Bend, not Broken von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 16: Der Kopf vergisst, der Körper nicht ----------------------------------------------- In seinem Kopf schwirrten nun noch mehr Fragen herum, als beantwortet wurden. Kyos Hand strich ihm wieder über die Wange. „Tut mir Leid, dass ich so ein schlechter Schauspieler bin. Wir wollten es noch ein wenig geheim halten, damit du dich mehr auf deine Genesung konzentrieren kannst.“ „Aber es wäre doch nicht leichter geworden mit der Zeit.“ „Mag sein.“ Kyo seufzte. Es war immer noch schwer für ihn, dass sein Shinya nun zwar wusste, was er vergessen hatte, aber sich noch immer nicht daran erinnerte. Betrübt stand er neben dem Bett, starrte er auf die Bettdecke. Toshiya war inzwischen los gegangen, um ihnen Beiden einen Tee zu besorgen. „Wie sieht mein Bein eigentlich aus?“, wechselte der Drummer das Thema. Der Sänger schob die Decke zur Seite und stricht über die vernarbte Haut. „Es hat was von einer Landkarte mit vielen Flüssen.“ „Meinst du, ich werde damit wieder spielen können?“ „Laut deiner Ärztin wirst du das wieder. Und glücklicherweise war der Schaden nicht so schlimm, dass sie es dir abnehmen mussten.“ Seine Finger fuhren weiter über die Haut. Es war wirklich ein Glück, dass sie ihm nach dem Erwachen nicht noch so eine Hiobsbotschaft mitteilen mussten. Unbeirrt strich er weiter über das geflickte Bein und spürte die kleinen Unebenheiten, die von den Nähten geblieben waren. „Kannst du das fühlen?“ „Es ist mehr ein Kitzeln. Als wenn eine Fliege darauf herum krabbelt.“ „Dann ist zumindest Gefühl drin. Eine gute Sache, nicht?“ Er lächelte, war bemüht die Trauer und Sehnsucht nach dem Jüngeren zu verbergen. „Kyo?“ „Hm?“ „Was würdest du jetzt am Liebsten tun?“ Der Gefragte verfiel in Schweigen. Gute Frage eigentlich. Er schloss die Augen und horchte in sich hinein. Was wünschte er sich in diesem Augenblick? Unter seinen Händen fühlte er die Wärme, die der Jüngere ausstrahlte und ihm wurde klar, was er sich wünschte. Er legte seinen Hut, die Jacke und den leichten Schal um seinen Hals ab, streifte die Schuhe von seinen Füßen und stieg zu seinem Liebsten ins Bett, schmiegte sich an den schmalen Körper. Genau das war es, was er gerade tun wollte. Sich zu ihm legen und dessen Nähe und Wärme spüren. Shinyas rechten Arm legte er sich um die Hüfte, seine Hand auf der des Anderen, darauf bedacht, neben der Nadel zu bleiben, um ihm keine Schmerzen zuzufügen. Durch den dünnen Stoff seines ärmellosen, weißen Hemdes konnte er die geliebte Wärme wunderbar wahrnehmen und sie genießen. Ein wohliges Seufzen kam von ihm, während er die Augen schloss und sich noch etwas mehr anschmiegte. Shinya war dagegen überrascht von dieser Aktion. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Kyo, ausgerechnet Kyo, wurde vor seinen Augen eine Schmusekatze. Erstaunlicher war nur noch, dass es seinem Körper so vertraut schien. Es war eine Haltung, die seinem Körpergedächtnis nicht unbekannt war. Nicht, dass er geglaubt hatte, dass die beiden ihn wegen ihrer Beziehung angelogen hatten, dennoch war es für ihn so absurd gewesen, als dass er es vollends für wahr hatte halten können. Jedoch: „Irgendetwas fehlt noch“, murmelte er und sah zu seiner anderen Hand. Ihm war, als müsste sie irgendetwas halten. Die Tür öffnete sich und herein kam Toshiya mit zwei Bechern grünem Tee. Verdutzt blieb er einen kleinen Moment im Türrahmen stehen, ehe er in den Raum eintrat und die Tür mit einem Stupser des Fußes hinter sich verschloss. „Wie gemein“, maulte und zog einen Schmollmund. „Da bin ich für ein paar Minuten weg und ihr fangt ohne mich an zu kuscheln.“ Und für drei Leute war das Bett gemeinerweise auch noch zu klein. Einen der Becher stellte er auf den kleinen Nachttisch, den anderen behielt er in der Hand. Anschließend zog er den Stuhl zu sich, um sich neben den Freund setzen zu können. Sein Schmollen hielt, wie üblich, nicht lange an und schon einen Augenblick später bedachte er seinen Sänger mit einem sanften, liebevollen Blick. Der Glanz war wieder mehr geworden in den schönen, braunen Augen. Ein Anblick, der ihm sehr gefiel. „Toshiya?“ „Hm?“ Der Bassist sah zu dem Jüngeren hinüber. „Du hast da einen Fleck am Hals. Einen dunklen. Den solltest du vielleicht untersuchen lassen.“ Besorgt sahen die Augen des Drummers drein. „Einen Fleck?“ Aus einem Reflex heraus griff er sich an den Hals, als ihm die leicht roten Wangen von Kyo auffielen. Stimmt ja. Ihr niedliches Etwas hatte sich vergangene Nacht in der Gegend vergnügt. Wobei Kyo dieses Hemd mit dem hohen Kragen auch nur deshalb heute morgen ausgesucht hat, um die vielen, dunkelroten Flecken an seinem eigenen Hals zu verstecken. „Der geht von alleine weg. Im Grunde genommen ist es ja ein nur ein Bluterguss.“ „Wo hast du den her?“ Grinsend sah er den Sänger etwas eindringlicher an. „Den habe ich von einem liebeshungrigen, anschmiegsamen und sehr sexy aussehendem Etwas, dass gestern ein wenig an mir geknabbert hat.“ Eine Anspielung, die Shinyas Kopf noch etwas zu sehr anstrengte. Dazu kam, dass Kyo sich beinahe in ihn verkroch. Zusammenreimen konnte er sich das dennoch immer noch nicht. Toshiya hatte seinen Blick immer noch nicht von dem Ältesten im Raum genommen. „Hab mich aber mehrfach revanchiert, nicht wahr?“ „Ja, hast du“, knurrte Kyo und fasste sich selbst an den Kragen, um zu prüfen, ob jener noch alles verdeckte. „Ich... komme nicht mit. Das ist mir... zu hoch.“ Liebevoll strich der Bassist seinem anderen Schatz über die Wange. „Das machen die Medikamente und der lange Schlaf. Auch das trainieren wir in Zukunft. Versprochen.“ Kyo schob sich über den zerbrechlichen Körper, kniete über ihm, bedacht darauf nicht zu viel Gewicht auf ihn zu legen, um ihm nicht wieder etwas zu brechen. Verführerisch knöpfte er sich die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes auf. „So sieht seine Revanche aus.“ Er zeigte ihm die vielen Liebesbekundungen, die er von ihrem Liebesspiel erhalten hatte. „Dann sind das... Knutschflecken?“, hauchte der Mann unter ihm, war geschockt, aber auch fasziniert von dem Anblick. „Ja, ganz altmodische Knutschflecken. Sind ganz einfach passiert. In der Hitze des... Gefechts.“ In Erinnerung schwelgend strich er sich über seine Kehle hinab zum Schlüsselbein. „Sehr oft habe ich auch schon Male von dir getragen. Sie aber genauso versteckt, wie diese hier.“ „Verstecken müssen, mein Schatz.“ Der Schwarzhaarige stand auf und strich mit seinen Lippen hauchfein über das dunkle Rot. „So wie alles andere, was darauf hinweisen könnte, dass wir mehr als nur Freunde sind.“ „Hat uns das sehr belastet?“ Toshiya, der seine Augen nicht mehr von seinem Partner nehmen konnte, strich ihm nun über die Lippen, die sich bereits wieder nach einem Kuss sehnten. „Es ist nicht immer einfach das Verlangen zu unterdrücken. Während wir spielen, bei den Proben oder auf Konzerten, geht es. Da leben wir unsere andere Leidenschaft aus. Aber wenn wir alleine sind...“, hungrig fing er die Lippen des Älteren ein. Gebannt verfolgten die Augen des Drummers, was die beiden Anderen ihm dort vorführten. Eigentlich hatte er gedacht, dass es ihn irgendwie abschrecken würde. Doch... Er biss sich auf die Unterlippe. Er verstand, wie schwierig es wohl ab und an gewesen sein musste. „Auch“, kam es gehaucht, noch ehe er sich dessen bewusst war. Die beiden Älteren trennten sich, sahen fragend zu dem Liegenden. Hatten ihre Ohren sie getäuscht? Dennoch beugte sich Kyo hinab. Sein Herz hatte so eine Sehnsucht nach dem verlorenen Drittel. Mit den Unterarmen stützte er sich links und rechts vom Kopf seines Liebsten ab, strich ihm mit den Fingern etwas über die Stirn. Langsam näherte sich sein Gesicht dem anderen, seine Augen schlossen sich und er sah noch, dass Shinya es ihm gleich tat. Ein nervöses Zittern durchfuhr ihn, als er die Wärme des anderen Mundes wahr nehmen konnte. Der letzte kleine Abstand wurde überbrückt und sie waren wieder in einem Kuss vereint. Einen, der so elektrisierend war, wie der erste, den sie damals geteilt hatten. Schüchtern, auch ein wenig unbeholfen, doch für beide ein vertrautes Gefühl. Das Herz des Drummers schlug aufgeregt in dessen Brust, zog sich aber gleich darauf schmerzhaft zusammen, als der Kuss endete. Bedauernd öffneten sich seine Augen, schauten dem Sänger zu, wie er sich aufrichtete. Überrascht zuckte er gleich darauf zusammen. Zwei schlanke Finger hatten sich an sein Kinn gelegt und drehten seinen Kopf sanft zur Seite. Im nächsten Moment spürte er erneut ein vertrautes Lippenpaar. Wieder fielen ihm die Augen zu, sein Herz hämmerte und er genoss das vertraute Gefühl erneut. Diese beiden Männer zu küssen war ihm wirklich alles andere als zuwider. Ganz im Gegenteil. Er konnte von diesem Gefühl, nicht genug bekommen. Auch Toshiya sah er bedauernd hinterher. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er ihn wieder an sich gezogen, um noch mehr davon zu bekommen. „Was hast du?“, drang die Stimme des Sängers an sein Ohr. „Mehr“, flüsterte der Drummer. „Dir hat das gefallen?“ Ein wenig Hoffnung keimte in Kyo auf. Die Liebe für sie war also noch da, trotz der verschlossenen Erinnerungen. „Sehr.“ Ein Seufzen. „Es weckt so vertraute Gefühle in meinem Körper. Ich kann mich zwar nicht erinnern, was sie sind oder wo sie her kommen, aber ich vertraue ihnen. Sie sagen mir, dass ihr mich nicht angelogen habt, was unsere Beziehung angeht.“ Niedergeschlagen senkte er den Blick. „Wie gerne würde ich mich wieder erinnern können. An all die schönen Momente, die euch in den Sinn kommen, wenn ihr an unsere Beziehung denkt.“ Lächelnd näherte sich der Sänger ihm erneut. Seine Hände legten sich an seine Wangen und die Daumen strichen ihm sanft über den Knochen unter seinen Augen, ehe er ihn auf die Nasenspitze küsste. „Der Tag wird kommen. Bis dahin schaffen wir neue schöne Momente.“ Der Anblick des traurigen Shinya hatte ihn daran erinnert, wie verzweifelt er selbst gewesen war. Und wie Toshiya ihm in den letzten Tagen immer wieder Mut zugesprochen hatte. Sein Liebster sollte sich nicht so betrübt fühlen müssen. „Wir kümmern uns vor allem um deine Beweglichkeit. Ganz nebenbei helfen wir dir auch dabei die Gefühle in dir zu erkunden, sowie Erinnerungen zu schaffen und zu finden. Versprochen.“ Ein liebevoller Kuss landete auf der Stirn des Jüngsten. „Zuerst“, mischte sich der Bassist in das Gespräch ein, „sollten wir vielleicht dafür sorgen, dass du verlegt wirst. Am Besten in das Krankenhaus bei uns in der Stadt. Dann können wir uns endlich von diesem doofen Hotelzimmer verabschieden.“ Von dem hatte er wirklich die Schnauze voll. Obgleich das Bett sehr bequem war. Aber ihres war noch ein bisschen besser. Von der heimeligen Umgebung mal ganz abgesehen. Zudem hatten Kaoru und Daisuke dann häufiger die Möglichkeit sie zu besuchen und mussten auch die ganze Organisation nicht mehr alleine machen. „Vielleicht hilft die Umgebung auch dabei Erinnerung zu erwecken.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)