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Bend, not Broken

von

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Normalität und Chaos

In den nächsten Tagen wurde mit Shinya abwechselnd Arm- und Beinmuskulatur geübt. Wobei dieser für den Augenblick mehr wert auf die Beweglichkeit seiner Arme legte. Sein Ziel war es, nach den anderen Beiden greifen zu können wenn er es wollte. Er wollte sie umarmen, wenn er sich wünschte, dass sie sich zu ihm legten. Außerdem würde ihn dann niemand mehr füttern müssen und er könnte einen Rollstuhl verwenden. Dann wäre er auch nicht mehr so furchtbar ans Bett gefesselt. Gestern waren Kyo und Toshiya mit ihm im Rollstuhl ein wenig auf dem Gelände des Krankenhauses spazieren gegangen. Aber er hatte sich dabei so unwohl gefühlt. Festgegurtet und dick eingepackt war er sich noch eingeschränkter vorgekommen, als er es eh schon war. Vor allem aber wollte er bald zu diesem einen, ganz bestimmten Ort: nach Hause. Es war nicht die Wohnung, die er aus seinen Erinnerungen noch kannte. Nicht mehr der Ort, wo er früher gewohnt hatte. Dieses neue Heim... Er wollte wissen, was für ein Gefühl es sein würde, es zu betreten. Vielleicht würden sich dann einige Lücken schließen. Und: Er wollte wieder einmal an einem Schlagzeug sitzen. Das war so etwas ganz anderes, was ihm einfach noch fehlte. Wenn er ihre Lieder hörte, konnte er spüren, wie sein Körper versuchte die Bewegungen zu machen, die nötig waren, um das dazugehörige Spiel zu vollführen. Schließlich gehörte es einfach zu seinem Leben. Vor dem Unfall war das Spielen so selbstverständlich gewesen, wie das Atmen.

Etwas müde und erschöpft lag er auf seinem Bett, hatte gerade eine weitere Trainingseinheit hinter sich gebracht. Seine Arme brannten. Ein gutes Zeichen. Ein verdammt gutes sogar. Shinya konnte so spüren, dass seine Muskeln aus ihrem langen Schlaf erwachten.

Der Japaner sah zur Seite und auf die Uhr, die auf dem Rolltisch neben seinem Bett stand. Bald müssten seine Freunde hier eintreffen. Bei dem Gedanken kribbelte es in seinem Körper. Er durfte nur nicht vergessen sie darum zu bitten, seine Badesachen in den nächsten Tagen mit zu bringen. Die Therapeutin hatte vorhin gemeint, dass weiteres Training unter anderem im Wasser standen finden wird, sobald er erste Bewegungen ausführen kann.

Ein leichtes Klopfen an seiner Tür.

„Herein.“

Zum Vorschein kam Kyo, welcher ihn etwas verschlafen anlächelte unter seinem Hut. Während er diesen ab nahm, schloss er die Tür hinter sich und ging auf das Bett zu, wo er seinen Liebsten mit einem obligatorischen Kuss begrüßte.

„Du siehst müde aus“, stellte Shinya auch gleich fest, bekam nur erst einmal ein Schulterzucken, ehe sich der Sänger auf das Bett setze. Er streifte sich noch die Schuhe von den Füßen, legte sich dann einfach hin, nah an den Jüngeren geschmiegt. „Hab das mit dem Schlafen heute Nacht irgendwie vergessen“, erklärte er sein Verhalten, unterdrückte ein Gähnen. „Ich hab gestern Abend angefangen zu schreiben und als ich fertig war,“ doch ein Gähnen, „war es auch schon fast Zeit mich auf den Weg zu dir zu machen.“

„Oh.“ Mehr fiel dem Anderen in diesem Augenblick einfach nicht ein. Zudem fand er Kyos schlafendes Gesicht auch gerade viel interessanter. Aber... „Wo ist denn..?“

„Toshiya?“, ergänzte der Ältere. „Der ist zusammen mit Kaoru zu einem Interview für eine Zeitschrift. Stand zumindest auf dem Zettel, den er mir hinterlassen hat.“ Mit geschlossenen Augen angelte er nach dem Handgelenk von Shinyas linkem Arm hinter sich. Kaum hatte er es gefunden, legte er ihn sich um seine Taille. Besser. „Wenn sie“, gähnen, „fertig sind, wollen sie beide her kommen.“

„Ah, okay.“ Ein Interview. Etwas, was mit der Band zu tun hatte. Dir en Grey. Das war so merkwürdig weit weg. Dabei war es doch so sehr Teil seines Lebens gewesen. Ob das an den vergessenen Jahren lag? Nachdenklich sah er auf das blonde Haar des Älteren. Wie selbstverständlich er sich hier so einfach anschmiegte. Sicherlich hätte er das auch gemacht, wenn sie daheim gewesen wären. Shinya öffnete den Mund, wollte etwas fragen, aber hielt inne. Kyos Atmung war ruhig, langsam. Der Körper in seinem Arm völlig entspannt. „Eingeschlafen“, murmelte Shinya und musste Lächeln. Das war schon typisch für den Anderen. Doch es fühlte sich gut an. Er erlaubte sich ebenfalls die Augen zu schließen, der Müdigkeit vom Training nachzugeben.
 

„Wie schläft es sich daheim?“ Fragend sah Kaoru den Jüngeren an, während er an seiner Tasse Kaffee nippte.

„Unglaublich gut“, schmunzelte jener, hielt mit beiden Händen sein warmes Getränk fest. „Noch nicht perfekt, aber echt gut.“ Ein wenig verträumt sah er hinaus. „Im Ganzen tut es gut, wieder hier zu sein. Auch das hier.“ Sein Blick ging zurück zu dem Älteren.

„Deswegen hab ich dich dazu überredet.“

Es war nur ein einfaches Café, aber trocken und warm, wenn man bedachte, dass es draußen leicht am Regnen war. Zudem war es schön so ein Interview auf ein gemütliche Tasse Kaffee oder Tee ausklingen zu lassen. Und für Toshiya ein kleiner Ausbruch aus dem recht eintönigen Alltag. Kaorus Meinung zufolge. „So, Kyo war also die ganze Nacht mit Schreiben beschäftigt?“ Der Jüngere hatte vorhin etwas in der Art angedeutet.

Ein zustimmendes, aber auch beleidigtes Brummen von dem Bassisten. „Konnte kaum schlafen, weil ich ja alleine war.“ Ein Seufzen folgte und seine Körperhaltung wurde wieder entspannter. „Aber wenn er schreibt, dann schreibt er. Und dann so lange, wie die Worte eben fließen.“ Sein Blick fiel auf die Auslage im Tresen. Wenn Kyo mittlerweile fertig war, würde er jetzt bestimmt wieder im Krankenhaus sein. Ob er davor noch was gegessen hatte?

„Was bedrückt dich?“

„Eh? Ach, Nichts besonderes.“

„Wirklich?“

„Wirklich. Das sind gerade nur ganz normale Gedanken, die man sich eben um seinen Partner macht. Also hör auf mich so anzugucken“, lachte Toshiya.

„Wie gucke ich denn?“

„Als ob du mir nicht glaubst.“

„Entschuldige.“ Ertappt senkte Kaoru den Kopf, sah in seine Tasse. „Es ist nur... Ich mach mir eben auch meine Gedanken. Um dich, euch.“ Eine lange Pause. Das nächste Wort lag ihm reichlich schwer auf der Zunge. „Uns.“

„Wie meinst-?“ In dem Moment verstand der Jüngere aber auch schon. „Die machen Kyo und ich uns auch. Vielleicht nicht ganz so sehr, wie du. Aber auch wir wünschen uns unseren musikalischen Alltag wieder. Fragen uns, was aus Dir en Grey wird. Und aus uns, so lange wir pausieren.“

„Dann sollten wir Vier uns wohl mal zusammen setzen und gemeinsam darüber nachdenken.“

Toshiya nickte, nahm noch einen Schluck. Sie sollten sich wirklich zusammen setzen.

„Willst du gleich mit kommen?“, fragte er seinen Gegenüber.

„Gern. Warum auch nicht? Immerhin hatte ich ihm ja angedroht öfter vorbei zu kommen, wenn er hierher verlegt wird. Will er eigentlich immer noch so viel wissen?“

Abwiegend wackelte der Jüngere mit dem Kopf. „Ja und nein. Klar stellt er noch viele Fragen. Zu allem möglichen. Aber er konzentriert sich auch auf sein Training. Er will sich wieder bewegen und etwas tun können. Selbst, wenn es so etwas einfaches ist, wie nach unseren Händen greifen.“ Seufzend strich er sich mit seiner linken Hand durchs Haar. „Ich bin im Moment nur froh, dass sein Ehrgeiz die Führung hat. Nicht, dass er in ein oder zwei Tagen alles aufgeben will, nur weil die Dinge noch nicht so klappen, wie er das haben will.“ Das würde auch noch so ein Kampf für ihn und Kyo werden. Ihren Partner weiter zu motivieren, wenn er seinen Antrieb verlieren sollte und dabei nicht selbst aufgeben. „Ich will ne Zeitmaschine“, knurrte er und stürzte den Rest seines Getränkes hinunter.

„Und dann? Würdest du zu dem Konzert zurück reisen und ihn noch vor dem Erdbeben von der Bühne zerren?“

„Natürlich! Was auch sonst?“, fuhr er den Älteren an, stockte aber gleich. „Tut mir Leid.“ Er wollte ihn nicht so anfauchen.

„Schon okay“, beruhigend legte Kaoru eine Hand auf Toshiyas Unterarm. „Glaub mir, ich würde mit reisen und dir beim Tragen helfen.“

Toshiya sah auf und dem anderen Mann in die Augen, während sich in seinen eigenen die Tränen sammelten.



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