Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 94: Extra Turn 54.5: Pitch Black Ambitions -------------------------------------------------- Extra Turn 54.5 – Pitch Black Ambitions     „Wirklich!? Ich darf teilnehmen!?“ Anya traute ihren Ohren kaum, als sie Mr. Palmer in seinem kleinen Büro gegenüber saß und soeben die Genehmigung bekommen hatte, um am Legacy Cup teilnehmen zu dürfen. Der dunkelhäutige Mann lehnte sich zurück und strich sich über seinen weißen Bart. „Unter einer Bedingung: Du wirst während des gesamten Turniers Werbung für unseren Laden betreiben.“ „Auch ein Weg, pleite zu gehen“, gluckste Zanthe, welcher an einen Schrank voller Akten gelehnt stand und die beiden beobachtete. „Schnauze!“, zischte Anya durch die Zähne. Dann grinste sie Mr. Palmer breit an. „Ist gebongt.“ Sie sollte ihre Worte jedoch schnell bereuen, als der Mittvierziger aufstand, kurz ins Lager verschwand und im Anschluss ein dunkelblaues T-Shirt mitbrachte, auf dessen Rückseite die Shop-Adresse in weißen Lettern aufgedruckt war. Mit einer lässigen Bewegung ihres Chefs landete das Shirt auf Anyas Schoß. „Wann immer eine Kamera auf dich gerichtet ist, wirst du das anhaben“, stellte er klar, als er sich ihr wieder gegenüber setzte, „vielleicht gewinne ich wenigstens einen Bruchteil der Kunden zurück, die ich wegen dir verloren habe.“   Anyas Lippen zuckten. Sie wollte ihr Missfallen geradezu herausschreien, aber dann wäre sie auf der Stelle arbeitslos. Aber dieses Ding! Da war nicht ein Totenkopf drauf, nicht mal Blut! Wie konnte sie das anziehen, ohne vor Scham im Boden zu versinken!? Zugegeben: Scham war in Anyas Welt relativ, aber es ging ums Prinzip! Sie mochte es nicht, also trieb ihr aufkeimender Zerstörungsinstinkt sie dazu, es möglichst schnell möglichst effektvoll loszuwerden. „Bauer … Shirt oder Lagerarbeit. Entscheide gut.“ Ihre Zähne gruben sich in die Unterlippe. Ja, dachte sie sich, hatte dieser dämliche Flohpelz es tatsächlich geschafft, Mr. Palmer auf diese Idee zu bringen. Wäre ja auch nicht die erste, nachdem er sie schon mit seinem Vorschlag vor ein paar Tagen, sie ins Lager zu verfrachten, wo sie keine Kunden 'bedienen' konnte, zur Weißglut getrieben hatte! Und stattdessen machte er jetzt -ihren- Job!   Schelmisch grinste der bald sehr, sehr tote Werwolf sie von der Seite an. „Ja, Anya, was soll es sein?“ „Natürlich musst du entsprechend Urlaub nehmen!“ „Was!?“ „Uh-huh! Ich muss ja auch Urlaub nehmen, wenn ich mitkommen will“, nickte Zanthe. Anya wollte beißen, irgendwas, irgendwen! Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein, das Turnier dauerte mindestens zwei Wochen und sie hatte schon fast ihren ganzen Resturlaub aufgebraucht! „Wenn du mehr brauchst, ziehen wir dir das von deinem Gehalt ab“, las der weißhaarige Mann regelrecht ihre Gedanken beziehungsweise ihren bitteren Gesichtsausdruck. Im übertragenen Sinne schäumend vor Wut – zumindest hatte ihre Mundhöhle noch nicht genug Speichel für die sichtbare Version produziert – erwiderte sie entrüstet: „Wieso darf der überhaupt mitkommen, wenn -ich- teilnehme!?“ „Um sicherzustellen, dass du nichts anstellst.“ Streng blickte Mr. Palmer sie hinter seinen dick umrahmten Brillengläsern an. „Du musst dich benehmen, ansonsten wirst du schneller disqualifiziert als ich dich entlassen kann. Und das kann ich -wirklich- nicht gebrauchen.“ „Aber- aber! Wer hilft dann aus!?“ „Ich werde solange alleine klar kommen. Ist sowieso kaum noch was los.“ Plötzlich seufzte Mr. Palmer so schwer, dass selbst Anya den Hauch eines schlechten Gewissens verspürte. „Dem Laden geht’s schlecht. Wir brauchen die Werbung.“   Plötzlich senkte Anya den Blick deprimiert. Er ahnte nicht, dass sie noch gar keine offizielle Einladung zum Turnier erhalten hatte. Weil Nick alles dafür getan hatte, dass sie den Vertrag von Micron Electronics, welcher ihr die Teilnahme ermöglicht hätte, nicht unterschreibt. Dafür hätte sie eine Million bekommen, eine verdammte Million! Zumindest wenn sie das Ding gewonnen hätte, aber alles andere schloss Anya egobedingt ohnehin aus. Nein, stattdessen war ihr nicht-so-ganz bester Freund jetzt damit beschäftigt, ihr auf anderem Wege den Zugang zu ermöglichen. Einem garantiert illegalen, wie Anya sich sicher war. Und wenn das jetzt schief ging, hatte sie Mr. Palmer eine Menge zu erklären.   Dennoch, auch wenn ihr die Bedingungen für die Teilnahme missfielen, nickte sie schließlich und knurrte: „Meinetwegen, dann machen wir es so.“ Mr. Palmer stieß ein erstauntes Lachen aus. „Wirklich? Ich hätte mit etwas mehr Protest gerechnet.“ Trotzig blickte Anya zur anderen Seite, um weder ihn noch Zanthe ansehen zu müssen. „Wenn ich das Ding reiße, dann muss ich sowieso nicht mehr hier arbeiten!“ Immerhin gab es ein sattes Preisgeld für den Gewinner des Turniers. Aber das war nicht der eigentliche Grund, warum Anya zustimmte. In Wirklichkeit wollte sie nicht, dass der Laden hier zumachte. Mr. Palmer war der Einzige ihrer Arbeitgeber gewesen, der ihr eine Chance gab – naja, eigentlich schon ein paar mehr. Sie wollte ihm etwas zurückgeben, nach allem, was sie hier so an Rufschädigung betrieben hatte. Als sie selbst begriff, wie untypisch dieses Verhalten doch für sie war, sprang sie auf. „Okay, ich gewinne das Turnier und alle sind glücklich!“ Ohne weitere Reaktionen abzuwarten rauschte sie aus dem Büro. Umso besser, wenn sie so schnell wie möglich mal wieder aus Livington raus kam! Zumindest gewann sie damit etwas Abstand zu einer gewissen, haarigen Person, mit der sie sich zerstritten hatte.   Zanthe pfiff anerkennend durch die Zähne. „Oh man, damit hätte ich nicht gerechnet.“ „Du kannst jetzt auch gehen“, sagte Mr. Palmer, „und danke für deine Hilfe.“ „Ich muss mich bedanken“, erwiderte der, als er sich vom Aktenschrank abstieß, „dafür, dass Sie mich eingestellt haben, obwohl Sie schon Anya hatten.“ Der dunkelhäutige Mann grinste bloß verschlagen, antwortete aber nicht darauf. Zanthe legte kurz noch die Hand an die Stirn, als wolle er salutieren, dann ging er durch die Tür, die Anya offen gelassen hatte.   Gerade als er sie hinter sich schloss, hörte er Mr. Palmers Telefon klingeln. „Ja? Ah! Mr. Bauer, Sir!“ Selbst durch die geschlossene Tür konnte Zanthe die Worte dank seiner ausgeprägten Sinne klar und deutlich verstehen. „Hallo, Mr. Palmer. Wie läuft das Geschäft?“ „Nun, nicht sonderlich gut, wie Sie sich sicher denken können.“ Der Bursche runzelte die Stirn, trat einen Schritt rückwärts von der Tür weg. War das Anyas Vater? Ziemlich … gewöhnliche Stimme, dachte sich Zanthe, der sie sich wesentlich tiefer vorgestellt hatte. „Das tut mir leid zu hören. Ich nehme an, dass das meiner Tochter zu verdanken ist.“ Zanthes Chef lachte, doch es klang gezwungen. „Ja, das ist es.“ „Benötigen Sie Hilfe?“ „Nein, nein“, wiegelte Mr. Palmer jetzt ab, „so schlimm ist es nicht, Sir.“ „Geht es ihr gut?“ „Warum fragen Sie sie das nicht selbst? Ich kann sie ans Telefon holen.“ Obwohl es kaum merkbar war, normale Menschen würden es vermutlich gar nicht bemerken, änderte sich etwas in Mr. Bauers monotonem Ton. Er wurde heller. „Nein, ein anderes Mal vielleicht. Werden Sie es noch eine Weile mit ihr aushalten?“ „Ja“, antwortete Mr. Palmer, „auch wenn sie nächste Woche für einige Zeit Urlaub nehmen muss. Hat sie es Ihnen schon erzählt? Dass sie am Legacy Cup teilnehmen wird?“ „Nein. Das freut mich. Für Sie beide.“ Derweil überlegte Zanthe, ob er sich um das Büro herum zum Fenster schleichen sollte, mit dem man von dort in das kleine Lager schauen konnte, welches das Büro umgab. Zu gern würde er wissen, was man anhand von Mr. Palmers Gesichtszügen ablesen konnte. Allerdings wollte er nicht entdeckt werden, also wäre es das Beste, wenn er hier vor der Tür wartete. „Danke, Sir.“ „Dann hoffen wir, dass meine Tochter gut abschneidet und sich nicht bis auf die Knochen blamiert. Wenn Sie oder Anya etwas benötigen, dann melden Sie sich bei mir, Mr. Palmer.“ „Danke, Sir.“ „Auf Wiedersehen.“ Nachdem sein Chef diese Worte wiederholte, hörte Zanthe, wie er den Hörer auflegte.   Und sofort schossen ihm eine gefühlte Million Fragen durch den Kopf. Was war das denn für ein seltsames Gespräch? Und wieso wollte Mr. Bauer Anya nicht sprechen, ja ließ nicht einmal Grüße ausrichten? Als wolle er gar nicht, dass sie von dem Gespräch erfuhr. Etwas, das Zanthe wiederum sofort, in der Hoffnung auf mehr Input, nachzuholen gedachte.   Anya indes packte im vorderen Teil des Lagers, welches bis zum Anschlag voll von Regalen war, in denen unausgepackte Kisten standen, einen länglich Karton vor sich auf dem Boden aus. Niedergeschlagen fuhr sie mit einem Cuttermesser über das Paketklebeband und öffnete jenes, in dem sich brandneue Duel Disks in schnieken, weißen Kartons befanden. Mit dem Lieferschein im Griff prüfte sie schnell, dass sich drei Stück im Paket befanden, die sie sogleich in beide Hände nahm und in den Verkaufsraum bringen wollte. Dabei stieß sie im Rückwärtslauf gegen Zanthe. „Hey, pass doch auf!“, fauchte die Blonde und ihr ureigener Racheinstinkt setzte ein, sodass sie ihm während des Umdrehens einen Tritt gegen das Schienbein verpasste – oder verpasst hätte, wäre er nicht geschickt ausgewichen. „Das ist alles deine Schuld! Kaum bin ich wieder hier, muss ich im Lager schuften, weil du dich in alles einmischen musst! Geh gefälligst woanders arbeiten!“ Zanthe zuckte unbedarft mit den Schultern und trat derart fest zurück, dass Anya einknickte und beinahe die Duel Disks fallen ließ. „Vergiss es, hier gefällt es mir viel zu gut. Eigentlich wollte ich dir nur sagen, was für ein Telefonat ich gerade belauscht habe, aber wenn du lieber eingeschnappte Leberwurst spielen willst, dann bitteschön.“ Anya, in deren Augen bereits rote Äderchen hervortraten, schnaubte bloß und schob sich möglichst unsanft an ihm vorbei. „Hast du ein Glück, dass Mr. Palmer hier ist, ansonsten …“ „Tu doch nicht so, als wärst du unglücklich wegen seiner Bedingungen“, sagte Zanthe plötzlich ernst, ohne sich ihr zuzuwenden, „du denkst doch nur an Logan und euren Streit.“ „Pah! Der ist mir doch scheißegal! Lass mich jetzt in Frieden!“   Wütend stampfte Anya aus der Lagertür heraus, Zanthe blickte ihr nachdenklich hinterher. Dabei murmelte er vor sich hin: „Mir machst du nichts vor …“ Er konnte es förmlich riechen, diesen verräterischen Geruch von verletzten Gefühlen. Dabei verstand er nicht einmal, was sie an diesem Typen fand, abgesehen vielleicht dass beide im Club der giftigen Zwerge Mitglied waren. Wenn er so zurückdachte, war die erste Begegnung mit ihm eine absolute Zumutung gewesen. Dabei war Zanthe so freundlich gewesen! „Naja … gleich und gleich gesellt sich gern“, murmelte er und steuerte dieselbe Tür an, aus der Anya verschwunden war. Im Endeffekt war es auch egal. Viel wichtiger war dieses ominöse Telefonat eben. Wurde Mr. Palmer etwa von Mr. Bauer bestochen, um Anya hier zu behalten? Läge es nicht an den unterschiedlichen Stimmen, so hätte Zanthe noch eher vermutet, dass sich Nick als Mr. Bauer ausgab. Der kaufte sich schließlich gerne mal eine eigene Realität. Aber Nicks klang anders, nicht viel, aber ein bisschen. „Ich glaub', ich behalte das besser erstmal für mich“, seufzte er, „nicht, dass ihr klägliches Weltbild am Ende noch zusammenbricht.“   ~-~-~   Einige Stunden später hatten sich Anyas und Zanthes Wege getrennt. Während Letzterer sich zu Nicks Haus begeben hatte, ihrem derzeitigem 'Stützpunkt', war Anya zu sich nachhause gegangen. Zwar war ihr unwohl dabei zumute, musste sie doch jederzeit mit einem erneuten Angriff der Undying rechnen. Andererseits wollte sie ihre Mutter sehen und ihr von dem Turnier erzählen. Und es gab da noch etwas, das es zu erledigen galt! Sie musste endlich -damit- anfangen, noch bevor das Turnier begann!   So saß sie am späten Nachmittag mit Sheryl Bauer am runden Holztisch in der Küche. Jene strahlte so breit, dass selbst Anyas schlechte Laune abflaute. „Das freut mich für dich, mein Schatz! Wann soll es denn überhaupt soweit sein?“ „Danke, Mum.“ Anya zögerte. „Ich weiß nicht, irgendwann in den nächsten Tagen. Ni- ich meine, ich muss mich noch um einen Flug kümmern. Oder um Zugtickets, weiß noch nicht.“ Noch ein Punkt auf ihrer To Do-Liste: Bei Nick nachfragen, wo das alles überhaupt stattfindet und wie sie dorthin kommen soll. Die Frau mit dem dunkelblonden, gewellten Haar fasste sich an die Schläfe. „Wann hast du überhaupt damit angefangen, dich für solch große Events zu qualifizieren?“ Anya blinzelte verdutzt. Dann erwiderte sie möglichst gleichgültig. „Ist doch egal, oder?“ Doch der skeptische Blick ihrer Mutter sprach Bände. „Ich wusste einfach nicht, dass du eine Karriere als Profiduellantin verfolgen möchtest. Wie lange träumst du schon davon?“ Sich langsam erhebend, atmete Anya tief durch. „Erst seit ein paar Monaten. Und dann kam, na ja, so eine Einladung. Ist halt für Newcomer gedacht, nicht für Spieler, die schon Pros sind.“ Hoffentlich fragte ihre Mutter nicht noch, ob sie die mal sehen könnte, bangte Anya. Nick arbeitete schließlich noch daran, dass man ihr eine zuschickte. Doch auf ihre Antwort hin nahm der Gesichtsausdruck Sheryls wieder etwas Sanftes an. „Solange du glücklich wirst, ist es ok. Du bist schließlich alt genug, deine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.“ „J-ja.“ „Aber wehe, du fluchst im Fernsehen!“, kam sofort die zu erwartende, strenge Rüge. Und sie sollte nicht die einzige sein.   Nach einer gefühlten halben Million an Lektionen stampfte Anya sichtlich genervt die Treppen ins obere Stockwerk hinauf. Sie wusste die Sorge ihrer Mutter zu schätzen und war froh, dass sie sich derart für sie freute. Es war nur, und Anya wusste es selbst nicht anders zu beschreiben, als wäre alles eine große Lüge. Ja, sie nahm an dem Turnier teil, aber nicht um erfolgreich zu werden. Obwohl sie das wirklich wollte. Nein, sie tat es deshalb, um an Claire Rosenburg zu gelangen. Die aktuelle Weltmeisterin und nächste Hüterin. Unbesiegt, war sie die amtierende Duel Queen. Eigentlich war es erstaunlich, denn Anya wusste ziemlich wenig über sie. Was auch daran lag, dass sie sich erst seit ein paar Monaten näher mit der Szene beschäftigte, eigentlich erst, seit sie bei Mr. Palmer arbeite. Noch etwas, wofür sie ihm dankbar sein musste, wenn man es recht betrachtete.   Gedankenverloren schlenderte das Mädchen über den Flur hin zu ihrem Zimmer, das schon mit sehr eindeutigem, gelbem Warnschild darauf hinwies, dass Unerwünschte – also praktisch jeder – draußen bleiben sollten. Als Anya das Zimmer betrat, steuerte sie geradewegs den Schreibtisch an ihrem Fenster an. Sich an jenen setzend, zog sie eine Schublade auf – in der so ziemlich alles lag, angefangen von Duel Monsters-Verpackungen, längst vergammeltem Süßkram, einer mit etwas verkrustetem Blut bestückten Schere und Gott allein wusste was noch – und holte von ganz unten einen Schreibblock hervor. Gleich auf der ersten Seite stand eine Überschrift in fetten, schwarzen Lettern: 'Anya Bauers Pitchest Black List'. Bei dem Anblick lächelte das Mädchen besonnen. Als sie den Entschluss gefasst hatte, irgendwann Duel Queen zu werden, hatte sie diese Liste angefangen. Seit ihrer ersten Begegnung mit Levrier war sie so vielen starken Spielern begegnet, denen sie kaum das Wasser reichen konnte. Im Kopf hatte sie bereits eine Liste mit all jenen erstellt, sie doch nie zu Papier gebracht. Jetzt, da sie wusste, dass ein sehr schweres Turnier vor der Türe stand, würde sich das ändern. Natürlich war ihr klar, dass keiner der Namen unter den Teilnehmern sein würde, aber etwas Vorbereitung konnte schließlich nicht schaden.   Oh, wie interessant. Damit hattest du vor einigen Monaten angefangen, mir aber nie gesagt, um was es sich dabei überhaupt handelt.   Levrier klang wie schon damals sehr neugierig. Anya griff nach dem erstbesten Stift auf ihrem Schreibtisch und legte die Liste vor sich hin. Geradezu beiläufig erklärte sie: „Das ist die 'Pitchest Black'-Liste.“ Das kann ich anhand des Titels sehen. Was gehört darauf? Die Namen all jener, die du eines Tages umbringen wirst?   „Nope, das ist 'ne andere Liste.“ Anya setzte den Stift an. „Hier kommen alle rauf, die ich unbedingt einmal im Duell besiegen muss. Fair. Ohne Cheat Draw, Inkarnation und sonstigen Scheiß. Nur mit dem, was ich vor dem Duell zur Verfügung habe. Meinem Kopf und meinem Deck.“   Ich verstehe. Das sind gute Vorsätze, die du da hast.   Dass ihr Freund sich nicht darüber lustig machte, erfüllt Anya mit ungewohnter Wärme. Darum war es auch sein Name, den sie zuerst aufschrieb. Was? Ich? Wieso?   Anya sah zur Zimmerdecke, wie sie es immer tat, wenn sie direkt mit dem Immateriellen sprechen wollte. „Wir haben uns nur einmal duelliert und dabei hast du absichtlich verloren, oder?“ Ja, dem war in der Tat so. Das Duell diente dem Zweck, dass du dich mir öffnest.   „Also habe ich dich nie besiegt.“ Anya schrieb gleich danach einen weiteren Namen auf. „Und den da auch nicht.“ Unter Levriers Namen stand 'Henry Ford' und dahinter ein böses Smiley. Sofort hörte sie Levrier in ihrem Kopf lachen.   Benjamin Hendrik Ford? Oh, ich verstehe. Er ist so etwas wie ein inoffizieller Rivale für dich, da du nur ein Unentschieden gegen ihn erreichen konntest. Damals in deinem Klassenzimmer.   Das war letztes Jahr an Halloween gewesen, wusste Anya. Das blöde Schnöselkind war immer besser gewesen als sie. Tch, kein Wunder, wenn er der Erbe des Ford-Unternehmens war, welches für Duel Monsters in Amerika zuständig war. Es gab keinen Weg drum herum, -den- nicht auf die Liste zu setzen. Und wenn sie schon dabei war, konnte sie auch gleich seine Schwester aufschreiben – wie hieß die doch gleich, Melany? Melody? Melinda Ford ist ihr Name.   „Yeah, jetzt erinnere ich mich.“ Gleich nach denen schrieb sie Abbys Namen auf, ebenso Marcs, Matts, gar Alastairs. Doch dann stoppte sie nachdenklich. „Hmm.“ Stimmt etwas nicht? Sind das etwa schon alle?   Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß bloß nicht, ob ich Nick auch aufnehmen soll. Bevor ich wusste, wie er drauf ist, kam er nicht infrage.“ Da er tatsächlich sehr geschickt zu sein scheint, wäre er durchaus eine Überlegung wert.   „'kay, aber das entscheide ich später. Da sind noch zwei Kackbratzen, die vor ihm drauf müssen.“ Jene hörten – vermutlich – auf die Namen Kali und Zachariah Bauer. „Frag gar nicht erst“, wies Anya Levrier sofort an. Dann erschrak sie. „Shit!“ Sofort landete unter den beiden 'Claire Rosenburg'. Kommt das Beste nicht erst zum Schluss? „Was, wenn ich sie vergesse? Sie ist die verdammte Duel Queen, stell' dir vor, ich vergesse die Duel Queen!?“ So empört wie Anya sich gab, blieb Levrier nichts anderes übrig als zu lachen. Knurrend schrieb sie weiter. Edna, Harris, Ricther und Stoltz kamen danach.   Die auch? Qualifizieren sie sich als unsere Feinde überhaupt?   „'türlich!“ Sie setzte ein Sternchen hinter die Namen. „Aber die sind nur Bonus.“   Kommt mir das nur so vor, oder fehlen da noch ein paar ganz wichtige Namen?   Sofort verengte Anya ihre Augen zu Schlitzen. „Wen meinst du?“ Natürlich wusste sie genau, auf welche Pappnasen er anspielte. Und keine Frage, -eigentlich- gehörten sie auch zur 'Pitchest Black List'. Aber sie wollte das nicht, verdammt! Wo sind-   „Fein“, zischte das Mädchen wütend. Prompt – und sehr widerwillig – klemmte sie noch Zanthes Namen zwischen den von Marc und Matt.   Den hast du doch bereits besiegt.   Anya schüttelte den Kopf. „Nope! Damals habe ich den Cheat Draw benutzt. Und die Trainingseinheiten zählen nicht. Also muss er wieder rauf. Und damit wäre ich fertig!“ Bist du das? Hmpf! Reiß dich zusammen.   Anya wiederholte sich. „Fein!“ Und versuchte noch irgendwie Valerie Redfield in den oberen Rängen einzubringen. Auch sie bekam ein böses Smiley ab. Dann machte sie ganz unten weiter und schnaufte. Der Sammler. Verstehe.   „Ich glaube, wir sind dann durch. 'kay, Nick kann meinetwegen auch rauf.“   Moment noch. Hast du nicht Logan Carter vergessen?   Sofort fauchte Anya zurück: „Den hab ich schon besiegt! Und jetzt hör auf, ihn ständig zu erwähnen! Mach lieber das Elysion bereit!“ Sie schob sich samt Schreibtischstuhl vom Tisch weg.   Was soll ich?   Seine Freundin verschränkte die Arme. „Was glaubst du wohl? Ich schreib diese Liste doch nicht, um sie dann nicht abzuarbeiten. Mach dich bereit!“   Deshalb kam mein Name also zuerst. Wie du wünscht.   Unmittelbar danach schien Anya regelrecht von einer unnatürlichen Schwärze verschluckt zu werden. Plötzlich stand sie mitten auf einem riesigen, runden Mosaik, dass die Erde wie einen Globus darstellte, wenn man es aus der Vogelperspektive betrachtete. Um sie herum nur Finsternis. Keine Sekunde verstrich, da tauchte Levrier auf der anderen Seite in der Form des weißen Ritters Pearl auf. Die Augenschlitze leuchteten blau. „Da wären wir“, sagte er mit einer Spannung, die selbst dem Mädchen nicht entging. „Yeah! Das ist es!“, rief Anya und streckte die Arme weit voneinander aus, um deutlich zu machen, wer hier die wahre Herrin des Elysions war. „Duelliere dich mit mir! Gib alles was du hast und noch mehr, halt dich nicht zurück!“ Levrier ließ eine Duel Disk an seinem Arm erscheinen, die der Anyas bis ins kleinste Detail entsprach. „Gerne. Ich habe mich schon lange danach gesehnt, mich erneut mit dir zu messen.“ Der Blick seiner Gegnerin verschärfte sich und das Grinsen eines siegeshungrigen Teufelsweibs schlich um ihre Lippen. „Dann geht’s jetzt los! Aber vorher … “ Anya schnippte mit dem Finger. Im Hintergrund begann ein Orchester eines ihrer liebsten Stücke zu spielen, Beethovens Vertonung von 'An die Freude'.   Freude, schöner Götterfunken Tochter aus Elisium   „Ich verstehe zwar kein Wort, aber Elysion kommt drin vor, also passt es“, grinste das Mädchen und verengte sofort die Augen, „wehe, irgendeiner erfährt davon!“ „Keine Sorge, Anya Bauer, ich verrate niemandem von deinem geheimen Laster.“ Zeitgleich mit einem Schmunzeln nickend, riefen schließlich beide: „Duell!“   [Anya: 4000LP / Levrier: 4000LP]   „Heh“, machte Anya und grinste herausfordernd, nachdem beide ihr Startblatt gezogen hatten. Ihr Gegenüber zeigte äußerlich keine Reaktion, fragte aber: „Ist etwas, Anya Bauer?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Mir ist nur gerade bewusst geworden, wie lange wir uns nicht mehr duelliert haben. Nur, als wir uns das erste Mal begegnet sind und das ist fast ein Jahr her.“ „Um genau zu sein haben wir uns erst bei unserer zweiten Begegnung duelliert“, korrigierte der weiße Ritter sie sofort. Anyas Miene verfinsterte sich. Dann begann sie mit dem Finger um ihre Schläfe zu drehen. „Yeah, beim ersten Mal hast du mich nur bequatscht, mit dir Eden zu werden. Damals dachte ich: 'Was für'n scheiß Traum ist das denn'?“ Nachdem er sie einen Moment anstarrte, verschränkte der Blauäugige die Arme. „Ich erinnere mich. Damals hattest du keinerlei Gespür für das sogenannte Übernatürliche.“ Mit einem Nicken gab Anya ehrlich zu, dass sie dem nicht widersprechen konnte. „Jep. Seitdem hat sich viel verändert. Aber das ist okay. Wenn ich ehrlich bin …“ Sie sah plötzlich bewusst zur Seite. „... fand ich unser Abenteuer damals ganz ok.“ „Auch ich fand es … unterhaltsam. Wenn wir nicht gerade um unser Leben gekämpft haben.“ „Duelliert meinst du wohl. Ah!“ Das Mädchen wandte sich ihm schlagartig mit giftigem Blick zu und fauchte: „Sag mal, sind wir eigentlich zum Quatschen hier oder um meine Liste um einen Namen ärmer zu machen!? Wenn du nicht anfangen willst, mach ich's eben!“   Schwungvoll zog das Mädchen eine sechste Karte auf und prüfte ihr Blatt. „Hehe …“ Sie nahm zwei Karten daraus hervor und schob sie umgehend in ihre Battle City-Duel Disk – an welche sie sich zumindest hier noch erfreuen konnte, nachdem Zach ihr die aus der realen Welt geklaut hatte! „Die Süßen hier machen den Anfang. Und dann rufe ich [Gem-Knight Alexandrite], opfere ihn aber gleich durch seinen Effekt, um einen anderen Vanilla-Gem-Knight aus meinem Deck zu beschwören!“ „Diesen Begriff hast du aus einer der Zeitschriften, die im Laden deines Vorgesetzten verkauft werden. Er bezeichnet Monster ohne Effekte, korrekt?“, fragte Levrier neugierig. Anya grinste breit, als vor ihr ein Ritter in weiß schimmernder Rüstung erschien, die an Armen, Beinen und Brustpanzer mit bunten Edelsteinen besetzt war.   Gem-Knight Alexandrite [ATK/1800 DEF/1200 (4)]   „Bingo!“ Sie nahm ihr Deck aus der Halterung, suchte sich die entsprechende Karte und legte sie dann auf die Duel Disk. „Erscheine, Ritter des Granats: [Gem-Knight Garnet]!“ Ihr Alexandrite streckte beide Arme auseinander und strahlte von seinen Edelsteinen grelles Licht aus, ehe er sich in weißen Funken auflöste. An seiner Statt tauchte aus einer Stichflamme ein Krieger in bronzener Rüstung auf, welcher mit einem Feuerball jonglierte.   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   Mit drei Handkarten und zwei vor sich liegenden, verdeckten Zauberfallen verkündete Anya unheilvoll: „Zug beendet, Blechbüchse.“   Levrier ließ sich dies nicht zweimal sagen und nahm eine Karte von seinem Deck auf. „Ich bin bereits gespannt, wie du auf dieses Deck reagieren wirst.“ „Hm?“ Seine Partnerin verschränkte die Arme. „Ich benutze die Zauberkarte [Reinforcement Of The Army], um meiner Hand einen Krieger der Stufe 4 oder niedriger von meinem Kartenstapel hinzuzufügen.“ Vor dem weißen Ritter stellte sich eine grün-umrandete Karte auf, die einen Hauptmann mit erhobenem Schwert abbildete. Erstaunt fragte Anya: „Wie? Damals hast du doch irgendwelchen Dämonenkram gespielt.“ „Das war nur um dir Respekt einzuflößen. Hätte ich doch nur gewusst, dass das praktisch unmöglich ist.“ Gekünstelt seufzend, nahm Levrier die aus seinem Deck hervortretende Karte auf und legte sie sogleich auf seine Duel Disk. „Nun, da du ein Monster kontrollierst und ich nicht, kann ich [Heroic Challenger – Assault Halberd] sofort von meiner Hand spezialbeschwören.“ Ein Schatten huschte hinter ihm hervor und präsentierte sich als Krieger in blauer Panzerung, dessen linker Arm in einer Hellebarde endete.   Heroic Challenger – Assault Halberd [ATK/1800 DEF/200 (4)]   „'kay“, murrte Anya lahm. „Ich bin noch nicht fertig. Als Normalbeschwörung rufe ich [Heroic Challenger – Thousand Blades], dessen Effekt mich eine Heroic-Karte abwerfen lässt und ihn in den Verteidigungsmodus zwingt, um einen weiteren Herausforderer aus meinem Deck zu beschwören.“ Schon hatte sich Levrier einer Karte aus seinem Blatt entledigt. Noch ein Kämpfer tauchte vor ihm auf, doch dieser bestach vor allem durch die zahlreichen Klingen, die aus seinem Rücken ragten. Er schwang seine eigene Hellebarde und stieß sie in den Boden, bevor er sich an ihr festhaltend in die Knie begab. Dabei löse sich eine der Klingen von seinem Rücken und nahm die Form eines dunkelgrünen Kämpfers mit zwei Schwertern in der Hand an.   Heroic Challenger – Thousand Blades [ATK/1300 DEF/1100 (4)] Heroic Challenger – Extra Sword [ATK/1000 DEF/1000 (4)]   „Geez, die ploppen ja wie Pilze aus dem Boden.“ Anya stöhnte genervt. „Aber wenigstens sind es keine Einhörner. Ich hätte dir wirklich zugetraut, dass du Einhörner und Feen spielst.“ „Die kamen knapp hinter Barbiepuppen.“ Was beide nach einem Moment merkwürdiger Stille zum Lachen brachte. Doch dann schwang Levrier den Arm aus. „Ich rate dir, nicht den Fehler zu machen, diese Bande zu unterschätzen.“ „Werd' ich nicht!“ „Sehr gut. Denn ich erschaffe das Overlay Network!“ Ein schwarzes Loch öffnete sich vor Levrier und breitete sich aus. „Aus meinen drei Stufe 4-Kriegern wird ein Rang 4-Samurai!“ Anya löste ihre Arme aus der Verschränkung. „Wie jetzt, gleich alle drei!?“ Nacheinander zischten die Herausforderer als braune Lichtstrahlen in das Überlagerungsnetzwerk, ehe aus diesem ein grelles Licht drang. Levrier rief: „Xyz Summon! Assistiere mir, [Heroic Champion – Kusanagi]!“ Aus dem Wirbel schwebte ein Krieger in weinrotem Anzug, dessen Schultern mit roten, geriffelten Platten geschützt waren. Mit seinem Helm und dem rot leuchtenden Schwert in der Hand wirkte er tatsächlich wie ein Samurai. Drei Overlay Units umkreisten ihn.   Heroic Champion – Kusanagi [ATK/2500 DEF/2400 {4} OLU: 3]   Sich am Kopf kratzend, fragte Anya: „All der Aufwand für das?“ „Du musst viel lernen, wenn du für den Legacy Cup bereit sein willst“, tadelte ihr Freund sie umgehend, „Lektion #1: [Heroic Challenger – Extra Sword] verleiht dem beschworenen Xyz-Monster 1000 zusätzliche Angriffspunkte.“ Die Blonde weitete die Augen, als der Samurai in gelber Aura erstrahlte.   Heroic Champion – Kusanagi [ATK/2500 → 3500 DEF/2400 {4} OLU: 3] „Lektion #2: Gehirn steht über Muskeln. Angriff!“ „Was soll denn der Spruch? Denkste ich bin dumm?“ Mit einer wutverzerrten Grimasse schwang Anya den Arm aus, als das Monster ihres Gegners langsam und mit beiden Händen am erhobenen Schwert auf sie zu schritt. „Im Gegenteil, ich -wollte-, dass du dein Bossmonster so früh beschwört. Damit ich das hier machen kann: [Justi-Break]!“ Sie ließ den Arm ausschwingen und dabei ihre linke Fallenkarte hochklappen. Ihr Garnet hielt den rechten Arm in die Höhe, wie der in Schatten gehüllte Mann auf dem Artwork und ließ weiße Blitze um sich schlagen. „Damit stirbt bei einem Angriff auf ein normales Monster jedes Monster mit einem Effekt auf dem Spielfeld!“ „Kommen wir zu Lektion #3: Fallen sind im Antlitz dieses Kriegers kontraproduktiv!“, hielt Levrier streng dagegen. „Effekt von [Heroic Champion – Kusanagi]! Einmal pro Zug annulliert und zerstört er eine Falle, um sich selbst um 500 Angriffspunkte zu stärken!“ Anya fiel aus allen Wolken. „Willst du mich verkohlen!?“ Mit einem schnellen Schritt zischte der Samurai voran, schwang seine leuchtende Klinge aus, die nebenbei eine der Overlay Units absorbierte, und zerteilte mit nur einem Hieb sowohl [Gem-Knight Garnet], als auch Anyas Falle. Es gab einen gewaltigen Knall mit anschließender Rauchwolke, die das Feld des Mädchens einhüllte.   Heroic Champion – Kusanagi [ATK/3500 → 4000 DEF/2400 {4} OLU: 3 → 2]   Was dann allerdings folgte, ließ Levrier überrascht aufstöhnen. Denn aus der Rauchwolke schoss ein flammender Lichtstrahl, der ihn erfasste und einhüllte. „Ah!“   [Anya: 4000LP / Levrier: 4000LP → 1900LP]   Nachdem der Rauch sich verzogen hatte, stand Anya breit grinsend mit verschränkten Armen und aufrecht stehender Falle vor ihm. „Tja, irgendwie hatte ich mir so etwas in der Richtung fast gedacht. Also hab ich gleich noch [Dimension Wall] gesetzt, für den Fall, dass du mir an die Gurgel willst.“ „Ich erinnere mich an diese Falle. Damit haben wir Alastair van Helsing bei unserer ersten Begegnung in die Knie gezwungen.“ „Jep. Der Trottel war total auf die 'Bitte-rette-mich-vor-dem-bösen-Dämon'-Nummer reingefallen und hat dabei diese Falle ausgelöst“, Anya lachte bitterböse, „und sich damit selbst besiegt.“ Levrier nickte. „Genau wie damals habe ich also den Schaden abbekommen, den ich verursachen wollte. Aber es war nicht ausreichend für eine Niederlage.“ „Aber es hat dir ganz schön weh getan.“ „Dein Feld ist jedoch so leer wie dein Kopf von Zeit zu Zeit.“ Sofort keifte Anya: „Was war das!?“ „Die Wahrheit“, stichelte Levrier weiter. Inzwischen war Kusanagi zu ihm zurückgekehrt. „Dann will ich jetzt ebenfalls zwei Karten setzen. Ich gebe den Zug an dich ab.“ Zischend tauchten die beiden Fallen zu seinen Füßen auf.   „Für diesen Kommentar wirst du bluten!“ Mit wutverzerrter Fratze zog Anya eine Karte auf, die sie ihrem Blatt hinzufügte. „Mach dich schon mal auf was gefasst! Ich aktiviere [Silent Doom], einen Zauber, der ein normales Monster von meinem Friedhof in den Verteidigungsmodus beschwört!“ Ein Loch öffnete sich vor ihr im Mosaik der Erde. Eine riesige Hand mit langen Fingernägeln schoss daraus empor und zog dabei [Gem-Knight Garnet] mit sich, den sie schließlich absetzte.   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   „Du bist viel zu leicht zu manipulieren“, tadelte Levrier sie dabei. „Im Turnier werden viele deiner Gegner versuchen, dich mit ihren Worten aus dem Konzept zu bringen. Was folgt sind Fehler, die dich den Sieg kosten werden.“ Anya wollte sofort widersprechen, musste aber einsehen, dass ihr Freund damit Recht hatte. Sie senkte das Haupt. „Yeah. Ich werd' dran denken.“ „Du hast dich dazu entschlossen, am Legacy Cup teilzunehmen, statt Claire Rosenburg direkt aufzusuchen. Ich hoffe dir ist klar, wie zeitaufwendig dieses Unterfangen wird, Anya Bauer?“ Das Mädchen sah wieder auf. „Keiner wird mich als Duel Queen anerkennen, wenn ich sie in irgendeiner Gasse besiege!“ „Und keiner wird dich anerkennen, wenn du erst tot bist. Deine Zeit ist knapp bemessen.“ „Hör auf!“, forderte Anya. „Es ist meine Entscheidung! Wir machen es so und nicht anders!“ Den Kopf schüttelnd zuckte Levrier mit den Schultern. Beide wussten, dass gegen Anyas Sturheit jedes noch so gute Argument chancenlos war. So tauschten sie einen intensiven Blick aus, ehe die Blonde schließlich ihren Zug fortsetzte. „Zieh dir das rein! Ich aktiviere [Gem-Knight Fusion] und verschmelze Garnet mit meinem [Gem-Knight Obsidian]!“ Über ihr öffnete sich ein Wirbel, in den dutzende Edelsteine, welche aus dem Nichts erschienen, hineingezogen wurden. Und mit ihnen der Feuerritter auf dem Spielfeld sowie ein schwarzer Ritter, um dessen Körper eine massive Kette aus dunklen Perlen hing. Anstatt ihren üblichen Beschwörungsspruch aufzusagen, rief Anya einfach nur. „Fusion Summon! Erscheine, [Gem-Knight Ruby]!“ Auf ihr Kommando sprang ein roter Ritter aus dem Vortex, dessen blaues Cape elegant vor sich hin flatterte. Bewaffnet mit einer Lanze, bezog der Herr der Rubine kämpferisch Stellung vor Anya. Doch nicht nur er. Ebenso schoss [Gem-Knight Garnet] unvermittelt aus dem Edelsteinwirbel zurück aufs Spielfeld, direkt neben seinen Kameraden.   Gem-Knight Ruby [ATK/2500 DEF/1300 (6)] Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)] „Überraschung!“ Anya ballte eine Faust, die sie demonstrativ empor hob. „Obsidians Effekt hat sich aktiviert, da er als Fusionsmaterial verwendet wurde. Damit kann ich einen Vanilla-Gem-Knight der Stufe 4 oder weniger vom Friedhof reanimieren.“ Sie zeigte auf Garnet. Dann schwang sie den Arm aus. „Und ich muss dir wohl nicht sagen, was Rubys besondere Fähigkeit ist. Er kann die Kraft eines anderen Gem-Knights für einen Zug absorbieren!“ Dieser streckte seine Lanze vor sich aus. Jene begann grell rötlich zu leuchten. Analog dazu löste sich der Granatritter in gleichfarbige Partikel auf, die allesamt von Rubys Waffe extrahiert wurden.   Gem-Knight Ruby [ATK/2500 → 4400 DEF/1300 (6)]   „Erinnerst du dich?“, fragte das Mädchen anschließend wieder besser gelaunt. „Mit dem Move habe ich dich damals besiegt.“ „Irrtum. Ich habe mich besiegen lassen, falls du das schon vergessen hast.“ Levrier lachte herausfordernd. „Dadurch konnte ich mich in dir verankern.“ „Gah!“ Anya winkte missmutig ab. „Diesmal wird alles anders, darauf kannste Gift nehmen! Los, Ruby, greif [Heroic Champion – Kusanagi] an! Sparkling Lance Thrust!“ Wie ein Pfeil schoss ihr Ritter aus dem Stand auf seinen Kontrahenten zu. Jener nahm die Haltung eines Baseballspielers ein, welcher bereit zum Schlag war. Levrier lachte. „Wunderbar, Anya Bauer. Du hast meine Falle ausgelöst: [Heroic Retribution Sword]!“ Jene klappte vor dem Immateriellen auf und ließ ein Schwert neben Kusanagi erscheinen, das bereits durch tiefe, rot erstrahlende Risse gezeichnet war. Mit der freien Hand griff der Samurai danach. „Damit wird der Kampfschaden aus dieser Schlacht auch dir zugefügt. Zusätzlich findet auch der Angreifer danach sein jähes Ende.“ „Tch! Damit kann ich leben, wenn dadurch-“ „Jedoch“, unterbrach ihr Freund sie unvermittelt, „habe ich nie behauptet, davon Gebrauch machen zu wollen.“ Anya machte ein wenig intelligentes „Huh!?“. Denn anstatt die Klinge in die Hand zu nehmen, absorbierte der Heroische Champion mit seiner Handfläche eine der beiden Overlay Units und zerbrach den Griff der Waffe einfach.   Heroic Champion – Kusanagi [ATK/4000 → 4500 DEF/2400 {4} OLU: 2 → 1]   „D-du verarscht mich doch!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Anya Levrier an, der mit den Schultern zuckte. Der opferte seine Falle, um die Angriffskraft seines Monsters durch dessen Effekt zu stärken. Das war … „Genial!“ Sofort biss sich Anya bei ihrem ungewollten Ausruf auf die Lippen. „Vielen Dank“, hatte ihr Freund jenen zu ihrem Unmut jedoch gehört. Dann schwang Kusanagi seine Klinge und ließ sie auf die Lanze Rubys prallen, als jener den Feind erreichte. Eine heftige Explosion erfolgte. Aus welcher nur der Samurai lebend herauskam.   [Anya: 4000LP → 3900LP / Levrier: 1900LP]   Schnaufend stand Anya plötzlich mit leerem Feld da. Und griff grimmig nach ihrem Blatt. „'kay, den Kampf habe ich verloren, aber das Duell noch lange nicht! Da ich sie in diesem Zug noch nicht durchgeführt habe, folgt jetzt meine Normalbeschwörung! Erscheine, [Gem-Armadillo]!“ Jenes vom Unterleib an geisterhaft beinlose, braune Gürteltier materialisierte sich vor Anya.   Gem-Armadillo [ATK/1700 DEF/400 (4)]   Die orangefarbenen Edelsteine unter den Düsen an seinen Schultern begannen zu strahlen. Anya erklärte dazu: „Wird der normalbeschworen, erhalte ich einen Gem-Knight vom Deck. Lazuli!“ Deren Karte suchte sie anschließend aus ihrem Deck, das sie mit einer Hand ausfächerte. Kaum war das getan, streckte sie die Hand nach vorne aus. „Jetzt schicke ich [Alexandrite Dragon] von meinem Deck auf den Friedhof, um ihn zu einem Empfänger zu machen, den ich auf [Gem-Armadillo] einstimme!“ Ein riesiger, goldener Ring erschien über ihr und begann sich zu drehen. „From the light of a different world, the herald of starlight descends upon the ravaged land!“ Weiße Schwingen begannen sich von jenem zu strecken. Ihr Monster auf dem Feld zersprang in vier grüne Sphären, die die wässrige Schicht im Inneren des Rings im Rückwärtsgang passierten. „By discarding a single star, I call upon you!“ Ein greller Lichtblitz schoss anschließend durch das Gebilde. „Synchro Summon! Shine forth, [Angel Wing Dragon]!“ Aus beiden Richtungen glitten parallel Schweif und Haupt des weißen, schlangenhaften Drachens, bis beide Hälften eine Einheit ergaben. Angel Wing hob seinen Kopf an, um den sich ein goldenes Kragengestell befand.   Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)]   Mit ihrer einzigen Karte [Gem-Knight Lazuli] in der Hand bellte Anya: „Zug beendet!“   Levrier nickte und zog. Dann kommentierte er den Anblick des Drachen nachdenklich. „Du weißt, wie du deine neuen Werkzeuge einzusetzen hast. Aber das allein reicht noch nicht.“ „Schwing' bloß keine Reden“, giftete Anya zurück, „ich weiß, was ich tue. Schließlich bin ich die nächste Duel Queen!“ Sein leises Kichern sorgte dafür, dass die Zornesfalten auf der Stirn des Mädchens nur noch tiefer wurden. Besonders als er hinzufügte: „Ist dem so?“ Dann aber, so schien es, wurde Levrier wieder ernst. „Gut. Ich beschwöre [Heroic Challenger – Spartan] im Angriffsmodus!“ Neben seinem Kusanagi bezog ein Krieger mit Speer und großem Rundschild bewaffnet auf, von dessen Schultern ein langes, rotes Cape hing.   Heroic Challenger – Spartan [ATK/1600 DEF/1000 (4)]   „Beseitigen wir ihr Spielzeug, [Heroic Champion – Kusanagi]“, sprach Levrier und stieß die flache Hand nach vorne aus. „Angriff!“ Jener ging in eine gebeugte Haltung und rannte anschließend erstaunlich flink auf den weißen Drachen zu, der seinerseits einen weißen Strahl mit goldener Spiralumrandung ausstieß. Jenem wurde jedoch geschickt ausgewichen. Und kaum hatte der Krieger sein Ziel erreicht, schwang er seine rot leuchtende Klinge, mit der er der Bestie den Kopf abschlug. In dem Moment fuhr ein heftiger Schmerz durch Anyas Kopf. Sie stöhnte laut auf, senkte das Haupt und fasste sich an die Stirn. „Bist du in Ordnung?“, fragte ihr Freund überrascht. Anya schnaufte und sah wieder auf. „Kch! Alles bestens! Aus Kämpfen mit Angel Wing trage ich keinen Schaden davon!“ „Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Darum hast du ihn schließlich gerufen – um diesem vernichtenden Angriff zu entkommen.“ Levrier fasste sich ans Kinn. „Ich fürchte nur, dass ich mit zwei Monstern auf dem Feld trotzdem an deine Lebenspunkte komme. Direkter Angriff, [Heroic Challenger – Spartan]!“ Jener warf seinen Speer in die Luft, packte ihn am Schaft und warf ihn zielgenau auf die Blonde. Welche mitten in der Brust getroffen wurde. Der Speer glitt durch sie hindurch und tauchte wie aus dem Nichts wieder in Spartans Hand auf, der ihn absetzte.   [Anya: 3900LP → 2300LP / Levrier: 1900LP]   Da sie nichts sagte, meinte Levrier schließlich. „Dann beende ich damit meinen Zug.“ Und kaum hatte er gesprochen, materialisierte sich über dem Mädchen der goldene Ring, aus dem der weiße Drache schoss. Obwohl Levrier auch das längst kannte, erklärte Anya trotzig: „Indem ich zwei Stufe 4-Monster von meinem Friedhof verbanne, kann ich Angel Wing am Ende des Zuges wiederauferstehen lassen!“ Sie schob [Gem-Armadillo] und [Alexandrite Dragon] in ihre Hosentasche.   Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)]   „Mein Zug! Draw!“ Voller Elan griff sie nach ihrem Deck und zog mit Schwung die nächste Karte. Sie betrachte jene eine Weile. Wie die Dinge im Moment standen, würde sie Levriers Name so schnell nicht von ihrer 'Pitchest Black'-Liste streichen können. Was einer mittelgroßen Katastrophe gleich kam. Er sollte der erste von vielen sein, verdammt! Wenn nicht er, wer dann!? Sich auf die Lippe beißend, mahnte Anya sich zur Konzentration. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, [Heroic Champion – Kusanagi] zu besiegen. Aber der war stärker als alles, was sie aufbringen könnte. Wobei … es gab da vielleicht eine Karte. Neugierig griff Anya nach dem Extradeck, welches sich direkt unter dem regulären Kartenstapel befand, und zog es hinaus. Ihr Augenmerk lag auf einer weiß umrandeten Karte, die noch hinter ihren vielen Fusions- und wenigen Xyz-Monstern versteckt lag: [Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T]! Nachdem sie sich seinen Effekt durchgelesen hatte, blickte sie mit breit grinsender Miene auf. „Perfekt!“ Jetzt galt es nur noch, dieses Stufe 10-Synchromonster zu beschwören. Mit Angel Wing hatte sie schon einen Stufe 8-Nichtempfänger auf dem Feld und mit [Gem-Knight Lazuli] und dem Empfänger [Kuriboss] auch die restlichen Puzzleteile auf der Hand. Es gab nur ein Problem: Sie konnte nur einmal pro Zug ein Monster normalbeschwören. „Hrg!“ Es war zum Haare raufen. Könnte sie doch bloß zweimal … „Ah!“ Sie zählte etwas an ihren Fingern ab und blickte dann abermals mit dem Ausdruck von Erkenntnis auf. Levrier beobachtete das alles still. „Ich weiß genau, was ich tun muss, um zu gewinnen“, verkündete sie und griff nach ihrem Friedhof, aus dem sie [Gem-Knight Fusion] zog. „Ich verbanne Obsidian, um die hier zurückzubekommen und aktiviere sie auch gleich. Der [Angel Wing Dragon] vom Licht-Attribut wird mit [Gem-Knight Lazuli] von meiner Hand verschmolzen. Fusion Summon!“ Wieder öffnete sich über ihr ein Edelsteinwirbel, der den schlangenhaften Drachen sowie eine kleine, lehmfarbende Ritterin in sich aufnahm. Ein Lichtblitz erhellte das Elysion für einen kurzen Augenblick und Anya schrie regelrecht: „Erscheine, [Gem-Knight Seraphinite]!“ Ganz in Weiß schwebte ihre neue Ritterin aus dem Sog hinab. Das Innenfutter ihres langen Umhangs war dunkelblau, in der Hand hielt sie einen hellblau leuchtenden Degen.   Gem-Knight Seraphinite [ATK/2300 DEF/1400 (5)]   „Da Lazuli durch einen Karteneffekt auf den Friedhof gelegt wurde, erhalte ich ein normales Monster von meinem Friedhof zurück. Garnet“, erklärte Anya und zeigte jenen bereits vor, „und dank Seraphinites Fähigkeit kann ich neben meiner regulären Normalbeschwörung zusätzlich einen Gem-Knight normalbeschwören. Also erscheint, [Kuriboss] und [Gem-Knight Garnet]!“ Sie legte beide Karten neben die ihrer Ritterin auf ihre Duel Disk. Zu deren Rechten erschien ein kleiner, brauner Fellball in grauem Cape und mit Sonnenbrille auf der nicht existierenden Nase. Dagegen tauchte zu ihrer Linken der Flammen jonglierende Ritter des Granats auf.   Kuriboss [ATK/300 DEF/200 (1)] Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   Die Blonde legte eine Hand ans Kinn. „Wie ging der Spruch doch gleich, den Matt mir beigebracht hatte?“ „Soll ich ihn zitieren?“, neckte sie Levrier. „Nie im Leben! Das ist -mein- großer Moment!“ Anya streckte die Hand in die Höhe. „Alles ist versammelt! Ich stimme den Stufe 1-Empfänger [Kuriboss] auf meine Stufe 4 und 5-Ritter ein!“ Das kleine Fellknäuel stieg in die Höhe und zersprang in einen grünen Lichtring, der nicht etwa senkrecht, sondern waagerecht in die Höhe stieg. Die beiden Krieger folgten ihm, zerteilten sich in vier beziehungsweise fünf Lichtsphären, die den Synchrokreis in einer Reihe von unten nach oben passierten. „A heart of iron rests within the void of time and space! One beat, powerful enough to reverse the laws of nature! Synchro Summon!“ In dem Moment drang ein unglaublich greller Lichtblitz durch den sich ausweitenden Ring. Das Elysion erzitterte, als sich hinter Anya eine mindestens acht Meter hohe Silhouette erhob. „Break loose, [Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T]!“ Auf der stählernen Brust stach der türkisfarbene Buchstabe T hervor. Die Fäuste hingen an elektrischen Strängen und konnten frei bewegt werden. Und der Helm des Eisentitanen war bespickt mit vier Hörnern, die ineinander gewunden nach vorne zeigten. Anya stemmte die Fäuste in die Hüften und strahlte über beide Backen. „Das ist ein Monster ganz nach meinem Geschmack!“ Sie sah auf ihre Duel Disk, obwohl sie den Effekt kannte. Trotzdem las sie den Text der weißen Karten noch einmal, nur um sicherzugehen. „Wird er als Synchrobeschwörung gerufen, erhält er für jedes dafür benutzte Monster einen Zug lang 500 Angriffspunkte!“ So wie Anya, stemmte auch Heavy T seine Fäuste in die Seiten. Dabei begann er in orangefarbener Aura aufzuleuchten.   Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/3000 → 4500 DEF/0 (10)]   Levrier klatschte in die Hände. „Bravo. Ein wirklich Respekt einflößendes Monster. Es steht auf einer Stufe mit [Heroic Challenger – Kusanagi].“ „Du hast nur eins übersehen, Kumpel“, erwiderte Anya und deutete mit dem Finger auf sein anderes Monster, „der blöde Spartaner ist auch noch da. Und jetzt rechne gut!“ Ein Treffer von Heavy Ts Eisenfaust würde den vergleichsweise winzigen Krieger bis ans Ende des Elysions schleudern und Levrier gleich mit. Sofern es so etwas wie ein Ende in dieser seltsamen Welt des eigenen Bewusstseins überhaupt gab. „Finden wir's doch heraus“, murmelte Anya zu sich selbst und schwang den Arm zur Seite, „Zeit, mein neues Baby auszuprobieren! Heavy T, greif' den Spartaner an! Gravity Reverse!“ Der Koloss hinter ihr ballte seine rechte Hand zur Faust und schoss sie regelrecht auf den Krieger ab, welcher sofort seinen Schild anhob. Kusanagi neben ihm streckte sein langes Schwert vor jenen.   Heroic Challenger – Spartan [ATK/1600 → 4100 DEF/1000 (4)]   Anya blinzelte. „Warte … was!?“ Der Samurai durchtrennte Heavy Ts Faust mit einem Hieb, doch trotzdem zerschmetterte deren untere Hälfte den Spartaner im wahrsten Sinne des Wortes und setzte sich im Rückwärtsflug wieder zusammen. Die dabei entstandene Druckwelle ließ Levrier mit einer eleganten Handbewegung verpuffen, bevor sie ihn überhaupt erreichte.   [Anya: 2300LP / Levrier: 1900LP → 1500LP]   „W-wieso ist der auf einmal so stark gewesen!?“, verlangte Anya umgehend zu wissen, zeigte mit zuckendem Zeigefinger auf die Stelle, die der Krieger einst für sich beansprucht hatte. Levrier lachte. „[Heroic Challenger – Spartan] ist stolz, versteht jedoch etwas von Zusammenarbeit. So hat er bei deinem Angriff die Basisstärke von [Heroic Challenger – Kusanagi] erhalten, was bedauerlicherweise trotzdem nicht genug war, um den Kampf zu gewinnen. Fast wie in diesem Film, den du vor ein paar Monaten an einem DVD-Abend mal angesehen hast.“ „Keh“, keuchte Anya grimmig. Sie presste die Lippen so fest aufeinander, dass die blasser und blasser wurden. Denn was sie jetzt eigentlich hätte erzählen müssen war, dass Heavy T nach seinem Angriff in den Verteidigungsmodus ging. Was sie sich allerdings sparen konnte, da es sich von selbst erklärte, wie er hinter ihr in die Knie ging.   Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/4500 DEF/0 (10)]   Im Grunde hatte sie nichts erreicht. Statt Levriers Lebenspunkte auf null zu setzen, hatte sie dem Immateriellen lediglich einen weiteren Kratzer zugefügt. Seine zwei Monster waren weiterhin auf dem Feld. Moment!?   Heroic Challenger – Thousand Blades [ATK/1300 DEF/1100 (4)]   Anya weitete die Augen beim Anblick des Ritters mit den zahllosen Schwertern auf dem Rücken, der wie aus dem Nichts neben Kusanagi aufgetaucht war. „Wo kommt der denn her!?“ „Oh, das habe ich ja noch gar nicht erwähnt“, spielte Levrier süffisant lachend mit der Unkenntnis seiner Gegnerin, „[Heroic Challenger – Thousand Blades] kehrt von meinem Friedhof in Angriffsposition auf das Feld zurück, wenn du mir Kampfschaden zufügst, Anya Bauer.“ „Yay“, dröhnte die gelangweilt. Was nun? Ihr Blatt war leer, ihr Feld abseits von Heavy T ebenso. Jetzt blieb ihr nur noch eines zu hoffen: Dass Levrier sich nie wirklich mit [Angel Wing Dragon] beschäftigt hatte. Denn als sie ihren Zug für beendet erklärte, tauchte jener aus seinem goldenen Ring zischend wieder auf, wobei das Mädchen die Gem-Knights Alexandrite sowie Garnet aus ihrem Friedhof entfernte und in die Hosentasche steckte. Damit verlor Heavy T auch seinen Punkteboost.   Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)] Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/4500 → 3000 DEF/0 (10)]   Levrier zog und zeigte die neue Karte vor, welche ein Stufe 6-Monster namens [Heroic Challenger – War Hammer] war, die er anschließend in den Friedhofsschlitz schob. „Wie du bereits weißt, vermag [Heroic Challenger – Thousand Blades] durch das Abwerfen einer Heroic-Karte einen Herausforderer aus meinem Deck zu beschwören.“ Ein Lichtpunkt tauchte neben den sich niederknienden Schwertmeister auf. Schnell wurde deutlich, dass dessen Ursprung eine Laterne war, die ein ganz in Schwarz vermummter Söldner mit sich führte. Der Immaterielle nannte ihn: „[Heroic Challenger – Night Watchman].“   Heroic Challenger – Thousand Blades [ATK/1300 DEF/1100 (4)] Heroic Challenger – Night Watchman [ATK/1200 DEF/300 (4)] „Nun errichte ich das Overlay Network“, führte Levrier seine Erklärung fort. Vor ihm öffnete sich der bekannte Galaxienwirbel, in denen die beiden als braune Lichtstrahlen hineingezogen wurden, „damit aus meinen beiden Stufe 4-Kriegern ein Rang-4-Krieger wird! Xyz Summon!“ Eine grelle Lichtexplosion erfolgte. Aus dem Strudel erhob sich eine mächtige Gestalt, die mühelos ein riesiges Breitschwert in einer Hand halten konnte. Die Rüstung des Kriegers war silbern mit roter Umrahmung, am Helm befand sich ein goldenes Kreuz. Bei seinem Auftauchen donnerte es wie bei einem Gewitter, die klassische Musik im Hintergrund verstummte abrupt. „Darf ich vorstellen? [Heroic Champion – Excalibur]!“ Zwei Lichtsphären umkreisten jenen.   Heroic Champion – Excalibur [ATK/2000 DEF/2000 {4} OLU: 2]   Anya schluckte. Scheinbar machte ihr Freund jetzt richtig Ernst, wenn er dafür extra entsprechende Stimmung schaffte. Trotzdem war dieser Knilch nicht mal stark genug, es überhaupt mit Angel Wing aufzunehmen. „Ich zeige dir auch umgehend seinen Effekt. Für seine beiden Overlay Units verdoppelt er bis zum Ende deines nächsten Zuges seinen Grundangriffswert.“ „Huh!?“ Anya weitete die Augen, als der Held das sprichwörtliche Excalibur in die Höhe hielt. Ein Blitz schlug in jenes ein und erzeugte eine knisternde Spannung. Anya bekam eine Gänsehaut.   Heroic Champion – Excalibur [ATK/2000 → 4000 DEF/2000 {4} OLU: 2 → 0]   Mit einem Schnippen von Levriers Fingern klappte plötzlich dessen gesetzte Karte auf. Zu Anyas Überraschung war es keine Falle, sondern ein herkömmlicher Zauber, den der Immaterielle in [Gem-Knight Pearls] Gestalt in ihrem Zug gar nicht hätte spielen können. Aber sie kannte den sich erhebenden Soldaten auf dem Artwork, vor dem ein weißes Kreuz prangerte. Erschrocken stieß sie aus: „D-das ist [Stop Defense]!“ „Exakt. Eine Magie, die deinen Heavy T jetzt in den Angriffsmodus zwingt.“ Tatsächlich stand der Stahltitan hinter ihr plötzlich aufrecht und ballte die Fäuste zum Angriff.   Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/3000 DEF/0 (10)]   Der ging wirklich in die Vollen, erkannte Anya panisch. Als wäre er jemals darauf reingefallen, Heavy T vorab mit einem schwächeren Monster anzugreifen, damit sie die Attacke auf [Angel Wing Dragon] umleiten konnte! Wenn so ein Kaliber wie dieser Excalibur für Levrier nur ein Mittel war, um jenen loszuwerden, was wartete dann noch auf sie!? Sie sah auf ihre Duel Disk und sofort wieder auf. „Shit!“ „Du weißt, was jetzt kommt. Ich strecke erst deinen Drachen ein für allemal nieder …“ Auf Levriers Nicken hin ließ Excalibur noch einmal einen Blitz in seine Waffe einschlagen, ehe er wie ein ebensolcher auf den weißen Drachen zuschoss und mit zwei Hieben über Kreuz regelrecht schlachtete. Die Explosion verursachte bei Anya tatsächlich Kopfschmerzen. Keuchend wich sie zurück. „Kein Kampfschaden, schon vergessen!?“ „Natürlich nicht“, entgegnete Levrier, „aber bei deinem Neuzuwachs sieht das anders aus. Los, [Heroic Champion – Kusanagi]!“ Ganz im Gegensatz zu seinem Kameraden, schritt der Samurai mit der Leuchtklinge nur langsam auf sein Ziel zu. Weshalb Levrier genug Zeit hatte, ein paar strenge Worte an Anya zu richten. „Sag, denkst du wirklich, dass -das- ausreichen wird, um Duel Queen zu werden?“ „W-was soll das heißen!? Noch habe ich nicht verloren, klar!?“ „Du kämpft verbissen, ohne Frage. Doch ich sehe-“ Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment bezog Kusanagi vor Anya Position und holte mit seiner Waffe aus. Das Mädchen keuchte und hob die Arme zum Schutz. Was dann jedoch geschah, erwischte sie eiskalt. Denn die Klinge wuchs, wurde geschwungen und glitt sowohl durch sie als auch durch ihren Titanen hindurch. Sie kratzte über die Oberfläche des Elysions. Und dann passierte es. Ihre Hälfte des Mosaiks brach regelrecht auseinander.   Wie in Zeitlupe begann Anya in die Dunkelheit zu fallen. Levrier stand nur regungslos da, unternahm nichts. Sie streckte noch ihre Hand nach ihm aus, aber da war er schon hinter dem Rand der Plattform verschwunden. Das Mädchen wollte um Hilfe schreien, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Alles wurde schwarz.   ~-~-~   Anya stieß die Luft aus ihren Lungen förmlich aus. Es war kalt. Eiskalt. Und dunkel. Nicht, dass das Elysion nicht schon finster genug war, aber plötzlich war alles anders. Sie stand nicht mehr, fiel nicht mehr – sie saß. Und starrte auf eine leere Straße. „W-was zum-!?“ Sie fuhr als Beifahrer in einem Auto. Am Rückspiegel hing eine kleine Dufttanne, die Scheinwerfer waren auf die Landstraße gerichtet. Es war mitten in der Nacht, aber der Mond hing in seiner Gänze am Himmel. Aus dem Radio trällerte ein Song, der Anya vertraut vorkam.   Every little piece of my heart belongs To you, I'll carry on For you I'll sacrifice myself   Wie gelähmt sah Anya zum Fahrer. Doch von dem war nicht viel zu sehen, hatte er sich in einen dunkelgrauen NFL-Hoodie gehüllt. Die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen. Destiny was there to abandon me You're my eternity, the reason I fight Instead of just break down and cry   „W-wo bin ich hier!? Wer zur Hölle bist du!?“ Keine Reaktion. Er fuhr stur geradeaus. In der Ferne konnte Anya ein Waldstück erkennen. „Hey!“, fuhr sie ihn an. Als er wieder nicht antwortete, schlug sie mit der Faust nach seiner Schulter – nur um durch jene hindurch zu gleiten. „Huh!?“ Es passierte so schnell, dass Anya kaum wusste, was um sie herum geschah. Ein greller Blitz voraus blendete sie. Die Welt drehte sich, es krachte furchtbar laut.   Und sie stand wieder aufrecht, doch immer noch nicht in ihrem Elysion. Nein, plötzlich war sie im Wald, am Straßenrand. Weiter voraus zu ihrer Rechten lag der Wagen, ein ziemlich alter, roter Ford Escort. Er war umgestürzt, als wäre er in einen Unfall verwickelt gewesen. Anya fasste sich an die Stirn und erschrak, als sie bemerkte, dass sie feucht war. Blut klebte an ihrer Hand. „Oh shit!“ Was war mit dem Fahrer!? Sofort eilte sie zum Wagen. Alle Scheiben waren zersplittert, die Airbags lagen schlaff auf dem Dach des Fahrzeugs, doch ansonsten war dort nichts. „Wir müssen hier weg!“, hörte sie eine schrille, geradezu überirdische Stimme, die klang, als wäre sie durch mehrere Filter verzerrt worden. Der Klang schmerzte so stark in ihren Ohren, dass sie jene reflexartig zuhielt. Mit geweiteten Augen wirbelte sie herum, weiter von der Straße weg. Dort stand der Mann im Hoodie, sein Gesicht war nicht zu erkennen. Er war von großer, schlanker Statur, eine Bohnenstange wie Harper, aber doch nicht ganz so groß wie er. Und er wirkte verloren, mit herabhängenden Armen. Auch seine Kleidung war von Blut gezeichnet. Anya ließ von ihren Ohren ab. „Erklär' mir, was diese Scheiße hier soll! Bist du in mein Elysion eingedrungen oder was!?“ „Wir haben keine Zeit für so etwas, Anya!“, kam es tadelnd zurück. Sofort bereute sie es, ihn angesprochen zu haben, schmerzte seine merkwürdige Stimme doch so furchtbar in ihrem Kopf.   Wie konnte das überhaupt sein, was war das hier!? Vor wenigen Minuten hatte sie sich noch auf dem Mosaik ihres Elysions mit Levrier duelliert und jetzt schien sie in einem B-Movie festzustecken. „Levrier?“, rief sie erfolglos nach ihrem Freund. „Wenn wir noch länger warten, holt er uns ein.“ Diesmal schmerzten die Worte des Fremden nicht. „Willst du das riskieren!?“ Erst jetzt bekam Anya wieder einen Migräneanfall und hielt sich die Stirn. „W-was soll das, vor wem rennen wir denn überhaupt weg!?“ Was er dann sagte, konnte sie nicht verstehen. Und das lag vor allem daran, dass jedes seiner Worte so verzerrt war, dass es nicht mehr einer menschlichen Sprache zugeordnet werden vermochte. Es schmerzte derart, dass Anya stöhnend in die Knie sank. Sich die Ohren zuhaltend, schrie sie: „Halt dein verdammtes Maul, du bringst mich um!“   Er hörte zu ihrer Überraschung sogar auf sie. Dann hob er den Arm, an dem eine typische Battle City-Duel Disk erschien. „Vielleicht ist das der einzige Weg.“ Anya sah überrascht auf. „Ein Duell!? Also bist du ein Feind!?“ Vielleicht waren die Undying in ihr Elysion eingedrungen!? Wer wusste schon, über was für Fähigkeiten diese beiden Verrückten verfügten! Sie musste hier weg und Levrier finden, irgendwie. Sie sah sich um. Wegzurennen hieße, wieder zurück zur Landstraße zu eilen. Aber sie befürchtete fast, dass jene nirgendwohin führen würde. Und angenommen das alles spielte sich nach wie vor in ihrem Kopf ab, gab es sowieso kein Entkommen. „Bist du noch zu retten!?“, reagierte ihr Gegenüber regelrecht gekränkt. „Du musst dir wirklich den Kopf gestoßen haben. Oder … warte! Bist du etwa … !?“ Tatsächlich erschien dieser Typ Anya im Vergleich zu all ihren anderen übernatürlichen Begegnungen sogar relativ harmlos. Verzweifelt gar. Kannte sie ihn? Oder war das alles nur Show? „Normalerweise würde ich jetzt ein paar Antworten aus dir rausprügeln“, murrte Anya und aktivierte ihre eigene Duel Disk, die sich anscheinend zwischenzeitlich in ihren Urzustand zurückgesetzt hatte. „Da mir die aber beschissene Kopfschmerzen bereiten, kriegst du deine Abreibung diesmal gratis!“ „Mit dir stimmt was nicht“, kam ein abweisender Kommentar. Und beide riefen: „Duell!“   [Anya: 4000LP / ???: 4000LP] Anya hatte gerade einmal drei ihrer fünf Startkarten gezogen, da riss ihr Gegenüber förmlich eine sechste vom Deck. Nur um dann scheinbar nachdenklich auf seine Duel Disk zu schauen. „Nur noch ein Duell …“ Das Mädchen zog eine Augenbraue an. „Ich setze ein Monster und eine Verdeckte. Du bist!“ Zischend materialisierte sich sein Monster in horizontaler Lage als Kartenrücken, hinter diesem in vertikaler seine gesetzte Karte.   „Was ist dein Problem?“, fragte Anya perplex und zog. Sie hatte schon vieles erlebt, aber das hier war definitiv ihr bisher merkwürdigstes Erlebnis. Fast fühlte es sich an, als ob sie träumte. Konnte man in seinem eigenen Elysion einschlafen? „Was auch immer, bringen wir das hier hinter uns!“ Sie zückte [Gem-Knight Fusion]. Über ihr öffnete sich ein Edelsteinwirbel, in dem ein goldener und ein hellblauer Ritter gezogen wurden. „Ich verschmelze [Gem-Knight Tourmaline] und [Gem-Knight Sapphire]! Erscheine, [Gem-Knight Topaz]!“ Der Sog wurde in einen Sturm umgekehrt, aus dem elegant ein neuer, goldener Ritter in blauem Umhang herabgeschwebt kam. Während Anyas Widersacher von der Druckwelle einen halben Schritt zurückgedrängt wurde, landete Topaz mit seinen beiden Blitzdolchen in den Händen vor dem Mädchen. Bestimmt richtete sie den Zeigefinger auf das gesetzte Monster ihres Gegners. „Machen wir kurzen Prozess! First Strike!“ Unmittelbar danach zischte ihr Krieger schwebend über das Gras und holte, einmal angekommen, zum Schlag aus. Der Kartenrücken der feindlichen Kreatur wirbelte um die eigene Achse – und dann geschah etwas, mit dem Anya nicht gerechnet hatte. Als Topaz nach dem noch nicht sichtbaren Monster schlug, prallte sein Angriff an einer unsichtbaren Barriere ab. Er wurde durch eine massive Druckwelle zurückgeschleudert. Jene erfasste auch Anya, blendete sie regelrecht und riss sie fort.   Entsetzliche Schmerzen. Ihr ganzer Körper schien auseinander zu reißen. Sie lag auf dem Boden, mit geschlossenen Augen. Was war gerade geschehen!? Hatte er einen Effekt ausgelöst!? Sie öffnete die schlaffen Lider und sah den Sternenhimmel. Sich leicht zur Seite drehend, konnte sie den umgestürzten Ford Escort ein paar Meter weiter sehen. Und diesen Typen! Er lag auf dem Bauch, kaum zwei Meter von ihr entfernt. In einer Blutlache! Anya streckte die zitternde Hand nach ihm aus, doch er rührte sich nicht. Sie wusste selbst nicht warum, aber sie musste ihn erreichen, irgendwie! Er war-! Ihr Arm sackte hinab. Und Dunkelheit umarmte sie.   ~-~-~   „Anya Bauer, konzentriere dich!“ „W-was!?“ Das Mädchen blinzelte verdutzt. Levrier stand mit verschränkten Armen auf der anderen Seite ihres Elysions und starrte sie abwartend an.   [Anya: 2300LP → 800LP / Levrier: 1500LP]   [Heroic Champion – Kusanagi] war längst an die Seite seines Kameraden Excalibur zurückgekehrt und bezog Stellung. „Du hättest den Effekt von [Kuriboss] nutzen sollen, um den Schaden zu reduzieren!“, tadelte ihr Freund sie, scheinbar völlig unwissend über das, was Anya gerade widerfahren war. Die fasste sich an ihre Stirn. Keine Kopfschmerzen mehr, gar keine Schmerzen -irgendwo-! Was hatte sie da gerade erlebt!? „Levrier, hast du das gesehen!?“, fragte sie für ihre Verhältnisse untypisch aufgelöst. „Ich saß plötzlich in so'ner Schrottkarre. Dann gab's 'nen Unfall und dieser Typ, der Fahrer, der hat mich blöd angemacht und-“ „Wovon sprichst du?“ Levrier schüttelte den Kopf. „Du warst die ganze Zeit hier.“ „E-es war wie ein Traum. Vielleicht hat irgendjemand versucht, in mein Elysion einzudringen!?“ „Das hätte ich bemerkt. Bei allem Respekt“, erwiderte er und schüttelte den Kopf, „deine Ausreden waren schon kreativer. Oder besser gesagt: Bisher hast du nie solche benötigt. Soll ich das als Fortschritt ansehen?“ Er glaubte ihr nicht? Ausgerechnet -er-!? Anya war sprachlos. Und das bemerkte Levrier anscheinend, denn er gab ein nachdenkliches Geräusch von sich. „War ich … wirklich nicht weg?“, fragte die Blonde nach einer Weile vorsichtig. „Nein.“ Er machte eine Pause. „Da ich offensichtlich nichts Ungewöhnliches feststellen konnte, kann ich dir auch keine Antworten geben. Womöglich hat es sich dabei um eine Vision gehandelt.“ Anya blickte nach oben, in die ewige Dunkelheit. „Meinst du, ich bin jetzt unter die Seher gegangen oder was?“ „Möglich. Willst du mir sagen, was du erlebt hast?“ In ein paar kurzen Sätzen fasste Anya ihren kurzen 'Ausflug' noch einmal zusammen. „… es hat sich angefühlt, als wäre ich gestorben. Scheiße, das ist nicht mal übertrieben …“ „Vielleicht solltest du mit Matthew Summers darüber sprechen.“ Levrier seufzte schwer. „Wir sollten dieses Duell abbrechen. Du bist offensichtlich zu aufgewühlt, um noch weiter effizient zu spielen.“ Anya nickte beklommen. „Y-yeah.“ Trotzdem zog sie noch ihre nächste, ihre einzige Karte – [Gem-Knight Turqouise]. Mit welchem sie [Gem-Knight Pearl] mit 5200 Angriffspunkten aufs Spielfeld hätte bringen können. Doch die Illusionen der beiden heroischen Krieger verschwanden bereits. Parallel dazu betrachtete auch Levrier seine Handkarte: [Heroic Challenger – Swordshield].   ~-~-~   Entgegen Levriers Vorschlag hatte Anya ihren Freunden nicht gleich zum nächstbesten Zeitpunkt von ihrem Erlebnis im Elysion erzählt. Tatsächlich hatte sie die nächsten Tage versucht, die Erinnerung so gut es ging zu verdrängen. Was ihr auch gelang, bis zu dem Moment, als sie zwischen Zanthe und Matt in einer Dreierreihe im Flugzeug saß, welches bald abheben und Richtung Ephemeria City reisen würde. Und natürlich war es Levrier, der sie unbedingt auf ihr Versäumnis hinweisen musste.   Du solltest das Ganze nicht länger hinauszögern, Anya Bauer! Die beiden haben längst bemerkt, dass etwas an dir nagt!   „Musst du wieder damit anfangen!“, fauchte das Mädchen zurück. Was ihr viele perplexe Blicke seitens der anderen Passagiere einbrachte, kam der Ausbruch schließlich aus dem Nichts. Matt zu ihrer Linken betrachtete sie ebenfalls skeptisch. „Stimmt etwas nicht?“ „Die ist doch schon seit vorgestern so komisch“, winkte der Kopftuchträger zu ihrer Rechten gleich ab. „Denk dran, der Nächste, der sie das fragt, sollte eigentlich eine Faust in den Magen bekommen.“ Anya schnaufte. „Verdammt richtig! Mir geht’s gut, klar?“ Wenn man bedachte, dass sie auch mit wenig Schlaf auskam und sowieso nichts von Blutlachen und Verkehrsunfällen hielt, stimmte das sogar. Verdammt, sie konnte sich ja kaum noch an das erinnern, was sie da gesehen hatte! „Ich meine ja bloß“, stöhnte Matt und ließ den Kopf hängen. Zanthe kicherte. „Wir wissen doch genau, was unsere kleine Schlägerbraut so sehr beschäftigt. Fängt mit L an und hört mit ogan auf. Stimmt's oder hab ich Recht?“ Eine Faust hatte er an der Wange, das hatte er! Und trotzdem blinzelte er mit fettem Grinsen unter dem Aufschrei der anderen Gäste neugierig zurück. Während Matt mäßig erfolgreich versuchte, den Anwesenden das Ganze als Neckerei unter Freunden zu verkaufen, knurrte Anya nur wie ein tollwütiger Straßenköter.   Nachdem sich daraufhin ein Mantel des Schweigens über sie gelegt hatte, welchen der Werwolf natürlich absolut nicht dulden konnte, wurde das Thema gewechselt. „Oh, ach übrigens, ich habe neulich ein Telefonat von Mr. Palmer belauscht“, gluckste er und starrte bewusst aus der Luke. Matt musste trocken auflachen. „Wenigstens hüllst du es gar nicht erst in beschönigende Worte.“ Gar nicht darauf eingehend, stupste der Werwolf seine Sitznachbarin mit dem Ellbogen an. „Rat mal, mit wem er gesprochen hat?“ Anya erwiderte genervt: „Keine Ahnung, mit Boy George? 'ne andere Erklärung habe ich für dein pubertierendes Getue grad' nicht!“ Nochmals wurde sie angestoßen und reckte diesmal fuchsteufelswild den Kopf in Zanthes Richtung, welcher diabolisch gut gelaunt grinste. „Mit deinem Vater, Dummerchen!“ Sofort riss Anya die Augen so weit es ging auf. „Was!?“ „Hat sich nach dir erkundigt und sich für dich entschuldigt.“ Zanthe kicherte verschlagen. „War ihm ultrapeinlich, was du in den wenigen Monaten seit deiner Einstellung so abgezogen hast.“ Die Kinnlade des Mädchens klappte hinunter. „A-aber ich-!?“ „Ach komm, so schlimm war es nicht“, beruhigte er sie sofort, nachdem er ihr entsetztes Gesicht sah, „aber viel mehr kam dabei wirklich nicht herum. Ich hätte ja gedacht, dass er dich wenigstens grüßen lässt.“ „Dad ist so. Hat immer viel zu tun.“ Anya winkte ab, aber der Kopftuchträger sah aus den Augenwinkeln, wie sie betrübt den Blick senkte. Matt fragte neugierig: „Du hast ihn noch nie erwähnt, jedenfalls nicht dass ich wüsste. Was macht-“ Doch als er sah, wie Zanthe ihm mit flacher Hand außerhalb von Anyas Blickfeld abwinkte, bohrte er nicht weiter nach und verstummte. Und Anya sagte auch nichts.   Als sie das Wort schließlich ergriff, ging es um etwas ganz anderes. Es sprudelte einfach so aus ihr heraus, völlig unfreiwillig und selbstredend hasste sie sich sofort dafür. „Ich hatte neulich ein ziemlich seltsames Erlebnis.“ Einmal angefangen, hatte es aber auch keinen Sinn mehr, noch einen Rückzieher zu machen. Also fasste sie sich ein Herz und berichtete ihnen von ihrer Begegnung im Elysion, oder wie auch immer man es auch bezeichnen sollte. Gleich darauf zuckte Zanthe nur ratlos mit den Schultern. Im Gegensatz dazu erklärte Matt: „Bist du dir sicher, dass es nicht nur ein Traum war?“ „Ich sagte doch, es fühlte sich nicht so an! Wenn ich jemals sterbe, dann hoffentlich nicht so!“ „Das haben Klarträume so an sich“ Der schwarzhaarige Dämonenjäger gestikulierte mit der rechten Hand vor sich hin, „das Elysion ist im Grunde genommen ein Teil deines Bewusstseins. Es ist nichts Außergewöhnliches daran, dort auch Träume zu erleben und gar zu steuern.“ Anya protestierte sofort: „Aber ich bin nicht eingeschlafen! Ich war zu dem Zeitpunkt nicht mal müde!“ „Levrier hat nichts festgestellt, sagst du. Und glaub mir, Besessenheit fühlt sich anders an.“ Da Matt ihr scheinbar nicht folgen konnte, wandte Anya sich hilfesuchend an Zanthe. Der aber zuckte mit den Schultern. „Sorry, aber von so etwas habe ich keine Ahnung.“ Zurück bei Matt funkelte sie diesen an. „Es war kein Traum. Aber auch keine Erinnerung! Ich war nie in einen Verkehrsunfall verwickelt. Aber der Typ da, der war …“ „Anya. Ich weiß, dass es schwer ist, das einzuordnen. Wir wissen zu wenig über das Elysion, um klare Aussagen zu treffen, wie es funktioniert. Es ist nahezu unmöglich, es auf bestimmte Umstände zu erforschen, wenn man jene nicht hervorrufen kann.“ Der junge Mann verzog bei Anyas fragendem Gesichtsausdruck eine Miene, verstand sie offenbar nicht, was er damit meinte. Er seufzte und sagte anschließend. „Ich denke nicht, dass du dir Sorgen machen musst.“ „'kay“, nahm jene dies schließlich so hin und sank tiefer in ihren Sitz. „Und trotzdem war's kein Traum!“ Was ihre Freunde dazu bewog, über ihren Kopf hinweg verzweifelte Blicke auszutauschen. Im Hintergrund erklang dabei die Stimme der Kapitänin des Flugzeugs. Ich begrüße Sie auf dem Flug nach Ephemeria City. Wir werden …   „... uns wiedersehen“, murmelte Anya geistesabwesend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)