Complete Silence von lunnaris1989 ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Ihr General war noch ruhiger und abwesender als sonst. Das war Sora direkt aufgefallen, als sie die Kommandozentrale der fliegenden Festung betrat. Er starrte aus dem Fenster und sah auf die Stadt unter ihnen. „Bald wird dies alles nicht mehr sein…“, murmelte er und schloss die Augen. „General Folken. Seid Ihr Euch sicher, dass dies der richtige Weg ist?“ Sora stellte sich neben ihn, ihre hellblauen Augen richteten sich auf sein müdes Gesicht und Sorge machte sich in ihnen breit. Sie bemerkte die Augenringe und die erschöpften Gesichtszüge ihres Generals. Die letzten Monate waren auch für ihn hart gewesen, die wenigen Stunden an Schlaf konnten die der Arbeit bei weitem nicht ausgleichen. Seine rostroten Augen senkten sich in die ihren. Ein schräges Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er seine Hand an ihre Wangen legte. „Wenn ich dich so anschaue, könnte ich die Entscheidung fast bereuen. Aber es muss geschehen. Gaia ist zu sehr der Gewalt verfallen, als dass die Menschen die Ordnung wieder herstellen könnten. Gaia muss brennen.“ Tränen sammelten sich in Soras Augen, als er von ihr abließ und sich in Richtung des Raums der Hexer begab. Warum nur musste ihr General so leiden? Was hatte er getan, dass das Schicksal so grausam mit seiner Seele umging? Sora wusste nicht, ob sie ihm folgen sollte, also blieb sie wartend in der Kommandozentrale zurück. Als hinter ihr schnelle Schritte von klackenden Stiefeln erklangen, drehte sie sich erschrocken um. „Da ist sie ja wieder. Das Liebchen des Generals…“ Diese eisige, hohe Stimme des Mannes jagte ihr jedes Mal erneut Schauer über den Rücken. Die Kälte in den roten Augen lähmte sie und ähnlich wie es Hitomi erging, konnte auch Soras Instinkt nichts mit diesem Wesen anfangen. Äußerlich schien der Soldat ein Mann zu sein, doch Gesicht und Stimme ähnelten zu sehr dem einer Frau. Dilandau trat vor sie und presste sie gegen die Glasscheibe. „Zu gern würde ich in den Abgrund stoßen und dich dahin schicken, wo du hingehörst. Abschaum.“, flüsterte der Soldat mit einem zynischen Grinsen im Gesicht und packte ihr Gesicht. Sora schloss die Augen und erwiderte nichts. Sie hatte Angst – doch sie wusste auch, dass Dilandau ihr nichts tun konnte, solange sie unter General Folkens Schutz stand. Das wusste auch der Soldat und sie glaubte, dass dies genau der Grund war, warum er sie so häufig quälte. „Kommandant Dilandau!“, ertönte im Hintergrund eine bestimmte, aber dennoch unverkennbar sanfte männliche Stimme. „… Jujuka. Was willst du? Du siehst, das ich gerade beschäftigt bin.“ Genervt ließ Dilandau von seinem Opfer ab und drehte sich in Richtung des Eindringlings. „General Folken hat um unsere Anwesenheit beim Experiment mit dem Mädchen gebeten. Wir werden bereits von den Hexern erwartet.“ Jujuka senkte das Haupt und beugte sich ein wenig hinab. Schrilles Lachen erfüllte den Raum. „Schön, schön. Ich bin gespannt, was die Hexer für dieses Weib vorbereitet haben!“ Doch bevor er ging, drehte er sich noch einmal zu Sora um und lächelte böse. „Das wird dir bestimmt gefallen, nicht? Noch ein Mädchen, das für Folkens Pläne durch die Hölle geschickt wird. Vielleicht mit ein wenig Glück auch wieder zurück? Wie viele Mädchen hat er bereits verloren? Zehn? Zwanzig?“ Sora sah zu Boden und musste die erneut aufsteigenden Tränen gewaltsam unterdrücken. „Diese Frau ist die Richtige. Das wissen sowohl General Folken, als auch ich. Es hat lange gedauert, sie zu finden und noch länger um sie zu bekommen.“, flüsterte sie ergeben. Die einzige Antwort die sie bekam, war ein lautes Lachen und das Klacken der Stiefel, die sich nun langsam von ihr und der Kommandozentrale entfernten. Nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Ihre Gedanken gingen zu den zahlreichen Mädchen vor Hitomi zurück, die bereits für die Pläne ihres Generals ihr Leben oder ihren gesunden Geist lassen mussten. Sie betete darum, dass Hitomi wirklich die Richtige war und endlich diejenige, die diese Prozedur ohne Schäden durchhielt und nicht mit ihrem Leben bezahlen musste.       Hitomi wurde durch einen lauten Schlag geweckt und durch Hände, die nach ihrem Körper griffen und sie grob von ihrer Pritsche rissen. „Was… was soll das?!“, rief sie erschrocken und versuchte sich aus den Griffen der Männer zu befreien. „Komm mit und sei still!“, fuhr sie einer der Männer an. Sie erstarrte, als sie in sein geisterhaft weißes Gesicht sah und in seine Augen, deren Iris‘ zweifarbig war. „Wo bringt ihr mich hin?“, verlangte sie zu wissen, als sie unsanft einige Gänge entlang gestoßen wurde. Wo war die Frau, die sie in den Schlaf massiert hatte? Sie hatte das Gefühl, dass sie ihr vertrauen konnte. Dass sie die Einzige war, die in dieser Festung zumindest ein bisschen auf ihrer Seite stand. Doch sie konnte Sora nirgendwo entdecken und das machte ihr unheimliche Angst. Von der starken und selbstbewussten Hitomi die sie eigentlich war, war im Moment nicht viel vorhanden. Die fremde Umgebung, ihr Erlebnis mit dem General, die Vision und Escaflowne hatten sie aufgewühlt, verwirrt und verletzlich zurückgelassen. Und sie wusste nicht, was die Zaibacher mit ihr vorhatten. Escaflowne brauchte eine Seele, das hatte ihr der General erklärt. Doch wozu war sie dann hier? Die Soldaten stießen sie durch die Gänge, bis sie durch eine unscheinbare Tür in eine Art Labor eintraten. Hinter ihr fiel die Stahltür ins Schloss, die Endgültigkeit ihrer Situation wurde ihr dadurch erst wieder richtig bewusst. Ihre Knie begannen zu schlottern, doch sie riss sich zusammen. Panik half ihr im Moment nichts und sie sah sich stattdessen im Raum um. Weitere Männer befanden sich darin. Sie trugen lange, schwarze Mäntel, die ihre kompletten Körper bis zum Kinn verhüllten. Die meisten waren glatzköpfig und sahen schon recht alt aus. Zwischen ihnen stand der General und weiter am Rand der Soldat in der roten Rüstung, der ihr und Sora schon begegnet war. Er schenkte ihr ein bösartiges, schiefes Lächeln und biss sich auf die Unterlippe, bis ein dünnes Rinnsal an rotem Blut an seinem Kinn entlang lief. Dieser Soldat war eindeutig geisteskrank. Eine andere Erklärung fiel Hitomi für solch ein Verhalten nicht ein. Doch sie kam nicht dazu, sich weitere Gedanken darum zu machen, als Folken sich von den Männern abwandte und in ihre Richtung kam. „Hitomi. Wir sind nun soweit. Jetzt wird sich zeigen, ob sich Escaflowne bei dir versteckt.“ Er nahm sie an der Hand und führte sie zu einer Maschine, an der mehrere mit grünlicher Flüssigkeit gefüllte mannshohe Säulen angeschlossen waren. „Was habt Ihr mit mir vor?“, fragte sie leise und konnte nicht vermeiden, dass ihre Stimme leicht zittrig klang. „Wir werden den Teil deiner Seele abspalten, der die Escaflowne beherbergt, und sie damit erwecken. Wir erhoffen dadurch, dass sie sich hier in unserer Festung materialisiert. Und dann kann das Schicksal endlich seinen Lauf nehmen und dieser Welt das schenken, was sie am meisten braucht.“ Mit diesen Worten übergab er sie zwei Hexern, die sich an Hitomis Kleidern zu schaffen machten. „Moment, was macht Ihr? Lasst das!“, rief Hitomi entsetzt, als sie ihr die Kleidung vom Leib rissen und sie bis auf ihre nackte Haut entblößten. Panik ergriff sie und sie versuchte sich mit allem zu wehren was sie hatte, doch gegen diese Männer hatte sie keine Chance. Die Hexer stießen sie schließlich in Richtung einer Säule, die noch nicht mit dieser Flüssigkeit gefüllt war und betätigten an einer dazugehörigen Schaltkonsole einige Knöpfe, die eine Tür im Glas der Säule erscheinen ließen. Hitomi ahnte böses, kämpfte gegen die eisernen Griffe der Männer an und begann zu schreien. Mitten in ihrem Kampf entdeckte sie Sora, die sich ganz im Hintergrund aufhielt und deren Gesicht tränenüberströmt zu ihr sah. „Sora! Sora, bitte hilf mir!“ Doch diese senkte den Kopf und blickte zu Boden, als Hitomi von den Männern in die Säule gedrückt und die Tür geschlossen wurde. Ihr brach das Herz, als sie sah, wie die Frau gegen die Wände der Säule schlug und verzweifelt das Glas zum Zerbersten bringen wollte. Das Gefäß begann sich langsam mit der grünen Flüssigkeit zu füllen. Hitomi sah entsetzt nach unten und schlug immer verzweifelter gegen die Scheiben. „Das kann doch nicht sein…“, dachte sie schmerzerfüllt, als die Flüssigkeit ihren Hals und schließlich ihr Kinn erreichte. Sie fühlte sich an wie Wasser, aber gleichzeitig auch nicht. Es war warm und als ihr Mund die Nase bedeckt wurde, hielt sie instinktiv die Luft an. Sie wusste, lange würde sie so nicht aushalten. Ihre Augen schlossen sich, schließlich war sie komplett in der Flüssigkeit gefangen und ihr ging langsam aber sicher der Sauerstoff aus. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und erwartete schon irgendeine Art von Schmerz, der jedoch ausblieb. Hitomi fasste sich an den Hals und versuchte verzweifelt, den Reflex nach Luft zu schnappen zu unterdrücken, doch ihre Lungen schrien nach Sauerstoff und schienen zu bersten. Instinktiv öffnete sich nun doch ihr Mund und die Flüssigkeit drang in sie ein. Als sie nach Luft rang, bemerkte sie etwas Seltsames. Sie konnte in diesem Wasser zwar nicht direkt atmen, aber ihre Lungen füllten sich langsam wieder mit dem ersehnten Sauerstoff. Wie war das möglich? Durch die Flüssigkeit und das Glas hindurch nahm sie verschwommen war, wie die Männer mit den schwarzen Umhängen einige Knöpfe an der Maschinerie betätigten. Die Säulen um sie herum begannen langsam blau zu leuchten. Eine nach der anderen, bis sie bei ihr angelangt waren. Und dann kam der Schmerz. Sora vernahm selbst durch die Scheiben hindurch Hitomis gellenden Schrei und sah ihren Körper, der sich in der Flüssigkeit verkrampfte, als würde er unter Strom stehen. Sie wandte sich von dem schrecklichen Bild ab und begann zu den höheren Mächten zu beten und ihr Lied zu singen, in der Hoffnung, wenigstens einen Teil ihrer Schmerzen nehmen zu können...   "Win chent a lotica En vai tu ri Si lo ta   Fin dein a loluca Si katigura neuver   Floreria for chesti Si entina..."       Die rote Dame saß in ihrem Zimmer und blickte auf das Pendel in ihrer Hand. Ihre Gedanken glitten zu Hitomi, die jahrelang ihr kostbarster Schatz war. Warum General Folken sie wohl unbedingt haben wollte? Auch ihr war nicht entgangen, dass dieses Mädchen, welches unter ihrer Fittiche zu einer wohlgeformten und begehrenswerten Frau herangewachsen war, etwas besonderes umgab. Diese Aura war es, die die Männer magisch zu ihr hinzog. Früh hatte die rote Dame bemerkt, welches Potenzial in diesem Mädchen steckte und sie formte es sich, wie sie es brauchte. Hitomi war ein unbeschriebenes Blatt, als sie sie aus dem Kinderhaus mitnahm. Damals hatte ihr die Mutter des Hauses den einzigen Schatz, den das Kind bei der Aufnahme bei sich trug, anvertraut. Wohlweislich hatte sie das Pendel vor Hitomi versteckt und über die Jahre war es für das Mädchen schließlich in Vergessenheit geraten. Nur die rote Dame saß des Öfteren in ihrem Sessel und starrte auf das Pendel. Manchmal kam es ihr so vor, als hätte der rosa Stein so etwas wie Leben in sich. Die rosa Farbe schien sich in sich zu bewegen, sich zu dehnen, nur, um wieder erneut zu einer Einheit zu verschmelzen. Wenn sie es länger anschaute war es ihr auch, als würde er ihr eine Geschichte erzählen. Allerdings beschlich sie beim Anblick des Anhängers nach längerer Zeit auch immer ein beklommenes Gefühl und ihr Herz wurde eng vor Einsamkeit. Woher dieses Gefühl kam, konnte sie sich allerdings beim besten Willen nicht erklären und sie schob es jedes Mal auf ihre langen Nächte und die wenigen Stunden Schlaf. Völlig in ihren Gedanken versunken, bemerkte sie zuerst gar nicht, dass sich der Anhänger langsam anfing zu bewegen. Sie hielt ihn an der Kette und sah nur aus dem Augenwinkel, dass das Pendel im Sekundentakt, fast wie ein Herzschlag, zu schwingen begann. Erschrocken starrte sie auf die Kette und nahm nun das sanfte Leuchten im Inneren des Anhängers wahr. Von Sekunde zu Sekunde wurde das Leuchten intensiver und strahlender, bis sich der Anhänger schließlich in ein gleißendes Blau verfärbte und verschwand. Verdutzt blickte die rote Dame auf ihre leere Hand, in der sich zuvor die Kette samt Anhänger befand und konnte sich das Geschehene nicht erklären.       Van und Fiore liefen nun schon seit geraumer Zeit geduckt in den Schatten der Gassen entlang. Sie kamen nur langsam vorwärts und Fiore befürchtete zwischenzeitlich schon, sie würden es nicht rechtzeitig zum vorhergesehenen Ort schaffen. Die Sonne stand bereits tief am Himmel und tauchte die Stadt in ein sanftes Orange. Der schwarzhaarige Mann sah besorgt hinauf, kurz dachte er in den Strahlen der tiefer sinkenden Sonne ein merkwürdiges Flimmern am Himmel zu bemerken. Scheinbar machte sich die Müdigkeit langsam bemerkbar und er schüttelte unwirsch den Kopf. "Da vorne sind sie!", zischte Fiore vor ihm. "Bist du bereit?" Van nickte entschlossen und starrte mit zusammengekniffenen Lippen auf die Zaibacher Soldaten, die in Reih und Glied durch die Straßen von Pallas marschierten, als wären sie hier nicht zu Gast, sondern Zuhause. Da wurde von Fiore grob gepackt und ein paar Meter vor den Soldaten auf die Straße gestoßen. "Da ist der reudige Hund!", schrie er durch die Straße, packte Van an den Haaren und drückte ihn auf die Knie zu Boden. Der führende Soldat gebat seiner Einheit, stehen zu bleiben und beobachtete das Schauspiel vor ihm interessiert. "Ihr habt ein Kopfgeld auf diesen Mann ausgesetzt!" Fiore blickte mit einem schiefen Grinsen auf den Soldaten, stellte seinen Fuß auf den Rücken seines Gefangen und drückte ihn somit noch tiefer auf den Boden. Van beugte sich und gab sich offensichtlich geschlagen. "Mieser Verräter!", zischte er durch zusammengepresste Zähne und spuckte vor sich auf den Boden. Der Zaibacher Soldat schritt auf die beiden zu und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Dann packte er Van am Kinn und zog seinen Kopf nach vorne, um ihn anzusehen. "Gute Arbeit. Das hätte man so jemandem wie dir gar nicht zugetraut.", fügte er mit einem abschätzigen Blick auf die durchlöcherten und heruntergekommen Klamotten hinzu, die Fiore trug und ließ von Van ab. Er bedeutete dreien seiner Männer, den Mann vor ihm auf den Boden in Gewahrsam zu nehmen. "Was ist mit meiner Belohnung?", fragte Fiore unwirsch und hielt ihm die Hand hin. Der Zaibacher holte einen klimpernden Beutel aus den einer Tasche und warf ihn vor Fiore zu Boden. "Das sollte genügen. Und nun verzieh dich, bevor ichs mir anders überlege und dich aus dem Weg räume." Schnell schnappte sich Fiore den Beutel und verzog sich in eine der nächstgelegenen dunklen Gassen. Aus den Schatten heraus verfolgte er ungläubig, wie die Soldaten ihnen das Schauspiel ohne mit der Wimper zu zucken abnahmen. Glaubten sie ernsthaft, dass sich Van wirklich so leicht abführen lassen würde? Er schüttelte mit dem Kopf. Schwachköpfe. Van wehrte sich unterdessen nur geringfügig, als er in den Reihen der Zaibacher in Richtung seines Zielortes befördert wurde. Das ging bis jetzt alles fast zu leicht und er war ein bisschen enttäuscht, dass die Zaibacher ihn scheinbar so falsch einschätzten. Die Dolche in seinen Stiefeln schienen die Soldaten ebenfalls auszulachen, während sie sich immer weiter an den Rande Pallas' begaben und schließlich durch das Stadttor nach draußen gelangten. Vor den Toren stand ein kleines Flugschiff, dass scheinbar auf die Zaibacher wartete. "Nehmt ihn mit rein und sperrt ihn in eine Kabine. Seht zu, dass er uns nicht entkommt!", befahl der Anführer der Truppe und begab sich im Flugschiff auf die Brücke. Van wurde unterdessen von den drei Männern in eine Kabine geführt und nachdem der Soldat sich sicher war, dass das Fenster verschlossen war und auch sonst keine Gelegenheit des Entkommens bestand, wurde er hineingestoßen und die Tür von außen verschlossen. Keine halbe Stunde später hob das Flugschiff ab und befand sich auf dem Weg zur fliegenden Festung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)