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Heilende Hände

Rose x Scorpius
von

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Der Tod und die Heilerin

Nach einer Ewigkeit stand ich immer noch neben Scorpius Malfoy. Meine Hand lag noch auf seinem Arm und wir sahen uns an. Niemand sagte etwas. Ich konnte nichts sagen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich atmete.

Ich traute meinen Ohren nicht. Hatte er gerade gesagt, dass ich ihn sterben lassen sollte? Er war im St. Mungo's Krankenhaus! Auf meiner Station! Was bildete er sich eigentlich ein?

Ich versuchte, meine Wut im Zaum zu halten, was mir nur unter höchster Anstrengung gelang.

"Hier stirbt niemand", sagte ich bestimmt. "Ich bin doch nicht Heilerin geworden, um meine Patienten sterben zu lassen! Ich finde heraus, was dir fehlt und werde mein Bestes tun, um dich wiederherzustellen."

Scorpius ließ sich zurück auf seine Kissen fallen. Alle Spannung war aus seinem Körper gewichen, so als hätte er erneut aufgegeben.

"Mach, was du willst", sagte er. "Aber glaub mir, mich kann man nicht wiederherstellen."

Zum wiederholten Mal fragte ich mich, was mit ihm passiert war. Mittlerweile reichte es mir. Ich würde einfach mit meiner Behandlung beginnen müssen, dann würde ich schon sehen, wohin es mich führte.

Ich begann, ein paar sehr einfache Formeln und Zauber auf Scorpius zu richten, um herauszufinden, welche Flüche ihn getroffen hatten. Meine Zauber wurden immer komplizierter, je tiefer ich in Scorpius' Geist eindrang. Ich beschrieb ihm die ganze Zeit jeden einzelnen Schritt, den ich unternahm, doch er ragierte nicht darauf. Er schien sich vollständig in sich zurückgezogen zu haben.

Nach ein paar Stunden brauchte ich eine Pause und Scorpius höchstwahrscheinlich auch. Ich setzte mich auf die Bettkante und startete noch einen Versuch.

"Scorpius", sagte ich, und er blickte mich tatsächlich an. "Wie fühlst du dich?"

Lange Zeit sagte er nichts, sodass ich schon dachte, er hatte mich nicht verstanden. Er blickte mich einfach nur an. Als ich mich gerade wiederholen wollte, sagte er: "Du hast eine wirklich schöne Stimme."

"Ähm… wie bitte?"

"Als du vorhin die ganze Zeit mit mir gesprochen hast. Das hat gut getan… Danke…"

"Gern geschehen", sagte ich leise.

Dann war er wieder weg. Sein Blick wurde wieder leer. Anscheinend war die Unterhaltung für ihn beendet. Ich beschloss, ihn für den Augenblick in Ruhe zu lassen. Ich war weitergekommen, sowohl medizinisch als auch menschlich. Ich hatte fast alle Flüche herausfinden können, die Scorpius getroffen hatten. Die Behandlung würde eine Zeitlang dauern, und ich war guter Dinge, dass ich das hinkriegen würde. Außerdem hatte Scorpius gesagt, dass er meine Stimme schön fand. Ich würde gar nicht leugnen, dass das Kompliment meinem Ego gut tat, und an den Gedanken daran spürte ich, wie ich rot wurde. Trotzdem machte mir Scorpius' Geisteszustand Sorgen. Unter den Flüchen, die ich gefunden hatte, waren viele dabei gewesen, die ernsthafte Verletzungen verursachen konnten. Doch keiner davon verdrehte jemandem dermaßen den Geist und nahm ihm den Willen zu leben. Was Scorpius auch widerfahren war, es musste grässlich gewesen sein.
 

Die nächsten Tage schienen sich endlos zu wiederholen. Jeden Morgen nach Übergabe und Visite ging ich zu Scorpius und führte meine Behandlung fort. Sein körperlicher Zustand besserte sich von Tag zu Tag, doch seine Stimmung blieb immer gleich. Ich bemühte mich, so viel wie möglich mit ihm zu reden. Ich erzählte von früher, von Schulzeiten, von der Ausbildung zur Heilerin und von meiner Beförderung zur Stationsleiterin. Er erwiderte zwar nichts, doch ich spürte wie er mir aufmerksam zuhörte.

Nach der Behandlung erledigte ich meinen Papierkram, sah nach den anderen Patienten und ging irgendwann nach Hause. Dort saß ich dann und zerbrach mir den Kopf über Scopius. Während ich auf meiner Couch saß und grübelte, schaute ich gedankenverloren aus dem Fenster. Als sich mein Blick irgendwann fokussierte, sah ich, dass es wieder schneite.

Ich schaute dem Schnee eine Weile zu, was eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich hatte. Mit meiner heißen Tasse Tee in der Hand stellte ich mich ans Fenster. Der Schnee lenkte mich ein wenig ab, doch meine Gedanken kreisten weiterhin um Scorpius. Seine physische Behandlung war eigentlich so gut wie abgeschlossen, doch seine Psyche hatte sich immer noch nicht gebessert. Unter diesen Umständen würde ich ihn allerdings nicht mehr lange im Krankenhaus behalten können. Wenn sich nichts änderte, würde ich ihn bald entlassen müssen, doch ich war mir sicher, dass das absolut keine gute Idee wäre. Irgendetwas musste passieren.

Am nächsten Tag reichte es mir. Nachdem Scorpius sowohl bei der Visite als auch während meiner Behandlung immer noch keine Regung zeigte, riss mir einfach der Geduldsfaden. Ich hatte keine Lust mehr, mir ständig Gedanken um ihn zu machen und mir von seiner Apathie die Laune verderben zu lassen. Also schnappte ich mir einen Rollstuhl, stürmte den Gang hinunter und trat Scorpius fast die Zimmertür ein. Nicht einmal der Krach, den ich dabei verursachte, schien ihn zu stören. Er lehnte weiter an seinen Kissen und starrte aus dem Fenster. Es war ein sonniger Tag, aber klirrend kalt, genauso wie ich es am liebsten mochte. Und das würde jetzt auch Scorpius zu spüren bekommen.

"Setz' dich hier rein", befahl ich, während ich den Rollstuhl direkt vor sein Bett schob. Er sah auf.

"Warum?", fragte er.

"Ärztliche Anordnung", gab ich zurück.

"Ich möchte das nicht."

"Ist mir vollkommen klar, aber sowas von egal", sagte ich. Verständnislos schaute Scorpius mich an.

"Ich meine es ernst", sagte ich. "Entweder du bewegst dich von selbst oder ich benutze Wingardium Leviosa!"

Scorpius starrte mich an. Zuerst schien er komplett entgeistert zu sein, doch dann fing er tatsächlich an zu grinsen.

"Na schön, Frau Doktor", sagte er, "wenn Sie darauf bestehen."

Ich wusste nicht wirklich, was ich davon halten sollte, aber ich begnügte mich damit, dass er tatsächlich seine Decke zurückschlug, aufstand und sich in den Rollstuhl setzte. Ich wedelte einmal kurz mit dem Zauberstab und sofort war Scorpius mit einer dicken Jacke, Schal und Mütze ausgestattet sowie mit einer dicken Wolldecke über seinen Beinen bedeckt.

Ich wollte den Rollstuhl gerade aus dem Zimmer schieben, als Scorpius sich noch einmal zu Wort meldete.

"Eine Wolldecke mit Schottenmuster? Ernsthaft?", meckerte er.

"Halt' die Klappe, sonst zaubere ich dir Teddybären drauf", gab ich zurück und setzte uns mit einem zufriedenen Grinsen in Bewegung.

Auf dem Weg nach draußen entledigte ich mich schnell meines weißen Umhangs, warf meinen Mantel über und schnappte mir Mütze und Schal. Dann fuhr ich Scorpius im Rollstuhl in den Garten hinaus.

Die wenigsten wissen, dass hinter dem St. Mungo's ein kleiner Park existiert. Er ist vom Krankenhausgebäude umschlossen und somit für Muggel unauffindbar. Aber viele Patienten und auch Heiler sind vor allem im Sommer oft hier unterwegs. Heute bei der extremen Kälte war dies natürlich weniger der Fall, sodass Scorpius und ich fast allein unterwegs waren.

Eine Weile schob ich Scorpius einfach durch den Schnee, keiner von uns sagte etwas. Ich schaute nach links und rechts, sah mir die verschneiten Bäume an. Doch mein Blick wanderte immer wieder zu Scorpius zurück, und ich fragte mich, was in seinem Kopf vorging. Und als ob er spüren würde, dass ich über ihn nachdachte, brach er unser Schweigen.

"Es ist wirklich schön hier", sagte er leise.

"Finde ich auch", antwortete ich. "Ich bin gern hier."

"Auch jetzt?"

"Vor allem jetzt. Ich liebe den Winter."

"Hmm…", machte er. "Ich bin ja eher so der Frühlingstyp."

"Frühling?", fragte ich. "Das hätte ich nicht vermutet."

"Wieso nicht? Frühling ist die beste Jahreszeit. Alles wird neu, das Jahr beginnt so wirklich, es gibt neue Möglichkeiten und Perspektiven. Man fängt quasi wieder von vorn an."

"Das ist eine sehr schöne Sicht auf das Leben", sagte ich nach einer Weile.

"Ja naja", antwortete er, "noch einen Frühling wird es für mich nicht geben."

Mir rutschte das Herz in die Hose. Von einem Moment auf den anderen war er von einer guten Laune direkt wieder in seine negative Stimmung gefallen. Wie war das jetzt auf einmal passiert?

Ich schob den Rollstuhl neben eine Parkbank und stellte ihn fest. Dann wischte ich den Schnee von der Sitzfläche und setzte mich so, dass ich Scorpius direkt ansah. Er schaute mir kurz in die Augen, dann wandte er den Blick ab.

"Scorpius", sagte ich. Er hob den Blick wieder.

"Was ist dir nur zugestoßen?", fragte ich dann.

Er seufzte und zögerte lange. Doch ich blieb geduldig, und letztendlich begann er zu erzählen:

"Ich arbeite im Ministerium. Kein prestigeträchtiger Posten, aber ich arbeite dran. Unsere Abteilung wird immer mal losgeschickt, wenn es Ärger gibt, quasi zur Unterstützung der Auroren. So war es auch diesmal. Mitten in London ist eine Gruppe von Zauberern durchgedreht und hat aus dem Nichts heraus angefangen, sich zu duellieren. Die Auroren waren woanders unterwegs, also wurden mein Partner und ich geschickt. Unsere Aufgabe war, die Duellanten ins Ministerium zu bringen und alle Muggel zu schützen, die sich dort aufhielten. Leider ging das Ganze fürchterlich schief. Wir konnten diese Spinner zwar überwältigen und mein Partner konnte mit ein paar von ihnen zum Ministerium apparieren. Ich sollte mit der anderen Hälte direkt hinter ihm sein, aber einer von ihnen konnte sich befreien und griff mich an. Wir hatten ihnen die Zauberstäbe weggenommen, aber er konnte mir einen abnehmen. Da es aber nicht seiner war, gehorchte er nicht richtig. Während unseres Duells muss ein Zauber fehlgeleitet worden sein. Auf einmal sah ich einen grünen Blitz und hörte einen Schrei und einer der Muggel fiel in sich zusammen. Als ich nach ihm sehen wollte, wurde noch einer der Muggel angegriffen und noch einer und noch einer. Ich war einfach komplett überfordert, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Am Ende wurde ich wieder angegriffen. Mich traf ein Zauber nach dem anderen, und das nächste, was ich weiß, ist, dass ich im St. Mungo's aufwache mit dieser schrecklichen Erinnerung an meinen fehlgeschlagenen Auftrag. Ich bin Schuld am Tod dieser Menschen, Rose. Diese unschuldigen Menschen sind gestorben, weil ich den Kopf verloren habe. Ich hätte dort sterben sollen, nicht die Muggel. Wenn ich mein Leben für ihres tauschen könnte, ich würde es auf der Stelle tun. Das ist es, was mir zugestoßen ist, Rose. Deshalb möchte ich einfach in Ruhe gelassen werden."

Während Scorpius seine Geschichte erzählt hatte, hatte er immer schneller und aufgeregter gesprochen. Jetzt am Ende war er wieder ruhig geworden und in sich zusammengesackt. Mir war kalt geworden, doch ich wusste nicht, ob es an der Außentemperatur oder an Scorpius' Erzählung lag. Lange Zeit wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Es war schrecklich, was ihm passiert war. Er hatte Menschen sterben sehen und gab sich auch noch die Schuld daran.

"Scorpius", begann ich irgendwann, "ich kann verstehen, dass du denkst, dass du für den Tod dieser Menschen verantwortlich bist. Glaub mir, ich bin Heilerin, auch unter meiner Obhut sind schon Menschen gestorben. Gute Menschen. Aber es ist nicht deine Schuld. Es ist die Schuld dieser Gruppe von Duellanten, die rücksichtslos und unmenschlich gehandelt haben."

"Ich konnte sie nicht aufhalten", gab er zurück. "Ich konnte den Muggeln nicht helfen. Ich war schwach!"

"Weil du ein Mensch bist!", sagte ich aufgebracht. "Du bist nicht perfekt. Keiner von uns ist das. Du standest unter Druck und hast einen Fehler gemacht. Lebe damit und mache es von jetzt an besser. Um der Menschen Willen, die gestorben sind!"

Ohne es zu merken, war ich immer lauter geworden und schaute Scorpius jetzt etwas atemlos an. Er sah nur geschockt zurück. So eine emotionale Reaktion von mir hatte er genauso wenig erwartet wie ich.

Nach einer Weile atmete Scorpius hörbar aus.

"Wie soll ich meinem Partner je wieder in die Augen sehen?", fragte er mich.

"Du hast nichts, wofür du dich schämen müsstest", antwortete ich. "Mach deinen Job und mach ihn noch besser als bisher schon."

"Wie?"

"Lass mich dir helfen."



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