Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 11: Turn 11 - None For All, All For Fun ----------------------------------------------- Turn 11 – None For All, All For Fun     Keuchend hielt sie sich die Brust und rutschte an der glitschigen Mauer hinab in die Hocke. Wusste es, dass sie hier war? Hatte sie es abgehängt? Die Stimme in ihrem Kopf war schon seit Tagen verstummt. War sie seinem allgegenwärtigen Blick tatsächlich entkommen? Doch sie wusste, dass wenn sie zu lange hier blieb, jenes Ding sie wieder finden und verführen wollen würde! Genau wie es Benny verführt hatte!   Der Frau mit dem nach hinten zu einer Welle verlaufenden, braunen Haar war übel, als sie sich ihren Pony aus der Stirn wischte. Hier unten, in der dunklen Kanalisation stank es nach Fäkalien und etwas anderem, was sie jedoch nicht zu beschreiben wusste. Es war so dunkel, dass man sehr vorsichtig sein musste, wenn man sich hier bewegte. Wie lange war sie schon hier unten? Sie wusste es nicht. Alles, was sie hatte, war die Taschenlampe und einen Rucksack mit den nötigsten Kleidungsstücken. So lebte man, wenn man auf der Flucht war. Den halben Kontinent hatte sie hinter sich zurückgelegt und noch immer war es ihr auf der Spur, spukte tagelang in ihrem Kopf und flüsterte ihr schreckliche Dinge ins Ohr. Dann war es manchmal eine ganze Woche verschwunden, doch es kehrte immer wieder zu ihr zurück. Aber was sollte man von einem Wesen wie diesem anderes erwarten? Es war ihr Blut, hinter dem es her war. Das hatte es sogar selbst behauptet.   Mit traurigem Blick holte sie aus der Hintertasche ihrer Jeans einen Kartenstapel hervor. Wenigstens das hatte sie mit sich nehmen können, um Schlimmeres zu verhindern. Zögerlich nahm sie die oberste Karte des Stapels in die Hand – das Geschenk des Dämons! Besonders diese eine Karte durfte nicht zurück in den Besitz dieses Dings geraten, oder es würde seinen abscheulichen Plan in die Tat umsetzen können. Bereitwillig hatte -es- ihr alles geschildert, über den Turm, das Datum und alles Weitere. Vermutlich hatte es nicht mit Gegenwehr gerechnet. Doch wie konnte sie sicher sein, dass ihr Bruder wieder er selbst war? Gar nicht!   Ein schabendes Geräusch ließ sie aufschrecken. Mit der Taschenlampe leuchtete sie in die Richtung, doch außer dem Fluss voller Fäkalien und ein paar Ratten war da nichts. Wie konnte dort auch etwas sein, das keinen Körper zu besitzen schien? Aber wenn es Benny doch noch kontrolliert? Sie musste hier weg. Das Risiko war einfach zu groß.   Vorsichtig erhob sich die Frau. Sie musste entkommen, irgendwie! Zumindest bis zu jenem Tag. Dem 11. November … Also rannte die Frau davon, in der Hoffnung, sich ihren Verfolger nur eingebildet zu haben.   ~-~-~   Skeptisch verschränkte Anya die Arme voreinander. Fast alle Schüler der Livington High hatten sich auf dem großen Footballfeld der Schule versammelt und lauschten den Worten des Direktors, Mr. Bitterfield, der auf einer kleinen Bühne inmitten der riesigen Schar an Schülern stand. „Werte Studenten“, sprach er in sein Mikrofon. Der kleine, rundliche Mann mit dem schütteren, schwarzen Haarkranz legte wie gewohnt einen freundlichen Tonfall an. „Wie bereits vor Monaten angekündigt, findet heute das erste Tag Duel-Tournament an unserer Schule an. Das Siegerteam wird die Möglichkeit erhalten, an den diesjährigen, nationalen Wettstreiten teilzunehmen, um sich vielleicht einen Platz in der Profiliga zu sichern.“ Die Blondine spielte gelangweilt mit ihrem Pferdeschwanz und betrachtete Abby, die direkt neben ihr stand. Sie wirkte immer noch sehr mitgenommen, innerlich wie äußerlich. Die Schwellungen waren, anders als Anyas Verletzungen, nicht abgeklungen und entstellten ihr freundliches Gesicht deutlich. Ihr trauriger Blick jedoch sprach mehr als tausend Worte. Anya wusste, dass Abby ihre Wurzeln als Sirene zu schaffen machten. „Klingt lustig, oder?“, fragte Abby mit erzwungener Heiterkeit. „Klar. Das Ding gewinne ich locker“, erwiderte Anya selbstsicher. „Willst du meine Partnerin sein? Für Tag Duelle braucht man zwei Leute.“ Abby lächelte, schüttelte gleichwohl aber den Kopf. „Danke, aber ich denke, es wäre besser, wenn ich eine Weile die Finger vom Duellieren lasse.“ „Langweilerin“, brummte Anya enttäuscht. Auch wenn sie bereits mit dieser Antwort gerechnet hatte, war es dennoch ätzend.   Derweil erklärte Mr. Bitterfield die Regeln. „Es wird nach dem KO-Prinzip verfahren. Jedes Team kann seinen Gegner frei wählen, doch wenn es verliert, ist es aus dem Rennen. Sobald nur noch zwei Teams übrig sind, wird hier das große Finale abgehalten werden. Damit ihr nicht auf die Idee kommt zu schummeln, werden wir euch über die Server der AFC, der ehrenwerten Abraham Ford Company, überwachen. Über sie stellen wir fest, wer bereits verloren hat und wer noch im Rennen ist.“   „Anya? Bist du mein Partner?“ Anya drehte sich nicht einmal zu Nick um, der hinter ihnen stand. „Keine Chance! Siehst du das da?“ Sie deutete in die Richtung des Podests auf der Bühne. Auf ihm stand ein kleiner, goldener Pokal. „Was ist das?“, fragte er verwirrt. „Das, was ich haben will. Und das krieg' ich nur mit einem -guten- Tag-Partner. Ergo bist du schon mal disqualifiziert.“ Nun wirbelte sie sich zu ihm um und machte eine verscheuchende Geste mit den Händen. „Husch, such dir jemand anderes, mit dem du verlieren kannst!“ „Anya, das ist aber nicht gerade nett“, protestierte Abby. Enttäuscht ließ Nick den Kopf hängen und sprach eine Schülergruppe an, die ihn augenblicklich mit noch böseren Worten als Anya davon jagte. „Abby“, meinte jene und sah ihre Freundin taxierend an, „nicht die vier Buchstaben in meiner Gegenwart!“   Anya war vieles. Gemein, herzlos, temperamentvoll, brutal, kreativ, ignorant, oder auch neurotisch. Aber eines, eines war sie ganz bestimmt nicht. N-e-t-t. Vor vier Jahren hatte Cynthia Tores es gewagt, Anya nett zu nennen, weil die ihr ausnahmsweise nicht das Geld für die Kantine abgeknöpft hatte. Schnell hatte Cynthia feststellen dürfen, wie lange ein Mensch die Luft doch anhalten konnte, wenn man mit dem Kopf in der Kloschüssel steckte, während ununterbrochen gespült wurde. Seitdem hatte sie ein halbes Dutzend Phobien – einige davon waren sehr unpraktisch im Alltag – und unwiderruflich das Land verlassen. Nein, Anya war nicht nett. Das passte weder zu ihrem Image, noch zu ihrer Person als Ganzes. Wer nett war, kroch anderen automatisch in den Allerwertesten – so sah Anya das. Und Analspiele waren nie ihr Ding gewesen. Demnach war sie nicht nett, würde es auch nie werden und wenn doch, würde man sie eines schönen Tages, den sich hunderte Bewohner Livingtons sehnsüchtig herbeiwünschten, von der Decke baumeln sehen. Doch den Gefallen würde sie dem Spießbürgertum ihrer Heimatstadt nicht tun. Nein, sie war nicht nett.   „Bis zehn Uhr habt ihr Zeit, ein Team aus zwei Spielern zu bilden“, erklärte Mr. Bitterfield und beendete so langsam seine Rede. „Ich hoffe, dieses Turnier wird ein Erfolg! Für euch, als auch für unsere Schule! Der Wettstreit ist eröffnet!“ Viele Schüler klatschten begeistert in die Hände. Anya war keine von ihnen. Sie war sauer, denn soeben hatte sie den Mann an der Seite des Direktors erkannt. Mr. Redfield, der Sponsor des Turniers. An den Schläfen und Koteletten war das schwarze Haar schon ergraut, doch in seinem makellosen, weißen Anzug sah der stattliche Mann trotz seines Alters sehr jung aus. „Siehst du ihn!? Da steht er und grinst in sich hinein“, ereiferte Anya sich wütend. „Ja, hat er seinem Töchterchen auch schön einen Platz ins Finale gekauft!?“ Abby schnalzte mit der Zunge. „Anya, du siehst Gespenster. Jemand wie Valerie würde sich nie auf so etwas einlassen. Als wenn sie das nötig hätte …“ „Tch, klar hat die das nötig! Aber unsere kleine Schwanenprinzessin wird sich noch wundern, wenn ich ihr erst alle Federn gerupft habe! Dann wird sie sehen, dass Daddys Geld eben nicht alles kaufen kann! Vor allem nicht Gesundheit!“ „Ich würde an deiner Stelle ja lieber einen Partner suchen, als in unnötigen Hasstiraden aufzugehen. Warum fragst du Valerie nicht, ob ihr euch zusammenschließen könnt?“ Kaum war der Satz ausgesprochen, waren Anyas Hände dem Hals von Abby gefährlich nahe. Die hob in panischer Heiserkeit die Hände. „War nur'n Witz!“ „Andere lägen jetzt längst auf dem Seziertisch“, zischte Anya ihre Freundin an. Abby nickte zustimmend und seufzte. „Ich meinte doch bloß, zusammen könntet ihr sicher gewinnen. Ihr seid beide gute Duellanten.“ Eher wurde Anya nett! Nachdenklich verschränkte Abby die Arme. „Trotzdem, schau dich mal um. Alle, die teilnehmen wollen, sind schon damit beschäftigt, sich jemanden als Partner zu suchen. Wenn du dich nicht beeilst, sind die besten schon weg.“ „Du hast recht“, sagte Anya widerwillig. „Mal sehen, wen ich zu meinem Glück zwingen könnte.“   Die Blondine spähte mit zusammengekniffenen Augen über das weite Footballfeld. Überall standen Schüler in kleinen Gruppen, unterhielten sich oder rannten von A nach B, um den passenden Partner für sich zu finden. Viele aber hatten den Sportplatz verlassen, denn nicht jeder interessierte sich für Duel Monster, schon gar nicht, wenn Nichtstun die Alternative war. Trotzdem tummelten sich bestimmt über hundert Schüler hier. Manche zog es auch zum Campusgelände, damit sie dort ungestört ihren „Geschäften“ nachgehen konnten. Wen sollte sie sich an Land ziehen, fragte Anya sich angestrengt. „Ach scheiß drauf!“ Sie wusste sowieso nicht, wie die anderen spielten, da 95% ihrer Duel Monsters-Erfahrung vom Spielen diverser Simulationsprogramme herrührten. Kurzerhand steuerte sie auf eine kleine Traube aus drei Personen zu. Es waren die blonde Willow Taub und zwei Jungs aus Anyas Eishockeymannschaft. Als Letztere bemerkten, dass Anya auf sie zusteuerte, verabschiedeten sie sich hastig von der verdutzten Willow und hauten ab. Anya, die das verärgert feststellte, baute sich vor ihrer Klassenkameradin auf wie ein Erwachsener, der sein kleines Kind ausschimpfen wollte. „Du, ich, Partner“, machte sie mit einer entsprechenden Bewegung ihres Fingers klar. „Ähähähä, hi Anya“, lachte Willow heiser und sah sich hektisch nach irgendjemandem um, der ihr helfen konnte. „Komm!“, befahl die Blauäugige schroff und packte den Lockenkopf am Arm, welcher sich aber zu ihrem Ärgernis ziemlich bockig anstellte und sich nicht mitschleifen lassen wollte. „Lass mich los“, bettelte Willow, „ich hab doch schon 'nen Partner.“ „Korrekt, Taub! Mich! Und jetzt stell dich nicht so an“, brummte Anya und zerrte hartnäckig an Willow, die all ihre Kraft aufbringen musste, um nicht ins absolute Chaos gerissen zu werden. „Nein, Johnny ist mein Partner … lässt du mich jetzt bitte los?“ Anya sah sie misstrauisch an und tat schließlich mürrisch, worum man sie gebeten hatte. Willow landete durch den Schwung auf dem Hosenboden. „Pff, dann nicht! Such ich mir eben jemand anderes. Wenn du nicht gewinnen willst, mir doch schnuppe!“ Eine Anya Bauer hatte es schließlich nicht nötig, um Almosen zu betteln!   „Willst du- Hey, warum rennst du weg!?“, rief sie wenige Minuten später Ernie Winter hinterher, als sie diesen angesprochen hatte. „Eher würde ich- Glubagrblug!“ Anya hatte -es- schon für den rothaarigen, pummeligen Willy Patrics übernommen, als sie seinen Kopf in die Toilette hielt. Was für ein Zufall, wo sie doch vorhin erst darüber nachgedacht hatte. Aber gut, so kam sie wenigstens nicht aus der Übung. Zu schade nur, dass sie für solche Spiele gerade keine Zeit hatte … „Hast Glück, Patrics, ich bin heute gnädig gestimmt.“ Und so ließ sie ihn ziehen, ohne auch nur einmal die Spülung betätigt zu haben. Dafür würde sie sich aber eine gute Ausrede einfallen lassen müssen, warum die Tür des Jungenklos neuerdings nicht mehr als ein Fußabtreter war.   „I-i-ich kann nicht dein Partner werden, ehrlich nicht!“, stammelte der pickelige Adam auf dem Gang und stieß mit einem schreckhaften Aufschrei gegen seinen Spind. „Warum nicht, Clover?“, dröhnte Anya mit unmenschlicher Stimme und war seinem Gesicht mit dem ihren so nahe, dass sie seine Angst förmlich riechen konnte. Ahhhhh, Angst! Warum gab es das nicht auch als Deo? „I-i-ich muss zu einer Beerdigung. M-m-meine Großmutter ist vor fünf Minuten gestorben. Bye!“ „Halt!“ Anya hielt dem flüchtenden Brillenträger am Kragen fest, doch der schlüpfte kurzerhand aus seinem babyblauen Poloshirt und rannte mit nacktem Oberkörper davon. Wütend starrte sie ihm hinterher, wie er von vorbeikommenden Mitschülern ausgelacht wurde, welche ihrerseits kurz darauf verstummten und auf dem Absatz Kehrt machten, als sie Anya bemerkten. „Wieso will keiner mein Partner sein!?“, schnaubte die und warf Adams Überbleibsel in den Papierkorb neben sich.   Dir fehlen eben die vier Buchstaben.   „Verdammt richtig! Und darauf bin ich stolz!“   Dann sei eine stolze Zuschauerin und sieh zu, wie Valerie Redfield das Turnier gewinnt.   Anya ballte ihre Fäuste so sehr, dass die Haut über ihren Knöcheln aussah, als würde sie jeden Moment reißen. Wütend schlug sie gegen Adams Spind, dessen Tür unter dem Druck aufsprang. „Das werde ich nicht zulassen! Irgendwen muss es doch geben, der mit mir ein Team bilden will!“   Vollkommen richtig. Und er steht direkt hinter dir.   Im selben Augenblick spürte Anya eine Hand auf ihrer Schulter, was sofort einen Faustschlag ins Gesicht und einen schmerzerfüllten Schrei nach sich zog. Als Anya sah, wer dort vor ihr am Boden lag, verloren ihre Züge an Härte. Stattdessen stand ihr das pure Selbstmitleid im Gesicht. „Das kann unmöglich dein Ernst sein, Levrier!“ „Hi Anya! Willst du mit mir ein Team bilden?“, fragte Nick und hielt sich die blutende Oberlippe grinsend. „Bitte sag ja!“   In Not darf man nicht wählerisch sein, Anya Bauer.   „Hast du keinen anderen Dummen gefunden!?“, herrschte Anya ihren Freund an. Der erhob sich und zuckte mit den Schultern. „Nö. Ich hab gewartet, dass du es dir anders überlegst, hehe.“ Anya schlug die Hand vor den Kopf. Ihr Blick fiel dabei auf die Uhr, welche über einem der Klassenzimmer nicht weit von ihnen hing. Es war bereits dreiviertel Zehn.   Sieh es ein, die meisten haben ihren Partner schon gefunden. Die guten Spieler sind mit Gewissheit längst vergeben und die wenigen, die jetzt noch übrig sind, sind für deine Ansprüche entweder zu schlecht oder zu ängstlich.   „Soll das heißen, ich hab die Arschkarte gezogen!?“   Ja. Aber schon lange, bevor dieses Turnier überhaupt begonnen hat …   Anya rümpfte die Nase, denn Levriers Spitze ignorierte sie natürlich gekonnt – weil sie sie gar nicht erst als solche erkannt hatte. Dann warf sie einen Blick auf Nick, der mit seinen Augenbrauen zwinkerte. War es -das- wert? Anya wollte den beknackten Pokal und Valerie aus dem Turnier schmeißen, aber mit einem Partner wie Nick stand es 1 gegen 3. Valerie zerstören … Nick nicht ertragen zu müssen … was war besser? „Ach scheiß drauf, diese Knalltüten feg' ich auch alleine vom Feld! Komm mit, wir müssen zum Footballfeld, bevor die Frist verstrichen ist!“ „Hurra- Umpf!“ Nick war aufgesprungen und keinen Herzschlag später gegen die Tür von Adams Spind gelaufen, als er Anya folgen wollte. Sie würde ihn umbringen, sobald das Turnier gelaufen war, schwor die Blondine sich grimmig. Völlig unabhängig vom Ergebnis!   ~-~-~   „Insgesamt haben wir also 42 Teams!“, verlautete der Direktor auf seiner Tribüne, während besagte Paare in sechs Reihen, bestehend aus je sieben Mannschaften, vor ihm standen und sehnsüchtig den Pokal anstarrten, den Mr. Redfield stolz präsentierte. Giftig schielte Anya über die Schulter. Wo war Valerie? Die würde sie gleich zu Beginn vom Platz jagen! Aber in der hintersten Reihe fehlte ein Team und sie war nirgendwo zu sehen? Nahm sie überhaupt teil oder war es etwa unter ihrer Würde, sich hier zu zeigen? „Wo ist die dumme Kuh?“, zischte Anya Nick an. „Neben mir.“ Anya kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. „Ich hoffe, du hast damit das Team neben dir gemeint, denn wenn nicht, wirst du dein Leben lang aus der Schnabeltasse trinken müssen, 'kay!?“ Nick grinste nur unbekümmert.   „Der Kampf um den Pokal ist hiermit eröffnet!“, rief Mr. Bitterfield euphorisch in sein Mikrophon. Die Reihen der Teams lösten sich langsam auf, einige begannen sofort auf dem Footballfeld mit ihren Duellen, andere trotteten zurück zum Campusgelände, um dort zu kämpfen, ohne von allen dabei beobachtet zu werden. „Komm, wir gehen Redfield suchen!“, befahl Anya. Zusammen rannten sie über den großen Sportplatz, vorbei an den Hallen, hinüber zum Campusgelände. Als sie dieses erreicht hatten und an der Kantine neben dem großem Backsteingebäude der Oberstufe vorbeikamen, stellten sich ihnen zwei hagere Jugendliche in den Weg. „Wir wollen ein Duell!“, verlangte einer von ihnen übermütig. Sommersprossen zierten sein blasses Gesicht, während sein Partner einen halben Kopf größer war und eine unansehnliche Zahnspange trug, während er heftig nickte. Beide stammten aus der Unterstufe. „Aus dem Weg, ihr Schlümpfe“, knurrte Anya. „Erst wenn wir uns duelliert haben!“   Das Mädchen runzelte die Stirn. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich vor dem Finale nur mit Valerie zu duellieren. So konnte sie das Miststück aus dem Turnier kicken und danach eine ruhige Kugel schieben, während die anderen Teams sich gegenseitig das Leben schwer machten. Anschließend, wenn nur noch eines übrig war, musste sie dieses nur noch besiegen und hatte den verdammten Pokal sicher. Andererseits, wer sich ihr so dummdreist in den Weg stellte, hatte nur eines verdient. Absolute Vernichtung!   „Nick, die machen wir alle!“ „Okay, Boss!“, gluckste der und salutierte.   „NICK!“, schrie Anya, als ihr Freund zwei Züge später von dem Zweiergespann besiegt worden war. „Was habe ich dir über Zauber- und Fallenkarten beigebracht!?“ „Nichts?“ Anya schlug die Hand vor den Kopf. War der Idiot farbenblind? Dauernd setzte er die falschen Karten und aktivierte sie, ohne darüber nachzudenken! Und jetzt stand sie dem [Neo-Parshath, The Sky Paladin] und [Master Hyperion] ihrer Gegner alleine gegenüber. Doch sie hatte bereits einen Plan …   „NICK!“, brüllte Anya förmlich, als Willow Taub und Johnny Bremer sie mitten auf dem Gang gestellt hatten, der heute bereits dem pickeligen Adam zum Verhängnis geworden war, nachdem er eine spontane Stripeinlage hingelegt hatte. „Wenn du schon defensiv spielen willst, dann spiele deine Karten richtig aus!“ „Hehe, sorry!“ Wieder hatten ihre Gegner es geschafft, diesen Volltrottel aus dem Spiel zu schlagen. Nun musste sie zusehen, wie sie [Machina Fortress] und [Vision HERO Trinity] aus dem Weg räumen konnte. Aber ihr würde schon etwas einfallen …   „NICK!“ Noch ein wenig mehr, und Anyas Augäpfel sprangen aus ihren Höhlen. Sie befanden sich mitten auf dem Rasen, den Anya mit ihren von Levrier erhaltenen Kräften ruiniert hatte. Den Schaden hatte man größtenteils behoben, doch deutlich sah man die Stellen in der Erde, die durch den plötzlichen Ausbruch aufgerissen worden waren. Und nun wusste Anya auch wieder, warum sie Nick noch nicht verziehen hatte. Dieser hirnamputierte Schwachmat war doch tatsächlich in eine gegnerische [Mirror Force] gerannt! Jeden Augenblick würde sie wieder alleine gegen zwei Gegner antreten müssen! In diesem Fall waren das die schwarzhaarige Lily McDonald, die ihre Frisur hochgesteckt hatte, und Thomas Dermott, ein durchtrainierter, arroganter Glatzkopf und Anyas Eishockey-Kamerad. „Ich werde das schon schaukeln“, brummte Anya und wurde sich schmerzhaft bewusst, wie schwer ein Duell 1 gegen 3 doch sein konnte …   ~-~-~   „Tch!“ Anya verschränkte wütend die Arme. Ganze fünf Mannschaften hatten versucht, sich mit ihr zu messen, alle waren gescheitert! Nun wartete sie hier zusammen mit Nick auf dem Footballfeld. Fast alle Teams waren mittlerweile aus dem Turnier geflogen. Die Rasenfläche war wie ausgestorben, da sich die ausgeschiedenen Teilnehmer bereits bei der Zuschauertribüne am Rande des Spielfeldes eingefunden hatten.   „Noch drei Teams“, verkündete der Direktor, während er auf dem Laptop starrte, welcher auf einem Tisch mit weißer Decke stand. An jenem saßen nun er, Mr. Redfield und eine rothaarige, Brille tragende Journalistin der lokalen Zeitung. Zusammen thronten sie auf der Bühne und warteten das Ergebnis des vorletzten Duells dieses Turniers ab. Schließlich rief Mr. Bitterfield euphorisch: „Und das sind sie, die zweiten Finalteilnehmer! Valerie Redfield und Marc Butcher!“ Anya glaubte, sich verhört zu haben. „Valerie!? Marc!? In einem Team!?“ Kein Wunder, dass sie dieses Miststück nirgendwo angetroffen hat! Während andere sich mühevoll, wirklich mühevoll, durch das Turnier gequält haben, hatte -die- sich einfach zurückgezogen und mit Marc vergnügt – ihrem Marc! „Mit einer sagenhaften Zahl von vierzehn Siegen!“, fügte der Direktor noch überschwänglich hinzu. In Anya war gleichzeitig etwas gestorben. Und zwar ihr Wille, das Versprechen gegenüber Marc zu halten. „Das wird schwer“, hörte sie jemanden hinter sich besorgt sagen. Nick und Anya drehten sich um und sahen, wie Abby nachdenklich den Zeigefinger aufs Kinn legte. „Vierzehn Siege? Das ist ja ein Drittel aller Teilnehmer.“ „Und wo ist das andere Drittel?“, fragte Nick ahnungslos. Anya hingegen war zu geschockt, um etwas darauf zu erwidert. Hatte diese widerliche, hochnäsige, selbstverliebte, beschissene, hohle Nuss Valerie doch tatsächlich -mehr- Siege einkassiert als sie! „Das ist alles deine Schuld!“, beklagte sie sich bei Nick. Aber was noch viel schlimmer war: Marc war Valeries Partner, sprich ihr Gegner. Sie konnte doch nicht gegen Marc kämpfen, ihren Marc!   Hin und her gerissen überlegte Anya, was sie tun sollte. Derweil schritten ihre Gegner über das Footballfeld zu ihnen. „Hi, Valerie!“, begrüßte Abby sie fröhlich. Doch ganz zu ihrem Entsetzen erwiderte die sonst so freundliche Schwarzhaarige nichts, sondern ignorierte die Dreiergruppe einfach, als sie zusammen mit Marc an ihnen vorbeiging. Dabei hielt sie den Kopf gesenkt, wobei der traurige Ausdruck in ihren Augen nicht zu übersehen war. „Hi, Marc!“, strahlte Anya und stockte. Nicht nur, dass sie eiskalt ignoriert wurde … er war auch noch verletzt! Um seinen rechten Arm war ein Verband geschlungen, der von der Handfläche bis zum Ellbogen ging. „Oh mein Gott, er muss sich beim Training verletzt haben!“, kreischte Anya hysterisch und zeigte auf ihren Schwarm. Und erschrak, als er ihr einen wütenden Blick zuwarf, nur um dann weiterzugehen. „Was ist denn in den gefahren?“, fragte Abby verdutzt. „So unfreundlich war er ja noch nie. Und Valerie auch nicht.“ „Nur ein Grund mehr, dieses Komsumpüppchen zum Mond zu schießen! Und glaub mir, Abby, genau das werde ich auch tun! Selbst wenn Marc dafür eine Niederlage kassieren muss!“ Bestimmt war sie der Grund, warum er so übel gelaunt war!   ~-~-~   Nach dem Aufruf des Direktors hatten sich auch die restlichen Schüler wieder auf der Veranstaltungsfläche des Finales eingefunden. Es fand nahe der Tribünen statt, von denen man auch den Footballspielen zuschauen konnte. Abby saß auf einer der Holzbänke, die schrittweise immer höher angesiedelt waren und seufzte. Ihre beiden Freunde standen Valerie und Marc dort unten gegenüber, während Mr. Bitterfield ein paar letzte Worte von seiner aufgebauten Bühne aus sagte.   „Nun stehen sich die vier besten Duellanten unserer Schule gegenüber“, sprach er feierlich. „Wie schon zuvor angekündigt, erhalten die Sieger diesen wunderschönen Pokal …“ Welcher von Mr. Redfield mit besorgter Miene präsentiert wurde. Auch ihm war aufgefallen, dass Valerie niedergeschlagen schien. „… und die Möglichkeit, an den diesjährigen Nationals unseres schönen Bundesstaats teilzunehmen. Wer sich dort als siegreich erweist, wird an der amerikanischen Meisterschaft der Beginner's League teilnehmen dürfen und auf einen Platz in der Profiliga hoffen!“   Er zeigte nun mit ausgebreiteter Hand auf Marc und Valerie, wobei besonders Letztere sehr angespannt wirkte und ruckartig eine gerade Haltung annahm. Sie hielt die Arme hinter dem Rücken verschränkt und sah ihren Gegnern nicht in die Augen. „Mit einer unglaublichen Anzahl von vierzehn Siegen treten Valerie Redfield, die Tochter unseres geliebten Bürgermeisters, und unser Star-Quarterback Marc Butcher …“ Nun deutete der Direkter mit einem abfälligen Nicken in Anyas Richtung „… gegen Anya Bauer und Rick Harbour an.“ „Ich heiße doch Nick! Oder nicht … ?“, begehrte der langgewachsene junge Mann dort unten verwirrt auf. „Ja, ja, ja“, winkte der Direktor desinteressiert ab. „Wir hoffen, dass diese großartige Veranstaltung mit einem würdigen Duell beendet wird! Lasst das Finale beginnen!“   Beide Parteien ließen ihre Duel Disks ausfahren. Von den Rängen tönte dröhnender Jubel, aber auch Buhrufe auf das Feld. Letztere galten Anya und Nick, die teilweise unschöne Anschuldigungen und Schimpfwörter an den Kopf geworfen bekamen, während Valerie und Marc kräftig unterstützt wurden. Abby seufzte. Fair war das nicht, denn sie hatte Anya beobachtet und gesehen, wie gut sie trotz Nicks Fehler gespielt hatte. Aber so waren die Leute eben. Und irgendwo war Anya auch selbst schuld daran. Aber wenigstens stellte Anya sich diesen Duellen, dachte Abby dabei traurig, während sie selbst zu feige war, an dem Turnier teilzunehmen …   Derweil knirschte die Blondine wütend mit den Zähnen bei Valeries Anblick. Dass sie ausgebuht wurde, machte Anya nichts aus. Ihr Ziel bestand einzig und allein darin, dieses Mädchen mit einer Glanzleistung vom Platz zu fegen, die diese Schule so noch nie erlebt hatte! „Wir schaffen das, Nick! Und denk an das, was ich dir beigebracht habe!“ „Aber du hast mir doch nichts beigebracht!“, widersprach Nick panisch. „Dann denk an die Schmerzen, die ich dir beigebracht habe! Und setz' das einfach als Duellstrategie um, 'kay!?“ „Okay. Du bist der Boss …“, meinte er unbekümmert und zuckte mit den Schultern. Letztlich riefen beide Parteien: „Duell!“   [Anya: 4000LP Nick: 4000LP //// Valerie: 4000LP Marc: 4000LP]   „Ich beginne“, sprach Marc mit solcher Entschiedenheit, dass es einen Moment ganz still war. Dann jubelten die Leute lauthals, während Anya nur eifrig nickte. Nachdem er sein Blatt um eine sechste Karte bereichert hatte, sprach er mit seiner tiefen Stimme: „Ich setzte eine Karte verdeckt!“ Sie erschien vor seinen Füßen. „Dann aktiviere ich [Card Destruction]! Damit müssen ich und ein weiterer, von mir gewählter Spieler, alle Handkarten abwerfen, um dann dieselbe Anzahl neu aufzuziehen! Anya, ich wähle dich!“ „Alles, was du willst“, hauchte die zärtlich mit verträumten Blick. Vor beiden erschienen die Abbilder ihrer Karten, die auf den Friedhof geschickt werden sollten. Wissbegierig sog Anya jede Information über Marcs Deck in sich auf. „[Laval Volcano Handmaiden], [Laval Miller], [Laval Forest Sprite] und [Laval Lancelord] … so cool …“ Dabei weinte sie nicht einmal ihrer guten Starthand hinterher, sondern zog einfach fünf neue Karten, während es bei Marc nur vier waren. Dieser erklärte in strengem Tonfall: „Wenn [Laval Volcano Handmaiden] auf den Friedhof gelegt wird, während sich andere Laval-Monster dort befinden, kann ich ein Laval-Monster von meinem Deck auf den Friedhof legen. Das wird eine weitere Handmaiden sein.“ Vor Marc erschien eine durchsichtige Gestalt, ein junges Mädchen mit Haar aus purer Lava. Sie kicherte hochnäsig und verwandelte sich dann in glühende Feuerfunken. „Da nun wieder eine Handmaiden auf den Friedhof gelegt wurde, kann ich noch eine Karte ablegen. Abermals eine Handmaiden.“ Dasselbe Mädchen tauchte noch einmal vor ihm auf, nur wieder zu verschwinden. „Durch sie schicke ich nun [Laval Warrior] auf den Friedhof.“ Und während er das tat, seufzte Anya theatralisch. Wie gut er doch spielte. In einem Zug so viele Monster auf den Ablagestapel geschickt zu haben, das war … was zur Hölle war das eigentlich? Anya stutzte. Aber Marc wusste schon, was er da tat. Jener sprach unterkühlt: „Ich setze eine weitere Karte verdeckt und beende. Hey du, Rick, oder wie du heißt, es ist dein Zug!“   Nick winkte aber nur aufgeregt Abby zu, die ihrerseits beide Daumen nach oben hielt, um ihm Mut zu machen. Hätte sie ihm doch lieber ein Schmerzmittel gegeben, könnte so mancher gedacht haben, als Anya ihm anschließend ihren Ellbogen zielsicher in die Rippen rammte. „Schlaf nicht rum! Marc hat gesagt, dass du dran bist! Und wehe, du machst irgendeinen dummen Fehler! Ich will nicht, dass du mich vor ihm blamierst, 'kay!?“ „Na logo, der Nickinator macht nie Fehler!“ Voller Elan zog Nick eine Karte. „Ich beschwöre [Wind-Up Juggler] und greife Valerie direkt an!“ Mit ausgeschwenktem Arm zeigte er seinem vor ihm auftauchenden Spielzeugjongleur, der in seiner abstrakten Form einer humanoiden Katze mit Sprungfeder als Unterkörper ziemlich ähnlich sah, das Ziel der Attacke. Wind-Up Juggler [ATK/1700 DEF/1000 (4)]   Doch statt Nicks Befehl zu folgen, verharrte das Wesen seelenruhig und begeisterte das Publikum mehr oder weniger – eher weniger – mit seinen Jonglierkünsten. Anya klatschte sich die Hand vor den Kopf. Es war ja löblich, dass Nick ihr helfen wollte, Valerie fertig zu machen, aber bei solcher Hilfe wäre er auf deren Spielfeldseite besser aufgehoben. „Nick“, presste sie, bemüht die Fassung zu wahren, sauer hervor, „man kann in einem Tag Duell nicht während seines ersten Zuges angreifen! Erst ab Marcs nächstem Zug dürfen wir das!“ „Oh! Das war ja auch mein Plan!“ Anya blinzelte verdutzt. „Huh?“ „Na meine Gegner zu verwirren! Jetzt denken sie, dass ich gar keine Ahnung habe!“ Stolz wie Oscar plusterte sich Nick mit geschwollener Brust auf und erwartete Lob. Er bekam aber nur einen Tritt gegen sein Schienbein. „AU!“ „Du hast doch auch gar keine Ahnung, du Volltrottel! Gott, wieso ich!?“, beschwerte sich Anya mit einem vielsagenden Blick gen Himmel. Der in seinem trübsten Grau aber schwieg, als wolle er sich über die Blondine lustig machen. „Och … na dann beende ich meinen Zug“, kündigte Nick an. „WAS!? Willst du nicht wenigstens 'ne Karte setzen!?“ „Wieso? Die darf man doch dann auch erst später akti-“ Mit einem Schlag gegen den Hinterkopf hatte Anya Nick ins Gras gepfeffert und trat auf seinen Rücken. Sie war außer sich vor Wut und wenn Mr. Bitterfield sie nicht lauthals ermahnt hätte, wäre Nick wohl als Märtyrer aller Minderbemittelten in die Geschichte Livingtons eingegangen. So aber konnte er wacklig wieder aufstehen. „Sorry!“ „Ich bin dann wohl am Zug?“, fragte Valerie unmotiviert und zog. „[Gishki Chain].“ Aus einer Wasserlache schoss ein amphibischer Krieger, der seine Kette schwang und auf Valeries Duel Disk losließ. Sie versank in ihrem Deck und zog die Abbilder dreier Karten daraus hervor, die sich vor dem Mädchen ausbreiteten.   Gishki Chain [ATK/1800 DEF/1000 (4)] „Wenn [Gishki Chain] beschworen wird, sehe ich meine obersten drei Deckkarten an und nehme daraus entweder ein Gishki-Ritualmonster oder eine Ritualzauberkarte auf meine Hand, sollte denn eine darunter sein.“ Vor Valerie schwebten [Evigishki Tetrogre], [Monster Reborn] und [Salvage]. Sie nahm das Ritualmonster Tetrogre zwischen ihre Finger und fügte es ihrem Blatt hinzu. Die anderen beiden Karten legte sie in der von ihr bestimmten Reihenfolge aufs Deck zurück. „Ich setze zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug.“ Vor ihren Füßen erschienen sie, doch Anya achtete gar nicht darauf. Da stimmte doch irgendetwas nicht! Wieso war Valerie so teilnahmslos? Als würde sie gar nicht kämpfen wollen? Die Blondine runzelte die Stirn und betrachtete ihr Blatt. Jenes war nicht ganz so gut wie das verlorene, doch ausreichend. Schließlich rief sie ehrgeizig: „Draw!“ Dieser verdammte Pokal würde ihr gehören, so viel war sicher! Und wenn diese dumme Pute nicht darum kämpfen wollte, umso besser! „Ich aktiviere aus meinem Friedhof heraus [Gem-Knight Fusion]! Die wurde durch“, ihre Stimme gewann etwas Schwärmerisches, „Marcs [Card Destruction]“, und wurde augenblicklich wieder fest, „auf den Friedhof geschickt! Ich verbanne also [Gem-Knight Amber], um sie auf meine Hand zurück zu erhalten!“ Mit zufriedenem, schadenfrohem Grinsen hielt sie die Zauberkarte in die Luft. „Und ich benutze sie, um [Gem-Knight Tourmaline] und [Gem-Knight Garnet] zu verschmelzen! [Gem-Knight Tourmaline], du bist das Element, [Gem-Knight Garnet], du der Ursprung! Vereinigt eure Kräfte und werdet zu [Gem-Knight Prismaura]!“ In einem Wirbel voller Edelsteine verschwanden die Abbilder ihrer Karten und erzeugten einen Lichtblitz, aus dem ein anmutiger Krieger trat. Mit Lanze und Schild in den Händen stand er vor Anya, während aus seiner Rüstung durchsichtige Kristalle wuchsen.   Gem-Knight Prismaura [ATK/2450 DEF/1400 (7)]   Anya griff nach ihrem Friedhofsschlitz, aus dem ihre [Gem-Knight Fusion] hervortrat. „Ich verbanne jetzt Tourmaline, um [Gem-Knight Fusion] auf meine Hand zu erhalten. Aber da bleibt sie ganze zwei Sekunden, denn ich werfe sie für Prismauras Effekt ab, damit ich [Gishki Chain] zerstören kann!“ Ihr Krieger schoss aus seiner Lanze einen grellen Energiestrahl ab, der Valeries Fischmann in einer tosenden Explosion vernichtete. Anya nahm aus ihrem Blatt eine Karte und schob sie in ihre Duel Disk. „Diese hier verdeckt! Damit beende ich meinen Zug!“ Das klappte doch prima! Nächste Runde würde sie angreifen können, und dann war Valerie fällig!   Wortlos, aber mit finsterem Blick, zog Marc seine nächste Karte und steckte sie in sein Blatt. „Wir sollten Anyas Falle loswerden, oder?“ Er antwortete nicht, reagierte gar nicht auf Valeries Worte. Deswegen schwang die ihren Arm aus: „Verdeckte Schnellzauberkarte! [Mystical Space Typhoon]! Damit-“ Doch plötzlich brüllte Marc: „Misch dich gefälligst nicht ein! Ich brauche deine verdammte Hilfe nicht! Von meiner Hand der Schnellzauber [Mystical Space Typhoon]!“ „Entschuldige …“, meinte Valerie wie ein geschlagener Hund mit schwacher Stimme und wich seinem vernichtenden Blick aus. Dabei hatte sie Glück, dass ihre Karte noch nicht aufgesprungen, ergo offiziell aktiviert worden war. Derweil trat aus Marcs Zauberkarte ein Wirbelsturm, der Anyas Falle [Negate Attack] mit sich riss und dann im Nirgendwo wieder verschwand. Doch die konnte gar nicht fassen, wie Marc soeben mit Valerie geredet hatte. Das war … das war … genial! „Ja, mach sie zur Schnecke!“, jubelte Anya außer sich vor Freude. „Halt den Mund, ich muss nachdenken!“, schnauzte Marc das Mädchen daraufhin derart abweisend an, dass jenes zusammenzuckte. „Was ist denn mit ihm los?“, flüsterte sie fassungslos Nick zu. Der schüttelte nur den Kopf. Verdutzt betrachtete Anya ihren Teamkollegen. Täuschte sie sich, oder hatte sich etwas in Nicks Blick verändert? Sah er tatsächlich … besorgt, gar verärgert aus? Nein … das musste Einbildung sein! Solche Gefühle kannte Nick doch gar nicht!   „Da genug Laval-Monster mit verschiedenen Namen auf meinem Friedhof liegen“, sprach Marc nun wieder konzentriert, aber dennoch unterkühlt, „rufe ich diese zwei Monster von meiner Hand als Spezialbeschwörung durch ihre Effekte: [Laval Coatl] und [Laval Burner]!“ Um Marcs Kopf schwirrte plötzlich ein gelbroter Babyflugsaurier, während vor ihm ein Steintitan aus dem Boden wuchs. Wild lag ihm das rote Haar weit bis zur Hüfte, während seine steinernen Fäuste in Flammen aufgingen. Laval Coatl [ATK/1300 DEF/700 (2)] Laval Burner [ATK/2100 DEF/1000 (5)]   Dann deutete Marc auf seine linke verdeckte Karte, die sofort aufsprang und sich als Schnellzauber entpuppte. „[Searing Fire Wall]! Damit verbanne ich eine beliebige Anzahl an Laval-Monstern von meinem Friedhof, um dann dieselbe Anzahl an Spielmarken zu beschwören!“ Er steckte sich [Laval Miller] und [Laval Forest Sprite] in die Hosentasche, während vor ihm zwei kleine Flammen mit Gesichtern emporschossen.   Laval-Token x2 [ATK/0 DEF/0 (1)]   Anya musste schlucken. Warum beschwor Marc so viele Monster? Das konnte doch nur bedeuten, dass er einen Großangriff plante! Skeptisch warf sie einen Blick zu Nick herüber, der jenen mit ausdrucksloser Miene erwiderte. Was war los mit dem Kerl? Die ganze Zeit war er bester Laune gewesen. Das Mädchen machte sich aber viel eher Sorgen um seinen Stand im Duell. Als schwächstes Glied würde Marc ihn sicherlich als Ersten besiegen wollen. Und Anya wusste, dass selbst sie gegen Marc -und- Valerie kaum Land sehen würde. „Ich opfere nun diese beiden Spielmarken für eine Tributbeschwörung. Erscheine, [Laval Judgment Lord]!“ Neben seinem Titanen erschien ein furchteinflößender Krieger, der eine Panzerung aus Stahl trug. Sein Waffenrock war von rotem, flatternden Stoff bedeckt, welcher ebenfalls von seiner Schulter in Form eines Umhangs flatterte. Die linke Hand des Kämpfers entflammte schließlich.   Laval Judgment Lord [ATK/2700 DEF/1800 (7)]   „Ich wusste es“, zischte Anya sauer. Nick würde unweigerlich fallen, nachdem sie ihn nicht mehr mit ihrer Falle beschützen konnte, da Marc jene zerstört hatte! Warum hatte immer sie so ein verdammtes Pech!? „Verdeckte Falle aktivieren!“, rief Marc und ließ sie aufsehen. „[Return From The Different Dimension]! Für die Hälfte meiner Lebenspunkte kehren für einen Zug alle meine aus dem Spiel verbannten Monster auf das Feld zurück!“   [Anya: 4000LP Nick: 4000LP //// Valerie: 4000LP Marc: 4000LP → 2000LP]   Ein Dimensionsspalt machte sich weit über ihm auf. Aus diesem sprangen eine kleine Koboldin, gekleidet in einem roten Cape und ein Ork aus Stein hervor, welcher ein abgebrochenes Mühlrad in den Händen hielt.   Laval Forest Sprite [ATK/300 DEF/200 (2)] Laval Miller [ATK/300 DEF/400 (3)]   Ungläubig runzelte Anya die Stirn. Nun hatte Marc seine gesamte Monsterkartenzone gefüllt. Zwar erfüllte sie das mit großer Ehrfurcht, doch verunsicherte es sie gleichermaßen. Sie hatte nicht gewusst, dass Marc so ein guter Spieler war. Und scheinbar war er immer noch nicht fertig mit seinem Zug. „Ich stimme jetzt meinen Stufe 2 [Laval Coatl] und meinen Stufe 5 [Laval Burner] aufeinander ab! Melting bodys form a path to damnation! The wicked soul lusts for even greater power! Synchro Summon! Burn, [Laval Stennon]!“ Der Babyflugsaurier verwandelte sich in zwei grüne Ringe, durch welche [Laval Burner] flog und infolge dessen zu einem grünen Lichtstrahl wurde. Kurz darauf landete ein gewaltiger Titan aus blassem, blauem Gestein vor Marc. Um Arme, Hüften und Schultern lagen goldene Ringe, aus seinem Leib heraus traten Dreiecke aus Stahl. Eines von ihnen, welches direkt aus Stennons Brust wuchs, wies ein Paar leuchtender, gelber Augen auf.   Laval Stennon [ATK/2700 DEF/1800 (7)]   Anya indes schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Marcs Wille zum Sieg war selbst ihr unheimlich, obwohl sie selber um jeden Preis gewinnen wollte. Doch nun war sie sich nicht mehr so sicher, ob es ein alberner Pokal und die Aussicht, eventuell in die Proliga aufzusteigen, es wert waren, wenn man so verbissen darum kämpfte wie Marc. Sie revidierte den Gedanken jedoch schnell wieder – natürlich war es das wert! Derweil erklärte ihr Gegner gereizt: „Wenn Stennon beschworen wird, muss ich eine Karte abwerfen, doch ich besitze keine. Und nun stimme ich …“ „Was!? Gleich nochmal!?“, erschrak Anya und beobachtete, wie Marcs Müller und der Waldkoboldin in die Höhe stiegen. „… meine Stufe 2 [Laval Forest Sprite] auf meinen Stufe 3 [Laval Miller] ab! From the blazing shores to the roaring volcanos, the spirit of fire rules the rotten land! From the sparking flames of hatred, the divine dragon is born! Synchro Summon! Take flight, [Lavalval Dragon]!“ Wie zuvor Coatl zersprang Marc brennende Kobolddame in zwei grüne Ringe, welche von dem Müller mit seinem Mühlrad in der Hand durchquert worden. Ein Lichtblitz blendete die Anwesenden, bevor unter lautem Gebrüll ein Drache um das gesamte Footballfeld flog, ehe er vor Marc in der Luft Halt machte und anmutig landete. Sein dunkler Körper bestand vollkommen aus gekühltem Magma, sodass einige Ritzen zwischen seinen steinernen Schwingen und dem langen Schweif noch immer rot aufglühten.   Lavalval Dragon [ATK/2000 DEF/1100 (5)]   „Monstereffekt! Wenn [Laval Forest Sprite] vom Spielfeld auf den Friedhof gelegt wird, erhalten alle Laval-Monster bis zum Ende des Zuges 200 ATK für jeden ihrer Artgenossen auf dem Ablagestapel.“ Marc lächelte finster und sprach mit gefährlicher Schärfe: „Und ich zähle dort neun Stück!“ Anya stockte der Atem, als um Marcs drei ohnehin schon sehr starke Monster tosende Flammen schlugen. Es war, als stünde seine ganze Seite des Feldes in Brand.   Laval Judgment Lord [ATK/2700 → 4500 DEF/1800 (7)] Laval Stennon [ATK/2700 → 4500 DEF/1800 (7)] Lavalval Dragon [ATK/2000 → 3800 DEF/1100 (5)]   Fassungslos starrte Anya in das Inferno. Marc war durch die Flammen kaum mehr zu sehen, Valerie, die sich die ganze Zeit über nicht mehr eingemischt hatte, ebenso wenig. „Damit kann er nicht nur einen von uns vernichten … sondern dem anderen noch über die Hälfte seiner Lebenspunkte nehmen. Wir sind aufgeschmissen“, brachte sie wie in Trance hervor. Vielleicht lag es daran, dass es Marc war, der ihr so zusetzen wollte. Doch Anya hatte sich noch nie so hilflos in einem Duell gefühlt. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen, als Marc rief: „Ich aktiviere den Effekt von [Lavalval Dragon]! Und das gleich zweimal hintereinander! Indem ich jedes Mal zwei, also insgesamt vier, Laval-Monster von meinem Friedhof in mein Deck mische, kann ich so pro Aktivierung eine Karte meines Gegners auf die Hand geben. Damit sind eure Monster fort und können euch nicht länger schützen!“ Er zeigte die drei [Laval Volcano Handmaidens] und [Laval Warrior] vor und mischte sie in sein Deck zurück. Während Anyas [Gem-Knight Prismaura] sich einfach auflöste und ins Extradeck zurückkehrte, nahm Nick wortlos [Wind-Up Juggler] zurück auf die Hand, welcher daraufhin ebenfalls verschwand. Die Felder der beiden Duellanten waren nun komplett geräumt, innerhalb eines Zuges.   „Unfassbar! Das ist The Butcher!“, kommentierte Mr. Bitterfield das Ganze begeistert. „Wer hätte schon erwartet, dass er als Duellant genauso geschickt ist wie als Sportler!?“ Tosender Applaus von der Zuschauertribüne drang zu den Teams, während Anya realisierte, dass sie und Nick nun endgültig verloren hatten. Allein die Angriffe von Marcs Superkriegern reichten schon aus, um das Spiel für sich zu entscheiden. „[Lavalval Dragon], greife Valerie direkt an! [Laval Judgment Lord], du übernimmst Anya, während [Laval Stennon] Ricks Lebenspunkte auslöscht! LOS!“ Marcs Monster schwärmten aus. Der brennende Magmadrache stieg in die Lüfte, drehte eine große Runde über den Sportplatz und stürzte dann mit furchteinflößendem Tempo auf Valerie hinab. Die konnte gar nicht fassen, dass sich ihr eigener Partner gegen sie gestellt hatte und hielt nur die Arme zum Schutz in die Höhe, als der Drache Feuer spie. Sie wusste, dass ihre verdeckten Karten [Mystical Space Typhoon] und [Poseidon Wave] sie nicht beschützen konnten und schloss die Augen. Gleichzeitig stampfte der große Krieger im roten Umhang auf Anya zu und verpasste ihr einen Fausthieb, während Stennon aus der Kanone an seinem Arm eine gewaltige Lavakugel auf Nick abschoss. Drei Schreie erfüllten das Spielfeld.   [Anya: 4000LP → 0LP Nick: 4000LP → 0LP //// Valerie: 4000LP → 200LP Marc: 2000LP]   Die Hologramme verschwanden. Während Valerie in die Knie sank, nicht begreifend, war dort eben geschehen war, atmete Anya tief durch. Nick war vor Schreck glatt aus den Latschen gekippt und blinzelte erstaunt. „Wir haben einen Gewinner! Unfassbar! The Butcher hat uns eindrucksvoll bewiesen, wie er es selbst mit drei Gegnern gleichzeitig aufnehmen könnte!“, donnerte der Direktor der Livington High aufgeregt in sein Mikrophon. Dabei schrieb sich die Journalistin neben ihm hektisch jedes Detail auf, während Mr. Redfield wohl noch nie so erbost ausgesehen hatte, wie es jetzt der Fall war. Er erhob sich von seinem Platz, nahm die kleine Treppe der Bühne hinab zum Spielfeld und lief eiligen Schrittes auf Marc zu. „Da hast du deinen Pokal“, zischte er hasserfüllt und drückte das goldene Prachtstück seinem rechtmäßigen Eigentümer kraftvoller in die Hände, als nötig gewesen wäre. Dann wandte er sich Valerie zu. „Komm Kleines, wir gehen!“ Marc lachte hochnäsig auf. „Das hier brauche ich nicht!“ Damit warf er den Pokal vor Valeries Füße, die ihrerseits lautlos ihr Gesicht in die Hände vergraben hatte. „Behalt' das Teil und mach damit, was du willst!“ Mit diesen Worten drehte er sich einfach um und schritt von dannen. Die Zuschauer, welche die ganze Zeit über sprachlos zugesehen hatten, bombardierten ihn regelrecht mit Buhrufen, doch es machte Marc offensichtlich nichts aus. Er ging einfach weiter, bis er schließlich außer Sichtweite war.   Valerie spürte, wie ihr Arm gepackt und sie auf die Beine gerissen wurde. „Du kommst mit!“, befahl Anya streng und schleifte sie davon, während Mr. Redfield entsetzt mitansah, wie die Blondine mit seiner Tochter und Nick im Schlepptau ebenfalls im Begriff war, das Weite zu suchen. „Du auch, Masters!“, rief Anya hinauf zu den Tribünen, als sie jene erreicht hatte, wo Abby alles fassungslos mit angesehen hatte. „Sie bleiben schön hier, Miss Bauer!“, schaltete sich nun Mr. Bitterfield empört per Mikrophon ein. „Warten Sie!“ „Das Turnier ist vorbei!“ Anya hatte sich umgedreht und zeigte dem Direktor den Stinkefinger. „Spenden Sie den beschissenen Pokal doch an Krebskranke oder so! Und jetzt halten Sie die Klappe, Sie gehen mir so was von auf die Eierstöcke mit ihren beknackten Kommentaren!“ Dem Direktor verschlug es glatt die Sprache. Und während jener zusah, wie Abby eilig die Zuschauerreihen hinunter gelaufen kam und Anya zusammen mit Nick und Valerie folgte, hob der Vater Letzterer den Pokal auf und betrachtete ihn niedergeschlagen. „Das hast du nicht verdient, Valerie …“   ~-~-~   Ich habe keine logische Erklärung für das Verhalten deines Freundes. Warum würde er Valerie Redfield absichtlich weh tun wollen, wenn er dich zuvor darum gebeten hatte, genau das zu unterlassen? Ein solcher Wandel ist extrem verdächtig, denkst du nicht auch?   „Deswegen sitzen wir ja hier“, brummte Anya und saß zusammen mit Valerie, die immer noch weinte, Nick, welcher unbeholfen Fratzen zog, um jene aufzuheitern, und Abby am kreisrunden Esstisch in Anyas Küche. „Was sagt Levrier?“, fragte Abby besorgt. „Nichts, was ich nicht auch so schon wusste!“   Valerie sah mit stark geröteten Augen auf. Ihr Make-Up war verlaufen und die Haut so blass, dass man die Adern hindurch scheinen sehen konnte. Normalerweise hätte Anya eigentlich vor Schadenfreude in die Luft springen müssen, doch komischerweise konnte sie sich nicht an Valeries Anblick erfreuen. Es war fast, als- „Das ging den ganzen Tag so“, sagte die jetzt verschnupft. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das war gar nicht Marc! Er war nie so gemein und herablassend zu anderen gewesen! Er war immer gutmütig, außer vielleicht, wenn es um Sport ging …“ „Sag mir was Neues.“ Anya konnte es nicht leiden, wie Valerie über ihn sprach, als wären sie mehr als nur Freunde. Aber es war auch der Neid, tatsächlich nicht zu wissen, -wie- Marc privat überhaupt so war. „Am Anfang hat er sich noch halbwegs zusammengerissen“, erklärte Valerie aufgewühlt weiter. „Aber je mehr Gegner wir besiegt haben, desto schlimmer wurde er. Weder hat ihn meine Meinung interessiert, noch hat er meine Hilfe angenommen, wenn er sie dringend gebraucht hätte. Aber irgendwann hatte er sie auch gar nicht mehr nötig, so brutal und effektiv hat er gespielt …“ Abby nickte. „Das bestärkt mich nur darin, mich nie wieder zu duellieren …“, sagte sie leise. Dabei strich sie über das Holz des Tisches und schien etwas auf dem Herzen zu haben, was sie nur ungern aussprechen wollte. Doch schließlich platzte es aus ihr heraus. „Ich glaube, das wird euch nicht gefallen, aber … was, wenn er einen Pakt geschlossen hat? Wie Anya? Oder besessen ist, so wie Caroline oder die anderen aus Victim's Sanctuary?“ Entgeistert wurde Abby von ihrer Freundin angestarrt. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht!   Ich konnte keine außergewöhnlichen Veränderungen an seiner Präsenz feststellen. Allerdings bin ich, was das angeht, seit unserem Pakt nicht besonders zuverlässig, nicht wahr?   „Allerdings!“, zischte Anya und starrte die Decke an, wo sie irrsinnigerweise Levriers Geist vermutete. Dann wandte sie sich Valerie zu. „Levrier sagt, Marc war vollkommen normal. Aber das muss nichts heißen!“ „Ich hatte den gleichen Gedanken bereits während des Turniers“, sagte Valerie und wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Also habe ich Joan um Hilfe angefleht. Sie hat mir sogar geantwortet, doch sagte sie nichts anderes als Levrier. Marc war nicht besessen und seine Verletzung hat er sich beim Training letzte Woche zugezogen, ich habe die Wunde selbst gesehen. Unter dem Verband befindet sich kein Mal.“ Erstaunt sah Abby ihre Sitznachbarin an. „Du hast mit Joan geredet!?“ „Ja … das erste Mal seit Tagen. Sie meldet sich nur hin und wieder, um zu sehen, ob es mir gut geht.“ Valerie seufzte schwer. „Sie ist wirklich sehr nett … aber selbst als Gottes Dienerin konnte sie nichts für mich tun. Und es wäre vermessen, um noch mehr Beistand zu betteln …“ Anya schnaufte wütend. Die und ihre heiligen Freunde! Jetzt tat sie ganz bescheiden, nur um noch mehr bemitleidet zu werden! Was für eine abgehobene, hohle Nuss Valerie doch war! Und doch … „Hat er sich irgendwie verraten?“, fragte Abby neugierig. Valerie sah sie verwirrt an. „Was meinst du?“ „Na ja, vielleicht ist etwas Schlimmes passiert? Das verändert die Menschen, besonders, wenn es sehr plötzlich geschieht.“ „Ich weiß es nicht …“   Anya hatte genug! Dieses ganze Gelaber führte zu nichts! Warum auch immer Marc sich so daneben benommen hatte, sie würden es nicht durch wilde Spekulationen herausfinden. „Mein Gott, Redfield, warum fragst du ihn nicht einfach!?“ Abby war es jedoch, die antwortete und dabei die Augen verdrehte. „Denkst du, das hat sie nicht getan?“ „Ich habe gefragt … und natürlich keine Antwort erhalten. Ich solle mich nicht einmischen hieß es.“ Sie lachte bitter auf. „Den Spruch habe ich heute öfter gehört, als die restlichen 19 Jahre meines Lebens zuvor.“ „Dann wird das hier deinem Spruch jetzt Konkurrenz machen, denn den hast du auch schon oft genug gehört: zieh Leine, Redfield!“ „Anya!“ Empört sprang Abby auf. „Warum sagst du so was!? Du warst es doch, die sie hierher gebracht hat!?“ Die Blondine winkte ab. „Na und? Nun will ich aber, dass sie geht! Mein Kopf brummt und ich habe verdammt schlechte Laune! Und da ich keine Lust habe, mich noch weiter über Dinge aufzuregen, die ich sowieso nicht ändern kann, lass ich es einfach!“ „Du bist so-!“ Valerie legte ihre Hand auf Abbys Schulter. „Anya hat schon recht, das bringt nichts. Ich sollte gehen und erst einmal eine Runde Schlaf finden. Vielleicht sieht die Welt morgen schon ganz anders aus.“ „Wenn du willst, bringe ich dich nachhause? Dein Vater macht sich bestimmt Sorgen um dich“, meine Abby und warf Anya dabei einen vernichtenden Blick aus den Augenwinkeln zu. Daraufhin nickte Valerie dankbar. „Gerne. Das ist sehr nett von dir.“ „Ich komme mit!“, sprach Nick aufgeregt dazwischen und grinste derart anzüglich, dass man seine Gedanken nicht lesen können musste, um zu wissen, was in seinem Kopf vorging. „Keine Ursache!“, strahlte das Hippiemädchen, doch ihr Lächeln verlor sich schnell wieder.   Die Situation von Valerie erinnerte sie gewissermaßen an ihre eigene. Ohne Anyas Unterstützung wäre sie wohl jetzt immer noch eine Sirene und obendrein eine Mörderin. In schweren Zeiten brauchte man einfach jemanden, auf den man sich verlassen konnte. Denn selbst wenn dieser jemand die Probleme nicht lösen konnte, war er zumindest dazu imstande, seinen Freunden das Ganze einfacher zu gestalten, ihnen einen Teil der Last abzunehmen. Und sei es, indem man sie nicht alleine ließ. Schade nur, dass Anya diese Erkenntnis hin und wieder vergaß …   Und während sich Abby, Nick und Valerie von Anya verabschiedeten, blieb die am Tisch sitzen und wartete, bis die Haustür ins Schloss fiel. Dann schlug sie mit einem wütenden Aufschrei die Faust auf den Tisch. Warum hatte Marc das getan!? Dass er einmal der Grund sein würde, warum sie ausgerechnet für Valerie Mitleid empfand, ging weit über Anyas Verständnis hinaus. Er hatte mit seinem Verhalten nicht nur ihre Erzfeindin ins Chaos gestürzt, sondern auch sie selbst!   Anya Bauer! Deine Augen … „Halt den Mund, Levrier!“ Wie konnte sie Marc jetzt noch mögen!?     Turn 12 – Scars Seit dem Turnier ist Marc nicht mehr in der Schule aufgekreuzt. Darüber hinaus hat Anya auch noch die sehr neugierige Journalistin an der Backe, die damals zugegen war und nun viele unangenehme Fragen stellt. Als sie durch Nicks loses Mundwerk schließlich erfährt, was Abby wirklich ist, will sie jene unbedingt ablichten. Die jedoch ist vollkommen verängstigt, sodass Anya die Sache mit einem Duell regeln will. Allerdings nicht ohne Hintergedanken, denn damit könnte man Abby vielleicht ihre Angst vor Duellen nehmen …   Hosted by Animexx e.V. 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