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Königsanwärter

von

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Kapitel 23

Kapitel 23
 

Kaum betraten Aidan und Killian den Gang, von dem sämtliche privaten Räumlichkeiten der Königsfamilie abzweigten, eilte auch schon einer der Kammerdiener des Königs auf den Prinzen zu.

„Zum Glück seid Ihr jetzt da! Vielleicht könnt Ihr euren Vater besänftigen.“, stieß der Bedienstete sichtlich erleichtert aus, doch die Nervosität sah man ihm nach wie vor an, als seine Blicke immer wieder unruhig zu den Räumen hinter ihm huschten.

„Was ist passiert?“, wollte der angesprochene Anwärter wissen und griff nach dem Arm des Mannes, um seine Aufmerksamkeit mehr auf sich zu ziehen. Ein plötzliches Scheppern aus einem der Räume ließ jedoch alle kurz Aufsehen. Der König brüllte, dass man ihn in Ruhe lassen solle. Scheinbar hatte er etwas in seiner Wut umgestoßen oder mit etwas geworfen.

„Gift. Es befällt seine Nerven, aber er lässt den Heiler nicht an sich heran.“, kam kurz darauf die knappe Erklärung.

„Woher wisst ihr, dass es Gift ist, wenn er selbst den Heiler nicht an sich heran lässt?“, wollte Aidan weiter wissen.

„Sein Vorkoster. Er litt unter den gleichen Symptomen.“

„Wofür hat er einen bekommen, wenn dann nicht auf so etwas geachtet wird?!“ Der Anwärter schien langsam nicht mehr seine eigene Ruhe bewahren zu können, als er mit lauter werdender Stimme sprach. Mit angespannter Haltung, atmete er tief durch und schien sich damit beruhigen zu wollen. Mit jedem Laut, der den Gang entlang hallte, huschten seine Augen nervöser hin und her. Killian hätte ihm gerne beruhigend über den Rücken gestrichen oder ihm auf andere Art mehr stärke verliehen, doch war ihm bewusst, dass die Situation dies gerade nicht hergab. Es gab nichts, was ihm dabei helfen würde weiter in die Räumlichkeiten seiner Familie voranzuschreiten und seinen Vater zu sehen, wie er Qualen erlitt, bei welchen auch er kaum zu einer Verbesserung beitragen konnte.
 

„Verzeiht, mein Prinz!“, sagte der Kammerdiener und nahm eine leichte Abwehrhaltung ein. „Er tat seine Arbeit, doch der König beklagte sich erst nach einer Weile über Schmerzen. Sein Essen wurde erneut überprüft und erst kurz danach stellten wir bei dem Vorkoster ähnliche Symptome fest. Wir konnten ihn an einen Heiler übergeben und er scheint sogar schon auf dem Weg der Besserung zu sein, doch der König lässt es einfach nicht zu.“ Während der Ausführungen des Bediensteten war auch der König in einen regelrechten Rausch verfallen. Er schrie die scheinbar Anwesenden an, beschimpfte sie und flehte zwischendurch, dass es doch aufhören möge. Leisere Stimmen sprachen immer wieder auf ihn an, er möge sich doch helfen lassen, doch das schien seinen Zorn nur immer wieder aufs Neue zu entfachen.
 

Eine Weile schwieg Aidan und musterte die offene Tür zu ihrer Rechten, aus der die lauten Geräusche vermutlich kamen. Seine Haltung wurde gerader, seine Atmung ruhiger. „Also gibt es ein Gegenmittel und er muss sich einfach nur helfen lassen?“, fragte er schließlich, ohne den Mann dabei anzusehen.

„Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ich habe den Heiler nicht selbst gesprochen. Aber ihm kann wohl etwas zur Linderung gegeben werden.“

Der Prinz atmete nochmal tief durch und drehte sich halb zu Killian. Eine Weile lang sahen sie sich einfach nur in die Augen. Umso länger sie dies taten, umso mehr Entschlossenheit machte sich in den Augen des Jüngeren breit. Der Ältere versuchte ihn zu stärken, soweit es ihm ohne Worte möglich war. Schließlich nickte er ihm zuversichtlich zu und Aidan drehte sich zurück zu den beunruhigenden Geräuschen. Erst noch etwas zögerlich, dann aber mit größer werdenden Schritten ging er darauf zu. Killian blieb zurück, aus Respekt dem König gegenüber. Er würde seinem Prinzen folgen, sobald er das Gefühl hatte, dass er Unterstützung brauchen würde.
 

Langsam trat der Anwärter an die Seite des Flures, für den Fall, dass Bedienstete des Schlosses hindurch wollten. Seinen Blick konnte er zu keiner Zeit senken, bis Aidan aus seinem Blickfeld, durch eine der Türen, verschwunden war.

Er machte sich Sorgen. Sehr große sogar. Nicht wirklich um den König, obwohl er es in diesem Moment wohl verdient hatte. Nein, er sorgte sich um den Prinzen und wie er zu ihm zurückkehren würde. Immerhin hörte er, wie es dessen Vater wohl gehen musste und dies bedeutete, dass es kein leichtes Unterfangen werden würde, diesem zu helfen und beizustehen.

Auch wenn Aidan nicht darüber sprach, so wusste Killian, wie sehr ihn die Situation um seinen Vater seit langem belastete. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, kämpfte dagegen an, das Bild eines sorgenden Vaters, welches er von ihm hatte, nicht zu verlieren. Sie hatten nie oft über den König gesprochen, oder nur sehr oberflächlich. Der Ältere hatte sich aber auch nie richtig für den Monarchen seines Landes interessiert. Natürlich hatte er mitbekommen, welche Entscheidungen er fällte und wie das Volk darauf reagierte. Er kannte die Meinungen des Volkes, welche zunehmen schlechter wurden. Auch kannte er die Geschichte der Familie, aber nur aus dem Unterricht. Lediglich für den Prinzen hatte er sich bisher interessiert und das auch erst nachdem sie sich bereits ein paar Jahre kannten.
 

Killian ist bereits kurz nach Antritt zur Ausbildung einer der Besten gewesen. Nicht lange und er war der ‚Lehrerliebling‘ geworden. Er hatte eine hervorragende Beobachtungsgabe, sein strategisches Vorgehen war beispielhaft und auch im Kampf wusste er sich trotz weniger Schwächen zu behaupten.

Selbstverständlich hatte er Defizite, doch diese wusste er zu Verstecken. Doch sein größtes Problem war wohl über Jahre die eigene Oberflächlichkeit, die sich wahrscheinlich bis heute hielt. Denn auch jetzt setzte er sich nur mit den eigenen Interessen auseinander. Er sollte sich jetzt Gedanken über den König machen, über die Konsequenzen, die die gesamte Situation mit sich bringen würde, sowohl für das Volk, als auch für die Anwärter. Stattdessen stand er da, den Blick auf die offene Tür gerichtet durch welche Aidan verschwunden war und konnte nur darüber nachdenken, wie gerne er jetzt bei ihm wäre, ihn in den Armen halten und einfach vor allem beschützen wollte.
 

Doch selbst wenn er dies nun tun würde, so war es bereits zu spät. Das wusste er, als er die Stimme des Königs nur allzu deutlich in seinen Ohren hörte.

„Was suchst du hier?! Kommst du jetzt hierher um nachzuschauen, wann ich den Thron endlich für dich räume?“

„Vater, bitte. Lass dir…“, konnte man Aidans Stimme leiser und beruhigend vernehmen.

„Halt‘ die Schnauze! Haltet alle die Schnauze! Ihr wollte mich doch ohnehin alle Tod sehen… umbringen wollt ihr mich!“ Schon wieder schepperte etwas und dieses Mal rollte ein einsamer Apfel durch die Tür auf den Flur.

„Diese Schmerzen… es soll aufhören…“ Als wären es zwei Personen sprach nun die dünne und gequälte Stimme des Königs.

„Es geht dir nicht gut und du bist nicht Herr deiner Sinne. Bitte…“ Erneut wurde der Prinz unterbrochen und ein Rumpeln, als wenn ein schweres Möbelstück verrückt wurde folgte.

„Eure Majestät! Das ist euer Sohn.“ Erschrocken riefen ein paar Stimmen der Bediensteten, wurden aber fast augenblicklich von der tiefen Stimme des Vergifteten unterbrochen.

„Hab ich dir nicht gesagt, du sollst die Schnauze halten?!“ Ein Geräusch von reißendem Stoff wirkte fast schon unwirklich neben der harten und lauten Stimme des Königs.
 

Killian wurde unruhig, ging unbewusste einen Schritt auf die Tür zu, als er hörte wie Füße hart auf den Boden trafen, wie als würde sich jemand, nachdem er gestolpert war, versuchen abzufangen.

„Beruhige dich.“ Die Stimme des Prinzen war nun nicht mehr ganz so ruhig wie zuvor, sondern eindringlich und schwächer.

„Ich soll mich beruhigen?!“, schrie der König fassungslos. „Garantiert warst du es doch!“ Wieder folgte das Geräusch eines Möbelstücks, nur war es dieses Mal von einem leichteren.

„Nein, das stimmt nicht.“ Auch in Aidans Stimme mischte sich ein Hauch von Fassungslosigkeit.

„Anders würdest du dich ja doch nicht hervortun.“ Der Monarch war plötzlich ruhiger geworden, hatte scheinbar ein wenig Kontrolle zurückerlangt und brüllte nicht mehr wie zuvor. Dafür hörte man aber deutlich die Schmerzen in seiner Stimme.

„Hör auf.“ Ausdruckslos klang die Reaktion seines Sohnes.

„Du bist zu nichts gut…“ Ein Husten unterbrach die verletzenden Worte.

„Hör auf.“ Die Ausdruckslosigkeit weichte dem Schock, welcher die Stimme Aidans dünner klingen ließ.

„Zum Glück lebst du nicht mehr hier im Schloss.“ Die Stimme, noch immer möglichst beherrscht, folgte nun aber ein Stöhnen unter Schmerzen.

„Hör auf.“ Nun war es der junge Anwärter dessen Stimme lauter wurde.

„Wärest doch du an der Stelle deines Bruders gestorben. Er hätte etwas aus seinem Leben… diese Schmerzen… mein Kopf.“ Immer leiser und höher sprach der König.

„Hör auf!“
 

Die letzte Aussage und die Tatsache, dass Aidan nun derjenige war, der seinen Gegenüber anschrie, veranlassten Killian dazu den Raum zu betreten, dem er unbewusst immer näher gekommen war.

Ein regelrechtes Bild der Verwüstung bot sich ihm. Teller, Schalen und Krüge lagen auf dem Boden zerstreut. Dazwischen Essen und die Scherben von Gläsern. Möbel waren verrückt, Stühle umgeworfen. Der König lehnte sich schwer atmend gegen den großen Esstisch und hielt sich den Kopf, seine Bediensteten standen in einer Art Schockstarre auf der linken Seite der Tür und taten nichts, außer den Raum zu überblicken. Doch das interessierte Killian alles nicht, er suchte nur nach Aidan welcher ihm gegenüber zwischen dem großen Fenster und der Tür stand. Durch die so entstandenen Lichtverhältnisse konnte er ihn nicht richtig erkennen, doch es reichte aus, seine Körperhaltung, die von dem Wunsch sprach aus der Situation zu flüchten, zu erkennen. Die vor wenigen Momenten noch stolze Erscheinung stand nun leicht gekrümmt da, eine Hand an den Hals gelegt und einen Fuß hinter dem anderen stehend, als würde er jeden Moment loslaufen wollen.
 

Ohne zu zögern überwand Killian die Distanz zu Aidan und stellte sich zwischen ihn und seinen Vater, den er unverwandt angestarrt hatte. Der Ältere legte seine Hände um das blasse Gesicht vor ihm und ließ ihm somit keine andere Wahl als in das seine zu blicken.

„Beruhige dich.“, war das Einzige was ihm in dem Moment einfiel. Aus großen Augen sah der Prinz ihn an. „Hörst du? Du musst dich beruhigen.“

Der Jüngere öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor. Wie ein Fisch auf dem Trockenen brachte er kein Wort über seine Lippen, sah ihn nur weiterhin mit weit geöffneten Augen an, die Körperhaltung unverändert.

„Wir gehen jetzt hier raus.“, sagte Killian ruhig und ließ eine seiner Hände vom Gesicht des Prinzen zu dessen Hüfte herunter um ihn an dieser aus dem Raum zu führen, bevor er widersprechen konnte. Auch blieb eine Reaktion der übrigen Anwesenden aus.
 

Vor der Tür angekommen zog der Ältere Aidan sofort in seine Arme und drückte ihn fest an sich. Zunächst erhielt er keine Reaktion darauf, bis sich schließlich langsam die Arme des Jüngeren hoben und sich an die Schulterblätter legten. Fast augenblicklich krallten sich die Finger in den Stoff darunter und der Jüngere gab einen erstickten Laut von sich.

„Ist in Ordnung, ich bin bei dir..“, flüsterte Killian und versuchte so den Anderen ein wenig zu beruhigen.
 

„Nein verdammt!“, brüllte die Stimme des Königs plötzlich wieder und augenblicklich rückte dessen Sohn noch näher an den älteren Anwärter heran, was kaum möglich war, wegen der bereits so festen Umarmung.

Eine ganze Weile standen sie so da, bis sie schließlich ein Räuspern vernahmen. Allerdings veranlasste Killian dies nicht dazu Abstand zu dem Jüngeren zu nehmen, stattdessen sah er den unsicheren Bediensteten nur an, der sie eben gestört hatte.

„Ähm, mein Prinz? Was sollen wir jetzt tun?“, wurde schließlich die Frage gestellt, weshalb der Mann zu ihnen gekommen war.
 

Killian glaubte im ersten Moment sich verhört zu haben. Gab es denn niemand anderen, der eine Entscheidung treffen konnte, außer den Prinzen, dem soeben gesagt wurde, dass es doch besser wäre, er wäre eben nicht hier?

„Schlagt ihn nieder und zwingt ihn, Hilfe anzunehmen.“, antwortete er fast schon sarkastisch auf die Frage, die nicht ihm galt.

„Aber wir sprechen hier von eurem König!“, wurde ihm die empörte Antwort entgegen geschleudert.

„Er hat recht.“, stand Aidan seinem Kameraden plötzlich zur Seite und löste sich aus der Umarmung. „Überwältigt ihn und lasst ihm dann Hilfe zukommen. Ich glaube nicht, dass man noch anders an ihn herankommen wird. Zumindest im Moment nicht.“ Seinen Blick hielt er dabei gesenkt.

„Wie Ihr meint, mein Prinz.“ Man konnte dem Bediensteten ansehen, dass ihm nicht ganz gefiel, was er hörte, doch zeitgleich auch Erleichterung darüber, nun zu wissen, was zu tun ist.
 

„Die Königin und die Prinzessin sollten das nicht mit ansehen.“, gab Killian zu bedenken, wurde aber keines Blickes gewürdigt und erhielt somit auch keine Antwort.

Schließlich äußerte sich der Prinz erneut. „Er hat wieder recht. Meine Mutter soll für ein paar Tage in ein anderes Anwesen gebracht werden, bis es dem König wieder besser geht, wenn sie es denn so möchte. Meine Schwester soll in Ruhe ihre Ausbildung weiterverfolgen.“

„Wie Ihr wünscht.“

„Das sollten wir jetzt auch wieder tun. Unsere Ausbildung weiterverfolgen.“, meinte Killian und zog den Jüngeren leicht hinter sich her, damit klar war, dass der Prinz nicht weiter zur Verfügung stand. Immerhin gab es noch immer die Berater, von denen im Übrigen keiner Anwesend war, obwohl sie es wohl sollten in einem solchen Fall.
 

Tatsächlich wurden die Beiden nicht weiter behelligt und sie konnten das Schloss auf dem schnellsten Wege verlassen. Kaum, dass man sie sah, eilte der Stallbursche von eben los und holte ihre Pferde wieder aus dem Stall.

„Kannst du alleine reiten?“, fragte Killian leise und erhielt ein Nicken als Antwort. Fürsorglich zog der Ältere dem noch immer ein wenig neben sich Stehenden seine Kapuze über den Kopf und sah besorgt dabei zu, wie er sich auf sein Pferd setzte. Auch er selbst schwang sich in den Sattel und vor dem Tor wurden sie bereits von den Wachen in Empfang genommen, welche sie auch auf dem Rückweg begleiten sollten.
 

Für den Rückweg brauchten sie nun mehr Zeit, da mehr Leute auf den Wegen waren. Auch wenn die Anwärter aufgrund ihrer Umhänge nicht erkannt wurden, so wurden ihnen zum Teil Blicke voller Abneigung zugeworfen, weil sie in Begleitung von Wachen des Königs waren. Die Wappen auf ihren Rüstungen wiesen sie nur all zu leicht als solche aus. Ganz offensichtlich weitete sich die Abneigung gegen ihren Monarchen über diesen hinaus aus.
 

Bei ihrer Burg wieder angekommen hatten sie zumindest ein wenig Glück. Die Bediensteten waren inzwischen anwesend und kaum, dass sie mit klappernden Hufen den Hof erreichten, kamen ihnen zwei Stallburschen entgegen.

Noch bevor Killians Pferd richtig zum Stehen kam, sprang er auch schon ab und gab seine Zügel weiter. Die kurze aber höfliche Begrüßung der Bediensteten erwiderte er nur nebenbei, zu groß war seine Sorge um den Prinzen, welcher während des Ritts immer mehr in sich zusammengesackt war, wenn auch nicht so stark, dass andere sich ernstzunehmend sorgen würden. Doch er wusste es besser. Immerhin hatte der Jüngere seine Selbstbeherrschung, welche sich auch durch eine gerade Haltung zeigte, noch nicht wiedererlangt.

Gerade als er sich zu ihm drehte, stieg auch Aidan ab, wenn auch nicht so schwungvoll wie gewöhnlich, aber mit festen Stand auf den Steinen unter sich. Der zweite Stallbursche ergriff die Zügel dieses Pferdes und sofort wurden die Tiere in den Stall gebracht, wo man sie ohne Zweifel gut versorgen würde.
 

Während Killian weiterhin den Zustand des anderen Anwärters abzuschätzen versuchte, stieg auch eine der Wachen von seinem Pferd und wandte sich an den Prinzen. „Wir sollten euch auch weiterhin begleiten, damit wir eure Sicherheit gewährleisten können.“

Als Aidan bemerkte, dass er angesprochen worden war hob er etwas den Kopf. Trotzdem lag sein Gesicht nach wie vor im Schatten seiner Kapuze und man konnte nur seine Mundpartie erkennen. „Vielen Dank für das Angebot, doch ich lehne es ab. Der König braucht diesen Schutz wohl mehr als ich und solange es keine offizielle Anweisung dazu gibt, möchte ich Eure Dienste nicht in Anspruch nehmen.“

„Mein Prinz, ihr gehört ebenso der Königsfamilie an und es ist anzunehmen, dass alle Mitglieder Gefahr laufen Opfer eines solchen Angriffs zu werden.“

„Ich möchte keine Leibwachen haben.“, sagte Aidan ein wenig kraftlos und drehte den Kopf zu Killian, welcher sofort verstand, dass der Jüngere auf Unterstützung hoffte.

„Ich werde ein Auge auf ihn haben und heute nicht mehr von seiner Seite weichen. Hier in der Burg ist bisher nie etwas passiert, daher denke ich, dass diese Maßnahmen noch nicht nötig sind. Aber vielen Dank.“

Mit diesem Einwand schienen die Wachen zwar nicht vollends zufrieden zu sein, doch akzeptieren sie den Wunsch und traten letztendlich den Rückweg an.

Der ältere Anwärter hingegen bekam langsam Zweifel ob dies wirklich die richtige Entscheidung gewesen war. Auch wenn sich die Angriffe größtenteils gegen den König wandten und Aidan nur einmal behelligt wurde, so hoffte er einfach, dass wirklich kein anderes Mitglied der Königsfamilie den Zorn des Volkes abbekommen würde.
 

Während Killian den Wachen hinterher blickte und eben diesen Gedanken nachging, sah er nur im Augenwinkel, wie der Jüngere sich auf das Gebäude zubewegte. Er folgte ihm und kam ebenso wie der Andere erst in der großzügigen Eingangshalle zum Stehen. Es war ruhig. Keiner kam ihnen entgegen, weshalb davon auszugehen war, dass niemand über die Situation im Schloss informiert worden war. Mit Sicherheit würde dann auch der Unterricht wie gehabt stattfinden.

Ein wenig langsamer ging der Ältere auf seinen Prinzen zu und griff nach dem Stoff der Kapuze um ihm diese vorsichtig vom Kopf zu ziehen. Noch immer waren Aidans Augen leicht geweitet und sie blickten ihm aus einem blassen Gesicht entgegen. Killian konnte nicht verhindern, dass Sorgenfalten seine Miene beeinflussten.

„Lass uns in dein Zimmer gehen.“, flüsterte er und strich ihm über die Schulter.
 

Eine Reaktion blieb aus, weshalb er den Jüngeren einfach mit sich zog. In besagtem Zimmer angekommen, erleichterte er den Prinzen um dessen Umhang und lenkte ihn zu der Sitzgruppe, um ihn behutsam in die weichen Kissen zu drücken.

Seinen eigenen Umhang legte er ebenso zur Seite, bevor er sich neben Aidan setzte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Danach schwiegen sie. Der Ältere wollte dem Anderen Zeit zum Nachdenken geben. Wenn er bereit war zu reden, dann würde er von sich aus damit beginnen.
 

„Ich höre noch immer seine Schreie.“, durchbrach Aidan irgendwann leise die Stille. Er beugte sich vor, stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. „Es soll aufhören.“, fügte er gequält hinzu.
 

„Ich liebe dich.“
 

Killian wusste, dass dies vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, genauso wie ihm bewusst war, dass er den Jüngeren erst am vergangenen Tag diesbezüglich vertröstet und um Zeit gebeten hatte. Doch nach dem heutigen Erlebnis war ihm klar geworden, dass er den Jüngeren niemals wieder so sehen wollte. Er wollte ihn glücklich machen und das für den Rest seines Lebens. Er wollte ihn in seinem eigenen nicht mehr missen, wollte an seiner Seite stehen, ihn in den Nächten im Arm halten und vor allem wollte er ihn beschützen.
 

Langsam drehte sich der Kopf Aidans in seine Richtung um ihn ansehen zu können. „Was hast du gesagt?“, fragte er flüsternd.

„Ich weiß, dass es weitaus bessere Zeitpunkte hierfür gibt und ich weiß auch nicht, warum ich es nicht früher begriffen habe, aber ich liebe dich.“ Dem Älteren schlug sein Herz bis zum Hals. Auch wenn er wusste, dass der Andere ebenso empfand, so konnte er nicht sagen, ob der heutige Tag nicht doch etwas verändert hatte. Außerdem hatte er Angst, dass der Jüngere denken würde, dass er ihm nur seine Liebe gestand, weil es ihm gerade schlecht ging.

Ungläubig sah Aidan ihn an und schwieg eine Weile. Eine Weile, die dem Anderen wie eine Qual vorkam und er bereute zutiefst, dass er dem jungen Anwärter dies ebenso zugemutet hatte, für gut eine Woche. Nur um ihn dann mit seinen Worten zu verletzten.
 

„Du hättest dir wohl kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können.“, kam dann doch die leise Antwort vom Prinzen und auch wenn man ihm nach wie vor das Leid der vergangenen Stunden ansah, so schlich sich doch ein kleines Lächeln auf dessen Lippen. Langsam streckte er eine Hand nach dem Älteren aus, welche dieser auch sogleich ergriff, um ihn so zu sich ziehen zu können. Sanft legte er seine Arme um den Jüngeren, nur um sich dann wieder eine kleines Stückchen von ihm zu lösen und einen leichten Kuss auf dessen Mundwinkel zu hauchen. Er wollte sich schon wieder lösen, doch folgte der Prinz ihm, um einen richtigen Kuss von ihm zu erhaschen.

Es war keine leidenschaftliche Berührung, viel mehr war sie sanft und unschuldig. Sie drückte die verhaltene Freude über die erwiderten Gefühle des jeweils anderen aus, aber spendete zur gleichen Zeit Trost für den zutiefst erschütterten Anwärter.
 

Ein Klopfen an der Tür ließ sie kurz den Kuss unterbrechen. Ein weiteres Mal neigte Aidan sich dem Anderen zu um noch eine letzte zärtliche Berührung ihrer Lippen zu erzielen. Dann lehnte er sich zurück an die Rückenlehen seiner Sitzgelegenheit und bat den Klopfenden herein.
 

Ein besorgt dreinblickender Liam kam durch die Tür in den Raum und erhob seine Stimme, als er die Tür hinter sich wieder geschossen hatte. „Man hat mir mitgeteilt, dass ihr beide zurück seid. Ist alles in Ordnung?“

Der Prinz verzog seinen Mund zu einem bitteren Lächeln. „Der König ist vergiftet worden.“

Erschrocken legten sich Falten auf die Stirn ihres Freundes und er ging näher zu ihnen, um besser mit den Anwärtern sprechen zu können. „Wie geht es ihm? Geht es ihm gut?“

„Er lebt.“, sagte der Jüngere mit monotoner Stimme.

„Das freut mich für dich!“, kam auch sogleich die erleichterte Reaktion.
 

„Das braucht es nicht.“, erwiderte Aidan und stieß die Luft durch seine Nase aus. „Es wäre wohl besser, wenn das Gift ihn umbringen würde.“
 

Ende Kapitel 23



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