Little Things von Berrii (Kleine Dinge sind verletzlich) ================================================================================ Kapitel 42: Gegensätze ---------------------- Es war spät in der Nacht, als Sakura erwachte. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie genau. Langsam setzte sie sich auf und zog die dünne Decke von sich. Es war bereits Mai und draußen war es ungewöhnlich warm, obwohl Nacht war. Ihr war komisch zumute, sie fühlte eine innerliche Unruhe, die immer stärker wurde. Kalter Schweiß brach der Rosahaarigen aus. Leicht zitternd schob sie ihre Beine aus dem Bett und stand auf. Ihr war klar, dass das Kind nun jederzeit kommen konnte, doch sie hatte noch keine Wehen. Was war also los mit ihr? Das Gefühl machte ihr Angst, sie fühlte sich schutzlos und so unglaublich alleine. Tränen stiegen ihr in die Augen. In diesem Moment fühlte sich alles wie ein riesengroßer Fehler an. Es war so leichtsinnig gewesen, sich so auf Sasuke einzulassen und mehr als töricht, ihn zu heiraten. Sie würde immer alleine sein, der Uchiha würde ihr garantiert nicht die Hand halten, während sie ihr gemeinsames Kind gebar. Schluchzend sackte sie zu Boden und gab sich der Trauer hin. Sakura gab sich keine Mühe leise zu sein, es war eh niemand da, der sie hätte hören können. Es würde keiner kommen und sie trösten. Abrupt gab das Kind ein paar sanfte Tritte von sich. Die ganze Situation erdrückte die Rosahaarige geradezu. Sie trug ein Kind von einem Mann im Bauch, den sie blindlings geheiratet hatte, in dem Wissen, das dieser niemals an ihrer Seite leben würde. Ein Kind, das noch immer keinen Namen hatte. Was wollte sie für eine Mutter werden, wenn sie ihr Kind nicht einmal mit einem wohl ausgesuchten Namen auf der Welt begrüßen konnte? Sie war alles, was das Kind haben würde. Sie konnte sich nicht vorstellen, das Sasuke sich jemals wie ein richtiger Vater um sein Kind kümmern würde. Er war ungehalten, frei, stoisch. Wie sollte das Kind das nur verstehen? Würde es nicht irgendwann fragen, wo sein Vater war und wieso er nie bei ihnen war? In diesem Moment wäre Sakura am liebsten einfach vom Erdboden verschwunden. All diese Dunkelheit in ihren Gedanken war sie nicht gewohnt, sie sah doch immer einen Hoffnungsschimmer. Doch jetzt war sie verlassen, in ihrem scheinbaren Glück von Mann, Kind und Eigenheim. Diese Schwärze war wie die in seinen Augen, doch sie nahm ihr die Luft zum Atmen. Geschlagen mit ihren Gedanken sank sie gänzlich zu Boden nieder. Der Geruch von Wald und Regen drang ihr in die Nase, doch es war angenehm warm und weich um sie herum. Zaghaft öffnete Sakura ihre grünen Augen und landete mit ihrem Blick auf der offenen Schiebetür. Der Garten lag im Sonnenlicht da und ein brauner Falke löschte scheinbar seinen Durst am Teich. Müde schloss sie wieder die Augen, bevor sie diese überrascht aufriss. Ein Falke? Sie wollte sich aufrichten, doch etwas schweres lag um sie und hinderte die junge Frau am Aufstehen. Als sie an sich hinunter sah, erblickte sie zu ihrer Überraschung die dünne Decke um sich. Sie lag wieder auf dem Bett, aber sie war sich sicher, in der Nacht auf dem Boden zusammen gekauert eingeschlafen zu sein. Die Rosahaarige schob die Decke etwas von sich runter und entdeckte unter der Decke einen Arm, der um sie gelegt war. „Sasuke?“, entwich es ihr fast tonlos. Fragend drehte sie den Kopf. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, stiegen ihr erneut die Tränen in die Augen. Da lag er tatsächlich, mit Wunden übersät und nur grob versorgt. Sein Gesicht zeigte starke Erschöpfung und als hätte er Angst zu fallen, klammerte er sich an sie. So gut es ging, drehte sie sich zu ihm und legte eine Hand auf seine Wange. Der Schwarzhaarige sah so geschunden aus, was war ihm bloß zugestoßen? „Sasuke?“, sprach sie ihn nun deutlicher an und strich ihm dabei mit dem Daumen über die Wange. Ein schwaches Murren entwich ihm und seine Augen öffneten sich. In diesem Augenblick setzte kurz ihr Herz aus. Sie hatte schon vieles in seinen Augen gesehen, was sie schockiert hatte, doch Verletzlichkeit gehörte nie dazu. Doch genau das war es, was seine dunklen Augen ihr zeigten. Ohne weiter nachzudenken legte sie ihre Arme um ihn und drückte den jungen Mann an sich. Dieser vergrub mit einem undefinierbaren Ton sein Gesicht an ihrem Dekolletee. „Was ist passiert?“, wisperte sie und strich ihm beruhigend durch sein dunkles Haar, das sich sehr mitgenommen anfühlte. Sasuke schüttelte kaum merklich den Kopf, aber sie gab nicht auf: „Sag es mir.“ Der Schwarzhaarige wollte ihr nicht das aufbürden, was ihn so sehr bedrückte. Sie hatte unter ihm schon mehr als genug gelitten, das konnte er ihr nicht antun. Aber er wusste, sie würde keine Ruhe geben, ehe sie nicht den Grund für seinen Zustand kannte. Und so begann er mit einem Wort einen sehr langen Monolog, der auch ihr den Boden unter den Füßen entzog: „Itachi...“ Was er ihr erzählte, ließ sie stumm weinen. Sie weinte für ihn. Und als es keine Tränen mehr gab, war sie aufgestanden und hatte ihm die Hand gereicht. Leer schaute der Uchiha auf diese. „Komm mit.“ Sein Blick glitt zu ihren Augen, die noch immer gerötet waren. Danach wanderten seine Augen an ihr abwärts, zu dem deutlich großen Bauch, in dem ihr Kind war. Er fühlte sich so dreckig, innerlich und äußerlich. Sein Bruder war tot und das, was er anschließend erfahren hatte, brachte ihn fast um den Verstand. Gefangen zwischen Wut und Trauer wusste er weder ein noch aus und war zu dem einzigen Ort geflüchtet, von dem er sich Halt versprach. Aber war es nicht mehr als egoistisch von ihm, ihr so viel abzuverlangen? Er hatte sie geheiratet und somit in eine Familie gebracht, dessen Geschichte der Schwarzhaarige er jetzt ganz kannte. Diese Bürde, die er der jungen Frau unbewusst auferlegt hatte, würde nun auch sie immer verfolgen. Sasuke fühlte sich nicht mehr wert als der Dreck und das getrocknete Blut, das an ihm klebte. „Sasuke, du kommst jetzt mit.“, ihr Befehl riss ihn aus seinen Gedanken. Sakura hatte seine Hand ergriffen und zog leicht an ihm. Stumm stand er auf und folgte ihr. Sanft führte sie ihn über die Veranda zum Bad. Dort blieb sie vor ihm stehen. Sachte fuhr sie mit ihren Händen über seine Wangen, hinab zu seiner Brust und schließlich zu seinem Bauch. „Zieh dich aus.“ Dieser Satz fühlte sich wie eine kleine Flamme in einem dunklen Raum an. Wie oft war er zwischen ihnen gefallen? Sakura griff nach dem Saumen seines Oberteils und zog es hoch. Endlich löste er sich aus seiner Starre und tat, was sie von ihm verlangte. So flink wie es ihr Bauch zuließ, schlüpfte auch sie aus ihrem Shirt und der Panty und stellte sich unter die Dusche. Das Rauschen des Wassers durchbrach die Stille. Als Sasuke zu ihr sah, erwartete ihn ein warmes Lächeln und eine ihm entgegen gestreckte Hand, die ihn aufforderte. Fast schon unsicher trat er zu ihr in das Wasser, doch Halt gebend nahm sie seine Hände und legte sie an ihren nackten Bauch. Sasuke schaute hinab auf seine Hände, die vom warmen Wasser von den letzten Blutspuren befreit wurden. Und dann spürte er es. Fasziniert weiteten sich seine Augen. War das ein Tritt gewesen? Vorsichtig strich er über ihre Kugel und da war es wieder. Er hob den Blick und begegnete ihren. Ihr Lächeln war wie die Luft, die ihm zum Atmen gefehlt hatte. Immer mehr kleine Tritte zählte Sasuke, der dabei gebannt auf ihren Bauch starrte. Es war berauschend, dieses kleine Wesen auf diese Art und Weise spüren zu können, es war nicht einfach nur ein Satz auf einem Zettel oder der Hinweis durch Sakuras Befinden. Das war sein Kind, was ihm da deutlich zeigte, das es existent war. All der Schmutz, alles Blut war von ihm abgewaschen, als er sie in die Arme schloss. Sie schlang ihre um ihn und drückte sich mit dem Babybauch an ihm. Wie hatte sie ihn vermisst! Und nun wurde auch dem Uchiha klar, wie sehr er sie brauchte. Ohne Sakura war er verloren, ein Niemand ohne Zuhause. In den letzten Monaten hatte der Schwarzhaarige immer an sie denken müssen, täglich machte er sich Gedanken, ob es ihr gut ging oder ob sie am frühen Morgen mit irgendwelchen Leiden zu kämpfen hatte. Sie war ihm nie aus dem Kopf gewichen. Er war sich sicher, würde es sie und das ungeborene Kind nicht geben, er hätte Konoha in seiner Wut dem Erdboden gleich gemacht. Die Rosahaarige verstand, welche Gefühle in ihn tobten und ihn leiden ließen. Und so nahm sie es stumm hin, den jungen Mann einfach aufzufangen und ihm den Halt zu geben, den er so dringend benötigte. Innerlich seufzte sie schwer. Das Schicksal, welches Itachi sich selbst aufgebürdet hatte, lastete auch auf ihrem Herzen schwer. Sie dachte an die Fotos, die sie vor einiger Zeit gefunden hatte. Nun war sie froh, das es diese kleinen Zeugnisse an eine bessere, vergangene Zeit gab, konnte Sasuke so doch wesentlich leichter wieder eine gute Bindung und Erinnerung zu seinen großen Bruder herstellen. Nach der Dusche hatte sich der Schwarzhaarige auf die Veranda gesetzt, während Sakura etwas Tee und eine Kleinigkeit zu essen für sie machte. Wie sollte es nur mit ihm weitergehen? Wie sollte er in einem Dorf leben, deren Obersten vor mehr als einem Jahrzehnt so viel Leid über ihn und seinen Bruder gebracht hatten? Ihr war klar, das sie dringend Hilfe brauchten. Seufzend stellte sie die zwei Teetassen und einen Teller mit frisch aufgeschnittenem Obst auf ein Tablett, welches sie zu Sasuke auf die Veranda trug. Wortlos ließ sie sich etwas schwer neben ihn nieder und streckte dann kurz die Beine aus, ehe sie diese wie er baumeln ließ. Ein paar höhere Grashalme erreichten ihre Zehen und kitzelten sie leicht. Die Schwangere warf einen seitlichen Blick auf ihren Mann, der sich langsam aus seiner Trance zu lösen schien und ebenfalls zu ihr schaute. Wieder lächelte sie ihm zu. Sein Blick wanderte ab zu ihrem Bauch. „Weißt du, was es wird?“, fragte er knapp. Sakura seufzte etwas theatralisch: „Nein, unser Kind will patu nicht zeigen, was es ist.“ Sie stützte sich nach hinten ab und sah in den Himmel, bevor sie weiter redete: „Ich hab noch nicht mal einen Namen.“ Sasuke blinzelte kurz. Das überraschte ihn, er war sich sicher gewesen, das sie in beiden Fällen, ob Mädchen oder Junge, bereits eine Idee hatte. Somit hatte er sich nicht weiter gedanklich damit befasst, sich über Vornamen für ihr Kind den Kopf zu zerbrechen. „Wie viel Zeit ist noch?“ „Es könnte praktisch jeden Moment kommen.“ Der junge Mann spürte eine aufkeimende Unruhe in sich. Die Geburt könnte jederzeit losgehen? Er hatte gedacht, es wären noch zwei Wochen Zeit! Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, was die Rosahaarige lachen ließ: „Jetzt guck nicht so schockiert! Ich muss das Kind gebären, nicht du! Also mach mich nicht nervös!“ Sasuke legte sich eine Hand ins Gesicht und fuhr anschließend durch seine Haare. Er war noch weniger bereit als sie für eine Geburt. Er hatte den Tod an seinen Händen kleben und sollte Vater werden? Es war so surreal. Er versuchte etwas gefasster zu wirken und griff nach einer Teetasse: „Woran merkt man, das es los geht?“ Klar, er wusste was Wehen waren, er wusste wie ein Kind auf die Welt kam. Aber wie genau das ganze ablief, war ihm unbekannt. Wie vermutlich jedem Mann, der damit noch nichts zu tun hatte. „Also...“, Sakura druckste ein wenig herum und griff nun ebenfalls nach ihrer Tasse, um daran zu nippen. Es war ihr irgendwo ein bisschen unangenehm, ihm genau zu erzählen, woran eine Frau merkte, das die Geburt einsetzte. „Willst du das wirklich so genau wissen?“, hakte sie daher nach. Fragend schaute er sie an und wartete. Jetzt grübelte sie. Wie erklärte sie ihm grob, wie das ablief? Ohne Details zu nennen, die einen Mann erschrecken würden? Für sie selbst war es anfangs auch gewöhnungsbedürftig, als eine von Tsunades Ärztinnen sie über alles in Kenntnis gesetzt hatte. Schließlich entschied sich Sakura für einen Mittelweg. „Es gibt verschiedene erste Anzeichen dafür. Zum Beispiel, das ich blute.“, an dieser Stelle machte sie eine kurze Pause, um sein Gesicht zu beobachten. Ja, es war ihm doch ein wenig unangenehm, das sah sie nun. Somit wusste sie, das sie einen Schwung weiterer Anzeichen lieber für sich behielt. „Das deutlichste Zeichen sind halt die Wehen. Wenn sie regelmäßig kommen, immer stärker werden und nicht nachlassen, wenn ich bade, dann geht es los.“ Irgendwie wurde dem jungen Mann ganz anders. Es fühlte sich so belastend an, so viel Verantwortung tragen zu müssen. Und das musste er, für sie und ihr Kind. Die Last zeichnete sich in seinen Augen ab. „Mach dir keine Sorgen, du hast ja keine Schmerzen.“, scherzte sie halbherzig und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Du dafür um so mehr...“, nun war er es, der tief seufzte. Doch sie winkte ab: „Ich bin nicht die erste Frau und garantiert auch nicht die letzte, die ein Kind kriegt. Ich hab in den letzten Monaten so viel darüber nachgedacht, gelesen und zu hören bekommen, ich mach mir keine Sorgen. Ich hoffe nur, das es gut läuft und das Kind gesund zur Welt kommt.“ Ihre Stärke beeindruckte ihn. Mal wieder. Wann war sie nur eine so starke, selbstbewusste Persönlichkeit geworden? „Ich hoffe nur das mir nicht schlecht wird. Man hat mir gesagt, das einige vor der Geburt von heftiger Übelkeit geplagt wurden...“, sie schüttelte unweigerlich den Kopf, „Davon hatte ich in den ersten Monaten genug, das will ich nicht nochmal.“ Er nickte nur verstehend und sagte nichts mehr. Vielleicht hätte er doch nicht fragen sollen. Hosted by Animexx e.V. 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