Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 3: Neue Herausforderungen, alte Gegebenheiten ----------------------------------------------------- ♥ Taichi ♥ „Das ist ja eine unfassbare Auswahl…wie soll ich da nur etwas Passendes bis zum Ende der Woche finden?“, seufzte Yolei theatralisch und rieb sich die Stirn. Die erste Schulwoche hatte bereits den Mittwoch erreicht, sodass nur noch knapp zwei Tage übrigblieben, um sich für eine außerschulische Aktivität einschreiben zu können. Taichi hatte sich für den Fußballverein entschieden und hatte seinen Trainer bereits wegen des Stipendiums aufgesucht, weshalb eine noch größere Last auf seinen Schultern ruhte. Herr Ichinose war nicht bemüht, die Tatsachen zu beschönigen, sondern sagte Taichi das, was er eigentlich gar nicht hören wollte. „Das wird sicher kein Zuckerschlecken! Ich hoffe, du weißt, auf was du dich da einlässt“, waren seine Worte gewesen, die seine Euphorie dämmten und ihm aufzeigten, dass er wohl noch härter trainieren musste als er es ohnehin schon tat. Wer brauchte schon Freizeit? Die wurde sicher sowieso nur überbewertet. Ein leises Stöhnen löste sich von seinen Lippen als er niedergeschlagen auf sein Essen stierte. Der Appetit war ihm vergangen, was nur in seltenen Fällen passierte. Doch die Anspannung und der Druck stiegen von Sekunde zu Sekunde. Während sich die Mädchen angeregt über die Freizeitangebote ihrer Schule unterhielten, versuchte er sich angestrengt auf sein Essen zu konzentrieren, auch wenn er mehr darin herumrührte, statt etwas zu sich zu nehmen. „Ist alles gut bei dir?“, fragte Yamato plötzlich, der direkt neben ihm saß und einen besorgten Blick aufgesetzt hatte. Er kannte es nicht von ihm, dass er sein Essen verschmähte, weshalb er nur ein sachtes Nicken zu Stande brachte und widerwillig weiter aß, wohlwissend, dass Yamatos Blicke auf seiner Haut brannten. Halbherzig spitzte er die Ohren und verfolgte eher beiläufig das Gespräch der Mädchen, die immer noch zu keiner Entscheidung gekommen waren. „Warst du in der Mittelschule nicht im Computerverein? Vielleicht wäre das ja wieder was für dich und Izzy leitet ihn sogar“, fragte Mimi auf einmal und warf sofort einen Blick zu Koushiro, der ein unbeholfenes Lächeln aufsetzte. Yolei betrachtete ihn nachdenklich und ließ stöhnend die Schultern hängen, während sie den Kopf schüttelte. „Ich wollte unbedingt mal etwas Anderes ausprobieren. Mama denkt schon, sie hätte einen zweiten Sohn“, seufzte sie und fuhr sich durch ihre langen Haare, die kraftlos nach unten hingen. „Wie wäre es, wenn du einfach mit mir gemeinsam in den Kochverein gehst? Frau Ito ist wirklich toll und du lernst so viele leckere Rezepte“, erzählte Mimi ihr mit einem Leuchten in ihren Augen. Taichi musste grinsen, wenn er sie so enthusiastisch sah. Wenn Mimi für eine Sache brannte, konnte man ihr diese Leidenschaft in ihren Augen ablesen. Kochen war eine dieser Leidenschaften, mit dem sie gerne herumexperimentierte und ihren Freunden etwas Gutes damit tat. Taichi konnte nämlich nicht leugnen, dass sie das Kochen nicht beherrschte. Sie war bei weitem besser als seine Mutter, was jedoch keine große Kunst war. „Oh ja! Ich wäre auch dafür“, stimmte er ebenfalls mit ein und ließ zu, dass sich ein breites Lächeln auf seine Lippen legte. „Ich kann ein paar gute Köchinnen gebrauchen, die mich fleißig bekochen. Für das Stipendium brauche ich sämtliche Energiereserven.“ Skeptisch legte Mimi den Kopf schräg, als ein kurzer Blickwechsel mit Yolei folgte, die ebenfalls empört dreinblickte. „Deine Köchinnen? Wo sind wir denn? Im Mittelalter? Bei dir stehen die Frauen wohl immer noch brav hinter dem Herd…noch nie etwas von Gleichberechtigung gehört?“, pfefferte Mimi Taichi sofort an den Kopf. Er konnte gerade noch unterdrücken seine Augen nicht zu verdrehen. War ja klar, dass sie es mal wieder in den falschen Hals bekam. „Naja, also eine Frau sollte schon gut kochen können, oder was meint ihr?“, er wandte sich hilfesuchend an Koushiro und Matt, um eine Bestätigung von ihnen zu erhalten. Matt kaute ein wenig lustlos auf dem trockenen Reis herum und stützte sein Kinn lässig auf seiner Handfläche ab. „Also da ich auch schon oft gekocht habe, bin ich auch dafür, dass man das aufteilen kann. Die alten Rollenbilder sind wirklich von gestern“, erwiderte er nur und richtete seinen Blick zu Sora, die heute ausnahmsweise neben Taichi saß. „Ich würde es auch schön finden, wenn meine Frau erfolgreich wäre. Dann kann ich nämlich mit ihr angeben.“ Er grinste und auf Soras Wangen legte sich ein zarter Rotschimmer, während Tai den Drang des Augenverdrehens zuließ und nicht fassen konnte, dass sein bester Freund ihm in den Rücken fiel. Koushiro hielt sich dezent zurück und warf ihm ein unsicheres Lächeln zu. „In eurer Beziehung hast du auch ganz sicher nicht die Hosen an“, murmelte er halblaut, sodass Matt es gerade noch hören konnte. Prompt gab er Taichi einen kräftigen Stoß in die Rippen, sodass er schmerzhaft aufkeuchen musste. „Das geschieht dir echt recht. Du solltest wirklich mal lernen, dass wir Frauen das stärkere Geschlecht sind und es nicht nötig haben, euer Ego brav zu streicheln“, kam es direkt von Mimi, die ihn überheblich und siegessicher niederstarrte. „Manchmal bist du echt eine wahrhaftige Hexe, weißt du das? Hast du denn gar kein bisschen Mitleid mit mir?“ „Sollte ich das etwa haben?“, stellte sie die Gegenfrage und setzte eine Unschuldsmiene auf. Gerade als er wieder kontern wollte, fiel Sora ihm ins Wort und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Yolei, die immer noch hilflos auf ihr Anmeldeformular sah und die Diskussion der beiden Streithähne scheinbar gar nicht richtig verfolgte. „Nimm einfach den Kochkurs. Sport ist doch auch nicht so dein Ding und dort kennst du auch bereits Mimi, die dich ein bisschen an die Hand nehmen und dich durch die erste Zeit sicher hindurchführen wird“, beruhigte Sora sie einfühlsam und legte ihre Hand behutsam auf Yoleis ab. „Genau, wir beide bekommen das schon hin“, stimmte Mimi mit ein und lächelte milde. „Naja, da wäre ich mir nicht so sicher. Hat letztes Jahr nicht die halbe Küche gebrannt, weil du...aua“, Taichi unterbrach seine Erzählung abrupt, als ihn ein plötzlicher Schmerz am Schienbein erfasste und sich rasend schnell ausbreitete. Mimi warf ihm einen mahnenden Blick zu und signalisierte ihm so die Klappe zu halten. Behutsam fuhr er mit der Hand zu seinem Bein und strich vorsichtig darüber, während der Schmerz langsam abklang und er seine Schlagfertigkeit wiedererlangte. „Also echt…manchmal zeigst du deine Zuneigung wirklich auf eine ungewöhnliche Art und Weise“, gab er von sich und tätschelte immer noch ein wenig über sein Schienbein, als der Rest in heiterem Gelächter ausbrach. Verdutzt blickte er in die kleine Runde und konnte sich nach wenigen Sekunden selbst nicht mehr beherrschen und stimmte fröhlich mit ein. Denn das war genau das, was er brauchte. Ein Stückchen Unbeschwertheit, die sein Leben für den Moment federleicht wirken ließ. _ Erschöpft schloss er die Tür zu seiner Wohnung auf, als ein leichter Geruch von gebratenem Gemüse in seine Nase stieg. Schnell zog er die Schuhe aus und ließ seine Tasche vor seiner Zimmertüre stehen. Er lockerte die Krawatte seiner Schuluniform etwas und zog das Jackett aus, um es über die Stuhllehne zu hängen. In der Küche stand seine kleine Schwester, die ebenfalls noch ihre Uniform trug und wohl selbst erst vor kurzem erst nach Hause gekommen war. „Hat das Mama vorbereitet?“, fragte er skeptisch und schritt auf sie zu, um zwei Teller und Besteck zu holen. „Sie hat nur das Gemüse kleingeschnitten, den Rest habe ich gemacht“, verkündete sie stolz und rührte in ihrer selbstgemachten Currysoße, die vorzüglich duftete. Tai grinste leicht und war ein bisschen erleichtert, heute mal etwas Frisches zum Abendessen zu bekommen. Die Fertignudeln standen ihm bis zum Hals und er konnte sich einfach nicht mit ihnen anfreunden, da alle Sorten einfach nur gleich schmeckten. Er holte die Teller aus dem Schrank und zog die Schublade auf, um auch die Essstäbchen hervorzuholen. Mit einer geschickten Handbewegung nahm er sie auf und brachte sie gemeinsam mit den Tellern zum Tisch, um ihn einzudecken. „Papa macht heute wieder Überstunden, oder?“, fragte Taichi bedrückt, kurz bevor er sich auf seinen Platz setzte. Kari rührte noch immer in der Pfanne und schien anfangs gar nicht zu reagieren, als sich ein leises „Ja“ über ihre Lippen schlich. „Und Mama hat heute wieder Nachtschicht im Krankenhaus?“ „Das hat sie dir doch heute Morgen erzählt!“, antwortete sie leicht bissig, schnappte sich den Topf und goss den fertigen Reis ab. „Was ist denn los? Du bist so komisch“, stellte er fest und verschränkte wissend die Arme vor der Brust. Er senkte seinen Blick und presste die Lippen fest aufeinander. „Die Präsentation ist nicht gut gelaufen, oder?“ „Nein…“, erwiderte sie einsilbig und stellte die Schüssel Reis mit einem Topflappen auf den Tisch. „Er ist also gar nicht mehr bei der Arbeit, richtig?“ Kari antwortete nicht, sondern riss eine Schublade unsanft auf und suchte nach etwas. Als sie den Topfwärmer gefunden hatte, stellte sie ihn ruppig auf den Tisch, um die heiße Pfannen darauf platzieren zu können, doch bevor sie wieder zurück in die Küche verschwinden konnte, hatte Taichi sie bereits am Arm gepackt und hinderte sie am Weitergehen. „Man, was soll das? Lass mich wieder los!“, giftete sie, sah aber partout in die andere Richtung. „Hat er wieder etwas getrunken?“ Abrupt riss sich Kari von ihm los und fixierte ihn mit einem herzergreifenden Blick, der sich mit Tränen füllte. „Natürlich hat er etwas getrunken. Schon als ich vorhin nach Hause kam, war er völlig zu gewesen und ist schwankend die Treppe runtergestiegen als sein Bier leer war.“ „Was?“, brachte er entsetzt hervor. Es war nicht ungewöhnlich, dass sein Vater nach Feierabend ein, zwei Bier trank, doch mittlerweile wurden aus zwei Dosen immer mehr. „Weißt du wo er hingegangen ist?“ Kari zuckte nur hilflos mit den Schultern und wischte sich über ihre nasse Augenpartie, während in Taichi die Wut hinaufkroch und sich als Kloß in seinem Hals festsetzte. So konnte es doch nicht weitergehen?! Seine Mutter war extra in ihren alten Beruf als Krankenschwester zurückgekehrt, um ihre Familie zu unterstützen und dann gab er das Geld, dass sie nicht hatten, auch noch für teuren Alkohol aus? Wie passte das nur zusammen? Konnte er nicht erkennen, dass er damit alles schlimmer machte? Ein leises Wimmern riss ihn aus seinen Gedankengängen als er sich plötzlich wieder in der Realität vorfand, mit seiner Schwester, die stumme Tränen vor sich hin weinte. Hikari nahm die ganze Sache wohl am meisten mit, auch wenn sie es niemals zugeben würde und auch jetzt noch versuchte, die Tränen vor Taichi zu verbergen. Sie war schon immer ein starkes Mädchen gewesen und wollte keinem zur Last fallen, vergaß sich dabei aber auch oftmals selbst. Angespannt kaute Taichi auf seiner Unterlippe herum und überlegte fieberhaft, wie er sie nur aufheiternd konnte. Behutsam legte er seine Hände auf ihren Schultern ab und brachte sie dazu ihn anzusehen. Ihre Augen waren etwas rot und einzelne Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, die Taichi allerdings mit seinem Daumen abfing und wegwischte. „Ich denke, wir sollten jetzt erstmal essen. Im Moment können wir eh nichts tun, weil wir nicht wissen, wo er hingegangen ist. Wenn er wieder da ist und seinen Rausch ausgeschlafen hat, werde ich mit ihm reden, versprochen!“ „Das willst du machen? Tai, ich weiß nicht…“ „Überlass‘ das nur mir“, unterbrach er sie und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich bekomme, dass schon hin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)