeschlossen und sie niemals vergessen.                                               »Yume no tobira zutto sagashi tsuzuketa.« ◊ Kapitel eins -------------- Kapitel eins       Maki atmete tonlos aus, um so all ihre Nervosität los zu werden. Ihre Hände zitterten, wie sie es noch nie erlebt hatte. Dabei saß sie noch nicht einmal das erste Mal an einem Flügel und ihr erstes Konzert war es auch nicht mehr. In der Vergangenheit hatte sie schon so oft an Wettbewerben teilgenommen und gewonnen und nun saß sie hier, während der Aufnahmezeremonie der Erstklässler an der Oberschule und zitterte wie Espenlaub. Aufgrund ihres Rufes und ihrer guten Noten, war sie als Repräsentantin der neuen Schüler ausgewählt und darum gebeten worden, etwas auf dem Klavier zu spielen. Welches Stück sie spielen wollte hatte sie sich gut überlegt und die Antwort war nicht sehr schwer gewesen, denn es gab eine namenlose Melodie, die sie seit eines schrecklichen Alptraums begleitete. Sie war wie ein Ohrwurm, der niemals gehen wollte. Nur anders als bei einem Ohrwurm, war diese namenlose Melodie nicht schrecklich. Sie nervte nicht und wurde auch niemals anstrengend. Immer dann wenn sie in ihrem Kopf erklang, oder sie spielte, auch wenn sie die Melodie nur summte, fühlte sie sich besser. Sie half ihr wenn sie Angst hatte, wenn sie unter Druck stand, oder nicht weiter wusste. Genau deswegen wollte sie gerade diese Melodie für all die Schüler spielen. Weil nicht jeder wusste wie es mit sich weiter gehen sollte. Beruf, studieren, oder vielleicht doch eine Weltreise? Für Maki existierten diese Fragen nicht, denn ihr Weg war schon seit ihrer Geburt vorbestimmt und dennoch spürte sie Zweifel. Fragen, die sie nicht einmal in Worte fassen konnte, quälten sie. Noch einmal atmete Maki tief ein und wieder aus, dann setzte sie ihre Finger das erste Mal auf die Tasten des alten Flügels und die ersten Töne erklangen. Sie wusste, dass eigentlich auch ein Lied zu diesem Stück gehörte, doch die Melodie war das einzige, an das sie sich von dieser Nacht erinnern konnte. Sie wusste weder von dem Text, noch von der Stimme, oder dem Gesicht des Mädchens. Es war, als hätte sie sich das alles nur ausgedacht. Und genau deswegen hatte sie mit ihren sechs Jahren die Melodie nachgespielt und die Noten aufgeschrieben. Immer und immer wieder hatte sie mit diesem Stück versucht das Mädchen zu finden. Vergebens. Und nun hatte sie aufgegeben. Diese Melodie, die ihr so gut tat, war das einzige was sie noch behalten hatte. Sachte legte Maki ihre Finger auf die entsprechenden Tasten der Klaviatur und begann sanft, die Melodie zu spielen. Sie schloss die Augen und fühlte die Töne. Ihre ganze Anspannung war wie davon geblasen und um sie herum schienen Sterne zu funkeln, wie in dieser Alptraumnacht der Vergangenheit. Maki fühlte sich geborgen und sicher. Als ihre Melodie endete und sie die Finger von der Klaviatur nahm, atmete sie entspannt ein und wieder aus, dann öffnete sie wieder die Augen und Applaus dröhnte zu ihr auf die Bühne. Langsam stand sie von der Klavierbank auf und bewegte sich zum Bühnenrand. Ehrfürchtig verneigte sie sich vor allen anwesenden Schülern und Lehrern und wartete, dass der Applaus erstarb, oder aber ein Lehrer sie verabschiedete. Tatsächlich betrat Schuldirektorin Minami die Bühne und bedankte sich vielmals bei Maki und erwähnte, dass auch in ihrem Musikzimmer ein Flügel stand und die der Musik-club sich sicherlich über ihren Beitritt freuen würde. Maki lächelte lediglich und bedankte sich bei der Direktorin. Dann verließ sie die Bühne. Sie fühlte sich von dem unausgesprochenem Lob geehrt, jedoch musste sie einer Einladung zu jeweiligen Clubs absagen, da sie sich auf ihr Medizinstudium vorbereiten musste. Laut ihren Eltern, hatte sie also keine Zeit mehr für irgendwelche Ablenkungen. Was sie selber davon hielt, war dabei egal und Maki hatte auch schon lange aufgehört, sich darüber Gedanken zu machen. Sie folgte dem Wunsch ihrer Eltern und nahm ich Schicksal an. Schließlich war es eine Ehre das erfolgreiche Krankenhaus ihrer Eltern zu übernehmen. Sie war hinter die Bühne und dann einen Weg gegangen, der sie unauffällig in die Halle führte. Sie suchte ihren Platz auf und setzte sich, ohne ein Wort zusagen. Das Mädchen rechts neben ihr, versuchte im Flüsterton ein Gespräch mit ihr zu beginnen, doch Maki forderte lediglich von ihr, dass sie ruhig sein sollte, dann wand sich das fremde Mädchen wieder ab und blickte nach vorne zur Bühne. Die Direktorin kündigte etwas an, dann klatschte die Menge und ein Mädchen mit blondem Haar betrat die Bühne. Maki hatte nicht mitbekommen um wen es sich dort genau handelte, doch sie vermutete, dass dieses ausländisch wirkende Mädchen die Schülerratssprecherin war, deren Rede für den Schluss der Aufnahmezeremonie angekündigt worden war. Sie redete etwas von Zusammenhalt und der letzten Chance sein Leben für die Zukunft zu festigen. Träume zu finden und zu verwirklichen. Maki hörte nicht wirklich zu, denn im Grunde war es immer ein und das selbe, was Schülerratssprecher zu den Neuen zu sagen hatten. Makis Zukunft war eh geplant. Schon vor ihrer Geburt. Träume würden sie nur vom Weg abbringen. Zusammen mit allen anderen neuen Schülern, stand sie auf und klatschte, während die blonde Schülerratspräsidentin sich vor ihnen zur Begrüßung verneigte. Noch einmal trat die Schuldirektorin vor sie und bat sie, in ihre Klassenräume zu gehen, sobald ihre Namen aufgerufen worden waren. Sie wies auf drei Lehrer, die von den Schülern aus links von ihnen mit Kladden in der Hand standen. Das Lehrpersonal stellte sich als die Klassenlehrer vor und würden die Einteilung verkünden. Erst die 1-1, dann die 1-2 und zum Schluss die 1-3. Sie verkündeten auch, welche Klasse nun in welchen Raum musste. Die jungen Mädchen lauschten gespannt den Namen. Hier und da bibberten Freundinnen darum, zusammen in einer Klasse zu sein und ganz in Makis Nähe, saßen Drillinge, die auf keinen Fall zusammen bleiben wollten. Sie stritten regelrecht darüber und das auch nicht gerade leise. Es war ein Wunder, dass keiner sie ermahnte, doch ihre Strafe folgte sogleich: alle drei Schwestern, landeten in der 1-2, genauso wie Maki und zwei weiteren Mädchen, die ihr auffielen. Aber auch nur weil eine von ihnen ein lautes „nyan!“ von sich gab, zu Freude, weil sie mit ihrer Freundin in einer Klasse war. Ohne lange darauf zu warten, wer noch alles in ihrer Klasse war, machte sich Maki auf den Weg zu Raum R125, wobei das R für Raum, die 1 für erste Etage und die 25 für die Raumnummer stand. Die Lehrer hatten es sich nicht nehmen lassen, ihnen die Bezifferung der Räume wie Grundschulkindern erklären zu können. Maki fragte sich wo sie hier gelandet war. An einer hochangesehenen Schule? Wohl kaum. Sie hatte sich ein strengeres Klima vorgestellt, nachdem sie an der Aufnahmeprüfung teilgenommen hatte und fühlte sich in ihren Erwartungen enttäuscht. Dafür war ihr Klassenraum modern und ordentlich eingerichtet. Die Tische sahen nicht aus, als wären sie älter als das Schulgebäude, es gab große, helle Fenster, einen Computer, einen Beamer und ein Witheboard. All das, womit die Schule so stolz warb. Natürlich noch weit unter dem Standard, der neuen und top-modernen Schule, der UTX, aber dafür hatte sie eine lange Tradition und hatte eine – zumindest als ihre Mutter diese Schule besucht hatte – einen strengen und anspruchsvollen Lehrplan. Nach all dem sah es derzeit nicht aus, aber die Hoffnung aufgeben wollte Maki nicht. An der Tafel hing – wie ihr Lehrer es gesagt hatte – ein Plan bezüglich der Sitzordnung und dementsprechend setzte sich Maki auf ihren vorgesehenen Platz. Sie saß in der mittleren Reihe recht weit hinten, was ihr nicht wirklich gefiel, denn dadurch saßen rund um sie herum Mitschüler, die sie während des Unterrichts stören könnten. Maki saß noch gar nicht so lang an ihrem Platz, da standen gleich schon ein paar Mitschüler um sie herum. Fünf zählte sie, jedoch war das Mädchen sich da nicht so sicher. Es konnten auch noch mehr sein, so laut wie sie schnatterten. Ihr erster Impuls war sie zu fragen, was sie wollten, doch da sie diese Worte wohl viel zu negativ ausgesprochen hätte, ließ sie es lieber und wartete ab. Es dauerte nicht lang, da rückte eine der Mädchen schon mit der Sprache heraus: »Woher kannst du so schön Klavierspielen?« Und dann prasselten noch weitere Fragen auf sie ein: »Seit wann spielst du schon Klavier?« »Kannst du noch mehr Instrumente spielen?« »Würdest du mir das Klavierspielen beibringen?« »Du warst wirklich toll!« »Wirst du dem Musik-Club beitreten?« Maki runzelte die Stirn und rieb sich die Schläfen. Das Gerede der fremden Mädchen war wirklich anstrengend, ruhig stellen konnte er sie wohl nicht, ohne die geforderten Antworten abzugeben. (Dass sie die nicht geben wollte, brauchte man gar nicht zu erwähnen, oder?) »Ich spiele nur aus Hobby und ja, ich habe Klavierunterricht als Kind bekommen«, antwortete Maki und konnte es nicht verhindern, dass sie genauso genervt klang, wie sie auch war. »Es macht dir sicherlich viel Spaß daran, oder?« Maki seufzte und schickte Stoßgebete zum Himmel hoch, damit das schnell vorbei war. »Ja.« »Du spielst wirklich schön.« »Wirklich!« »Wie hieß das Lied, dass du gespielt hast?« »Stück«, korrigierte Maki ihre neue Klassenkameradin. »Es heißt Stück.« »Das Lied heißt einfach nur Stück?« Die Mädchen tauschten verwirrte Blicke miteinander aus. »Nein, es war ein Stück, dass ich gespielt habe. Ein Lied wird gesungen.« Die Mädchen sahen Maki erstaunt an. Anscheinend reichte ihr musikalisches Wissen nicht einmal für diese kleine Unterscheidung aus. Warum erklärte sie es ihnen überhaupt? »Du weißt viel.« Maki zuckte mit den Schultern und es herrschte Schweigen. Es dauerte ein paar Augenblicke bis sich die Mädchen verschwunden waren und sie alleine gelassen hatten, weil Maki keinen Hehl daraus machte, dass sie keine Lust auf sozialen Interaktionen hatte. Es war in ihrer unmittelbaren Nähe wieder wundervoll ruhig. Abgesehen davon, dass die Mädchen an anderen Tischen weiter schnatterten. Wenn sie nur nicht in diesem Klassenzimmer sitzen musste. Es war so schrecklich langweilig hier. Maki griff in ihre Schultasche und zog ein Buch heraus, welches sie sich erst gestern gekauft hatte. Ein Krimi, bei der eine junge Ärztin auf eigener Faust wegen einem Patienten, den sie schon lange kannte und in ihrer Praxis auf mysteriöser Art verstorben war. Weil die Polizei nicht wirklich tätig wurde, übernahm sie die Arbeit. Ließ ihre Praxis von einem Freund übernehmen und tauchte tief in die Gefilde einer gefährlichen Yakuza. Zumindest versprach der Klappentext Spannung und deswegen hatte Maki sich das Buch gekauft und nun war der richtige Moment um mit dem Lesen zu beginnen.   ***   Ihr Klassenlehrer war vergnügt in den Klassenraum gekommen und hatte ihnen erklärt, dass er bis der letzte Schüler wusste, in welche Klasse er ging, bei der Veranstaltung bleiben musste und deswegen jetzt er zu ihnen kam. Er hoffte, dass sie die Zeit genutzt hatten um sich schon einmal etwas näher kennenzulernen. Dann stellte er ich vor: Sein Name war Ooshima, er war ein recht junger Lehrer und unterrichtete sie in Englisch, Geschichte und Chemie. Sie waren seine zweite Klasse die er leitete. Dann sollten sie kurz von sich erzählen, wobei Maki sich nicht die Mühe gab näher zuzuhören. All die Namen und Details konnte sie sich eh nicht merken. Da waren Namen wie Yume Shiratori, Ichigo Oozora, Rin Hoshizora, Nagisa Maeda, Akari Hoshimiya, Hanayo Koizumi, Hime Nijino und Atsuko Motomiya. Und noch viel mehr, die sie sich gar nicht merken konnte. Das einzige worauf sie wirklich achtete, war wann sie aufgerufen wurde. »Mein Name ist Maki Nishikino, ich bin 15 Jahre alt und meine Eltern sind Leiter eines Krankenhauses.« »Das berühmte Nishikino-Krankenhaus?«, platzte eine ihrer neuen Mitschülerin heraus. Maki reagierte nicht darauf, weil sie es unhöflich fand einfach so in die Klasse zu rufen. »Das Nishikino-Krankenhaus kenne ich. Meine Mutter war dort, als mein kleiner Bruder zur Welt gekommen ist. Es soll wie ein Hotel gewesen sein.« »So ein Luxus.« Maki kannte all diese Unterhaltungen und Schwärmereien schon. Alle beneideten sie darum, auch weil ihre Eltern reich waren. Deswegen hatte sie auch nie Freunde gefunden, sondern war immer alleine gewesen. Auf Freunde, die nur wegen ihres sozialen Standes an ihrer Seite standen, konnte Maki komplett verzichten. »Man kann glücklich sein, wenn man dort eingewiesen wird.« »Stimmt es, dass das Nishikino-Krankenhaus nicht jeden aufnimmt?« Diese Frage machte Maki immer wieder aufs Neue wütend. Woher kam dieses dumme Gerücht und warum hielt es sich so hartnäckig? Es fiel ihr schwer nicht auf diese Frage zu reagieren, weil es sie so unglaublich verletzte und zum Glück schritt Ooshima-sensei ein. Er beendete diese Diskussion und führte die Vorstellungsrunde weiter, nachdem er sich bei Maki für ihre Worte bedankt hatte. Innerlich ärgerte sich Maki über all das was nun passiert war. So lang sie sich erinnern konnte, war sie distanziert und unnahbar gewesen. In der Grundschule und in der Mittelschule, immer war sie allein gewesen. Sie hatte andere gemieden und die anderen sie. Es war immer wieder das selbe: Die anderen bewunderten sie für ihr Klavierspiel und sie waren beeindruckt, dass sie die Tochter und Erbin des Nishikino-Krankenhauses war. All das hatte sie einsam gemacht. Aber vielleicht war sie immer nur falsch damit umgegangen, so wie eben. Doch anders gesehen, musste es doch auch Menschen geben, die sich nicht nur für ihre Eltern und ihr Talent interessierten, oder?   ***   Maki war froh darüber, als sie wieder nach Hause gehen konnte. Anders als sie es sonst machen würde, nahm sie nicht die Bahn – die ohnehin viel zu überfüllt sein würde – entschloss Maki sich, den Weg nach Hause zu laufen. Wirklich weit hatte sie es eh nicht und der Wind tat ihr wirklich gut und half ihr dabei ihren Kopf frei zu bekommen. Den restlichen Unterricht, wobei es nur organisatorisches war, hatte sie sich den Kopf über ihr Auftreten in der Klasse zerbrochen und darüber, dass sie ihre Haltung vielleicht ändern sollte. Andersherum sah sie das auch nicht ein, schließlich war nicht sie diejenige, die sie auf das Krankenhaus ihrer Familie reduzierte. »Pfff«, gab Maki stur von sich und strich mit einer Hand durch ihr Haar. Es war ja nicht so, dass sie nicht mit anderen reden würde, sie reagierte nur nicht gerne auf gewisse Themen. Sie blieb stehen, den Kopf geneigt und spielte mit einer Haarsträhne, die schon den Ansatz seiner Locke vorwies. Eine neue Schule, ein neuer Lebensabschnitt und dennoch schien alles genauso abzulaufen, wie all die Jahre zu vor auch. »Honoka!«, rief ganz plötzlich eine strenge Mädchenstimme und ehe sich Maki zu dieser umdrehen konnte, fegte regelrecht jemand an ihr vorbei. Sie hatte es schwer ihr Gleichgewicht zu halten und stolperte zur Seite. Das Mädchen drehte sich zu der erschrockenen Maki um und lächelte ihr zu: »Entschuldigung«, sagte sie. »Aber ich muss vor Umi-chan flüchten«, erklärte sie und der Erstklässlerin war klar, dass es sich bei diesem Mädchen um diese »Honoka« handeln musste. ◊ Kapitel zwei -------------- Kapitel zwei       Makis Schulaalltag war nicht anders als auf der Mittelschule. Der Unterricht ging nur schleppend voran und orientierte sich noch an den schwächeren Schüler, damit diese einigermaßen zu den Schülern, die im Stoff weiter waren, aufschließen konnten. Es war alles lediglich Wiederholung und kennenlernen. Außerdem stand in der ersten Woche auch noch die Vorstellungen der verschiedenen Clubs an. Maki hatte schon diverse Anfragen bekommen, von den verschiedensten Clubs. Darunter der Schach-Club und das Schulorchester ganz vorne dran. Bisher hatte sie jede Anfrage abgelehnt und gesagt,dass sie keinem Club beitreten würde. Das hinderte die Schüler trotzdem nicht, es immer und immer wieder zu versuchen. Maki hatte schon Unterrichtsende und streifte noch ein letztes Mal über den Flur, weil sie sich – eine Aufgabe die ihr Klassenlehrer an alle gab – die Präsentationen der verschiedenen Clubs anschauen sollte, die in der Aula stattfand. Dabei war sie, wie schon viel zu oft, am Musikzimmer ausgekommen, wo ein schwarzer Flügel auf einem Podest, vorne an der Tafel stand. Sie blieb an der Tür stehen und blickte durch das Fenster hindurch, zu dem Musikinstrument. Sie traute sich nicht den Raum zu betreten, obwohl alle Klassen für die Schüler immer zugänglich waren. Sie würde sich so gerne mehr mit der Musik beschäftigen. Vielleicht würde sie auch den Musikclub beitreten, nur hatte sie dafür keine Zeit. Maki drehte sich um und wollte gehen, als plötzlich eine Person vor ihr stand und ihr den Weg versperrte. Sie wusste wer dieses Mädchen war, auch ohne sie zu kennen: „Honoka“. Honoka lächelte sie an. »Hallo und Entschuldigung«, sagte sie mit freundlicher Stimme, dann ging sie den Flur entlang. Was für eine merkwürdige Begegnung, dachte Maki und sah der Fremden hinter her. Wie lange Honoka wohl schon hinter ihr gestanden und sie beobachtet hatte? Sie hatte nichts bemerkt und auch keine Spiegelung in der Fensterscheibe gesehen. Fast, als wolle sie sich versichern, dass die Fensterscheibe der Tür dazu in der Lage war, drehte sie sich noch mal zu der Tür um und blickte in das Fenster. Maki konnte ihr Spiegelbild erkennen und konnte sich genau daran erinnern, dass sie Honoka nicht gesehen hatte. Geschweige denn gehört. Sie konnte doch nicht so tief in ihren Gedanken versunken gewesen sein, dass sie Honoka nicht gesehen hatte, oder? Maki war keine Person, die so unaufmerksam war. So etwas war ihr in ihrem ganzen Leben noch nicht passiert. So als ginge von dieser Tür etwas böses aus, drehte sich Maki um und ging nun endgültig den Flur entlang zur Aula um sich unnötigerweise die Vorstellungen der Clubs anzusehen. »Das es so etwas auf der Oberschule überhaupt noch gibt«, murmelte sie und warf noch mal einen kurzen Blick über die Schulter zum Musikzimmer.   ***   Auch eine Woche nach den Clubveranstaltungen in der Aula, wollte Maki auf keinem Fall einem Club beitreten und wehrte sich vehement dagegen. Selbst ihr Klassenlehrer hatte es aufgegeben, sie zu „After School activities“ zu überreden und beließ es mit einem „Du musst selber wissen, was gut für dich ist“. Auch ihre Klassenkameradinnen ließen sie schnell mit dem Thema „Schließ dich doch dem Schulorchester an“ in Ruhe. Zusätzlich mied sie auch das dazugehörige Musikzimmer und setzte sich nun wieder vermehrt an den Flügel in ihrem Elternhaus. Ihre Mutter begrüßte dies, ermahnte sie jedoch auch, nicht ihre Schularbeiten zu vergessen. Dass ihrer Tochter das Spielen am Klavier gut tat, sah sie jedoch nicht und Maki würde sich hüten, ihr davon zu erzählen. Ihr erstes Schuljahr an der Oberschule hatte gerade erst begonnen und Maki hatte schon das Gefühl, kurz vor den Abschlussprüfungen zu stehen. Wann würde der Druck auf sie endlich weniger werden? Nicht das sie sich wirklich darüber beschweren würde, schließlich kannte sie ihr Ziel, aber andere lachten doch auch so unbeschwert, ohne das Gefühl Zeit zum Lernen zu verlieren. Sie wurde so plötzlich aus ihren Gedanken gerissen und sie sah sich um. Maki saß auf ihrem Platz im Klassenraum. Um sie herum standen ihre Mitschülerinnen und quatschten. Keiner bemerkte das merkwürdige Verhalten der Einzelgängerin, bis auf zwei Mädchen, die sie still beobachteten. Genauso plötzlich, wie sie aus ihren Gedanken gerissen wurde, stand sie auf. Die besorgten Worte ihrer Klassenkameradin hörte Maki gar nicht: »Was ist los, Nishikino-san, der Unterricht fängt bald an, nya.« Maki ging einfach aus dem Klassenraum und hörte auch die Frage, ob die beiden sie begleiten sollten, nicht. Sie folgte nur dieser unhörbaren Stimme. Es war so merkwürdig, selbst für Maki. Sie hatte das Gefühl einer Stimme zu folgen, doch sie hörte nichts und dennoch schien sie genau zu wissen, wohin sie gehen musste, um den Ursprung dieser „Stimme“ zu finden. Maki ging den Flur entlang, bis hin zum Treppenhaus und stieg die Stufen empor, bis sie auf der letzten Etage angekommen war und auf dem Flur mit den Clubräumen stand. Sie sah zum Fenster hinaus. Es regnete und sie konnte jede Kontur ihres Spiegelbildes erkennen. Dann drehte sie sich, wie von Geisterhand geführt, nach Rechts und folgte dem Gang entlang. Sie würdigte die Türen kein Stück weit, sondern folgte dieser „Stimme“. Als sie stehen blieb und sich zu der Tür des Raumes umdrehte, realisierte sie, vor welchem Clubraum sie ausgerechnet zum stehen gekommen war: Dem Musikzimmer. Erst haderte sie mit sich, doch dann schaute sie durch die Tür. Sie erkannte das ihr fremde Mädchen direkt, welches da am Fenster mit dem Rücken zur Tür stand. »Honoka«, murmelte sie und konnte gar nicht glauben was sich da abspielte. Honoka stand dort am Fenster eines geschlossenem Raums und sang. Auch wenn es auf logischem Weg nicht zu erklären war, konnte sie ihre Worte deutlich verstehen. Sie waren zwar so leise, als würde Honoka weiter von ihr weg stehen – was ja auch im Grunde so war – aber sie verstand jedes Wort so klar und deutlich. Das Lied, dass ihr seit dieser Gewitternacht nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. »Yume no tobira zutto sagashi tsuzuketa«, sang Honoka und verstummte dann. Sie drehte sich zu der Tür um und lächelte. Freundlich winkte sie Maki zu, als hätte sie auf die Jüngere gewartet. Maki verstand das als Zeichen, dass sie eintreten sollte und legte ihre Hand an die Klinke. Erst zögerte sie, für einen kurzen Augenblick, dann drückte sie die Klinke runter und öffnete die Tür. Doch als sie das Zimmer betreten hatte, war Honoka verschwunden. Der Raum war leer, die Stühle hochgestellt, die Tafel geputzt, die Fenster geschlossen und niemand war hier. Dabei hatte sie Honoka doch so deutlich gesehen und gehört. Sie hatte das Lied erkannt. Woher kannte Honoka es überhaupt? Kannte etwa auch sie dieses Mädchen, das damals bei ihr gewesen war? Maki stellte sich an die Fensterscheibe, wo vor wenigen Augenblicken noch Honoka gestanden hatte und sah hinaus auf den Schulhof. Es regnete, das wurde ihr nun bewusst. Die Scheibe war vor Wasser eiskalt und es war nicht einmal ein Handabdruck auf dieser zu sehen. Es schien tatsächlich so zu sein, dass sie sich Honoka nur eingebildet hatte. Langsam drehte sich Maki um und sah zu dem schwarzen Flügel, der in der Dunkelheit des Raumes vollkommen allein stand. Sie trat näher heran, klappte den Tastenschutz hoch und setzte sich auf die Klavierbank. Nicht die perfekte Höhe, wie sie es von zu Hause gewohnt war, aber man konnte darauf sitzen und einstellen wollte sie ihn nur wegen diesem einem Male nun wirklich nicht. Fast schon ehrfürchtig legte Maki ihre Hände auf die Tasten der Klaviatur und die ersten Töne erklangen. Etwas verstimmt, aber es ging. Sie klimperte zunächst nur, erschuf eine Melodie, durch miteinander harmonierenden Akkorden und dann fing sie an, Beethovens Mondscheinsonate zu spielen. Erst sehr langsam, dann im Originaltempo. Irgendwann, sie wusste es selbst nicht genau, stoppte sie und starte in die Dunkelheit und nach ein paar Augenblicken fingen ihre Finger von alleine das Spielen an. »Yume no tobira«, sang sie und nach diesen Worten verstummte sie auch gleich wieder. All die Jahre hatte sie diesen Text nicht gekannt, konnte sich an ihn nicht erinnern, als wenn irgendetwas sie blockiert hätte und nun war er da. Ganz plötzlich kannte Honoka dieses Lied und sang den Text. Das hatte wahrscheinlich ihre Erinnerungen wachgerufen und deswegen hatte sie die Stimme dieses Mädchens gehört, oder es sich zumindest eingeredet. Honoka wusste etwas, oder kannte dieses fremde Mädchen zumindest. Irgendwie mussten sie miteinander in Verbindung stehen. Anders konnte Maki sich das nicht vorstellen. Alles andere war vollkommen unlogisch und nicht erklärbar. Wobei sie nichts von dem, was gerade passiert war, erklären konnte. Maki klappte den Deckel der Klaviatur wieder zu und stand auf. Für sie stand fest, dass sie Honoka suchen und finden würde, auch wenn sie nicht mehr als diesen einen Namen besaß und es somit unmöglich zu sein schien. Doch Maki hatte Honoka nun so oft vollkommen zufällig getroffen, da konnte es doch auf keinen Fall schwerer sein, sie aufzusuchen. ◊ Kapitel drei -------------- Kapitel drei       Schüler gab es an dieser Schule genug und nur anhand eines Vornamens eine Schülerin zu finden, gestaltete sich schwerer als Maki es sich erhofft hatte. Es gab gefühlt mehr Honokas in den Mittel- und Oberstufen Klassen, als andere Namen in den drei Stufen zusammen. Die Richtige an Hand der Klausuraushänge ausfindig zu machen, schien keine geeignete Methode zu sein, um dieses mysteriöse Mädchen wiederzufinden. Dazu kam, dass sie „ihrer“ Honoka seit Wochen nicht mehr begegnet war. Als gäbe es sie nicht und dieses Mädchen wäre ein Ergebnis ihrer Vorstellungskraft gewesen. Maki war jedoch stur genug um daran festzuhalten. Was sie sich in den Kopf setzte, zog sie auch durch. Nur um in die Klassen zu schauen, ob die gesuchte Honoka unter den Schülerinnen saß, war sie zu schüchtern. Innerlich zitterte ihr ganzer Körper bei diesem Gedanken und weil sie sich nichts nach Außen hin anmerken lassen durfte, erstarrte sie zu einer Salzsäule. Sie starte auf den Aushang der Oberstufen und bewegte sich kein Millimeter, dabei konnte man an ihrer Schleife (und an ihrer Größe) unschwer erkennen, dass sie eindeutig zu den Erstsemestern gehörte, wenn man sie nicht eh von der Begrüßungsfeier erkannte. Die Schülerin zuckte zusammen, als plötzlich jemand von hinten an der Schulter berührte. »Nishikino-san«, sagte eine leise und schüchterne Stimme. Sie viel kaum auf und wurde sicherlich oft überhört. Langsam drehte sich Maki zu der Stimme um und entdeckte zwei Mädchen aus ihrer Klasse: Die schüchterne Hanayo Koizumi und die quirllige – und sehr anstrengende – Rin Hoshizora. Letztere Sprang mit einem nya auf sie zu, neigte sich und sah von unten zu ihr hoch, dabei war Hoshizora ein Stück weit größer als Maki. Ob das niedlich wirken soll, fragte sich Maki. »Hast du eine Freundin in der Oberstufe«, fragte das aufgeweckte Mädchen. Sie richtete sich auf und hängte ein typisches „nyan“ an ihre Frage. »Ich«, erst wusste Maki nicht was dieses Mädchen von ihr wollte, dann drehte sie sich zu der Tafel um und erinnerte sich wieder daran, was sie hier eigentlich machte. »Was, nein. Ich weiß nicht warum ich euch das sagen sollte.« »Nyan«, fragte Rin traurig. »E-es tut mir Leid, Nishikino-san«, sagte die ruhigere Hanayo, die sich für gewöhnlich hinter Rin versteckte. Ihre Augen verschwanden hinter der Reflektion ihrer großen Brille, sodass man sie nicht sehen konnte, Maki war sich jedoch sicher, dass Koizumi ihrem Blick auswich. »Wir haben uns nicht einmal vorgestellt«, stammelte das schüchterne Mädchen. »Da-das … Ist Rin Hoshizora und ich bin ...« Hanayos Worte waren so leise, dass Maki sie nicht verstehen konnte. Sie hätte nicht nach ihrem Namen gefragt, weil sie diesen sowieso schon kannte, Hoshizora ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen ihre wohl beste Freundin vorzustellen: »Das ist Hanayo Koizumi, genannt Kayochi!« Maki schenkte Rin einen skeptischen Blick, während Koizumi panisch mit den Händen winkte. »Da-das ist nur ein Spitzname. Nur Rin-chan nennt mich so, du musst ihn dir nicht einmal merken, Nishikino-san.« Maki zuckte mit den Schultern. Das „Habe ich nicht vor“, welches ihr in den Sinn kam, verkniff sie sich nur zu gerne. Es war ihr egal wie sich die Beiden nannten, außerdem kannten sie sich kein Stück weit. »Wir gehen in die selbe Klasse«, sagte Hanayo und lächelte etwas schüchtern. »Ich weiß«, sagte Maki und nickte. »Ihr sitzt an der Wand seite.« »Jaa!«, sagte Rin begeistert. »Nishikino-san hat uns bemerkt!« »Es ist schwer dich zu übersehen, Hoshizora-san.« »Das stimmt, Nishikino-san«, Rin streckte die Zunge frech heraus und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Du fällst aber auch ganz schön auf, Nishikino-san«, Hanayo wollte Rin davon abhalten weiter zu sprechen, jedoch hatte sie keine Chance gegen die quirlige Sportskanone. Sie befreite sich ohne jegliche Mühe aus dem Griff ihrer schüchternen Freundin. »Du spielst so wunderschön Klavier.« Maki rollte mit den Augen und bedankte sich mit einem knappen „Danke“ bei Rin. Sie verabschiedete sich von den beiden und ging den Flur entlang. Es war ihr egal, dass sie den beiden eh gleich im Klassenraum begegnen würde, es ging ihr um das Prinzip. Vielleicht ließen Hoshizora und Koizumi sie dann in Ruhe, wenn sie so abweisend zu ihnen war. Außerdem brachten die zwei sie kaum bei ihrer Suche weiter, sondern lenkten sie nur ab. Sie musste eine Möglichkeit finden, so unauffällig wie möglich herauszufinden, welche dieser unzähligen Honokas das Mädchen aus dem Musikzimmer war. Das Mädchen, dass sie damals so tollpatschig überholt hatte. Das Mädchen, dass sie sich hoffentlich nicht eingebildet hatte. »Da schau mal« Maki blieb stehen. »Da ist sie, die da. Sie kann so schön Klavierspielen.« Sie drehte sich in die Richtung aus der die Stimme kam. Zwei Mädchen standen am Fenster und tuschelten miteinander über Maki. Als sich ihre Blicke trafen, wandten die beiden sich von ihr ab und taten so, als wäre Maki nicht da. Die Schülerin seufzte. So war es doch immer. Die anderen bewunderten sie für ihr Klavierspiel und es ging auch um nichts anderes, wenn sie über Maki sprachen. Als wäre Maki nicht mehr als die Tochter von Krankenhausleitern und eine talentierte Pianistin. Als wäre sie anders als all die anderen Mädchen. »Hey, du solltest nicht auf dem Flur träumen«, erklang hinter ihr eine Stimme und Maki drehte sich zu der Person um. Das Mädchen vor ihr war hochgewachsen, hatte blaue Augen und blondes Haar. »Du stehst anderen im Weg.« Maki erkannte die Schulsprecherin. Sie hatte schon von ihr gehört: Eri Ayase soll ursprünglich aus Russland stammen, mit ihrer Schwester alleine wohnen und eine ehemalige Baletttänzerin sein. Sie soll in Russland sehr erfolgreich gewesen sein. »Bist du immer noch nicht wach?« Die Jüngere schreckte aus ihren Gedanken auf. »Nein, doch«, stammelte sie und spürte wie sich ihre Wangen rot verfärbten. Sofort weichte sie in Richtung Fensterfront um den Flur frei zu halten. »Entschuldigung für die Störung.« Ayase kicherte und nickte dann. »Gut, Nishikino-san. Bitte halte dich an die Schulregeln. Sollte ich noch etwas für dich tun können, dann lass es mich wissen. Dafür ist die Schülervertretung schließlich da.« Die Schulpräsidenten setzte sich wieder in Bewegung und Maki blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen. Sie sah der blonden Schönheit mit den langen Beinen nach. Erst ein paar Minuten später wurde ihr die Bedeutung ihrer Worte klar. Ohne dass sie es selber mitbekam, traf sie die Entscheidung Ayase hinter her, in der Hoffnung, dass sie ihr die nötigen Informationen geben konnte. Nur mit einer groben Personenbeschreibung und einem Vornamen. »Ayase-san«, rief sie und ihre Stimme klang ungewohnt dünn und unsicher. Die Schülerratsvorsitzende drehte sich fragend zu der Jüngeren um. »Hm?«, gab sie von sich und schien darauf zu warten, dass Maki ihr Anliegen schilderte. Die jedoch zierte sich, denn ihr Anliegen erschien ihr mit einem Moment so schrecklich unwichtig, dass sie sich gar nicht traute es anzusprechen. »N-nichts. Entschuldige die Störung. Es ist alles in Ordnung. Schönen Guten Tag noch, Ayase-san«, sagte Maki und ging mit erhobenem und aufgesetzt wirkendem Stolz an der Älteren vorbei den Flur entlang. Das ganze wirkte so unglaublich und schrecklich peinlich, das sie sicherlich das Gespräch der kompletten Schule war. Und auch wenn sie ihren Abbruch in diesem Moment als richtig empfand, wurde sie das Gefühl nicht los ihre Chance verpasst zu haben. Ayase kennt sicherlich einige Schüler und vielleicht hätte sie ihr sofort sagen können, welche Honoka sie suchte, aber vielleicht hätte sie sie auch ausgelacht und ausgeschimpft, dass man älteren Schülern nicht hinter her schnüffeln sollte? Mit welcher Begründung suchte sie Honoka eigentlich? Genau diese Frage hätte die blonde Schönheit sicherlich gestellt und Maki hätte ihr keine Antwort geben können. „Sie kennt den Text zu meinem Stück“? Nur Maki kannte dieses Stück und alle gingen davon aus, dass es eine Eigenkomponisation von ihr war. Sie konnte es sich ja nicht einmal selber erklären, warum Honoka den Text zu ihrer Melodie kannte. Das ganze war so merkwürdig wie idiotisch und genau deswegen war es gut, dass sie ihre Frage nicht gestellt hatte. Ohne das Maki es mitbekommen hatte, war sie in Gedanken versunken bis zu ihrem Klassenzimmer gegangen. Sie stand vor der offenen Tür und lauschte den Stimmen aus dem Raum. Sie konnte eindeutig Rin heraushören und zögerte mit dem Betreten des Klassenzimmers. Maki hatte sich unhöflich verhalten und Koizumi und Hoshizora gegenüber schrecklich verhalten, obwohl sie nur Kontakt zu ihr gesucht hatten. »Nishikino-san«, rief Rin und winkte ihr fröhlich zu. Sie stand an der Tafel und wischte gerade die letzten Schriftzeichen weg und hatte ihre Mitschülerin nebenbei entdeckt. Maki konnte nicht verhindern, dass sie denkt, dass Hoshizora ein merkwürdiges Mädchen war. Jeder andere hätte sie nun ignoriert, oder beschimpft, aber Rin schien all das gar nicht zu stören. Ohne auf sie einzugehen, betrat er das Klassenzimmer und begab sich zu ihrem Sitzplatz, auf dem sie sich niederließ. Rin winkte ihr noch mal, doch auch darauf reagierte Maki nicht. War ihre Sozialkompetenz denn so mangelhaft.   ***   Maki Nishikino stand vor dem Büro der Schülervertretung und zögerte. Sie wollte immer noch so unbedingt herausfinden wo sie Honoka finden konnte. Nur ein Name, oder eine Klasse, mehr nicht. Seit dem sie Eli Ayase begegnet war, waren drei Tage vergangen, an denen sie Augen und Ohren offen gehalten hatte um Honoka auf eigener Faust zu finden, doch sie war immer noch wie vom Erdboden verschwunden. Dass sie auch krank sein könnte, war ihr natürlich klar, aber akzeptieren, dass sie Geduld haben musste, wollte sie auf keinem Fall. Sie zögerte, hob die Hand, ballte diese zu einer lockeren Faust um an der Tür zu klopfen und genau in diesem Moment erklang ihr Name auf dem dem Flur. »Nishikino-san«, sagte eine fremde Stimme, die eine ungewohnt merkwürdige Tonlage hatte. Sie besaß etwas mysteriöses, obwohl Maki weder an so etwas glaubte und es noch weniger erklären konnte. Sie drehte sich zu der Person um und entdeckte ein Mädchen, mit langen, violetten Haaren und einem kräftigem Oberbau. Maki wand sich wieder ab und entgegnet dem fremden – offensichtlich älterem Mädchen – schnippisch: »Woher kennst du meinen Namen?« Das Mädchen reagierte nicht auf ihr verhalten, sondern lächelte warm und herzlich. Sie strahlte etwas freundliches aus, etwas warmes. Sie schien diese Art Mädchen zu sein, die von den Jüngeren „Oneechan“ bezeichnet wurden. Maki gehörte aber nicht zu denen, die zu anderen geht um Hilfe zu erbitten. Das hier war eine Ausnahme. »Du hast ein Anliegen an den Schülerrat?« »Ich weiß nicht was dich das angeht«, erwiderte Maki. »Das ist meine Sache.« Das Mädchen kicherte, ließ sich aber immer noch nicht von der Jüngeren provozieren. Es war ein Wunder, denn jede Ältere wäre mittlerweile an die Decke gegangen und hätte sich darüber aufgeregt, weil sie so respektlos war. Aber dieses Mädchen verlor in keiner Sekunde etwas von ihrem warmen Lächeln. »Ich bin ein Teil der Schülervertretung. Ich helfe dir gerne weiter«, sagte die Ältere und hob eine Karte hoch. Sie drehte sie um und zeigte Maki das Bild auf ihr. Es war eine Tarot-Karte und zeigte das Bild von „The Star“ - einem Mädchen das ihm Sternenhimmel zu baden schien. »Deinen Wegweiser findest du im Sternenhimmel.« ◊ Kapitel vier -------------- Kapitel vier     „Deinen Wegweiser findest du im Sternenhimmel“ war die möglichst dämlichste Hilfe die Maki je in ihrem jungen Leben gehört hatte. Sie hatte nicht einmal eine haben wollen und dann war es auch noch so etwas unnützes und trotzdem zerbrach sie sich tagelang den Kopf darüber, in wie fern der Sternenhimmel ihr den Wegweisen könnte und in wie fern an dieser Interpretation der Karte „The Star“ etwas wahres dran war. Maki saß im Englischunterricht und eine Schülerin lass gerade eine Textpassage aus der Lektüre vor, die sie zusammen durchlasen. Romeo und Julia von Shakespeare, was Maki schon lange gelesen hatte. Aber auch wenn sie das Buch nicht schon können würde, könnte sie sich trotzdem nicht auf die Geschichte konzentrieren, denn ihre Gedanken kreisten immer wieder um den sogenannten Sternenhimmel. Egal wie lang sie die Sterne beobachtet hatte, sie waren nie in der Lagegewesen, ihr den nötigen Hinweis zu geben, wo sie Honoka finden würde. »Hoshizora«, erklang die Stimme ihrer Englischlehrerin und riss Maki aus ihren Gedanken. »Bitte ließ weiter.« Makis Blick wanderte zu Rin Hoshizora, die schüchtern aufstand, mit dem Buch in der Hand und mit holprigem Englisch anfing vorzulesen. Sie betonte die Worte falsch, verhaspelte sich bei gefühlt jedem dritten Wort, aber das war nicht das, was Makis Aufmerksamkeit fesselte, sondern ihr Nachname. Hoshizora stand für Sternenhimmel, lag es an dieser merkwürdigen Begegnung, dass ihr dieser Name nun so merkwürdig wichtig erschien, oder konnte das tatsächlich der Wegweiser sein, der ihr prophezeit wurde? »Nishikino, Nishikino!« Die Schülerin erschrak und wand sich der Lehrerin zu. »Träumst du«, fragte die Lehrerin verärgert. »Es tut mir Leid, es wird nicht wieder vorkommen.« Die Lehrerin seufzte. »Da ich nicht davon ausgehe, dass du aufgepasst hast...«, sie sah in der Klasse herum, um sich einen anderen Schüler zum vorlesen auszusuchen: »Koizumi, setz da an, wo Hoshizora aufgehört hat.« Hanayo stand auf und las nun an Rins stelle vor. Maki wagte es sich nicht noch mal in ihren Gedanken zu versinken, sondern folgte den Worten ihrer Klassenkameradin.   ***   Eigentlich war Maki zu stolz um sich noch mal den beiden Mädchen gegenüber zu stellen, denen sie sich gegenüber so unmöglich verhalten hatte. Hanayo und Rin schienen jedoch nicht verärgert zu sein, als Maki sich zu ihnen gesellte. Die beiden befanden sich an Hanayos Tisch und unterhielten sich über Rins Englischhausaufgaben. Niemand musste erwähnen, dass sie Probleme mit der Fremdsprache hatte. »Oh, Hallo Nishikino-san«, begrüßte Rin sie freundlich. Anscheinend war sie froh über jede Unterbrechung. »Setz dich doch zu uns, nyan!« Maki schüttelte den Kopf. »Können wir dann etwas für dich tun«, fragte Hanayo sie leise. »Tatsächlich bin ich hier, weil ich euch etwas fragen möchte.« Glücklich darüber ihren Englischhausaufgaben entkommen zu können, lehnte sich Rin in ihrem Stuhl zurück und strahlte Maki erwartungsvoll an. Als sie von sich aus nicht erzählte, warum sie auf sie zu kam, forderte Rin sie dazu auf: »Womit können wir dir denn helfen? Ich hoffe nicht dass es etwas mit Englisch zu tun hat, nyan.« Irgendwie war es niedlich, wie verärgert Rin über das Thema „Englisch“ sprach, aber das war nichts, was Maki interessierte. »Kennt ihr eine Honoka«, fragte Maki trocken und beobachtete wie Rin und Hanayo überraschte Blicke miteinander tauschten, als hätte sie nach einem fliegendem Schwein gefragt. Sie fühlte sich unwohl und ärgerte sich, weil sie danach gefragt hatte. Aber vielleicht war der Vorname einfach nur zu wenig. »Sie muss in einem der Jahrgänge über uns sein.« Rin und Hanayo reagierten immer noch nicht darauf. Oder waren das immer noch zu wenige Informationen. Sie überlegte ob ihr noch irgendetwas einfiel, zum Beispiel wie die Schleife die sie trug. Anhand der Farben konnte man leicht erkennen in welchen Jahrgang der jeweilige Schüler gehörte, jedoch wollte ihr dieses Detail einfach nicht einfallen. Also versuchte sie sich an einer Personenbeschreibung: »Sie hat Schulterlanges Haar«, sie zeichnete mit ihren Händen ihre eigenen Haare entsprechend von Honokas nach. »Einen Zopf auf der linken, nein rechten Seite, blaue Augen und ihre Haarfarbe ist Kupfer. Ein sehr orangehaltiges Kupfer.« Sie ließ ihre Hände beschämt sinken und hoffte, dass sie sich nicht gerade lächerlich gemacht hatte. »Das klingt nach Honoka-senpai«, sagte Rin ungewohnt nüchtern. Sie sah zu ihrer Freundin. »Oder Kayochi?« Kayochin nickte. »Ganz genau.« »Wisst ihr auch in welche Klasse Ho...Honoka-senpaigeht?« »Warum suchst du nach ihr, Nishikino-san, nyan?« »Ich weiß nicht was dich das angeht, Hoshizora-san«, stur sah Maki zur Seite und bis auf Rins leises „nyan“ nyan war nichts von den dreien zu hören. Dann schaltete sich Hanayo ein, der die Situation sichtbar unangenehm war: »Das Mädchen, nachdem du suchst ist Honoka Kousaka, sie ist im zweitem Jahrgang.« »Wir kennen sie schon seit der Grundschule-nyan!« Was Rin da sagte überraschte Maki durch und durch. War diese „Weissagung durch die Tarot-Karte“ etwa doch richtig und der prophezeite „Sternenhimmel“ war der Wegweiser? Egal was es war, sie bekam auf jeden Fall den richtigen Hinweis von ihrer Mitschülerin und das sollte erst einmal das Wichtigste sein.   ***   Maki zitterte am ganzen Körper, als sie vor besagtem Klassenraum stand, in dem sich Honoka Kousaka befinden sollte. Sie hatte all die Zeit nach ihr gesucht und nun wo sie kurz davor stand, vor Honoka zu stehen, übermannte sie die Angst und sie stand wie paralysiert auf dem Flur und starrte die Tür an. Wenn die gesuchte Zweitklässlerin nicht gleich aus dem Raum treten würde, wäre all die Aufregung umsonst gewesen. So wie sie Rin einschätzte, würde sie Honoka eh bei der nächstbesten Gelegenheit davon erzählen, dass Maki nach ihr suchte und dann war eh alles überfällig und vor allem noch peinlicher als eh schon. Also warum bewegte sie sich dann nicht einfach? Maki atmete einmal tief ein und wieder aus, dann hob sie den Arm und öffnete die Tür. Ihre Schritte ins Klassenzimmer fühlten sich mechanisch an, als wären sie von einem Roboter und nicht von einem Menschen. Alle Schülerinnen in der Klasse waren stumm und begutachteten die jüngere Schülerin. »Wie können wir dir helfen«, fragte ein Mädchen mit braun-silbrigem Haar. Sie ähnelte der Schuldirektorin. In sich spürte Maki die Panik aufsteigen, jedoch unterdrückte sie den Drang davon zu laufen. »Ich bin auf der Suche ...«, sie ließ ihren Blick über die Schüler hinweg streifen und entdeckte den Grund für ihr Kommen: »nach Honoka Kousaka.« Nun lagen alle Blicke auf Honoka, die auf ihrem Platz saß und so warm und freundlich lächelte, wie es nur die Sonne konnte. Maki war hin und weg und vergaß alles andere um sich herum, als wären die anderen Schüler einfach nicht da und es gäbe nur Honoka und sie. Es gab so vieles was sie Honoka fragen wollte und beinahe hätte sie auch einfach los geplaudert, wenn die ältere sie nicht mit einer Geste davon abgehalten hätte: Honoka hatte ihren Finger an ihre Lippen gelegt und ein tonloses „Sch“ von sich gegeben. Maki sollte schweigen, oder wie sie eher hoffte: mit all ihren Fragen noch warten. Honoka Kousaka stand auf und forderte Maki mit einem nicken ihres Kopfes auf, ihr zu folgen. Sie gingen auf den Flur hinaus und Honoka führte sie, ungeachtet ob sie ihr wirklich folgte, Maki den Flur entlang. Zum Treppenhaus und hoch in die letzte Etage, wo sich die Klubräume befanden und hinein ins Musikzimmer, dass vollkommen allein im Schatten lag. Honoka ging an dem Flügel vorbei und strich leicht mit der Hand über die glänzende Oberfläche. Sie stellte sich vors Fenster, während Maki in der Tür stehen blieb. Sie schwiegen beide. Honoka sah hinaus in den Himmel und Maki beobachtete die Ältere. Es war eine merkwürdige Atmosphäre, die man nicht erklären konnte. Irgendwie fühlte es sich so an, als würde etwas zwischen ihnen sein, etwas was Maki nicht in Worte fassen konnte und dann fing Honoka an zu singen: »Yume no tobira zutto sagashi tsuzuketa Kimi to boku to no tsunagari o sagashiteta.« Makis Augen weiteten sich und unglaublich starte sie Honoka an, die sich zu ihr umdrehte, lächelte und weitersang: »Yes! Jibun o shinjite minna o shinjite Ashita ga matterun dayo ikanakucha.« Maki schreckte einen Schritt zurück und sah sich um. Sie hatte das Gefühl plötzlich mitten ihn einem Meer aus Sternen zu stehen und das all dieses Funkeln und leuchten von Honoka ausging, die noch weiter sang: »Yes! Yokan no hoshitachi mune ni futte kita Kagayake… mayoinagara tachigaru yo.« Die Jüngere wartete darauf, das Honoka weiter sang, doch stattdessen schien das Funkeln dieser „Sterne“ verschwand und sie waren wieder wieder umgeben von dem Schatten eines lehren Klassenzimmers. Honoka stand weiterhin am Fenster und lächelte Maki an. »Ich habe auf dich gewartet.« Maki konnte ihre Worte gar nicht fassen. Sie hatte auf sie gewartet.Zu erst machte sich ein warmes Gefühl in ihr Breit und dann wechselte dieses in eine Art Wut. »Du hast gewusst, dass ich nach dir suche?« Honoka nickte nur lächelnd. »Du hast das die ganze Zeit gewusst«, murmelte sie nun etwas leiser, was dadurch irgendwie drohend klang.Doch die ältere lächelt immer noch, als würde sie das alles nicht verstehen, oder als wäre sie vollkommen naiv. »Warum bist du dann nicht von dir aus zu mir gekommen«, fragte Maki ungewollt aufgebracht. Sie war nicht in der Lage ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. »Warum hast du mich nicht gleich angesprochen?« Honoka drehte sich wieder zum Fenster hin und schaute zum Himmel hoch, als würde sie die Sterne am Nachthimmel betrachten, die gar nicht zu sehen waren. »Ich habe auf dich gewartet. Ich wollte wissen ob du mich auch wirklich finden willst.« Sie drehte sich wieder halb zu Maki hin und lächelte. »Ich habe auf dich gewartet.« »Was soll das heißen? Wer bist du eigentlich«, fragte Maki und erntete wieder ein warmes Lächeln. Sie war nicht in der Lage dieses Mädchen zu verstehen, nur indem sie ihre Gestik und Mimik beobachtete. Plötzlich hob die Ältere ihre Hand hoch, als würde sie nach etwas am Himmel greifen wollen. »Du kennst doch Sternschnuppen, oder?« Maki stand nur da und sah Honoka an. Warum sollte sie auf diese Frage antworten? Es war doch klar, dass sie wusste was eine Sternschnuppe war. »Menschen wünschen sich seit Ewigkeiten etwas von den Sternen und jeder Wunsch, der in Erfüllung geht, ruft eine solche Sternschnuppe hervor«, sagte sie und sah hoch zum Himmel. »Du erinnerst dich sicherlich an die Gewitternacht, in der wir uns das erste Mal begegnet sind, oder?« Maki nickte. An diese Nacht hatte sie so glasklare Erinnerungen, bis auf an alles was – allen Anschein nach – mit Honoka zu tun hatte. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie ihren Worten keinen Glauben schenken konnte. »Du hast dir damals gewünscht nicht allein zu sein, du wolltest deine Angst verlieren und dein Wunsch wurde dir von den Sternen erfüllt. Ich habe ihn dir erfüllt.« Die Jüngere sah Honoka an. Auch wenn sie in ihrem Inneren spürte, dass sie Honoka alles glauben würde, was sie ihr sagte, meldete ihr Kopf sich zu Wort und zweifelte, was er immer am besten konnte. »Ich habe so lange auf deinen Wunsch gewartet und in dem Moment, als du so große Angst gehabt hast, musste ich dir zur Seite stehen. Ich konnte nicht anders.« »Was soll das heißen«, frage Maki skeptisch. Honoka lächelte und sah zum Himmel hinauf. »Ich kam zur Erde, um dir deine Angst zu nehmen«, sagte sie und dann schwiegen beide. Maki wollte nicht noch einmal fragen was das bedeutete und wartete darauf, dass Honoka von alleine erzählte. Und tatsächlich tat sie das auch. Nur viel, viel ernster. »Ich wollte deinen Wunsch, nicht mehr allein sein zu müssen, erfüllen, doch als Stern am Himmelzelt war mir das nicht möglich. Auch wenn ich Tag und Nacht über dich gewacht habe. Also musste ich zur Erde und fasste den Entschluss ein Mensch zu werden. Also fiel ich als Sternschnuppe auf die Erde und konnte dich trösten. Jedoch war es mir nicht einfach möglich an deiner Seite zu bleiben, denn alles was mit meiner Existenz zu tun hatte, war an deine Wünsche gebunden. Deswegen besuche ich auch diese Schule, deswegen konnte ich dich nicht aufsuchen. Es musste erst dein Wunsch sein, mich zu finden und nicht mehr einsam zu sein.« »Was soll das werden? Ein Märchen«, fragte Maki mit ungewohnt leiser Stimme. Ihr Verstand drängte sie dazu, all das in Frage zu stellen. »Verständlich«, sagte Honoka nur und lächelte. »Es ist schwer so etwas absurdes zu glauben. Ich werde dir da keine Vorwürfe machen.« Maki legte den Kopf leicht schief. »Wer bist du?« »Honoka Kousaka, zweite Klasse der Oberschule, ich entstamme den Sternen und bin das, was man in Legenden eine Sternenprinzessin nennt. Ich existiere nur um dir deinen Wunsch zu erfüllen.« ◊ Kapitel fünf -------------- Kapitel fünf       Maki hatte Honoka seit ihrem Treffen im Musikraum immer mal wieder gesehen. Auf dem Flur, in der Cafeteria, auf dem Pausenhof, oder auf dem Heimweg. Sie hatte immer noch an der Erzählung er Älteren zu knabbern und wusste nicht im geringsten wie sie damit umgehen sollte. Das klang alles so fabelhaft, dass es nicht wahr sein konnte und trotzdem verspürte sie dieses heftige Herzklopfen, immer dann wenn sie diese Sternenprinzessin sah. In Honokas Nähe fühlte sie sich wohl. Sicher und Geborgen, als würde ihr nichts geschehen und ihr nur Glück widerfahren. Tatsächlich suchte sie genau aus diesem Grund immer wieder Honokas Nähe, auch wenn sie ein eher sorgloses Mädchen war. »Maki-chan«, Honoka hatte ihre Hand in die Ihre genommen und lächelte sie so warm an. Ihre Augen funkelten wie die Sterne am Himmel. Die Ältere massierte ihre Hand. »Ich habe es immer geliebt, wenn du Klavier gespielt hast.« Maki entzog ihr ihre Hand und wand sich ab. Sie saßen auf dem Schuldach und waren vollkommen alleine mit sich selber. »Jeder muss irgendwann erwachsen werden«, sagte sie fast schon empört. »Ich habe keine Zeit mehr dafür.« Vollkommen unvorhergesehen, legte Honoka ihre flache Hand an Makis Brust. Die Jüngere errötete, blieb aber sitzen. »Ich weiß, wie sehr du es dir wünscht.« »Du...«, die Jüngere schwieg und wand sich dann plötzlich ab. »Du bist doch komisch.« Honoka zuckte vollkommen unbekümmert mit den Schultern, dann lächelte sie noch einmal so wundervoll warm. »Man sieht es dir an. Es steht dir regelrecht ins Gesicht geschrieben.« Makis Wangen nahmen ein leuchtendes Rot an und sie wand sich beschämt ab. »Du hast ja gar keine Ahnung.« Die Ältere lächelte einfach nur und Maki verstand es nicht. Sie wusste nicht, warum sie all das, was Honoka alles von sich gegeben hatte, glaubte und darunter war allerhand unglaubwürdiges. Sie verstand nicht, warum sie sich in ihrer Nähe so ruhig fühlte, als würde der ganze Stress von ihr abfallen. Sie hatte das Gefühl – trotz des eigentlich kalten und nassen Winterwetters – mitten auf einer Sommerwiese zu liegen und die Sterne am Nachthimmel zu beobachten, wenn sie bei Honoka war. War das der Grund, warum sie ihre Worte nicht in Frage stellte? »Ich möchte das du glücklich bist, Maki.« Sie nickte nur zur Antwort und schwieg. Aber wie konnte sie glücklich sein? »Ich weiß wie wichtig dir das Klavierspielen ist und wie glücklich es dich macht. Es tut dir gut und deswegen solltest du weiter machen.« »Meine Eltern werden dagegen sein. Sie sind der Meinung, ich sollte mich endlich mehr auf meine Zukunft konzentrieren.« »Und was denkst du?« »Ich weiß es nicht.« Es kehrte Schweigen zwischen den beiden ein, bis Honoka ganz plötzlich aufstand und Maki mit ihren Augen an funkelte. »Du denkst, dass du das nicht unter einen Hut bringen kannst, oder?« Sie wartete nicht darauf, dass Maki sich dazu äußerte, sondern sprach einfach weiter: »Du hast Angst deine Eltern zu enttäuschen, weil du beides willst. Das Medizinstudium und Musik machen, habe ich recht.« Honoka ging ein paar Schritte auf das Dach. Es fegte ein kalter Wind über dieses, doch die Mädchen schienen sich nicht im geringsten daran zu stören. »Du glaubst, es ist unmöglich, dass zu schaffen, ohne zu scheitern.« »Es reicht«, sagte Maki und wand sich ab. »Ich hab verstanden. Du weißt ganz genau, was in mir vor geht«, brummte sie. Sie zog ihre Knie an und legte ihre Ellenbogen und auf diesen ihren Kopf ab. »Ich möchte Medizin studieren, aber ich möchte auch weiter Musik machen. Aber noch weniger, will ich meine Eltern enttäuschen.« Maki sah auf, denn plötzlich stand Honoka wieder vor ihr und reichte ihre Hand. »Wenn ich es schaffe, dir etwas unglaubliches zu zeigen, wirst du es dann versuchen?« »Was soll das, Honoka-san?« »Ich möchte das du glücklich bist und deswegen werde ich alles versuchen, was in meiner Macht steht.« Schweigend sah Maki das warme und wundervolle Lächeln der Älteren an und spürte erneut wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Dann besann sie sich wieder zu ihrer Art von Vernunft und wand sich um, als könnte sie so verhindern, dass Honoka noch weiteren Einfluss auf sie nehmen konnte. Doch da hatte sich Maki geirrt. Honoka drehte sich auf der Stelle, wie eine Ballerina und blieb dann auf dem Punkt stehen. »Wenn ich es beweisen kann, dass du das tun darfst, wonach dir ist, wirst du mir dann glauben?« »Wie willst du das bitte schön anstellen«, fragte Maki und wand sich wieder der Älteren zu. Honoka stand da, mit dem rechten Arm nach oben ausgestreckt und zum Himmel zeigend. »Ich werde sie dir zeigen. Die Polarlichter!« Es war so ein Schwachsinn, so unmöglich was Honoka da von sich gab. Die Polarlichter zeigen? Hier? In Tokio? Wenn Maki nicht sprachlos gewesen wäre, hätte sie sicherlich laut los gelacht, aber sie saß nur da und beobachtete Honoka, die wie immer lächelte. Und Maki zweifelte nicht im geringsten an ihren Worten. Honoka meinte das ernst. ◊ Kapitel sechs --------------- Kapitel sechs       »Wir treffen uns hier, kurz vor Mitternacht. Ich werde sie dir ganz sicher zeigen.«, hatte Honoka gesagt und aufgrund ihrer Entschlossenheit hatte Maki sich nicht getraut ihr zu widersprechen. Hatte sich aber genauso wenig getraut, ohne irgendwelche Befürchtungen zu diesem Treffen zu gehen. Allein schon weil sie lange nach Schulschluss vor dem Schultor stand und Angst davor hatte, von irgendjemandem erwischt zu werden. Der Hausmeister war für seine Strenge bekannt und dafür, dass er Schüler lieber weit über den Schweregrad ihres Regelverstoßes bestrafen, damit sie sich einen erneuten Fehltritt lieber zwei Mal überlegten und wer weiß, vielleicht gab es ja auch Wachmänner, die Nachts im Schulgebäude patrouillieren? Maki stand in einem schützenden Schatten der Schulmauern, eines hochgewachsenen Baumes und eines noch nie gestutzten Busches. Es war schrecklich kalt und die nächste Straßenlaterne stand gut sieben oder acht Meter weit von ihr entfernt. Gewärmt hätte dieses kalte, weiße Licht sie eh nicht, aber so hatte sie das Gefühl, dass niemand sie erwischen könnte. Ihre Eltern wussten nichts von ihrem nächtlichen Ausflug zur Schule und das war auch gut so, denn sicherlich dürfte sie eine gehörige Standpauke erwarten, wenn sie davon auf irgendeine Art und Weise erfahren würden. Sie würden Schrecklich enttäuscht sein und sicherlich würde Maki diesen berühmten „So haben wir dich nicht erzogen“-Satz hören, den sie aus dem Fernsehen kannte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatten ihre Eltern noch nie ernsthaft mit ihr geschimpft. Was auch daran lag, dass sie sich immer an die Regeln gehalten hatte. War das der Grund, warum sie dieses aufgeregte Kribbeln verspürte? War es das Verbotene, was sie hier her gelockt hatte, oder lag es an Honokas vollkommen Sorgenfreiem Auftreten? Daran, dass sie so unbeschwert durch das Leben zu gehen schien und ohne Skrupel, oder Angst, diesen kleinen Ausflug beschlossen hatte. Maki schlang die Arme um sich. Der Wind war kalt und ihre dicke Winterjacke war nicht in der Lage sie vor dieser zu schützen. Sie hatte vollkommen das Zeitgefühl verloren und konnte nicht sagen, wie lang sie schon hier stand und wartete. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr jedoch, dass Honoka schon lange überfällig war. Zehn Minuten, um es genau zu sagen. Nun waren es elf und Maki wurde innerlich nur noch unruhiger. Sie hasste es zu warten und dann fühlte sie sich auch noch so unwohl in dieser Situation. »Maki-chaaan«, dröhnte Honokas Stimme durch die Nacht und das Mädchen drehte sich Panisch zu ihr um. Ihr „Pscht“ schien die Ältere jedoch vollkommen zu ignorieren. Honoka war anscheinend erleichtert, die Jüngere zusehen. Sie stürmte regelrecht auf sie zu und fiel Maki um den Hals. »Oi, Honoka-san«, brummte sie und drückte das anhängliche Mädchen von sich. »Was soll das ganze hier? Erst bestellst du mich hier hin«, Maki konnte sich endlich von Honoka befreien. »und dann klammerst du dich an mich, als hättest du Angst im Dunkeln.« Honoka lächelte aufrichtig und hatte die Hände hinter ihrem Rücken verschenkt. »Für einen Moment dachte ich, du würdest nicht kommen, weil ich dich nicht gefunden habe.« »Gefunden«, fragte Maki unbeabsichtigt lauter. Dann aber ermahnte sie sich zur Ruhe: »Du hast mich also gesucht?« »Ich denke es war nicht wirklich schlau sich ohne einen Treffpunkt zu verabreden.« »Ja«, stimmte die Jüngere ihr zu. Mit einem Lachen umfasste Honoka Makis Handgelenk, lächelte sie kurz an und rannte dann los. Maki verstand gar nicht was los war und hatte Mühe sich auf den Beinen zu halten. Honoka lief mit ihr den Weg entlang bis zu dem geschlossenem Tor, vor dem sie mit der erschöpften und unsportlichen Maki stehen blieb. »Was ...«, die Jüngere brauchte ein paar Augenblicke um zu verstehen was sie hier taten und das obwohl sie nur ein paar Meter zurück gelegt hatten. Honoka hingegen, schien das ganze so gut wie gar nichts ausgemacht zu haben. »Was wird das?« Im gleichen Moment, in dem sie die Frage stellte, wurde sie sich dem Problem, dem sie gegenüberstanden bewusst: »Das Tor ist verschlossen.« Honoka stand vor eben diesem Metalllernen Eingangstor, rüttelte an eben diesem und trat einen Schritt zurück. »Zu, das hätte ich dir gleich sagen können, also gehen wir wieder heim«, fragte Maki und war fast schon auf dem Weg nach Hause, doch dann ließ eine Bewegung neben ihr, sie innehalten. Honoka war ein paar Schritte zurück gegangen, hatte Anlauf genommen, war los gerannt und mit dem gewonnenen Schwung über das Tor geklettert. Maki blieb nichts anderes übrig als Entsetzt ihre Freundin dabei zu beobachten, wie sie leichtfüßig auf der anderen Seite auf dem Boden aufkam. »Jetzt du Maki-chan«, forderte Honoka sie auf und die Jüngere reagierte empört: »Bist du verrückt? Ich komm da nie rüber! Und überhaupt, was ist wenn und jemand erwischt?« »Mach dir keine Sorgen. Wir werden vorsichtig sein! Keiner wird uns sehen.« »Was redest du da?!« Honoka winkte ihr unbesorgt und lächelte. Sie wartete darauf, das Maki sich bewegte, doch die Jüngere genierte sich regelrecht. Sie hatte Hemmungen ihr einfach so zu folgen und stand auf der Stelle. Sie spürte, wie ihr Körper zitterte und sah in die aufmunternden Augen ihrer Freundin auf der anderen Seite des Tors. Sie konnte es sich nicht erklären, aber plötzlich setzte sich Maki in Bewegung und kletterte umständlich das Tor hoch und landete unelegant auf ihren Füßen. Sie war irgendwie stolz darauf und nur noch ein wenig besorgt, weil man sie immer noch erwischen konnte. Aber die Ältere schien sich immer noch keine Gedanken darüber zu machen, dass es verboten war Nachts in der Schule zu sein. Sie nahm Makis Hand und ging einfach los. Sie lief in einem eiligen Tempo alle Türen ab und versuchte sie aufzudrücken. Erst auf der Hinterseite des Gebäudes entdeckten sie eine offene Tür und schlüpften hinein. Leise schlichen sie die Treppenstufen hoch und stießen dort wieder auf eine Tür. Auf einem großen Schild stand „Betreten des Daches verboten“. Für Maki war ihr Ausflug somit beendet, doch Honoka ließ sich auch davon nicht abhalten und legte ihre Hand an die Klinke und drückte sie herunter. »Die ist doch sicherlich abgeschlossen«, murmelte Maki. Doch die Tür ging auf und Honoka verschwand auf dem Dach. Die Jüngere folgte ihr zögerlich, als sie plötzlich Honoka das ihr so bekannte Lied sang. Sie fühlte sich so unglaublich sicher, als wäre es das natürlichste der Welt hier zu sein. Als wäre es ihr Recht, mitten in der Nacht auf dem Schuldach zu stehen. Maki stand in der Tür und betrachtete Honoka, wie sie regelrecht über das Dach tanzte und mit ihrem Gesang und ihrer Aura in einen Sternenhimmel tauchte. Natürlich war der Nachthimmel von Sternen behangen, doch alles wirkte so, als würden die Sterne um sie herum tanzen – als würden sie mit Honoka tanzen – und überall klang Honokas Lied.   [LEFT]Yume no tobira daremo ga sagashiteru yo Deai no imi o mitsuketai to negatteru Yume no tobira zutto sagashi tsuzukete Kimi to boku to de tabidatta ano kisetsu.[/LEFT] [LEFT]Chance! jibun no omoi ga minna no omoi ga Kasanari ookiku nari hirogaru yo Chance! kitai no nami e to mi o makasete miyou Suteki sa… doko made demo tsuzuku Power. [/LEFT]   Irgendwann hatte Honoka Makis Hände umgriffen und sie zu sich gezogen, in Mitten der Sterne und sie tanzten – sie alle. Sie folgte Honokas Beispiel und stieg erst leise ein und wurde dann immer selbstbewusster. Obwohl sie den Text nicht einmal konnte, gingen ihr die Worte so leicht von den Lippen, ohne nachdenken zu müssen. Und dann, ganz plötzlich, ohne irgendwelche Vorwarnung, zog Honoka sie an sich und drückte Maki liebevoll an ihren Körper. Sie flüsterte nur noch ihr Lied und trotzdem hatte Maki das Gefühl, sie würden mitten auf einer Bühne stehen. Sie schloss die Augen und genoss all die Gefühle und Empfindungen. »Ich möchte das du glücklich bist, Maki-chan«, flüsterte Honoka. »Deswegen bin ich bei dir. Weil ich mit dir Glücklich sein will und ich will dich Klavierspielen hören.« Maki gab einen leisen Laut von sich. »Das ist unmöglich. Ich muss lernen.« Honoka sagte nichts, sondern hob nur ihren Arm, was Maki spürte und das veranlasste sie, dass hoch sah. Sie folgte ihrem Arm und erblickte im Nachthimmel tanzende, bunte Lichter. Grün, Lila, Gelb, Rosa. All diese Farben schienen um sie herum zu tanzen und tauchten die Nacht in eine Art Regenbogen. »Habe ich dir doch versprochen, oder?« Maki legte ihren Kopf auf Honokas Schulter und sagte leise: »Ja«, während um sie herum die Polarlichter um sie herum tanzten. Honoka hatte Recht. Sie war etwas besonderes, eine Art Sternenprinzessin. Warum sonst tanzten all die Sterne um sie herum, wenn sie sang? Aber die wichtigste Erkenntnis die Maki hatte war, dass Honoka ihre Sternenprinzessin war und das sie glücklich sein würde, so lange die Ältere bei ihr war.                               »Yume no tobira daremo ga sagashiteru yo Deai no imi o mitsuketai to negatteru Yume no tobira zutto sagashi tsuzukete Kimi to boku to de tabidatta ano kisetsu Seishun no Puroroogu« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)