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The Weakness In Me

Seiya x Bunny
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen! :)

ENDLICH habe ich es geschafft, auch hier das neue Kapitel fertigzustellen! Hab auch echt lange genug gebraucht, sorry! Hach, bei dem miesen Wetter zur Zeit wünsche ich mir eigentlich auch so einen tollen Sommertag *seufz*^^
Aber egal, VIEL SPAß beim Lesen! :)

Eure

Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

Nach einem super stressigen März habe ich es nun ENDLICH mal wieder geschafft, ein neues Kapitelchen zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt euch. :) Das später erwähnte Lied ist wie das diesmalige Titellied Journey mit Faithfully. Hier eine Gitarren-Cover-Version, die zu der Situation unten einfach besser passt: https://www.youtube.com/watch?v=ALph_u2iee8&list=PL5979E5F5B44E412F

Liebste Grüße <3
Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu meine Lieben,

Ich weiß, ich hab noch überhaupt keine von euren lieben Kommentaren zum letzten Kapitel beantowrtet, aber ich bin einfach noch gar nicht dazu gekommen. Ein neues Kapitel gibt's jetzt auch nur, weil ich im Zug saß und kein Internet hatte.^^ Aber ich denke mal, die meisten freuen sich über ein neues Kapitel sowieso mehr als über eine Kommentarantwort. :P Die wird es ganz bald natürlich trotzdem geben!
Der Titel dieses Kapitels ist übrigens eine Zeile aus Joan Armatradings "The Weakness in Me" und der Hauptgrund, warum ich diese FF nach dem Lied benannt habe. :)
Ich hoffe, euch gefällt das neue Kapitel. <3

Achso, und ich gebe ich euch auch mal den Link zu diesem Lied: http://www.youtube.com/watch?v=1pjMwzujbHE
Immerhin ist das der Soundtrack nicht nur zu diesem Kapitel, sondern zu der ganzen FF. :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ihr Lieben!

Sorry, dass es schon wieder so lange gedauert hat. ._. Ich schreibe derzeit an meiner Masterarbeit und komme deshalb im Moment nicht ganz so oft dazu, an meinen FFs weiterzuschreiben. Tut mir leid.
Aber hier kommt endlich mal ein neues Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch. <3 :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Zwischen Masterarbeit und Weihnachtsstress habe ich mir extra viel Mühe gegeben, doch noch eben mal ein neues Kapitel zu schreiben und hochzuladen. Ich hoffe natürlich wie immer, dass es euch gefällt!
Ich wünsche euch allen schon einmal schöne Weihnachtsfeiertage und - falls bis dahin nichts mehr kommt - einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Jetzt viel Spaß beim Lesen! :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo meine Lieben ♥

Ich weiß, es ist unendlich lange her, dass ich das letzte Mal ein Kapitel hochgeladen hab! ._. Sorry! Ich bin immer noch mit meiner Masterarbeit beschäftigt, also wird es wohl in nächster Zeit auch nicht wirklich besser werden. Aber ich wollte wenigstens einmal zwischendurch ein neues Kapitel da lassen. Ich hoffe, es gefällt euch. :)
Ich weiß auch, dass ich noch etliche Kommentarantworten zu schreiben habe! Das mache ich auch noch, wenn ich mal Zeit habe. Ich dachte nur, über ein neues Kapitel freut ihr euch sicher mehr, als über eine Kommentarantwort. :)

Also, viel Spaß beim Lesen und hoffentlich bis bald! ♥

Eure Fhin

PS: Im neuen Kapitel wird es mal wieder musikalisch! Ich habe ewig gesucht und mich schließlich für dieses Lied entschieden: http://youtube.com/watch?v=eW2qlKa6oHw
Also wenn ihr wollt, könnt ihr euch das an entsprechender Stelle dazu anhören. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!

Sorry, dass ich im Moment so selten Kapitel hochlade. Ich hoffe, ihr lest trotzdem noch mit Interesse! Ohne viele Worte geht es auch endlich mal zum neuen Kapitel!
Ich hoffe, es gefällt euch!

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo zusammen^^

Ich bin grad ganz stolz auf mich, weil ich dieses Mal RELATIV schnell ein neues Kapitel fertig bekommen habe! Ja, wenn man so im Zug sitzt und nichts anderes zu tun hat, dann kommt man eben doch mal zum Schreiben. :D
Ich hoffe natürlich wie immer, dass es euch gefällt. :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wuhu! Das ging doch dieses Mal richtig schnell! :)

Ich hoffe wie immer, dass es euch gefällt! :)

Eure Fhin :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Im Moment klappt es doch ganz gut, oder?! :D

Viel Spaß beim Lesen!! :)

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben <3

Nachdem ich nun nochmal eine kleine Auszeit nehmen musste, bin ich wieder da! Die Masterarbeit habe ich gestern abgegeben und so langsam kehre ich ins Leben zurück! :D Natürlich war ich im Endspurt nochmal richtig krank (erst eine dicke Erkältung und direkt im Anschluss auch noch ein grippeähnliches Virus), aber jetzt ist es vorbei! :) Ich hoffe also, dass ich demnächst wieder regelmäßiger schreiben und updaten werde. :)

So, jetzt aber zum neuen Kapitel! Viel Spaß beim Lesen. :)

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

Wieder ein neues Kapitel. Hab es noch nicht so ganz geschafft, mich nach der Abgabe der Masterarbeit zu akklimatisieren. :D Aber das kommt sicher noch. Ich habe noch jede Menge Kommentare hier zu beantworten, das kommt noch. Versprochen! :) Aber über ein neues Kapitel freut ihr euch bestimmt sowieso mehr. :D Also viel Spaß!

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu! :)

Endlich habe ich es mal geschafft, die ganzen alten Kommentare zu beantworten! :) Ich möchte mich an dieser Stelle mal bei allen fleißigen Kommentare-Schreibern bedanken! Das ist wirklich die größte Motivationsquelle. :) So, jetzt genug von mir. Viel Spaß beim Lesen! :D

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ihr Lieben!
Es hat mal wieder ewig gedauert. Entschuldigt! Irgendwie ist doch immer irgendetwas. ._. Ich musste mich jetzt eine Woche um meine kleinen Geschwister kümmern und bin nur sehr spärlich mal zum Schreiben gekommen. Jetzt ist es aber vollbracht. :D Ein neues Kapitel! :D
Danke für all eure Kommentare! Wie immer werde ich auch noch alle beantworten, wenn ich Zeit habe. :)
Jetzt viel Spaß beim Lesen!
Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben ♥

Nach schon wieder so langer Zeit habe ich es mal wieder geschafft, ein neues Kapitel zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt euch! :)
Sorry, dass es immer so lang dauert. Ich hab mein Studium jetzt komplett hinter mir, aber das bringt leider auch ganz neue Herausforderungen mit sich. Und diese Bürokratie...! Bah! :D
Naja, viel Spaß beim Lesen!! :)

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallöchen ihr Lieben,

Das ging doch dieses Mal echt schnell, oder?! :D Ich hoffe, es gefällt euch. <3

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

Da ich gerade im Zug sitze und gleich aussteigen muss, nicht viele Worte vorweg. Nur: Viel Spaß beim Lesen!

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Nachdem ich nun eine Woche krank war, habe ich es doch noch geschafft, vor Weihnachten ein neues Kapitel hochzuladen! :)
Kurz etwas zur Story: Erinnert euch an den Schulausflug? Ursprünglich habe ich geschrieben, es würde drei Tage und zwei Nächte nach Yokohama gehen, aaaaaber ich habe mich spontan umentschieden und nun geht es für unsere Freunde für ganze fünf Tage und vier Nächte Nach Kyoto! :D Ich hab das in den vorangegangenen Kapiteln geändert. Also nicht wundern. :)
Jetzt aber viel Spaß beim Lesen!

Ich wünsche euch eine schöne Vorweihnachtszeit (uwah und ich hab noch nicht mal alle Geschenke! D:)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

Lang lang ist's her. Ich weiß, dass das letzte Kapitel schon ewig her ist. Tut mir wirklich leid! In letzter Zeit ist mein Leben einfach etwas durcheinander, ich hatte immer wieder gesundheitliche Probleme und dazu kamen eine Schreibblockade begleitet von mangelnder Inspiration und Motivation. Aber heute habe ich es endlich mal geschafft, das Kapitel, das ich schon vor Wochen angefangen hatte, fertig zu schreiben. Ich hoffe natürlich, ihr seid trotzdem noch dabei!
Alte Kommentare werden demnächst auch noch beantwortet! Vielen Dank! :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

Es hat wirklich ewig gedauert, ich weiß. Vor einigen Monaten hat sich mein Leben komplett auf den Kopf gestellt, weshalb ich zu gar nichts gekommen bin. Jetzt wird langsam alles wieder etwas normaler. Hoffe ich!
Wie auch immer, ich habe es endlich geschafft, mal wieder ein neues Kapitel zu schreiben! Also viel Spaß beim Lesen! :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben,

lang lang ist's her... Es ist wirklich schlimm mit mir in letzter Zeit. @_@ Es tut mir wirklich leid, dass ich so lange kein neues Kapitel mehr hochgeladen habe. Momentan bin ich so unmotiviert nach der Arbeit auch noch am PC zu sitzen, um an meinen FFs zu schreiben. :/ Aber das heißt trotzdem nicht, dass ich die FF abbrechen werde. :) Ich hoffe, dass ich irgendwann mal wieder etwas mehr Motivation habe. Aber immerhin habe ich es nach Ewigkeiten mal wieder geschafft, ein kleines Kapitelchen zu schreiben. Wahrlich kein Meisterwerk, aber ich hoffe, ihr freut euch trotzdem.
Ob ich es demnächst auch mal schaffe, ein paar Kommentare zu beantworten, weiß ich noch nicht so genau, aber seid versichert, dass ich mich über jedes einzelne riesig freue und sie das einzige sind, was mir doch immer wieder einen Tritt in den Hintern verpasst, um mal wieder etwas zu schreiben. xD

Ganz liebe Grüße
Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

anstatt auf Reviews zu antworten - über die ich mich aber natürlich sehr sehr freue! - habe ich die Zeit genutzt, um dieses Mal relativ schnell ein neues Kapitel zu schreiben! :)
Viel Spaß damit!

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Heyho Moonies,

dieses Mal ohne große Entschuldigungen, da es doch relativ schnell ging und ich sogar mal ein paar Kommentare beantwortet habe...
Viel Spaß!! :)

Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,
es hat doch wieder etwas gedauert, da ich in letzter Zeit etwas viel um die Ohren hatte, aber hier ist das neue Kapitel. Viel Spaß! :)
Eure Fhin Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine lieben Moonies,

kaum zu fassen, wie die Zeit rast... Es tut mir so leid, dass ich schon wieder so lange nicht aktiv war! @__@ Es ist viel los gewesen in letzter Zeit und obwohl ich eigentlich schon ewig an diesem Kapitel sitze, hab ich es jetzt erst geschafft, es fertigzustellen. @__@ Trotzdem: Viel Spaß beim Lesen! :-*

Eure Fhin Komplett anzeigen

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Say Goodbye

Mit klopfenden Herzen stand er vor ihrem Haus und blickte auf das hell erleuchtete Fenster. Ein halbes Jahr war es nun her, seitdem er die Erde verlassen hatte. Sein Weg hatte ihn direkt nach seiner Rückkehr zu ihrem Haus geführt. Es war viel zu spät, um jetzt noch zu klingeln, das bestätigten ihm die anderen Fenster, die alle im Dunkeln lagen. Aber dennoch hoffte er, wenigstens einen kurzen Blick auf sie erhaschen zu können.
 

Bunny ahnte nichts von der Rückkehr ihres alten Freundes. Wie jeden Abend in den letzten sechs Monaten saß sie auf ihrem Bett und hatte die Kopfhörer in ihren Ohren. Dieses Lied hatte sie an jedem einzelnen Tag gehört, seit er weg war, und noch immer berührte es sie tief.
 


 

An dem Tag, an dem ihre Freunde vom Planeten Euphe in ihre Heimat zurückgekehrt waren, hatte sie noch viel Zeit mit Mamoru verbracht. Nach so langer Zeit war er endlich wieder da und sie war überglücklich. Die Freude über seine Rückkehr übertönte die Trauer über den Abschied ihrer neuen Freunde. 

Sie war an diesem Abend erst spät nach Hause gekommen. Als sie das Licht in ihrem Zimmer anschaltete, entdeckte sie das kleine Päckchen sofort. Es lag auf dem Bett und war in rotes Papier eingewickelt und eine rote Rose lag darauf. Sie hatte keine Ahnung, wie es dorthin gekommen sein könnte oder von wem es war, doch packte die Neugier sie sofort. 

Sie setzte sich auf ihr Bett und nahm das kleine Päckchen in die Hand. Von außen gab es keinerlei Hinweise auf den Inhalt. Vorsichtig löste sie das Papier. Das erste, was ihr entgegenfiel, war ein Brief. Darunter war eine unbeschriftete CD-Hülle zu sehen. Sie faltete den Brief auseinander und begann zu lesen.
 

Mein Schätzchen,
 

Wenn Du diesen Brief liest, bin ich bereits weit von diesem Planeten entfernt, der für eine kurze, aber wunderschöne Zeit mein Zuhause war. Ich bin froh, dass wir diese Reise zur Erde machen mussten, denn sonst hätte ich Dich nicht kennengelernt. Du hast mich einfach vom ersten Augenblick an verzaubert. Obwohl wir es nicht immer leicht hatten, hat unsere Freundschaft allem standgehalten. 

Ich weiß, dass Du nicht die gleichen Gefühle für mich hegst wie ich für Dich, aber ich hoffe, dass Du mich niemals vergessen wirst. Denn nie war ein Mensch mir so wichtig wie Du.

Ich habe Dir ein kleines Abschiedsgeschenk beigelegt und hoffe, dass es Dir gefällt. Ich habe es nur für Dich gemacht.

Ich glaube daran, dass wir uns eines Tages wiedersehen.
 

In ewiger Liebe, 
 

Dein Seiya
 

Tränen waren in Bunny aufgestiegen und mit einem Finger versuchte sie, diese wieder fortzuwischen. Ihr Blick fiel auf die CD. Seiya hatte es nur für sie gemacht? Er hatte ihr eine CD aufgenommen? Mit leicht zitternden Händen öffnete sie die Hülle. ‚Say Goodbye‘ stand auf der CD. Sie nahm sie aus der Hülle und legte sie in ihren Discman. Sie steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und drückte auf Play. Die ersten Töne des Liedes waren zu hören.
 

Somewhere inside is burning

I don't know why it's hurting

Hoping for just one sign in your eyes

That tells me you will be still
 

Eine weitere Träne lief Bunny über die Wange und dieses Mal gab sie sich keine Mühe, sie wegzuwischen. 
 

Where can I go to find you? 

What must I do to feel you? 

Always looking, but too blind to see

You were there, right by my side
 

Sie sah Seiyas Gesicht vor sich und erinnerte sich an so viele schöne Momente, die sie zusammen durchlebt hatten.
 

Say goodbye, I'll never forget

Say goodbye, I believe in the day

Say goodbye, our hearts could beat both together

'cause we, we'll find a way... one day
 

Aus stummen Tränen wurde ein Schluchzen. Sie wusste, dass sie Seiya sehr viel bedeutet hatte und dass sie ihm sicher weh getan hatte, als sie immer nur von Mamoru gesprochen hatte, doch hätte sie nie damit gerechnet, dass seine Gefühle so tief gehen würden.
 

What can I do, to hold you

Now that I know, I love you

Never found that our hearts felt the same

'til the cold light of day stole our dreams
 

Liebe? War es wirklich Liebe, die Seiya für sie empfand? Bedeutete sie ihm wirklich so viel? Wie hatte er sich ihr gegenüber denn immer so locker geben können, wenn er sie wirklich liebte? Hatte er so sehr zurückgesteckt?
 

Say goodbye, I'll never forget

Say goodbye, I believe in the day

Say goodbye, our hearts could beat both together

'cause we, we'll find a way

We will find a way

We will find a way

We will find a way
 

Als die letzten Töne des Liedes verklungen waren, war Bunny vollkommen aufgewühlt. Ihr Herz schlug schnell und schmerzhaft gegen ihre Brust. Sie schluchzte unaufhörlich. Der Gedanke, dass sie Seiya nun nicht mehr um sich herum haben würde, ja wohlmöglich nie wieder sehen würde, schmerzte sie sehr. 

Nein, sie würde ihn gewiss niemals vergessen. Das war vollkommen unmöglich. 
 

Seit diesem Moment war kein einziger Abend vergangen, an dem sie dieses Lied nicht noch vor dem Einschlafen gehört hatte. Kein Tag war vergangen, an dem sie nicht an Seiya gedacht hatte. Das war sie ihm schuldig. Denn niemals würde sie ihn vergessen, das hatte sie sich selbst geschworen.
 

Noch immer stand er vor ihrem Fenster und starrte nach oben. Plötzlich konnte er eine Silhouette erkennen und sein Herz klopfte unwillkürlich schneller. Ja, das war sie. Selbst ihre Umrisse würde er jederzeit wiedererkennen. Eine unendliche Sehnsucht breitete sich in ihm aus. Es war beinahe unerträglich, ihr so nahe zu sein und sie dennoch nicht sehen zu können. Wieso nur musste es auch so spät sein? Es gab für ihn keine Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, ohne ihre Eltern zu wecken.

Das Licht erlosch. Traurig sah Seiya noch einige Sekunden nach oben, doch wusste er, dass er sie an diesem Abend keinesfalls mehr sehen würde.

„Morgen, mein Schätzchen. Morgen werde ich dich besuchen.“, dachte er bei sich, drehte sich um und verschwand am Ende der dunklen Straße.

Hold me like you'll never let me go

„BUNNY!“, rief Ikuko ihre Tochter. Ungeduldig tippte sie mit ihrem Fuß immer wieder auf den Boden.

„Das gibt’s ja wohl nicht. Sie schläft immer noch!“, murmelte sie.

„Bunny, wir fahren jetzt ohne dich!“, rief sie wieder und wartete eine Reaktion ab, doch es kam keine. Dreimal war sie im Schlafzimmer ihrer Tochter gewesen und hatte sie ermahnt, aufzustehen. Sie hatten heute alle zusammen in das neue Möbelhaus außerhalb der Stadt fahren wollen. Aber wenn Madame nicht aufstehen wollte, würden sie halt ohne sie fahren.

„Immer das Gleiche mit ihr.“, schimpfte Ikuko leise vor sich hin, schnappte sich ihre Tasche und verließ das Haus. Draußen warteten bereits ihr Mann und ihr Sohn.

„Was ist denn nun mit Bunny?“, fragte Kenji, als er sah, dass seine Frau alleine das Haus verließ.

„Sie schläft immer noch.“, antwortete sie gereizt. Shingo verdrehte die Augen. Das war mal wieder typisch für seine doofe Schwester. Sie stiegen alle ins Auto und machten sich auf den Weg.
 

Etwa eine halbe Stunde später erwachte Bunny und streckte sich genüsslich.

„Haach, hab ich gut geschlafen.“ Sie fühlte sich vollkommen zufrieden. Es war Wochenende und sie war für heute mit Mamoru verabredet. So lange hatte er schon keine Zeit mehr für sie gehabt, weil er lernen musste, doch dieses Wochenende hatten sie ganz für sich verplant. Doch zunächst würde sie noch mit ihrer Familie ins Möbelhaus fahren und sie würde ein paar neue Einrichtungsgegenstände bekommen.

Bunny stand auf und marschierte nach unten.

„Mama?“, rief sie laut, als sie ihre Mutter nicht in der Küche entdeckte.

„Papa!“ Auch ihn konnte sie nirgends entdecken.

„Die werden doch wohl nicht ohne mich gefahren sein?“, fragte sie sich selbst.

„Shingo?“ Auch ihr kleiner, nerviger Bruder war nicht da.

Das gab es doch nicht! Ihre Familie war anscheinend wirklich ohne sie gefahren. Warum hatte sie denn keiner geweckt?
 

Unruhig sah Seiya immer wieder auf die Uhr. 10:31 Uhr. Ob sein Schätzchen wohl schon auf war? Es war Wochenende und so wie er Bunny kannte, würde sie heute sicherlich lange schlafen. Er selbst hatte kaum Schlaf bekommen. Er war die ganze Nacht über unruhig gewesen. Er hatte die ganze Zeit nur an den Augenblick denken müssen, in dem er sie wiedersehen würde. Was sie wohl sagen würde?

Wieder sah er auf die Uhr. 10:33 Uhr. Er seufzte. Langsam hielt er es hier nicht mehr aus. Er stand auf und ging immer wieder auf und ab.

„Seiya, jetzt hör endlich auf damit.“, maulte Yaten ihn an. Den ganzen Morgen ging das schon so. Seiya machte ihn noch verrückt mit seiner Nervosität.

„Sorry.“, murmelte dieser und setzte sich wieder hin.

„Willst du nicht langsam mal gehen?“, fragte Yaten, der überglücklich wäre, wenn er endlich mal etwas Ruhe hätte.

„Meinst du, es ist nicht mehr zu früh?“, fragte Seiya hoffnungsvoll.

„Alter, es ist halb elf! Wenn sie jetzt nicht wach ist, dann ist es ihr eigenes Pech.“

Seiya dachte über Yatens Worte nach. Er hatte Recht. Er würde es hier auch keinesfalls mehr länger aushalten. Hastig stand er auf, schlüpfte in seine Schuhe, murmelte ein kurzes „Bis später!“ und schon war er verschwunden.

Yaten seufzte erleichtert aus. Endlich war er weg.
 

Nervös lief Seiya durch die Straßen zu Bunnys Haus. Er kannte den Weg in- und auswendig, er würde im Schlaf herfinden. Wie würde sie reagieren, wenn er auf einmal vor ihrer Tür stand? Im Kopf spielte er die Szene immer wieder ab. Einmal fiel sie ihm um den Hals, ein anderes Mal schaute sie ihn nur entgeistert an. In seiner Wunschvorstellung küsste sie ihn, doch er wusste, dass das nicht passieren würde.

Schließlich stand er vor ihrem Haus. Zögernd blieb er davor stehen und atmete einmal tief durch.

„Ganz ruhig, Seiya, das schaffst du.“, murmelte er sich selbst Mut zu. Nur noch wenige Meter trennten ihn von der Haustür. Gerade wollte er diesen Weg beschreiten, da öffnete sie sich.
 

Bunny hatte indes geduscht, sich angezogen und mit knurrendem Magen den Kühlschrank durchsucht. Nichts. Sie hatte eigentlich mit ihrer Familie frühstücken gehen wollen, aber diese Verräter waren ja nun einfach ohne sie gefahren. Kurzerhand hatte sie beschlossen, ins Crown zu gehen und dort etwas zu essen. Vielleicht würde sie dort ja auch jemanden treffen, den sie kannte. Immerhin war das unter ihren Freundinnen ein beliebter Treffpunkt.

Nachdem sie fertig angezogen war und ein dezentes Makeup aufgelegt hatte, hatte sie sich schließlich ihre Jacke geschnappt und ihre Schuhe angezogen. Sie öffnete die Haustür.
 

Sie war es. Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte zu dem Mädchen, welches gerade das Haus verließ. Noch hatte sie ihn anscheinend nicht entdeckt. Ihr Haar glänzte golden in der warmen Frühlingssonne. Allein ihr Anblick verschlug ihm den Atem. Er war einfach nicht in der Lage, sich zu bewegen.
 

Bunny sah auf. Ihre Augen weiteten sich, als sie erkannte, wer dort vor ihrem Haus auf der Straße stand. Das konnte nicht wahr sein! Nein, Seiya war doch auf seinen Heimatplaneten zurückgekehrt, oder? Wie konnte er plötzlich so einfach hier sein?

Unfähig sich zu bewegen, starrte sie ihn an. Sie sog seinen Anblick förmlich in sich auf. Er hatte sich kein bisschen verändert. Sein Haar war noch immer zu einem langen Pferdeschwand gebunden. Er trug den gleichen roten Anzug, den er auch damals so oft getragen hatte. Seine saphirblauen Augen strahlten.
 

Langsam kam Bewegung in Seiya. Er konnte doch nicht ewig hier stehen und sie anstarren. Er wollte sie endlich begrüßen, sie in den Arm nehmen. Das konnte man mit einer alten Freundin, die man so lange nicht mehr gesehen hatte, doch wohl tun, oder?

„Hallo Schätzchen.“, brachte er schließlich heraus und ein unsicheres, schiefes Grinsen zierte sein sonst so selbstsicheres Gesicht.
 

Bunny schlug eine Hand vor den Mund und ihre Augen weiteten sich noch mehr. Er war es wirklich. Es war wirklich Seiya! Als sie das endlich realisiert hatte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie ging auf ihn zu. Erst langsam, doch bald wurden ihre Schritte schneller und sie fing an zu rennen, bis sie schließlich in seine Arme fiel.
 

Er fing sie auf und pures Glück durchströmte seinen Körper. Sie freute sich, ihn wiederzusehen! Er zog sie fest an sich und atmete genüsslich ihren süßlichen Duft ein. Er spürte, dass ihre Finger sich in sein Hemd krallten und ihr Kopf fest an seiner Brust lag.

Allein dieses Mädchen in seinen Armen halten zu dürfen, machte ihn unendlich glücklich. Oh Gott, wie hatte er sie vermisst. Es war nicht eine Minute vergangen, in der er sich nicht nach ihr gesehnt hatte. Sie allein hatte seine Gedanken beherrscht, seine Träume! Er hatte ihre Stimme vermisst, ihr Lachen, ihren Geruch, ihre ganze Art. Er kannte niemanden, der so war wie sie. Sie war einfach einzigartig. Sie war sein Schätzchen! Und dafür würde er sie immer lieben, komme, was wolle.
 

„Seiya…“, wisperte Bunny gegen seine Brust. Er löste sich leicht von ihr und sah ihr ins Gesicht. Ihre blauen Augen hatten ihn damals schon immer wieder aufs Neue verzaubert und daran hatte sich nichts geändert. Wie in Trance legte er seine Hand an ihre Wange, während er ihr weiter in die Augen sah.

„Schätzchen, ich…“, setzte er an, doch wusste er eigentlich gar nicht, was er sagen sollte.

Sie lächelte. Sie verstand auch ohne Worte.

„Ich habe dich auch vermisst.“, sagte sie und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Er freute sich so sehr, sie endlich wiederzusehen. Nur eines fehlte, um diesen Moment perfekt zu machen, und es war eine Qual sie nicht einfach zu küssen. Doch er wusste, dass er das nicht tun durfte. Er wollte sie nicht verschrecken. Er wollte die Zeit mit ihr einfach genießen.
 

Auch sie freute sich wahnsinnig, dass ihr Freund Seiya wieder da war. Er hatte ihr damals durch eine sehr schwere Zeit geholfen. Immer ist er für sie da gewesen und obwohl er ihr teilweise ganz schön auf die Nerven gegangen ist, hatte er schnell ihr Vertrauen gewinnen können. Aus irgendeinem Grund hatte sie angefangen, ihn sehr zu mögen. Seine offene Art und sein Charme, der bei ihr einfach nicht ankam.

Natürlich war sie froh, dass Mamoru wieder da war. Sie liebte ihn über alles. Er war ihre große Liebe, ihr Schicksal. Aber trotzdem hatte sie Seiya sehr vermisst. Er war einfach ihr allerbester Freund gewesen. Noch nie hatte sie eine so enge Freundschaft zu einem Mann gehabt. Sie vertraute ihm blind.

Jeden Abend, wenn sie ins Bett gegangen war, hatte sie das Lied gehört. Niemandem hatte sie davon erzählt, es gehörte ganz allein ihr. Nicht mal Mamoru wusste davon. Oder gerade er? Es spielte keine Rolle. Das mit Seiya hatte rein gar nichts mit Mamoru zu tun.

Und für sie zählte in diesem Moment nur eines: Ihr bester Freund war wieder da.
 

Dieser kämpfte immer noch mit sich selbst. Ihre Lippen sahen so verführerisch aus. Schließlich räusperte er sich aber und löste sich nun ganz von ihr. Viel länger hätte er der Versuchung nicht mehr standhalten können.

„Wo wolltest du denn gerade hin?“, fragte er neugierig.

„Ins Crown.“, antwortete Bunny. Plötzlich strahlte sie. „Komm doch mit!“

„Wenn du möchtest, gerne.“, antwortete Seiya.

„Klar!“, rief sie begeistert. „Ich war eh alleine unterwegs.“

„Oh, warum das denn?“, fragte er verwundert. Sonst war Bunny doch fast immer von ihren Freundinnen umringt. Und ihr Freund war ja nun auch wieder da, wie er sich schweren Herzens erinnerte.

„Naja…“ Bunny lachte und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich wollte eigentlich mit meiner Familie frühstücken gehen, aber ich habe verschlafen.“

Seiya musste lachen. Das war Bunny, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie schien sich nicht verändert zu haben und darüber war er sehr glücklich.

What's wrong with this picture?

Sie konnte noch gar nicht richtig glauben, dass er tatsächlich wieder da war. Aber es war eindeutig Seiya, mit dem sie hier vor ihrem Haus stand und mit dem sie nun – nach so langer Zeit! – ins Crown gehen wollte.

„Was machst du eigentlich hier?“, platzte sie nun raus, unfähig ihre Neugier zurückzuhalten. Seiya grinste und war gespannt auf ihre Reaktion.

„Yaten, Taiki und ich haben in der Erde ein Zuhause gefunden, welches wir auf Euphe nie hatten. Prinzessin Kakyuu hat uns aus dem Dienst entlassen und uns gestattet, von nun an hier zu leben.“

Bunny traute ihren Ohren kaum. Sie würden von nun an für immer hier auf der Erde bleiben?

„Ihr bleibt für immer hier?“, fragte sie deshalb nach.

„Ja, für immer.“, bestätigte er. „Wie findest du das?“

Sie fiel ihm ein weiteres Mal um den Hals und nach einem kurzen Moment der Überraschung zog er sie wieder fest an sich und atmete ein weiteres Mal ihren süßen Geruch ein.

„Oh Schätzchen.“, dachte er sich, während sein Innerstes verrücktspielte. „Warum kann ich dich nicht immer so halten?“

„Ich freu mich so!“, rief Bunny glücklich aus. Ihre Freunde vom Planeten Euphe würden von nun an mit ihnen zusammen hier leben. Das war toll! Was wohl die anderen dazu sagen würden? Und würden Minako und Ami nun endlich einsehen, dass sie Gefühle für Yaten bzw. Taiki hatten? War ja kaum zu fassen, dass sie es nicht erkannt hatten! Man konnte doch kaum so blind gegenüber seinen eigenen Gefühlen sein!

Sie löste sich wieder von Seiya und sah ihm glücklich lächelnd direkt in seine saphirblauen Augen. Für einen Moment vergaß sie ihr Lächeln und ihre Freunde, denn diese Augen verschlugen ihr den Atem. Noch nie war ihr aufgefallen, wie wunderschön und von welch tiefem Blau sie waren. So viele Gefühle schienen darin zu liegen. Sie meinte, Glück darin sehen zu können, aber auch etwas anderes, was sie nicht zuordnen konnte. War es Sehnsucht?
 

Sein Herz klopfte wild gegen seine Brust. Noch immer war er ihr so nah, dass er ihren feinen Geruch wahrnehmen konnte, und das brachte ihn fast um den Verstand. Sie sah ihm so tief in die Augen, dass auch er seinen Blick unter keinen Umständen von ihr abwenden konnte. Wie in Trance streckte er seine Hand aus und legte sie an ihre Wange.

„Schätzchen…“, sagte er leise.
 

Das riss sie aus ihrer Starre. Etwas verunsichert durch seine Berührung und mit geröteten Wangen versuchte sie sich von dem Anblick seiner Augen zu lösen. Sie zwinkerte ein paar Mal und bemerkte, dass ihr Herzschlag sich deutlich beschleunigt hatte. Was war nur mit ihr los?

Sie legte ihre Hand über seine, die noch immer an ihrer Wange ruhte. Sie drückte sie kurz und fand ihr Lächeln wieder.
 

Schweren Herzens zog er seine Hand zurück, ohne jedoch den Blick von ihr abzuwenden. Dazu fühlte er sich einfach nicht fähig. Zu lange hatte er sich nach ihr gesehnt. Zu stark war diese Sehnsucht gewesen. Jetzt, da sie wieder vor ihm stand, wollte er keine Sekunde damit vergeuden, ihren Anblick nicht zu genießen.
 

Sie räusperte sich, um so ihre Verlegenheit zu überspielen.

„Ähm, wollen wir gehen? Ich sterbe vor Hunger!“ Sie versuchte, sich zusammenzureißen und wieder sie selbst zu sein.

Auch Seiya schien nun wieder zu sich selbst zu finden. Er grinste.

„Gehen wir. Ich lade dich ein.“

„Du musst mich doch nicht einladen!“, protestierte Bunny, während sie sich in Bewegung setzten.

„Doch, sonst ist es kein richtiges Date.“, erklärte er mit einem Augenzwinkern.

Bunny plusterte ihre Backen auf.

„Von Date hat niemand etwas gesagt! Ich habe einen Freund und das weißt du ganz genau!“

„Ich sehe hier keinen Freund. Du bist mit mir unterwegs und wir gehen zu zweit etwas essen. Wenn das kein Date ist…“ Er grinste sie an.

„Das ist kein Date!!“, widersprach sie abermals und sah sie mit ihrem, wie sie fand, bösen Gesicht an. Dies wiederum brachte Seiya zum Lachen. Sie sah einfach zu komisch aus.

„Was gibt’s da zu lachen, du Blödmann?“, fragte sie.

„Ach nichts, Schätzchen.“, antwortete er lachend. „Du hast dich kein bisschen verändert. Und darüber bin ich sehr froh.“ Er hörte auf zu lachen und lächelte sie aufrichtig an. Ihr Ärger war verflogen. Auch sie musste unwillkürlich lächeln.

„Du hast dich auch nicht verändert.“, sagte sie, bevor sie gespielt schnippisch ihren Zeigefinger erhob. „Aber ob ich das so gut finde, weiß ich nicht so recht.“

Seiya legte seinen Arm um ihre Schulter.

„Ach komm, du hast mich doch auch vermisst.“

Sie verzog keine Miene und zuckte gespielt gleichgültig mit den Schultern. Er kam ihr mit dem Gesicht etwas näher und sah sie genau prüfend an. Ein leichter Rotschimmer zeichnete sich nun wieder auf ihren Wangen ab.

„Du hast doch eben schon zugegeben, dass du mich auch vermisst hast.“ erinnerte er sie. Einige Sekunden vergingen.

„Na gut, vielleicht ein ganz kleines bisschen.“, gab sie schließlich kleinlaut zu. Zufrieden zog er sich wieder etwas von ihr zurück, ließ aber den Arm um ihre Schultern gelegt. Wenn es sie störte, würde sie schon etwas sagen.
 

Genau darüber dachte Bunny gerade nach. Warum nahm er seinen Arm nicht einfach weg? Das war typisch für ihn! Nicht dass es ihr wirklich unangenehm gewesen wäre… Obwohl es das sollte… oder? Auf jeden Fall gehörte es sich nicht! Nur ihr Freund sollte seinen Arm um sie legen dürfen und das war nun mal Mamoru. Innerlich seufzte sie. Auch wenn er in der Öffentlichkeit nie seinen Arm um sie legte. Allgemein zeigte er sich in der Öffentlichkeit eher zurückhaltend ihr gegenüber.

Aber darum ging es grad nicht! Sie lenkte ihre Gedanken wieder zurück auf Seiyas Arm. Sie schielte kurz zu ihm rüber. Er sah nach vorne und schien durchaus zufrieden zu sein. Dieser arrogante Popstar… obwohl er ja durchaus charmant war.

„Was denkst du da schon wieder!“, schalt sie sie selbst. „Darum geht es grad nicht!!“ Sie sollte ihm endlich sagen, dass er seinen Arm da wegnehmen sollte, immerhin hatte sie einen Freund!
 

*Klick* Von einem Blitz geblendet, begriff sie kurz nicht, was gerade geschehen war.

„Hey!“, rief Seiya, löste sich von ihr und lief ein paar Schritte voraus, doch der Mann, der das Foto gemacht hatte, war schon verschwunden. Verärgert sah Seiya sich um, konnte ihn jedoch nicht mehr finden. Er drehte sich zu Bunny um und wartete, bis sie ihn eingeholt hatte.

„Was war das denn?“, fragte sie verwirrt.

„Paparazzi.“, sagte er immer noch verärgert.

„Paparazzi?“, fragte sie schockiert. „Und er hat jetzt ein Foto von mir gemacht?“

„Von uns beiden würde ich sagen…“

„Er hat ein Bild von uns beiden, auf dem du deinen Arm um mich gelegt hast??“, hakte sie nach und versuchte das Ausmaß dieser Katastrophe einzuschätzen.

„Ich befürchte schon. Es tut mir leid, Schätzchen. Das ist alles meine Schuld. Ich hoffe, das macht dir keinen großen Ärger.“ Entschuldigend sah er sie an. Sie sah ihm an, dass es ihm wirklich leidtat und dachte kurz nach.

„Hmm… Mamoru wird es bestimmt verstehen… Hoffe ich.“

Seiya spürte die Eifersucht in sich auflodern. Er schluckte.

„Wenn es sein muss, werde ich es ihm persönlich erklären.“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.

„Das ist bestimmt nicht nötig.“, versuchte sie ihn zu beruhigen. Oder doch sich selbst? Sie wusste nicht, wie Mamoru darauf reagieren würde, dass Seiya wieder da war, für immer hier bleiben wollte und dann nach so kurzer Zeit gleich so ein Foto von ihnen auftauchen würde.
 

„Hast du trotzdem noch Lust, mit mir essenzugehen?“, fragte er mit flehendem Blick. Er hoffte, dass er nicht gleich wieder alles vermasselt hatte. Er hatte ja gewusst, dass sie einen Freund hatte und hatte beschlossen, dass es ihm genügen würde, ihr ein guter Freund zu sein. Auf keinen Fall wollte er sie verlieren.

Glücklicherweise lächelte sie ihn an.

„Natürlich! Was für eine Frage!“

Erleichtert atmete er aus und erwiderte ihr Lächeln.

„Gut, dann lade ich dich jetzt eben als Wiedergutmachung ein, einverstanden?“

Bunny lachte.

„Einverstanden!“
 

Einige Zeit später saßen sie im Crown und Bunny wartete sehnsüchtig auf ihr Essen.

„Also, wie geht’s Taiki und Yaten?“, fragte sie schließlich.

„Gut.“, antwortete Seiya. „Wir alle freuen uns, endlich wieder hier zu sein. Euphe ist unsere Heimat und es war uns wichtig, dass dort alles wieder seinen geregelten Gang läuft. Aber die Erde… Tokio… ist unser Zuhause geworden.“

Bunny lächelte.

„Wieso eigentlich?“, hakte sie neugierig nach. Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, dass ein fremder Planet sie jemals dazu veranlassen könnte, Tokio zu verlassen.

„Hmm…“, Seiya überlegte kurz. „Weil wir hier frei sind.“, antwortete er schließlich.

Fragend sah sie ihn an.

„Was meinst du damit?“ Darunter konnte sie sich nichts vorstellen.

„Naja, unser ganzes Leben lang war uns bestimmt, wer wir zu sein hatten. Wir waren die Star Lights, die Beschützerinnen Kakyuus und Euphes. Kriegerinnen. Frauen.“

Bunny hörte ihm aufmerksam zu.

„Das sind wir einfach nicht, verstehst du? Wir sind Menschen wie jeder andere auch. Wir wollen das tun, was uns gefällt. Und dazu haben wir auf Euphe niemals die Möglichkeit. Dort können wir niemand anders als Fighter, Healer und Maker sein. Aber hier…“, ein träumerischer Ausdruck trat auf sein Gesicht. „…hier sind wir wir. Wir sind Seiya, Yaten und Taiki. Und wir sind das, was wir sein wollen.“

Bunny betrachtete ihn mit leicht schiefgelegtem Kopf und dachte über Seiyas Antwort nach. Verlegen lachte er auf.

„Tut mir leid, Schätzchen. Das war vielleicht ein wenig durcheinander.“

Doch sie schüttelte den Kopf.

„Nein, gar nicht. Ich kann sehr gut verstehen, was du damit meinst. Ich würde auch nicht immer Sailor Moon sein wollen. Ich kann hier auch einfach Bunny Tsukino sein, das war bei euch wohl nicht möglich…“

Er lächelte sie liebevoll an. Ja, sie verstand ihn wirklich.

„Es gibt noch einen Grund, warum die Erde zu unserem Zuhause geworden ist.“, fuhr er fort, was Bunny ihn neugierig ansehen ließ.

„Welchen denn?“

„Euch.“, antwortete er schlicht.

„Uns?“

„Ja… Ihr seid unsere Freunde geworden. Und solche Freunde wie euch hatten wir noch nie. Überhaupt hatten wir nie wahre Freunde. Wir hatten nur uns. Wir haben nur uns gegenseitig vertraut und der Prinzessin. Vertrauen anderen gegenüber war undenkbar. Aber du und die anderen habt uns gezeigt, was wahre Freundschaft bedeutet. Dafür sind wir euch sehr dankbar.“

Bunny wurde warm ums Herz. Seine Worte berührten sie sehr. Genau dafür hatte sie so lange gekämpft. Nicht nur mit ihren Feinden, sondern auch mit den Star Lights selbst, mit Haruka und Michiru. Sie hatte nicht aufgegeben und es hatte sich gelohnt.
 

„Hier eure Bestellung.“ Die Kellnerin kam und stellte zwei reichlich beladene Teller vor Bunny und Seiya ab. Sofort lief ihr das Wasser im Mund zusammen und sie griff nach dem ersten Reisbällchen.

„Gun Apfetid.“, murmelte sie durch den Reis und Seiya lachte.

„Dir auch, Schätzchen.“, sagte er und griff nun ebenfalls nach einem Reisbällchen.

I wish I could and I will, but now I just ain't got the time

Nach einem ausgiebigen Frühstück lehnte Bunny sich zufrieden und mit vollem Bauch auf der Bank zurück.

„Das war lecker.“, seufzte sie. Seiya stützte sich auf seinen zusammengelegten Händen ab und lächelte sie an.

„Satt geworden?“, fragte er vergnügt.

„Und wie!“, bestätigte Bunny.

„Freut mich… Was machen wir als nächstes?“ Breit grinsend sah er sie an, während sie ein nachdenkliches Gesicht aufsetzte und einen prüfenden Blick auf die Uhr warf.

„Mhm… eine Stunde habe ich noch, aber dann…“ Aus einem ihr unbekannten Grund fiel es ihr schwer, es ihm zu sagen. „… also ich bin noch mit Mamoru verabredet.“ Ein merkwürdig flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.

Seiyas Miene verdunkelte sich. Es war ja klar, dass Bunny am Wochenende mit ihrem Freund verabredet war. Er hatte Glück gehabt, dass er sie überhaupt angetroffen hatte, und dann auch noch allein. Und so wie er es mitbekommen hatte, hatte das auch nur so kommen können, weil sie verschlafen hatte.

Als er damals auf der Erde gewesen war, war Mamoru quasi nicht existent gewesen. Zwar hatte Bunny oft von ihm geredet und ihm klar gemacht, dass sie einen Freund hatte, doch ist er einfach nicht da gewesen und hatte sich – wie sich später herausgestellt hatte – wegen Galaxias Angriff auch nicht melden können. Ja, damals hatte er sein Schätzchen ganz für sich gehabt. Er hatte gewusst, dass es dieses Mal anders sein würde. Und trotzdem trafen die Enttäuschung und die Eifersucht ihn nun wie ein Schlag in den Magen.
 

„Seiya?“ Bunny schaute ihn verunsichert an, da er seit einiger Zeit nichts mehr gesagt hatte. Ihre Stimme riss ihn aus seinen düsteren Gedanken und sofort bemühte er sich wieder zu lächeln.

„Tut mir leid, Schätzchen. Ich hätte wissen müssen, dass du heute mit Mamoru verabredet bist.“

Bunny bekam ein schlechtes Gewissen und sie wusste nicht einmal, warum. Es war doch vollkommen normal, dass sie mit ihrem Freund verabredet war. Und Seiya war doch nur ein guter Freund, den sie lange nicht gesehen hatte. Sie musste weder vor ihm noch vor Mamoru ein schlechtes Gewissen bekommen. Und doch…

Sie schüttelte den Gedanken ab.

„Es tut mir leid.“, sagte sie bedrückt. „Ich hätte gerne noch etwas Zeit mit dir verbracht.“ Das meinte sie ehrlich. Seiya lächelte.

„Es muss dir nicht leidtun. Woher solltest du auch wissen, dass wir heute wieder hier auftauchen?“ Er zwinkerte ihr zu.

„Mhm… trotzdem…“

„Lass mich dich wenigstens noch nach Hause bringen, ja?“, bat Seiya sie.

„Einverstanden.“ Ein Lächeln zeigte sich nun wieder auf ihrem Gesicht.

Seiya winkte der Kellnerin und bezahlte für sie beide, bevor sie das Crown verließen und sich auf den Weg zurück zu Bunnys Haus machten.
 

Dort angekommen, drehte sich Bunny zu ihm um. Nun war die Zeit gekommen, sich vorerst zu verabschieden. Doch irgendwie brachte sie es nicht über die Lippen. Sie wusste, dass er enttäuscht war, dass sie nicht mehr Zeit zusammen verbringen konnten. Auch sie war es in gewisser Weise, auch wenn sie sich sehr auf ihre Verabredung mit Mamoru freute. Er hatte nicht oft Zeit für sie, da er so viel mit seinem Studium und der Arbeit zu tun hatte. Umso mehr freute sie sich, wenn er doch mal die Zeit für sie fand.

„Ähm…“, setzte sie an und er sah sie fragend an. „Möchtest du noch kurz mit reinkommen?“, fragte sie schließlich. Sie wusste selbst nicht, warum, und errötete leicht.

„Gerne.“ Seiya grinste. Er freute sich, über diese Einladung. So konnte er wenigstens noch ein paar Minuten mehr mit seinem Schätzchen verbringen.

„Ok.“ Bunnys Wangen waren gerötet. Dieses Grinsen hatte sie schon immer verunsichert… oder auf die Palme gebracht, je nachdem. Sie öffnete die Tür und hörte direkt, dass ihre Familie wieder zu Hause war. Wie zur Bestätigung trat in dem Moment Bunnys Mutter aus der Küche und erblickte ihre Tochter.

„Da bist du ja, Bunny.“

„Hallo Mama.“

„Wo warst du denn?“, fragte Ikuko ihre Tochter.

„Ähm… Frühstücken.“, antwortete diese ehrlich. „Im Kühlschrank habe ich nichts gefunden.“ Verlegen tippte sie ihre Zeigefinger aneinander.

„Das kommt davon, wenn man so lange schläft.“, antwortete Ikuko ihr. „Wir wollten ja alle gemeinsam frühstücken gehen.“

„Jaa…“, gab Bunny betreten zu. „Ich weiß…“

In dem Moment fiel ihr Seiya wieder ein, der direkt hinter ihr stand und ihrer Mutter durch die Tür noch verborgen geblieben war.

„Äh, Mama. Ich habe einen alten Freund getroffen und gefragt, ob er noch kurz mitkommen möchte.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und deutete Seiya, nun einzutreten.

Neugierig betrachtete Ikuko den Gast. Irgendwie kam er ihr bekannt vor.

„Hallo Frau Tsukino.“, begrüßte dieser sie höflich und reichte ihr die Hand. „Ich bin Seiya Kou.“

Ikuko ergriff seine Hand und schüttelte sie.

„Hallo…“, sagte sie bedächtig. Woher kannte ihre Tochter nur einen so gut aussehenden und augenscheinlich auch netten jungen Mann? Und wieso kam er ihr so bekannt vor?

„Wir gehen dann hoch, ja?“ Bunnys Stimme riss Ikuko aus ihren Gedanken. Sie ließ die Hand des jungen Mannes los.

„Ach Bunny… Mamoru hat für dich angerufen und bittet, dass du kurz zurückrufst.“

„Oh… okay.“ Sie hatte keine Ahnung, warum er angerufen haben könnte. Sie begleitete Seiya hoch auf ihr Zimmer und entschuldigte sich dann nochmal für einen Moment, damit sie Mamoru anrufen konnte.
 

Seiya sah sich in ihrem Zimmer um. Das Bild, welches Bunny, Mamoru und ein kleines Mädchen mit rosafarbenem Haar zeigte, stand immer noch dort auf der Kommode und auch ansonsten hatte sich hier nicht viel verändert. Aber noch ein weiteres Bild hatte sie aufgestellt, auch wenn es nicht ganz so auffällig platziert war. Auf diesem Bild waren er selbst, Yaten, Taiki, Kakyuu und die Mädchen zu sehen. Minako hatte darauf bestanden, ein Bild zur Erinnerung schießen zu lassen.

Neben dem Bild lag noch etwas, an das er sich erinnerte. Er lächelte. Es war ein kleiner, rosafarbener Teddyanhänger. Er hatte ihn an einem Automaten im Vergnügungspark geangelt, als er den Tag mit Bunny verbracht hatte, und ihn ihr dann geschenkt. Und sie hatte ihn tatsächlich aufbewahrt.

Sich weiterhin umsehend setzte er sich schließlich auf ihr Bett. Ein Discman lag auf ihrem Nachttisch. Neugierig nahm er ihn in die Hand. Was für Musik hörte sie eigentlich? Er wusste viel zu wenig über sie. Er kannte sie, ihren Charakter, ihre Art, aber welche Musik sie gerne hörte oder was für Filme sie gerne sah, das wusste er nicht. Sie hatten einfach viel zu wenig Zeit zusammen gehabt.

Er öffnete den Deckel des Discmans und sah die eingelegte CD. „Say Goodbye“ war darauf geschrieben, in seiner eigenen Handschrift. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Also war zumindest das letzte, was sie mit diesem Discman gehört hatte, sein Lied für sie gewesen.
 

Bunny hatte derweil Mamorus Nummer gewählt und lauschte den Geräuschen des Telefons, die verrieten, dass es gerade bei Mamoru klingelte. Nach einiger Zeit nahm er ab.

„Mamoru Chiba.“, meldete er sich.

„Hallo Mamoru.“, begrüßte Bunny ihn. Wie jedes Mal, wenn sie anrief, freute sie sich, seine Stimme zu hören.

„Hallo Bunny.“, sagte er sanft und in Bunnys Magen kribbelte es. Auch nach all der Zeit, war es immer noch, als sei sie frisch verliebt.

„Mama hat gesagt, dass du angerufen hast.“, fuhr sie dann fort. „Was gibt’s denn?“

Mamoru seufzte am anderen Ende der Leitung. Wie sollte er ihr das nur erklären? Schon wieder…

„Bunny, es tut mir wirklich leid. Die Arbeit hat angerufen. Ryoga ist krank und ich muss einspringen.“

„Du hast heute schon wieder keine Zeit?“, hakte sie nach und Enttäuschung machte sich in ihr breit. Das war nicht das erste Mal, dass er sie hängen ließ. Ständig musste er länger arbeiten oder für jemanden einspringen, lernen oder Arbeiten schreiben. Nur für sie hatte er fast gar keine Zeit. Er sagte immer, dass auch sie die Zeit zum Lernen nutzen sollte, aber er verstand einfach nicht, dass das nicht ihre Welt war.

„Es tut mir leid.“, war alles, was er dazu sagte, doch das genügte auch, um ihr zu bestätigen, dass sie richtig lag.

„Ist schon gut.“, sagte sie. „Ich verstehe das.“, obwohl sie sehr enttäuscht war. Sie sagte sich immer wieder, dass es wichtig für Mamorus Zukunft war, dass er viel arbeitete und viel lernte und dass sie nicht so egoistisch sein dürfe, ihn davon abzuhalten. Doch tief im Inneren überzeugte es sie nicht. Sie kannten doch ihre Zukunft. In ihrer gemeinsamen Zukunft würden sie über Kristalltokio regieren. Es war nicht wichtig, dass Mamoru sein Medizinstudium mit Auszeichnung bestand und Arzt wurde. Es war einzig und allein wichtig, dass sie zusammen waren.

„Danke.“, erwiderte Mamoru. „Du bist die Beste, Bunny.“

„Mhm…“

„Ich liebe dich.“ Dieses Mal machte ihr Herz keinen Hüpfer.

„Ich dich auch.“, erwiderte sie trotzdem.

Damit beendeten sie das Gespräch. Bunny stand noch einige Sekunden da und starrte auf das Telefon. Die Enttäuschung saß tief, tiefer als sie selbst es gedacht hätte. Sie hatte sich so sehr auf das gemeinsame Wochenende mit Mamoru gefreut und nun hatte er ihr mal wieder abgesagt, wie so oft in letzter Zeit.

Sie brauchte etwas, um sich wieder zu fangen und erinnerte sich an einen anderen Mann, der gerade in ihrem Zimmer auf sie wartete. Gut, dann würde sie den Tag halt mit Seiya verbringen, wenn er noch wollte. Er hatte sie noch nie hängen lassen. Einen kurzen Moment wünschte sie sich, Mamoru sei ein bisschen mehr wie Seiya. Doch schnell schüttelte sie diesen Gedanken wieder ab. Sie liebte Mamoru und Seiya brachte sie ständig auf die Palme. Nein, das wollte sie nun auch nicht.
 

Schnell eilte sie in die Küche und bereitete Tee für ihren Gast und sich selbst zu. Wenige Minuten später schritt sie mit dem voll beladenen Tablett nach oben. Sie betrat ihr Zimmer und fand Seiya auf ihrem Bett sitzend vor. Als er die Geräusche von der Tür gehört hatte, hatte er seinen Blick in diese Richtung gewandt. Er musste augenblicklich lächeln, als er sie sah. Und sie brachte Tee mit, was hieß, dass er zumindest nicht sofort wieder gehen musste. Sie stellte es auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes ab und sie beide setzten sich dort auf den Boden.

„Und Schätzchen? Wie lange habe ich dich noch für mich?“, fragte er mit einem Zwinkern, obwohl er innerlich gar nicht so ruhig war. Er freute sich nicht gerade, dass sie keine Zeit für ihn hatte, weil sie sich mit Mamoru traf.

Ein trauriger Ausdruck trat auf Bunnys Gesicht.

„Mamoru hat mir für heute abgesagt.“, erklärte sie. In ihm machten sich gemischte Gefühle breit. Er freute sich, dass sie Mamoru nicht traf und er nun doch den Tag mit ihr verbringen könnte, wenn sie das wollte. Aber gleichzeitig tat Bunny ihm leid. Sie sah wirklich unglücklich aus. Außerdem machte sich Wut in ihm breit. Wut, dass dieser Typ sein Schätzchen so schlecht behandelte. Er selbst würde lieber sterben, als Bunny traurig zu machen.

„Das tut mir leid.“, sagte er schließlich und meinte es auch so.

„Das muss es nicht.“ Ein wehmütiger Ausdruck trat in ihre Augen. „Es ist nicht das erste Mal… Aber es macht mir nichts aus. Es ist wichtig, dass er Erfolg in seinem Job und seinem Studium hat.“ Sie hatte das Gefühl, dass sie Mamoru verteidigen musste und damit irgendwie auch sich selbst.

Seiya schnaubte. Er wusste, dass es ihr sehr wohl etwas ausmachte. Er musste sie nur ansehen. Seine Abneigung gegen diesen Kerl wollte er aber lieber nicht zeigen. Er wusste, dass sie ihn liebte und dagegen hatte er keine Chance. Und so lange das so war, würde er sich nicht einmischen. Er würde immer für sie da sein, wenn sie ihn brauchte, ihr ein guter Freund sein.

Er beschloss, dass es für sie das Beste wäre, wenn er sie ablenken konnte. Prompt setzte er sein typisches Grinsen auf und rückte ein Stückchen näher.

„Dann hast du heute also doch Zeit für mich?“, fragte er schelmisch. Bunny wurde rot. Dass er sie immer so aus dem Konzept bringen musste!

„Ich.. äh… Ich denke schon.“, antwortete sie schließlich verlegen und erntete dafür einen zufriedenen Blick von Seiya.

The sun is up, I'm so happy I could scream

“Wir könnten schwimmen gehen.”, schlug Seiya vor, der die Hitze, die momentan Tokio beherrschte, nicht mehr gewohnt war. Auf Euphe war es nie so heiß. Bunnys Augen leuchteten bei dem Vorschlag.

„Vor der Stadt hat ein neuer Wasserpark eröffnet, da wollte ich sowieso sooo gerne hingehen!“ Begeisterung schwang in ihrer Stimme mit, die Seiyas Herz höher schlagen ließ. Er liebte es, sie so glücklich zu sehen. Ganz besonders, nachdem sie wegen Mamoru so traurig war. Er würde sie schon auf andere Gedanken bringen. Vielleicht würde sie dann auch irgendwann merken, dass Mamoru nicht der Richtige für sie war. Schnell schüttelte er diesen Gedanken jedoch wieder ab. Er hatte sich geschworen, sich keine falschen Hoffnungen zu machen, wenn sie wieder auf der Erde waren.

„Na dann, auf zum Wasserpark.“, verkündete er und stand auf.

„Warte, ich brauche noch meine Badesachen.“, lachte Bunny und riss ihren Schrank auf. „Irgendwo hier muss er doch sein…“

Ein Kleidungsstück nach dem anderen riss sie aus dem Schrank und bedeckte nach und nach den Boden damit. Seiya staunte nicht schlecht über den Wäscheberg, der sich langsam aber sicher vor seinen Füßen auftürmte.

„Hab ihn!“, rief Bunny aus und hielt ihren Bikini in der Hand.

„Da fällt mir ein, ich brauche ja auch noch eine Badehose.“, sagte Seiya grübelnd. „Ich glaube, wir müssen noch kurz in einem Bademodengeschäft vorbei.“

„Hast du keine Badehose zu Hause?“, fragte Bunny.

„Ähm… doch, sicher… Aber es würde viel schneller gehen, einfach eine neue zu kaufen.“

„Wenn ich mir ständig neue Badesachen kaufen würde, wäre mein Taschengeld aber schnell leer.“, überlegte Bunny laut. Seiya lachte.

„Hast du eine Ahnung, was wir als Three Lights verdient haben?“

„Nein.“, gab Bunny zu. „Keine Ahnung.“

„Genug, um mir hunderte von Badehosen zu kaufen.“, erklärte Seiya belustigt und freute sich über Bunnys Augen.
 

Eine halbe Stunde später standen sie zusammen in einem Geschäft und Seiya beäugte kritisch die dort angebotenen Badehosen.

„Was meinst du, Schätzchen?“, fragte er seine Begleitung, die unbestimmt um sich blickte.

„Wieso ich?“, fragte sie.

„Na, ich will dir doch gefallen.“, sagte er grinsend und legte seine Hand auf ihre Schulter. Bunnys Wangen röteten sich und sie sah demonstrativ von ihm weg. Einige Sekunden vergingen, dann streckte sie ihre Hand aus und zeigte auf eine schwarze Badehose mit je einem breiten roten Streifen an jeder Seite.

„Die da.“, sagte sie und Seiya folgte ihrem Blick. Er griff sich die Badehose, beäugte sie kurz kritisch und ging dann damit zur Kasse.

„Genehmigt.“, sagte er und zwinkerte Bunny zu, deren Wangen immer noch gerötet waren.
 

Eine weitere halbe Stunde später verließen sie das Taxi, welches direkt vor dem neuen Wasserpark gehalten hatte. In großen Lettern stand dort „Splash & Fun Wasserpark“. Bunnys Augen glänzten vor Freude. Schon von weitem konnte sie die verschiedenen Rutschen sehen, die sich über das ganze Gelände zogen und in den verschiedensten Farben leuchteten. Sie hörte das Plätschern und Platschen von Wasser, die Schreie und das Lachen der Gäste.

„Zweimal bitte.“, sagte Seiya zu der Kassiererin und bezahlte die Tickets, während Bunny noch in ihrer Tasche kramte.

„Kommst du, Schätzchen?“, fragte er, als Bunny noch gar nicht mitbekommen hatte, dass er weitergehen wollte.

„Ich finde mein Portemonnaie nicht.“, antwortete sie verzweifelt.

„Ich habe doch schon bezahlt.“

„Ja, aber…“, wollte sie protestieren, doch Seiya unterbrach sie.

„Ich lade dich ein.“

„Aber…“, setzte sie erneut ein.

„Kein Aber.“, lachte Seiya. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich mir von dem Geld, was wir damals verdient haben, hunderte Badehosen kaufen könnte. Glaub mir, ich kann es mir auch leisten, dich einzuladen.“

Verlegen sah Bunny ihn an. Warum war er so nett zu ihr und lud sie zu allem ein? Ja, ok, er war ein Star und verdiente mit Sicherheit viel Geld, aber deshalb musste er sie doch nicht ständig einladen. Das machte man doch nicht, wenn man einfach nur Freunde war, oder?

„Danke…“, murmelte sie verlegen. Er lächelte sie vergnügt an.

„Gern geschehen. Kommst du jetzt?“

Bunny hatte gar nicht bemerkt, dass sie immer noch vor der Kasse stand und die Leute hinter ihnen daran hinderte, zu bezahlen. Sie wurde rot.

„Entschuldigung.“, sagte sie noch schnell, bevor sie sich Seiya anschloss und den Wasserpark endlich betrat.
 

„Dort drüben sind Umkleidekabinen.“ Seiya zeigte auf ein Gebäude wenige Meter rechts vom Eingang. Die kurze Distanz hatten sie schnell überwunden.

„Treffen wir uns gleich wieder hier?“, fragte Seiya.

„Ja.“, Bunny nickte zustimmend, wobei ihr Blick bereits über die herrlich blau leuchtenden Becken schweifte. Sie konnte es kaum erwarten, endlich das erste Schwimmbecken zu betreten und sich abzukühlen.

Beinahe schon widerwillig betrat sie die Umkleidekabine und kramte in ihrer Tasche nach ihrem Bikini. Schnell tauschte sie ihr Sommerkleid und ihre Unterwäsche gegen den Bikini, verstaute ihre Klamotten in ihrer Tasche und sperrte sie in eines der Schließfächer.

Voller Übermut verließ sie die Umkleidekabine wieder und trat nach draußen in das warme Sonnenlicht. Sofort hing ihr Blick wieder an den verschiedenen Schwimmbecken, die durch die reflektierende Sonne glitzerten.
 

Auch Seiya hatte indes die Umkleidekabine verlassen und sein Blick fiel sofort auf Bunny. Seine Wangen färbten sich augenblicklich rot. Sie sah einfach umwerfend aus in ihrem dunkelblauen Bikini, der sich perfekt an ihre dezenten Rundungen schmiegte. Ihm wurde sogar noch heißer als zuvor und sein Herz klopfte aufgeregt gegen seine Brust. Es war nicht das erste Mal, dass er sie im Bikini sah und doch haute es ihn um. Genau wie damals am See. Er hatte seine Verlegenheit schon immer gut überspielen können, doch hatte er seinen Blick kaum von ihr abwenden können.

Genauso fühlte er sich in diesem Moment wieder. Er war unfähig, woanders hinzusehen. Warum sollte er sich das Wasser ansehen oder wohlmöglich noch die anderen Mädchen hier, wenn er sie ansehen konnte, diesen wunderschönen Engel, mit dem er den heutigen Tag – wie durch eine glückliche Fügung des Schicksals – verbringen würde.
 

Freudestrahlend sah Bunny sich um, als ihr Blick plötzlich auf Seiya fiel, den sie zunächst gar nicht bemerkt hatte. Ihre Gesichtszüge entgleisten etwas, als sie ihn erspähte. Auch ihre Wangen nahmen einen deutlichen Rotschimmer an. Zum einen war es ihr etwas peinlich, so knapp bekleidet vor ihm zu stehen und zum anderen… sah er einfach unglaublich aus.

Bisher hatte sie sich auf diese Weise nicht sonderlich für Männer interessiert. Sie hatte am Strand oder im Schwimmbad nie die Kerle in Badehose begutachtet, selbst wenn sie eine gute Figur hatten. Auch Mamoru hatte sie noch nie so betrachtet. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie ihn überhaupt jemals ohne Hemd gesehen hatte…

Doch dieser Anblick von Seiya warf sie irgendwie aus der Bahn. Ihr war damals gar nicht aufgefallen, dass er so einen tollen Körper hatte. Oder hatte er sich seitdem verändert? Seiya war immer noch genauso groß und schlank wie damals. Er war sogar ausgesprochen schmal, wenn man ihn mit anderen Männern verglich, und doch wirkte er kein bisschen schmächtig. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich ab. Seine Taille war ausgesprochen schmal, wobei er zu den Schultern hin deutlich breiter wurde.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken und ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus. Nur allmählich wurde ihr bewusst, dass sie ihn anstarrte. Und nicht einfach ihn, sondern seinen halbnackten Körper. Ihre Wangen nahmen einen noch tieferen Rotton an und sie sah schnell weg.

Zudem wurde sie sich auch noch dessen bewusst, dass auch sie nur im Bikini vor ihm stand und dieser nicht viel Platz für Fantasie übrig ließ. Und er sah sie an, so wie sie ihn ansah.
 

„Da bist du ja endlich.“, sagte sie, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Ihre Worte rissen nun Seiya aus seiner Starre.

„Ich… ja…“, stotterte er. Oh Gott, er brauchte definitiv eine Abkühlung. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

„Los, lass uns schwimmen gehen.“, forderte Bunny ihn nun auf und freute sich schon auf das kühle Nass.

„Gut.“, stimmte er zu und bewegte sich auf das nächste Becken zu, darauf bedacht, dass sie nicht zurückblieb, und trotzdem ohne sie direkt anzusehen. Das Schwimmbecken war recht groß und führte sie wie an einem Strand seicht in immer tiefer werdendes Wasser. Langsam machte Seiya ein paar Schritte in das Becken, wobei das kühle Wasser seine Füße angenehm umspülte.

Plötzlich rannte Bunny mit lautem Platschen an ihm vorbei und warf sich jauchzend in das Wasser. Zunächst etwas verdutzt, dann aber von ihrer Fröhlichkeit angesteckt, sah er ihr dabei zu und hechtete hinterher. Er hatte dieses Mädchen nur selten so ausgelassen und glücklich gesehen, war sie doch bei seinem letzten Aufenthalt auf der Erde in ständiger Sorge um ihren Freund gewesen. Und die Bedrohung durch Galaxia hatte sicherlich auch nicht gerade zu einer guten Stimmung beigetragen.
 

Lachend spritzte Bunny ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht.

„Na warte!“, rief er und rächte sich umgehend, wodurch eine kleine Wasserschlacht zwischen den beiden entfachte. Sie überhörten die Ankündigung, dass dieses Becken nun für die nächsten Minuten als Wellenbad fungieren würde, und bemerkten auch die immer höher werdenden Wellen nicht, bis Bunny schließlich von einer solchen erfasst und nach vorne geschleudert wurde – direkt in Seiyas Arme. Durch das unerwartete Gewicht und die vorher unbemerkten Wellen wurde auch er umgerissen.

Hustend und lachend rappelte er sich wieder auf und half auch Bunny wieder auf die Beine. Auch sie hustete und versuchte die Haare, die ihr im Gesicht klebten, zu bändigen. Sie traute sich nicht, die Augen zu öffnen, da sie sonst sicherlich Chlorwasser ins Auge bekommen würde und das brennen würde. Blind wie sie war, war sie jedoch nicht auf die nächste Welle vorbereitet und wurde direkt wieder umgerissen.

Seiya hatte dieses Mal jedoch festeren Stand und fing sie auf. Kurzerhand zog er sie mit sich in etwas seichteres Gewässer, wo sie sich endlich wieder fangen konnte. Die Augen hatte sie wieder frei, doch sie hustete noch immer. Seiya lachte. Ihm hatte das ganze eher Spaß bereitet und ihr Anblick war einfach zu komisch.

„Was lachst du denn so? Das ist gar nicht witzig!“, quengelte sie etwas.

„Ich find’s schon witzig.“, antwortete er grinsend.

„Ich nicht.“, sagte sie trotzig. „Ich hab Wasser in die Nase bekommen und welches verschluckt und jetzt brennt meine Nase und mein Hals kratzt auch.“

„Ach Schätzchen.“ Er lächelte sie liebevoll an. Manchmal war sie wirklich wie ein Kind, aber das gefiel ihm an ihr. Ihre natürliche, kindliche Art. „Ich geb‘ dir ‘ne Cola aus, ja?“

Sie linste zu ihm rüber und überlegte kurz.

„Gut.“ Ihre Laune besserte sich augenblicklich. Seiya holte schnell sein Geld und wenige Minuten später saßen sie auf der Terrasse des Schwimmbad-Restaurants und tranken jeweils eine eisgekühlte Cola.

„Besser?“, fragte er sie zwinkernd.

„Ja, vielen Dank.“, antwortete sie lächelnd. Es war wirklich nett von ihm, sie auf eine Cola einzuladen. Überhaupt war er eigentlich fast immer nett zu ihr.

Er war glücklich. Das halbe Jahr auf Euphe war eine Qual für ihn gewesen. Es war ihm schon schwer gefallen, sie auf der Erde zurückzulassen und einfach auf seinen Heimatplaneten zurückzukehren, doch hatte er nicht ahnen können, wie schwer es danach für ihn werden würde. Seine Gedanken waren immer nur bei ihr. Es hatte ihm schon beinahe körperliche Schmerzen bereitet, dass er sie nicht mehr sehen konnte und sie in den Armen eines anderen Mannes wusste.

Doch jetzt, jetzt saß er hier mit ihr. Sie sah glücklich aus, sie hatten Spaß, die Sonne schien. Für diesen Moment wollte er nicht an den anderen Mann denken. Er wollte einfach einen Tag mit ihr genießen, der Frau, die er über alles liebte. Nur sie konnte ihn gänzlich glücklich machen. Ohne sie war sein Leben kalt und leer. Doch jetzt, da er wieder auf der Erde war, musste er nicht mehr ohne sie leben. Er wusste, dass sie ihn nicht liebte. Aber das würde er akzeptieren müssen, denn ihre Freundschaft war so viel besser, als ohne sie auskommen zu müssen.
 

„Was möchtest du als nächstes machen?“, fragte er. Sie überlegte kurz und zeigte dann auf eine Stelle, an der viele gelbe Ringe aufgestapelt waren.

„Das würde ich gern mal anschauen.“, sagte sie.

Kurze Zeit später standen sie am Rand des Beckens. Nach rechts führte das längliche Becken in einen Tunnel mit spärlicher Beleuchtung. Nach links machte es nach einigen Metern eine Kurve. ‚Lazy River‘ stand dort geschrieben. Fragend sah Bunny Seiya an.

„Was bedeutet das?“ Ihr Englisch ließ wirklich zu wünschen übrig.

„Fauler Fluss.“, übersetzte er wörtlich. Er schnappte sich einen der großen gelben Ringe und reichte ihn seiner Begleitung, bevor er sich selbst auch einen nahm. Er stieg die Treppen zum Wasser hinab und ließ sich auf dem Ring nieder. Bunny verstand und tat es ihm nach. Sofort bemerkte sie eine sanfte Strömung, die sie mit sich zog.

„Hey, warte!“, rief sie Seiya nach, der schon ein Stückchen von ihr entfernt war. Er drehte sich nach ihr um und griff nach dem Beckenrand, um so auf sie warten zu können. Nach einigen Sekunden hatte sie ihn eingeholt. Er ließ den Beckenrand wieder los und griff stattdessen nach dem Griff an ihrem Ring, sodass sie nicht wieder auseinandergetrieben werden würden.

Bunny seufzte entspannt und lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen gegen die helle Sonne und ließ sich einfach treiben. Dass Seiya sie beide beieinander hielt, verlieh ihr ein Gefühl der Sicherheit. Sie wusste, dass sie sich auf ihn verlassen und ihm vertrauen konnte.
 

Seiya indes beobachtete Bunny, die so entspannt auf ihrem Ring lag und die Füße und eine Hand im Wasser baumeln ließ. Ja, er war wirklich glücklich. So sah ein perfekter Tag für ihn aus. Er unternahm etwas mit der Frau, die er liebte, und das ohne die anderen. Nur sie zwei an einem so schönen Ort wie diesem und an einem so schönen Tag wie diesem.

Entspannt lehnte auch er sich zurück, wobei er seine Hand nicht vom Griff von Bunnys Ring löste. Gemächlich trieben sie durch das flussartige Becken und nahmen die Gegenwart des anderen wahr, ohne dass sie sich ansahen oder sich unterhielten. Allein die Anwesenheit des jeweils anderen genügte in diesem Augenblick völlig.

... And There's Nowhere Else In The World I'd Rather Be!

So entspannt hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Sie genoss es, langsam auf ihrem großen gelben Reifen vor sich hinzutreiben und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Um sich herum hörte sie das Gekreische von Kindern, das Gelächter der Erwachsenen, das Plätschern von Wasser und das Zwitschern der Vögel, und trotz der vielen Geräusche trug das alles nur zu ihrer Entspannung bei.

Plötzlich bemerkte sie, dass es um sie herum dunkel wurde und die Sonne sie nicht mehr erreichte. Vorsichtig öffnete sie die Augen und stellte fest, dass sie in einem längeren, kurvigen Tunnel angekommen waren. Die Geräusche um sie herum waren nun eher gedämpft, auch wenn sie sie immer noch hören konnte. Außer ihr und Seiya war niemand hier.

Sie blickte zur Seite und sah Seiya, der ihren Ring noch immer mit einer Hand festhielt und sie ansah. Auch er hatte bis eben die Augen geschlossen gehalten und sie wieder geöffnet, als er die Veränderung um sich herum wahrgenommen hatte. Als sie ihn ansah, lächelte er.

„Alles in Ordnung, Schätzchen?“, fragte er. Seine Stimme hallte von den Wänden wider. Bunny nickte und lächelte glücklich.

„Ja.“ Und das war es auch. Mehr als das. Sie fühlte sich wirklich glücklich. Seit langem verbrachte sie mal wieder einen Tag ohne Hausaufgaben oder andere Sorgen. Sorgen, die meistens Mamoru betrafen. Sie konnte vollkommen abschalten und all ihre Probleme für einen Moment hinter sich lassen. Und das hatte sie Seiya zu verdanken. Ohne ihn säße sie jetzt vermutlich zu Hause und hätte sich Gedanken darüber gemacht, dass Mamoru schon wieder keine Zeit für sie hatte.

Doch diese Gedanken vertrieb sie schnell wieder aus ihrem Kopf. Im Moment wollte sie nichts weiter, als den Tag mit ihrem lange vermissten Freund Seiya zu verbringen und zu genießen.
 

Langsam trieben sie wieder aus dem Tunnel heraus. Die Sonne brannte wieder gnadenlos auf sie herunter. Schon längst war ihre Haut getrocknet und nur an ihren Badesachen und an ihren Haaren konnte man sehen, dass sie schon einmal im Wasser gewesen sind.

Bunny legte ihre kühle Hand, die sie bis dahin ins Wasser gehalten hatte, auf ihren Bauch und bemerkte, dass ihre Haut sich stark aufgeheizt hat. Die Kühle tat gut, doch dass sie nun gleich komplett in das kalte Wasser springen sollte? Davor grauste es ihr.

Kurz hinter dem Tunnel waren schon die Treppen, die langsam ins Wasser führten und bei denen man die Fahrt auf dem Lazy River beginnen oder beenden konnte. Als sie die Treppen erreicht hatten, ließ Seiya Bunnys Ring los und sprang von seinem eigenen hinein ins Wasser. Es spritzte leicht in Bunnys Richtung und sie quietschte etwas.

„Komm schon, Schätzchen. Ich möchte zu den Rutschen.“

Voller Graus sah sie zu den verschiedenen Rutschen. Einige von ihnen waren ja vollkommen in Ordnung, aber es gab auch welche, bei denen man am Ende wie durch einen Trichter in freiem Fall in das Becken geschleudert wurde, oder welche, die so steil waren, dass es beinahe gerade nach unten ging. So wie sie Seiya kannte, reizten ihn gerade diese Wasserrutschen am meisten.

Energisch schüttelte sie den Kopf.

„Ich will aber nicht!“, protestierte sie und klammerte sich an den Griffen ihres gelben Ringes fest. Seiya lachte.

„Jetzt komm schon, da ist doch nichts dabei!“

„Nein!“ Viel lieber würde sie noch eine Weile faul auf dem Wasser herumtreiben und die Sonne genießen.

„Wenn du nicht freiwillig mitkommst, muss ich dich eben dazu zwingen.“, sagte Seiya und setzte einen bewusst diabolischen Blick auf. Er griff nach Bunnys Händen und versuchte sie, von den Griffen des Ringes zu lösen – jedoch erfolglos. Viel zu verbissen klammerte sie sich an ihrem buchstäblichen Rettungsring fest und strampelte dabei mit den Beinen, um sich besser gegen ihren Angreifer wehren zu können.

„Na schön, dann eben so.“, verkündete er, packte den Ring an der Unterseite und hievte ihn aus dem Wasser, sodass Bunny dank der Schwerkraft aus ihrer sicheren Position herausrutschte und vollständig im Wasser landete.

„Seiyaaa!“, kreischte sie. „Du bist so gemein!“ Das Wasser war nach dem langen Sonnenbad, das ihren Körper aufgeheizt hat, ganz besonders kalt. Sofort fing sie an, ihre Begleitung nass zu spritzen. Um sich zu rächen, aber auch, um ihn vom Lachen abzubringen. Denn das tat er ihrer Meinung nach viel zu laut.

Seiya hielt die Hände vor sein Gesicht, um den Wasserschwall von Bunny abzuwehren.

„Komm schon, Schätzchen.“, lachte er. „Wir wollen doch ein bisschen Spaß haben und nicht nur den ganzen Tag faul herumliegen. Das hätten wir auch zu Hause machen können.“

Auch er hatte die Fahrt auf dem Lazy River zusammen mit seinem Schätzchen sehr genossen, doch nun stand ihm der Sinn eher nach etwas Action. Und diese Rutschen sahen teilweise ziemlich interessant aus. Ja, es gab auch ein paar langweilige unter ihnen, aber ihn sprach insbesondere eine Rutsche an, die wie ein riesiges U geformt war. Man konnte auf einem ähnlichen Reifen wie denen des Lazy Rivers beinahe im 90°-Winkel herunterrutschen und der Schwung war so groß, dass man auf der anderen Seite noch einige Meter wieder nach oben geschleudert wurde. Das war wahrlich nach seinem Geschmack.

Enthusiastisch packte er sie bei der Hand und zog sie einfach mit sich. Er liebte es hier! All diese Attraktionen, er fühlte sich wie ein kleines Kind. Wobei er nicht wirklich wusste, wie man sich als normales Kind fühlte, da er ab frühester Kindheit darauf trainiert worden ist, als Sailorkriegerin an Kakyuus Seite zu stehen und zu kämpfen.
 

„Seiya, wo läufst du denn hin?“, quengelte Bunny, die eine schlimme Vorahnung hatte.

„Na, was denkst du?“, stellte er vergnügt eine Gegenfrage. „Jetzt geht der Spaß erst richtig los.“

Wie befürchtet standen sie wenige Minuten später einige Meter über dem Boden auf einer großen Plattform, von der aus eine riesige orangefarbene Rutsche steil herabfiel. Schon allein bei dem Anblick bekam Bunny wackelige Knie. Ängstlich klammerte sie sich an Seiyas Arm und versteckte sich hinter ihm.

„Ich will da nicht runter!“, sagte sie mit einer leicht weinerlichen Stimme.

„Du brauchst doch keine Angst zu haben, Schätzchen.“, versuchte er sie zu beruhigen.

„Aber… aber… das sieht ganz schön gefährlich aus.“ Sie schien nicht sehr überzeugt.

„Quatsch. Die haben hier alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Rutschbahn ist breit, es gibt ein Geländer, es darf immer nur einer zur Zeit rutschen. Wirklich, da kann gar nichts passieren.“

„Ich weiß nicht…“ Skeptisch sah sie auf die riesige Rutschbahn hinab und beobachtete einen kleinen Jungen, der gerade auf einem der Reifen platznahm und schon kurze Zeit später mit einem Freudenschrei hinunterrutschte. Bei diesem Schwung erreichte er schon fast das Ende der anderen Seite, die genauso steil in den Himmel hinaufragte, wie die Abfahrt herunterging.

Sie verkroch sich noch ein bisschen mehr hinter seinem Rücken und beobachtete auch die weiteren Kinder und Jugendlichen vor ihnen. Die Schlange wurde immer kürzer und irgendwann standen sie und Seiya ganz vorne. Der Parkangestellte legte einen Reifen bereit und sagte, dass der nächste sich schon mal vorbereiten könne. Seiya schob gleich Bunny nach vorne, die sich dem jedoch entgegenlehnte.

„Nein. Ich will nicht!“, rief sie ängstlich.

„Komm schon, Schätzchen. Hab keine Angst. Du rutschst zuerst und kannst mir dann von unten zusehen, ok?“ Er versuchte sie zu beruhigen.

„Nein!“, protestierte sie, wurde jedoch sanft von Seiya in den vorgesehenen Reifen gedrückt. Sie klammerte sich an den Griffen fest und sah panisch nach unten.

„Gut. Sie können jetzt rutschen.“, sagte der Angestellte.

„Bereit?“, fragte Seiya grinsend.

„Nein!“, rief Bunny panisch aus.

„Zu spät.“ Mit einem breiten Grinsen schob er sie nach vorne. Sie ruderte wild mit ihren Armen, um die Abfahrt noch zu verhindern, doch das nicht mehr möglich. Mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit sauste sie die Rutschbahn herab.

„Seiiiyaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!“, kreischte sie. Seiya hielt sich den Bauch vor Lachen. Der Anblick war einfach zu gut. Dazu ihre Stimme, die rasant schnell leiser wurde, als sie sich in dieser Geschwindigkeit immer weiter von ihm entfernte.

Völlig zerstört kam sie schließlich zum Stehen. Ihre Haare standen in alle Richtungen und ihr Herz klopfte viel zu schnell und viel zu hart gegen ihre Brust. Sie keuchte schwer und stieg mit Wackelpuddingbeinen aus dem Reifen und verließ die Rutschbahn.

„Das wird er mir büßen.“, schwor sie sich und drehte sich aus sicherer Entfernung zu der Rutsche um. Sie sah Seiya ganz oben in einem weiteren Reifen platznehmen und nur kurze Zeit später raste auch er die steile Abfahrt hinab. Sie konnte seinen Freudenschrei bis unten hören und irgendwie musste sie jetzt doch lächeln. Er hatte nicht immer ein einfaches Leben, ganz besonders da sein Heimatplanet zerstört worden war, und irgendwie hatte er es ja auch verdient, jetzt so ausgelassen zu sein.
 

Kurze Zeit später kam er freudenstrahlend auf sie zu. Das hatte wirklich Spaß gemacht! Er hatte Recht behalten, die Rutsche war wirklich genau nach seinem Geschmack. Einer Eingebung folgend schlang er seine Arme um Bunny und wirbelte sie einmal durch die Luft, wobei er ausgelassen lachte. Nie hatte er sich so lebendig gefühlt.

Bunny quiekte kurz auf, doch bevor sie es sich versah, setzte er sie auch schon wieder auf dem Boden ab. Mit roten Wangen starrte sie ihn an. Wo kam das denn jetzt her? Seine Hände ruhten auf ihren Schultern und als ihm bewusst wurde, wie nahe er ihr grad war, änderte sich auch sein Gesichtsausdruck. Sein ausgelassenes Grinsen verblasste und auch auf seinen Wangen zeigte sich eine leichte Röte.

„Ähm…“ Schnell nahm er seine Hände runter. „Was willst du als nächstes machen?“

„Ich äh…“ Verlegen sah sie auf den Boden. „Ich glaub, ich brauch jetzt ein bisschen Entspannung.“

Sie deutete auf ihre zitternden Hände, denn ihr Puls hatte sich nach der rasanten Abfahrt – und nach Seiyas stürmischer Umarmung – noch nicht wieder beruhigt.

Liebevoll lächelte er sie an. Für sie würde er einfach alles machen. Er wünschte sich bloß, dass ihr das bewusst wäre. Und sie seine Gefühle erwiderte…
 

Sie suchten sich zwei Sonnenliegen und legten ihre Handtücher, die sie zuvor aus ihren Spinden geholt hatten, darauf. Mit einem erleichterten Seufzen ließ Bunny sich auf der Liege nieder. Das tat gut nach der ganzen Aufregung!

„Schätzchen?“, sprach Seiya sie an. Sie öffnete nur ein Auge.

„Hm?“ Sie konnte schon sein Grinsen sehen.

„Soll ich dich eincremen?“, fragte er und hörte sich beinahe wie ein böser Wolf im Schafspelz an.

„Nein, danke!“, antwortete sie, verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah stur zur Seite. Seiya lachte.

„Na, schön. Aber kannst du MIR vielleicht den Rücken eincremen? Ich bin diese Sonne einfach nicht gwöhnt.“

Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen sah sie zu ihm herüber. Er lächelte sie an und hielt ihr die Sonnencreme entgegen.

„Bitte.“, flehte er und setzte einen Hundeblick auf. Bunny seufzte resignierend, wobei ihre Wangen noch immer deutlich gerötet waren. Sie nahm ihm die Tube aus der Hand und er drehte ihr sogleich den Rücken zu. Kurz zögerte sie, bevor sie seinen langen Pferdeschwanz zur Seite strich, sodass er ihm nach vorne über die Schulter fiel, wo er sie beim Eincremen nicht störte.

Wie sie es schon immer getan hatte, wenn sie jemanden eincremen sollte, malte sie ihm mit der Sonnencreme einen Smiley auf den Rücken.

„Ist das ein Smiley?“, fragte Seiya, der die kühle Creme auf seiner Haut spüren konnte. Sie war froh, dass er ihr den Rücken zugewandt hatte und ihre Verlegenheit gerade nicht sehen konnte.

„Ähm, ja…“, antwortete sie. Seiya grinste. Sie war einfach unglaublich süß.

Sie legte ihre Hände auf seinen Rücken und fing an die Creme gleichmäßig zu verteilen.

Er schloss die Augen und genoss ihre sanften Berührungen auf seiner Haut. Genüsslich seufzte er, was ihr wiederum die Röte in die Wangen trieb. Das konnte er jedoch nicht sehen. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass sie ihn öfter so berühren würde. Es tat einfach unglaublich gut und ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit.
 

„Fertig.“, sagte sie schließlich und verteilte den Rest der Creme, der an ihren Händen klebte, auf ihren nackten Beinen. Seiya drehte sich wieder zu ihr um und lächelte.

„Danke sehr.“

„Ähm… bitte.“, antwortete sie verlegen. Es war komisch, aber es war ihr gar nicht unangenehm gewesen, seinen Rücken so intensiv zu berühren. Ihr wurde bewusst, dass sie ihn damit schon mehr angefasst hatte als Mamoru. Ein merkwürdiger Gedanke. Seufzend ließ sie sich zurück in ihre Liege zurücksinken.

„Es ist wirklich schön hier.“, hörte sie Seiya sagen, der auf der Liege neben ihr auf dem Bauch lag. Sie linste zu ihm herüber. Er sah auf das blau glitzernde Wasser einige Meter von ihnen entfernt. Sie lächelte.

„Ja, das ist es.“, stimmte sie ihm zu. „Habt ihr solche Orte auch ähm… in deiner Heimat?“

„Nein… Auf Euphe ist alles irgendwie anders. Wir haben ganz andere Technologien als ihr, alles funktioniert irgendwie anders. Und das Klima ist auch ganz anders. Ich glaube, so ein Freibad würde sich dort einfach nicht lohnen. Wir haben nur wenige warme Tage und so heiß wie hier wird es nie.“

Sein Blick schien auf einen Punkt in weiter Ferne fixiert zu sein.

„War die Entscheidung wieder hierher zu kommen wirklich richtig?“, fragte Bunny, die meinte, eine gewisse Sehnsucht in seinen Augen zu erkennen. Er sah sie an.

„Ja, definitiv.“, antwortete er und schenkte ihr ein Lächeln. Daran bestand für ihn absolut kein Zweifel. Er würde ans Ende der Galaxie reisen, nur um bei ihr sein zu können. Bunny erwiderte das Lächeln.

„Es ist schön, dass ihr zurück seid.“, sagte sie. „Ich wette, auch die anderen werden sich sehr darüber freuen.“

„Bei einigen wäre ich mir da nicht so sicher.“, antwortete er augenzwinkernd und dachte dabei an eine große sandblonde und eine zierliche türkishaare Frau. Bunny kicherte.

„Vielleicht hast du Recht.“, gab sie zu. „Aber ich freue mich sehr.“
 

Dieser Tag war einer der schönsten Tage in seinem Leben. Dieser Tag gehörte nur ihm und seinem Schätzchen. Die anderen wussten noch nichts von ihrer Rückkehr und Mamoru wusste noch nichts davon. Er war sich sicher, dass es früher oder später zu Problemen mit Bunnys Freund kommen könnte. Umso mehr genoss er die ruhigen Stunden, die er mit ihr verbringen konnte.

Glücklich und vollkommen zufrieden brachte er sie an diesem Abend nach Hause und während das Taxi wartete, begleitete er sie noch zu ihrer Haustür.

„Es war wirklich schön heute, Schätzchen.“, begann er.

„Das fand ich auch. Danke für alles.“ Sie strahlte geradezu, was sein Herz höher schlagen ließ. Er liebte es, sie glücklich zu sehen.

„Gern geschehen.“ Er räusperte sich kurz. „Ähm… können wir uns morgen wiedersehen?“ Er wurde rot. Bunny schaute überrascht.

„Also… vielleicht mit den anderen. Ein großes Wiedersehen.“ Eigentlich wollte er sie lieber für sich alleine haben, aber er wusste, dass dieses Wiedersehen mit allen jetzt Priorität hatte. Und er freute sich ja auch auf die anderen.

„Ja, gern.“, antwortete sie. „Wir könnten uns alle im Crown treffen.“ Ihre Augen begannen zu leuchten. „Ich werde ihnen nichts von eurer Rückkehr erzählen und wenn ihr dann auch ins Crown kommt, wird es sie umhauen!“ Sie war von dieser Vorstellung begeistert.

Seiya musste schmunzeln. Sie war so unglaublich süß!

„So machen wir’s.“, stimmte er zu. „Wenn du willst, rufe ich dich morgen an, dann können wir alles klären.“

„Gut.“ Noch immer strahlte sie.

„Ähm… ja… schönen Abend noch, Schätzchen.“, sagte er verlegen und folgte seinem Drang, sie in den Arm zu nehmen. Sie merkte, wie die Hitze ihr in den Kopf stieg, doch erwiderte sie die Umarmung sogar ausgesprochen gern.

„Dir auch, Seiya. Bis morgen!“

Glücklich ging sie ins Haus, während Seiya wieder ins Taxi stieg. Er lächelte vor sich hin. Dieser Tag mit seinem Schätzchen war einer der schönsten seines Lebens.

So we meet again and I offer my hand

Die Sonne schien in ihr Gesicht und weckte sie auf. Sie streckte sich und seufzte zufrieden. Sie hatte ausgesprochen gut geschlafen in dieser Nacht. Vermutlich lag das daran, dass sie sich am Tag vorher beim Schwimmen so verausgabt hatte. Sie war abends so müde gewesen, dass sie früh schlafen gegangen war. Das erste Mal seit einem halben Jahr, dass sie das Lied, welches Seiya für sie aufgenommen hatte, nicht gehört hatte. Sie liebte es immer noch, aber sie hatte den ganzen Tag über etwas Besseres gehabt: Seiya wie er leibt und lebt.

Sie sah auf die Uhr. 8 Uhr und das an einem Sonntag. Wirklich sehr ungewöhnlich für sie, aber sie war auch schon um 22 Uhr um Bett gewesen, da hatte sie wirklich lange genug geschlafen. Sonst war sie wohl einfach nicht so ausgeglichen. Sie trieb sonst nie Sport, aß viel Süßes und war eigentlich dauermüde. Sich so ein bisschen zu bewegen war vielleicht doch gar nicht mal so schlecht.

Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, streckte sich noch einmal und stand schließlich auf. Im Pyjama ging sie die Treppe hinunter und hörte ihre Eltern schon in der Küche.

„Guten Morgen!“, rief sie und erntete die erstaunten Blicke Ikukos und Kenjis.

„Bunny!“, rief ihre Mutter.

„Du bist schon auf?“, fragte ihr Vater.

„Bist du krank?“, hakte ihre Mutter nach, schritt auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Stirn.

„Hey!“, protestierte Bunny und schob die Hand ihrer Mutter beiseite. „Ich bin nicht krank. Ich bin gestern einfach nur früh ins Bett.“

„Das stimmt.“, bestätigte Ikuko und betrachtete Bunny skeptisch. „Bist du sicher, dass du nicht krank bist?“

„Ganz sicher.“, erklärte Bunny ernst. „Schwimmen macht einfach nur müde.“

„Achja, wie war es denn, mein Schatz?“, erkundigte sich Ikuko, die am Abend mit ihrem Mann essen gegangen war und ihre Tochter bei ihrer Rückkehr bereits schlafend vorgefunden hatte.

„Es war sehr schön.“, antwortete Bunny strahlend bei der Erinnerung an den gestrigen Tag.

„Wie hieß noch dieser Freund von dir, mit dem du schwimmen warst?“, fragte Ikuko, die nachdenklich den Zeigefinger an ihr Kinn gelegt hatte. Kenji horchte auf.

„Seiya.“, antwortete Bunny und holte sich Teller und Besteck, um sich dann zu ihrem Vater an den Frühstückstisch zu setzen.

„Freund?“, hakte Kenji nach, während Ikuko das Rührei in eine Schüssel umfüllte, diese auf den Tisch stellte und sich nun ebenfalls setzte.

„Woher kennst du ihn eigentlich?“, fragte nun wieder Ikuko.

„Wir waren in einer Klasse.“, erzählte Bunny, während sie sich ordentlich Ei und Reis auf den Teller schaufelte. Kenji sah sie skeptisch an.

„Was für ein Freund?“, versuchte er es erneut.

„Seid ihr jetzt nicht mehr in einer Klasse?“ Ikuko ignorierte Kenjis Fragen und auch Bunny antwortete nicht darauf.

„Nein.“, sagte Bunny mit vollem Mund. „Er äh… musste umziehen. Aber jetzt wohnt er wohl wieder hier.“

„Das ist ja schön. Dann könnt ihr euch ja wieder öfter sehen.“ Ikuko freute sich immer, wenn Bunny nette Freunde hatte. Und dieser Seiya schien wirklich ein netter junger Mann zu sein. Kenji schlug mit der Faust auf den Tisch und erntete dafür die verwunderten Blicke seiner Frau und seiner Tochter.

„Ich will jetzt endlich wissen, was das für ein Freund ist!“, verlangte er.

„Beruhige dich doch, Kenji.“, sagte Ikuko.

„Er ist nur ein Freund, Papa.“, antwortete Bunny endlich auf die Frage ihres Vaters, wobei sich ihre Wangen leicht röteten. Was er nur wieder dachte. Er wusste doch, dass sie Mamoru hatte. Aber auch das war ein heikles Thema für ihn. Misstrauisch sah er seine Tochter an.

„Das ist alles?“, hakte er vorsichtshalber nochmal nach.

„Ja!“, rief Bunny aus. Oh Mann, Eltern konnten echt nerven!
 

Nach dem Frühstück genehmigte Bunny sich ein ausgiebiges Bad. Am Abend hatte sie noch schnell Minako angerufen und gesagt, dass sie sich gerne mit allen im Crown treffen würde. Sie hätte eine Überraschung, hatte sie gesagt. Minako war einverstanden und setzte die Telefonkette in Gang. Sie waren für 13 Uhr verabredet und konnten so zusammen dort zu Mittag essen. Eine halbe Stunde später hatte Minako sich zurückgemeldet und erzählt, dass alle damit einverstanden waren. Daraufhin hatte sie sofort Seiya angerufen und sich mit ihm sowie Yaten und Taiki fest für 13 Uhr verabredet. Bzw. sollten die Jungs ein wenig später kommen, damit es auch wirklich eine Überraschung wurde.

Da Bunny an diesem Tag so früh aufgestanden war, hatte sie noch ungewohnt viel Zeit, bis sie zu ihrer Verabredung musste. Seufzend ließ sie sich tiefer in das heiße Wasser sinken. Ihre Gedanken drifteten zu Mamoru ab. Sie hatte ihn nun schon einige Tage nicht mehr gesehen. Sie seufzte. Würde das wohl jemals besser werden? Wenn er mit seinem Studium fertig war und Arzt geworden war, hatte er doch sicherlich auch nicht mehr Zeit für sie, oder?

Sie schüttelte den Kopf. Nein, dann würden sie sicherlich zusammen wohnen und sich zumindest jeden Abend sehen, wenn er von der Arbeit kam. Dann würden sie zusammen essen, sich unterhalten, vielleicht zusammen fernsehen oder mal etwas unternehmen. Sie lächelte bei dieser Vorstellung. Und sie würden jede Nacht in einem Bett schlafen. Bei dem Gedanken wurde sie rot, aber es gefiel ihr. Sie seufzte erneut. Aber bis dahin musste sie wohl noch etwas geduldig sein.
 

„Bunny!“, rief Ikuko von unten. Bunny hatte sich mittlerweile wieder angezogen und war gerade damit fertig, sich ihre Zöpfe zu binden.

„Ja?“, rief sie zurück.

„Telefon!“

„Ich komme!“ Schnell sprang Bunny auf und lief die Treppe nach unten. Der Hörer lag neben dem Telefon. Sie legte ihn an ihr Ohr.

„Ja hallo?“, fragte sie in die Sprechmuschel.

„Hallo Bunny.“, hörte sie Mamoru sagen.

„Oh, hallo Mamoru.“, antwortete Bunny überrascht. Sie hatte gar nicht damit gerechnet, dass er sich heute bei ihr meldete.

„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich.

„Gut.“, antwortete sie. „Und dir?“

„Auch gut.“, erwiderte er. „Es tut mir leid, dass ich gestern so kurzfristig absagen musste.“

„Ähm… schon gut.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie war einfach immer noch enttäuscht.

„Möchtest du heute vorbeikommen?“, fragte er sie. Sie musste schlucken. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass Mamoru heute eventuell Zeit haben könnte. Nun hatte sie sich schon mit den Three Lights und ihren Freundinnen verabredet. Und Mamoru wusste noch nicht einmal, dass die Jungs wieder da waren. Dass Seiya wieder da war. Nach ihrer Verabschiedung damals hatte Mamoru sie nach Seiya gefragt. Sie hatte ihm nicht erzählt, dass Seiya ihr seine Liebe gestanden hatte. Aber sie glaubte, dass er dennoch diesen Verdacht hatte.

„Oh äh…“ Bunny zögerte. „Ich wusste nicht, dass du heute Zeit hast.“, versuchte sie zu erklären. „Ich bin schon mit den anderen verabredet.“ Nervös wartete sie seine Antwort.

„Oh… okay.“ Er klang enttäuscht. „Ich würde dich gern sehen, Bunny. Kann ich nicht einfach auch kommen?“

Bunny zögerte. Sie wusste nicht, ob es so gut war, wenn Mamoru dabei wäre, wenn die Jungs dort auftauchen würden. Was dachte sie denn da? Mamoru war ihr Freund! Sie konnte schlecht sagen, dass sie ihn nicht dabei haben wollte. Und wegen der Jungs? Da zwischen ihr und Seiya nichts war, war das doch Quatsch! Und außerdem: Was wäre sie für eine Freundin, wenn sie Seiya Mamoru vorziehen würde?

„Ja, klar kannst du mitkommen.“, antwortete Bunny schließlich und bemühte sich, fröhlich zu klingen. „Wir treffen uns um 13 Uhr im Crown.“

„Wenn du willst, kann ich dich vorher von Zuhause abholen.“, schlug er vor.

„Ja, gerne.“, erwiderte sie.

„Gut, bis später, Bunny.“, verabschiedete er sich. Nachdem auch sie sich verabschiedet hatte, legte sie auf. Sie seufzte. Na, das konnte ja heiter werden. Sie war sich ziemlich sicher, dass Mamoru nicht sonderlich erfreut sein würde, wenn er die Jungs sehen würde. Er hatte zwar nie ein schlechtes Wort gegen Seiya oder die anderen gesagt, aber man merkte ihm bei dem Thema Three Lights deutlich an, dass er nicht besonders begeistert davon war.
 

Punkt 13 Uhr betraten Bunny und Mamoru zusammen das Crown. Obwohl Bunny an diesem Tag so früh dran gewesen war, wäre sie vermutlich zu spät gekommen, hätte Mamoru sie nicht abgeholt. Er hasste Unpünktlichkeit und war vorsichtshalber schon etwas früher bei Bunny aufgetaucht, damit er sie im Notfall dazu bringen konnte, sich schnell fertig zu machen.

Bunny entdeckte schon Amy und Makoto an ihrem Stammtisch und sie und Mamoru setzten sich dazu. Es dauerte nicht lange, als auch Rei und Minako das Crown betraten.

„Halloho!“, rief Minako fröhlich in die Runde.

„Hallo!“, begrüßten auch die anderen sie. Rei warf einen Blick auf Mamoru.

„Oh, hallo Mamoru.“, begrüßte sie ihn leicht schüchtern und schüttelte innerlich den Kopf über sich selbst. Es war immer noch komisch für sie, ihn zusammen mit Bunny zu sehen. Sie war nicht eifersüchtig. Sie wusste, dass die beiden füreinander bestimmt waren. Es war einfach nur komisch.

„Hallo Rei.“, erwiderte er und lächelte. Sie wurde rot und setzte sich schnell auf einen freien Platz neben Minako, die sich direkt neben Bunny gesetzt hatte.

„Das ist ja ein seltener Anblick.“, stellte Minako fest. „Dass Mamoru mit dabei ist… Hat er vielleicht etwas mit deiner Überraschung zu tun, Bunny?“, fragte sie mit einem vielsagenden Unterton, während sie überdeutlich auf den Ring an Bunnys Hand starrte, den Mamoru ihr damals vor seiner Abreise nach Amerika geschenkt hatte.

Auf Minakos Frage sahen alle neugierig auf Bunny. Konnte das sein? Mamoru hingegen war etwas verwirrt und sah seine Freundin fragend an, die rot anlief und abwehrend die Hände hob.

„Nein, nein.“, widersprach sie. „Es ist was anderes.“

„Eine Überraschung?“, hakte Mamoru nach, der davon gar nichts wusste und sich fragte, was das wohl sein könnte. Seine Freundin hatte eine Überraschung für ihre Freundinnen? Wäre er nicht zufällig mitgekommen, hätte er dann etwa nicht davon erfahren? Skeptisch sah er sie an.

„Bunny sagte, sie habe eine Überraschung für uns.“, plapperte Minako drauf los. Sie liebte Überraschungen!

„Sag schon endlich, was es ist.“, forderte Makoto grinsend. Alle Blicke waren auf Bunny gerichtet, der das Ganze eher unangenehm war. Komischerweise fühlte sie sich im Moment durch Mamorus Anwesenheit noch unwohler.
 

„Wir sind die Überraschung.“, hörten alle Anwesenden nun eine männliche Stimme und drehten ihre Köpfe in die Richtung, aus der sie kam. Dadurch, dass sie alle Bunny angestarrt hatten, hatte niemand bemerkt, dass drei alte Freunde das Crown betreten hatten.

Mit offenen Mündern starrten die Mädchen die grinsenden Jungs an, die so plötzlich hier aufgetaucht waren. Bunny lächelte, als sie sie sah. Mamoru hingegen zog seine Augenbrauen zusammen und sah wenig erfreut aus.

Seiya warf seinem Schätzchen ein Lächeln zu, welches ihm allerdings sofort auf den Lippen gefror, als er Mamoru neben ihr entdeckte. Er hätte sich ja denken können, dass er mit dabei war. Immerhin war er Bunnys FREUND.

„Oh mein Gott.“, kam endlich eine Reaktion von ihren Freundinnen. Minako stand auf und schritt wie in Trance auf Yaten zu. Dieser lächelte sie an. Er hatte dieses quirlige Mädchen wirklich vermisst.

„Hallo Minako.“, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. Kurz sah sie darauf, ignorierte sie jedoch völlig, als sie sich Yaten ruckartig mit Schwung an den Hals warf.

„YATEN!“, rief sie und drückte ihn fest an sich. Dieser blickte kurz überrascht. Auf diese Begrüßung von Minako war er nicht vorbereitet gewesen. Als er sich wieder gefangen hatte, legte er jedoch auch seine Arme um sie. Das war das Zeichen. Ein allgemeines Stühlerücken begann und jeder begrüßte und umarmte jeden. Nur Mamoru blieb sitzen und beobachtete missgelaunt, wie Bunny ihre alten Freunde, nicht zuletzt diesen Seiya, umarmte.

Seiya atmete einmal tief durch und riss sich zusammen. Bunny zuliebe. Er schritt auf Mamoru zu und reichte ihm die Hand. Kurz musste er sich ein Kichern verkneifen, als er sich vorstellte, Mamoru würde auf seine Hand genauso reagieren wie Minako auf Yatens. Mamoru hingegen verzog keine Miene. Er zögerte kurz, bevor er Seiyas Hand ergriff. Es war ein fester Händedruck, vielleicht etwas fester als nötig gewesen wäre.

Bunny blickte glücklich zu Mamoru und Seiya, die sich die Hände reichten. Vielleicht war es doch nicht so schlimm, auch wenn beide eher ernst als fröhlich blickten. Auch Yaten und Taiki gaben Mamoru die Hand, wobei ihre Begrüßungen ein wenig freundlicher abliefen, als die von Seiya und Mamoru.
 

Nachdem sich alle gebührend begrüßt hatten, saßen nun alle an einem Tisch. Mamoru hatte sich dicht neben seine Freundin gesetzt und ihr den Arm über die Schulter gelegt. Bunny war es etwas unangenehm. Sonst benahm er sich nie so in der Öffentlichkeit und sie hatte den Verdacht, dass es nur wegen Seiya war. Dieser wiederum blickte die ganze Zeit finster in ihre Richtung.

„Also? Was macht ihr hier?“, fragte Makoto neugierig.

„Wir haben uns entschlossen, von nun an auf der Erde zu leben.“, antwortete Taiki direkt und warf einen abwartenden Blick auf Amy, die ihm in diesem Moment freudig überrascht ansah, seinen Blick bemerkte und den ihren mit geröteten Wangen schnell abwandte.

Auch die anderen Mädchen freuten sich über diese Antwort. Bunny lächelte freudig, sie kannte die Neuigkeit ja bereits. Nur Mamoru sah mal wieder wenig glücklich aus. Er hatte eine Augenbraue in die Höhe gezogen. War das ihr Ernst? Von nun an würden diese Typen auf der Erde leben? Dieser Seiya würde von nun an sicher öfter in Bunnys Nähe sein wollen, immerhin waren sie ja ach so gute Freunde.

Während alle anderen aussprachen, wie sehr sie sich freuten, dass die Three Lights wieder da waren, kam Mamoru plötzlich ein Gedanke. Bunny wusste, dass sie wieder da waren. Also hatte sie wohl zumindest einen von ihnen gestern schon getroffen. Und er konnte sich auch schon denken, wen. Sofort bereute er es, dass er ihr gestern abgesagt hatte. Damit hatte er Seiya leichtes Spiel gemacht. Er war sich sicher, dass sie sich bereits getroffen hatten. Und sie hatte ihm nichts davon erzählt.

„Du wusstest also schon, dass sie wieder da sind?“, fragte er Bunny mit einem aufgesetzten Lächeln. Das wollte er jetzt wissen.

Seiya spannte sich an, als Mamoru das Wort an Bunny richtete.

„Äh ja… Ich bin Seiya schon gestern über den Weg gelaufen.“, sagte sie leise. Bildete Seiya es sich nur ein oder wirkte sie ein wenig nervös?

„Achso.“, sagte Mamoru weiterhin lächelnd. Seiya traute ihm nicht. „Und was habt ihr gemacht?“

Bunny schluckte. Sie zögerte, ob sie ihm erzählen sollte, dass sie schwimmen waren. Mit Mamoru hatte sie so etwas noch nie unternommen und sie befürchtete, dass er das vielleicht schlecht auffassen würde.

„Wir waren schwimmen.“, nahm Seiya Bunny die Entscheidung ab, indem er für sie antwortete. Mamoru warf einen missmutigen Blick Richtung Seiya. Am Tisch war es sehr still geworden. Sie alle wussten von Seiyas Gefühlen für Bunny. Dass es nun zu Problemen zwischen ihm und Mamoru kommen konnte, war schon fast klar.

Mamoru verstärkte den Druck seines Arms um Bunnys Schultern.

„Hast du mir ja gar nicht erzählt.“ Immer noch dieses falsche Lächeln. Bunny wurde langsam nervös. Sie schluckte.

„Sollte ja auch eine Überraschung sein, dass sie wieder da sind!“, mischte sich Minako schnell ein, indem sie für Bunny eine Erklärung abgab. Schnell nickte Bunny bestätigend.

„Achso, klar.“, sagte Mamoru und lachte gespielt. Alle warfen sich heimliche Blicke zu. Ihnen kam das alles auch eher komisch vor. Seiya starrte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Wenn er Bunny deshalb irgendeine Szene machen würde, würde er es mit ihm zu tun bekommen. Er würde sein Schätzchen vor allem beschützen und vor diesem Typen erst recht.

I'll be right here waiting for you

Sie saßen schon seit ein paar Stunden im Crown und beschlossen, dass es Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Die Stimmung war größtenteils ausgelassen gewesen, nur Bunny war leicht verkrampft gewesen, während Mamoru besitzergreifend seinen Arm um sie gelegt hatte und Seiya ihn finster angestarrt hatte.

Nachdem sie bezahlt hatten, standen alle auf. Es wurde Zeit, sich zu verabschieden.

„Ich hoffe, dass wir euch nun wieder öfter zu Gesicht bekommen.“, sagte Minako fröhlich und sah dabei ganz besonders Yaten an.

„Natürlich.“, bestätigte Seiya an seiner Stelle. „Und schneller als ihr denkt.“ Er zwinkerte und wagte einen kurzen Blick auf Bunny, die ihn fragend ansah.

„Wieso?“, hakte Makoto nach.

„Das seht ihr dann noch.“, antwortete Taiki grinsend. Minako sah fragend zwischen den Jungs hin und her.

„Sagt schon!“, verlangte sie, doch sie lachten nur.

„Gedulde dich, Mina.“, ermahnte Yaten sie mit einem breiten Grinsen und erhobenem Zeigefinger. Sie plusterte ihre Wangen auf.

„Ich will es aber jetzt wissen.“, murrte sie. „Bunny, hilf mir doch.“ Sie sah zu ihrer Freundin, die etwas hilflos neben Mamoru stand, der ihre Hand ergriffen hatte.

„Ich äh…“ Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Sie wollte es auch wissen, aber irgendwie hielt die Anwesenheit Mamorus sie davon ab, ihre Neugier so offen zu zeigen.

„Vielleicht sollten wir wirklich etwas geduldig sein.“, antwortete sie schließlich. Sie glaubte, dass es das wäre, was Mamoru ihr raten würde.

Beinahe schon geschockt sah Minako ihre Freundin an und auch die anderen Mädchen sahen sie stirnrunzelnd an. Seiya war das Grinsen vergangen und er sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an, sagte jedoch nichts.

„Na schön.“, seufzte Minako und lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. „Aber wehe, es ist nichts Tolles!“, fügte sie hinzu und grinste nun wieder.
 

Nur wiederwillig ließ Mamoru Bunnys Hand los, als sich alle verabschiedeten. Er beobachtete sie genau, als sie alle umarmte und schließlich bei Seiya ankam, während auch er von den Mädchen umarmt wurde. Keine ihrer und seiner Bewegungen entging ihm. Er sah, dass sie ihren rechten Arm um seinen Hals legte und dass er sie näher an sich zog. Er sah, dass er den Kopf senkte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie nickte. Sein Blick verfinsterte sich. Diese Umarmung dauerte viel zu lange. Endlich lösten sie sich wieder voneinander. Sie sahen sich noch kurz an, bevor Bunny sich wieder ihm selbst zuwandte und er sofort wieder ihre Hand ergriff.

„Ich bring dich nach Hause.“, sagte er lächelnd. Sie erwiderte sein Lächeln.

„Danke.“, antwortete sie.

„Tschüss.“, richtete er das Wort nochmal an alle.

„Macht’s gut.“, sagte auch Bunny und lächelte ihre Freunde zum Abschied an, bevor sie schließlich zusammen mit Mamoru das Crown verließ.
 

Seiya blickte den beiden finster hinterher. Als sie schließlich aus seinem Blickfeld verschwunden waren, seufzte er. Das konnte ja noch heiter werden. Er konnte diesen Mamoru absolut nicht leiden und das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen.

„Alles klar?“, fragte Taiki ihn leise. Er sah ihm die unterdrückte Wut deutlich an.

„Kannst du dir das nicht denken?“, zischte Seiya zur Antwort. Besorgt sah Taiki ihn an. Seiya ballte seine Hände zu Fäusten und atmete tief durch. Auch die anderen sahen ihn besorgt an. Jeder wusste um seine Gefühle zu Bunny und jeder konnte sich vorstellen, wie schwierig es für ihn war, sie zusammen mit Mamoru zu sehen. Und dass Mamoru sich sehr merkwürdig verhalten hatte, war auch niemandem entgangen.

„Wir sollten dann auch mal gehen.“, sagte Taiki, um die gespannte Situation aufzulösen.

„Ja, wir auch.“, stimmte Amy zu, während die anderen Mädchen etwas betreten guckten.
 

„Das war ja wirklich eine Überraschung.“, sagte Mamoru zu Bunny, während sie gemeinsam zu seinem Auto gingen. Bunny sah auf. Ob er wohl böse war? Seiya hatte sie beim Abschied leise gefragt, ob alles in Ordnung war. Sie hatte genickt. Sie hoffte, dass es wirklich so war.

„Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe.“, entschuldigte sie sich mit klopfendem Herzen.

„Naja…“, antwortete er. „Es war ja schließlich eine Überraschung. Und dass du gestern mit Seiya schwimmen warst… hat mich wirklich überrascht.“ Er musterte Bunny, die betreten neben ihm herlief. Sie schwieg kurz.

„Ich war sehr traurig, als du gesagt hast, dass du keine Zeit für mich hast.“, sagte sie schließlich. Mamoru sah sie überrascht an. Er seufzte.

„Tut mir leid.“, erwiderte er. „Ich wollte dich wirklich nicht hängen lassen. Es ist nur so viel zu tun im Moment.“

Bunny nickte.

„Ich verstehe das schon.“ Sie wollte wirklich nicht, dass er sein Studium und seine Arbeit ihretwegen vernachlässigte. Und dennoch…

„Hattest du denn dann einen schönen Tag?“, fragte Mamoru und versuchte, seinen Unmut zu unterdrücken.

„Ja… hatte ich.“, antwortete Bunny ehrlich. „Ich war trotzdem traurig, dass du abgesagt hast.“

Mamoru hatte ein schlechtes Gewissen. Er wusste, dass er sie viel zu häufig hängen ließ.

„Vielleicht können wir ja auch mal dahin. Oder so etwas in der Art machen.“, schlug er vor und wartete ihre Reaktion ab. Sie sah kurz überrascht auf, bevor sie strahlte.

„Das wäre toll!“, rief sie glücklich aus. Er lächelte und zog sie etwas näher an sich.

„Ich liebe dich, Bunny.“, flüsterte er ihr zu und sie wurde leicht rot.

„Ich dich auch.“, antwortete sie ebenfalls flüsternd.
 

Mamoru fuhr sie nach Hause und sie verabschiedeten sich mit einem langen Kuss voneinander. Glücklich stieg Bunny aus dem Auto und ging ins Haus.

„Ich bin wieder da!“, rief sie.

„Hallo, mein Schatz.“, kam die Antwort von ihrer Mutter aus dem Wohnzimmer. Bunny steckte ihren Kopf durch die Tür und entdeckte ihre Eltern und ihren Bruder, die alle auf dem Sofa saßen und fernsahen. Sie setzte sich dazu und verbrachte den Abend mit ihrer Familie. Sie war glücklich. Ihre Freunde waren wieder da und sie hatte einen tollen Freund. Dass er eifersüchtig war, war schließlich ganz normal. Sie wäre es auch, wenn er so etwas mit einer Frau hätte, wie sie es mit Seiya hatte. Sie nahm sich vor, ihm keinen Grund zu geben, eifersüchtig zu sein.
 

„Ich komme schon wieder zu spät!“, jammerte Bunny still vor sich her, während sie durch die Straßen rannte. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Nur noch wenige Minuten bis zum Klingeln. Nach einem letzten Sprint öffnete sie schließlich atemlos die Tür zu ihrem Klassenzimmer. Ein Glück! Die Lehrerin war noch nicht da. Erschöpft ließ sie sich auf ihrem Platz nieder und legte ihren Kopf auf die Tischplatte. Sie könnte glatt wieder einschlafen, so müde war sie.

„Guten Morgen!“, hörte sie die Stimme der Lehrerin, kaum dass sie wieder etwas zu Atem gekommen war. Oh nein. Warum konnte sie sie nicht einfach etwas schlafen lassen?

„Ich freue mich, drei eurer alten Mitschüler wieder begrüßen zu dürfen.“, fuhr sie fort.

Bunny sah auf und erblickte drei grinsende Gesichter. Erstaunen und Freude lag auf den Gesichtern beinahe aller ihrer Mitschüler, besonders der Mädchen.

„Ihr alle erinnert euch sicher an Seiya, Taiki und Yaten Kou.“, sagte die die Lehrerin, während der Lautstärkepegel der Klasse sich erhöhte. Alle tuschelten über die Rückkehr von den Jungstars. Minako strahlte gerade zu und auch Makoto lächelte glücklich. Amy hingegen schaute eher schüchtern, auch wenn Bunny sich sicher war, dass auch sie sich freute.

Sie blickte von ihren Freundinnen zurück zu den Three Lights. Auch auf ihr Gesicht trat ein Lächeln und sie fing den Blick Seiyas auf, der ihr grinsend zuzwinkerte, während er sich auf den Platz setzte, den er auch schon damals besetzt hatte: direkt hinter ihr.

„Also, wir fangen jetzt mit dem Unterricht an.“, verkündete die Lehrerin und das Gemurmel nahm etwas ab.
 

Endlich klingelte es zur Pause. Bunny drehte sich sofort um und blickte direkt in Seiyas strahlende Augen.

„Was macht ihr denn hier?“, fragte sie neugierig.

„Na, was wohl?“, fragte er vergnügt. „Zur Schule gehen!“

„Freiwillig??“, hakte sie skeptisch nach. Er lachte.

„Naja, mehr oder weniger.“ Er zwinkerte. „Taiki wollte natürlich wieder zur Schule gehen. Yaten und ich wurden eher gezwungen.“

„Gezwungen?“

„Von unserem Manager. Er sagt, es macht einen besseren Eindruck, wenn wir die Schule zu Ende machen.“, erklärte er.

„Wollt ihr wieder zusammen Musik machen?“, fragte sie neugierig. Sie hatte gar nicht danach gefragt, als sie sich die letzten zwei Tage gesehen hatten.

„Klar.“, sagte er mit seinem selbstbewussten Grinsen. „Das war auch ein wichtiger Teil unseres Lebens hier.“, fuhr er mit gesenkter Stimme fort. „Und dieses Mal machen wir es aus Spaß.“

Bunny verstand, was er damit meinte. Das letzte Mal haben sie all diese Konzerte gegeben, um ihre Prinzessin zu finden. Dieses Mal können sie es aus Liebe zur Musik machen. Und irgendwie freute sie sich für sie. Wie Seiya es ihr gesagt hatte: Jetzt konnten sie endlich die sein, die sie wollten. Ohne irgendwelche Verpflichtungen.
 

„Yaaaaaaten!“ Minako stützte ihre Ellbogen auf seinen Tisch und strahlte ihn an. Er wich etwas zurück und sah sie überrumpelt an.

„Ähm… hi.“, gab er zurück.

„Das meintet ihr gestern also?“, fragte sie vergnügt.

„Ja.“, antwortete er.

„Ich freu mich ja so!“, rief sie aus und kam ihm noch ein Stückchen näher. Er wurde rot.

„Ich äh… ich…“, stotterte er. Er freute sich auch. Zumindest zum Teil. Dass es ausgerechnet die Schule sein musste, in der sie in Zukunft so viel Zeit mit ihren Freunden verbringen würden, fand er nicht so berauschend, aber es musste wohl sein. Ihr Manager und Taiki hatten darauf bestanden.

„Freust du dich etwa nicht?“, fragte Minako mit großen Augen.

„Äh, doch! Natürlich.“, antwortete er sofort, wodurch Minako ihr Strahlen wieder aufsetzte. Er musste automatisch lächeln.
 

„Unser Comeback wird schon morgen verkündet werden.“, erzählte Seiya. „Wir treten in einer Talkshow auf.“

„Das ist ja aufregend!“ Bunny starrte ihn mit großen Augen an. Er grinste.

„Willst du kommen?“, fragte er. „Wir könnten dir und den anderen Eintrittskarten organisieren.“

„Wirklich??“ Sie war aufgeregt.

„Na klar.“, bestätigte er und zeigte mit dem Daumen auf sich selbst. „Immerhin sind wir die Stars der Show.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Das wäre toll!“, rief sie aus und musste davon sofort ihren Freundinnen erzählen, die sich ebenfalls sehr über das Angebot freuten. Nur Rei würde wohl erst später davon erfahren, da sie eine andere Schule besuchte.
 

Am nächsten Tag war es so weit. Aufgeregt nahmen die fünf Mädchen in der dritten Reihe Platz. Sie hatten die Jungs noch in der Schule gehen, doch vor der Show war dies nicht mehr möglich gewesen.

„Es geht los!“, rief Minako aufgeregt aus, als das Licht ausging und die Erkennungsmelodie der Show ertönte. Die Scheinwerfer richteten sich auf eine Tür, durch die der Moderator trat.

„Guten Abend!“, rief dieser in den Applaus hinein, der nach und nach verebbte.

„Ich freue mich sehr, Sie willkommen zu heißen.“, begrüßte er das Publikum. „Und ebenso freue ich mich, unsere ersten Gäste an diesem Abend zu begrüßen. Sie waren bis vor einem halben Jahr noch die beliebteste Band Japans. Für Tausende Fans war es ein Schock, als sie ihr Ende verkündeten. Nach ihrem letzten Konzert waren sie für ein halbes Jahr wie vom Erdboden verschluckt. Aber jetzt sind sie wieder da. Einen kräftigen Applaus für… die Three Lights!“

Das Publikum applaudierte, wobei sich fünf Mädchen in der dritten Reihe ganz besonders anstrengten. Der Scheinwerfer richtete sich erneut auf die Tür und hinaus traten Seiya in seinem typisch roten Anzug, Yaten in hellblau sowie Taiki in beige. Sie lächelten und winkten dem Publikum zu. Bunny konnte genau sehen, wie Seiya das Publikum absuchte, bis er sie entdeckte und ein Lächeln in ihre Richtung schickte. Sie musste unwillkürlich zurück lächeln.

„Willkommen!“, begrüßte der Moderator sie und gab ihnen nacheinander die Hand. Sie setzten sich hin und der Applaus nahm wieder ab.

„Seiya.“, richtete er nun das Wort an den Leadsänger. „Ist es wahr, dass ihr ab sofort wieder als die Three Lights intensiv an eurer Musik arbeiten und zusammen auftreten werdet?“

„Ja, das ist wahr.“, antwortete Seiya, wonach wieder Applaus ertönte. Er grinste. Er genoss diese Aufmerksamkeit in vollen Zügen. Und dass sein Schätzchen im Publikum saß und ihm zusah, machte es nur noch besser.

„Wir schreiben derzeit an neuen Songs und planen die Aufnahme unseres neuen Studioalbums.“, erzählte er nun. „Auch eine neue Japantour steht auf dem Plan. Die Tourdaten werden schon bald bekannt gegeben.“

„Und wir rechnen natürlich wieder mit ausverkauften Konzerten.“, sagte der Moderator lächelnd. „Ihr wart ein halbes Jahr verschwunden. Wo wart ihr? Und warum habt ihr überhaupt mit der Musik aufgehört?“

„Nun…“ Taiki ergriff das Wort. „Wir hatten einige persönliche Angelegenheiten zu regeln und sind dafür in unsere Heimat zurückgekehrt. Das war auch der Grund für unseren vorübergehenden Rücktritt aus der Musikbranche.“

„Diese Frage interessiert viele unserer Gäste: Woher stammt ihr?“ Gespannt wartete Bunny diese Antwort ab. Sie wusste natürlich, woher sie stammten. Doch das konnten sie hier ja nicht erzählen.

„Aufgewachsen sind wir in einem kleinen Dorf in Japan.“, berichtete Seiya. Er hatte diese Antwort zuvor mit Taiki und Yaten abgesprochen. „Wir sind alle drei Waisenkinder und sind von derselben Familie aufgenommen, daher auch derselbe Nachname, obwohl wir keine Blutsverwandten sind.“

Bunny fragte sich, was davon eventuell der Wahrheit entsprach. Sie hatte sich auch immer gewundert, dass sie denselben Nachnamen trugen.

„Danach haben wir für einige Jahre in Amerika gelebt. Dort hat auch unsere Musikkarriere begonnen. Wir sind dann aber schnell nach Japan zurückgekehrt. Das ist schließlich unsere Heimat.“

„Und während eurer Abwesenheit wart ihr dann in eurem Heimatdorf?“, fragte der Moderator nach.

„So ist es.“, bestätigte Yaten. „Es gab dort einige Angelegenheiten, die wir zu regeln hatten. Wir brauchten außerdem eine Auszeit von dem Musikgeschäft. Aber letztendlich ist es unser Leben, deshalb sind wir wieder da.“

Glücklich sah Bunny hinab auf ihre Freunde. Nicht nur, dass sie wieder da waren, sie hatten sich auch verändert. Früher waren sie immer sehr verschlossen, teilweise sehr rau gegenüber anderen, auch ihren Fans. Insbesondere Yaten schien diesbezüglich eine 180°-Wende gemacht zu haben. Er lächelte und sprach freundlich mit dem Moderator. Die ganze Anspannung, die sie während ihres letzten Aufenthalts hier verspürt haben mussten, war von ihnen abgefallen. Und jetzt lebten sie hier, um glücklich zu werden.

„Und darüber freuen wir uns natürlich.“, sagte der Moderator und stand auf. „Und ich bin mir sicher, dass unser Publikum eine Menge Fragen an euch hat.“

Er ging zu einem Mädchen in der ersten Reihe, das ihre Hand erhoben hatte. Er hielt ihr das Mikrofon vor die Nase.

„Ja, ich möchte gerne wissen, ob Yaten eine Freundin hat.“, sagte sie und wurde leicht rot, während sie mit strahlenden Augen auf Yaten sah. Minako zog ihre Augenbrauen zusammen und plusterte ihre Wangen auf. Was fiel diesem Mädchen ein?

„Ich habe derzeit keine Freundin.“, beantwortete Yaten die Frage. „Aber bin derzeit auch nicht daran interessiert.“

Minako wusste nicht, wie sie sich dabei fühlen sollte. Einerseits war sie froh, dass er so offen sagte, dass er kein Interesse hatte. Vielleicht hielt das seine weiblichen Fans ein wenig zurück. Andererseits… Hieß das nicht auch, dass sie ebenfalls keine Chance bei ihm hatte. Etwas bedrückt sah sie zu Yaten und fing seinen Blick auf. Er schien sie direkt anzusehen mit seinen smaragdgrünen Augen. Sie wurde rot. Vielleicht aber ja doch…

Das Mikrofon wurde derweil an ein Mädchen zwei Plätze neben dem ersten weitergereicht.

„Ähm… Taiki und Seiya… Habt ihr eine Freundin?“ Auch sie wurde rot und kicherte, nachdem das Mikrofon außer Reichweite war. Taiki ergriff als erstes das Wort.

„Bei mir sieht es im Moment ähnlich aus wie bei Yaten. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt derzeit der Musik und der Schule.“

„Ich habe auch keine Freundin.“, sagte nun Seiya. „Aber es gibt ein Mädchen, das ich mag.“, fügte er mit einem Grinsen hinzu und sah – zumindest für Bunny und ihre Freundinnen – mehr als auffällig in ihre Richtung. Ein kurzes Johlen und einige Pfiffe gingen durch das Publikum und Seiyas Grinsen wurde noch breiter.

„Erzähl uns ein bisschen von ihr.“, forderte der Moderator und Seiya fing an zu erzählen.

„Nun, ich habe sie vor etwa einem Jahr kennengelernt und mich sofort in sie verliebt. Und obwohl sie mich am Anfang nicht unbedingt mochte, sind wir dennoch gute Freunde geworden. Sie ist ein wundervoller Mensch und ein wunderschönes Mädchen.“

Bunny wurde knallrot. Sie war zwar schwer von Begriff, aber sie wusste genau, dass nur sie damit gemeint sein konnte. Ihre Freundinnen warfen ihr ein paar besorgte Blicke zu.

„Weiß sie von ihren Gefühlen?“, fragte der Moderator nach. Seiya grinste immer noch.

„Ja, ich glaube schon. Aber sie hat leider einen Freund.“ Ein mitleidiges „Oooooh“ ging durch das Publikum, aber das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht.

„Aber das macht nichts. Wirklich.“, beteuerte er. „Ich möchte nur, dass sie glücklich ist. Und ich werde auf sie warten. Auch wenn es für immer ist.“ Applaus.

Bunnys Herz klopfte stark gegen ihre Brust und sie musste einige Tränen unterdrücken. Warum sagte er so etwas?
 

Wütend schaltete Mamoru den Fernseher aus. Auch ihm war klar, dass Seiya von Bunny sprach. Von SEINER Freundin. Er würde nicht zulassen, dass er sie ihm eines Tages wegnehmen würde. Niemals!

I just want something I can never have!

Die Show war vorbei und das Publikum verließ langsam den Saal. Bunny und die anderen beschlossen, noch auf die Jungs zu warten. Da waren sie allerdings nicht die einzigen. Beim Hintereingang wartete schon eine ganze Horde Mädchen, die noch einen Blick auf die Three Lights erhaschen wollten.

„Ohje…“, sagte Minako bedrückt. „Da haben wir ja keine Chance die Jungs nochmal zu sehen.“ Sie hatte das dringende Bedürfnis Yaten zu sehen, ihm nahe zu sein, womöglich festzustellen, dass er vielleicht doch ein wenig Interesse für sie hatte, trotz dem, was er im Interview gesagt hatte.

„Lasst uns einfach noch ein wenig warten.“, entgegnete Rei, die bisher am wenigsten Zeit mit ihren alten Freunden verbringen konnte, da sie eine andere Schule besuchte. Sie reckte ihren Kopf, um einen besseren Blick auf die Tür zu haben.

„Vielleicht sehen sie uns ja und kommen von sich aus auf uns zu.“, vermutete Makoto mit verschränkten Armen. Sie hatte weniger Probleme als ihre Freundinnen die Tür im Blick zu behalten. Die meisten der Anwesenden waren deutlich kleiner als sie.

„Ja, vielleicht hast du Recht.“, stimmte Minako ihr hoffnungsvoll zu, ohne ihren Blick vom Ausgang abzuwenden.

Ein Kreischen, welches durch die Massen ging, kündete die Stars schließlich an. Auch die fünf Mädchen reckten erwartungsvoll ihre Köpfe und hoben sich dadurch nicht von der Masse ab. Nichtsdestotrotz erkannten die Jungs sie sofort. Zunächst sahen sie Makotos Kopf, der die anderen überragte und schon bald konnten sie auch die anderen Mädchen ausmachen.

„Entschuldigt uns bitte.“, sagte Seiya, der sich in ihre Richtung durchschlug, nicht ohne darum herumzukommen, unterwegs ein paar Autogramme zu geben.
 

Schließlich schafften sie es dennoch, ihre Freunde zu erreichen. Seiya setzte ein breites Grinsen auf, als er endlich vor Bunny stand und schlang seine Arme fest um sie. Er hob sie leicht hoch, was ihr ein kleines Quieken entlockte. Er lachte.

„Na, Schätzchen? Hat dir die Show gefallen?“ Er zwinkerte ihr zu, was sie leicht erröten ließ. Kein Wunder nach dieser öffentlichen Liebeserklärung. Auch wenn er es nicht direkt gesagt hatte, so konnte er nur sie gemeint haben.

„Es war…“, begann sie, wusste jedoch nicht recht, wie sie ihren Satz fortführen sollte.

„Ihr wart toll!“, warf Minako schnell ein und hängte sich an Yatens Arm, der kurz zusammenzuckte, dann jedoch ein schiefes Grinsen aufsetzte. Dieses Mädchen…
 

Amy sah sich etwas verunsichert um. Sie fühlte sich unwohl, da sie und ihre Freunde gerade im Mittelpunkt einer riesigen Horde Mädchen standen, und sie die Blicke all dieser Mädchen auf sich gerichtet spüren konnte. Natürlich waren viele der eingefleischten Fans neidisch auf ihre Freundschaft zu den Three Lights, das hatten sie schon früher zu spüren bekommen. Aber in diesem Haufen voller Fans zu stehen, war nochmal etwas ganz anderes.

„Alles in Ordnung?“, fragte Taiki sie leise. Sie sah auf und nickte sachte.

„Ich fühle mich grad nur ein wenig eingekesselt.“, erklärte sie mit einem schwachen Lächeln. Er erwiderte es aufmunternd.

„Daran gewöhnt man sich mit der Zeit.“, erklärte er. „Aber es tut mir leid, dass wir euch da jetzt auch reinziehen.“

„Ist schon gut.“, winkte Amy schnell ab. Sie hatte niemals gewollt, dass er das Gefühl hatte, sich entschuldigen zu müssen.
 

„Lasst uns von hier verschwinden.“, schlug Seiya vor und alle stimmten ihm zu. Hier war kein guter Ort, um Zeit mit Freunden zu verbringen. Er legte den Arm um Bunny und ging mit ihr voraus. Sie war leicht errötet durch diese Geste, ließ sich jedoch von ihm durch die Menge führen. Sie konnte die teils giftigen und teils erstaunten Blicke der Fans auf sich spüren und hörte das Getuschel um sich herum.

Den beiden folgten Yaten und Minako, die sich noch immer an seinen Arm klammerte, was er mit einem leicht genervten Blick über sich ergehen ließ. Anders als Bunny genoss Minako die Aufmerksamkeit, die ihr durch Yatens weibliche Fans zuteilwurde. Hinter ihnen gingen Makoto, Amy und Rei. Das Schlusslicht bildete Taiki, der sichergehen wollte, dass keines der Mädchen von ihnen abgedrängt wurde.

Sie erreichten eine Limousine, die den Three Lights von ihrem Manager bereitgestellt worden war. Er war darauf bedacht, den dreien ein würdiges Comeback zu verschaffen und wollte, dass sie standesgemäß zum Sender und wieder zurück fuhren.
 

Ein Mann in Frack und weißen Handschuhen öffnete ihnen die Tür und die Mädchen machten große Augen. Ganz besonders die von Bunny, Minako und Rei glitzerten förmlich bei dem Anblick dieses prunkvollen Wagens. Seiya konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er Bunnys Blick sah. Er reichte ihr ganz gentlemanlike die Hand und verneigte sich leicht, die andere Hand auf seinem Rücken platziert.

„Meine Dame.“, sagte er mit einem charmanten Lächeln und ließ sie so in den Wagen einsteigen. Sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus und sah erst ihn und dann den Innenraum der Limousine mit großen Augen an.

„Wooow!!“, hörte Seiya aus dem Inneren und freute sich über ihr Staunen. Nacheinander stiegen auch die anderen Mädchen ein, bevor Seiya, Yaten und schließlich auch Taiki folgten. mit einem breiten Grinsen machte Seiya es sich neben Bunny gemütlich. Als Yaten sich setzte, sprang Minako gleich wieder auf und verlangte, dass sie und Makoto die Plätze tauschten. Diese rollte zwar die Augen, ließ es dann aber zu. Sie wusste ja, dass Minako einen Narren an ihm gefressen hatte. Taiki setzte sich zum Schluss neben Yaten.
 

„Na, gefällt dir das, Schätzchen?“, fragte Seiya leise an Bunnys Ohr. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut und wurde rot. Ihre Augen strahlten jedoch immer noch genauso wie vorher.

„Es ist toll!“, sagte sie. „Ich bin noch nie mit einer Limo gefahren.“

„Du kannst dich gerne schon mal daran gewöhnen.“, schlug er mit einem breiten Grinsen vor. Bunny verstand nicht, was er meinte, und sah ihn mit fragendem Blick an.

„Wieso?“, wollte sie wissen. Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter und er zog sie etwas an sich.

„Wenn du erst mal meine Freundin bist, wirst du natürlich öfter mal mit mir in so einer Limousine sitzen.“, erklärte er. Bunny wurde augenblicklich knallrot.

„Seiya!“, schimpfte sie. „Du weißt genau, dass ich einen Freund hab!“

Es versetzte Seiya einen Stich, aber er hielt sich zurück. Er wusste ja, dass sie einen Freund hatte. Er lachte leicht, um seine Gefühle zu verbergen.

„Reg dich nicht auf, Schätzchen. Ich mach doch nur Witze.“

„Gut!“, sagte sie trotzig, jedoch immer noch mit hochroten Wangen.

Er nahm den Arm von ihren Schultern und rückte ein Stückchen von ihr weg. Er wollte ihr nicht so auf die Pelle rücken, wenn es ihr unangenehm war, wollte sie nicht durch seine Nähe verschrecken.

Bunny traute sich gar nicht, ihn anzusehen. Dass es ihr nämlich ganz und gar nicht unangenehm war, wenn er ihr so nahe war, konnte sie selbst nicht verstehen.
 

Nacheinander wurden die Mädchen zu Hause abgesetzt: Erst Rei, dann Makoto, Amy, Minako und zum Schluss blieb nur noch Bunny übrig. Als sie schließlich vor ihrer Haustür hielten, verabschiedete sie sich von Yaten und Taiki, die ihr eine gute Nacht wünschten. Seiya stieg noch mit ihr aus.

„Wartet bitte kurz.“, bat er noch schnell seine Brüder, bevor er Bunny aus dem Auto folgte.

„Ich freu mich, dass du gekommen bist.“, sagte er zu Bunny, die nun mit ihm zusammen vor ihrer Haustür stand.

„Ja, danke für die Einladung. Es war sehr schön.“, antwortete sie lächelnd. Sein Herz wurde schwer bei dem Gedanken, dass er sie nun verlassen musste, ohne ihr einen Kuss geben zu dürfen, ohne ihr zu sagen, was er für sie empfand.

„Dann gute Nacht…“, brachte er schließlich hervor und umarmte sie. Wenigstens das wollte er sich nicht nehmen lassen.

„Gute Nacht, Seiya.“, erwiderte sie, während sie sich leicht an ihn drückte. Als sie sich wieder lösten, sah sie ihm in die Augen und lächelte.

„Bis morgen.“, sagte sie noch, bevor sie sich dem Schloss ihrer Haustür widmete.

„Bis morgen…“, murmelte Seiya, betrachtete sie noch kurz und ging dann zurück zur Limousine, die auf ihn wartete.
 

Seufzend ließ er sich neben Yaten nieder. Er lehnte seinen Kopf nach hinten und schloss kurz die Augen, während er einmal tief durchatmete. Taiki und Yaten warfen ihm besorgte Blicke zu. Warum tat er sich das nur an?

„Ich weiß, was ihr sagen wollt.“, sagte Seiya schließlich, ohne die Augen zu öffnen.

„Du musst damit aufhören, Seiya.“, riet Yaten ihm besorgt.

„Ich kann nicht.“, antwortete er und sah ihn nun direkt an. „Ich liebe sie.“

„Das wissen wir.“, entgegnete nun Taiki. „Aber sie hat Mamoru. Die beiden sind seit Jahren ein Paar und so wie wir es von den anderen gehört haben, waren sie das bereits in ihrer Vergangenheit und werden es auch in der Zukunft sein. Sie sind füreinander bestimmt, Seiya. Das musst du verstehen. Du darfst diese Beziehung nicht zerstören.“

Seiya schluckte.

„Ich weiß…“, sagte er geknickt. „Ich werde nichts machen, versprochen. Aber wenn sie sich von selbst irgendwann dazu entschließen sollte, ihn zu verlassen, werde ich da sein. Darauf könnt ihr Gift nehmen.“

Taiki und Yaten warfen sich einen Blick zu. Sie wussten, wie sehr Seiya unter Bunnys Beziehung mit Mamoru litt. Sie hofften nur, dass er sich an sein eigenes Versprechen hielt und tatsächlich nichts Unüberlegtes versuchen würde.
 

„Ach, warte. Sie kommt gerade herein.“, hörte Bunny ihre Mutter sagen, die das Telefon am Ohr hatte. Schnell lief sie zu ihr herüber und nahm das Telefon entgegen.

„Hallo?“, fragte sie.

„Hallo Bunny, ich bin’s.“, hörte sie durch den Hörer.

„Hallo Mamoru!“, rief sie erfreut aus und ging mit dem Telefon die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Sie wollte ungestört mit ihm telefonieren.

„Na, wie war die Talkshow?“, fragte er. Sie hatte ihm davon erzählt, als sie am Abend telefoniert hatten.

„Es war toll!“, erzählte sie aufgeregt und berichtete ihm von den vielen neuen Eindrücken, die sie an diesem Abend gewonnen hatte, inklusive ihrer ersten Fahrt mit einer Limousine.

„Hört sich ja toll an…“, entgegnete Mamoru, als sie mit ihren Erzählungen am Ende war.

„War es auch.“, bestätigte sie.

„Bunny, ich habe mir die Show angesehen.“, sagte er schließlich und klang ziemlich ernst. Bunny schluckte. Sie wusste, worauf er wohl hinauswollte. Er seufzte.

„Dir ist doch wohl klar, dass Seiya von dir gesprochen hat… oder?“, wollte er von ihr wissen. Dieses Mal war es an Bunny zu schlucken.

„Ähm… mhm… ja…“, antwortete sie schließlich mit einem unguten Gefühl im Bauch. Mamoru seufzte.

„Das habe ich mir gedacht.“ Ein kurzes Schweigen. „Was willst du jetzt machen?“, fragte er dann.

„Wieso? Was meinst du?“, hakte Bunny nach, die nicht so recht verstand, was Mamoru von ihr wollte.

„Ist das dein Ernst?“ Mamoru zog die Augenbrauen zusammen. Er konnte es nicht fassen. „Du kannst doch nicht einfach so tun, als wäre nichts.“

„Was meinst du?“, fragte Bunny erneut.

„Bunny…“, begann Mamoru langsam und atmete einmal tief durch. „Dieser Kerl liebt dich. Du kannst nicht einfach so tun, als wäre es nicht so. Und dann schmeißt er sich auch noch an dich ran wie so ein liebestoller Verrückter.“

Seine Worte erschreckten sie. Was war nur mit ihm los?

„Mamoru...“, begann sie vorsichtig, doch er unterbrach sie.

„Du musst irgendwas machen, Bunny.“, verlangte er. „Wenn du so tust, als wäre alles normal, macht es das nur noch schlimmer. Es klang nicht so, als würde er dich so schnell aufgeben. Es wäre nicht fair, wenn du ihm Hoffnungen machst. Nicht für ihn und auch nicht für mich.“

„Aber ich mache ihm gar keine Hoffnungen!“, widersprach Bunny nun. „Er weiß, dass du mein Freund bist und ich habe es ihm erst heute nochmal gesagt! Er weiß, dass ich nicht zu haben bin!“

Mamoru seufzte.

„Na schön… Ich bin ganz ehrlich, Bunny. Es gefällt mir nicht, wie er dich ansieht und dass er so viel Zeit mit dir verbringen kann. Aber ich kann nichts dagegen machen. Ich vertraue dir und darauf, dass du mit der Situation richtig umgehst.“

„Es tut mir leid, dass du dir solche Gedanken machst.“, erwiderte Bunny ehrlich. „Aber Seiya ist ein guter Freund. Er war immer für mich da, als du weg warst, und er hat mir immer geholfen. Ich will ihn nicht verlieren, er ist mein bester Freund. Aber du kannst dir sicher sein, dass ich nur dich liebe.“

Mamoru seufzte erneut. Es gefiel ihm wirklich nicht, dass Bunny und dieser Seiya sich so nahe standen, aber er konnte es auch nicht verhindern. Er konnte seiner Freundin diese Freundschaft schlecht verbieten. Er hoffte, dass sich Bunny seiner Gefühle bewusst war und es nicht zulassen würde, dass dieser Seiya ihr zu nahe kam. Mehr konnte er nicht tun.

„Ich liebe dich, Bunny.“, sagte er. Sie lächelte.

„Ich liebe dich auch, Mamoru.“, erwiderte sie.

Sie unterhielten sich noch ein wenig, vor allem über Mamorus Tag, da Bunny ja bereits alles erzählt hatte, bevor sie sich schließlich eine gute Nacht wünschten und das Telefonat beendeten.

Bunny brachte das Telefon wieder nach unten, putzte sich die Zähne, zog sich um und setzte sich dann etwas unschlüssig aufs Bett. Das Telefonat mit Mamoru hatte sie schwer getroffen. Sie wollte keinen von beiden verlieren und sie wusste, dass sie in Zukunft wohl noch einige Probleme erwarten würden. Sie seufzte, bevor sie nach ihrem Discman griff und sich die Kopfhörer in die Ohren steckte. Sie drückte auf Play und schon ertönten die ersten Takte des Liedes, welches sie schon so oft gehört hatte. Es dauerte nicht lang, da hörte sie die Stimme von Seiya, so wie sie es monatelang jeden Abend getan hatte.

A jamboree of surprises

„Guuuuten Moooorgeeeen!!“, rief Minako überschwänglich, die extra früh aufgestanden war, um die Three Lights noch vor Unterrichtsbeginn an der Schule abzufangen. Etwas entgeistert sahen die Jungs sie an.

„Guten Morgen.“, antworteten sie schließlich im Einklang, während Minako sich euphorisch an Yatens Arm klammerte. Er lachte nervös.

„Ich muss unbedingt mit euch reden!“, verkündete Minako gut gelaunt, jedoch mit wichtiger Miene.

„So?“, fragte Seiya und beugte sich neugierig ein wenig nach vorn. „Was gibt’s denn?“

Minako blickte sich verschwörerisch um, bevor sie mit gedämpfter Stimme und geheimnisvoller Miene sprach.

„Bunny hat am Samstag Geburtstag und wir wollen eine Überraschungsfeier für sie veranstalten!“, verkündete sie schließlich, so dass nur die drei sie hören konnten. Überrascht sah Seiya sie an. Sein Schätzchen hatte nächste Woche Geburtstag? Er musste sich unbedingt ein tolles Geschenk für sie überlegen.

„Wir planen das Ganze schon seit Wochen!“, fuhr Minako nun fort. „Und ihr seid wirklich genau zum richtigen Zeitpunkt wiedergekommen!“

Seiya grinste.

„Das sehe ich auch so.“, stimmte er ihr zu und ließ sich für sein Schätzchen ausnahmsweise Mal von Minakos Euphorie anstecken. Yaten sah eher gelangweilt aus, auch wenn auch er natürlich gern für Bunny eine Party geben wollen würde. So viel sie für sie und ihre Prinzessin getan hatte.

„Also!“ Minako schlug mit einer Faust auf die geöffnete Handfläche der anderen Hand. „Der Plan lautet folgendermaßen: Am Samstag versammeln wir uns alle um 16 Uhr bei Bunny und bereiten alles vor: Girlanden aufhängen, Luftballons aufblasen und so weiter. Bunnys Mutter weiß Bescheid und hilft uns. Makoto bringt Kuchen mit und wir bereiten alle eine Kleinigkeit zu essen vor. Für Getränke wird natürlich auch gesorgt.“ Sie zwinkerte. „Mamoru lenkt sie in der Zwischenzeit ab, indem sie irgendwas unternehmen.“

Seiyas Blick verfinsterte sich. Natürlich. Mamoru. Es war ja klar, dass er diese Aufgabe übernehmen würde.

„Um 18 Uhr kommen sie dann nach Hause…“, fuhr Minako unbeirrt fort. „… und tada… ÜBERRASCHUNG!“ Sie rief es laut aus und hüpfte sogar leicht dabei. Von der unerwarteten Lautstärke überrascht wichen die Jungs ein wenig von ihr zurück und auch die Blicke vieler anderer Schüler lagen auf Minako. Diese war leicht rot geworden und legte sich die Hand über den Mund.

„Ups.“, lachte sie verlegen. Auch die Jungs lachten kurz nervös auf, bevor sie einheitlich seufzten. Diese Minako…
 

Der Samstag kam schneller als erwartet und so hatten sich alle wie besprochen bei Bunny zu Hause versammelt. Die meisten hier kannte Seiya, da es sich um Bunnys engste Freundinnen handelte. Es gab nur wenige unbekannte Gesichter. Er stellte bald fest, dass es sich um einen alten Freund von Bunny handelte, einen jungen Mann namens Motoki. Außerdem waren noch eine alte Freundin von Bunny, die Naru hieß und ihr etwas merkwürdiger Freund Umino anwesend. Anscheinend hatte Minako sich die Mühe gemacht, sie einzuladen, obwohl sie und Bunny sich schon länger nicht mehr gesehen hatten.

Zunächst schien diese Naru ganz aufgeregt darüber zu sein, ihn und seine Brüder kennenzulernen, aber nachdem er ihr versichert hatte, dass sie auch nur ganz normale Menschen waren, und sie sie gerne auch so behandeln sollte, hatte sie sich langsam beruhigt. Nicht ohne jedoch mehrere strahlende Blicke auf sie zu werfen und ihrem Freund immer wieder aufgeregt etwas zuzuflüstern.

Es war fast 18 Uhr, als es klingelte. Auf Minakos Zeichen wurden alle ruhig und sie linste vorsichtig zur Tür. Sie entspannte sich etwas und lachte.

„Bunny würde ja gar nicht klingeln!“, rief sie aus und öffnete nun die Tür. Es waren Haruka, Michiru, Setsuna und Hotaru. Seiya schluckte. Sie wussten ja noch gar nicht, dass er und seine Brüder wieder auf der Erde waren. Das würde gleich sicherlich nicht so nett werden.

Haruka hatte die Hände in den Hosentaschen und ein Geschenk unter den Arm geklemmt. Sie lächelte leicht. An ihrem anderen Arm hatte sich Michiru eingehakt und lächelte ebenso, wobei ihr Lächeln deutlich femininer wirkte.

„Hallo!“, begrüßten die beiden die Anwesenden. Während die anderen die Begrüßung erwiderten, spannte sich Seiya an und starrte die großgewachsene Frau abschätzig an. Sie hatten sich noch nie sonderlich leiden können.

Schließlich fiel auch auf Harukas Blick vor ihn und ihre Augen weiteten sich leicht.

„Was macht ER hier?“, fragte sie aufgebracht, ohne die Frage an jemand Bestimmtes zu richten. Seiya zog die Augenbrauen zusammen und blickte Haruka finster an. Er bemerkte, dass auch Yaten ihr einen bösen Blick zuwarf, während Taiki zwar leicht angespannt war, jedoch versuchte, neutral zu gucken.

„Sie leben jetzt hier!“, rief Minako vergnügt aus, die von der Anspannung gar nichts gemerkt hatte. Haruka zog eine Augenbraue hoch.

„So?“, fragte sie nach. „Sie leben jetzt hier?“ Ihr Ton klang absolut sarkastisch.

„Ja, toll, nicht?!“, fuhr Minako unbeirrt fort, während Rei, Makoto und Amy sich schon stark zusammenreißen mussten, ihr nicht den Mund zuzuhalten. Die wenigen Nicht-Eingeweihten betrachteten diese Szene ratlos.

„Einfach wundervoll.“, presste Haruka zwischen zusammengepressten Zähnen heraus. Michiru tätschelte ihr den Arm.

„Reg dich nicht auf, Haruka. Du weißt doch, dass sie unsere Freunde sind.“ Michiru, die Stimme der Vernunft. Haruka raufte sich innerlich die Haare. Ja, sie waren für ihr Mondgesicht eingestanden, hatten sie beschützt. Das erkannte sie durchaus an. Aber dass sie nun gleich hier leben mussten?! Und dieser Seiya… Sie konnte ihn nicht ausstehen! Er war einfach nicht gut für das Mondgesicht!

„Ja…“, brachte sie dennoch hervor und setzte ein gezwungenes Lächeln auf. „Freunde.“
 

Seiya konnte nicht anders. Er entspannte sich etwas und setzte ein Grinsen auf. Vielleicht würde es doch nicht so schlimm werden mit Haruka. Immerhin war sie ihm eine würdige Gegnerin.

„Lass uns endlich reingehen.“, sagte Michiru nun sacht und die beiden traten ein, gefolgt von Setsuna und Hotaru, die die Szene stumm beobachtet hatten.

„Hallo!“, begrüßte nun Hotaru alle mit einem herzlichen Lächeln. Sie war gewachsen, seit Seiya sie das letzte Mal gesehen hatte.

Die Three Lights und Haruka gingen sich so gut es ging aus dem Weg und sie beschlossen unabhängig voneinander, es für den Rest des Abends dabei zu belassen. Für Bunny. Immerhin wollten sie alle, dass sie eine schöne Geburtstagsfeier haben würde.
 

Endlich war es so weit. 18 Uhr. Sie hörten einen Schlüssel im Schloss, woraufhin alles leise wurde und jeder sich ein wenig verbarg. Kaum war Bunny durch die Tür getreten, regnete es Konfetti und Luftschlangen, Tröten erklangen und alle riefen im Einklang: „ÜBERRASCHUNG!!!“

Bunny schien wirklich überrascht zu sein und kaum, dass sie realisiert hatte, was hier passierte, strahlte sie über das ganze Gesicht.

„Eine Überraschungsparty? Für mich??“ Sie schien hin und weg zu sein, als sie in die lachenden Gesichter all ihrer Freunde sah.

„Alles Gute zum Geburtstag, Bunny!“, rief Minako und warf sich ihrer besten Freundin um den Hals. Sie drückte sie fest und Bunny strahlte nur noch mehr. Auch Mamoru war mittlerweile eingetreten und lächelte über die herzliche Szene zwischen den zwei Freundinnen.

Nacheinander gratulierten ihr alle. Sie konnte sich vor Umarmungen und Glückwünschen kaum retten. Viel mehr als „Danke!“ und zwischendurch ein „Oh Naru! Und Umino“ oder „Und Motoki ist auch da!“ brachte sie nicht raus.
 

Mit klopfendem Herzen kam nun Seiya auf sie zu. Er fühlte sich nicht recht wohl dabei, ihr jetzt zu gratulieren und sie zu umarmen, wie alle anderen es taten, weil Mamoru direkt hinter ihr stand. Er hatte ihn bisher keines Blickes gewürdigt und ihn geflissentlich ignoriert. Aber er wusste genau, dass sein Blick auf ihm ruhen würde, er ihn mit Argusaugen betrachten würde, sobald er Bunny zu nahe kam. Er schluckte.

„Alles Gute zum Geburtstag, Schätzchen.“, sagte er nun, als er mit klopfendem Herzen vor ihr stand. Sie strahlte ihn an. Sie sah so glücklich aus. Seiya wurde warm ums Herz. Wie alle anderen vor ihm, nahm auch er sie in den Arm. Er drückte sie kurz an sich und sog ihren süßen Duft ein, den er so liebte. Viel zu schnell war dieser Moment wieder vorbei. Er konnte ihn nicht aufrechterhalten, spürte er doch genau Mamorus Blick.

„Danke Seiya.“, sagte sie mit einem süßen Lächeln. Auch er lächelte, auch wenn es ihm schwer fiel. Er entfernte sich wieder von ihr und sah, wie nun zuletzt Bunnys Eltern und ihr Bruder sie nochmal beglückwünschten.
 

„Zeit für Gescheenkeee!!!“, rief Minako noch immer vergnügt. Bisher war alles ganz genau so verlaufen, wie sie es geplant hatte. Sie zeigte auf den Couchtisch, auf dem ein ganzer Stapel Geschenke bereit lag. Bunnys Augen wurden groß.

„Sind die alle für mich??“, fragte sie mit kindlicher Freude und wirkte genauso aufgeregt wie Minako.

„Natürlich, du doofe Nuss!“, neckte Rei sie. „Für wen den sonst?!“

„Sei doch nicht immer so gemein zu mir, Rei.“, jammerte Bunny. „Heute ist doch mein Geburtstag!“

Rei lachte und schob ihre Freundin nun zum Sessel, der extra für das Geburtstagskind reserviert war.

„Weiß ich doch.“, sagte sie und setzte Bunny ein kleines Krönchen aus goldener Pappe auf. Bunnys Augen funkelten erneut, als sie sie sah.

Alles versammelte sich nun um das Geburtstagskind und den Geschenktisch. Makoto brachte eine selbstgemachte Torte, auf der 17 Kerzen brannten, und stellte sie vor Bunny auf den Tisch.

„Als erstes musst du die Kerzen auspusten.“, verkündete sie.

„Und vergiss nicht, dir etwas zu wünschen!“, rief Minako ein. Bunny nickte, legte den Zeigefinger an ihr Kinn und dachte kurz nach. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. Sie holte tief Luft und pustete kräftig, sodass alle Kerzen erloschen. Die Gäste klatschten.

„Was hast du dir gewünscht?“, fragte Minako neugierig.

„Sag ich nicht!“, rief Bunny. „Sonst geht es doch nicht in Erfüllung!“ Und ihr Wunsch musste definitiv in Erfüllung gehen. Sie würde so gerne in Frieden leben. Für immer. Mit all ihren Freunden. Ohne dass sie kämpfen mussten oder sie sich Gedanken um irgendwelche Rivalitäten zwischen ihrem Freund und ihren Freunden machen musste. Zwischen ihrem Freund und ihrem besten Freund, um es genauer zu sagen…
 

„Hier!“, sagte Rei und hielt Bunny ein Päckchen hin. „Pack meins zuerst aus!“

Bunny nahm das Geschenk entgegen und riss das Papier auf. Zum Vorschein kam ein traditioneller Blumenhaarschmuck, der farblich perfekt zu ihrem Kimono passte. Außerdem fand sie noch einen Talisman, der ihr Glück für das neue Lebensjahr wünschte.

„Danke Rei!“, sagte Bunny und umarmte ihre Freundin.

Nach und nach packte sie die Geschenke ihrer Freunde aus, wobei sie die Auswahl eher zufällig traf. Sie bekam eine CD von Minako, ein Buch von Ami, ein selbstgemachtes Stofftier von Makoto, ein Parfum von Setsuna und Hotaru, eine DVD von Naru und Umino, ein Videospiel von Motoki, ein T-Shirt und ein Halstuch von Haruka und Michiru, und Süßigkeiten, ein paar Klamotten und ein wenig Geld von ihren Eltern und ihrem Bruder.
 

Schließlich standen noch drei Geschenke auf dem Tisch. Da sie wusste, von wem sie schon alles etwas bekommen hatte, wusste sie auch, von wem die restlichen drei Sachen sein mussten. Eines war sicherlich von Mamoru, eines von Seiya und das letzte musste von Yaten und Taiki zusammen sein. Sie griff nach einem Päckchen mit blauem Geschenkpapier und einer kunstvoll gebundenen silbernen Schleife.

„Das ist von uns.“, sagte Yaten und zeigte auf sich selbst und Taiki. Bunny öffnete das Geschenk und machte große Augen.

„Eine Digitalkamera???“, fragte sie aufgeregt.

„Äh…“, stotterte Yaten verunsichert. „Ja…?!“ Er konnte sich gar nicht erklären, warum alle so große Augen machten.

„Seid ihr verrückt geworden??“, rief Bunny nun aus und verwirrte den armen Yaten nur umso mehr. Auch Taiki schaute etwas hilflos drein.

„Gefällt’s dir nicht?“, fragte Yaten verzweifelt. „Wir können das auch umtauschen, wenn…“

„Nein!“, unterbrach Bunny ihn. „Es ist toll! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Das ist doch so teuer!“

Yaten atmete erleichtert aus und auch Taiki begriff nun, was los war.

„Achso…“, Yaten lachte leicht.

„Mach dir darum keine Gedanken.“, warf Taiki nun ein. „Wir haben über den Preis ehrlich gesagt gar nicht nachgedacht. Wir wollten dir nur eine Freude machen.“

Bunny lachte.

„Das habt ihr auch geschafft!“ Sie sprang auf und warf sich erst Yaten, dann Taiki um den Hals. „Danke ihr zwei!!“

Nach dem ersten Schock, wurde allen erst bewusst, dass sich die Kous nun wirklich keine Gedanken um Geld machen brauchten und so ein Geschenk daher gar nicht so unbegreiflich war. Nur Bunnys Eltern guckten noch etwas ratlos. Wer waren diese jungen Männer eigentlich?
 

Bunny griff sich nun das vorletzte Geschenk. Noch bevor sie es aufmachen konnte, legte Mamoru ihr seine Hand auf die Schulter und lächelte sie liebevoll an.

„Das ist von mir.“, sagte er und Bunny erwiderte sein Lächeln. Sie war gespannt, was es war. Die Schachtel war relativ klein und etwas länglich. Leicht war sie außerdem. Sie öffnete sie und zum Vorschein kam ein silbern glitzerndes Armband mit einigen funkelnden Steinchen.

„Ohhh, ist das schön!“, rief sie das Armband bewundernd. „Danke Mamoru!“ Sie umarmte ihn fest, traute sich aber nicht, ihm einen Kuss zu geben, da ihre Eltern noch anwesend waren. Zwar wussten sie von ihrer Beziehung, aber ihre Zuneigung so offen vor ihnen zu zeigen, ging dann doch etwas zu weit.

„Gern geschehen.“, sagte Mamoru zufrieden. Ihr hatte das Geschenk offensichtlich gefallen. Er half ihr, das Armband umzulegen. Bunny betrachtete es glücklich, bevor sie sich dem letzten Geschenk zuwendete. Es war rosa verpackt mit kleinen weißen Häschen drauf.

„Das ist dann wohl von dir, oder Seiya?!“, fragte sie an ihn gewandt. Er lächelte leicht, während er die Szene von eben noch verarbeiten musste.

„Ja…“, antwortete er. Bunny fing an, das Geschenkpapier aufzureißen und er bemerkte, dass sein Herz dabei aufgeregt gegen seine Brust schlug. Er hoffte, es gefiel ihr.

Bunny zog das Geschenkpapier nun endgültig ab und betrachtete, was sie in Händen hielt. Zum zweiten Mal an diesem Abend klappte ihr die Kinnlade herunter.

„Ein Handy???“, rief sie sogar noch aufgeregter als bei der Kamera. Seiya grinste zufrieden.

„Jap.“, antwortete er.

„Spinnst du vollkommen???“, fragte sie und er musste lachen.

„Jap.“, wiederholte er und zwinkerte ihr zu.

„Seiya...“, brachte sie etwas sprachlos hervor, bevor sie aufsprang, über Minakos Beine stieg und sich Seiya um den Hals warf. Sie drückte ihn fest an sich.

„Danke!!“, rief sie, ohne ihn loszulassen. Seiya grinste und schlang auch seine Arme fest um sie.

„Gern geschehen, Schätzchen.“

Noch während der Umarmung konnte er Mamorus verärgertes Gesicht sehen. Mit einem Lächeln senkte er den Blick und genoss die Umarmung mit seinem Schätzchen.
 

Mamoru konnte es nicht fassen. Dieser aufgeblasene Popstar. Nur weil er reich war, konnte er Bunny solch ein Geschenk kaufen. Und wie reagierte sie darauf? Fiel ihm vor allen Leuten um den Hals und umarmte ihn deutlich länger, als es angebracht wäre. Ein Handy! Er schnaubte. Damit sie immer heimlich SMS austauschen konnten, hm?! So ein hinterlistiger Arsch…

Sein Blick wanderte kurz zu Yaten und Taiki, die grinsend ihren Bruder und Bunny betrachteten. Die zwei waren um keinen Deut besser. Seine Laune war im Keller. Er hatte von Anfang an lieber mit Bunny alleine feiern wollen.

Jealousy, look what you've done

„So, Bunny, wir gehen dann jetzt mal.“, sagte Ikuko zu ihrer Tochter. Kenji und Shingo standen mit Taschen in den Händen neben ihr.

„Was? Wohin denn?“, fragte Bunny erstaunt. Sie hatte nicht gewusst, dass ihre Eltern und ihr Bruder heute noch weg wollten. Dabei feierten sie grad alle so schön zusammen.

„Naja.“ Ikuko hob ihren Zeigefinger in die Höhe. „Meine kleine Tochter ist ja nun 17 und sollte auch mal mit ihren Freunden alleine feiern dürfen.“

„Wirklich??“ Bunnys Augen leuchteten. Eine richtige Geburtstagsparty mit ihren Freunden?

„Wirklich!“, bestätigte Ikuko lachend, bevor sie eine ernste Miene aufsetzte und sich etwas näher zu ihrer Tochter beugte. „Aber stellt mir ja nichts hier an, Bunny, hast du verstanden?!“

„Verstanden!“, bestätigte Bunny, während sie sich nervös lachend am Hinterkopf kratzte.

„Gut!“ Ikuko lächelte wieder. „Also macht’s gut!“, rief sie zum Abschied in die Runde.

„Auf Wiedersehen!“, erschallte es im Chor von Bunnys Freunden.

Kenji warf noch einen strengen Blick auf Mamoru und die anderen männlichen Anwesenden, bevor auch er sich kurz von seiner Tochter verabschiedete und zusammen mit Ikuko und Shingo das Haus verließ. Ikuko hatte ihm verboten, Bunnys Freund eine lange Rede zu halten oder noch schlimmer sich direkt an Mamoru wandte. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er hätte hier bleiben und ein Auge auf die Jugendlichen hätte haben können. Aber nein, seine Frau wollte ihr ihre Party lassen. Er seufzte. Wenn das mal gut ging…
 

„Alle mal aufgepasst!“, rief Minako vergnügt, nachdem sie sichergestellt hatte, dass Bunnys Eltern weg waren. „Jetzt gibt’s Sekt!“

Die anderen sahen sie entgeistert an.

„Äh… Sekt?“, hakte Bunny nach. „Aber…“

„Kein Aber, Bunny. Heute ist dein Geburtstag und darauf müssen wir doch anstoßen!“ Sie kramte mehrere Flaschen Sekt aus ihrer großen Sporttasche hervor.

„Aber Minako. Ihr seid doch alle noch minderjährig. Ihr dürft noch gar keinen Sekt trinken.“, mischte Mamoru sich ein.

„Ach was.“, winkte Minako ab. „Jetzt sei doch nicht so ein Langweiler, Mamoru. Das ist doch eine absolute Ausnahme!“

Mamoru sah sie mit großen Augen an. Hatte sie ihn grad Langweiler genannt? Er drehte sich zu Setsuna, Haruka und Michiru.

„Sagt ihr doch auch mal was dazu.“, verlangte er.

„Ich denke, ein Glas für jeden schadet nicht.“, erklärte Setsuna. „Aber Hotaru kriegt etwas anderes zum Anstoßen!“ Sie klang zwar streng, jedoch lächelte sie die Jüngste unter ihnen warmherzig an.

„Ich würde auch gern auf mein Mondgesicht anstoßen.“, bestätigte auch Haruka mit einem Grinsen.

„Na also!“, lachte Minako und kramte zusätzlich zu den Flaschen noch ein paar Sektflöten aus Plastik hervor. Schnell steckte sie sie zusammen und verteilte sie an alle.

„Na, dann will ich mal kein Spielverderber sein.“, seufzte Mamoru und nahm auch eine der Sektflöten entgegen. Minako schnappte sich die Flaschen und drückte Makoto, Motoki und Seiya jeweils eine Flasche in die Hand.

„Hier, helft mir beim Einschenken!“, verlangte sie. „Lasst die Korken knallen!“

Die vier öffneten die Flaschen und verteilten dann den Sekt. Seiya achtete darauf, dass er derjenige war, der Bunny einschenkte. Er legte seine Hand über ihre, um das Glas stillzuhalten, während er einschenkte.

„Danke, Seiya.“, sagte sie. Er lächelte.

„Bitte, Schätzchen.“ In seinem Rücken konnte er genau den finsteren Blick Mamorus spüren, aber das war ihm egal. Er wollte sich seine Laune von ihm nicht verderben lassen. Er würde jede Chance nutzen, um Bunny nahe zu sein.

Zum Schluss schenkte er sich selbst ein und als jeder ein gefülltes Glas hatte, ergriff Minako erneut das Wort.

„Also! Wir alle wünschen dir nochmal alles Liebe und Gute zum Geburtstag Bunny!“, sagte sie und erntete dafür zustimmendes Gemurmel. „Auf Bunny!“

„Auf Bunny!“, ertönte es im Chor und alle erhoben ihre Gläser. Nachdem sie alle einen Schluck getrunken hatten, wollte auch Bunny etwas sagen.

„Ich danke euch allen. Ich freu mich riesig, dass ihr alle hier seid, um mit mir Geburtstag zu feiern. Ich habe doch wirklich die besten Freunde der Welt.“ Sie war wirklich gerührt.
 

Minako sorgte für Musik und alle hatten mittlerweile ihren Sekt ausgetrunken. Bunny bemerkte, dass sie den Alkohol durchaus merkte, auch wenn es nur ein einziges Glas gewesen war. Sie fühlte sich nicht betrunken, aber ihr Gesicht war warm und ihre Gliedmaßen kribbelten leicht. Sie setzte sich aufs Sofa und besah sich nochmal ihre Geschenke. Gedankenverloren griff sie nach der Kamera. Sie wusste gar nicht, wie man damit umging.

„Soll ich dir dabei helfen, Schätzchen?“, hörte sie Seiya fragen, der sich neben sie setzte. Erschrocken blickte sie auf. Sie hatte ihn gar nicht bemerkt.

„Äh ja… bitte!“ Sie wollte gerne ein paar Fotos von der Party machen, wenn sie nun schon mal eine Kamera besaß.

„Hier…“ Seiya öffnete das Batteriefach und legte die beigelegten Batterien ein. Danach drückte er ihr die Kamera in die Hand.

„Schau, hier schaltest du die Kamera an.“ Bunny drückte auf den ihr gezeigten Knopf und ein kleines Lämpchen blinkte auf, bevor der Bildschirm aufleuchtete und das Objektiv herausgefahren wurde.

„Wow!“ Bunny staunte, als sie ihre eigenen Knie durch über den Bildschirm sah, was Seiya zum Lachen brachte.

„Und das ist der Auslöser. Damit machst du Fotos.“, erklärte er weiterhin. Sie hob die Kamera an und richtete sie auf ihn, bevor sie den Auslöser drückte. Es blitzte.

„Hat’s geklappt?“, fragte sie neugierig.

„Da ich jetzt halb blind bin, würde ich sagen: ja.“, lachte er, während er ein paar Mal blinzelte. Er zeigte ihr, wie sie sich die gemachten Bilder anschauen konnte. Eine Großaufnahme von seinem Gesicht war auf dem Display zu sehen.

„Uaah, das ist ja furchtbar!“, rief er aus. „Da kann ich dir ja auch gleich zeigen, wie man Bilder löscht.“ Er machte Anstalten, die Kamera an sich zu nehmen.

„Was? Nein!“, protestierte sie und hielt die Kamera fest an sich gedrückt. „Das ist das erste Bild, was ich jemals gemacht habe und ich will es behalten!“

Seiya seufzte. Eigentlich sollte er sich ja geehrt fühlen. Ihr allererstes Foto war ein Bild von ihm. Nicht von Mamoru, sondern von ihm!

„Na schön. Dann behalt es halt.“, sagte er gespielt gleichgültig. Sie lächelte zufrieden.

„Mach ich auch.“
 

„Bunny?“ Sie sah auf und entdeckte Mamoru, der vor ihr stand.

„Mamoru!“, rief sie aus und sprang auf. Sie reichte Seiya die Kamera.

„Hey, Seiya, mach mal ein Foto von uns, ja?!“ Im gleichen Atemzug stellte sie sich neben Mamoru und klammerte sich an seinen Arm. Er sah für einen Moment überrumpelt aus, bevor sich jedoch ein Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. Er sollte sich wirklich nicht so viele Sorgen machen.

Mit steinerner Miene hob Seiya die Kamera und machte ein Bild. Danach drückte er ihr die Kamera wortlos in die Hand und drehte sich um.

„Hey, Seiya…“, rief sie ihm hinterher und streckte die Hand nach ihm aus. Doch Mamoru hielt sie zurück.

„Lass ihn.“, sagte er. „Sonst machst du ihm nur Hoffnungen.“

Traurig sah Bunny ihm hinterher. Es war vielleicht keine so gute Idee gewesen, gerade ihn darum zu bitten, ein Bild von Mamoru und ihr zu machen. Sie hatte ihm nicht weh tun wollen.
 

„Ich mach mal noch ein paar Bilder.“, sagte sie schließlich zu Mamoru und begann, ihre Freundinnen und Freunde zu fotografieren. Auch die anderen machten Fotos, damit auch Bunny mal zu sehen war.

„Ein Bild zusammen mit Taiki und Yaten!“, forderte Minako, die die Kamera in die Finger bekommen hatte und nun das Geburtstagskind zu den beiden Geschenkgebern drückte.

„Ja gut.“, bestätigte Bunny und auch Taiki und Yaten ließen es mit sich machen.

„Ein schönes Bild!“, lachte Minako, bevor sie sich umsah. „Wo ist denn eigentlich Seiya hin?“

Bunny, Yaten und Taiki sahen sich auch um.

„Keine Ahnung.“, antwortete Yaten ratlos. „Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, saß er noch mit dir auf dem Sofa.“ Er sah Bunny an.

„Ja… ich weiß auch nicht, wo er dann hingegangen ist.“, entgegnete sie mit leicht trauriger Stimme. Minako griff nach ihrer Hand.

„Komm, wir suchen ihn.“, schlug sie vor.

„M-Minako, warte!“, protestierte Bunny, die von ihrer Freundin mitgezogen wurde. Allerdings erfolgslos.
 

Sie warfen einen Blick in die Küche und schauten nach, ob er vielleicht auf der Toilette war, aber dort war er nicht zu finden. Schließlich fiel Bunnys Blick durch die Terrassentür.

„Hey Mina…“, sagte sie. „Sind das nicht Seiya und… Mamoru?“

Neugierig warf auch Minako einen Blick nach draußen.

„Ja, tatsächlich…“, bestätigte sie. „Was machen die zwei denn zusammen draußen? Ich dachte immer, dass die sich nicht besonders leiden könnten.“

„Ich weiß auch nicht…“, sagte Bunny ratlos und blickte weiterhin verwirrt auf die beiden jungen Männer.
 

„Was willst du eigentlich von mir?“, fragte Seiya gereizt. Er war nach draußen gegangen, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Wieso kam ausgerechnet er ihm nach?

„Ich möchte nur sicherstellen, dass du dir darüber im Klaren bist, dass Bunny bereits vergeben ist.“, antwortete Mamoru ruhig.

„Das weiß ich.“, zischte Seiya.

„Das macht nicht immer so den Anschein.“, stellte Mamoru nüchtern fest, was Seiya nur noch wütender machte.

„Denkst du, ich bin dumm? Oder blind?“ Er musste sich sehr zusammenreißen, nicht zu schreien. „Ich weiß, dass sie DEINE Freundin ist. Das hat sie mir von Anfang an klar gemacht.“

Mamoru zog die Augenbrauen hoch.

„Hat sie das?“, fragte er skeptisch.

„Ja, hat sie.“, bestätigte Seiya, wobei er sich fragte, warum er Mamoru das überhaupt erzählte. Vermutlich weil er nicht wollte, dass Bunny Stress mit ihm bekam.

„Dann solltest du aufhören, ihr die ganze Zeit hinterherzulaufen.“, forderte Mamoru. Seiya blickte ihn finster an.

„Hey, ich weiß, dass sie mit dir zusammen ist. Aber wir sind trotzdem Freunde. Und so lange nicht sie diejenige ist, die sagt, dass sie mich nicht sehen will, werde ich so viel in ihrer Nähe sein, wie es mir passt!“ Was bildete sich dieser Kerl überhaupt ein? Es ist ja nicht so, als würde er sich ihr aufdrängen! Zumindest hatte er nicht das Gefühl.

Mamoru seufzte und verschränkte die Arme von der Brust.

„Du weißt, dass sie das nicht sagen wird.“

Seiya grinste.

„Dann habe ich auch keinen Grund, mich von ihr fernzuhalten.“ Damit war das Gespräch für ihn beendet. Er drehte sich um und wollte zurück ins Haus gehen, da entdeckte er sie. Sie stand in der Tür und hatte eine Hand auf ihre Brust gelegt.
 

„Schätzchen!“, rief er und auch Mamoru drehte sich schlagartig zu ihr um. Dass sie das mit anhörte, hatte er nicht gewollt.

„Bunny...“, sprach auch er sie an.

„Was ist hier los?“, fragte Bunny mit trauriger Stimme. Warum konnten ausgerechnet ihr Freund und ihr bester Freund sich nicht leiden?

„Bunny, ich…“, versuchte Mamoru es. Aber es hatte keinen Zweck. Das Ganze war von ihm ausgegangen. Er hatte Seiya gesagt, dass er sich besser von ihr fernhalten sollte. Und er wusste ganz genau, dass Bunny nicht gefallen würde, was er gesagt hatte.

„Nein.“, unterbrach sie ihn. „Du hast Seiya gesagt, dass er mir nicht mehr hinterherlaufen soll.“

„Schätzchen…“, setzte nun auch Seiya an.

„Nein!“, unterbrach sie auch ihn. „Seiya… Es tut mir leid. Bitte lass mich doch einen Moment mit Mamoru alleine reden.“

Seiya nickte und ging wieder rein. Auf ihrer Höhe blieb er kurz stehen. Er atmete einmal tief durch.

„Das macht er nur, weil er dich so liebt.“, sagte er und ging weiter. Es tat weh, so etwas zu sagen, aber er wollte nur, dass sie glücklich war. Und er wollte nicht der Grund sein, dass sie sich stritten.
 

„Bunny…“, sagte Mamoru vorsichtig, nachdem Seiya verschwunden war.

„Mamoru…“ Bunny seufzte und senkte traurig den Blick. „Warum hast du das zu Seiya gesagt?“

„Ich…“, setzte er an. „Ich möchte doch nur verhindern, dass jemand verletzt wird. Weder du noch… er… Und da ist es nun mal das Beste, wenn ihr nicht mehr so viel Kontakt habt.“

„Er ist mein bester Freund.“, erklärte Bunny, ohne den Blick zu heben. Mamoru seufzte.

„Ich weiß.“

„Mamoru, ich möchte selbst entscheiden dürfen, mit wem ich befreundet bin und mit wem nicht.“ Jetzt sah sie auf und blickte ihrem Freund direkt in die Augen. „Vertraust du mir nicht?“

Mamorus Augen weiteten sich.

„Was? Doch! Natürlich vertraue ich dir!“, widersprach er schnell.

„Warum machst du das dann?“, fragte sie.

„Bunny, du weißt ganz genau, dass er in dich verliebt bist. Und nur weil ich dir vertraue, heißt das lange nicht, dass man IHM vertrauen kann.“

„Und was glaubst du, dass er macht?“, hinterfragte Bunny. „Mich so verhexen, dass ich mich auch in ihn verliebe?“

„Äh… nein… natürlich nicht.“, gab er zu. „Bitte Bunny… Versuch, auch mich ein bisschen zu verstehen. Wir haben nicht viel Zeit füreinander und es gefällt mir eben nicht, dass ein anderer so viel Zeit mit dir verbringen kann. Ganz besonders, weil er Gefühle für dich hat.“

„Das verstehe ich ja…“, sagte Bunny. „Aber bitte… Seiya ist ein guter Mensch. Und er weiß, dass wir beide zusammen sind.“

Mamoru seufzte erneut.

„In Ordnung… Es tut mir leid, Bunny.“, sagte er schließlich. Bunny lächelte nun wieder.

„Okay… Entschuldigung angenommen.“ Sie gab ihm einen kleinen Kuss.

„Entschuldige mich jetzt bitte, Mamoru. Ich möchte kurz mit Seiya reden.“

„In Ordnung…“, sagte er und ließ sie gehen.
 

Bunny ging zurück ins Haus und fand Seiya schnell.

„Seiya?“, sprach sie ihn an. Er sah auf. „Kann ich kurz mit dir reden?“

„Klar.“, antwortete er und folgte ihr in ihr Zimmer. Minakos neugierige Blicke bemerkten sie nicht. Oben angekommen setzten sie sich beide aufs Bett.

„Es tut mir leid, was eben passiert ist.“, sagte sie schließlich. Seiya sah überrascht auf.

„Muss es nicht.“, erwiderte er.

„Doch…“, widersprach sie. „Mamoru hat sich unmöglich benommen und das nur meinetwegen. Deshalb tut es mir leid.“

„Ist schon gut.“, winkte er ab. „Ich kann ihn ja verstehen.“ Er seufzte. „Und er hat ja auch nicht ganz Unrecht.“

Fragend sah sie auf.

„Was meinst du?“, fragte sie.

„Naja…“ Er lächelte traurig. „Ich liebe dich wirklich…“

Love is kind and love is cruel

„Hat einer von euch Bunny gesehen?“ Haruka blickte sich suchend um. Sie hatte das Mondgesicht schon seit längerem nicht mehr gesehen und fragte sich, wohin sie sich wohl bei ihrer eigenen Geburtstagsfeier verzogen haben könnte.

„Ich hab sie gerade mit Seiya in ihr Zimmer gehen sehen.“, erklärte Minako gut gelaunt. Harukas verzog wütend das Gesicht.

„Wie bitte? Mit Seiya??“, zischte sie. Schnell hob Minako die Hände, um sie zu beruhigen.

„Nicht aufregen, Haruka.“, versuchte sie es, doch die junge Frau dachte gar nicht daran, sich zu beruhigen.

„Was ist mit Mamoru?“, fragte sie wütend nach. „Wie kann Bunny ihm das antun? Wie kann dieser Seiya es wagen, sie dazu zu bringen??“

„Haruka.“ Michiru legte ihr eine Hand auf den Arm, doch Haruka sah noch immer wütend aus.

„Du verstehst das ganz falsch.“, wagte Minako sich erneut vor. Auch Ami und Makoto waren nun mehr als gespannt auf Minakos Erklärung.

„Ich höre?“ Haruka verschränkte die Arme vor der Brust und sah Minako mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Sie wirkte schon einschüchternd, wie sie so da stand. Minako musste schlucken.

„Also… Irgendwie hat Bunny grad wohl eine nicht so schöne Szene zwischen Mamoru und Seiya mitbekommen. Mit Mamoru hat sie schon geredet und nun wollte sie, denke ich, eben auch nochmal mit Seiya reden.“

Harukas Muskeln entspannten sich nur minimal.

„Und dazu mussten sie alleine in ihr Zimmer gehen?“, hakte sie nach. Minako zuckte die Schultern.

„Sie wollten wohl einfach in Ruhe reden können.“, vermutete sie. „Und ich finde, wir sollten sie lassen. Sie sollte das alleine regeln dürfen.“
 

„Ich liebe dich wirklich…“ Immer wieder hörte sie diese Worte in ihrem Kopf. Warum? Warum sagte er das? Und warum fühlte sich ihr Magen so komisch an bei seinen Worten? Warum klopfte ihr Herz so schnell? Warum wurde ihr heiß und dann wieder kalt? Warum?

Sie war unfähig, auf seine Worte zu reagieren. Wie sollte sie auch? Es schienen schon Minuten vergangen zu sein, seitdem er diese Worte gesagt hatte, und noch immer wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. Seine saphirblauen Augen sahen sie an, durchdrangen sie fast gänzlich. Warum sah er sie so an? Sie schluckte.

„Seiya, ich…“ Doch sie wusste eigentlich gar nicht, was sie sagen sollte.

„Du brauchst nichts zu sagen, Schätzchen.“, unterbrach Seiya sie, worüber sie sogar irgendwie froh war. Er senkte seinen Blick und klang irgendwie traurig.

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich genau weiß, dass es eine einseitige Liebe ist.“, fuhr er fort. „Ich wusste, was mich erwarten würde, wenn ich zurück zur Erde gehe. Und ich habe mir fest vorgenommen, es so hinzunehmen. Ich wusste, dass es anders werden würde als das letzte Mal. Das letzte Mal, war er weg und ich hatte dich ganz für mich alleine.“ Er lächelte leicht und sah dennoch nicht glücklich aus.

„Aber ich habe auch gesehen, wie traurig du warst, Schätzchen. Und das war schlimm für mich, weil ich nichts dagegen tun konnte. Ich hätte dich gerne glücklich gemacht, aber ich wusste, dass ich es nicht konnte. Zumindest nicht so, wie ich es gerne getan hätte… Aber jetzt ist er wieder da und du bist glücklich. Das freut mich… wirklich.“

„Seiya…“, setzte sie an, doch erneut wurde sie unterbrochen.

„Nein… bitte, lass mich ausreden. Es ist mir wichtig, dass du weißt, was ich fühle.“ Er sah sie nun wieder direkt an. „Schätzchen… Es stimmt, was ich gesagt habe. Ich liebe dich wirklich. Aber Liebe ist für mich nicht, jemanden um jeden Preis haben zu wollen. Ich möchte, dass du glücklich bist. Und wenn du mit ihm glücklich bist, dann ist das okay für mich. Es wäre nur schön, wenn ich auch etwas dazu beitragen könnte, dass du glücklich bist. Als Freund.“

Bunnys Augen glitzerten verdächtig. Was Seiya ihr gerade gesagt hatte, war lieb und kam vom Herzen. Sie sollte glücklich darüber sein, so einen Freund zu haben. Trotzdem fühlte sie sich eher traurig als glücklich. Warum tat es ihr weh, seine Worte zu hören?

Sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie sanft. Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden, schaffte es aber nicht. Eine Träne rollte über ihre Wange und Seiyas Augen weiteten sich vor Schreck. Hatte er etwas Falsches gesagt? Er hatte sie nicht zum Weinen bringen wollen.

„Schätzchen…?“, fragte er unsicher.

„Es ist nichts…“, sagte sie und unterdrückte ein Schluchzen. Instinktiv legte Seiya einen Arm um sie und zog sie etwas zu sich. Sie sollte nicht weinen.

„Seiya…“ Sie konnte ein kleines Schluchzen nun nicht mehr verhindern. „Es tut mir leid.“

Seiya spürte einen kleinen Stich ins Herz, doch hatte er nichts anderes erwartet. Es war ernst gemeint, als er sagte, dass er nur wollte, dass sie glücklich war. Er zog sie noch etwas enger an sich und spürte, wie sich ihre Hand in sein Hemd krallte.

„Es muss dir nicht leidtun.“, sagte er leise, während er seinen Kopf auf ihren legte. Er schloss die Augen, um diesen kurzen Moment mit ihr in seinen Armen zu genießen.
 

Langsam beruhigte sie sich in seinen Armen. Er hatte schon immer diese Wirkung auf sie. Sie fühlte sich sicher und geborgen. Das war ihr das erste Mal aufgefallen, als sie zusammen in der Disco waren und der Strom ausgefallen war. Er hatte sie in den Arm gezogen, um sie zu beschützen. Es war ein merkwürdig vertrautes Gefühl gewesen und gleichzeitig so fremd. Wie bei Mamoru und dennoch so anders.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon so da saßen, wie lange sie schon in seinem Arm lag, aber es spielte auch keine Rolle. Sie wollte endlich etwas sagen. Sie richtete sich leicht auf und löste sich so aus seinen Armen, ohne jedoch seine Hand loszulassen. Er sah sie aufmerksam an. Ihr Herz klopfte aufgeregt, als sie in diese aufrichtigen, blauen Augen sah. Er war so ehrlich zu ihr gewesen. Sie schuldete es ihm, dass sie auch ehrlich war.

„Seiya…“ Sie atmete einmal tief durch. „Ich hoffe, du weißt, dass du mir sehr viel bedeutest. Du gehörst zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben und du warst immer für mich da. Dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Sie lächelte leicht.

„Du bist wirklich der beste Freund, den ich mir wünschen könnte. Und es tut mir leid, dass… du meinetwegen so etwas durchmachen musst.“ Sie schluckte, weil sie Angst hatte, dass sie schon wieder anfangen würde, zu weinen.

„Ich bin froh, dass ich dich habe. Und natürlich trägst auch du etwas dazu bei, dass ich glücklich bin. Sehr sogar. Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, als du auf einmal wieder da warst. Und der Tag im Freibad war toll.“ Sie drückte seine Hand.

„Ich… möchte dich nicht verlieren, Seiya…“ Sie senkte den Blick.

Er sah sie erschrocken an. Warum sagte sie das? Hatte sie Angst, dass er sich durch Mamorus Einschüchterungsversuche von ihr abwenden würde?

„Schätzchen…“ Sanft zwang er sie, ihn anzusehen, indem er ihr Kinn leicht anhob. „Du wirst mich nicht verlieren. Solange du es willst, werde ich immer bei dir sein…“

Sie lächelte leicht.

„Danke…“ Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, unter dem er leicht errötete, und legte dann ihren Kopf wieder an seine Schulter.

Sein Herz klopfte stark gegen seine Brust. Dieser kleine unschuldige Kuss hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Es war schwer genug für ihn, ruhig zu bleiben, wenn sie so in seiner Nähe war. Leicht nervös legte er seinen Arm wieder um ihre Schulter. Was machte dieses Mädchen nur mit ihm?
 

„Seiya?“ Nach einigen Minuten sah Bunny wieder auf.

„Ja?“

„Hilfst du mir mit dem neuen Handy?“, fragte sie. Er lächelte.

„Klar, Schätzchen. Wann immer du willst.“, antwortete er.

„Wie wär’s jetzt gleich?“

„Wenn du willst, dann jetzt gleich.“, stimmte er zu. Sie nickte und stand auf, immer noch ohne seine Hand loszulassen, was er mit klopfendem Herzen feststellte. Gemeinsam liefen sie die Treppe hinunter.
 

„Was soll das?“ Haruka stand mit verschränkten Armen im Türrahmen zum Wohnzimmer und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen auf Bunny und Seiya. Bunny zuckte erschrocken zusammen und ließ automatisch seine Hand los.

„Haruka!“, rief sie aus. „Du hast mich vielleicht erschreckt.“

„Bunny.“, sagte sie ernst. „Was habt ihr da oben gemacht?“

Bunny sah sie mit großen Augen an. Warum sah Haruka nur so wütend aus? Sie hatte doch gar nichts Falsches gemacht.

„Wir… haben uns unterhalten.“, antwortete Bunny ehrlich, doch Harukas scharfer Ausdruck wich nicht von ihrem Gesicht.

„Unterhalten?“ Haruka besah Seiya mit einem beinahe schon hasserfüllten Blick. Er hielt ihrem Blick stand, fühlte sich dennoch zusehends unwohl. Warum verstand niemand, dass er keine schlechten Absichten hatte, wenn es um Bunny ging?

„Ich habe sie nicht angefasst, falls du das glaubst.“, sagte Seiya schließlich.

„Ihr habt Händchen gehalten.“, zischte Haruka wütend.

„Haruka, wir sind nur Freunde.“, versuchte Bunny nun, sie zu beruhigen. „Das war freundschaftlich!“ Sie war sich durchaus bewusst, dass es Seiya wohlmöglich wehtun würde, dass sie das sagte, obwohl es stimmte. Es war aber nötig, um Haruka von ihren Mordgedanken abzubringen.

„Bunny, du weißt genau, dass es zumindest bei IHM nicht nur Freundschaft ist.“ Sie konnte ihre Stimme nicht mehr kontrollieren und sprach lauter als sie eigentlich wollte. Seiya zuckte kurz zusammen.
 

„Was ist denn hier los?“ Mamoru kam um die Ecke. Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete auch er Bunny und Seiya, die nebeneinander auf der Treppe standen.

„Mamoru!“, stieß Bunny aus. Oh nein, jetzt würde das Ganze vermutlich wieder komplett aus dem Ruder laufen.

„Gut, dass du da bist.“, stellte Haruka fest. „Die beiden waren wohl bis eben zusammen in Bunnys Zimmer und kamen nun händchenhaltend wieder runter.“

Bunny versuchte Mamorus Blick zu deuten, mit dem er sie besah, schaffte es jedoch nicht. Ängstlich wartete sie seine Antwort ab.

„Ist schon gut Haruka.“, sagte er schließlich. „Sie mussten sich mal unterhalten und anscheinend ist das Gespräch gut verlaufen.“

Erstaunt sah Haruka ihn an und auch Bunny und Seiya wunderten sich über diese Antwort von Mamoru. Bunny hatte ein ungutes Gefühl im Bauch.

„Mamoru…“, sagte sie leise, ohne den Blick von ihm zu wenden. Er lächelte leicht, auch wenn es seine Augen nicht erreichte.

„Ich gehe zurück zu den anderen.“, verkündete er und verließ den Flur. Alle drei sahen ihm hinterher. Niemand konnte seine Reaktion so recht verstehen. Haruka fing sich als erstes wieder.

„Hört zu. Ich weiß zwar nicht, was hier los ist… Aber ich werde dich im Auge behalten, Seiya.“ Damit drehte auch sie sich um und ging zurück ins Wohnzimmer.
 

Betreten blieben Bunny und Seiya zurück. Sie wussten beide nicht, was genau gerade passiert war. Hatte Mamoru akzeptiert, dass sie befreundet waren? Oder warum hatte er das gerade gesagt?

„Wir sollten auch zurückgehen…“, sagte Bunny schließlich und riss Seiya damit aus seinen wirren Gedanken.

„Ähm ja…“, stimmte er zu und gemeinsam gingen sie zurück zu den anderen.

„Ah Bunny!“, rief Rei. „Da bist du ja.“

„Entschuldigung.“, antwortete sie. „Hast du mich gesucht?“

„So ziemlich jeder hat sich gesucht, du hohle Nuss!“, erwiderte Rei gereizt. „Immerhin ist das hier deine Party.“

„Tut mir leid.“, sagte Bunny, während Rei ihr in beide Wangen kniff und sie auseinanderzog.

„Bunny?“ Setsuna trat nun auf sie zu. Hotaru stand neben ihr und gähnte herzhaft.

„Ja?“

„Wir wollten langsam gehen.“, sagte Setsuna. „Hotaru muss langsam ins Bett.“

„Oh okay.“, erwiderte Bunny. „Ich freue mich, dass ihr da wart.“

„Wir werden mitgehen.“ Michiru trat nun auch dazu und hielt Haruka am Arm, die noch immer schlecht gelaunt zu sein schien.

„In Ordnung.“ Bunny lächelte Haruka unsicher an und suchte ihren Blick. Sie würde gerne wissen, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war. Harukas Blick war unergründlich und sie sagte nichts. Michiru sah ihre Freundin an. Sie seufzte leicht und stieß sie dann mit dem Ellbogen an. Haruka verzog das Gesicht und trat vor.

„Ich wünsche dir noch eine schöne Feier, Mondgesicht.“, zwang sie sich zu sagen. Michiru guckte zufrieden und Bunny lächelte erleichtert.

„Danke, Haruka.“

Haruka nickte leicht und wandte sich dann zum Gehen.

„Mach’s gut, Bunny.“, rief Michiru noch, bevor sie Haruka folgte.

„Auf Wiedersehen, Bunny.“, verabschiedeten sich nun auch Hotaru und Setsuna.

„Tschüss ihr zwei!“, sagte Bunny und winkte ihnen noch zu, bevor auch sie verschwanden und draußen schließlich zu Haruka und Michiru ins Auto stiegen.
 

Etwas unsicher sah Bunny sich nach Mamoru um. Sie entdeckte ihn in der anderen Ecke des Raumes. Er hielt ein Glas Cola in der Hand und unterhielt sich gerade mit Ami. Er sah weder wütend, noch traurig, noch enttäuscht aus. Im Gegenteil: Er schien sich gut zu unterhalten und lachte zwischendurch sogar. Bunnys Herz zog sich ein wenig zusammen. Was war nur los?

„Schätzchen?“ Seiya trat vorsichtig an sie heran und riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah ihn an.

„Soll ich dir jetzt mit dem Handy helfen?“, fragte er.

„Ähm ja… gerne.“ Sie lächelte. Sie war froh, dass sie Seiya hatte. Sie setzten sich wieder auf das Sofa, wo noch immer die Geschenke lagen. Sie nahm die Verpackung des Handys in die Hand und öffnete sie. Eine Menge Broschüren und Anleitungen kamen zum Vorschein, darunter ein Ladekabel sowie das Handy selbst.

„Der Verkäufer hat gesagt, dass es schon geladen ist, also können wir direkt anfangen.“

Er zeigte ihr, wie sie das Handy anschaltete, zeigte ihr die PIN, die beigelegt war, und erklärte ihr, dass es ein Prepaid-Handy war, dessen Guthaben sie immer mal wieder aufladen musste.
 

„Und so kannst du Kontakte speichern.“, sagte er schließlich. Bunny staunte über die ganzen Funktionen dieses Gerätes.

„Gibst du mir deine Nummer?“, fragte sie. Seiya lächelte.

„Klar. Gib erst mal den Namen ein. Hier…“ Langsam und immer wieder Korrekturen vornehmend tippte sie seinen Namen ein. Nachdem er ihr seine Nummer diktiert hatte, drückte sie auf Speichern.

Seiya. Da stand es. Ihr erster Kontakt. Glücklich starrte sie auf das Handy.

„So, jetzt kannst du mich anrufen oder mir eine SMS schreiben.“, fuhr er fort.

„Eine SMS?“ Fragend sah sie ihn an. Er lächelte. Es war typisch, dass sie keine Ahnung hatte, was eine SMS war.

„Ja, damit kannst du mir eine Nachricht schreiben, die dann auf meinem Handy erscheint.“

„Echt?“ Ihre Augen leuchteten vor Aufregung. „Wie mache ich das?“

„Hier…“ Er zeigte auf das Briefsymbol. „Du klickst hier drauf… Und dann wählst du den Kontakt aus, an den du die SMS schicken willst… Und dann kannst du eine Nachricht schreiben.“

Langsam und unsicher folgte sie seinen Anweisungen und schrieb eine Nachricht. Es dauerte einige Minuten, aber schließlich drückte sie auf senden.

In Seiyas Hosentasche vibrierte es und er zog sein Handy hervor. Er begann zu lesen.

„Danke für das tolle Geschenk. Bunny.“, las er vor und Bunny errötete leicht. Er grinste.

„Gern geschehen, Schätzchen.“ Er zwinkerte. „Jetzt habe ich auch deine Nummer.“ Schnell speicherte er die Nummer unter dem Namen „Schätzchen“ ab. Sie lächelte.

„Seiya?“

„Ja?“

„Es tut mir leid… Entschuldigst du mich kurz?“

Er glaubte zu wissen, was sie wollte, und nickte. Es war okay für ihn, das hatte er versprochen.
 

„Mamoru?“

Er drehte sich um und erblickte Bunny, die ihn angesprochen hatte. Sie hielt das Handy in die Luft.

„Gibst du mir deine Nummer?“, fragte sie schließlich. Er lächelte.

„Natürlich.“

Someone shot our innocence

Als schließlich alle gegangen waren, war es bereits 4 Uhr morgens. Bunny war mehr als müde und dennoch nahm sie, als sie endlich im Bett lag, noch einmal die Kamera in die Hand, die sie geschenkt bekommen hatte. Sie war während der ganzen Zeit immer durch die Reihen gegangen und es waren viele Bilder entstanden. Sie musste zwar etwas suchen, aber schließlich schaffte sie es, die gemachten Bilder anzusehen.

Gleich bei dem ersten Bild musste Bunny lachen. Es war das Bild von Seiya, welches sie selbst geschossen hatte. Es war eine Großaufnahme seines Gesichts und er sah etwas überrascht aus, aber dennoch litt sein gutes Aussehen keineswegs darunter. Bunny wurde leicht rot. Ihr war durchaus bewusst, dass er sehr gut aussah, aber sie bemühte sich stets, nicht darüber nachzudenken, immerhin hatte sie Mamoru und der sah auch gut aus!

Sie seufzte leicht, als sie weiterklickte, um das nächste Bild zu betrachtet. Es war das Bild, welches Seiya von ihr und Mamoru geschossen hatte. Sie klammerte sich an seinen Arm und lachte in die Kamera, während Mamoru zwar ein leichtes Lächeln zeigte, jedoch trotzdem irgendwie ernst dreinsah. So war es immer. Jedes Foto von ihnen sah so aus.

Sie sah sich die anderen Bilder an. Bilder von ihren Freundinnen in den verschiedensten Gruppierungen, manche etwas verschwommen oder verwackelt, größtenteils jedoch durchaus gelungen. Es gab Bilder mit ihr selbst und anderen, Bilder von den Three Lights, die für die Kamera posierten oder Grimassen zogen, Bilder von Mamoru und Motoki und ein, wie Bunny fand, besonders süßes Bild von Naru und Umino. Sie lächelte und bei vielen Bildern musste sie lachen. Sie musste Seiya unbedingt fragen, wie sie Abzüge von den Bildern machen lassen konnte. Sie wollte sich ein paar davon in ihrem Zimmer aufhängen.

Als sie das letzte Bild erreichte, stutzte sie kurz. Es zeigte sie selbst und Seiya. Sie erinnerte sich daran. Eigentlich hatte Minako ein Bild nur von ihr machen wollen und sie hatte bereitwillig in die Kamera gegrinst, als plötzlich Seiya seinen Arm um sie gelegt hatte und ebenfalls gegrinst hatte, während er mit seinen Fingern ein Victory-Zeichen machte. Sie sah glücklich aus und er auch. Wie kam es, dass dieses Bild mehr Freude ausstrahlte als all die Bilder, die sie mit Mamoru zusammen hatte?

 

Ohne wirklich darüber nachzudenken, griff sie nach ihrem neuen Handy und fing an eine SMS zu schreiben.

 

Danke für den schönen

Abend. Ich bin froh, dass

du da warst. Gute Nacht!

Bunny

 

Sie zögerte kurz und drückte dann auf Senden. Sofort überkam sie ein schlechtes Gewissen. Sie hätte Mamoru so eine SMS schreiben sollen, nicht Seiya. Auch wenn es wahr war, dass es hauptsächlich Seiya gewesen war, der ihr an diesem Abend so viel Freude bereitet hatte.

Schnell schrieb sie noch eine SMS, um gegen ihr schlechtes Gewissen anzukämpfen.

 

Gute Nacht, Mamoru.

Ich liebe dich.

Bunny

 

Erneut drückte sie auf Senden und legte dann das Handy beiseite. Sie gähnte herzhaft und so langsam konnte sie ihre Augen kaum noch offen halten. Es wurde wirklich Zeit zu schlafen! Sie löschte das kleine Licht auf ihrem Nachttisch und drehte sich auf die Seite, doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, ertönte ein Piepen und ihr Handy vibrierte.

Aufgeregt nahm sie es in die Hand. Die erste SMS, die sie bekommen hatte! Sie drückte auf Öffnen und sah, dass es eine Antwort von Seiya war.

 

Gern geschehen, Schätzchen.

Ich fand’s auch sehr schön

und ich bin froh, wieder auf

der Erde zu sein. Schlaf gut

und träum süß!

Seiya

 

Sie lächelte. Er war wirklich lieb. Und ja, sie war auch froh, dass er wieder auf der Erde war. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie schließlich ein, das Handy immer noch in der Hand haltend.

 

 

 

„Hey Mamoru!“

Der Angesprochene drehte sich um und entdeckte seinen Kommilitonen Kobayashi, der auf ihn zukam und mit einer Zeitschrift wedelte.

„Guten Morgen.“, begrüßte Mamoru ihn. Es war Montagmorgen und er war nur noch wenige Meter von dem Gebäude der medizinischen Fakultät der Universität Tokyo entfernt.

„Sag mal…“, setzte Kobayashi an. „Ist das hier nicht deine Freundin?“ Er hielt ihm die Zeitschrift unter die Nase, die Mamoru ihm aus der Hand nahm, um das Bild zu betrachten. Tatsächlich zeigte es Bunny. Er schluckte. Seiya hatte auf diesem Bild den Arm um sie gelegt und sie schienen zusammen irgendwohin zu gehen. Sie sah etwas verlegen aus, während Seiya einen ziemlich zufriedenen Ausdruck aufgesetzt hatte. Die Bildunterschrift lautete „Sereburiti* Exklusiv: Three Lights-Leadsänger Seiya Kou mit geheimnisvoller Blonden“

In ihm brodelte es, als er anfing, den Artikel zu lesen.

 

Seiyas heimliche Liebe?

 

Lange hat man nichts von ihnen gehört, doch nun ist die bekannte Popgruppe Three Lights wieder da. Für Furore sorgte ihr Auftritt in einer Promi-Talkshow, in der sie ihr Comeback verkündeten. Während Yaten Kou und Taiki Kou sich in Folge einer Zuschauerfrage bezüglich ihres Liebeslebens eher zurückhaltend zeigten, verkündete Leadsänger Seiya Kou, es „gäbe ein Mädchen, das er mochte“ und auf welches er „warten würde, selbst wenn es ewig dauerte“.

Wer ist dieses geheimnisvolle Mädchen, von welchem er sprach? Diese Frage stellten sich Millionen von Zuschauern. Sereburiti ist dem Geheimnis auf der Spur! Exklusives Bildmaterial zeigt den jungen Star mit einer unbekannten Blonden. Die Situation ist eindeutig! Wer ist sie? Unsere Recherche hat ergeben, dass es sich bei dem Mädchen um die 17-jährige Usagi Tsukino handelt, eine Mitschülerin der Three Lights. Zuverlässigen Quellen zufolge soll sie schon früher eine „enge Beziehung zu Seiya“ gehabt haben.

Obwohl sie angeblich einen Freund hat, scheint sie, wie das Bild eindeutig beweist, Seiya gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Vielleicht handelt es sich doch nicht um die unschuldige, einseitige Liebe, welche Seiya im Interview suggeriert hat. Wir halten eine Affäre der Blonden mit dem beliebten Popstar nicht für abwegig. Wer schafft es, das Herz des Mädchens letztendlich zu erobern? Wir sind gespannt!

 

Mamoru konnte es nicht fassen. Ihm war zwar bewusst, dass solche Artikel absichtlich besonders reißerisch geschrieben waren, doch kochte die Wut trotzdem in ihm hoch. Es war alles Seiyas Schuld. Warum konnte er nicht einfach bleiben, wo er hingehörte? Alle würden darüber reden. Alle würden glauben, dass Bunny ihn betrog. Und er? Er wusste selbst nicht mehr, was er glauben sollte. Seit Seiya wieder da war, hatte es einfach schon zu viele Situationen gegeben, die ihn zweifeln ließen. Er musste dringend mit Bunny reden.

 

 

 

Mit offenen Mündern starrten Bunny und Seiya auf den Artikel, den Minako ihnen unter die Nase hielt. Total aufgeregt war sie am Morgen in die Klasse gestürmt und hatte ihren Freunden den Artikel zeigen wollen. Leider war sie zu spät gekommen und hatte so bis zur Pause warten müssen. Den ganzen Morgen über war sie nervös auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht, bis sie endlich schwungvoll die Zeitschrift hatte hervorholen können, um sie Bunny und Seiya zu zeigen. Auch Ami, Makoto, Yaten und Taiki hatten sich um sie versammelt und versuchten, den Artikel zu lesen.

 

„Oh man…“, staunte Makoto fassungslos. Niemand wusste so recht, was er dazu sagen sollte.

„Das… das stimmt nicht!“, rief Bunny aus, hatte das dringende Bedürfnis, die Situation zu erklären. Niemand sollte glauben, dass sie eine Affäre mit Seiya hatte.

„Woher kommt denn das Foto?“, fragte Yaten mit großen Augen.

„D-das…“, stotterte Bunny, wurde jedoch von Seiya unterbrochen.

„An dem Tag, als ich sie morgens abgefangen habe und wir frühstücken gegangen sind, hat uns jemand fotografiert. Natürlich im perfekten Moment.“ Er seufzte schuldbewusst. „Eigentlich habe ich sie da nur grad ein bisschen geärgert.“

Besorgt sah er zu Bunny rüber, die mit geröteten Wangen auf das Bild starrte. Ihr war die Sache mehr als unangenehm. Dass sie beide fotografiert worden waren, hatten sie schon beinahe wieder vergessen.

„Es tut mir leid, Schätzchen.“, richtete er das Wort an sie. Sein Schuldbewusstsein war deutlich rauszuhören. „Meinetwegen steckst du in Schwierigkeiten.“

Bunny schüttelte den Kopf.

„Es ist nicht deine Schuld.“, sagte sie geknickt. Er lachte sarkastisch auf.

„Doch ist es. Absolut. Ich hätte das in der Talkshow nicht sagen sollen. Und ich hätte es niemals zulassen sollen, dass uns jemand in so einer Situation fotografiert. Es tut mir leid.“

Überrascht sah Bunny ihn an. Er sah wirklich niedergeschlagen aus. Sie gab ihm nicht die Schuld daran, er sich selbst aber anscheinend schon.

„Seiya…“, versuchte sie, ihn zu beruhigen, doch er unterbrach sie.

„Ich verspreche dir, dass ich dich nie wieder in so eine Situation bringen werde.“, sagte er ernst. Bitterkeit lag in seiner Stimme.

„Seiya.“ setzte sie erneut an. „Es ist alles gut, ehrlich!“

Zweifelnd sah er sie an. Sie schenkte ihm ein Lächeln, welches ihn einerseits glücklich machte, ihm andererseits jedoch nur noch mehr Schuldgefühle bereitete. Sie hatte so etwas einfach nicht verdient.

„Es ist nicht deine Schuld.“, beharrte sie. „Ich weiß, wie es ist. Und du weißt, wie es ist. Das ist doch die Hauptsache. Die Leute, die diesen Artikel geschrieben haben, sind schuld. Sie sind diejenigen, die solche Behauptungen aufstellen, ohne zu wissen, wie es in Wirklichkeit ist. Und jeder, der das glaubt, hat Pech gehabt.“

Sie lächelte ihn aufmunternd an. Wie konnte sie nur so wundervoll sein? Er wusste, dass es ihr etwas ausmachte, dass sie wohlmöglich Schwierigkeiten mit Mamoru bekommen würde. Sie war diejenige, die durch diesen Artikel Probleme bekommen könnte. Und dennoch war sie es, die ihn aufmunterte.

Er seufzte.

„Danke, Schätzchen.“, sagte er. „Du bist echt toll…“

Er sah sie mit ehrlichen Augen an, die sie kurz schlucken und leicht erröten ließen.

 

„Was willst du jetzt tun, Bunny?“, fragte Amy, und lenkte so Bunnys Aufmerksam auf sich. Diese seufzte.

„Ich weiß es nicht…“, antwortete sie ehrlich. Was konnte sie schon tun? Sie würde mit Mamoru reden müssen und sich einfach dem stellen, was nun eventuell auf sie zukommen würde. Sie kramte nach ihrem Handy.

„Ich werde Mamoru eine SMS schreiben, damit wir nachher reden können.“, sagte sie, während sie ihr Handy aus der Tasche hervorzog. Sie sah auf das Display und sah, dass sie eine neue Nachricht hatte. Von Mamoru. Sie schluckte. Nervös öffnete sie die SMS.

 

Wir müssen reden.

Mamoru

 

Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Er hatte diesen Artikel anscheinend auch schon gesehen, anders konnte sie sich diese Nachricht nicht erklären.

„Alles in Ordnung, Bunny?“, fragte Makoto besorgt. „Du siehst so blass aus.“

Abwesend nickte sie, während sie anfing, eine Antwort zu schreiben. Die besorgten Blicke ihrer Freunde bemerkte sie dabei nicht.

 

Was in dem Artikel steht,

ist falsch. Bitte vertrau mir.

Hast du heute Abend Zeit?

Bunny

 

Eine bessere Antwort ist ihr nicht eingefallen. Zumindest nichts, was sie schnell in einer SMS schreiben konnte. Sie musste Mamoru unbedingt erklären, dass das alles nicht so war, wie es diese Zeitschrift behauptete.

Sie steckte ihr Handy wieder ein. Dass ihre Freunde, während sie Mamoru geantwortet hatte, geschwiegen hatten, hatte sie gar nicht bemerkt.

„Schätzchen?“, fragte Seiya unsicher. Sie sah auf.

„Alles in Ordnung?“, fragte er und hatte einen gequälten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Er war sich sicher, dass sie Probleme mit Mamoru bekommen würde, und das nur seinetwegen. Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hoffe es…“

 

Den ganzen Schultag über musste sie das Getuschel ihrer Mitschüler über sich ergehen lassen, welches von Pause zu Pause immer weiter zunahm. Die Neuigkeiten über diesen verhängnisvollen Zeitschriftenartikel verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Nicht nur sie litt darunter. Auch Seiya nahm das sehr mit. Er war es gewohnt, dass alle über ihn redeten und auch mal das ein oder andere Gerücht über ihn in Umlauf gebracht wurde, doch die Schulgefühle, die er Bunny gegenüber besaß, waren kaum zu ertragen.

Er wusste nicht, wie er sich nun verhalten sollte. Sollte er Bunny lieber aus dem Weg gehen? Doch würde es dann nicht so aussehen, als würden die Gerüchte stimmen und er würde es nur wegen des Artikels machen? Aber wenn er seine Zeit mit ihr verbrachte, wie er es sonst immer in den Pausen tat, würden die Gerüchte wohlmöglich nur noch bestärkt. Es war zum Haare ausreißen! Wahrscheinlich war es egal, was er tat. Es war immer das Falsche.

Taiki klopfte ihm auf die Schulter, als sie zu dritt beim Mittagessen saßen.

„Nimm’s nicht so schwer.“, sagte er, um seinen Bruder zu beruhigen. „Das wird auch irgendwann wieder vergessen sein, so wie jeder Klatsch und Tratsch. Du kennst das doch.“

„Mhm…“ Besonders beruhigen tat ihn das nicht. „Es ist mir egal, wenn die Leute über mich reden. Aber ich hab sie da mit reingezogen.“ Er blickte rüber zu Bunny, die zusammen mit Minako, Ami und Makoto an einem Tisch saß und lustlos in ihrem Essen herumstocherte.

„Sie ist die nicht böse.“, warf Yaten ein. Seiya seufzte.

„Ich weiß…“, erwiderte er. „Aber sie sollte es sein. Es ist wirklich nur meine Schuld. Ich bin auf mich selbst sauer deshalb. Warum kann ich es nicht lassen? Ich sollte mich einfach von ihr fern halten. Das wäre besser für sie…“

Geschockt sahen Yaten und Taiki ihn an. Sie trauten ihren Ohren kaum.

„Spinnst du?“, fragte Yaten fassungslos.

„Ich glaube, damit würdest du ihr mehr wehtun, als du glaubst.“, vermutete Taiki mit gerunzelter Stirn.

„Aber sie hat meinetwegen nur Schwierigkeiten. Erst mit Mamoru, wie an ihrem Geburtstag… Und nun ist sie auch noch in den Fokus der Öffentlichkeit geraten…“

„Glaubst du wirklich, dass Bunny deshalb eine Freundschaft aufgeben würde?“, fragte Taiki.

„Ich…“, setzte Seiya an, wusste jedoch nicht recht, wie er darauf antworten sollte.

„Hey, ich bin vielleicht nicht so gut mit ihr befreundet wie du…“, sagte Yaten nun. „… aber selbst ich weiß, dass du ihr sehr viel bedeutest. Das kann doch ein Blinder mit ‘nem Krückstock sehen!“

Seiya lächelte leicht.

„Danke für eure Aufmunterungsversuche…“, sagte er, während er einen Beschluss fasste. „Ich werde der Zeitschrift gegenüber ein Statement abgeben. Schriftlich. Und wenn sie es nicht genauso abdrucken, wie ich es ihnen schicke, hetze ich ihnen die besten Anwälte Japans auf den Hals!“

Aus seinem schwachen Lächeln wurde ein Grinsen. Er hatte seinen Kampfgeist wiedergewonnen. Er musste die Sache geradebiegen. Für Bunny. Das war er ihr schuldig.

Yaten und Taiki stimmten in das Grinsen ein. So gefiel Seiya ihnen schon deutlich besser.

 

 

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* セレブリティ (http://wadoku.de/entry/view/10021231) (sereburiti) = an die japanische Aussprache angepasst: „Celebrity“

I'll stand strong 'cause you stand beside me

Mit klopfendem Herzen stand Bunny vor Mamorus Wohnungstür. Sie zögerte. Sie hatte einst seinen Wohnungsschlüssel erhalten, traute sich aber nicht, ihn in dieser Situation zu benutzen. Sie betätigte die Türklingel. Nach kurzer Zeit hörte sie Schritte von innen und schließlich wurde die Tür geöffnet. Sie stand Mamoru gegenüber. Für einen kurzen Augenblick erwartete sie das freundliche Lächeln, mit dem er sie immer besah, doch er lächelte nicht.

„Komm rein.“, sagte er ernst. Bunny schluckte. Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sie folgte Mamoru in seine Wohnung.

„Mamoru…“, setzte sie nervös an, wusste jedoch nicht, wo sie anfangen sollte. Mamoru reagierte nicht darauf, sondern wies stattdessen auf die Couch.

„Möchtest du Tee?“, fragte er. Bunny nickte stumm, woraufhin er in die Küche ging und ein Tablett mit zwei Tassen, etwas Zucker und einer Kanne Tee vorbereitete.

Bunny nestelte nervös an ihrem Rock herum. Mamoru schien ernsthaft böse zu sein. Würde er ihr glauben, wenn sie ihm erzählte, wie es wirklich gewesen ist? Er musste einfach. Sie hörte das Klappern des Tabletts, als Mamoru ins Wohnzimmer zurückkehrte und das Tablett abstellte. Ohne sie anzublicken schenkte er ihnen beiden ein und schob ihr dann eine der Tassen hin, bevor er sich neben sie auf das Sofa setzte.

„Danke.“, sagte Bunny und nahm die Tasse in beide Hände, froh, sie auf diese Weise beschäftigen zu können. Sie schwiegen beide und widmeten sich eine Zeit lang nur ihrem Tee. Plötzlich stellte Mamoru seine Teetasse wieder auf den Tisch und sah Bunny eindringlich an. Sie fühlte sich, als würde sie unter diesem Blick schrumpfen.

„Bunny… Du hast mir gesagt, ich soll dir vertrauen.“, begann er. „Und das möchte ich auch.“

Er seufzte erneut und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„In letzter Zeit ist so viel passiert, was nicht leicht für mich ist.“, fuhr er fort.

„Mamoru…“ In Bunnys Augen stiegen Tränen auf. Es tat ihr weh, ihn so zu sehen.

„Sei ehrlich zu mir, Bunny.“, verlangte Mamoru plötzlich und sah auf. Bunny konnte den Schmerz in seinen Augen deutlich erkennen. „Empfindest du etwas für ihn?“

Diese Frage schockierte sie. Sie brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was diese Frage eigentlich bedeutete.

„Mamoru!“, rief sie schließlich schockiert aus. „Seiya ist nur ein Freund!“

„Bist du dir da sicher?“, hakte er nach. „Ihr versteht euch so gut und das auf so vielen Ebenen. Ihr geht zusammen schwimmen, ihr lacht so viel zusammen. Noch dazu seht ihr euch jeden Tag und er gehört in denselben Freundeskreis wie du. Und dann… dann zeigt er seine Gefühle dir gegenüber so offen und es kommen Gerüchte hoch, sogar ein Foto, welches solche Gerüchte nur unterstützt. Was glaubst du, was ich da denken soll?“

Bunny konnte ihre Tränen mittlerweile nicht mehr zurückhalten und auch ein kleines Schluchzen konnte sie nicht unterdrücken.

„E-es tut mir so leid, Mamoru.“, schluchzte sie. „S-Seiya ist ein… ein guter Freund. Aber… aber das war’s auch. D-DU bist mein F-Freund. Du weißt d-doch… wir gehören zusammen! W-wir haben die Zukunft gesehen. Mit… Ch-Chibiusa. In Kristalltokio.“

Ihre Stimme brach und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, um so ihr Schluchzen unter Kontrolle zu bringen.

„Mhm…“ Nachdenklich stützte Mamoru sein Kinn auf seinen Händen ab und starrte auf einen unbestimmten Punkt an der Wand.

„Ich glaube dir…“, sagte er schließlich. „Was ist passiert? Woher kommt dieses Foto? Was soll der Artikel?“ Er wollte eine Erklärung hören und betete innerlich, dass sie plausibel und harmlos war. Er hasste diese Stimmung zwischen ihnen und dass er so war, wie er gerade war.

Bunny holte tief Luft.

„Das Foto ist an dem Tag entstanden, an dem ich Seiya das erste Mal wiedergesehen habe. Ich war gerade auf dem Weg, um etwas zu frühstücken, weil ich verschlafen hatte und alle anderen außer Haus waren.“ Mamoru musste innerlich schon fast lachen. Bisher klang es sehr glaubwürdig.

„Jedenfalls… Seiya hatte nur für ein paar Sekunden seinen Arm um mich gelegt, weil er mich aufziehen wollte. So war er immer schon. Und genau in dem Moment wurden wir fotografiert. Seiya sagte, dass es wohl ein Paparazzo war und es tat ihm sehr leid.“

„Das war alles?“, hakte Mamoru nach. Bunny nickte.

„Das war alles.“, bestätigte sie. „Diese… Talkshow hast du ja mitbekommen und was die Medien daraus und dem Foto machen, ist ja wohl klar…“

Mamoru seufzte. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich grad vollkommen ausgelaugt. War er erleichtert? Er fand, dass Bunnys Erklärung durchaus plausibel klang und er wusste, dass sie eine schlechtere Lügnerin war. Es musste einfach die Wahrheit sein. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie.

„Ok.“, sagte er nur und lächelte leicht. Überrascht sah Bunny auf. War das schon alles? War es vorbei? War er nicht mehr wütend? Erneut stiegen Tränen auf.

„Mamoru…!“, schluchzte sie und warf sich ihm in die Arme. Er zog sie an sich und hielt sie fest.

„Bunny…“, flüsterte er und gab ihr einen Kuss auf den Haarschopf. Sie sah auf. Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss, der sie all die Sorgen wegen des Artikels vergessen ließ. Nachdem sie den Kuss wieder gelöst hatten, kuschelte sie sich an ihn und genoss einfach seine Nähe.

 

Plötzlich klingelte ihr Handy. Zunächst konnte sie das Geräusch gar nicht zuordnen, da es das erste Mal war, dass sie jemand anrief.

„Entschuldige!“, rief sie auf, als sie das Klingeln schließlich ihrem Handy zugeordnet hatte. Sie kramte in ihrer Tasche und zog es hervor. Seiya stand auf dem Display. Ihr Herz machte einen Hüpfer und nervös sah sie zu Mamoru.

„Das ist Seiya.“, sagte sie und traute sich nicht, einfach so dranzugehen. Er sah weder erfreut noch wütend aus, nickte ihr aber zu und deutete ihr so, dass sie den Anruf ruhig annehmen sollte.

„Hallo?“, meldete sie sich schließlich, nachdem sie abgehoben hatte.

„Hallo Bunny?“, hörte sie Seiyas Stimme. „Hier ist Seiya.“

Bunny? Seit wann nannte er sie denn bei ihrem Vornamen? Vermutlich traute er sich nach diesem Vorfall nicht mehr, sie ganz unverfänglich Schätzchen zu nennen.

„Hallo Seiya.“, erwiderte sie, neugierig, weshalb er anrief.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er und sie konnte die Besorgnis deutlich aus seiner Stimme heraushören.

„Ja, alles in Ordnung.“, antwortete sie. „Ich bin grad bei Mamoru.“

„Oh…“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung. „Das ist gut… Eigentlich passt das auch ganz gut grad. Kannst du ihn mir mal geben?“

Seiya wollte mit Mamoru sprechen? Was war denn jetzt kaputt?

„Äh… ja klar…“, antwortete sie schließlich und hielt Mamoru, der sie erstaunt und mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, ihr Handy hin.

„Seiya möchte mit dir sprechen.“, erklärte sie ihm und klang dabei genauso ratlos, wie Mamoru aussah. Er nahm ihr das Handy aus der Hand.

„Hallo?“, meldete er sich. Bunny konnte nicht hören, was Seiya sagte, verfolgte jedoch aufmerksam Mamorus Antworten und seine Gesichtsausdrücke während des Gesprächs.

„Ja? … Ok… Ehrlich?... Ok… Ja, danke… Tschüss!“

Besonders viel hatte sie von Mamorus Seite nicht herausbekommen können, hatte nur erkennen können, dass Seiya ihm wohl etwas erzählt haben musste, womit er nicht gerechnet hätte und was ihn dazu veranlasste, sich bei Seiya zu bedanken.

Mamoru hatte aufgelegt und reichte Bunny nun ihr Handy zurück.

„Was hat er gesagt?“, fragte Bunny und konnte ihre Neugier nicht länger unterdrücken.

„Er hat sich bei mir entschuldigt und mir erklärt, dass es wirklich nur ein harmloses Foto ist… Und er sagte, dass er ein offizielles Statement abgeben wird und alle Vorwürfe dementieren wird.“

„De… demen…“, stotterte Bunny mit einem dicken Fragezeichen über dem Kopf.

„Das heißt, er wird die Vorwürfe zurückweisen und erklären, dass das falsch ist, was in dem Artikel steht.“, erklärte Mamoru.

„Ah…“, stieß Bunny aus, die nun verstand, was Seiya vorhatte. „Das… das ist doch gut, oder?“, fragte sie hoffnungsvoll. Zu ihrer Erleichterung lächelte Mamoru.

„Ja, das ist gut. Ich finde, er hat sich richtig verhalten.“

Bunny lächelte.

„Was nicht heißt, dass ich ihn jetzt leiden kann!“, warf Mamoru schnell ein und Bunny lachte.

„Schon klar.“, bestätigte sie und kuschelte sich an ihn.

 

 

Seufzend starrte Seiya auf das dunkle Display seines Handys, mit dem er eben noch mit Mamoru geredet hatte. Eigentlich hatte er vorgehabt, Bunny von seinem Plan mit dem Statement zu erzählen, doch da sie gerade bei Mamoru gewesen war – womit er wirklich hätte rechnen können – hatte er sich dazu entschieden, es direkt Mamoru zu erzählen. Eigentlich hatte er wirklich keine Lust gehabt, mit ihm zu reden, aber er war es Bunny schuldig, alles zu tun, damit sie keine Probleme bekam. Und so wie er es einschätzte, hatte Mamoru seine Entschuldigung akzeptiert. Jetzt blieb nur noch eines zu tun: Einen Termin bei der Zeitschrift Sereburiti zu machen und dort das versprochene Statement abzugeben.

Er rief seinen Manager an, welcher sich darum kümmern sollte. Schon damals hatte er die Regeln des Showbiz kennengelernt und festgestellt, dass man sich als Popstar anscheinend nicht selbst um solche Angelegenheiten kümmerte, auch wenn es seiner Meinung nach viel einfacher wäre, selbst dort anzurufen.

Es dauerte nicht lange, bis sein Manager ihn zurückrief und ihm erklärte, dass er gleich für den nächsten Tag einen Termin bekommen hatte. Es blieben ihm noch knapp 24 Stunden, um sich darauf vorzubereiten. Er lag auf seinem Bett und dachte über alle möglichen Fragen nach, die ihm eventuell gestellt werden würden, und wie er sie am besten beantworten konnte.  Er musste vorsichtig sein. Er kannte Journalisten. Ihnen ging es nur um eine gute Story, die Wahrheit spielte nur nebenbei eine Rolle – wenn überhaupt! Es ging nur um Auflagen und die Anzahl an verkauften Ausgaben. Er hatte sich längst daran gewöhnt, doch dass nun auch noch Bunny da mit hineingezogen wurde, das konnte er nicht zulassen.

 

 

Zusammen mit seinen Brüdern betrat er am nächsten Morgen das Schulgelände. Sofort spürte er die Blicke seiner Mitschüler auf sich. Aber das war normal, schon seit dem ersten Tag an dieser Schule. Er konnte nur vermuten, dass an diesem Tag das Thema ein anderes war als an den anderen Tagen. Er wusste, dass Gerüchte irgendwann wieder verschwinden würden, doch trotzdem hasste er es.

Ohne die tuschelnden, kichernden, kopfschüttelnden oder mit den Fingern auf ihn zeigenden Mitschüler zu beachten, beschritt er zusammen mit Yaten und Taiki den Weg zum Klassenzimmer. Je näher er ihm kam, desto schneller schien sein Herz zu klopfen. In diesem Klassenzimmer würde er Bunny wiedersehen, mit der er nach dem Erscheinen des Artikels am vorigen Tag kaum geredet hatte. Um die Gerüchte nicht weiter zu schüren, waren sie sich etwas aus dem Weg gegangen. Er wollte nicht, dass es so weiter ging, könnte es aber gut verstehen, wenn sie den Abstand beibehalten wollen würde.

Leicht nervös öffnete er die Tür zum Klassenzimmer. Bunny war noch nicht da. Die Anspannung fiel ein wenig von ihm ab. Wieso hatte er auch gedacht, dass Bunny schon da sein könnte? Kannte er sie denn nicht besser? Sie kam jeden Tag knapp vor dem Klingeln – oder aber knapp nach dem Klingeln. Er seufzte innerlich und begab sich an seinen Platz. Im Vorbeigehen grüßte er Ami und Makoto, die als einzige der Mädchenclique schon anwesend waren, und ignorierte den Rest der Klasse. Er setzte sich auf seinen Platz und kramte seine Sachen hervor, bevor er anfing, gelangweilt aus dem Fenster zu starren.

Das Klassenzimmer füllte sich und es würde nicht mehr lange dauern, bis das Klingeln zur ersten Stunde ertönen würde. Bunny war noch immer nicht da. Mittlerweile hatte selbst Minako den Weg zur Schule gefunden und saß nun auf ihrem Platz neben Yaten und textete den Armen vollkommen zu. Er mochte Minako, doch gerade war er froh, dass er nicht neben ihr saß. Ihm war grad nicht so nach Reden.

Als der Schulhof schon wie leergefegt war, erkannte er plötzlich ein Mädchen mit zwei langen, blonden Zöpfen, das in Windeseile durch das Schultor, über den Hof und in das Schulgebäude rannte. Er musste lächeln, als er sie sah, spät dran wie immer. Noch während sie wohl die Treppen hinauf zu ihrem Klassenzimmer rannte, klingelte es. Gebannt starrte er auf die Tür, welche sich kurze Zeit später auch öffnete. Mit roten Wangen und zerzaustem Pony betrat Bunny den Raum und begab sich schnell auf ihren Platz. Kaum saß sie, betrat auch schon ihr Lehrer das Zimmer.

Ein wenig außer Atem drehte sich Bunny plötzlich zu ihm um und schenkte ihm ein Lächeln, welches ihn beinahe umhaute. In dieser Situation, in der er schon die Befürchtung hatte, dass sie Abstand von ihm haben wollte, lächelte sie ihn an und nahm ihm damit all seine Sorgen.

„Guten Morgen, Seiya.“, flüsterte sie, damit der Lehrer sie nicht hörte. Er erwiderte das Lächeln aufrichtig.

„Guten Morgen… Schätzchen…“ Nach kurzem Zögern hatte er sich doch entschlossen, sie wieder Schätzchen zu nennen. Alles andere wäre unnatürlich für ihn.

Bunny lächelte zufrieden und drehte sich wieder um. Seiya starrte auf ihren Hinterkopf und nahm sein stark klopfendes Herz deutlich wahr. Egal, was er nachher in dem Interview sagen würde, sie, sein Schätzchen, würde immer seine große Liebe sein. Für sie würde er alles geben. Für sie würde er stark sein, denn sie war bei ihm, stand zu ihm, selbst in dieser Situation.

I hurt myself today

Mit gestrafften Schultern und in Begleitung seines Managers betrat Seiya das Redaktionsgebäude von Sereburiti. Er hatte in zehn Minuten seinen Termin, um Stellung zu dem letzten Artikel über ihn und Bunny zu nehmen. Er war nervös, hatte auf der Fahrt hierher unruhig seine Hände geknetet und kaum stillhalten können. Nun jedoch riss er sich zusammen und ließ sich von seiner Unruhe nichts anmerken. 

„Ah, Herr Kou!“, wurde er direkt von der Empfangsdame begrüßt. Seiya nickte ihr kurz zu und ein leicht rosiger Ton legte sich auf ihre Wangen und ihre Augen strahlten.

„Sie können direkt zu Frau Kobayashi.“, sagte sie nun und deutete ihm, ihr zu folgen. Auch Yuuji Shibuya, sein Manager, folgte ihnen.
 

Nach einiger Zeit blieb die Dame vor einer Tür stehen und klopfte an. Ein „Ja“ ertönte von innen und sie öffnete die Tür.

„Frau Kobayashi? Herr Kou und Herr Shibuya sind jetzt da.“, erklärte sie.

„Sie sollen eintreten.“, bestätigte die Journalistin. Die Empfangsdame öffnete die Tür noch weiter und deutete den beiden Männern einzutreten.

Seiya sah sich um. Es war ein gemütliches Büro und neben dem riesigen Schreibtisch gab es auch eine kleine Sofaecke. Auf dem Beistelltisch war schon Tee vorbereitet. Sein Blick wanderte zu der recht kleinen Frau, die aufgestanden war, um sie zu begrüßen, und ihnen nun ihre Hand entgegenhielt. Sie war vielleicht Anfang dreißig und recht hübsch. Sie hatte dunkles, schulterlanges Haar und dunkle Augen. Ein freundliches Lächeln lag auf ihren dunkelrot geschminkten Lippen.

„Schön, Sie kennenzulernen.“, sagte sie. „Ich bin Keiko Kobayashi“

Seiya ergriff ihre Hand.

„Seiya Kou.“, antwortete er knapp.

„Das weiß ich natürlich.“, erwiderte sie lachend, bevor sie sich an den Manager wendete.

„Yuuji Shibuya.“, sagte dieser und auch er empfing das strahlende Lächeln der Journalistin.

„Sehr erfreut.“, entgegnete sie und wies schließlich auf die Sitzecke. „Setzen wir uns doch.“

Sie schenkte allen Tee ein und stellte dann ein Diktiergerät an, welches sie auffällig auf dem Tisch platzierte. Schließlich griff sie noch nach einem Notizblick und einem Kugelschreiber.
 

„Also, Herr Kou…“, begann sie und Seiya wurde augenblicklich wieder flau im Magen. Jetzt ging es los. „Sie sind hier, um Stellung über einen Artikel unserer letzten Ausgabe zu nehmen?“ 

Sie hatte den entsprechenden Artikel bereits herausgesucht und legte die Zeitschrift, an entsprechender Seite aufgeschlagen, auf den Tisch. Seiya nickte.

„Das ist richtig.“ Er holte tief Luft. „Ihr Artikel hat dem Mädchen…“ Er wies auf das Foto, „ganz schöne Probleme bereitet. Und ich möchte, dass Sie eine Gegendarstellung veröffentlichen.“

„Welche Beziehung haben Sie zu diesem Mädchen?“, fragte Frau Kobayashi.

„Sie ist eine gute Freundin und wir gehen in die gleiche Klasse.“, antwortete Seiya wahrheitsgemäß.

„Wenn sie nur eine gute Freundin ist, wieso erreicht uns dann ein Bild, auf dem sie beide eindeutig wie ein Paar aussehen?“, fragte sie direkt weiter. Seiya versuchte ruhig zu bleiben. Er mochte diese Frau nicht, so wie eigentlich alle Journalisten.

„Ich finde nicht, dass es eine eindeutige Geste ist, jemandem einen Arm um die Schulter zu legen.“, erklärte er nun. „Wie gesagt, ist sie eine gute Freundin und ich hatte sie sehr lange nicht mehr gesehen. Wir waren auf dem Weg, um etwas zu essen, rein freundschaftlich, und wurden auf dem Weg fotografiert.“

„Warum haben Sie ihr den Arm um die Schulter gelegt?“

Seiya grinste.

„Um sie zu ärgern.“ Zu seiner Freude stutzte die Journalistin kurz.

„Um sie zu ärgern?“, hakte sie verständnislos nach.

„Ja.“, bestätigte Seiya. „Wenn ich allerdings geahnt hätte, was für Folgen das haben würde, dann hätte ich es gelassen.“

Frau Kobayashi machte sich eilig ein paar Notizen.

„Es besteht also keine romantische oder sexuelle Beziehung zwischen Ihnen und Frau…“ Sie sah kurz auf ihre Notizen. „… Tsukino.?“

Seiya schluckte und konnte kaum verhindern, rot zu werden. 

„Nein.“, antwortete er schließlich.

„Und Frau Tsukino ist im Gegenteil in einer festen Beziehung?“

„Ja.“ Er sah sie ernst an und hoffte, dass seine eigentlichen Emotionen bezüglich dieses Themas sich nicht auf seinem Gesicht abzeichneten.

„In einem Interview in einer Talkshow haben Sie erzählt, dass es ein Mädchen gibt, welches Sie mögen und welches, wie Sie selbst sagten, eine gute Freundin geworden sei. Außerdem habe dieses Mädchen leider einen Freund…“ Seiya wurde mulmig zumute, wusste er doch, was nun kommen würde. 

„Herr Kou… Handelt es sich bei diesem Mädchen um Ihre Mitschülerin Usagi Tsukino?“

Volltreffer. Ihm wurde schlecht. Er wusste, dass er schnell antworten musste, und er wusste, wie er antworten musste, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte.

„Nein.“, brachte er schließlich hervor. Ohne es verhindern zu können, verspürte er einen leichten Stich in seinem Herzen.

Die Journalistin sah ihn kurz etwas skeptisch an, bevor sie sich einige Notizen machte.

„Möchten Sie uns dann stattdessen etwas mehr über das Mädchen erzählen, welches sie in der Talkshow gemeint haben?“, fragte sie.

Seiya versuchte, seine momentane Gefühlslage wieder unter Kontrolle zu bringen. Er versuchte, sein typisches Grinsen aufzusetzen und hoffte inständig, dass es funktionierte.

„Nein.“ Er zwinkerte Frau Kobayashi zu. „Das möchte ich lieber nicht tun.“

Die Frau lachte kurz auf.

„In Ordnung, Herr Kou…“ Sie überflog ihre Notizen noch einmal, bevor sie ihn wieder ansah. „Von mir aus wäre es das dann erstmal… Möchten Sie noch etwas sagen?“

Seiya überlegte kurz.

„Ich möchte mich aufrichtig bei Bunny Tsukino und ihrem Freund entschuldigen. Dafür, dass sie meinetwegen in eine solche Situation gebracht worden sind.“

Er hasste es, so etwas zu sagen. In Wahrheit wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass die Gerüchte wahr waren und Bunny tatsächlich seine Freundin war. Und nicht nur er, sondern auch Bunny und Mamoru, und wahrscheinlich sämtliche ihrer Freunde wussten das genau. Und dennoch fühlte er sich dazu gezwungen, diese Entschuldigung loszuwerden.

Frau Kobayashi lächelte vor sich hin, während sie sich wieder einige Dinge zu notieren schien. Schließlich stand sie auf.

„Ich bedanke mich herzlich bei Ihnen, Herr Kou.“ Sie reichte ihm die Hand, welche Seiya auch ergriff, nachdem auch er sich erhoben hatte. 

Schließlich reichte sie auch Yuuji die Hand, der sich die ganze Zeit über sehr ruhig verhalten hatte. Er war vorher mit Seiya einiges durchgegangen und fand, dass sein Schützling sich gut geschlagen hatte.

„Wir bedanken uns auch bei Ihnen, Frau Kobayashi.“, sagte er, während sie sich die Hand reichten. „Bitte schicken Sie uns den fertigen Artikel, bevor er gedruckt wird. Wir möchten gerne vorher noch einmal einen Blick darauf werfen.“ Sein Ausdruck war ernst, aber freundlich. 

Ein schelmischer Ausdruck trat auf das Gesicht der Journalistin, wie Seiya fand. Erneut überkam ihn das Gefühl der Abscheu gegenüber allen Journalisten, Fotografen und Reportern.

„Aber natürlich, Herr… Shibuya.“, antwortete sie mit einem Lächeln und einer Kunstpause vor seinem Namen.
 

Damit verabschiedeten die beiden Männer sich. Gemeinsam verließen sie das Redaktionsgebäude und stiegen in das Auto, das bereits auf sie wartete.

Seufzend lehnte Seiya sich zurück und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

„Alles in Ordnung, Seiya?“, fragte Yuuji besorgt. Seiya nickte nur, sagte aber nichts.

„Du hast das gut gemacht.“, versuchte der Manager ihn zu beruhigen. Seiya rang sich ein Lächeln ab.

„Danke.“, sagte er. „Ich möchte jetzt einfach nur noch nach Hause.“ Yuuji nickte.

Eine Weile fuhren sie schweigend durch die Straßen Tokyos. Seiyas Gedanken drehten sich ausschließlich um Bunny und das Interview. Wie würde sie den kommenden Artikel auffassen? Er hoffte, dass er damit tatsächlich alles geradegebogen hatte. 

Er griff nach seinem Handy und begann eine SMS an Bunny zu schreiben.
 

Hallo Schätzchen,

Wie geht’s dir?

Ich bin jetzt mit dem

Interview durch. Ich hoffe,

damit ist jetzt alles wieder

in Ordnung. 

Seiya
 

Mit klopfendem Herzen schickte er die SMS ab. Wieso wurde er so nervös, nur weil er ihr eine SMS schrieb? Er war doch sonst nicht so. Es lag vermutlich nur an dieser ganzen Situation. Vielleicht hatte er Angst, dass sie ihn in Zukunft meiden würde. Aber so war sie nicht. Das wusste er.

Seine Gedanken wurden durch das Klingeln seines Handys unterbrochen. Er sah auf das Display. Eine Antwort von Bunny. Sofort fing sein Herz wieder an, schneller zu schlagen. Er öffnete die SMS.
 

Hallo Seiya.

Mir geht’s gut, danke. Ich 

hoffe, dir auch?

Ich finde es wirklich sehr 

lieb, dass du das gemacht

hast. Ich hätte es aber nicht

von dir verlangt.

Danke, Seiya.

Was machst du heute noch?

Bunny
 

Er lächelte und seine Nervosität nahm deutlich ab. Er freute sich über den lockeren Ton in ihrer SMS. Dass sie hoffte, dass es auch ihm gut ging, und dass sie sich auch noch erkundigte, was er heute noch vorhatte… Das waren die simpelsten Dinge, die man schreiben konnte, und doch brachten sie ihm ein Gefühl der Sicherheit. Sicherheit, dass sie sich wirklich nicht von ihm abwenden würde.

Schnell tippte er noch eine Antwort.
 

Mir geht’s ganz ok, bin

nur ziemlich kaputt jetzt.

Ich werde mir gleich, denke

ich, ein schönes heißes Bad

einlassen und mich danach 

vor die Glotze hängen. ;-)

Und du?
 

Es dauerte nicht lange, bis eine Antwort kam.
 

Heißes Bad und Glotze klingt

gut. Vielleicht folge ich deinem

Beispiel. ;-)

Muss aber noch Hausaufgaben

machen. :-( Hast du Mathe

verstanden?
 

Seiya schmunzelte. Natürlich hatte sein Schätzchen noch keine Hausaufgaben gemacht. Und dass sie anscheinend Schwierigkeiten mit Mathe hatte, war auch nicht ungewöhnlich. Er musste allerdings zugeben, dass er selbst auch noch keine Hausaufgaben gemacht hatte, da er gleich nach der Schule zu dem Termin gemusst hatte. Und wirklich konzentriert hatte er sich heute in der Schule auch nicht.
 

Hausaufgaben muss ich auch

noch machen. :-( Ehrlich gesagt

habe ich heute nicht wirklich

aufgepasst, hatte den Kopf

mit was anderem voll. ;-)

Soll ich dich anrufen, falls ich’s

verstehe?
 

Er sah die SMS noch einmal durch. Sollte er sie wirklich fragen, ob er sie anrufen sollte? Würde sie nicht vielleicht sagen, dass sie das lieber nicht wollte, weil sie doch gerade erst Probleme seinetwegen gehabt hatte? Er zögerte, schickte die SMS dann aber doch schließlich ab. Wenn er selbst durch diese Gedanken Abstand erzeugen würde, würde ihn das auch nicht gerade glücklich machen. Bunnys Antwort bestätigte ihn dann auch.
 

Ja, bitte! :-)

Ich geh jetzt mal baden!

Bis später!
 

Seiya versuchte, die Gedanken an Bunny in der Badewanne zu verscheuchen. Ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen verschwand dabei jedoch nicht.
 

Endlich war er wieder zu Hause. Taikis und Yatens Fragen beantwortete er knapp, bevor er sich ins Bad zurückzog und wie er Bunny gesagt hatte, ein heißes Bad nahm. Er ließ sich dabei das Interview und alle vorherigen Geschehnisse noch einmal durch den Kopf gehen. Eigentlich konnte er noch einigermaßen glücklich mit alldem sein. Sie hatte sich noch nicht von ihm abgewandt und zu größeren Auseinandersetzungen mit Mamoru war es auch noch nicht gekommen. Jetzt konnte er nur darauf warten, wie der neue Artikel aussehen würde.
 


 

Verzweifelt saß Bunny vor ihren Matheaufgaben und zerbrach sich den Kopf. Ihre Mutter hatte ihr Kuchen versprochen, wenn sie ihre Hausaufgaben erledigt hatte. Bisher schien sie aber meilenweit davon entfernt zu sein, auch nur eine der Aufgaben zu lösen. Die Zahlen und Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, als sie ohne zu blinzeln und ohne wirklich etwas wahrzunehmen auf ihr Heft starrte.

Sie seufzte und raufte sich die Haare. Warum war sie nur so dumm? Warum konnte sie nicht so klug und fleißig sein wie Ami? Oder wenigstens normale Noten bekommen wie Makoto oder Rei? Sie hatte auch schon öfter mal mit Mamoru gelernt, aber es war ihr peinlich, ihn immer wieder um Hilfe zu bitten und ihm zu zeigen, wie wenig sie von alldem verstand.

Plötzlich klingelte ihr Handy und sie schreckte auf. Ein Blick auf das Display verriet ihr, dass Seiya der Anrufer war.  Ihre Miene hellte sich augenblicklich auf. Er hatte ja gesagt, er würde sie anrufen, wenn er die Matheaufgaben verstand!

„Hallo?“, meldete sie sich enthusiastisch.

„Hallo Schätzchen.“, hörte sie seine unverkennbar charmante Stimme und ihr Herz machte einen Hüpfer.

„Seiya!“, rief sie aus. „Rufst du wegen Mathe an?“

„Ja, ich saß bis eben an den Aufgaben und glaube, ich habe sie hinbekommen.“

Bunny seufzte innerlich. Sogar Seiya hatte weniger Probleme mit den Aufgaben als sie! Und das obwohl er ein halbes Jahr lang in der Schule gefehlt hatte und einiges hatte aufholen müssen. Und obwohl er noch so viel andere Dinge zu tun hatte, so als Popstar. Aber dass er nicht dumm war, wusste sie ja. Ja, auch er schrieb hin und wieder schlechte Noten, aber eigentlich nur, wenn er viel zu tun und keine Zeit zum Lernen hatte. Wenn er wollte, konnte er immer gute Noten schreiben.

„Ich bin einfach zu doof dafür!“, jammerte Bunny geknickt. Seiya lachte.

„Ach Quatsch, Schätzchen. Du schaffst das schon, wenn du dir Mühe gibst. Wenn du willst, kann ich dir jederzeit helfen.“

„Wirklich?“, fragte Bunny freudig nach. Ihr Strahlen war zurückgekehrt.

„Klar.“, bestätigte Seiya mit warmer Stimme. Bunny lächelte. Seiya war wirklich ein toller Kerl.

Are you the teacher of my heart?

„Schulausflug??“ Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen der Klasse, in der auch Bunny und Co. saßen.

„Ruhe bitte.“, forderte die Lehrerin, die soeben diese Neuigkeit verkündet hatte. Als wieder etwas Ruhe eingekehrt war, fuhr sie fort.

„Wir bleiben fünf Tage und vier Nächte in Kyoto.“, sagte sie nun, woraufhin sich der Lautstärkepegel sofort wieder erhöhte. Sie seufzte. Jedes Mal dasselbe Theater.
 

Mit strahlenden Augen drehte sich Minako zu Yaten um.

„Yaaaaaaaaten!“, rief sie entzückt aus. Ein Schulausflug mit ihren Idolen, ein Schulausflug mit Yaten! Was hätte sie schon damals darum gegeben! Und nun wurde es Wirklichkeit! Sie malte sich die tollsten Szenen aus. Eine Nachtwanderung, bei der sie sich ängstlich an Yatens Arm klammern könnte, eine Tour durch die Stadt, bei der sie beide zufällig von dem Rest getrennt werden würden, oder vielleicht würde sie ja auch umknicken und Yaten würde sie prinzessinnenhaft in seinen Armen tragen.

Skeptisch und ein wenig ängstlich durch Minakos Ausdruck in den Augen wich Yaten ein wenig zurück.

„Äh, Minako…“, versuchte er sein Glück. „Ich glaube, Frau Kajiwara ist noch nicht fertig mit reden.“ Er deutete nach vorne, wo die Lehrerin versuchte, die Kontrolle zu bewahren.
 

Minako war jedoch nicht die einzige, die Frau Kajiwara keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Die meisten ihrer Klassenkameraden waren in Gespräche mit ihren engsten Freunden vertieft. Einige hatten dafür sogar ihre Plätze verlassen.

„RUHE!“, brüllte die Lehrerin nun. Sie ertrug dieses Geschnattere einfach nicht mehr. Die Schüler verstummten und fanden auf ihre Plätze zurück.

„Also. Fünf Tage und vier Nächte in Kyoto.“, wiederholte Frau Kajiwara nun mit einem gezwungenen Lächeln und pochender Stirn. „Wir fahren eine Woche nach den Sommerferien, am 10. September, und kommen dann am 12. September zurück.“

„So lange noch!“, stöhnten einige der Schüler.

„Ich hatte gehofft, dass wir noch vor den Ferien fahren.“, bedauerte einer der Jungs ein wenig zu laut. Die Augenbraue der Lehrerin zuckte gefährlich.

„Ihr habt vor den Ferien keine Zeit für Schulausflüge!“, brüllte sie. „Ihr habt Prüfungen!!“
 

In der Pause hatten Bunny, Ami, Makoto, Minako, Yaten, Seiya und Taiki sich auf dem Schulhof versammelt und aßen ihre Lunchpakete.

„Was haltet ihr von dem Ausflug?“, fragte Makoto, bevor sie von einem ihrer selbstgemachten Onigiri abbiss.

„Ich freu mich schon drauf!“, antwortete Minako aufgeregt und wieder schwirrten ihr Bilder von romantischen Szenen zwischen Yaten und ihr selbst im Kopf herum.

„Ich freu mich auch!“, stimmte Bunny zu und strahlte. Ein Ausflug in eine andere Stadt mit ihren Freunden statt Unterricht? Natürlich freute sie sich.

„Ich auch.“, sagte auch Seiya und legte Bunny mit einem breiten Grinsen einen Arm um die Schulter. Ein Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen, als er ihr plötzlich so nahe war und sie sogar den Geruch seines Shampoos einatmete.

„Stell dir nur mal vor…“, fuhr er schwärmerisch vor. „Wir haben drei ganze Tage zusammen.“ Sein Grinsen wurde breiter und er näherte sich Bunnys Ohr noch etwas. Eine feine Gänsehaut überzog diese, als sie Seiyas warmen Atem auf ihrer Haut spürte. „Und verbringen ganze zwei Nächte zusammen.“

Bunny, deren Gesicht mittlerweile einer Tomate glich, stieß Seiya von sich, der sich ihrer Meinung nach viel zu sehr über ihren Gesichtsausdruck amüsierte.

„Seiya!“, schimpfte sie und versuchte ihr Herz wieder unter Kontrolle zu bringen, welches verdächtig schnell klopfte.

Makoto und Minako stimmten in Seiyas Lachen ein. Ami jedoch runzelte die Stirn über diese Szene und auch Yaten und Taiki warfen sich besorgte Blicke zu. Warum machte Seiya das immer? Warum tat er sich das selbst an?
 

„Aber Frau Kajiwara hat Recht.“, lenkte Ami von Seiya und Bunny ab. „Vor den Sommerferien stehen noch unsere Prüfungen an.“

Der Großteil der Runde stöhnte.

„Ami!“, schimpfte Minako. „Sei doch nicht immer so ein Spielverderber.“

Die Angesprochene wurde rot. Sie wusste ja, dass die meisten ihrer Freundinnen es nicht so mit dem Lernen hatten. Aber es war nun mal wichtig! Und auf jeden Fall deutlich wichtiger als so ein Schulausflug, der auch noch in einigen Wochen erst stattfinden sollte.

„Aber Ami hat Recht!“, verteidigte Taiki sie. „Wenn ihr die Prüfungen nicht besteht, müsst ihr in den Ferien zum Förderunterricht und die Nachholprüfungen schreiben.“

Bunny seufzte bedrückt.

„Da gehen sie dahin, meine Sommerferien.“, murmelte sie deprimiert.

„Quatsch, Schätzchen!“, protestierte Seiya sofort. Das durfte ja wohl nicht sein, dass sein Schätzchen in den Ferien keine Zeit haben würde. „Wir lernen zusammen und bereiten dich tip-top vor!“

„Meinst du wirklich?“, fragte Bunny noch etwas skeptisch, aber durchaus etwas munterer nach.

„Na klar!“, bestätigte er und zeigte mit dem Daumen auf sich selbst. „Ich sorge höchstpersönlich dafür, dass du in allen Fächern zumindest bestehst!“ Bunnys Miene hellte sich nun endgültig auf.

„Danke, Seiya!“, rief sie und strahlte.
 

„Hey!“, mischte Minako sich nun ein. „Wir sind natürlich auch alle dabei, nicht wahr?“ Sie strahlte in die Runde. So eine Lerngruppe hatten sie früher schon immer gemacht, aber wenn nun auch noch die Jungs dabei wären, dann würde das Ganze vielleicht sogar Spaß machen.

„Ich möchte meine Hilfe gerne anbieten.“, stimmte Ami zu. Sie fühlte sich auch irgendwie dafür verantwortlich, dass Bunny und die anderen vernünftig lernten.

„Ich bin auch dabei!“, warf Makoto ein und auch Taiki bestätigte nur zu gern seine Teilnahme an so einer Lerngruppe.

Erwartungsvoll sah Minako den einzigen an, der noch nichts dazu gesagt hatte. Dieser zögerte kurz, gab dann aber nach.

„Von mir aus.“, stimmte Yaten schließlich zu. Es würde ihm wohl nicht schaden, ein bisschen zu lernen und zumindest Taiki und Ami würden sicherlich nützlich sein.

„Dann ist es beschlossene Sache!“, freute Minako sich. „Wir sollten uns wieder alle bei Rei im Tempel treffen.“

Ami schmunzelte leicht. Natürlich würden sie sich bei Rei treffen, obwohl sie die einzige war, die nicht an diese Schule ging. Und die arme wusste noch nicht einmal etwas von ihrem Glück.
 


 


 

Gleich am nächsten Tag traf sich die Lerngruppe zum ersten Mal. Rei hatte nichts dagegen, das Ganze bei sich im Tempel stattfinden zu lassen. Zwar besuchte sie eine andere Schule, die Themen, die sie behandelten, ähnelten sich jedoch stark, und auch sie konnte von Amis Erklärungen profitieren.

„Womit hast du denn am meisten Probleme?“, fragte Seiya Bunny. Er hatte sich gleich zu Beginn direkt neben sie gesetzt. Immerhin wollte er sie unterstützen.

„Ähm… Mathe und Englisch, glaube ich.“, antwortete sie grübelnd. Eigentlich hatte sie mit fast allem Probleme, aber vor Mathe und Englisch grauste es ihr am meisten.

„Also gut. Ich würde sagen, wir fangen mit Mathe an. Was meinst du?“

„Okay!“, stimmte Bunny zu und nahm sich fest vor, sich ganz genau zu konzentrieren und alles zu verstehen, was Seiya ihr erklären würde.
 

Nur wenig später saßen sie gemeinsam über einer Aufgabe, die in dieser Art auch in der Klausur vorkommen sollte.

„Ich weiß einfach nicht, was ich damit anfangen soll.“, jammerte Bunny verzweifelt, die nun mit Hilfe von Seiya zwar einige der Variablen herausgefunden hatte, aber dennoch keine Ahnung hatte, wozu das Ganze eigentlich gut sein sollte.

„Keine Panik, Schätzchen.“, versuchte er sie zu beruhigen. „Du musst sie hier einsetzen. Siehst du?“

Er beugte sich ein wenig herüber, um ihr die entsprechenden Stellen in ihrem Heft zu zeigen. Dabei streifte er leicht ihren Arm.

Sofort zog sich ein Kribbeln von dem Punkt, an dem er sie berührte, durch seinen ganzen Körper. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Er liebte es, ihr so nahe zu sein, aber es machte ihn auch ganz schön nervös und er musste gegen seine Instinkte kämpfen, sie einfach in den Arm zu nehmen oder sie sogar zu küssen. Dass sie so gut roch – nach einer Mischung aus Pfirsichen und Vanille – machte es nicht gerade leichter für ihn.

Seine Gedanken drifteten ab und obwohl er eigentlich hier war, um Bunny bei ihren Aufgaben zu helfen, konnte er sich im Moment gar nicht darauf konzentrieren. Er bemerkte beiläufig, dass sie auf seine letzte Anweisung reagiert hatte und nun die Variablen in die Funktion einsetzte, doch interessierten ihn dabei mehr Bunnys konzentrierten Gesichtszüge, ihre funkelnden Augen, ihre – vermutlich vor geistiger Anstrengung – geröteten Wangen und ihre feinen Bewegungen, während sie schrieb.

Seiya musste schlucken. Mal wieder wurde ihm bewusst, wie perfekt dieses Mädchen in seinen Augen war. Sie war wunderschön, attraktiv, liebevoll, lustig, nett, einfach ein herzensguter Mensch und all ihre kleinen Schwächen machten sie in seinen Augen nur noch liebenswerter. Meistens hatte er sich ganz gut unter Kontrolle, wenn er mit ihr zusammen war, insbesondere wenn ihre Freunde mit dabei waren, doch in Momenten wie diesen, in denen er ihr so nahe war und sich alles in ihm nur auf sie zu fixieren schien, fiel es ihm mehr als schwer, sich zurückzuhalten und sich nur wie ein Freund zu verhalten.
 

„Seiya?“, sprach Bunny ihn nun an, die bemerkt hatte, dass er in seinen Gedanken irgendwie abgedriftet zu sein schien. Sie sah ihn aufmerksam an. Schnell fing er sich wieder.

„Ja?“, antwortete er. Kurz musterte sie ihn, was seine Nervosität nur noch steigerte. Dann jedoch zeigte sie auf ihr Heft.

„Ist das so richtig?“, fragte sie. Seiya wendete seinen Blick widerwillig von ihr ab und richtete ihn auf ihre Aufgaben. Er überprüfte ihre Rechnungen.

„Ja.“, antwortete er schließlich und grinste sie an. „Alles richtig.

Sie strahlte, was sein Herz schon wieder höher schlagen ließ.

„Wirklich?“, hakte sie freudestrahlend nach. So eine Aufgabe hatte sie ihres Wissens nach noch nie richtig gehabt.

„Wirklich.“, bestätigte Seiya ihr. Bunny schien sich darüber wirklich sehr zu freuen.
 

Schnell schnappte sie sich ihr Heft und reichte es Ami.

„Schau mal, Ami!“, forderte sie und ihre Freundin schaute auf. Sie nahm das Heft entgegen und las Bunnys Rechnungen durch. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht.

„Gut gemacht, Bunny.“, lobte sie sie. „Das ist alles richtig.“ Sie reichte Bunny ihr Heft zurück und lächelte leicht, als diese sich wieder an Seiya wendete, der ihr die nächste Aufgabe gab.

Vielleicht brachte Bunny die Lerngruppe dieses Mal wirklich etwas. Seiya hatte mit ihr eine Engelsgeduld und obwohl sie selbst sich auch stets Mühe gegeben hat, Bunny und den anderen alles richtig zu erklären, war Seiya bei Bunny vielleicht doch besser dazu geeignet. Auch wenn sie ihre Freundinnen auch liebte, die gleiche Hingabe, die Seiya für Bunny an den Tag legte, würde sie niemals aufbringen können.

Manchmal fand sie es regelrecht schade, dass Bunny schon einen Freund hatte und Seiya deshalb bei ihr keine Chance hatte. Sie würden so gut zusammenpassen… Aber nein! Ami schalt sich selbst in Gedanken. An so etwas durfte sie nicht denken! Mamoru war ein toller Kerl und er war schließlich der Mann, der in der Zukunft an Bunnys Seite über Kristalltokyo herrschen würde. Da gab es keinen Platz für Seiya, so leid es ihr auch tat.
 


 

Erschöpft ließ Bunny sich an diesem Abend auf ihr Bett fallen. Sie war gerade erst von Rei nach Hause gekommen und bis zum Schluss hatte sie ihr Bestes gegeben, um all das zu verstehen, was Seiya ihr erklärt hatte. Die erste Zeit hatten sie sich mit Mathe beschäftigt und dann hatten sie noch etwas Englisch gemacht. In ihrem Kopf schwirrten Zahlen und Vokabeln und schienen sie gar nicht mehr in Ruhe zu lassen.

Wenigstens ihre Hausaufgaben hatte sie bei dieser Gelegenheit schon machen können und nach Seiyas und Amis Kontrolle war sie sich sicher, dass sie dieses Mal auch richtig waren.

Sie sah auf die Uhr. Es war schon bald 22 Uhr. Ob Mamoru wohl zu Hause war? Er arbeitete viel und oft kam sie mit seinen Schichten durcheinander. Sie beschloss, es einfach mal zu versuchen.

Sie schnappte sich das Telefon und wählte seine Nummer. Es klingelte ein paar Mal, bis sich schließlich eine ihr sehr bekannte Stimme meldete.

„Mamoru Chiba.“, sagte er und Bunny musste unwillkürlich lächeln. Sie hatte es tatsächlich geschafft, ihn zu erreichen.

„Hallo Mamoru?“, antwortete sie. „Ich bin’s.“

„Bunny!“

„Ich wollte mich mal bei dir melden.“ Seit ihrem Gespräch wegen des Artikels über Seiya und sie hatten sie sich nicht mehr gesehen und sie hatte ihm nur kurz eine SMS geschrieben, nachdem Seiya ihr gesagt hatte, dass das Interview nun vorbei war.

„Das ist schön. Wie geht’s dir denn?“, wollte Mamoru wissen.

„Ganz gut, ich bin nur total erschöpft.“

„Warum das denn?“

„Wir waren heute alle bei Rei und haben gelernt.“ Mamoru konnte aus ihrer Stimme deutlich heraushören, dass es nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung gewesen war. Er lachte.

„Und? Hat’s was gebracht?“, fragte er neckisch.

„Was soll das denn heißen?“, hakte Bunny nach. „Klar hat es war gebracht! Seiya und Ami haben beide meine Aufgaben kontrolliert und mir geholfen und sie sagen, dass alles richtig war!“

Ein bisschen stolz durfte sie doch auf sich sein, oder?

„Seiya war auch da?“, fragte Mamoru sofort nach. Seine Stimme hatte sich irgendwie verändert. Bunny schluckte. Oh nein, ging das schon wieder los?

„Ähm ja…“, gab sie zu. „Taiki und Yaten waren auch da. Und Makoto und Minako und natürlich Rei. Wir waren alle da.“

Für sie war es schon eine Selbstverständlichkeit, dass die Jungs zu ihrer Gruppe dazugehörten. Nicht nur waren sie alle befreundet und gingen in die gleiche Klasse, nein, vor ihnen mussten sie ihr allergrößtes Geheimnis, nämlich ihre wahre Identität, nicht geheim halten. Sie verband sehr viel. Natürlich gehörten die drei zu ihnen.

„Ich kann dir auch beim Lernen helfen, Bunny.“, bot Mamoru ihr nun an, ohne weiter auf die Anwesenheit der Three Lights einzugehen.

Er wusste, dass es für Bunny selbstverständlich war, die drei in ihre Gruppe mit aufzunehmen. Doch er fühlte sich nicht wohl dabei. Er selbst war schließlich kein Teil dieser Gruppe. Zwar wusste er, dass Bunnys Freundinnen ihn akzeptierten, doch war er für sie Bunnys Freund, ihr zukünftiger König Endymion oder Tuxedo Mask, nicht aber unbedingt ihr Freund. Nie würde einer von ihnen sich bei ihm melden, wenn es nicht direkt um Bunny ging.

Er hatte auch nicht unbedingt Interesse daran, mit einem der Mädchen etwas alleine zu unternehmen, aber dass es da andere Jungs – primär Seiya – gab, die so in die Gruppe rein gehörten und dementsprechend auch oft etwas mit ihnen – primär mit Bunny – unternahmen, das gefiel ihm nicht besonders.

„Ist schon gut, Mamoru.“, lehnte Bunny sein Angebot ab, ohne zu wissen, dass er diese Antwort ganz und gar nicht hören wollte. Sie hatte dabei eigentlich nur im Sinn gehabt, ihn nicht noch mehr zu belasten und die wenige Zeit, die sie zusammen hatten, nicht mit lernen verbringen zu müssen.

On and on it goes, calling like a distant wind

Verzweifelt kaute Bunny auf dem Ende ihres Stiftes herum, während sie auf die vor ihr liegende Mathearbeit starrte. Was hatte Seiya ihr nochmal erklärt? Ihr Gehirn fühlte sich irgendwie matschig an. Die Mathearbeit war die letzte Prüfung vor den Sommerferien und auf die hatte ihr Gehirn sich dummerweise schon eingestellt.

Sie kratzte sich am Kopf und versuchte, sich an das zu erinnern, was sie die letzten Tage immer und immer wieder in ihrer Lerngruppe gemacht hatte. Sie warf einen Blick auf die große Uhr, die im Klassenzimmer hing, und beobachtete kurz, wie die Zeiger unaufhörlich voranschritten.

Schnell wendete sie sich wieder ihren Aufgaben zu.

‚Also schön!‘, dachte sie sich und sammelte sich kurz, bevor sie anfing, zu schreiben.
 

„SOMMERFERIEN!!“, rief Minako laut aus, als sie das Schulgebäude verlassen hatten, und streckte die Arme dem Himmel entgegen.

„Endlich!“, lachte Bunny. Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und drehte sich um. Seiya.

„Na, wie lief‘s bei dir, Schätzchen?“, fragte er sie mit einem leichten Grinsen.

„Mhm…“, überlegte Bunny kurz. „Also alles habe ich nicht gekonnt, aber ich habe ein wesentlich besseres Gefühl als in der letzten Arbeit.“

„In der letzten Arbeit hattest du auch nur 12 Punkte.“, warf Minako skeptisch ein.

„Minako!“ Bunny fühlte sich verraten. „Du bist fast so gemein wie Rei.“

„Wenn ich mich recht erinnere, warst du doch auch nicht viel besser, oder Minako?“, erinnerte Makoto sie, woraufhin Minako rot wurde.

„Pssssst!“, machte sie. Seiya lachte.

„Na, dann können wir ja nur hoffen, dass du dieses Mal bestanden hast.“, sagte er und zwinkerte Bunny zu. Sie lächelte zustimmend.

„Ich hoffe auch.“
 

„Hey, sagt mal!“, flötete Minako. „Wollen wir in den Sommerferien nicht mal alle zusammen wegfahren?“

„Du meinst, einen Ausflug machen?“ Makoto gefiel die Idee.

„Jaaa, wir könnten ans Meer oder zu den heißen Quellen.“, malte Minako sich aus. „So übers Wochenende…“

„Klingt gut!“ Bunny ließ sich von Minakos Begeisterung anstecken.

„Was meint ihr?“, fragte Minako an Ami und die Jungs gewandt.

„So ein wenig Entspannung nach der ganzen Lernerei tut uns allen sicherlich gut.“, stimmte auch Ami zu.

„Ich bin auch dafür.“ Ein Ausflug mit seinem Schätzchen? Natürlich war er dabei!

„Von mir aus.“, meinte Yaten, der prinzipiell nichts gegen einen Ausflug hatte, auch wenn es sicherlich alles andere als entspannend werden würde, wenn man so lebhafte Mädchen wie Minako und Bunny dabei hatte. Vor allem Minako.

„Dann ist es beschlossene Sache!“, freute sich Minako und hakte sich prompt bei Yaten ein, der einen erschöpften Seufzer hören ließ.

„Was ist denn mit Rei?“, fragte Taiki, dem nicht entgangen war, dass dies nicht die erste Entscheidung war, die ohne Rei getroffen wurde.

„Ach, mach dir da mal keine Sorgen.“, winkte Minako ab. „Rei ist garantiert auch dabei.“
 

Und tatsächlich war auch Rei Feuer und Flamme für diese Idee. Das letzte Mal, als sie einen solchen Ausflug gemacht hatten, hatte sich ausgerechnet ihr Onkel in ein Monster verwandelt, welches die umliegenden Zelte zerstört hatte. Doch dieses Mal herrschte Frieden auf der Erde und etwas Ähnliches würde hoffentlich nicht wieder passieren.

„Wo wollen wir denn hinfahren?“, fragte Makoto, während sie alle diverse Reisekataloge durchblätterten, die sie unterwegs besorgt hatten.

„Ich bin für das Meer!“, sagte Bunny sofort.

„Heiße Quellen wären aber auch nicht schlecht!“, warf Makoto ein.

„Ich hab’s!“, rief Minako begeistert aus und legte einen aufgeschlagenen Katalog in die Mitte des Tisches, sodass alle ihn sehen konnten.

„Eine heiße Quelle direkt am Meer?“, fragte Rei mit leuchtenden Augen.

„Was sagt ihr dazu?“, fragte Minako vergnügt.

„Einverstanden!“, kam es von allen Seiten und das Reiseziel war bestimmt. Es würde sich um eine Jugendherberge am Meer handeln, zu der auch eine heiße Quelle gehörte, die fußläufig zu erreichen war. Um dorthin zu kommen würden sie etwa zwei Stunden mit dem Zug unterwegs sein.
 

„Stellt sich nur noch die Frage, wann wir fahren.“, stellte Ami fest und schlug ihren Kalender auf. „Also… heute haben wir den 13. Juli. Heute in einer Woche werden die Ergebnisse unserer Prüfung bekannt gegeben, da müssen wir also in der Schule sein…“

„Wie wär’s mit dem Samstag direkt danach, also dem 21.?“, fragte Rei, die in Amis Kalender hineinlinste.

„Oh, da können wir leider nicht.“, widersprach Taiki bedauernd. „Wir haben einen Termin im Tonstudio. Unsere erste Single von dem neuen Album soll aufgenommen werden.“

„Waaaaaaaas?“ Minako war hellauf begeistert und starrte ihre drei Idole mit funkelnden Augen an.

„Also habt ihr in letzter Zeit nicht nur gelernt, sondern nebenbei auch noch Songs geschrieben?“, hakte Makoto nach, der gar nicht bewusst gewesen war, dass die Jungs so viel zu tun hatten.

„Richtig.“, bestätigte Seiya grinsend.

„Beeindruckend…“, sagte Bunny ehrlich. Für sie war das Lernen schon schlimm genug gewesen.

„Ach was…“, winkte Seiya ab. „Das Schreiben von Songs ist keine Arbeit für mich, eher Entspannung. Das Stressige an dem Job sind eher die ganzen Auftritte, Interviews und der ganze Trubel.“

„Es muss toll sein, so talentiert zu sein.“, sagte Bunny lächelnd, wenn auch ein wenig wehmütig, denn sie selbst besaß überhaupt keine Talente.
 

Ami blätterte derweil weiter in ihrem Kalender.

„Und wie wäre es mit dem Wochenende danach?“, fragte sie nun. „Das wäre dann der 28. Juli.“

„Das dürfte gehen.“, stimmte Seiya zu und auch die anderen hatten nichts dagegen einzuwenden.

„Seiya, hast du nicht am 30. Geburtstag?“, fragte Minako, die die Geburtstage ihrer Idole damals natürlich herausgefunden und fest gespeichert hatte.

„Äh ja…“, gab Seiya zu und wurde leicht rot. Er hatte nie viel Aufhebens um seinen Geburtstag gemacht.

„Wirklich?“, hakte Bunny nach und bekam strahlende Augen. Sie liebte Geburtstage! Und es würde das erste Mal sein, dass sie mit Seiya seinen Geburtstag feiern konnte.

„Ja.“, bestätigte Seiya nochmal und bekam Herzklopfen von Bunnys glücklichem Gesichtsausdruck.

„Da hast du ja genau einen Monat nach mir!“, rief sie lachend. Auch er musste nun lächeln.

„Stimmt…“

„Das muss gefeiert werden!“, warf Minako ein und sah mindestens genauso begeistert aus wie Bunny.

„Äh…“ Seiya hob seine Hände abwehrend nach oben. „Ihr müsst nichts machen, ehrlich. Auf Euphe haben wir Geburtstage nie wirklich gefeiert.“

Bunny und Minako fiel synchron die Kinnlade nach unten.

„Du hast noch nie eine Geburtstagsparty gehabt?“, fragte Bunny geschockt nach.

„Ihr alle?“, hakte Minako nach, die eigentlich eher an Yaten interessiert war.

„Nein.“, bestätigte Yaten nun, den das Ganze eher wenig interessierte. Warum sollte man feiern, dass man wieder ein Jahr älter geworden war? Was war das schon für eine Leistung?

„Dann wird es aber höchste Zeit!“, mischte sich nun Rei ein und erntete bekräftigendes Nicken von Bunny und Minako.

„Ich würde sagen, wir fahren dann nicht nur über das Wochenende, sondern warten noch bis nach Seiyas Geburtstag mit der Rückfahrt!“, schlug Minako vor.

„Gute Idee!“, stimmte Bunny kräftig nickend zu.

„Also vom 28. bis zum 31. Juli?“, hakte Ami nach, die die Reiseplanung gleich in Angriff nehmen wollte. Wenn sie zu lange warteten, würden sie wohlmöglich keine Zimmer mehr bekommen.
 

Noch am gleichen Tag war die Reise gebucht. Bunny hatte sich, als sie nach Hause gekommen war, rücklings auf ihr Bett geworden. Sie freute sich auf die anstehende Reise mit ihren besten Freundinnen und Freunden. Und Seiya würde Geburtstag haben, seinen 18., wenn sie richtig vermutete. Was sie ihm wohl schenken konnte? Er hatte ihr zum Geburtstag ein Handy geschenkt. So viel Geld würde sie nicht für ihn ausgeben können. Es würde schon schwierig werden, die Reise selbst überhaupt zu bezahlen.

Lange Zeit überlegte sie hin und her, was sie ihm denn schenken könnte, als ihr plötzlich noch ein anderer Gedanke kam. Mamoru hatte nur vier Tage später Geburtstag und für ihn hatte sie auch noch keine Idee! Wie hatte sie das nur vergessen können?

Während sie so darüber nachdachte, was sie Mamoru schenken sollte, schweiften ihre Gedanken automatisch immer wieder zur Seiyas Geburtstag ab. Für ihn hatte sie viel mehr Ideen. Der einzige Haken war nur immer wieder das Geld. Aber Seiya hatte so viele Hobbies, sei es nun seine Musik oder Sport, da fielen ihr mehrere Dinge ein.

Aber Mamoru? Die Dinge, mit denen Mamoru sich beschäftigte, verstand sie nicht. Er würde sich sicherlich über ein Buch freuen, aber sie hatte keine Ahnung, was für eins. IHR würde ein Comicbuch am besten gefallen, aber ihm sicherlich nicht. Es müsste ein Buch sein, von dem sie kein Wort verstand. Vielleicht sollte sie mal Ami fragen, die kannte sich da viel besser aus.

Sie seufzte. Was war sie nur für eine Freundin, die für ihren eigenen Freund kein Geschenk aussuchen konnte, weil sie keine Ahnung hatte, was ihm gefallen würde? Insbesondere da ihr für einen anderen Mann deutlich mehr einfiel?

Bevor sie an diesem Abend einschlief, hatte sie sich schließlich ein Geschenk für Seiya überlegt – eine Fotowand mit verschiedenen Bildern von ihnen allen. Was Mamorus Geschenk betraf, da beschloss sie, tatsächlich einmal Ami zu fragen.
 


 

Gut gelaunt machte Bunny sich am Samstag auf den Weg zu Mamoru. Er hatte heute einen freien Tag und den wollten sie endlich mal wieder gemeinsam verbringen, nachdem nicht nur er in letzter Zeit sehr viel hatte arbeiten müssen, sondern auch Bunny ständig mit Lernen beschäftigt gewesen war.

Am frühen Nachmittag dann stand sie vor der grünen Tür zu Mamorus Wohnung. Zwar hatte sie mal den Schlüssel zu Mamorus Wohnung bekommen, doch wenn er da war, benutzte sie doch lieber die Türklingel. Es war nicht ihre Wohnung und sie fühlte sich wie ein Eindringling, wenn sie einfach so hereinkommen würde.

Es dauerte nicht lange, bis sie hinter der Tür Schritte hören konnte und schließlich die Tür geöffnet wurde.

„Hallo Bunny.“, begrüßte ihr Freund sie lächelnd und bat sie herein.

„Mamooooruuu!“, rief Bunny und fiel ihm um den Hals. Viel zu lange hatten sie sich nicht mehr gesehen, wie sie fand.

„Ist ja gut.“, lachte Mamoru und löste sich wieder von ihr.

„Wie liefen denn deine Prüfungen?“, fragte er, nachdem sie beide ins Wohnzimmer gegangen waren und Bunny sich auf das Sofa hatte fallen lassen.

„Hmm…“, überlegte Bunny. „Ich glaube, es war ganz okay. Für meine Verhältnisse zumindest.“ Sie lachte verlegen. Ihre schlechten Noten waren ihr vor Mamoru ganz besonders unangenehm. Vom ersten Augenblick an hatte er sie deswegen aufgezogen.

„Also hat deine Lerngruppe dir etwas gebracht?“, hakte er nach, ohne verhindern zu können, dass ihm ein Bild von Bunny und Seiya zusammen in den Sinn kam.

„Ja, auf jeden Fall!“, bestätigte Bunny. „Ami ist sowieso immer eine große Hilfe, aber dieses Mal hat sich Seiya ganz besonders um mich gekümmert. Ich glaube, das hat echt geholfen.“

Mamoru spürte die Eifersucht in sich hochkochen. Nicht nur, dass sie sich immer in der Schule sahen, nein, jetzt hatten sie sich eine Zeit lang auch jeden Tag noch stundenlang nach der Schule getroffen. Das Einzige, was ihn etwas beruhigte, war, dass auch die anderen mit anwesend gewesen waren.

„Ich hätte dir auch helfen können.“, warf Mamoru ein.

„Ach…“, winkte Bunny ab. „Du hast auch so immer so viel zu tun, da musst du dich nicht auch noch um einen so hoffnungslosen Fall wie mich kümmern.“ Wieder lachte sie verlegen.

„Naja, so hoffnungslos bist du ja nicht, wenn deine Noten dieses Mal wirklich besser sind.“, widersprach er, auch wenn es ihm einfach nicht passte, dass Seiya der Grund dafür sein könnte.

„Mal sehen…“, sagte Bunny, die lieber nicht länger von Prüfungen reden wollte. „Jetzt sind ja erst mal Sommerferien.“

„Stimmt… Hast du etwas Bestimmtes vor?“, fragte Mamoru, der es schon von Bunny kannte, dass sie in den Ferien ab und zu mal mit ihren Freundinnen, manchmal aber auch mit ihrer Familie, verreiste.

„Oh… ja, wir wollen in zwei Wochen alle für ein verlängertes Wochenende wegfahren. Minako hat eine Jugendherberge am Meer und mit heißer Quelle entdeckt.“ Voller Vorfreude erinnerte sie sich an das gestern Geplante.

„Klingt gut.“, erwiderte Mamoru, dem sein Herz nervös gegen die Brust schlug, als er die nächste Frage stellte. „Wer kommt denn da alles mit?“

„Naja, alle eben.“, antwortete Bunny und fing an „alle“ aufzuzählen. „Rei, Ami, Minako, Makoto, Seiya, Taiki und Yaten. Und ich natürlich.“

Mamoru schluckte, als sich seine Befürchtung bestätigte.

„Seiya, Taiki und Yaten kommen also auch mit?“, hakte er nach. Taiki und Yaten waren ihm eigentlich egal, aber Seiya… Er würde zusammen mit Bunny ein verlängertes Wochenende am Meer und mit heißen Quellen verbringen. Nicht mal er selbst hatte es bisher geschafft, einen gemeinsamen Urlaub mit Bunny zu unternehmen.

„Ja.“, bestätigte Bunny, die langsam ein ungutes Gefühl bekam. Würde Mamoru etwas dagegen sagen? Mit einem flauen Gefühl im Magen wartete sie ab, was als nächstes kam.

„Hältst du es wirklich für eine gute Idee, wenn Seiya mit dabei ist?“, fragte Mamoru tatsächlich.

„Mamoru…“, erwiderte Bunny, die schon ahnte, was ihr wieder bevorstand. „Seiya ist genauso wie Taiki und Yaten unserer Freund. Wir wollen alle zusammen fahren.“

„Aber du weißt genau, was er für dich empfindet.“ Sie konnte Mamorus Unmut aus seiner Stimme heraushören.

„Ja, das weiß ich.“, bestätigte sie. „Aber es ist ja nicht so, als würden Seiya und ich alleine fahren. Wir sind fünf Mädchen und drei Jungs. Freunde. Mehr nicht.“

„Ich weiß nicht, Bunny…“, Mamoru hatte die Stirn gerunzelt und sah sie skeptisch an. War es wirklich so einfach, wie sie es darstellte?

„Vertraust du mir nicht?“, fragte Bunny traurig. Sie hatte diese Frage schon mehrere Male gestellt und immer antwortete er ihr, dass er ihr vertraute. Aber es schien nicht so.

„Natürlich vertraue ich dir.“, antwortete er wie erwartet. „Aber ich vertraue Seiya nicht.“

„Ich schon…“, widersprach Bunny und versetzte Mamoru damit einen Schlag. „Seiya weiß, dass wir beide zusammen sind.“ Wie oft hatten sie das schon durchgekaut? „Und Seiya hat noch nie ernsthaft etwas versucht. Er ist nicht so.“

„Meinst du…“, sagte Mamoru skeptisch.

„Ich weiß es.“, erwiderte Bunny entschlossen. „Mamoru… Ich kann verstehen, dass du dir Gedanken machst. Aber Seiya ist nun mal ein guter Freund und ich möchte diese Freundschaft nicht aufgeben.“

Es kam nicht oft vor, dass Bunny bei etwas so entschlossen war. Die Freundschaft mit Seiya schien ihr wirklich sehr wichtig sein, sonst würde sie sich nicht so verhalten. Aber wieso konnte Mamoru das nicht einfach akzeptieren? Wieso kamen ihm immer üble Gedanken, wenn er daran dachte, wie Seiya und Bunny Zeit miteinander verbrachten? Wieso stiegen Bilder in seinem Kopf auf, die er lieber nicht sehen wollte?

Wenn er dieses Gefühl der Eifersucht doch einfach abstellen könnte…

I'm forever yours, faithfully

Leicht bedrückt war Bunny auf dem Weg zur Schule. Heute sollten ihre Prüfungsergebnisse bekannt gegeben werden. Doch dieses Mal waren es nicht unbedingt die ausstehenden Noten, die sie bedrückten, es war vielmehr die drückende Stimmung, die zwischen ihr und Mamoru zurzeit vorherrschte. Seit sie ihm erzählt hatte, dass sie zusammen mit den Mädchen und den Three Lights über ein verlängertes Wochenende verreisen wollte, war es irgendwie angespannt zwischen ihnen.

Sie hatte das Gefühl, besonders vorsichtig mit ihm umgehen zu müssen, bemühte sich ständig, nichts Falsches zu sagen und insbesondere Seiya nicht zu erwähnen. Allzu oft hatten sie sich nicht treffen können, da Mamoru wie immer viel  arbeiten musste, aber Bunny hatte sich viel Mühe gegeben, ihn so oft wie möglich zu sehen.

 

„Bunny!“, hörte sie eine Stimme hinter sich und drehte sich zu ihr um.

„Guten Morgen, Makoto!“, begrüßte sie lächelnd ihre Freundin.

„Guten Morgen!“, erwiderte diese. „Na, schon aufgeregt?“

„Ein bisschen…“, antwortete Bunny. Sie war tatsächlich ein wenig nervös wegen ihrer Noten. Wenn sie zu schlecht waren, würde sie während der Ferien zum Förderunterricht gehen müssen. Darauf wollte sie gerne verzichten. Und dennoch übertönten ihre Probleme mit Mamoru ihre Angst vor schlechten Noten.

„Das wird schon.“, versuchte Makoto sie aufzumuntern. „Immerhin hast du dir dieses Mal wirklich Mühe gegeben.“

„Du hast Recht.“, bestätigte Bunny. Sie hatte dieses Mal wirklich ein deutlich besseres Gefühl als sonst.

 

Wenig später hatten sie die Haupthalle der Schule erreicht, in denen die Platzierungen der Schüler aushingen. Eine große Traube von Schülern hatte sich bereits um das schwarze Brett versammelt.

„Siehst du irgendwas?“, fragte Bunny, die sich vergebens nach oben reckte, um einen Blick auf die Liste zu erhaschen.

„Ja…“, sagte Makoto, die auch nur mit Mühe und Not über einige Köpfe hinweg schauen konnte. „Ami ist auf Platz 1. Und Taiki ist auf Platz 2 mit nur einem Punkt Unterschied.“

„Ami ist einfach unglaublich.“, bewunderte Bunny ihre Freundin. „Sie schafft es immer wieder auf den ersten Platz.“

„Bunny! Makoto!“, hörten sie Minakos Stimme hinter sich.

„Guten Morgen!“, begrüßten Bunny und Makoto sie.

„Man, ist das voll hier…“, beschwerte Minako sich, die nur mit Mühe und Not zu ihren Freundinnen vordringen konnte. „Lasst uns lieber in die Klasse gehen.“

„Willst du gar nicht nach deinem Rang gucken?“, fragte Makoto. Minako winkte lachend ab.

„Lieber nicht, das deprimiert mich nur.“, sagte sie trotzdem fröhlich. „Bunny und ich sind doch sowieso immer auf den untersten Rängen.“

„Du hast Recht.“, antwortete Bunny, die diese Tatsache gern immer wieder verdrängte, nun jedoch wieder einmal daran erinnert wurde.

„Naja, wir können eh nichts sehen.“, gab nun auch Makoto ihr Einverständnis und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in ihr Klassenzimmer.

 

Dort angekommen stellten sie fest, dass Ami und die Jungs bereits da waren.

„Guten Morgen!“, begrüßten sie sich gegenseitig.

„Schätzchen!“, rief Seiya fröhlich aus und nahm Bunny in die Arme, hob sie spielerisch hoch und drehte sich einmal mit ihr im Kreis. Bunny riss die Augen auf. Was war denn nun los? Mit einer solch überschwänglichen Begrüßung hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Automatisch musste sie lachen, obwohl sie bis eben eigentlich noch eher deprimiert gewesen war.

„Seiya!“, sagte sie lachend. „Was ist denn in dich gefahren?“

„Ich freu mich nur für dich!“, sagte er grinsend und ließ seine Hände nach dem Lösen der Umarmung bewusst auf ihren Schultern liegen.

„Was?“, hakte Bunny verwirrt nach. „Warum denn?“ Sie war sich nicht bewusst, dass es für sie irgendeinen Grund gab, sich zu freuen.

„Hast du denn die Platzierungen nicht gesehen?“, fragte Seiya erstaunt nach.

„Äh… nein.“, gestand Bunny. „Wir haben es versucht, aber es war grad so voll. Und da ich sowieso immer ganz unten stehe…“

„Tust du nicht!“, widersprach Seiya grinsend.

„Tu ich nicht?“, fragte Bunny erstaunt.

„Nein.“, bestätigte Seiya. „Du bist auf Platz 92.“

„92??“ Bunny konnte es nicht glauben. Okay, Platz 92 von 157 war jetzt immer noch nicht gerade gut, aber… das hieß, es gab immer noch 63 Schüler, die schlechter abgeschnitten hatten als sie… Nein… 65!

„W-wirklich?“, fragte sie stotternd nach. Seiya lachte.

„Wirklich!“, bestätigte er und strahlte Bunny glücklich an. Ihre Wangen leuchteten und ihre Augen glitzerten. Auch wenn sie es anscheinend grad immer noch nicht fassen konnte, strahlte sie übers ganze Gesicht. Am liebsten hätte er sie in diesem Moment direkt wieder in die Arme geschlossen.

 

„Seiya!“, rief sie plötzlich und warf sich ihm um den Hals. Kurz etwas überrumpelt schloss er schließlich auch die Arme um sie. Manchmal gingen Wünsche eben doch in Erfüllung…

Als sie sich wieder leicht von ihm löste, ohne jedoch ihre Hände von seinem Rücken zu nehmen, strahlte sie ihn an.

„Das hab ich nur dir zu verdanken.“, sagte sie, was ihm einen leichten Rotschimmer auf die Wangen zauberte.

Sie bedankte sich gefühlte hundert Male und versicherte ihm, dass sie sich noch irgendetwas einfallen lassen würde, was er jedoch als unnötig abtat.

 

„Auf was für einem Rang bist du eigentlich?“, fragte sie schließlich.

„Ich? Ähm…“, druckste er ein wenig herum. „Platz 7.“

„Wow!“, staunte Bunny. „Unglaublich.“

„Naja…“, sagte Seiya verlegen. „Nichts im Vergleich zu Ami oder Taiki.“

„Ach.“, winkte Bunny mit einem Seitenblick auf ihre beiden Freunde, die in ein Gespräch über die Klausuren vertieft waren, ab. „Die beiden zählen nicht.“

Seiya lachte. Zwar hatte er nicht sonderlich viel Erfahrung mit den Abschlussklausuren und Platzierungen, wie sie es auf den Schulen in Japan gab, jedoch war er sich sicher, dass eine solch hohe Platzierung auch für ihn nicht unbedingt Alltag gewesen wäre. Aber dieses Mal hatte er sich mit dem Stoff eben besonders viel beschäftigt, einfach um mit Bunny zusammen lernen zu können, für sie da zu sein, und natürlich zu verhindern, dass sie in den Sommerferien zum Förderunterricht gehen müsste.

 

Wenig später hatte ihre Klassenlehrerin den Raum betreten, um den Schülern ihre Tests zurückzugeben. So konnten die Schüler sehen, in welchen Fächern an welchen Stellen noch Verbesserungsbedarf bestand. Sie sprach Bunny persönlich ihr Lob aus für die große Verbesserung gegenüber ihrem vorherigen Abschneiden.

Bunny betrachtete ihre Noten und strahlte dabei noch immer über das ganze Gesicht. Okay, so richtig gut waren ihre Noten immer noch nicht, aber für sie waren 61 Punkte in Mathe und 56 in Englisch mehr als nur gut.

 

 

Mamoru stand in der Küche und wusch das Geschirr ab. Er hatte heute schon den ganzen Tag gearbeitet und war müde, aber Bunny würde gleich vorbeikommen und da sollte es unbedingt ordentlich aussehen. Sie hatte am Telefon sehr aufgeregt geklungen und hatte ihn unbedingt noch am selben Tag sehen wollen. Er konnte sich schon denken, dass sie vermutlich dieses Mal tatsächlich besser in ihren Klausuren abgeschnitten hatte und es ihm deswegen sofort erzählen wollte.

Ja, er hatte sich die zwei Wochen, in denen sie sich täglich mit den anderen – insbesondere Seiya  getroffen hatte, viele Gedanken gemacht. Immer wieder waren ihm unschöne Bilder von Bunny und Seiya in den Sinn gekommen. Die zwei lernten zusammen, kamen sich näher,… Doch hatte er sich selbst immer wieder daran erinnert, dass die Situation in Wirklichkeit nicht so war, wie in seiner ungewollten Vorstellung. Die zwei waren nicht alleine, das wusste er. Sie trafen sich immer bei Rei und die anderen waren immer dabei.

Und dennoch… es gab ihm einfach kein gutes Gefühl, die beiden zusammen zu wissen. Er war schlicht und einfach eifersüchtig. Eifersüchtig auf das gute, lockere Verhältnis, das die beiden hatten, auf die Zeit, die sie miteinander verbrachten. Er selbst sollte derjenige sein, der die meiste Zeit mit Bunny verbrachte, aber er war es nicht und konnte es auch nicht sein. Seine und Bunnys Welt waren vollkommen unterschiedlich: Er studierte und arbeitete, lebte alleine und musste sich seinen Unterhalt selbst verdienen. Bunny hingegen war eine sorglose Schülerin, die zu Hause bei ihren Eltern lebte. Zudem war er fünf Jahre älter als sie, ein Umstand, der es ihnen auch nicht gerade leichter machte.

Er seufzte. Er wünschte sich, er hätte mehr Zeit für seine Freundin. Das hatte er sich schon immer gewünscht, aber seit dieser Seiya wieder hier war, war dieser Wunsch dringender geworden.

 

Kaum hatte er die letzte Tasse abgetrocknet, klingelte es an der Tür. Schnell legte er das Handtuch beiseite und ging zur Tür. Ein kurzer Blick durch den Spion bestätigte ihm, dass es Bunny war, die auf Einlass wartete.

„Mamoooruuuu!“, begrüßte sie ihn sofort stürmisch wie immer und fiel ihm um den Hals. Er lachte.

„Komm rein, Bunny.“, erwiderte ihr und schloss die Tür wieder, nachdem sie eingetreten war. Diese Begrüßungen, so kindisch sie auch waren, bestärkten ihn immer wieder in seinem Vertrauen zu ihr. Auch wenn es ihm manchmal in der Öffentlichkeit doch etwas unangenehm war, so begrüßt zu werden.

Bunny strahlte übers ganze Gesicht und war offenkundig bester Laune. Er wollte schnell die trüben Gedanken vergessen, die ihn soeben noch geplagt hatten, und sich schnell von ihrem Lachen anstecken lassen.

„Na, was ist los?“, fragte er lächelnd. „Wieso bist du so gut drauf?“

Bunny kramte kurz in ihrer Tasche und holte dann ein paar Blatt Papier hervor.

„Tadaaaa!!“, machte sie und hielt ihm stolz ihre Klausuren, auf denen ihre Noten in dickem Rot geschrieben waren, hin.

Mamoru sah sich die Zahlen an: 61, 56, 67, 74,… Wenn er damals solche Noten geschrieben hätte, wäre er von sich selbst bitter enttäuscht gewesen. Doch für Bunny waren sie wirklich eine eindeutige Verbesserung. Er lächelte.

„Gut, Bunny. Das war ja wirklich ein richtiger Schritt nach vorne. Vielleicht schaffst du beim nächsten Mal noch höhere Punktzahlen.“

Bunny stutzte kurz, ließ sich jedoch nicht verunsichern. Mamoru war einfach nicht der Typ, der sie in den Arm nehmen und herumwirbeln würde so wie Seiya… Sie war sich sicher, dass er sich trotzdem für sie freute.

„Ich bin auf Platz 92.“, erzählte sie dann. „Von 157.“ Der Stolz in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Glückwunsch.“, sagte Mamoru nun noch, der in seiner Schulzeit immer wenigstens unter den besten drei gewesen war. Aber das würde er nicht sagen. Er gab Bunny einen kleinen Kuss auf die Wange.

„Möchtest du etwas Tee?“, fragte er dann und ging schon Richtung Küche.

„Ähm… ja.“, bestätigte Bunny und blieb allein im Wohnzimmer zurück. Ein wenig enttäuscht steckte sie ihre Tests wieder in die Tasche. Okay, sie wusste, dass sie immer noch nicht besonders gut abgeschnitten hatte, aber für ihre Verhältnisse waren die Punktzahlen, die sie erreicht hatte, wirklich hoch. Sie hatte ein wenig mehr Freude auf Mamorus Seite erwartet.

Seufzend setzte sie sich aufs Sofa und wartete darauf, dass Mamoru mit dem Tee zurückkam.

 

Sie blieb an diesem Abend nicht allzu lange, weil Mamoru am nächsten Tag früh raus musste, um zu arbeiten. Außerdem war er sehr müde gewesen und obwohl er es nicht gesagt hatte, hatte sie dennoch gemerkt, dass er gerne bald schlafen gehen wollte.

Leicht betrübt ging sie nach Hause. Es war immer noch warm, obwohl die Sonne schon untergegangen war, und sie konnte die Zikaden zirpen hören. Sie wäre gerne länger geblieben, insbesondere da sie heute alleine zu Hause sein würde. Ihre Eltern waren ausgegangen und Shingo übernachtete bei einem Freund.

Als sie in ihre Straße einbog, konnte sie sehen, dass jemand vor ihrer Haustür stand. Durch die Dunkelheit konnte sie nicht sofort erkennen, um wen es sich handelte, doch schien derjenige gerade aufgegeben zu haben und wieder nach Hause gehen zu wollen. Er drehte sich um.

„Seiya?“, fragte Bunny, die jetzt nahe genug war, um ihn zu erkennen.

„Schätzchen!“, rief er aus. „Ich wollte grad wieder gehen.“

„Meine Eltern und mein Bruder sind nicht da.“, erklärte sie und überwand schließlich die letzten Meter zwischen ihnen. „Was machst du denn hier?“

Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie ausgemacht hatten, sich noch zu treffen. Auf Seiyas Wangen zeichnete sich ein leichter Rotschimmer ab, als er auf seine Gitarre deutete.

„Wir gehen ja morgen ins Studio und ich habe noch einen neuen Song geschrieben. Ich hätte gern deine Meinung dazu.“, erklärte er verlegen. Eigentlich war er nur einem Impuls gefolgt, als er hierher aufgebrochen war. Er wollte Bunny den Song wirklich gerne vorspielen, wieso, wusste er selbst nicht so genau. Doch jetzt, da er vor ihr stand, war er etwas verlegen.

Bunny jedoch strahlte.

„Wirklich?“, fragte sie. Manchmal war es doch einfach cool mit einem Star befreundet zu sein. „Komm rein!“

Sie ging zur Haustür und schloss auf. Seiya folgte ihr ins Haus und nur wenig später saß er wieder einmal in Bunnys Zimmer, während sie noch schnell Tee machte. Schließlich musste sie ihrem Gast etwas anbieten.

 

Seiya holte tief Luft, als er schließlich die Gitarre herausgeholt hatte. Er hatte vor einem Publikum von tausenden von Menschen  gespielt, doch niemals war er so nervös gewesen.

„Bereit?“, fragte er, obwohl er sich nicht sicher war, ob er selbst bereit war. Bunny jedoch nickte.

Er setzte an und die ersten Töne seines neuen Songs ertönten. Bunny sah ihn mit strahlenden Augen an, doch er wagte es kaum, sie beim Spielen anzusehen. Er öffnete den Mund und sang.

 

Highway run 

Into the midnight sun 

Wheels go round and round 

You're on my mind 
 

Restless hearts 

Sleep alone tonight 

Sending all my love along the wire 

They say that the road 

Ain't no place to start a family 

Right down the line it's been you and me 

And loving a music man 

Ain't always what it's supposed to be 

Oh Girl 

You stand by me 

I'm forever yours 

Faithfully 

 

Als er aufsah, sah er, dass Bunny ihre Augen geschlossen hatte und lächelte. Er merkte, dass sein Herz schneller schlug bei ihrem Anblick. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als immer für sie spielen zu können. Denn sein Herz gehörte ihr. Nur ihr. Für immer.

You know he means to love her all he can

Als die letzten Töne verklungen waren, öffnete Bunny ihre Augen wieder. Sie sah Seiya, der mit leicht geröteten Wangen auf ihrem Bett saß und die Gitarre hielt, sie dabei beinahe schon schüchtern ansah. Einen Augenblick konnte sie sich gar nicht rühren, alles, was sie grad wahrnehmen konnte, war er. Das Lied, das er ihr gerade so gefühlvoll vorgetragen hatte, wirkte noch in ihr nach.

Wieso überkam sie gerade das unbestimmte Bedürfnis, ihm nahe zu sein? Wieso klopfte ihr Herz so stark und dennoch angenehm gegen ihre Brust? Wieso fühlte sie sich so unglaublich wohl und warm? War sie nicht beinahe den ganzen Tag über eher bedrückt gewesen – wenn man ihre kurze Freude über ihre Noten mal ausnahm?

 

„Schätzchen?“, sprach Seiya sie unsicher an. Wieso sagte sie denn nichts? Sie blinzelte kurz und atmete tief durch, wobei ihm eine leichte Rötung ihrer Wangen nicht entging. Fragend sah er sie an.

„Es war… einfach unglaublich schön.“, sagte sie nun und ihm fiel ein Stein vom Herzen. Es gefiel ihr!

„Findest du wirklich?“, fragte er mit deutlicher Erleichterung nach. Sie lächelte. Oh, dieses Lächeln!

„Wirklich.“, bestätigte sie. „Hast du das wirklich selbst geschrieben?“

„Natürlich!“, entgegnete er sofort. Songs zu schreiben war immerhin sein Leben. Und bei so einer Muse…

„Du bist wirklich unglaublich.“, sagte sie nun beinahe schon träumerisch, was Seiyas Herz kurz höher schlagen ließ.

„Naja…“, wehrte er ab. Er wehrte es ab? Das war doch sonst nicht sein Stil! Würde er nicht sonst sofort ein breites Grinsen aufsetzen, ihr vielleicht zuzwinkern und absolut selbstsicher bestätigen, dass sie damit natürlich absolut richtig lag? Doch in diesem Moment, er wusste nicht warum, fühlte er sich alles andere als selbstsicher. Er fühlte sich vielmehr wie ein kleines Kind, das auf die Anerkennung seiner Bezugsperson hoffte. Nur waren seine Gefühle für diese Person natürlich keineswegs kindlich und platonisch.

„Doch ehrlich!“, warf Bunny ein. „Ich wünschte, ich hätte auch so ein Talent. Aber ich kann nicht mal ein einfaches Musikinstrument spielen.“

„Wenn du willst, kann ich dir ja etwas beibringen.“, schlug Seiya vor, dem es natürlich sehr gut gefallen würde, ein paar schöne Stunden zu zweit mit ihr zu verbringen.

„Meinst du, ich kann das?“, fragte Bunny mit einer Mischung aus Hoffnung und Zweifel in ihrer Stimme.

„Klar.“, bestätigte er sofort und fand zu seinem alten Selbst zurück. „Bei so einem Lehrer…“ Da war es wieder: Sein typisches Grinsen gekürt von einem neckischen Zwinkern.

Bunny musste lachen. Seiya war wirklich einzigartig.

„Na gut, dann kann der Herr Lehrer ja mal zeigen, was er drauf hat!“

„Was soll ich dir denn beibringen?“, fragte er. „Gitarre? Klavier?“ Bunny überlegte etwas.

„Was ist denn einfacher?“, fragte sie unsicher.

„Ist beides einfach.“, behauptete Seiya, wovon Bunny jedoch nicht so ganz überzeugt war. „Aber ich denke, Klavier könnte eventuell leichter sein.“

„Dann Klavier!“, beschloss Bunny und freute sich jetzt schon darauf, bald eventuell so etwas Ähnliches wie ein Lied zustande bringen zu können.

 

An diesem Abend ging Seiya mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause. Nicht nur hatte er Bunny das Lied vorspielen können, was er – stets mit ihr in seinen Gedanken – geschrieben hatte, er hatte auch noch die Aussicht darauf, bald Zeit  mit ihr verbringen zu können, wenn er ihr Privatunterricht im Klavier spielen geben würde.

Bunny hingegen schlief bald darauf über dem Gedanken ein, was für ein Gefühl das gewesen war, als sie Seiyas Song gelauscht hatte und auch kurz danach noch so von ihm eingenommen gewesen zu sein schien.

 

*******

 

Die darauf folgende Woche verging schnell. Die Three Lights waren beinahe jeden Tag im Studio, um ihr neues Album aufzunehmen, während die Mädchen sich oft zum Shoppen oder Eis essen trafen. Bunny versuchte noch, so viel Zeit wie möglich mit Mamoru zu verbringen, bevor sie mit ihren Freundinnen und Freunden für ein paar Tage in den Urlaub fahren würde. Auf keinen Fall wollte sie, dass Mamoru sich vernachlässigt fühlte und ein schlechtes Gefühl hatte, wenn sie weg war.

Ob ihr das so gut gelungen war, da war sie sich selbst nicht so ganz sicher. Ja, sie hatten einige schöne Stunden miteinander verbracht, aber ständig stand unausgesprochen ihr anstehender Kurzurlaub zwischen ihnen. Sie hatten eigentlich gar nicht mehr darüber geredet. Am letzten Abend hatte Bunny kurz erwähnt, dass sie sich bei ihm melden würde, da sie ja nun ein Handy hatte. Er hatte ihr lächelnd viel Spaß gewünscht und sie geküsst. Und dennoch ließ Bunny das Gefühl nicht los, dass er sich nicht gerade freute, dass sie mit ihren Freunden – mit Seiya – wegfahren würde.

 

 

„Minako! Bleib gefälligst auf deiner Seite!“, keifte Rei Minako an, die sich halb auf Reis Platz drängte, um besser aus dem Fenster sehen zu können.

„Aber ich kann von hier gar nichts sehen.“, quengelte sie zur Antwort. Es kam eben nicht oft vor, dass man mit dem Zug durch so schöne Landschaften fuhr.

Minako saß neben Rei und gegenüber von Bunny und Seiya in einem Vierer, während Makoto, Ami, Yaten und Taiki sich den Vierer auf der anderen Seite des Gangs teilten. Eigentlich hatte Minako sich einen Platz neben Yaten ergattern wollen, doch irgendwie hatte das nicht hingehauen. Bevor sie es sich versah, hatten bereits alle Personen außer ihr Platz gefunden. So hatte sie sich auf den letzten freien Platz neben Rei setzen müssen.

Rei versuchte verzweifelt, die Blondine auf ihren eigenen Platz zurückzudrängen, was ihr jedoch eher schlecht als recht gelang. Ein Blitz ließ beide aufmerken und sie bemerkten eine grinsende Bunny, die ihre Kamera gezückt und das Geplänkel der beiden festgehalten hatte.

„Bunny!“, protestierten beide im Unisono. Die Angesprochene lachte.

„Ihr sollt euch eben nicht streiten.“, sagte sie.

„Wir haben uns gar nicht gestritten!“, widersprach Minako und legte Rei einen Arm um die Schulter. „Nicht wahr, Rei?“

„Nein.“, entgegnete diese. „ICH habe mich nicht gestritten. DU hast dich gestritten!“

Entsetzt zog Minako ihren Arm zurück.

„ICH hab mich gestritten??“, fragte sie ungläubig nach. „Wer hat denn die ganze Zeit gemeckert?“

„DU!“, antwortete Rei sofort. „Dass du nicht sehen kannst.“

„Ich wollte doch nur ein bisschen aus dem Fenster sehen.“, widersprach Minako. „Und du hast sofort losgemeckert, nur weil ich mich ein BISSCHEN zu dir rüber gebeugt habe.“

„Ein BISSCHEN?“ Rei war fassungslos. „Du hast mich ja fast zerquetscht!“

„ZERQUETSCHT?“, hakte Minako ebenso fassungslos nach und knurrte Rei an, die sofort darauf einstieg. Plötzlich ein Blitz und die beiden blinzelten hinüber zu Bunny und ihrer Kamera.

„Jetzt hört endlich auf zu streiten.“, sagte sie vergnügt.

„Hmpf!“, machten beide synchron, verschränkten die Arme vor der Brust und sahen demonstrativ in die jeweils andere Richtung. Minako fand sofort etwas anderes, womit sie sich beschäftigen konnte –oder besser: jemanden.

 

„Yaaaaaaten.“, säuselte sie. Der Angesprochene zuckte kurz zusammen, bevor er sie ansah.

„Äh… ja?“, fragte er.

„Gehen wir nachher zusammen schwimmen?“, fragte sie, während sie ihn zuckersüß anlächelte.

„Ähm… klar.“, bestätigte er. Immerhin fuhren sie doch nicht umsonst an den Strand… oder?

Während Minako Yaten belagerte, beugte sich Seiya leicht zu Bunny.

„Armer Yaten.“, flüsterte er. Bunny kicherte leicht.

„Mina mag ihn eben.“, flüsterte sie zurück.

„Hm…“, machte Seiya überlegend. „Meinst du, das ist ernst? Oder ist es nur Schwärmerei.“

Bunny überlegte kurz.

„Ich weiß nicht.“, antwortete sie. „Mina gerät schnell ins Schwärmen, aber meistens sind die Männer, für die sie schwärmt, schnell wieder vergessen. Yaten hat sie nun schon ziemlich lange im Visier…“

Seiya grinste leicht.

„Und was meinst du?“, fragte er sie. „Traumpaar oder Horrorpaar?“

Allein über die Frage musste Bunny kichern. Sie stellte sich vor, wie Minako Yaten absolut den letzten Nerv raubte – wozu sie ihre Vorstellungskraft allerdings nicht allzu sehr beanspruchen musste. Andererseits glaubte sie, dass Mina auch sehr liebevoll und vielleicht etwas ausgeglichener sein könnte, wenn sie tatsächlich in einer Beziehung stecken würde.

„Hmmm…“, machte sie. „Ich glaube, Traumpaar.“

Seiya grinste auf ihre Antwort.

„Gegensätze ziehen sich an, hm?!“, sagte er. „Ich stimme dir zu.“

Unwillkürlich musste Bunny an sich selbst und Mamoru denken. Waren sie selbst auch so ein Fall von Gegensätzen, die sich anziehen? Wahrscheinlich. Er war intelligent, erwachsen und ruhig. Sie hingegen war dumm, kindisch und immer aufgekratzt – zumindest wenn sie nicht gerade zu viel Kuchen gegessen hatte und über ihren Hausaufgaben einschlief. Diese Gedanken trübten ihre Stimmung.

 

„Und was hältst du von den beiden?“, fragte Seiya nun und zeigte auf Ami und Taiki, die sich angeregt unterhielten. Bunny beobachtete sie kurz.

„Absolutes Traumpaar.“, antwortete sie dann.

„Es sind eben doch nicht immer Gegensätze, die sich anziehen.“, grinste Seiya, der zwischen Taiki und Ami bis auf ihr Äußeres kaum differenzieren konnte. Bunny lächelte.

„Es ist doch schön, gemeinsame Interessen zu haben.“, sagte sie.

„Und die beiden haben viele Interessen.“, erwiderte Seiya. „Viel zu viele.“

„Naja…“, zögerte Bunny. „Kann man denn wirklich zu viele gemeinsame Interessen haben?“ Sie wirkte etwas geknickt. Seiya sah sie fragend und mit leichter Besorgnis an.

„Schätzchen?“, fragte er.

„Mamoru und ich haben gar keine gemeinsamen Interessen.“, sprudelte es nun aus ihr hervor, bevor sie es verhindern konnte.

Seiya fühlte augenblicklich ein dumpfes Gefühl in seinem Magen bei der Erwähnung Mamorus. Und mal wieder hatte Bunny seinetwegen trübe Gedanken. Wieso konnte dieser Kerl seine Freundin nicht einfach nur glücklich machen? Also wenn ER Bunnys Freund wäre… Ja, er würde alles tun, damit sie glücklich wäre.

„Ihr… habt doch bestimmt irgendwas, was ihr beide gerne macht.“, zwang er sich zu sagen, um sie aufzumuntern. Doch Bunny schüttelte den Kopf.

„Nein.“, widersprach sie. „Nichts.“

Seiya wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte. Er wollte nicht, dass Bunny traurig war.

„Hm… mach dir keine Sorgen, Schätzchen. Er ist halt einfach etwas älter als du. Irgendwann gleicht sich das auch wieder aus.“

Allein der Gedanke an die Beständigkeit dieser Beziehung verstärkte dieses unangenehm dumpfe Gefühl in seinem Magen.

Bunny lächelte leicht.

„Danke, Seiya.“, sagte sie und drückte kurz seinen Arm.

„Klar.“, antwortete er mit einem leicht traurigen Lächeln. Für sie würde er wahrscheinlich immer nur der beste Freund sein, mit dem sie über alles sprechen konnte.

 

 

 

„WOW!“, rief Bunny begeistert aus, als sie endlich den Strand und die nahegelegene Herberge erblickte. Das Wasser glitzerte in der Sonne und auch die Herberge sah freundlich und einladend aus.

„Lasst uns schnell zum Strand!“, forderte Minako, die bereits Feuer und Flamme war, Yaten ihren neuen Bikini zu zeigen.

„Erstmal müssen wir zur Herberge.“, widersprach Ami. „Wir müssen einchecken und unsere Sachen dort ablegen. Oder willst du mit dem Riesenkoffer an den Strand?“

Minako hatte tatsächlich für die kurze Zeit einen abnorm großen Koffer dabei. Sie gab nach.

„Na schön.“, seufzte sie. „Dann eben erst zur Herberge.“

Wenig später hatten sie das große Gebäude auch erreicht. Ami, die die Reservierung vorgenommen hatte, regelte alles am Empfangsschalter und wenig später hielten sie zwei Schlüssel in der Hand: einen für das Zimmer der Mädchen und einen für das Zimmer der Jungs.

 

Die Mädchen stellten ihre Sachen in ihrem Zimmer ab und machten sich strandfertig, denn Minako hatte darauf bestanden, sofort den Strand aufzusuchen, und auch die anderen hatten natürlich nichts dagegen einzuwenden.

Bunny schrieb noch schnell eine SMS an Mamoru.

 

Hi Mamoru.

Wir sind gut angekommen

und haben grad unsere Zimmer

bezogen.

Kuss, Bunny

 

Sie legte ihr Handy auf den Futon, welchen sie für sich beansprucht hatte. An den Strand wollte sie es nicht mitnehmen.

 

„Meer, wir kommen!“, rief Minako laut, als sie sich alle vor der Herberge versammelt hatten, beladen mit Strandtaschen oder einfach unter den Arm geklemmten Handtüchern.

„Sei doch nicht immer so laut, Minako.“, beschwerte Rei sich, der Minakos Auftreten peinlich war.

„Sei DU doch nicht immer so gemein, Rei!“, forderte Minako im Gegenzug.

„Hört doch auf, euch die ganze Zeit zu streiten!“, verlangten nun Bunny und Seiya synchron, da sie die beiden schon während der Fahrt hatten ertragen müssen.

Makoto und Ami mussten lachen und schon hatte sich die Stimmung auch zwischen Rei und Minako sich wieder etwas gelockert.

Als sie endlich am Strand angekommen waren, stand beiden nur noch die pure Freude im Gesicht. Was gab es schöneres, als den Strand mit seinen Freunden an einem sonnigen Tag zu genießen?

 

Während sie ihren ersten Tag am Strand genossen, erklang im Zimmer der Mädchen ungehört der Klingelton von Bunnys Handy.

I told you homeboy u can't touch this

„Das Wasser ist einfach herrlich.“, seufzte Minako genüsslich und ließ sich nach hinten fallen. Sie konnte gar nicht anders als zu strahlen. Sonne, Meer, ihre besten Freunde und vor allem: Yaten. Ihr war keineswegs sein bewundernder Blick entgangen, als sie sich ihm im Bikini präsentiert hatte. Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Ach nein. Mit Sicherheit nicht!

Sie sah sich um, um zu sehen, was die anderen so trieben. Sie entdeckte Ami, die wie ein Fisch im Wasser schwamm, Bunny, Makoto, Rei und Seiya, die sich einen mitgebrachten Wasserball zuwarfen, wobei Bunny ihn gerade in diesem Moment mitten ins Gesicht bekam, und schließlich Taiki und Yaten, die gerade nur am Strand saßen und aufs Wasser hinausschauten.

Sie beschloss, sich mal wieder ein wenig um Yaten zu kümmern und bewegte sich zurück an den Strand. Das Wasser perlte an ihrem Körper hinunter, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und ihr Haar hing nass und schwer hinunter, teilweise an ihrer Haut klebend. Sie griff nach ihren Haaren, wrang sie einmal aus und strich sie dann wieder nach hinten. Durch die Feuchtigkeit fiel ihr Pony nicht direkt wieder nach vorn, sodass ihre Stirn ausnahmsweise mal frei lag.

 

Als Minako sich den beiden Jungen näherte, wandte Yaten schnell mit leicht geröteten Wangen seinen Blick ab. Dass Minako ihm nämlich tatsächlich aufgefallen war, sowohl als sie auf einmal im Bikini vor ihm gestanden hatte, als auch als sie nass und verführerisch das Wasser wieder verlassen hatte, das wollte er lieber nicht preisgeben.

Er spürte, wie das blonde Mädchen sich neben ihm auf ein Handtuch fallen ließ und er dabei ein paar Wassertropfen abbekam.

„Hach, ist das schön hier.“, seufze Minako glücklich.

„Ist es.“, stimmte Taiki, der auf der anderen Seite neben Yaten saß, zu. Sein Blick war dabei fest auf das Wasser gerichtet und Minako fragte sich, ob seine Augen zufällig ein gewisses blauhaariges Mädchen verfolgten.

„Sagt mal, haben wir eigentlich irgendetwas zu trinken dabei?“, fragte Minako, die langsam ihren Durst bemerkte.

„Ähm…“, überlegte Yaten. „Also ich nicht.“

„Ich auch nicht.“, sagte auch Taiki.

„Mh…“ Minako überlegte kurz, bevor sie sich erhob, wobei ihre noch immer sehr nassen langen Haare abermals ein paar Wassertropfen auf Yatens Arme beförderten.

„Ich geh‘ mir mal was kaufen.“, verkündete, schnappte sich ihr Portemonnaie und zeigte auf die kleine Strandbar, die allerdings etwas weiter von ihrem Platz entfernt war.

„Soll ich mitkommen?“, fragte Yaten sofort. Doch Minako winkte ab.

„Nein, nein, das schaffe ich schon alleine.“, erwiderte sie mit einem breiten Lächeln, welches, als sie sich umdrehte, jedoch sofort wieder verflog. Das wäre die Gelegenheit gewesen, ein bisschen mit Yaten alleine zu sein! Aber sie wollte bei der Gelegenheit gleich auch noch die Toilette aufsuchen und das war ihr dann doch etwas zu peinlich, wenn Yaten dabei war.

Ein wenig enttäuscht stapfte sie in Richtung Strandbar davon.

 

 

Währenddessen bekam Bunny mal wieder den Ball mitten ins Gesicht.

„SEIYA!“, brüllte sie. „Das hast du mit Absicht gemacht!“

„Würde ich nie tun, Schätzchen.“, widersprach er, wobei sein lautes Lachen jedoch etwas anderes verkündete.

Bunny, die den Ball mittlerweile wieder losgeworden war, spritzte eine Ladung Wasser in Seiyas Richtung.

„Na warte.“, lachte er und führte seine Rache aus. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gleiches mit Gleichem vergelten. Nur dass Seiyas Wasserladung um einiges größer und wirkungsvoller war. Wie ein begossener Pudel stand Bunny da, der Pony klebte ihr an der Stirn.

„Grrrrr!“, machte Bunny und strampelte so kräftig es ging mit den Armen, um möglichst viel Wasser in Seiyas Richtung zu spritzen.

„Wasserschlacht!“, rief Rei glücklich und beteiligte sich an dem Spritzgelage. Natürlich richteten sich ihre Attacken gegen Bunny, weshalb diese von Seiya erst einmal ablassen musste, um Rei entgegenzuwirken. Während die beiden sich bekriegten und Makoto das Ganze amüsiert beobachtete, tauchte Seiya ab.

Noch während Bunny versuchte, gegen Reis Attacken anzukommen, spürte sie auf einmal zwei Hände an ihren Oberschenkeln. Bevor sie realisierte, was vor sich ging, wurde sie schon aus dem Wasser gehievt und saß etwas wackelig auf Seiyas Schultern. Panisch klammerte sie sich an seinem Kopf fest.

„Iiieek“, quiekte sie auf. „Seiya! Lass mich sofort runter!“

Seiya lachte.

„Wie du wünschst, Schätzchen.“, sagte er hämisch und Bunny schwante Böses. Sie spürte wie Seiyas sichernder Griff sich von ihren Beinen löste und er stattdessen ihre Handgelenke fasste, um sie aus ihrer Umklammerung zu befreien. Sie spürte, wie sie wegrutschte. Trotz ihres Versuchs, dagegen zu wirken, gewann die Schwerkraft und sie fiel rücklings ins Wasser.

Einige Sekunden tauchte sie unter, bevor sie prustend wieder auftauchte, die Augen fest zugekniffen und etwas orientierungslos.

 

Rei hatte das Ganze mit etwas gemischten Gefühlen beobachtet. Sie hatte die Wasserschlacht ihrerseits abgebrochen, als Bunny sich so plötzlich erhoben hatte und Seiya aufgetaucht war. Einerseits hatte das alles urkomisch ausgesehen – insbesondere, wie Bunny im Wasser gelandet war –  andererseits wusste sie nicht, was sie von ihrem und Seiyas Verhalten halten sollte. Hatte Bunny nicht bereits ihren Mamoru? Durfte sie sich dann so mit einem anderen Jungen vergnügen?

Ja, Rei hatte Mamoru für Bunny aufgegeben und das war okay für sie. Aber wenn sie dann sah, dass Bunny ihre Beziehung aufs Spiel setzte für Seiya, versetzte ihr das immer einen Stich. Sie würde keinen anderen Mann ansehen, wenn sie mit noch mit Mamoru zusammen wäre.

 

 

Etwas unruhig sah Yaten auf die Uhr. Minako brauchte aber lange. Selbst wenn die Strandbar etwas weiter von ihrem Platz entfernt war, sollte sie eigentlich langsam mal zurückkommen. Aber sie war noch nicht einmal in Sicht.

„Findest du nicht, dass sie lange braucht?“, fragte Yaten seinen Bruder.

„Wer?“, fragte Taiki. Er hatte sich gerade in ein Buch vertieft und war in eine völlig andere Welt abgetaucht.

„Na, Minako.“, erklärte Yaten. Taiki sah ihn kurz nachdenklich an, bevor er mit den Schultern zuckte.

„Kann sein.“, sagte er und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Buch.

Yaten sah erneut auf die Uhr. Etwas unentschlossen suchte er erneut nach einem Zeichen von Minako. Schließlich stand er auf.

„Ich seh‘ mal nach ihr.“, verkündete.

„Tu, was du nicht lassen kannst.“, erwiderte Taiki, ohne von einem Buch aufzusehen. Als Yaten einige Schritte von ihm entfernt war, schmunzelte Taiki. Yaten war einfach so leicht zu durchschauen. Sein Blick suchte nach Ami. Naja, aber er selbst war es vielleicht auch…

 

Yaten hatte den Weg zur Strandbar schnell hinter sich gebracht, doch von Minako war immer noch keine Spur zu sehen. Wo war sie nur? Sie hatte sich doch eigentlich nur schnell etwas zu trinken kaufen wollen. Suchend sah er sich um. Lauter unbekannte Gesichter. Kein langer blonder Haarschopf.

Plötzlich hörte er ein Lachen, das ihm nur allzu bekannt vorkam. Er ging in die Richtung des Geräuschs und fand Minako bald darauf um die Ecke mit zwei Jungs in Badehose. Yaten blieb in Deckung und beobachtete das Ganze mit einem merkwürdig schweren Gefühl im Magen.

 

„Ihr seid echt süß.“, sagte Minako keck und den beiden Jungen zuzwinkernd. Yatens Blick verfinsterte sich. Einer der beiden grinste breit und lehnte sich ein wenig zu ihr rüber.

„Komm doch mit uns.“, forderte er sie auf. „Wir wollten gleich noch surfen gehen. Wenn du willst, bringe ich es dir bei.“

Auch er zwinkerte einmal und Yaten wurde beinahe schlecht. So ein ekelhafter Typ. Er hatte etwa schulterlanges dunkelblondes Haar, welcher er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er war einigermaßen groß und sportlich. Um seinen Hals hing ein Lederband mit einem Haifischzahn. Wie klischeehaft.

Der andere war etwas schmaler und hatte kurzes schwarzes Haar. Er hielt sich auch etwas mehr zurück als der Blonde und wirkte auf Yaten minimal weniger unsympathisch.

„Nein, danke.“, antwortete Minako aufrichtig auf die Frage des Blonden. „Ich bin mit meinen Freunden hier und wir wollen zusammen einen schönen Urlaub verbringen.“

‚Ganz genau!‘, dachte Yaten und bereitete sich darauf vor, dass Minako sich gleich von den beiden Jungen loseisen würde. Dann würde er ihr ganz zufällig an der Ecke entgegenkommen.

„Komm schon!“, sagte der Typ jedoch nun etwas fordernder und näherte sich Minako noch etwas weiter. Diese wich ein Stück zurück. Ihr war die Situation offensichtlich unangenehm.

„Nein, wirklich.“, widersprach Minako und hob abwehrend die Hände. „Ich möchte zu meinen Freunden zurückgehen.“

„Da entgeht dir aber eine Menge Spaß.“, sagte er und lächelte schleimig, wie Yaten fand. „Das kann ich doch nicht einfach so zulassen.“

„Komm schon, Jun.“, sagte der Schwarzhaarige nun. „Lass sie in Ruhe und lass sie gehen.“

Minako warf ihm einen dankbaren Blick zu, doch der Blonde ließ immer noch nicht locker.

„Genau deshalb hattest du noch nie eine Freundin, Sei. Du gibst einfach viel zu schnell auf.“

Der Schwarzhaarige, der offenbar Sei hieß, seufzte und ließ den Blonden in Ruhe. Yaten biss die Zähne zusammen und beobachtete ihn weiterhin.

„Ich möchte jetzt wirklich gehen.“, verlangte Minako nun und versuchte, sich an den Jungen vorbeizudrücken, doch Jun packte sie beim Arm und hielt sie so zurück.

„Jetzt komm schon.“, sagte er, doch ohne dass er gemerkt hätte, dass sich ihnen jemand genähert hatte, legte sich plötzlich eine Hand um sein Handgelenk. Der Griff war fest, etwas zu fest.

„Fass sie nicht an.“, sagte Yaten mit bedrohlicher Stimme und funkelte den Jungen finster an, so wie Minako es niemals für möglich gehalten hätte.

„Yaten!“, rief Minako erleichtert aus.

„Wer bist du denn?“, knurrte Jun.

„Lass die Finger von meiner Freundin.“, verlangte Yaten, ohne auf die Frage des anderen einzugehen. Die Finger des Blonden um Minakos Arm lösten sich, doch das nahm sie kaum wahr. Sie war rot angelaufen und in ihrem Kopf hallten lediglich seine Worte wider: Lass dir Finger von meiner Freundin.

„Lass uns gehen.“, forderte jetzt der Schwarzhaarige. Der Blonde schnaubte einmal auf, riss dann seinen Arm aus Yatens Griff und drehte sich ohne ein weiteres Wort um.

 

Einen Augenblick starrte Yaten ihnen noch mit finsterem Blick hinterher, bevor er sich an Minako wendete.

„Alles ok?“, fragte er sie. Sie nickte stumm. Yatens Auftritt hatte ihr doch tatsächlich die Sprache verschlagen. Ihr! Minako!

Yaten wusste nicht so recht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Normalerweise hielt er sie immer auf Abstand, weil er einfach nicht so recht wusste, wie er mit ihr umgehen soll. Mit ihr und diesem Gefühl, das ihn jedes Mal beherrschte, wenn sie sich ihm näherte. Und jetzt? Wenn sie wenigstens so wäre wie sonst auch, fröhlich und irgendwie laut. Aber im Gegenteil, sie war furchtbar still und sah ihn mit geröteten Wangen an. Yaten räusperte sich.

„Lass uns zu den anderen zurückgehen.“, sagte er, um aus dieser merkwürdigen Situation irgendwie herauszukommen.

„Ok.“, stimmte Minako zu und lief neben ihm her. Sie zögerte kurz, doch dann fasste sie all ihren Mut und griff nach seiner Hand. Sie spürte, wie er kurz zusammenzuckte, sah, wie seine Wangen sich röteten. Er sah sich nicht an, doch seine Hand zog er auch nicht zurück. Nach einigen Momenten, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen und in denen sie sich immer mehr innerlich anspannte, legten auch seine Finger sich um ihre Hand.

Glücklich lächelte Minako und ein unglaublich warmes Gefühl breitete sich in ihr aus.

 

 

Glücklich seufzend ließ sich Bunny auf ihren Futon fallen, als die Gruppe zurück in ihrer Herberge war. Sie wollten sich alle in einer halben Stunde zum Essen treffen. Ihr Magen hing ihr jetzt schon in den Kniekehlen und sie konnte es kaum abwarten. Aber sie war auch unglaublich erschöpft. Der Tag am Strand hatte ihr so unglaublich viel Spaß gemacht und sie hatte sich wohl mehr bewegt als in den letzten Wochen zusammen.

Ihr Blick fiel auf ihr Handy, das sie hier hatte liegen lassen. Sie griff danach, um zu sehen, ob Mamoru ihr auf ihre SMS geantwortet hatte. Als sie nachsah, traute sie ihren Augen kaum. 7 Anrufe in Abwesenheit, 2 SMS. Die Anrufe stammten allesamt von Mamoru und auch die SMS waren beide von ihm. Sie öffnete die erste.

 

Hi Bunny,

Danke für die SMS. Ich habe

versucht, dich zu erreichen, aber

du gehst nicht ran. Was macht

ihr denn?

Ich versuch’s später nochmal!

Mamoru

 

Sie öffnete die zweite Nachricht.

 

Du gehst ja immer noch nicht

an dein Handy. Warst du nicht

diejenige, die gesagt hat, dass

sie sich freuen würde, wenn wir

zwischendurch mal telefonieren

würden? Naja, aber du bist wohl

zu beschäftigt…

 

Bunnys Herz schlug nervös gegen ihre Brust und ihr Mund wurde trocken.

„Ich geh mal kurz telefonieren.“, sagte sie und verließ das Zimmer mit einem unbestimmten flauen Gefühl im Magen.

Sie suchte sich eine ruhige Ecke und rief Mamoru an. Sie hörte einige Sekunden das monotone Tuten, das ihr zeigte, dass es bei Mamoru gerade klingelte, bevor sie seine Stimme hörte.

„Mamoru Chiba.“, meldete er sich.

„Hallo Mamoru?“, sagte Bunny und hoffte, dass dieses Gespräch nicht allzu negativ verlaufen würde.

„Bunny.“, erwiderte. Bunny rutschte das Herz in die Hose. Klang er wirklich so kalt und abweisend oder bildete sie sich das nur ein?

„Ähm…“, räusperte sie sich. „Du hast angerufen?“

„Mehrere Male.“, bestätigte Mamoru leicht gereizt.

„Tut mir leid.“, entschuldigte Bunny sich sofort. „Wir waren am Strand und da wollte ich das Handy nicht mitnehmen.“

„Hattest du Spaß?“, fragte Mamoru, der genau wusste, dass sein Verhalten gerade Bunny gegenüber nicht unbedingt fair war. Aber ihn nervte die ganze Situation einfach.

„Mhm…“, machte Bunny unbestimmt. „Es war ganz schön.“

„Schön.“, sagte er kurz angebunden.

„Was machst du so?“, fragte sie nun, um das Gespräch hoffentlich ein bisschen ins Rollen zu bringen.

„Ich schreibe an meiner Arbeit.“, erwiderte er. Nichts weiter. Es breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus, das Bunny sofort loswerden wollte.

„Mamoru?“, fragte sie.

„Hm?“

„Bist… du böse?“ Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. Mamoru seufzte in den Hörer.

„Ich weiß nicht.“, sagte er und versetzte Bunny einen Stich.

„Nein…“, widersprach er dann aber sofort. „Ich bin nicht böse. Ich bin nur… ich weiß auch nicht.“

Was war er? Er war müde. Und irgendwie war er es leid. Die ständigen Sorgen, die er sich wegen Bunny und Seiya machte. Und auch seine eigene Eifersucht, sein eigenes Verhalten, das er irgendwie nicht abstellen konnte. Er war es einfach leid.

„Mamoru?“, fragte Bunny erneut, dieses Mal mit leicht zitternder Stimme, nachdem er nicht weitersprach.

„Tut mir leid, Bunny.“, sagte er. „Ich bin dir wirklich nicht böse. Ich bin nur grad ein bisschen gestresst wegen meiner Arbeit.“ Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber er wollte eigentlich nicht, dass sie sich Sorgen machte.

„Ehrlich?“, hakte sie nach, nicht ganz überzeugt von seinen Worten.

„Ehrlich.“, antwortete er jedoch sofort. „Versprochen, Bunny. Genieß deinen Urlaub, ok? Melde dich einfach, wenn du zwischendurch mal Zeit hast. Ich würde mich freuen.“

„Ok…“, stimmte sie zu.

„Ich liebe dich, Bunny.“, sagte er und das flaue Gefühl in Bunnys Magen ließ endlich wieder nach.

„Ich liebe dich auch.“, erwiderte sie.

 

Mit schwerem Herzen drehte sich Seiya um und ging zurück auf sein Zimmer. Er hatte Bunny nicht beim Telefonieren belauschen wollen und nach ihren letzten Worten wünschte er sich wirklich, er wäre nicht just in dem Moment vor Ort gewesen.

If you love somebody, set them free

Seufzend lehnte Seiya sich zurück. Das heiße Wasser war wirklich angenehm, aber er spürte jetzt schon, wie sich einzelne Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten. Trotzdem, so eine heiße Quelle unter freiem Himmel war schon nett.

„Es ist viel zu heiß.“, jammerte Yaten, der sich mit verschränkten Armen auf einen der großen Steine am Rand lehnte. Taiki hingegen sah tiefenentspannt aus.

„Ich wäre lieber mit den Mädchen in einem Bad gewesen.“, sagte Seiya, der das Geplätscher und die Stimmen der Mädchen aus dem Bad nebenan hören konnte. Die Bäder für Männer und Frauen wurden durch eine hohe Wand voneinander getrennt, sodass ja keiner hinüberschauen konnte.

Taiki und Yaten warfen ihm schiefe Blicke zu.

„Was?“, fragte Seiya, der sich von den beiden wortlos kritisiert fühlte. Vor dem Essen hatte er noch mitbekommen, dass Bunny mit Mamoru telefoniert hatte, und hatte ausgerechnet hören müssen, wie sie ihm sagte, dass sie ihn liebte. So ein Bad mit seinem Schätzchen würde ihm sicher helfen, sich von diesem Schlag zu erholen.
 

„Ich finde es ohne die Mädchen ehrlich gesagt auch mal ganz nett.“, erwiderte Taiki. „Zumindest ist es viel ruhiger.“ Er schloss seine Augen wieder und lehnte sich zurück.

„Zumindest ohne Bunny und Minako.“, fügte er hinzu.

„Hey!“, protestierten Seiya und Yaten gleichzeitig. Dass Seiya sein Schätzchen verteidigen würde, damit hatte Taiki bereits gerechnet, aber dass der Protest auch aus Yatens Munde kam? Anscheinend erstaunte das nicht nur ihn, denn auch Seiya warf dem jüngsten der drei einen erstaunten Blick zu. Yaten hingegen war rot angelaufen und drehte sich jetzt wieder von ihnen weg.

„Ich mein ja nur…“, murmelte er schmollend. „So schlimm sind die beiden auch wieder nicht.“

Seiya blickte kurz etwas verdutzt rein, bevor er Taiki ein wissendes Grinsen zuwarf, welches Taiki auch sogleich mit einem leichten Schmunzeln erwiderte.
 


 

Nebenan ging es tatsächlich wenig weniger ruhig zu. Minako erzählte den anderen grad haarklein, was am Strand zwischen ihr und Yaten passiert war, als er sie vor den beiden Surfertypen gerettet hatte. Ihre Beschreibungen fielen dabei sehr lebhaft aus und beim Gestikulieren spritzte immer wieder Wasser auf.

Während sie erzählte und besonders Rei und Makoto eifrig zuhörten, an den richtigen Stellen nickten, „oh“ oder „ah“ sagten, störte sie jedoch etwas. Ausgerechnet Bunny, die sie bei ihrem großem Auftritt in der ersten Reihe erwartet hatte, saß relativ geistesabwesend am Rand uns starrte vor sich hin.

„Ist was mit dir, Bunny?“, fragte sie, einerseits besorgt, aber andererseits auch ein wenig beleidigt, dass sie ihr anscheinend gar nicht richtig zugehört hatte. „Du bist so still.“

Bunny zuckte kurz zusammen, bevor sie aufsah. Sie war mit ihren Gedanken tatsächlich etwas abgedriftet.

„‘tschuldigung, Mina.“, entschuldigte sie sich. „Ich hab grad nachgedacht.“

Minako und Rei warfen ihr schiefe Blicke zu. Bunny hatte nachgedacht? Und das während Minako grad eine spannende Geschichte aus ihrem semi-vorhandenen Liebesleben erzählte?

„Ist was passiert?“, fragte Makoto, die sich bei Bunnys Tonfall Sorgen machte.

„Nein…“, zögerte Bunny. „Nicht wirklich zumindest.“

„Nicht wirklich?“, hakte Rei nach. „Was ist das denn für eine Antwort?“

„Ach, ich weiß auch nicht.“ Bunny biss sich leicht auf die Unterlippe, bevor sie fortfuhr. „Irgendwie läuft es grad nicht so gut mit Mamoru.“

Damit hatte sie die Aufmerksamkeit aller sicher. Auch Minako vergaß, dass sie ja eigentlich beleidigt gewesen war, weil Bunny ihr bei ihrer Erzählung nicht richtig zugehört hatte. Wenn bei Bunny und Mamoru irgendetwas nicht stimmte, dann war das auf jeden Fall wichtiger!

„Warum das denn?“, fragte Ami, die sich eigentlich nicht so gerne in den Klatsch der Mädchen einmischte. Doch wenn es ihrer Freundin schlecht ging, dann war sie selbstverständlich für sie da.

„Es…“, stotterte Bunny. „Es ist eigentlich nichts Bestimmtes. Aber irgendwie… ist die Stimmung zwischen uns im Moment einfach nicht so gut. Ich glaube, Mamoru findet es nicht so toll, dass Seiya wieder hier ist und ich so viel Zeit mit ihm verbringe. Er wirkt immer schlecht gelaunt, wenn ich Seiya erwähne, und ich habe immer das Gefühl, vorsichtig sein zu müssen, was ich sage.“

„Mamoru ist also eifersüchtig?“, hakte Minako nach.

„Ja, aber hat er denn einen Grund, eifersüchtig zu sein?“, fragte Makoto, die selbst gern wissen würde, was Bunny eigentlich für Seiya empfand.

„Natürlich nicht!“, protestierte Bunny sofort. „Seiya ist nur ein Freund! Wir haben nichts gemacht, was über das Verhalten zweier Freunde hinausgeht. Ich meine…“

Sie stockte kurz und wurde rot. „Vi… vielleicht wäre das anders, wenn ich Mamoru nicht hätte… aber… ihr wisst ja! Mamoru und ich sind füreinander bestimmt. Dass wissen wir alle! Ich weiß es, Mamoru weiß es und auch Seiya weiß es! Also gibt es absolut keinen Grund zur Sorge!“

Sie machte eine kurze Pause, in der sich der Rotton auf ihre Wangen noch etwas vertiefte.

„Wisst ihr, was ich meine?“, fragte sie schließlich schüchtern.

Kurz blieb es still, da keine ihrer Freundinnen auf dieses halbe Geständnis etwas zu sagen wagte. Rei machte schließlich als erste den Mund auf.

„Hast du Gefühle für Seiya?“, fragte sie ruhig. Bunnys Gesicht war mittlerweile hochrot.

„Ich…“, zögerte sie. „Ich mag ihn sehr. Aber ich liebe Mamoru.“

„Hast du ihm das gesagt?“, fragte Ami nun.

„Ich sag es ihm immer wieder.“, bejahte Bunny die Frage. „Wir haben schon so oft darüber geredet und ich habe ihm immer wieder gesagt, dass er der einzige für mich ist und dass Seiya nur ein Freund ist. Seiya weiß, dass ich Mamoru habe und das akzeptiert er auch!“

„Dann sollte Mamoru eigentlich keinen Grund haben, eifersüchtig zu sein.“, schloss Ami stirnrunzelnd.

„Sollte, hätte, könnte…“, entgegnete Minako. „Selbst so ein Mensch wie Mamoru kann nichts gegen seine Gefühle machen. Wahrscheinlich sagt er sich selbst immer wieder, dass er keinen Grund hat eifersüchtig zu sein und dass er dir vertrauen kann. Aber wenn die Freundin so oft etwas mit einem anderen Mann unternimmt, der auch noch offensichtlich Gefühle für sie hat, da wird er natürlich auch eifersüchtig!“

„Wahrscheinlich hast du Recht.“, stimmte Bunny geknickt zu.

„Natürlich habe ich Recht!“, erwiderte Minako sofort mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck.

„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Bunny.

„Da kannst du nicht viel machen.“, meinte Makoto. „Du willst doch die Freundschaft mit Seiya wohl kaum aufgeben, oder?“

„Nein.“, bestätigte Bunny. Nicht für eine Sekunde wäre ihr diese Möglichkeit in den Sinn gekommen.

„Du musst Mamoru einfach immer wieder zeigen, dass du ihn liebst und nicht Seiya. Vielleicht legt sich das alles ja mit der Zeit. So lange sind Three Lights ja nun auch noch nicht da und vielleicht braucht Mamoru nur etwas, um das alles zu akzeptieren und zu verarbeiten.“

„Ich hoffe es.“, murmelte Bunny. „Im Moment fühl ich mich nämlich nicht besonders wohl in der Beziehung.“

Ihre Freundinnen sahen sie mitleidig und verständnisvoll an.

„Ich habe immer das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, habe Angst, etwas Falsches zu sagen. Und überhaupt streiten wir uns auch viel öfter.“, fuhr sie fort.

„Worüber streitet ihr euch denn?“, fragte Rei, die sich das kaum vorstellen konnte.

„Ach… streiten ist vielleicht auch das falsche Wort.“, antwortete Bunny. „Aber erst neulich zum Beispiel… Könnt ihr euch an das Armband erinnern, dass er mir zum Geburtstag geschenkt hat?“

Die anderen nickten.

„Er hat gefragt, warum ich es nie trage. Ich habe ihm gesagt, dass ich Angst habe, es zu verlieren, wenn ich es immer trage, und dass ich es lieber zu besonderen Anlässen tragen möchte. Zufrieden schien er damit nicht zu sein und wir haben noch eine Weile darüber diskutiert. Und auch da kam wieder Seiyas Name ins Spiel. Er hat gefragt, ob ich es nicht tragen würde, um es nicht so vor Seiya zu zeigen, weil es ja ein Geschenk von Mamoru war.“

Minako sah Bunny mit offenem Mund an und auch die anderen waren erstaunt, dass Mamoru so einen Streit vom Zaun brechen würde.

„Weißt du…“, sagte Minako. „Ich habe mal gehört, dass Männer, die ihren Frauen Schmuck schenken, diese immer als ihren Besitz markieren. Eine Kette zum Beispiel ist wie ein Halsband und ein Armband ist wie Handschellen.“

„Handschellen?“, hakte Bunny verdutzt nach. Minako nickte bekräftigend.

„Genau! Und wenn ich mir das so anhöre, klingt das wirklich so, als würde Mamoru dich am liebsten irgendwo festketten. Dabei heißt es doch: Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, bist du toll.“

„Also eigentlich heißt es: Kommst es zurück, gehört es dir.“, warf Ami ein.

Minako lachte verlegen. „Ist doch egal!“

Bunny lächelte leicht. Mit ihren Freundinnen über alles zu reden, war wirklich gut.

„Mach dir nicht zu große Sorgen, Bunny.“, versuchte Makoto sie aufzumuntern. „Das wird alles wieder, bestimmt!“

„Das glaube ich aber auch.“, bestätigte Rei. „Immerhin seid ihr doch unser zukünftiges Königspaar!“

„Danke euch.“, sagte Bunny. „Ich hoffe auch, dass das alles wieder besser wird.“
 

Gut gelaunt setzte Bunny sich am nächsten Morgen an den Frühstückstisch. Ihre gedrückte Stimmung vom vorigen Abend war wieder verflogen und jetzt freute sie sich einfach nur auf einen weiteren schönen Urlaubstag. Sie wollten sich heute den Ort ansehen und natürlich wieder an den Strand!

„Guten Morgen!“, rief sie den Jungs entgegen, als diese nur wenige Minuten nach den Mädchen den Speiseraum betraten und sich zu ihnen setzten.

„Morgen, Schätzchen.“, erwiderte Seiya grinsend. Auch er hatte den Tiefschlag des gestrigen Tages überwunden, nachdem er am Abend noch einen Blick auf Bunny im Yukata hatte erhaschen können.

„Ich würde sagen, zuerst geht es in die Stadt!“, verkündete Minako sofort. Sie und die anderen Mädchen hatten schon einen Plan geschmiedet. Da Seiya am nächsten Tag Geburtstag haben würde und sie alle ihm auf Bunnys Vorschlag eine Fotowand schenken wollten, würden sie und Bunny sich von der Gruppe absetzen, die nötigen Materialien besorgen, die Fotos ausdrucken lassen und das Ganze dann schnell in der Jugendherberge zusammenbasteln. Rei, Makoto und Ami würden die Jungs, beziehungsweise Seiya, in der Zwischenzeit beschäftigen.

„Einverstanden.“, stimmte Rei sofort zu und auch die anderen Mädchen verkündeten verdächtig schnell ihre Zustimmung, und das mit verdächtig unschuldigen Gesichtern.

„Okay.“, sagte Seiya mit leicht skeptischen Blick. „Dann geht’s zuerst in die Stadt.“
 

Nur eine halbe Stunde später machte sich die achtköpfige Gruppe auf den Weg. Bunny und Minako hielten dabei alle etwas auf, da sie immer abwechselnd Bunnys Digitalkamera in den Händen hielten und alle fotografierten. Einmal hielten sie sogar an und fragten einen Passanten, ob er ein Foto von der ganzen Gruppe machen könne.

„Hey Bunny.“, sprach Yaten sie nach einer Weile an.

„Ja?“

„Ich meine… wir freuen uns ja, dass dir unser Geschenk so gefällt, aber… meinst du nicht, dass du ein bisschen viel fotografierst?“ Sein Blick wanderte dabei auch zu Minako rüber. Bunny und Minako jedoch grinsten nur.

„Das hat so schon seine Richtigkeit.“, antwortete Bunny, bevor sie sich verschwörerisch zu Yaten neigte und hinter vorgehaltener Hand flüsterte. „Das hat was mit morgen zu tun.“

„Morgen?“, fragte Yaten ratlos. Er hatte keine Ahnung, was los war.

Bunny zeigte unauffällig auf Seiya. „Na, der Geburtstag.“

„Achso!“ Jetzt verstand Yaten auch, wovon sie redete.

Minako hakte sich direkt bei Yaten unter und riss ihn so herum, dass sie beide jetzt vor Bunny standen, die die Kamera zurzeit in den Händen hielt.

„Mach mal ein Foto von uns!“, verlangte sie und schon hob Bunny die Kamera und drückte den Auslöser, sodass Yaten gar keine Zeit hatte, sich vernünftig hinzustellen.

„Mach noch eins.“, verlangte dieses mal er, nachdem Bunny die Hände wieder gesenkt hatte. Minako und Bunny guckten verdutzt. Minako wurde leicht rot, machte es dann jedoch Yaten nach und posierte erneut für die Kamera, die Bunny prompt wieder hob, um ein weiteres Foto zu schießen.

„Schon besser.“, sagte Yaten zufrieden, löste sich aus Minakos halbherziger Umklammerung und ging weiter. Einen kurzen Augenblick sahen die beiden Freundinnen sich erstaunt an, bevor sie beide breit grinsten. Minako, weil Yaten offensichtlich Wert darauf legte, ein vernünftiges Foto mit ihr zu haben, und Bunny, weil sie sich für ihre Freundin freute.
 

Als sie schließlich durch die Stadt bummelten, hielten die beiden Blondinen Ausschau nach einem Fotoladen sowie nach einer Möglichkeit, sich unauffällig von den anderen abzusetzen. Jedoch stellte sich letzteres als gar nicht so einfach heraus, da Seiya sich die meiste Zeit in Bunnys Nähe aufhielt.

„Hey!“, rief Rei plötzlich und blieb vor einem großen Plakat stehen. „Guckt euch das mal an.“

„Was denn?“, fragte Makoto neugierig und gesellte sich zu ihr.

„500-Jahr-Feier.“, las Ami vor.

„Ein Sommerfest!“, rief Minako begeistert aus, als auch sie das Plakat betrachtete. Sofort drängte Bunny sich neben sie.

„Und es gibt ganz viel zu essen!“, schwärmte sie, als sie die ganzen Stände, die auf dem Plakat abgebildet waren, sah.

„19 Uhr: Taiko-Vorstellung. 20 Uhr: Feuerwerk-Show.“, las Ami weiter.

„Wann denn?“, fragte Seiya, den das Ganze auch neugierig machte. Auf so einer Veranstaltung war er noch nie gewesen.

„Morgen!“, antwortete Rei begeistert.

„An einem Montag?“, hakte Taiki skeptisch nach. Seines Wissens nach fanden solche Veranstaltungen eher an einem Wochenende statt.

„Hier steht, dass der Grundstein für diese Stadt am 30. Juli vor genau 500 Jahren gelegt worden ist. Und dieses Jahr ist der 30. nun mal ein Montag.“, erklärte Ami.

„Trifft sich doch super!“ Minako war aus ihrer Begeisterung gar nicht mehr herauszubekommen. „Dann können wir Seiyas Geburtstag auf dem Sommerfest feiern. Und es gibt sogar ein Feuerwerk!“

Seiya grinste leicht. „Klingt gut.“, stimmte er zu. Das würde sicher ein ganz besonderer Geburtstag für ihn werden.
 

Nachdem sie noch eine ganze Weile durch die Stadt gelaufen waren, ohne dass sich die Gelegenheit für Bunny und Minako ergeben hat, sich von der Gruppe abzusetzen, wandte sich Minako schließlich an Yaten.

„Hey, Yaten.“, sprach sie ihn leise an und zog ihn leicht zur Seite.

„Hm?“, machte er leicht verwirrt.

„Bunny und ich wollen Seiyas Geschenk vorbereiten. Dafür müssen wir uns eine Weile von euch verabschieden, aber Seiya weicht keinen Moment von Bunnys Seite.“, fing sie an zu erzählen. „Kannst du ihn bitte irgendwie ablenken?“

„Warum sagt ihr nicht einfach, dass ihr kurz weg wollt?“, fragte Yaten, der eigentlich keine Lust darauf hatte.

„Na, dann fragt er doch bestimmt, was wir vorhaben. Aber er soll doch nichts davon wissen!“, erklärte sie. „Biiiittee!“

Yaten seufzte. „Na schön.“
 

Nur wenig später zog er Seiya mit sich in ein Sportgeschäft. Obwohl Seiya etwas erstaunt über Yatens plötzliches Interesse für Sportausrüstung war, ging er mit ihm hinein. Die Mädchen erklärten höflich, dass sie lieber draußen warten würden.

Endlich konnten Bunny und Minako die Chance ergreifen und sich von den anderen verabschieden, ohne dass sie Seiya etwas erklären mussten.

Als Seiya und Yaten das Geschäft wieder verlassen hatten, Yaten mit einer Tüte und einem genervten Blick ausgestattet, fiel Seiya natürlich sofort das Fehlen seines Schätzchens auf.

„Wo sind denn Bunny und Minako?“, fragte er die anderen.

„Äh, die wollten sich in einem Geschäft, an dem wir vorbeigekommen sind, etwas angucken.“, antwortete Rei. „Aber wir sollen ruhig schon mal weitergehen.“

So richtig überzeugt war Seiya nicht davon, dass sie wirklich weitergehen sollten, jedoch drängten ihn die anderen so sehr, dass er schließlich gar nichts dagegen sagen konnte.
 

Bunny und Minako saßen etwa eine Stunde später wieder in ihrem Zimmer in der Herberge und hielten mehrere Hochglanzabzüge ihrer Fotos in den Händen, die sie auf einem schwarzen Karton anordneten.

„Die Fotos sind einfach klasse!“, sagte Minako enthusiastisch, während sie das Foto von Yaten und sich selbst in der Hand hielt.

„Find ich auch.“, bestätigte Bunny. „Seiya wird sich bestimmt freuen.“

Davon war sie wirklich überzeugt. Es gab wirklich viele schöne Fotos und Minako hatte sogar ein paar Fotos mitgebracht, die sie während des ersten Aufenthalts der Three Lights auf der Erde geschossen hatte.
 

Erst am späten Nachmittag fand die Gruppe wieder zusammen, als sie sich am Strand trafen.

„Schätzchen!“, rief Seiya, als Bunny ihm entgegen kam. „Wo wart ihr denn? Ich hab mir Sorgen gemacht!“

„Sorry.“, sagte Bunny und lachte verlegen. „Wir haben uns irgendwie verlaufen und sind dann irgendwann einfach zurück zur Herberge gegangen.“

„Verlaufen?“, fragte Seiya skeptisch. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sich heute alle sehr merkwürdig benahmen.

„Ja.“, bestätigte Bunny.

„Hm…“, machte Seiya immer noch sehr skeptisch.

„Ach komm schon, Seiya.“, warf Yaten nun ein, der auch nicht wollte, dass der Plan der Mädchen letztendlich für die Katz gewesen war. „Glaubst du wirklich nicht, dass DIE beiden sich in einer fremden Stadt verlaufen können?“

„Die können sich doch sogar in ihrer eigenen Nachbarschaft verlaufen.“, sprang Rei gleich drauf an und hatte dabei auch noch ziemlich Spaß, wie ihr Grinsen zeigte.

„Hey!“, protestierten Minako und Bunny wie aus einem Munde. Seiya lachte.

„Naja, ich gebe zu, dass das wohl wirklich nicht so unwahrscheinlich ist.“ Er lehnte sich etwas zu Bunny und fuhr etwas leiser fort: „Aber lauf nicht nochmal von mir weg, Schätzchen, ja?“

Er zwinkerte ihr leicht zu und Bunny merkte, wie sie rot wurde. Nein, nochmal hatte sie eigentlich nicht vor, von ihm wegzulaufen. Zumindest nicht während dieses Urlaubs.

With the fire from the fireworks up above me

Nach einem weiteren herrlichen Tag am Strand war der Abend schneller gekommen als gedacht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Uhr Mitternacht schlug.

„Kommst du, Seiya?“, rief Yaten ungeduldig. Er und Taiki waren in den Plan der Mädchen eingeweiht worden und sollten nun Seiya dazu bewegen, mit ihnen zu kommen.

„Warum müssen wir denn nochmal raus?“, fragte Seiya grummelig und streifte sich seine Schuhe über. Es war schon so spät und eigentlich hatte er sich darauf eingestellt, es sich nur noch gemütlich zu machen und dann irgendwann zu schlafen.

„Stell nicht so viele Fragen.“, gab Yaten eine nicht gerade zufriedenstellende Antwort. Seiya seufzte und folgte seinen Brüdern schließlich aus dem Zimmer. Er steckte die rechte Hand in die Hosentasche und spielte mit einer kleinen Muschelschale, die er heute mit Bunny zusammen am Strand aufgesammelt hatte. Unwillkürlich musste er lächeln, als er an ihre kindliche Freude beim Muschelsammeln dachte.

Nach einer Weile sah Taiki auf die Uhr. 23: 57 Uhr. Er gab Yaten ein Zeichen und nach ein paar weiteren Schritten blieben sie stehen.

Verwundert sah Seiya sich um.

„Was wollen wir denn hier?“, fragte er. Sie waren am Strand, aber es war stockduster und er sah absolut keinen Grund, warum sie hier sein sollten. Ein paar Meter von ihnen konnte er eine große Sandburg ausmachen, die wohl einige Kinder tagsüber gebaut hatten, doch abgesehen davon, war alles leer.

„Das siehst du gleich.“, antwortete Taiki amüsiert. Erneut warf er einen Blick auf die Uhr. Gleich würde es so weit sein.

Es vergingen einige Sekunden, die Seiya wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, als er plötzlich in ein paar Metern Entfernung, um genauer zu sein direkt bei der vermeintlichen Sandburg, ein Leuchten wahrnahm. Langsam bekam er ein klareres Bild, von dem, was dort vor sich ging. Er konnte Ami und Makoto sehen, die Taschenlampen auf das Sandgebilde richteten und nun kamen auch Bunny, Minako und Rei zum Vorschein, die jeweils jeder Hand eine Wunderkerze hielten. Auf dem großen Gebilde aus Sand stand in großen Lettern „HAPPY BIRTHDAY!“

„Alles Gute zum Geburtstag, Seiya.“, sagten die Mädchen im Unisono. Seiya machte große Augen und wusste gar nicht so recht, was er sagen sollte. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

Yaten kicherte leicht bei Seiyas verdutztem Gesicht.

„Alles Gute, Alter.“, sagte er und klopfte seine, Bruder auf die Schulter.

„Alles Gute.“, sagte auch Taiki und grinste Seiya vergnügt an.

„D-danke.“, erwiderte Seiya.

„Komm schon!“, forderte Yaten nun und brachte Seiya, der regungslos auf die Überraschung der Mädchen gestarrt hatte, dazu, sich endlich in Bewegung zu setzen und zu den Mädchen rüber zu gehen.

Bunny machte als erste ein paar Schritte auf ihn zu, nachdem sie die ausgebrannten Wunderkerzen beiseitegelegt hatte, und umarmte ihn.

„Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Seiya.“, sagte sie leise. Seiya legte auch die Arme um sie und zog sie fest an sich.

„Danke dir, Schätzchen.“, sagte er und genoss den kurzen Moment, in dem er sie so nah bei sich haben konnte und ihren einzigartigen süßen Duft einatmen konnte. Viel zu schnell lösten sie sich wieder voneinander und nachdem sie ihm noch eines ihrer umwerfenden Lächeln geschenkt hatte, nahm er auch die Glückwünsche der anderen Mädchen entgegen.
 

Seiya musste feststellen, dass die Mädchen sich ganz schön viel Mühe gegeben hatten und einiges vorbereitet hatten. Sie hatten eine Picknickdecke ausgebreitet, einige Kerzen in den Sand gesteckt, die sie nun anzündeten und die ihnen etwas Licht spendeten, und es gab sogar einen Geburtstagskuchen und einige Getränke. Makoto zündete die Kerzen auf dem Kuchen an und nur kurz später sahen alle erwartungsvoll auf Seiya.

„Du musst die Kerzen auspusten und dir etwas wünschen.“, forderte Bunny aufgeregt.

„Es sind genau 18 Kerzen!“, warf Minako genau so aufgeregt ein.

Seiya wusste kaum, wie ihm geschah. Er war es nicht gewohnt, dass so viel Aufhebens um seine Person gemacht wurde. Klar, wenn er der Popstar Seiya Kou war, wurde er immer anders behandelt, aber doch nicht von seinen Freunden.

„Ich danke euch.“, sagte er ehrlich berührt und sah in die fröhlichen Gesichter seiner Freunde, nicht zuletzt in das seines Schätzchens.

„Nun mach schon.“, drängte diese ihn. Er lächelte kurz und beugte sich dann zu dem Kuchen hinunter, der in der Mitte der Picknickdecke stand. Kurz zögerte er, während er über den Wunsch nachdachte, doch dann blies er die Kerzen in einem Schwung aus. Die anderen klatschten vergnügt,

„Was hast du dir gewünscht?“, fragte Rei neugierig.

„Das ist ein Geheimnis.“, antwortete Seiya zwinkernd. Niemals würde er verraten, was er sich gewünscht hatte. Nicht, weil er Angst hatte, dass der Wunsch dann nicht in Erfüllung gehen würde, das würde er sowieso nicht… Nein, er konnte es nicht sagen, weil er damit womöglich seine Freundschaft zu Bunny gefährden könnte. Ein guter Freund sollte sich nicht wünschen, dass sie ihren jetzigen Freund für ihn verlassen würde. Denn darauf lief sein Wunsch letztendlich hinaus.
 

„Wer möchte ein Stück Kuchen?“, fragte Makoto und packte ein großes Messer aus, um den Kuchen zu zerteilen.

„Erst die Geschenke!“, forderte Minako.

„Geschenke?“, fragte Seiya. War das alles nicht schon ein Geschenk? Jetzt sollte er noch mehr bekommen?

„Na klar!“, antwortete Minako. „Denkst du, wir hätten kein Geschenk für dich vorbereitet?“

Und tatsächlich holten Bunny und Ami zusammen ein ziemlich großes flaches Geschenk hervor. Er fragte sich, wie er das bisher hatte übersehen können. Sie stellten es aufrecht vor ihm hin und hielten es fest.

„Das ist von uns Mädchen.“, sagte Bunny aufgeregt. Sie hoffte inständig, dass ihm das Geschenk auch wirklich gefallen würde.

Während Ami und Rei die Taschenlampen hielten, sodass er auch etwas sehen konnte, entfernte er vorsichtig und mit Bunnys Hilfe so, dass das Geschenk nicht umkippte, das Geschenkpapier. Zum Vorschein kam ein großer Bilderrahmen, in dem auf schwarzen Karton etliche Fotos von ihm selbst und den anderen geklebt waren.

Er sah einige Bilder von Bunnys Geburtstag und auch viele, die erst hier während des Urlaubs geschossen worden waren. Einige waren auch aus der Zeit, als sie zum ersten Mal auf der Erde gewesen waren. Besonders stach ihm ein Bild ins Auge, auf dem nur er und Bunny zu sehen waren. Es stammte von ihrem Geburtstag. Er hatte einen Arm um sie gelegt und machte ein Victory-Zeichen und sie beide lächelten in die Kamera. Es war wirklich ein schönes Bild.
 

Es waren bereits einige Sekunden vergangen, seitdem Seiya das Geschenk ausgepackt hatte und es betrachtete. Er hatte noch kein Wort gesagt und so langsam wurde Bunny unruhig.

„Und?“, fragte sie erwartungsvoll. „Gefällt es dir?“

Damit schien sie Seiya aus seiner Starre zu reißen. Er lächelte sie an und richtete sich leicht auf.

„Es ist toll!“, sagte er und umarmte sie erneut, den großen Bilderrahmen zwischen ihnen. „Vielen Dank!“

Brav bedankte er sich auch bei den anderen Mädchen und nahm dann noch die Geschenkte von Yaten und Taiki entgegen: ein Taschenmesser von Yaten und einiges Zubehör für seine E-Gitarre von Taiki – Spezialanfertigungen.

Sie saßen noch eine Weile am Strand und genossen den Geburtstagskuchen, die Getränke und die letzten Wunderkerzen, die noch in der Packung gewesen waren.
 

„Du Seiya?“, sprach Bunny ihn an, als sie wieder auf dem Weg zurück zur Herberge waren und sie ihm half, das Geschenk zu tragen.

„Ja?“, antwortete und lächelte sie automatisch an.

„Gefällt dir das Geschenk wirklich?“, fragte sie etwas verlegen. Er zog eine Augenbraue hoch.

„Natürlich! Warum fragst du?“

„Naja…“ Sie druckste ein wenig herum. „Es ist halt nicht so ein teures Geschenk wie das Handy, das du mir geschenkt hast.“

„Schätzchen!“, sagte Seiya entsetzt über ihre Gedanken. „Ich hab doch gesagt, dass es toll ist! Und das war ehrlich gemeint. Es ist doch egal, wie viel es kostet. Es kommt doch auf die Gedanken und Gefühle an, die dahinter stecken. Außerdem ist es etwas Persönliches und es stecken viele schöne Erinnerungen dahinter. Es ist besser als jedes Geschenk, das man mit Geld kaufen kann.“

Er schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln und automatisch musste auch sie lächeln, wobei sie nicht verhindern konnte, dass sich ihre Wangen leicht rot färbten.

„Ich bin wirklich froh, dass es dir gefällt.“, sagte sie.
 

Als sie endlich die Herberge erreichten und ins Bett gingen, war es bereits zwei Uhr morgens. Dementsprechend lange schliefen sie am nächsten Tag. Auf Seiyas Wunsch hin verbrachten sie den Tag ganz normal am Strand. Sie würden schon am frühen Abend auf das Sommerfest gehen, für das sie am vorigen Tag das Plakat gesehen hatten. Das war schon mehr als genug für Seiya, der es nicht gewohnt war, seinen Geburtstag überhaupt zu feiern.

In der Stadt liehen sie sich Yukatas, um der Stimmung des Festes auch gerecht zu werden. Jeder suchte sich seine Lieblingsfarbe heraus und schon bald begaben sie sich zusammen auf das Fest.

Immer wieder schielte Seiya zu Bunny herüber, die in ihrem blassrosa Yukata mit pinkfarbenem Kirchblütenmuster einfach zu süß aussah. Auch ihre Haare waren mit rosa Haarklammern mit Perlen verziert.

„Du siehst echt süß aus, Schätzchen.“, sagte er leise zu ihr, indem er sich leicht zur ihr beugte. Ihre Wangen färbten sich rot, aber ein Lächeln erschien auf ihren Lippen.

„Danke Seiya.“, sagte sie und sah ihn an. „Du siehst auch sehr gut aus.“

Das tat er wirklich. Der schwarze Yukata mit den roten Verzierungen stand ihm ausgezeichnet und sein tiefschwarzes Haar und seine blauen Augen unterstrichen das Ganze nur noch. Er grinste. Schnell sah Bunny weg. Dieses strahlende Grinsen machte ihn nur noch attraktiver.
 

Zusammen klapperte die Gruppe die verschiedenen Stände ab, spielten die kleinen Spiele, die angeboten wurden, aßen Takoyaki, Yakitori und andere Köstlichkeiten und genossen so den letzten Tag, der ihnen noch von ihrem Urlaub blieb.

Um 19:30 Uhr sollte es die große Taiko-Vorstellung geben. Um sich gute Plätze zu sichern, machten sie sich frühzeitig auf den Weg. Die Menge der Besucher wurde immer dichter und es wurde schwierig sich in einer so großen Gruppe fortzubewegen und zusammenzubleiben.

„Falls wir uns verlieren, treffen wir uns nachher bei den Turm da vorne wieder, ok?“, sagte Ami laut und zeigte auf den rechten von zwei Türmen, auf denen große Scheinwerfer angebracht waren.

„Einverstanden.“, sagte Minako und auch die anderen stimmten zu. Sie versuchten weiterhin, sich durch die Menschenmassen zu kämpfen.
 

„Oh.“ Bunny spürte plötzlich, wie ihr Yukata irgendwo festhing. Sie drehte sich um und sah, dass der Stoff ganz unten an der Schnalle des Stiefels eines jungen Mannes hängengeblieben war. Der Mann war ebenfalls stehengeblieben.

„Entschuldigung.“, sagte der junge Mann und lächelte entschuldigend.

„Schon gut.“, sagte Bunny freundlich, während er sich hinhockte und versuchte, den Stoff auf der Schnalle zu friemeln. Nach einigen Sekunden hatte er es geschafft. Er erhob sich wieder und sah sich kurz um.

„Bist du etwa alleine hier?“, fragte er.

„Nein, ich bin mit meinen Freunden hier.“, antwortete sie und drehte sich um, um sie ihm zu zeigen. Jedoch war keiner ihrer Freunde mehr zu sehen. Sie hatten wohl nicht bemerkt, dass sie stehengeblieben war.

„Wo sind sie denn?“, fragte sie und sah sich um. Nicht einmal Taiki, den größten von ihnen, konnte sie sehen.

„Sieht so aus, als wären sie weitergegangen“, sagte der junge Mann. „Tut mir leid. Das ist meine Schuld.“

Bunny hob abwehrend ihre Hände.

„Nein, nein. Das ist schon ok. Ich werde sie schon wiederfinden.“, sagte sie. „Auf Wiedersehen.“

Sie drehte sich um und wollte gerade gehen, da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.

„Warte.“, sagte der Mann. „Es ist gefährlich hier so alleine. Ich helfe dir, sie zu suchen.“

„Ähm…“, machte Bunny etwas verunsichert.

„Keine Wiederrede.“, sagte er und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Immerhin bin ich dafür verantwortlich.“

„Na gut…“, gab sie zögerlich nach. Er sah wirklich nicht so aus, als hätte er etwas Böses im Sinn und es waren ja auch sehr viele Menschen hier.

Gemeinsam setzten sich in Bewegung und gingen in die Richtung, in die Bunny zuvor mit den anderen unterwegs gewesen war. Doch auch als die ersten Klänge der Taiko-Trommeln ertönten, hatten sie von Bunnys Freunden immer noch keine Spur gefunden. Dafür kamen jetzt zwei weitere junge Männer auf sie zu.

„Hey Ryuuya.“, sagte einer von ihnen. „Wo warst du denn?“

„Wer ist das denn?“, fragte der andere und musterte Bunny interessiert.

„Tja, wir sind irgendwie aneinander hängen geblieben.“, erklärte Ryuuya. „Und sie hat ihre Freunde aus den Augen verloren.“

„Verstehe.“, sagte einer der beiden und grinste Bunny an, die unsicher zurücklächelte.

„Komm mit, von da hinten haben wir einen besseren Blick über den Platz.“, sagte er und zeigte auf einen abgelegeneren Teil des Festplatzes.

„Äh…“, zögerte Bunny, die sich langsam unwohl fühlte. „Ich glaube nicht, dass…“

„Komm schon.“, sagte jetzt der andere. „Wir wollen dir nur helfen.“

Der erste griff nun nach ihrem Handgelenk, um sie mit sich zu führen. Im gleichen Moment legte sich jedoch eine Hand auf seine Schulter.

„Sie gehört zu mir.“, hörte Bunny und erkannte sofort Seiyas Stimme. Erleichterung machte sich in ihr breit.

„Seiya!“, rief sie aus. Der Mann ließ ihr Handgelenk los.

„Schön, dann hat sich das ja erledigt.“, sagte er mit einem unschuldigen Lächeln.

„Sei beim nächsten Mal etwas vorsichtiger.“, fügte der andere hinzu.

„Entschuldigung nochmal.“, sagte Ryuuya noch schnell, der sich die letzten Sekunden eher ruhig verhalten hatte.

Schützend legte Seiya den Arm um Bunny und schaute den jungen Männern grimmig hinterher.
 

„Wo warst du denn?“, fragte er dann. Bunny erklärte, was passiert war und wie sie versucht hatte, ihn und die anderen wiederzufinden. Seiya seufzte.

„Und ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du nicht noch einmal von mir weglaufen sollst.“, sagte er und lächelte schief. „Ich hab mir echt Sorgen um dich gemacht, Schätzchen.“

„Tut mir leid.“, antwortete Bunny verlegen.

„Ist ja nicht deine Schuld.“, erwiderte er. „Jetzt müssen wir nur noch die anderen wiederfinden.“

Er warf einen Blick zu dem Scheinwerferturm, an dem sie sich treffen wollten, falls sie sich verlieren. Das Licht war auf die Taikos gerichtet. Das dumpfe Geräusch der Trommeln erfüllte den Festplatz, bis die letzten Töne erklangen und die Scheinwerfer plötzlich erloschen.

„Ist es schon vorbei?“, fragte Bunny enttäuscht. Eigentlich hätte die sie Taiko-Spieler gerne gesehen.

„Ich befürchte schon.“, bestätigte Seiya. „Du warst ganz schön lange verschwunden.“

Sie hatten sich noch nicht von der Stelle bewegt und Seiya hatte immer noch den Arm um sie gelegt. Als ihm das bewusst wurde, färbten sich seine Wangen leicht rot und sein Herzschlag beschleunigte sich, doch nahm er den Arm nicht von ihrer Schulter. So eine Situation musste er schließlich so lange wie möglich auskosten.

Bevor sie sich entschließen konnten, sich auf die Suche nach den anderen zu begeben, ertönte plötzlich ein Zischen und die ersten Lichter des angekündigten Feuerwerks breiteten sich im Himmel aus.

So wie alle anderen richteten auch Bunny und Seiya ihre Blicke gen Himmel.

„Wow!“, staunte Bunny und ein kindlicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht, der pure Freude zeigte.

Seiya wendete seinen Blick vom Feuerwerk zu ihr und musste unwillkürlich lächeln, als er ihr freudiges Gesicht sah. Er fühlte sich in diesem Moment einfach unendlich glücklich. Er hatte Geburtstag und den verbrachte er mit dem wundervollsten Mädchen der Welt. Sie standen hier, er hatte den Arm um sie gelegt, und sahen sich ein Feuerwerk an. Und obwohl er schon beinahe ein schlechtes Gewissen deshalb hatte, freute er sich, dass die anderen grad nicht in der Nähe waren.

Wieder einmal gab es nur eine einzige Sache, die diesen Moment noch schöner, noch perfekter machen würde. Er zog sie ein wenig näher zu sich heran, weshalb sie den Blick ebenfalls vom Feuerwerk abwendete und ihn ansah.

Als ihre Augen auf seine trafen, schaltete sich sein Gehirn ab und das, was ihn sonst davon abgehalten hatte, diesen Schritt zu wagen, war in diesem Augenblick nicht vorhanden. Er spürte nur noch das kräftigte Schlagen seines Herzens in seiner Brust. Die Lauten Geräusche des Feuerwerks und die Menschenmassen um sie herum hatte er vollkommen ausgeblendet. Das einzige, was er sah, war das wunderschöne Mädchen, das er fest an sich gedrückt hatte. Langsam beugte er sich zu ihr herunter. Er schloss seine Augen und legte seine Lippen auf ihre.

I got a chaos hand and it's pointing right at you

Bunnys Augen waren weit aufgerissen. Es dauerte einige Momente, bevor sie verstand, was gerade passierte. Ihr Herz raste, als ihr klar wurde, dass Seiya sie gerade küsste. Sie konnte seine Lippen auf ihren spüren, seine Arme um ihre Schultern. Sie war unfähig, sich zu bewegen und für einen Moment flatterten ihre Augenlider.
 

Plötzlich schaltete sich Seiyas Verstand wieder ein. Ruckartig entfernte er sich von ihr und sah sie schockiert an. Er schlug seine Hand über den Mund und sah in Bunnys aufgerissene Augen. Er sah, wie sie ihre Hand langsam über ihre Lippen legte, ohne den Blick von ihm zu wenden.

„Schä… ich… ich“, begann er zu stottern. „Es tut mir leid! Ich… ich wollte nicht…“

Er brach mitten im Satz ab und sah verzweifelt in Bunnys schockiertes Gesicht. Was hatte er nur getan? Wieso hatte er es getan? Er hatte sich doch so fest vorgenommen, diese Freundschaft, die er mit ihr teilte, nicht zu zerstören. Er hatte sich damit zufriedengeben wollen, sie nur glücklich sehen wollen. Und doch hatte er so etwas getan, ohne darüber nachzudenken.

„Bunny…“, sagte er von einer unbestimmten Angst gepackt, als sie sich nicht rührte, nicht auf ihn reagierte und ihn einfach nur anstarrte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Langsam rührte sie sich.

„Ich…“, begann sie leise.
 

„Hey Bunny! Seiya!“, hörten sie Minakos Stimme. Sie drehten sich beide um und erblickten die anderen, allen voran Minako, die ihnen winkte.

„Da seid ihr ja!“, sagte sie, als sie die beiden erreicht und sich bei Bunny eingehakt hatte. „Wir haben euch schon gesucht.“

Als weder Bunny noch Seiya antworteten, sah Minako zwischen den beiden hin und her.

„Ist was passiert?“, fragte sie neugierig und legte den Kopf leicht schief.

„Nein.“, sagte Bunny sofort, wobei sie jedoch rot anlief. Misstrauisch blickte Minako von Bunny zu Seiya, der jedoch schnell zur Seite sah und verlegen die Hand in den Nacken legte, wobei er nicht minder rot war.

Minakos Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie witterte ein Geheimnis.
 

„Warum bist du nicht zu unserem Treffpunkt gekommen, du doofe Nuss?“, sprach Rei Bunny an, als sie sich endlich zu ihnen durchgedrängelt hatte. Es gab einfach viel zu viele Menschen hier und es war viel zu laut.

„Ähm… Treffpunkt?“, fragte Bunny, die noch nicht wieder klar denken konnte. Rei zog ihre Augenbrauen zusammen und sah Bunny böse an.

„Hörst du eigentlich nie zu?“ Entnervt verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. „Wir haben uns doch extra auf einen Treffpunkt geeinigt, falls wir getrennt werden. Nur du hast das anscheinend mal wieder nicht in deinen Schädel hineinbekommen.“

„Tut mir leid…“, sagte Bunny geknickt. Verwundert sah Rei auf. Bunny entschuldigte sich bei ihr, nachdem sie so etwas gesagt hatte? Für einen kurzen Augenblick war sie tatsächlich sprachlos.

„Ähm… alles ok, Bunny?“, fragte sie vorsichtig, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Einen Moment nahm sie einen Ausdruck in ihren Augen wahr, den sie sich nicht erklären konnte, bevor Bunny auflachte.

„Natürlich ist alles in Ordnung. Ich hab mich nur verlaufen.“

Rei runzelte die Stirn und tauschte misstrauische Blicke mit Minako aus. Irgendetwas stimmte nicht.
 

Bald nachdem das Feuerwerk vorbei war, machte sich die Gruppe auf den Weg zurück zur Herberge. Minako und Rei hatten dabei durchgehend ein Auge auf Bunny und Seiya, die beide verdächtig still waren und auffallend Abstand voneinander hielten.
 

Bunny konnte sich so gar nicht auf das konzentrieren, was um sie herum passierte. Sie bekam die Gespräche der anderen kaum mit und wäre mehrere Male beinahe erneut von den anderen getrennt worden, wenn Minako oder Rei sie nicht immer wieder mitgezogen hätten.

Ihre Gedanken drehten sich einzig und allein um diesen Kuss, den sie mit Seiya geteilt hatte. Warum hatte er sie geküsst? Ja, sie wusste, dass er Gefühle für sie hatte. Aber das war bisher eigentlich immer nur theoretisches Wissen gewesen. Sie hatte es sich nie so wirklich bewusst gemacht. Sie hatte nie darüber nachgedacht, dass Seiya eventuell so etwas mit ihr machen wollen würde. Sie küssen, in den Arm nehmen… oder mehr.

Bei dem Gedanken glühten ihre Wangen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Seiya sah ehrlich schockiert aus, nachdem ihm bewusst geworden war, was er gerade getan hatte. Und er hatte sich auch bei ihr entschuldigt. Nur hatte sie keine Reaktion darauf zeigen können. Sie war selbst in einer Art Schockzustand und dann kamen auf einmal die anderen dazu. Sie hätte unmöglich etwas dazu sagen können.

Und nun? Nun war es den ganzen Abend schon komisch zwischen ihr und Seiya gewesen. Sie konnte ihn nicht ansehen und sie hatte das Gefühl, dass es ihm ähnlich ging. Normalerweise hätten sie auch den ganzen Rest des Abends zusammen verbracht, zusammen gelacht, Spaß gehabt… Aber so waren sie beide eher still gewesen und hatten sich bemüht, dem anderen aus dem Weg zu gehen.

Sie seufzte. Warum machte sie sich nur so verrückt? Sie wollte nicht, dass sich zwischen ihr und Seiya etwas änderte, es sollte nicht komisch zwischen ihnen werden. Und sie war sich sicher, dass er es auch nicht wollte. Und dennoch konnte sie sich irgendwie nicht dazu überwinden, auf ihn zuzugehen und mit ihm so zu reden, wie sie es immer getan hatte. Allein bei dem Gedanken fing ihr Herz an, schneller zu schlagen.

Außerdem machte sie sich Vorwürfe. Immerhin hatte sie einen Freund. Einen Freund, der jetzt gerade etwa 200 km von ihr entfernt war und sich vermutlich Gedanken um sie machte. Einen Freund, der sie liebte, und den sie auch liebte. Aber warum hatte sie es überhaupt zugelassen, dass Seiya sie küsste? Sie hatte sich nicht dagegen gewehrt und bevor er sich schlagartig von ihr zurückgezogen hatte, hätte sie beinahe ihre Augen geschlossen, sich womöglich auf diesen Kuss eingelassen. Warum? Warum hatte ihr Herz so schnell geklopft und warum hatte sie Bauchkribbeln gehabt? Warum war ihr die sanfte Berührung von Seiyas Lippen auf ihren nicht unangenehm gewesen? In ihrem Kopf herrschte absolutes Chaos.
 

Nachdem sie wieder auf ihrem Zimmer waren, schmiss sich Seiya sofort auf seinen Futon und legte einen Arm über seine Augen. Taiki und Yaten sahen sich verwundert an.

„Stimmt was nicht mit dir?“, fragte Taiki. Seiya gab jedoch keine Antwort.

„Hat dir dein Geburtstag etwa nicht gefallen?“, versuchte Yaten ihn zum Reden zu bringen. Seiya schob seinen Arm ein bisschen höher, um seine Brüder anzusehen. Er zögerte einige Sekunden, bevor er etwas sagte.

„Ich hab etwas Dummes gemacht.“, brachte er heraus. Taiki und Yaten sahen ihn fragend an und setzten sich dann zu ihm.

„Was hast du gemacht?“, fragte Taiki. Wieder dauerte es eine Weile, bevor er antwortete.

„Bunny…“, sagte er gequält. „Ich hab… sie geküsst.“

Überrascht sahen seine Brüder ihn an und Yatens Mund öffnete sich leicht.

„Alter!“, brachte er schließlich heraus. „Du hast sie geküsst?“

Seiya nickte stumm.

„Wann? Wo? Warum?“, quetschte Yaten ihn aus. Seiya richtete sich leicht auf, sodass er seine Arme auf seinen leicht angewinkelten Knien abstützen konnte. Er starrte auf ein kleines Muttermal auf seinen linken Arm.

„Als wir vorübergehend getrennt waren während des Feuerwerks.“, sagte er schließlich leise und sah dabei ziemlich geknickt aus. „Ich weiß auch nicht, warum ich das gemacht habe. Es ist einfach so über mich gekommen.“

„Und wie hat sie reagiert?“, fragte Taiki, der versuchte, die Situation richtig einzuschätzen.

„Gar nicht…“, erwiderte Seiya. „Ich meine… Sie hat mich nicht weggestoßen oder so. Oder vielleicht ist sie dazu einfach nicht gekommen, weil ich mich ganz schnell von ihr zurückgezogen habe, als ich gemerkt habe, was ich da eigentlich tu. Sie hat mich nur schockiert angesehen und nicht auf mich reagiert. Wobei ich wahrscheinlich sowieso nur Unsinn von mir gegeben hab, ich kann mich nicht mal mehr genau erinnern.“

„Deshalb wart ihr zwei so komisch, nachdem wir euch wiedergefunden haben.“, sagte Yaten, dem nun so einiges klar wurde.

„Hmmm…“, machte Seiya. „Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt machen soll. Bestimmt hasst sie mich jetzt.“ Verzweifelt vergrub er sein Gesicht in seinen Armen.

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“, sagte Taiki ehrlich. „Bunny ist nicht so. Sie würde dich nicht wegen so etwas hassen.“

„Glaub ich auch nicht.“, stimmte Yaten ihm sofort zu. „Bunny mag dich sehr und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr eure Freundschaft zu wichtig ist, als dass sie wegen so etwas kaputt gehen würde.“

„Meint ihr?“, murmelte Seiya ohne aufzusehen.

„Ganz sicher.“, erwiderte Yaten sofort und nickte bekräftigend, obwohl Seiya das gar nicht sehen konnte.

„Ich hoffe es.“, sagte Seiya. „Aber ich weiß immer noch nicht, wie ich jetzt mit ihr umgehen soll.“

„Hm… das ist wirklich nicht so einfach…“, überlegte Yaten, der mit so etwas garantiert noch viel weniger umgehen könnte als Seiya.

„Vielleicht braucht sie einfach eine Weile, um das Ganze zu verarbeiten.“, vermutete Taiki. „Vielleicht ist es am besten, sie jetzt nicht zu bedrängen und eine Weile in Ruhe zu lassen, bis sie sich wieder beruhigt hat.“

„Meinst du?“, fragte Seiya und dachte über Taikis Worte nach. Sie jetzt erst mal in Ruhe zu lassen wäre vielleicht wirklich das Beste.

„Ich bin mir nicht sicher.“, erwiderte Taiki. „Aber ich könnte es mir vorstellen.“

„Aber du musst unbedingt nochmal mit ihr darüber reden!“, warf Yaten nun ein. „Ich weiß, dass dir das bestimmt nicht leicht fällt, aber ich denke, dass es besser ist, wenn ihr ernsthaft darüber redet.“

Seiya seufzte. Yaten hatte recht. Er musste unbedingt noch einmal mit ihr darüber reden und ihr sagen, dass es ihm wirklich leidtat und er nicht wollte, dass sich zwischen ihnen etwas änderte. Das war zwar nur die halbe Wahrheit, denn natürlich würde er sich wünschen, dass es mehr als nur Freundschaft wäre, aber darauf konnte er wirklich nicht hoffen.
 

Als sie sich am nächsten Tag wieder auf den Heimweg machten, hatte sich an Bunnys und Seiyas Verhalten immer noch nichts geändert. Minako und Rei hatten die beiden, insbesondere Bunny, keinen Moment aus den Augen gelassen. Jetzt saßen sie ihm Zug und anders als auf der Hinfahrt saßen die beiden relativ weit voneinander entfernt. Die Gruppe hatte sich wieder zwei Viererplätze direkt gegenüber sichern können und während Bunny links aus dem Fenster starrte, tat Seiya das gleiche auf der rechten Seite.

Minako und Rei hatten sich schnell Bunny gegenüber gesetzt und Minako, die trotz ihrer Sorge um ihre Freundin immer noch ihren Yaten bei sich haben wollte, hatte ihn prompt auf den Sitz neben Bunny verfrachtet. Neben Seiya saß Taiki, der sich angeregt mit Ami und Makoto unterhielt, nicht jedoch ohne zwischendurch immer mal wieder einen Blick auf Seiya zu werfen.
 

Immer wieder tauschten Rei und Minako Blicke aus. Sie hatten es bisher nicht geschafft, Bunny zum Reden zu bringen.

„Hey Bunny!“, sagte Minako.

„Hm?“, machte die Angesprochene und sah auf. Minako hielt ihr etwas zu Essen entgegen.

„Willst du etwas?“, fragte sie und strahlte ihre Freundin an. Bunny blickte kurz auf Minakos Lunchbox.

„Nein, danke.“, antwortete sie jedoch und wendete sich wieder ab.

Enttäuscht zog Minako ihre Hände zurück und lehnte sich wieder nach hinten.

„Du Rei?“, flüsterte sie.

„Ja?“, flüsterte sie zurück und lehnte sich zu Minako herüber.

„Bunny ist kaputt.“, sagte Minako leise und runzelte die Stirn. Rei warf ihr einen bösen Blick zu, bevor sie jedoch seufzte und nickte. Minakos Wortwahl war zwar dämlich, aber sie hatte recht.
 

Die ganze Zugfahrt über war Bunny in ihren eigenen Gedanken geblieben. Sie wollte eigentlich nicht, dass die anderen sich Sorgen um sie machten, aber sie hatte es auch nicht geschafft, nicht darüber nachzudenken. Sie fühlte sich wegen alldem irgendwie ausgelaugt und hatte nicht einmal Appetit.

Als sie wieder in Tokyo waren und sich ihrer aller Wege wieder trennten, hatte sie zum Abschied lediglich allen gewinkt, um nicht in die komische Situation zu kommen, Seiya entweder als einzigen nicht zu umarmen oder ihn eben doch zu umarmen und sich dabei unwohl zu fühlen.
 

Schon vor ihrer Abreise hatte sie mit Mamoru vereinbart, dass sie sich am Abend ihrer Rückkehr treffen würden. Eigentlich hatte sie gerade überhaupt keine Lust darauf. In ihrem Kopf herrschte immer noch absolutes Chaos und immer noch plagten sie ihre Schuldgefühle. Sie wusste einfach nicht, wie sie Mamoru gegenübertreten sollte. Sollte sie ihm davon erzählen? Es verheimlichen? Beides würde sie sich schlecht fühlen lassen.

Sie seufzte, als sie schließlich vor Mamorus Wohnungstür stand. Sie atmete einmal tief durch und betätigte dann die Klingel. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür und Mamoru stand lächelnd vor ihr.

„Bunny.“, sagte er und ließ sie herein. Nachdem sie ihre Handtasche abgelegt hatte, zog Mamoru sie an sich uns gab ihr einen Kuss. Für einen Augenblick blitzte Seiyas Bild vor ihrem inneren Auge auf. Sie zog ihren Kopf zurück. Fragend sah Mamoru sie an.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. Bunny fluchte innerlich. Warum hatte sie ihren Kopf weggezogen? Da würde er doch sofort merken, dass etwas nicht stimmte.

„J-ja…“, antwortete sie dennoch und zwang sich zu einem Lächeln. Für einen Augenblick musterte Mamoru sie, bevor er dann zur Seite trat, um sie dann ins Wohnzimmer zu lassen.

„Und?“, fragte er. „Wie war euer Urlaub?“

„Ähm… gut.“, sagte Bunny knapp.

„Ist irgendetwas Besonderes passiert?“, fragte Mamoru weiter.

Bunnys Herz klopfte stark gegen ihre Brust. Das war die Frage, vor der sie sich gefürchtet hatte. Was sollte sie nur antworten? Mamoru sah sie mit diesen aufrichtigen Augen an und sie konnte nicht anders, als ihm ebenfalls in die Augen zu sehen. Sie musste antworten. Sie musste etwas sagen. Schnell!

Sie senkte den Blick.

„Nein.“, sagte sie schließlich. „Nichts Besonderes.“

Somebody died for this. Somebody died for just one kiss

Seiya lag auf dem Sofa im Wohnzimmer und starrte an die Decke. Immer wieder warfen Yaten und Taiki ihm besorgte Blicke zu, doch Seiya bemerkte sie gar nicht. Er war in seinen Gedanken stets bei diesem einen Moment auf dem Sommerfest.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Wie hatte er sie so einfach küssen können? Ihn plagten ein schlechtes Gewissen Bunny gegenüber, eine unglaubliche Angst, dass sie ihn nun hassen könnte und die Ungewissheit, was nun aus ihnen werden würde. Seit dem Kuss hatten sie kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt, nicht mal Augenkontakt hatten sie gehabt.

Und dennoch konnte er nicht verhindern, dass er bei dem Gedanken an diesen Kuss wackelige Knie bekam, sein Herz anfing, aufgeregt zu schlagen, und er Schmetterlinge im Bauch hatte. Immerhin träumte er schon so lange davon, dieses Mädchen zu küssen.

 

 

Yaten und Taiki saßen zusammen in der Küche und warfen immer wieder mal einen Blick auf Seiya. Er hatte sich schon seit Stunden nicht mehr bewegt, wenn man von dem Heben und Senken seiner Brust und einem regelmäßigen Blinzeln mal absah. Wäre das nicht gewesen, hätte man ihn für tot halten können.

Plötzlich stand Yaten auf. Taiki blickte fragend zu ihm hoch.

„Ich bin mal kurz weg.“, sagte Yaten mit entschlossenem Gesichtsausdruck.

„Was machst du?“, fragte Taiki.

„Ich kann nicht mehr länger nur rumsitzen und Seiya beim Trübsal blasen zugucken.“, erklärte er und verschwand aus der Küche.

 

 

Bunny lag zusammengerollt auf ihrem Bett und starrte auf das Bild, auf dem Mamoru, Chibiusa und sie selbst zu sehen waren. Noch immer hatte sie ihre Gedanken nicht richtig sortieren können. Nachdem sie am vorigen Abend bei Mamoru gewesen war, hatten sie durchgehend ihre Gewissensbisse geplagt. Sie hatte ihm nicht von dem Kuss mit Seiya erzählt. Schlimmer noch, sie hatte sogar gelogen, als Mamoru sie gefragt hatte, ob irgendetwas Besonderes passiert war.

Den ganzen Abend hatte Bunny sich deshalb schlecht gefühlt. Mit der Ausrede, dass sie von der Reise noch müde war, war sie früh nach Hause gefahren. Mamoru war sehr verständnisvoll gewesen und hatte gleichzeitig den Wunsch geäußert, dass sie sich bald wiedersehen sollten.

Seitdem hatte sie versucht, über das Geschehene gründlich nachzudenken und einen endgültigen Entschluss zu fassen, wie sie mit der Situation umzugehen hatte. Doch ihre Gedanken drehten sich nur im Kreis. Egal wie sehr sie sich anstrengte, sie kam zu keinem Ergebnis. Wie sollte sie zukünftig mit Seiya umgehen? Was sollte sie Mamoru sagen? Sollte sie es ihm überhaupt sagen? Sollte sie es ihren Freundinnen erzählen? Und wie stand es zurzeit eigentlich um ihre eigenen Gefühle für Seiya? Je mehr sie versuchte, Antworten auf all diese Fragen zu finden, desto verwirrter wurde sie.

 

Sie hörte, wie jemand die Türklingel betätigte. Ihre Mutter machte die Tür auf und sie konnte Stimmen hören, ohne jedoch zu verstehen, was gesagt wurde. Als die Stimmen nach einem kurzen Augenblick verstummt waren, hörte sie Schritte auf der Treppe nach oben. Es klopfte an der Tür. Bunny richtete sich auf.

„Herein?“, rief sie zögerlich. Wer sie hier wohl so unangekündigt besuchen kam? Als die Tür sich öffnete, war sie durchaus überrascht.

„Hallo Bunny.“, sagte Yaten und schloss die Tür hinter sich, nachdem er eingetreten war.

„Yaten!“, rief Bunny erstaunt aus. „Was machst du denn hier?“

„Können wir uns mal unterhalten?“, fragte er, ohne direkt auf ihre Frage einzugehen. Bunny nickte hastig.

„Natürlich.“, antwortete sie und bot Yaten einen Platz an.

„Danke.“, sagte er knapp und setzte sich. Er schwieg einen Moment, in dem Bunny aus unerfindlichem Grund nervös wurde.

„Ich würde mit dir gern über Seiya reden.“, fing er schließlich an. Sie hatte damit gerechnet, aber trotzdem sprang ihr das Herz bei der Erwähnung seines Namens fast aus der Brust.

„W-worüber möchtest du denn da reden?“, fragte sie und knetete nervös ihre Hände.

„Er hat uns erzählt, was auf dem Sommerfest passiert ist, als ihr eine Zeit lang verschwunden wart.“, erklärte Yaten nun und Bunny rutschte das Herz in die Hose. Yaten und Taiki wussten also davon. Es war kein Geheimnis zwischen ihr und Seiya geblieben. Sie hatte sich nicht getraut, es ihren Freundinnen zu erzählen.

„Oh…“, machte Bunny nur, weil sie nicht wusste, was sie sonst darauf erwidern sollte. Sie fragte sich, worauf dieses Gespräch wohl hinauslaufen würde.

„Ich frag dich einfach direkt.“, kündigte Yaten nun an. „Hasst du Seiya jetzt deswegen?“

Schockiert sah Bunny auf.

„Nein!“, widersprach sofort. Darüber hatte sie nun wirklich keine Sekunde nachdenken müssen. Wie kam Yaten denn auf so eine Idee? Er lächelte leicht.

„Hab ich mir gedacht.“, sagte er. „Aber Seiya macht sich fürchterliche Gedanken deshalb und er glaubt, dass du ihn jetzt hassen könntest.“

„Seiya denkt so etwas…?“, fragte Bunny leise. Bei all ihren wirren Gedanken hatte sie noch gar nicht darüber nachgedacht, wie Seiya sich nun wohl fühlte. Sie hatte sich nur mit sich selbst und ihren eigenen Gefühlen beschäftigt.

„Er ist seit diesem Abend nicht mehr derselbe.“, erzählte Yaten weiter. „Man kann ihn quasi gar nicht ansprechen. Er liegt nur die ganze Zeit auf dem Sofa und starrt die Decke an.“

Bunny schluckte und sah ehrlich betroffen aus.

„Bunny…“, sagte Yaten nun. „Ich weiß, dass das für dich auch nicht so leicht ist. Du hast Mamoru und Seiya hat etwas getan, was nicht nur eure Freundschaft, sondern auch deine Beziehung gefährden könnte. Aber glaub mir, Seiya tut es wirklich leid. Und es gäbe nichts Schlimmeres für ihn auf dieser Welt, als dich als Freundin zu verlieren.“

Stumm starrte Bunny auf den Boden und versuchte, gegen die in ihr ansteigenden Tränen anzukämpfen.

„Ich kann verstehen, wenn du etwas Zeit brauchst.“, fuhr Yaten fort. „Aber bitte lass ihn nicht zu sehr leiden. Bitte lass ihn wissen, dass du ihn jetzt nicht hasst. Und wenn das nicht zu viel verlangt ist… bitte versuch, bald wieder normal mit ihm umzugehen. Er liebt dich! Und es ist schon schwer genug für ihn, dass ihr nur Freunde sein könnt. Bitte nimm ihm das nicht auch noch.“

So sehr sie es versucht hatte, letztendlich hatte sie es nicht geschafft, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie nickte stumm und wischte sich die Tränen von den Wangen.

„Ich… will ihn auch nicht… verlieren.“, sagte sie mit leicht tränenerstickter Stimme. Yaten lächelte.

„Es ist gut, das zu hören.“, antwortete er.

 

 

Noch immer lag Seiya regungslos auf dem Sofa und starrte an die Decke. Er schaffte es kaum noch, einen klaren Gedanken zu fassen, sie drehten sich nur immer wieder im Kreis. Der Schlafmangel, unter dem er nach zwei unruhigen Nächten litt, unterstützte das nur noch. Er fühlte sich wie tot. Und er glaubte, dass er es sicherlich auch sein würde, wenn er Bunny wirklich verlieren würde.

Sein Handy vibrierte laut auf dem niedrigen Wohnzimmertisch aus Glas. Seiya drehte seinen Kopf zur Seite, um auf das Display sehen zu können. Schätzchen stand dort unter dem großen Briefsymbol, das anzeigte, dass eine neue SMS eingegangen war. Sein Herz überschlug sich fast, als er den Namen las. Hastig setzte er sich auf und griff mit zitternden Händen nach dem Handy. Er konnte seine Finger kaum unter Kontrolle bringen und schaffte es erst beim zweiten Versuch, die Nachricht zu öffnen.

 

Wie geht’s dir?

 

Mit klopfendem Herzen starrte er auf die kurze Nachricht, die auf dem Display angezeigt wurde. Wie es ihm ging? Sie wollte wissen, wie es ihm ging? Kein Wort davon, dass er ein schlechter Freund war oder dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Keine Vorwürfe oder Anschuldigungen. Einfach nur die Frage nach seinem Befinden.

Er atmete ein paarmal tief durch, bevor er anfing, eine Antwortnachricht zu verfassen.

 

Es könnte mir besser gehen,

ehrlich gesagt. Und dir?

 

Er beschloss, das Ganze eher vage zu halten. Er wollte nichts heraufbeschwören, indem er mit dem Thema anfing. Anlügen wollte er sie allerdings auch nicht.

Nervös legte er das Handy wieder auf den Tisch. Er faltete locker die Hände und legte sie über die Knie, während er sein rechtes Bein unruhig auf und ab wippen ließ. Noch immer konnte sich sein Herzschlag nicht so recht beruhigen und mittlerweile hatte sich auch noch ein flaues Gefühl in seinem Magen ausgebreitet.

Als nach kurzer Zeit, die ihm allerdings wie eine Ewigkeit vorgekommen war, das Handy wieder vibrierte, schnappte er es sich sofort und las die SMS.

 

Ich denke, mir könnte es

auch besser gehen. Hast du

zufällig gleich noch Zeit,

dass wir uns treffen können?

 

Seiya hatte das Gefühl, dass sein Herz nach dieser Nachricht nochmal einen Zahn zulegte und sich mehr und mehr bemühte, ihm doch noch aus der Brust zu springen. Schnell tippte er eine Antwort

 

Wann und wo immer du

willst.

 

Es dauerte nicht lange, bis Bunny auch auf diese Nachricht geantwortet hatte.

 

In einer halben Stunde im

Juban-Park.

 

Er legte das Handy zurück auf den Tisch und versuchte, sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu beruhigen. Dann jedoch sprang er auf. Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr still sitzen zu können. Und das nachdem er sich seit ihrer Rückkehr quasi gar nicht bewegt hatte.

 

Die Wohnungstür öffnete sich und Yaten trat ein. Er sah, dass Seiya auf war und eiligen Schrittes auf das Badezimmer zumarschierte. Er knallte die Tür zu. Yaten konnte hören, wie das Wasser der Dusche angestellt wurde.

Plötzlich schaute Taiki um die Ecke und sah Yaten fragend an.

„Ist Seiya etwa aufgestanden?“, fragte er mit gerunzelter Stirn. Yaten grinste.

„Scheint ganz so.“, antwortete er.

Er und Taiki beobachteten, wie Seiya schon nach wenigen Minuten frisch geduscht und lediglich mit Handtuch um den Hüften aus dem Badezimmer stiefelte und sich dann genauso geräuschvoll wie zuvor mit dem Bad in sein Schlafzimmer zurückzog. Dass seine Brüder mit verschränkten Armen im Flur standen und ihn beobachteten, ignorierte er völlig.

Auch aus dem Schlafzimmer kam er nach wenigen Minuten wieder. Er hatte sich eine schwarze Hose angezogen, die ihm etwas bis übers Knie ging, sowie ein rotes T-Shirt. Er marschierte an Yaten und Taiki vorbei bis zur Wohnungstür und streifte sich dort seine Sneaker über die Füße.

Gerade öffnete er die Haustür, da sprach Taiki ihn nun doch an.

„Hey Seiya!“, rief er. Seiya blieb ruckartig stehen und drehte sich zu seinen Brüder um, die er ansah, als hätte er jetzt erst bemerkt, dass sie überhaupt da waren.

„Was?“, fragte Seiya ein wenig durcheinander.

„Wo gehst du hin?“, fragte Taiki ihn.

„Äh… Ich bin mit Bunny verabredet.“, antwortete Seiya. Ihm war die Nervosität deutlich anzusehen.

Yaten grinste. Da hatte seine Aktion vorhin wohl schon Früchte getragen.

Auch Taikis Mundwinkel zogen sich leicht nach oben.

„Dann… viel Glück.“, sagte er.

„Danke.“, antwortete Seiya mit einem schiefen Lächeln, bevor er die Wohnung endgültig verließ und sich auf den Weg zum verabredeten Treffpunkt machte.

 

 

Nicht weniger nervös befand auch Bunny sich auf dem Weg zum Juban-Park. Sie hatte, nachdem Yaten wieder gegangen war, geschlagene zehn Minuten gebraucht, um diese kurze SMS an Seiya zu schreiben. Danach hatte sie weitere fünf Minuten gebraucht, um sich dazu durchzuringen, die Nachricht auch abzuschicken.

Aber sie hatte einen Entschluss gefasst. Sie musste unbedingt mit Seiya über das reden, was zwischen ihnen passiert war. Nur so konnte sie sich beruhigen und klarer darüber denken. Sie wollte das Ganze nicht tage- oder sogar wochenlang mit sich herumschleppen, Seiya aus dem Weg gehen, Mamoru anlügen…

 

Als sie an ihrem Treffpunkt ankam, war Seiya noch nicht zu sehen. Sie setzte sich auf eine Bank und sah auf die Uhr, bevor sie jedoch wieder aufstand und nervös hin und her lief. Sie wusste noch nicht einmal, was sie gleich sagen sollte, wenn sie ihn vor sich sah. Hastig versuchte sie, sich dafür etwas auszudenken, doch ihre Gedanken rasten und nichts von alldem machte irgendeinen Sinn.

Nervös lief sie auf und ab. Als sie sich zum fünften Mal umdrehte, um die Richtung zu wechseln, stand er plötzlich vor ihr. Ruckartig blieb sie stehen und sah ihn an. Sein Haar war noch etwas feucht, seine Wangen leicht gerötet und er schien ein wenig außer Atem zu sein.

Für einige Augenblicke standen sie beide nur da und sahen sich gegenseitig an. Bunny fing sich schließlich als erste.

„Hey…“, sagte sie leise und strich sich nervös den Pony hinters Ohr, der allerdings sofort wieder nach vorne fiel.

„Hi…“, erwiderte Seiya ebenso nervös. Wieder trat ein kurzes Schweigen zwischen ihnen ein.

„Ähm…“, räusperte Bunny sich schließlich. „Ich dachte… es wäre vielleicht gut, wenn wir uns mal unterhalten?“ Sie klang unsicher und so fühlte sie sich auch. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Seiyas Anwesenheit so eine Wirkung auf sie haben würde. Ihr Herzschlag hatte sich deutlich beschleunigt und auch ihr Magen fühlte sich irgendwie komisch an. Sie bemerkte, dass ihre Hände zitterten und sie hatte starke Schwierigkeiten, klar zu denken.

„Mh…“, machte Seiya. „Wäre wohl wirklich gut…“

Bunny versuchte angestrengt, einen Anfang zu finden. Gar nicht so einfach.

„Seiya, ich…“, begann sie, doch im gleichen Augenblick hatte Seiya angefangen zu reden.

„Bunny, ich…“, sagte er und brach im gleichen Moment ab wie Bunny.

„Du zuerst.“, sagte Seiya hastig. Bunny nickte und atmete noch einmal tief durch, bevor sie einen zweiten Versuch startete.

„Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich nicht… böse bin oder so etwas.“, erklärte sie nun. „Ich… ehrlich gesagt, war ich ganz schön schockiert, als du plötzlich… also… bei dem… K-kuss.“

Die Hitze schoss ihr in die Wangen, als sie erneut an den Kuss dachte. Es war gar nicht so einfach über so etwas zu reden. Auch Seiya konnte sie ansehen, dass es ihm unangenehm war. Aber er sah sie aufmerksam an.

„Ich… hab einfach nicht damit gerechnet.“, fuhr sie nun fort. „Immerhin sind wir ja Freunde… und so… Ja… und... aber ich möchte nicht, dass das jetzt zwischen uns steht.“

Gott, war das schwer, die richtigen Worte zu finden.

 

Als sie nicht weitersprach, senkte Seiya den Blick.

„Es tut mir leid.“, sagte er. „Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist. Es ist einfach so über mich gekommen und als ich realisiert habe, was ich da grad tu, hätte ich mich selbst ohrfeigen können. Es tut mir wirklich leid.“

Er hatte das Gefühl, sich gar nicht oft genug entschuldigen zu können für das, was er getan hatte. Bunny hatte ihm vertraut, obwohl sie wusste, dass er Gefühle für sie hatte, die sie nicht erwiderte. Und er hatte etwas getan, was dieses freundschaftliche Vertrauen missbrauchte.

„Ich bin dir nicht böse…“, antwortete Bunny schließlich. „Was passiert ist, ist passiert. Du musst dir nicht so viele Gedanken darum machen.“

Seiya sah auf, sah in dieses warmherzige, unschuldige Gesicht. Sie war viel zu gut zu ihm. Er zögerte etwas, bevor er das aussprach, was ihm schon eine ganze Weile im Kopf herumschwirrte.

„Hast du… ähm… hast du Mamoru davon erzählt?“, fragte er und spürte, wie sich seine Brust unangenehm zusammenzog. Er konnte sehen, dass Bunny dieses Thema unangenehm war. Sie wendete den Blick ab.

„Nein.“, antwortete sie. „Bisher habe ich ihm noch nichts gesagt.“

Das war gut, oder? Wenn Mamoru nichts davon wusste, dann hatte er keinen Grund, ihn und Bunny auseinanderzutreiben. Seiya konnte sich für seine selbstsüchtigen Gedanken selbst nicht leiden. Eigentlich sollte doch das wichtigste sein, dass Bunny glücklich war. Aber trotzdem konnte er ständig nur an sich selbst denken und wie schlimm es für ihn wäre, wenn er sie verlieren würde.

„Wirst du es ihm erzählen?“, fragte Seiya nun weiter.

Bunny seufzte. Es dauerte einige Sekunden, bevor sie antwortete.

„Ich weiß es nicht.“, sagte sie ehrlich und mit leicht belegter Stimme.

„Hm…“, machte Seiya. Er traute sich nicht, ihr diesbezüglich einen Rat zu geben.

„Es tut mir leid, dass ich dir Probleme bereite…“, sagte er dann geknickt. „Aber ich bin froh, dass du mich jetzt nicht hasst.“

Bunny lächelte leicht.

„Ich könnte dich gar nicht hassen…“, erwiderte sie leise. „Du bist mir sehr wichtig, Seiya. Wirklich.“

Seiya musste schlucken. Wie konnte dieses Mädchen nur so wundervoll sein? Wie schaffte sie es, dass er sich immer mehr in sie verliebte? Ihre Worte lösten eine Sehnsucht in ihm aus, die ihm beinahe schon körperliche Schmerzen bereitete.

„Schätzchen…“, sagte er. Nach dem Vorfall auf dem Sommerfest hatte er sich nicht mehr getraut, sie mit seinem Kosenamen für sie anzusprechen. Doch nun hatte er es, ohne darüber nachzudenken, doch wieder gesagt.

Sie lächelte ihn an, was sein Herz wieder zum Rasen brachte.

„A-also…. ist zwischen uns alles gut?“, fragte er nervös. Sie nickte.

„Ja…“, antwortete sie. „Zwischen uns ist alles gut.“

Zu Seiyas Erstaunen, viel mehr jedoch zu seinem Glück, machte sie einen Schritt auf ihn zu und streckte die Arme nach ihm aus. Mit starkem Herzklopfen überwand er den Rest der Distanz und nahm sie in den Arm. Obwohl er sich vorgenommen hatte, lieber etwas Abstand zu wahren, zog er sie nun fest an sich. Er konnte gar nicht anders, als dieses Gefühl zu genießen.

 

Bunny versuchte derweil, das warme Gefühl in ihrem Bauch sowie das Herzklopfen, das sie überkam, als sie in Seiyas Armen lag, zu ignorieren und lediglich daran zu denken, dass zwischen ihr und ihrem besten Freund wieder alles beim Alten war.

Show me the meaning of all that I'm feeling

Nachdenklich lag Bunny auf ihrem Bett und starrte mit hinter dem Kopf verschränkten Armen an die Decke. Zwar hatte sie mit Seiya soweit alles klären können, doch hatte sich das Problem, ob sie Mamoru davon erzählen sollte, damit auch nicht erledigt. Sie fühlte sich schlecht, wenn sie so tat, als sei nichts passiert, doch glaubte sie, dass weder sie noch Mamoru sich unbedingt gut fühlen würden, wenn sie es ihm doch erzählte. Und was war mit Seiya? Für ihn wäre es sicherlich auch nicht toll, wenn Mamoru davon wüsste. Die beiden kamen so schon kaum miteinander zurecht.

Seufzend drehte Bunny sich auf die Seite. Außerdem hatte Mamoru in zwei Tagen Geburtstag. Das wäre ein tolles Geschenk, wenn sie ihm jetzt sagen würde, dass ein anderer Mann seine Freundin geküsst hatte. Und nicht nur irgendein anderer Mann sondern ausgerechnet Seiya. Ihr bester Freund, den sie beinahe jeden Tag in der Schule sah und auch privat oft traf. Öfter als Mamoru.

Sie setzte sich auf und nahm sich dann das Telefon. Sie zögerte kurz, bevor sie Minakos Nummer wählte. Nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, nahm endlich jemand ab.
 

„Aino.“, hörte Bunny Minakos Stimme.

„Hallo Minako.“, meldete Bunny sich. „Hier ist Bunny.“

„Bunny!“, rief Minako erfreut aus. Sie freute sich, von ihrer Freundin zu hören, insbesondere da sie sich die letzten Tage so große Sorgen um sie gemacht hatte.

„Hast du ein bisschen Zeit?“, fragte Bunny vorsichtig. Sie musste einfach mit jemandem darüber reden, der nicht Seiya oder Yaten war.

„Na klar!“, bestätigte Minako sofort. „Was gibt’s?“

„Naja…“, zögerte Bunny. Sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte.

„Lass mich raten.“, half Minako ihr auf die Sprünge. „Es hat etwas damit zu tun, warum du in letzter Zeit so komisch warst.“

„Ja…“, bestätigte Bunny. „Als wir auf dem Sommerfest waren und ich euch zwischenzeitlich verloren hatte, ist was passiert…“

„Etwas mit Seiya?“, vermutete Minako sofort. Immerhin hatten sie sich beide sehr auffällig verhalten.

„Ja.“, gab Bunny zu. „Also… er hat… er hat… mich geküsst.“ Endlich war es raus. Sie spürte, wie ihr Herz ihr bis zum Hals schlug und sie kaum wagte, zu atmen. Wenn es schon so war, wenn sie nur Minako davon erzählte, wie wäre es dann erst bei Mamoru?

„Er hat WAS?“, kreischte Minako ins Telefon, sodass Bunny den Hörer kurz etwas vom Ohr weghielt.

„…mich geküsst.“, wiederholte sie und spürte, dass sie rot wurde.

„Oh mein Gott!“ Minako klang unglaublicherweise begeistert. „Das ist ja noch viel toller, als ich mir vorgestellt habe!“

„Minako!“, beschwerte Bunny sich. „Das ist ganz und gar nicht toll! Was soll ich denn jetzt machen? Ich hab doch Mamoru!“

„Hmm…“, machte Minako überlegend. „Das ist natürlich ein Problem.“

„Ja!“, stimmte Bunny ihr ohne groß darüber nachzudenken zu, bevor ihr bewusst wurde, was sie da sagte. „Nein! Minako, das Problem ist nicht, dass ich Mamoru habe! Das Problem ist, dass Seiya mich geküsst hat!“

„Jajaja…“, winkte Minako ab. „Und? Hast du schon mit Mamoru darüber geredet? Oder mit Seiya?“

„Mit Seiya ja…“, erzählte Bunny nun. „Mit ihm ist soweit alles wieder in Ordnung, denke ich. Aber ich weiß einfach nicht, wie ich es Mamoru sagen soll. Oder ob ich es ihm überhaupt sagen soll.“

„Ja, das ist wirklich schwierig.“, fühlte Minako ihr nach. „Wer weiß, wie er reagieren würde? Er war ja sowieso immer schon so eifersüchtig auf Seiya…“

„Eben.“, sagte Bunny. Dasselbe hatte sie sich ja auch schon überlegt. „Und Mamoru hat in zwei Tagen Geburtstag.“, fügte sie noch hinzu, um ihre vorherigen Gedanken mit Minako zu teilen.

„Na, das wäre ja mal eine Geburtstagsüberraschung.“, stieg Minako darauf ein. „Schlechter könnte der Zeitpunkt kaum sein, um ihm so etwas zu sagen.“

„Mhm… denke ich auch.“, stimmte Bunny ihr zu. „Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt tun soll.“

„Vielleicht solltest du es ihm nicht sagen.“, schlug Minako nun vorsichtig vor. „Ich meine… es ist ja nicht so, als hättest du ihn wirklich betrogen… oder? Seiya hat dich geküsst und nicht du ihn… oder?“

„Nein, ich hab ihn nicht geküsst.“, bestätigte Bunny.

„Siehst du!“, erwiderte Minako. „Es war sicherlich nur eine einmalige Sache. Und du würdest Mamoru nur Sorgen bereiten, wenn du es ihm sagst. Außerdem würde es die Stimmung zwischen ihm und Seiya nur noch verschlechtern. Und hast du nicht erzählt, dass Mamoru sich sowieso schon ständig Sorgen wegen Seiya macht? Das würde doch nur noch schlimmer werden! Nachher will er dir noch verbieten, Seiya je wiederzusehen!“

„Meinst du?“, zweifelte Bunny. „Ich weiß nicht, ob Mamoru so etwas tun würde…“

„Naja, selbst wenn nicht…“, winkte Minako ab. „Besonders gut würde er es mit Sicherheit nicht aufnehmen. Es würde ihn doch nur verletzen. Und wie gesagt… DU warst es ja nicht, die Seiya geküsst hat.“

„Mhm…“, machte Bunny nachdenklich. „Meinst du wirklich, es ist in Ordnung, wenn ich es ihm nicht erzähle?“

Beinahe machte sich schon ein Gefühl der Hoffnung in ihr breit. Es wäre wirklich so viel einfacher, ihm nicht davon zu erzählen. Und wenn Minako sie darin unterstützte, dann war es vielleicht wirklich nicht so schlimm…

„Ich glaube schon.“, sagte Minako. „Letztendlich musst du es natürlich selbst entscheiden, Bunny. Aber meiner Meinung nach würdest du damit nur schlafende Katzen wecken.“

Bunny stutzte kurz über die Redewendung. Hieß es wirklich „schlafende Katzen wecken“? Da sie es aber selbst nicht besser wusste, überging sie das einfach.

„Danke, Minako.“, antwortete sie. „Ich glaube, du hast recht.“

„Natürlich hab ich recht!“, erwiderte Minako und Bunny konnte sich ihr Grinsen und ein Augenzwinkern dabei gut vorstellen.

„Aber jetzt zu den wichtigen Dingen.“, fuhr Minako fort. „Wie war der Kuss??“

Bunny schoss die Röte erneut ins Gesicht. Unwillkürlich musste sie an diesen Kuss denken. Das Feuerwerk im Hintergrund, sie beide im Yukata, die Stimmung… Wenn sie Mamoru nicht hätte, wäre es der perfekte Kuss gewesen. Schnell schüttelte sie den Kopf. Nicht, wenn sie Mamoru nicht hätte! Vielmehr wenn es Mamoru gewesen wäre, der sie geküsst hätte!

„Bunny?“, riss Minako sie aus ihren Gedanken.

„Äh ja…“, antwortete sie. „Der Kuss… hm… ich weiß nicht. Ich war einfach überrascht. Bevor ich wirklich realisiert habe, was grad vor sich geht, hat Seiya den Kuss schon abgebrochen. Ich glaube, er hat selbst nicht so richtig mitbekommen, was er da tut. Er hat sich sofort bei mir entschuldigt und dann kamt ihr auch schon.“

„Hmmm…“, machte Minako. „Und hast du gar nichts dabei gefühlt?“

Bunny dachte einen Moment darüber nach. Hatte sie nichts dabei gefühlt? Sie konnte sich kaum daran erinnern. Der Moment hatte schließlich höchstens ein paar Sekunden angedauert. Nur wenn sie jetzt daran dachte, breitete sich immer dieses merkwürdig warme Gefühl in ihrer Magengegend aus.

„Ich weiß es nicht.“, antwortete Bunny schließlich. „Es ging einfach viel zu schnell. Wie gesagt… ich war einfach nur überrascht.“ Damit log sie ja nicht einmal.

„Und jetzt?“ Minako blieb hartnäckig. Bunny brauchte einige Momente, um zu antworten.

„Ich…“, setzte sie an. „Vielleicht… habe ich Gefühle für ihn…“

Sie spürte in diesem Moment ganz eindeutig dieses Kribbeln im Bauch, das sich bis in ihre Fingerspitzen ausbreitete und das sie eigentlich nur spüren sollte, wenn sie an Mamoru dachte. Sie spürte, wie ihr Herz höher schlug und das nur bei dem Gedanken an Seiya und an diesen Kuss.

Am anderen Ende der Leitung hörte sie, wie Minako tief die Luft einsog.

„Bunny!“, rief sie aufgeregt aus.

„Aber!“, lenkte Bunny schnell ein, während sie merkte, dass ihre Wangen vor Hitze brannten. „Ich liebe Mamoru! Mamoru ist der einzige für mich! Mamoru ist mein Schicksal, meine große Liebe!“

„Oh, Bunny…“, seufzte Minako. „Ich hoffe, dass du das wirklich so meinst und das nicht nur sagst, um deine Gefühle für Seiya zu unterdrücken.“

„Natürlich meine ich das wirklich so!“, erwiderte Bunny sofort und legte die Hand auf ihre Brust, um ihr rasendes Herz zu beruhigen.

„Wenn du das sagst.“, sagte Minako wenig überzeugt.

„Selbst wenn ich es nur sagen würde, um meine Gefühle für Seiya zu unterdrücken…“, begann Bunny nun mit trockenem Mund. „Ich habe eine vorherbestimmte Zukunft. Mamoru und ich werden das König und Königin von Kristalltokyo und Chibiusa wird unsere Tochter. Minako, ich habe gar keine Wahl.“

„Ach Bunny...“ In Minakos Stimme schwang Mitleid mit. „Du hast immer eine Wahl.“

„Nein.“, widersprach Bunny. „In diesem Fall nicht. Sagen wir mal, ich würde Mamoru für Seiya verlassen. REIN THEORETISCH! Dann würde Chibiusa nicht geboren werden. Du weißt genau, dass ich das nicht zulassen kann.“

„Ich weiß…“, gab Minako zu. Sie wusste, wie sehr Bunny Chibiusa liebte. Natürlich würde sie nichts tun, was die Existenz Chibiusas aufs Spiel setzen würde.

„Siehst du…“ Bunny konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. Doch schnell schüttelte sie diese Gedanken wieder ab. Sie wollte Mamoru doch auch gar nicht für Seiya verlassen! Immerhin liebte sie Mamoru wirklich! Das, was sie eben gesagt hatte, war rein hypothetisch gewesen und hatte nichts aber auch gar nichts mit der Realität zu tun.
 

Seiya schloss die Tür zu seiner gemeinsamen Wohnung mit Taiki und Yaten auf. Er war nach dem Gespräch mit Bunny noch eine ganze Weile spazieren gewesen, um über das nachzudenken, was in den letzten Tagen so passiert war. Natürlich war er erleichtert, dass Bunny ihm nicht böse war und sie mit ihm wieder normal umging. Aber dennoch fiel es ihm schwer, „nur“ Freunde zu sein. Immerhin liebte er dieses Mädchen wirklich.

„Seiya?“, hörte er Yatens Stimme aus dem Wohnzimmer. Ohne darauf zu antworten, ging er zu Yaten und fand nicht nur ihn sondern auch Taiki auf dem Sofa sitzend vor.

„Hey.“, begrüßte er seine Brüder.

„Wie lief’s?“, fragte Taiki ihn und sowohl er als auch Yaten sahen Seiya mit fragenden Blicken an.

„Gut.“, antwortete Seiya. „Wir haben über die Sache geredet und können jetzt wieder normal miteinander umgehen, denke ich.“

Yaten grinste und auch Taiki sah recht zufrieden aus.

„Klingt doch gut.“, sagte Yaten und war insgeheim stolz auf seinen Beitrag in dieser Sache.

Seufzend ließ Seiya sich neben Taiki auf das Sofa fallen.

„Ich denke auch.“, stimmte Seiya zu und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

Yaten und Taiki warfen sich einen Blick zu. Sie schienen beide zu merken, dass Seiya zwar deutlich besser drauf war als zuvor, jedoch nicht 100%ig glücklich zu sein schien.

„Alles klar, Seiya?“, fragte Yaten ihn. Seiya sah auf.

„Ja, alles klar.“, antwortete er, bevor er den Blick wieder senkte, sich kurz auf die Unterlippe biss und dann fortfuhr. „Es ist halt nicht so einfach für mich.“

Taiki und Yaten schwiegen, hörten ihm jedoch aufmerksam zu.

„Ihr wisst ja, dass ich sie wirklich liebe.“, sagte Seiya nach einigen Sekunden, lehnte sich leicht nach vorne und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Ich bin froh, dass sie mir nicht böse ist und sie wieder normal mit mir redet. Aber letztendlich weiß ich, dass mir das tief innen niemals genug sein wird.“

Einige Sekunden herrschte Schweigen.

„Wenn ich nur den Hauch einer Chance sehen würde, würde ich um sie kämpfen.“, fuhr Seiya schließlich fort. „Ich weiß, dass ich kein Mädchen jemals so werde lieben können wie Bunny. Sie ist alles für mich, meine große Liebe.“

„Seiya…“, sagte Taiki besorgt. Seiya sah auf.

„Warum muss es ausgerechnet sie sein?“, fragte Seiya verzweifelt. „Warum kann es nicht irgendein anderes Mädchen sein? Ein Mädchen, das keine vorherbestimmte Zukunft als Königin von Kristalltokyo hat? Ein Mädchen, das nicht mit ihrer großen Liebe aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zusammen ist?“

„Man kann sich nun mal nicht aussuchen, in wen man sich verliebt.“, erwiderte Yaten, obwohl er genau wusste, dass diese leeren Phrasen auch nicht helfen würden. Seiya lachte bitter auf.

„Ich weiß.“, sagte er. „Aber was bringt mir das? So sehr ich es auch versuche, ich kann sie nicht einfach nur als Freundin sehen. Wenn ich sie nicht sehen kann, dann zerreißt es mir das Herz vor Sehnsucht. Und wenn ich sie sehe, dann zerreißt es mir das Herz, weil ich sie nicht berühren darf, nicht küssen, ihr nicht sagen, dass ich sie liebe…“

Erneut vergrub er sein Gesicht in seinen Händen. Obwohl er während des Gesprächs mit Bunny noch so glücklich gewesen war, dass sie ihn nicht hasste, kamen nun all die bitteren Gefühle in ihm hoch. Er wünschte sich, er könnte sie einfach vergessen. Doch dass das unmöglich war, hatte er längst eingesehen. Er fühlte sich erbärmlich, schämte sich vor Yaten und Taiki, vor denen er so eine jämmerliche Figur abgab.

Er atmete einmal tief durch und sah dann wieder auf. Anscheinend wussten weder Yaten noch Taiki, was sie sagen sollten. Verständlich! Er hätte an ihrer Stelle auch keine Ahnung, was er sagen sollte.

„Sorry…“, murmelte er und stand dann auf. Er schwankte ein bisschen, bevor er sich jedoch zusammenriss.

„Ich glaube, ich gehe heute früh ins Bett.“, sagte er schließlich. „Ich hab in letzter Zeit nicht so gut geschlafen.“

„In Ordnung.“, stimmte Taiki zu.

„Gute Nacht.“, sagte Yaten.

„Nacht.“, erwiderte Seiya noch, bevor er das Wohnzimmer verließ.

Yaten und Taiki tauschten besorgte Blicke aus. Ja, sie hatten gewusst, dass Seiya Bunny wirklich liebte und dass es nicht immer leicht für ihn war. Doch dass es ihn so fertig machte, damit hatten sie beide nicht gerechnet.

What do you say when your heart's in pieces?

Bunny war auf dem Weg zu Mamoru. Er hatte heute Geburtstag und obwohl er noch hatte arbeiten müssen, wollten sie wenigstens am Abend noch ein wenig zusammen feiern. Sie hatte von ihren Eltern die Erlaubnis bekommen, später als sonst nach Hause zu kommen, unter der Voraussetzung dass Mamoru sie nach Hause brachte. Immerhin war Freitag.

Bunny betätigte die Klingel an Mamorus Wohnungstür. Nach kurzer Zeit hörte sie von der anderen Seite der Tür Schritte und Mamoru machte ihr auf.

„Alles Gute zum Geburtstag!!“, rief Bunny laut und sprang Mamoru um den Hals. Etwas überrumpelt fing er sie auf und lachte.

„Danke.“, sagte er und drückte sie kurz an sich. Sie gingen gemeinsam in die Wohnung, nachdem Bunny ihre Schuhe im Eingangsbereich ausgezogen hatte. Sie sah sich um. Von Geburtstag war in dieser Wohnung nicht viel zu sehen. Gar nichts, um genau zu sein.

„Wie war denn dein Geburtstag bisher?“, fragte Bunny neugierig. Sie liebte Geburtstage und konnte sich kaum vorstellen, dass jemand an seinem eigenen Geburtstag nichts unternahm.

„Anstrengend.“, antwortete Mamoru wahrheitsgemäß. „Im Krankenhaus gibt es kaum mal eine ruhige Minute.“

„Aber du hast doch heute Geburtstag!“, sagte Bunny erschüttert. Mamoru lachte kurz auf.

„Das interessiert dort aber niemanden.“, erklärte er. „Die Menschen im Krankenhaus brauchen nun mal Hilfe, egal wer Geburtstag hat.“

„Mhmm…“, erwiderte Bunny. Das verstand sie schon. Natürlich konnte man als angehender Arzt nicht sagen, dass man Geburtstag hatte und deshalb lieber feiern wollte als zu arbeiten.

„Dafür bin ich ja jetzt da.“, erklärte sie grinsend und zog ein Geschenk aus ihrer Tasche. Mamoru lächelte.

„Das ist auch das Wichtigste.“, sagte er und nahm das Geschenk entgegen. Er war tatsächlich neugierig, was Bunny ihm wohl ausgesucht hatte. Als er das Papier entfernte, erkannte er, dass es sich um ein Buch handelte. „Evolution und Parapsychologie“ stand auf dem Einband.

„Gefällt es dir?“, fragte Bunny sofort und war innerlich nervös, da sie selbst gar keine Ahnung von solchen Büchern hatte.

„Ja.“, antwortete Mamoru und betrachtete weiterhin das Buch. Wie kam Bunny dazu, ihm so ein Buch zu schenken?

„Ami hat mir geholfen, es auszusuchen.“, erklärte Bunny und beantwortete damit seine unausgesprochene Frage. Ja, dieses Buch sah allerdings eher nach Ami aus als nach Bunny.

Erwartungsvoll sah sie ihn an.

„Es ist wirklich toll.“, sagte er. „Vielen Dank.“

Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Obwohl es tatsächlich ein sehr gutes Buch war, welches ihn sehr interessierte, war er dennoch ein wenig enttäuscht. Er hatte von Bunny etwas Persönlicheres erwartet, insbesondere nachdem sie ihm erzählt hatte, was sie zusammen mit ihren Freundinnen für Seiya vorbereitet hatte. Dachte Bunny, er würde sich über solche Dinge nicht freuen? Von diesen Gedanken wollte er Bunny jedoch keinesfalls etwas erzählen. Sie strahlte geradezu, nachdem er gesagt hatte, dass ihm das Geschenk gefiel. Ihr war es wohl wirklich nicht leicht gefallen, ein passendes Geschenk für ihn zu finden.

 

 

 

„Yaaaaaten!“, rief Minako schon von weitem, als sie ihre Verabredung entdeckte. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie hatte es tatsächlich geschafft, Yaten Kou dazu zu überreden, den Samstagnachmittag mit ihr zu verbringen.

„Hey.“, sagte er knapp, als Minako ihn endlich erreicht hatte. Prompt hakte sie sich bei ihm unter und zog ihn mit. Sie hatte Kinokarten organisiert, wollte vorher aber noch gemütlich mit ihm Eis essen gehen.

Yaten ließ sich wohl oder übel von Minako mitziehen. Er fragte sich, wie er da nur hineingeraten war. Alles hatte damit angefangen, dass sie bei einem ihrer Treffen mit den anderen über den neuen Actionfilm mit Sanada Hiroyuki geredet hatten und er erwähnt hatte, dass er den gern sehen wollte. Gleich am nächsten Tag war Minako mit den Kinokarten angekommen und hatte ihn dazu eingeladen. Nur sie und er. Ablehnen konnte er schlecht, nachdem er schon gesagt hatte, dass er den Film gerne sehen würde, oder? Außerdem hatte er eigentlich nichts dagegen, Zeit alleine mit Minako zu verbringen. Nur zugeben würde er das sicher nicht.

Nachdem sie beim Eis essen schon über dieses und jenes geredet hatten, wechselte Minako plötzlich das Thema.

„Sag mal, wie geht’s eigentlich Seiya?“, fragte sie. Yaten sah auf.

„Wieso?“, fragte er misstrauisch. Wusste sie etwa von dem, was zwischen ihm und Bunny passiert war?

„Na, wegen der ganzen Sache mit Bunny.“, bestätigte sie seine Vermutung sofort.

„Bunny hat dir also davon erzählt?“, fragte er nach.

„Ja, hat sie.“, antwortete sie. „Und sie hat auch erzählt, dass du deshalb bei ihr warst und mit ihr darüber geredet hast.“

Yaten wurde leicht rot. Dass er sich so für Seiya eingesetzt hatte, weil er es einfach nicht ertragen hatte, ihn so leiden zu sehen, hatte er eigentlich niemanden wissen lassen wollen. Wie peinlich!

„Naja…“, druckste er verlegen herum. „Er hat einfach so genervt in seiner Trauerstimmung.“

Minako lachte. Typisch Yaten. Er würde niemals zugeben, dass er es getan hatte, weil er Seiya mochte und wollte, dass er glücklich wurde.

„Und wie geht es ihm jetzt?“, fragte Minako erneut.

„Hmmm…“ Yaten überlegte kurz. „Ich glaube, er war schon froh, dass Bunny ihm nicht böse war. Aber andererseits ist er auch ganz schön fertig. Er muss halt damit leben, dass zwischen ihm und Bunny nie mehr sein wird und das nimmt ihn doch ganz schön mit. Mehr als ich dachte.“

„Seiya liebt sie wirklich… oder?“, fragte Minako. Yaten nickte bedächtig.

„Sie ist seine große Liebe.“, bestätigte er. „Er sagte, dass er sofort um sie kämpfen würde, wenn er auch nur den Hauch einer Chance sehen würde.“

Minako stieß einen spitzen Schrei aus und schlug sich die Hand vor den Mund. Yaten schrak kurz zusammen und sah sie dann fragend an.

„Was ist?“

„Nichts!“, winkte Minako sofort ab und lachte nervös. Yaten runzelte die Stirn. So einfach konnte Minako ihn nicht abwimmeln.

„Du schreist doch nicht wegen nichts.“, sagte er skeptisch. „Was ist los?“

Nervös knetete Minako ihre Hände und überlegte angestrengt, ob sie es ihm erzählen sollte oder nicht. Sie sah sich um, als würde sie überprüfen, ob auch wirklich niemand in der Nähe war, der sie belauschen konnte, bevor sie sich etwas zu ihm vorbeugte. Yaten tat es ihr gleich.

„Bunny hat gesagt, dass sie vielleicht wirklich Gefühle für Seiya hat.“, flüsterte sie leise. Yaten sah sie mit vor Überraschung geweiteten Augen an.

„Was?“, fragte er beinahe schon schockiert nach. Minako nickte kräftig.

„Das ist, was sie gesagt hat!“

Yaten lehnte sich nach hinten und schaute entgeistert ins Leere. Konnte es tatsächlich sein, dass Bunny auch Gefühle für Seiya hatte? Und was würde dieser wohl tun, wenn er davon wüsste?

„Aber du darfst niemanden etwas davon erzählen!“, beeilte Minako sich zu sagen.

„J-ja…“, bestätigte Yaten von dieser Neuigkeit noch immer wie in Trance. Er schwieg eine Weile, bevor er sich wieder an Minako wendete.

„Glaubst du, er hätte eine Chance bei ihr?“, fragte er und bemühte sich nicht einmal, die Hoffnung, die er für seinen Bruder hatte, zu verbergen.

„Ich weiß nicht.“, antwortete Minako zögerlich. „Ich glaube schon, dass Bunny ihn wirklich mehr mag als nur einen Freund. Aber sie ist durch die Zukunft mit Kristalltokyo und Chibiusa schon sehr an Mamoru gebunden.“

„Liebt sie ihn denn überhaupt noch?“, fragte er und war sich durchaus bewusst, dass so eine Frage, überhaupt das ganze Thema, sehr untypisch für ihn war.

„Auch schwer zu sagen.“, erwiderte Minako. „Ich denke, dass sie zumindest glaubt, dass sie ihn noch liebt. Ich denke, dass Bunny sich nicht so einfach eingestehen könnte, dass sie keine Gefühle mehr für Mamoru hat. Aber vielleicht liebt sie ihn auch wirklich noch…“

Yaten seufzte. Er war nicht gerade ein Experte, wenn es um solche Dinge wie Gefühle ging. Selbst seine eigenen Gefühle konnte er nicht immer richtig deuten. Wie sollte er das dann bei anderen schaffen? Seiya trug sein Herz auf der Zunge und hatte keine Scheu davor, allen mitzuteilen, dass er Bunny liebte. Ansonsten hätte er von den Gefühlen seines Bruders vermutlich ebenso keine Ahnung.

 

 

 

Seiya saß auf der kleinen Couch in seinem Zimmer und starrte auf sein Handy. Er wusste, dass Mamoru am vorigen Tag Geburtstag hatte und hatte sich den ganzen Tag nicht getraut, sich bei Bunny zu melden. Er hatte Angst gehabt, dass sie ihm gar nicht antworten würde, weil Mamoru in dem Moment wichtiger war, oder sie zwar antwortete, aber nur um ihm zu sagen, dass sie bei Mamoru war und grad keine Zeit hatte.

Doch Mamorus Geburtstag war vorbei. Es war Samstagnachmittag und er war alleine zu Hause. Taiki war in der Bibliothek und Yaten hatte unerklärlicherweise einer Verabredung mit Minako zugestimmt. Er hingegen hatte den ganzen Tag nichts getan und starrte nun schon minutenlang auf das Display seines Handys und versuchte, den Mut zusammenzubekommen, Bunny zu schreiben. Seit ihrer Aussprache einige Tage zuvor hatten sie nicht mehr miteinander geredet.

Hey Bunny, fing er an zu tippen, löschte es jedoch sofort wieder. Er wollte versuchen, möglichst normal zu wirken. Er fing nochmal von vorne an.

 

Hey Schätzchen. Wie geht’s dir

so? Was machst du grad?

Taiki und Yaten sind weg und

mir ist langweilig. ;-)

 

Er las sich die Nachricht gefühlte 100 Mal durch und entschied dann, dass er mit so einer SMS eigentlich nicht viel falsch machen konnte. Er hatte zwar ein komisches Gefühl, sie mit Schätzchen anzureden, fände es allerdings noch eigenartiger, wenn er sie plötzlich Bunny nennen würde.

Nachdem er die Nachricht abgeschickt hatte, legte er das Handy neben sich und lehnte sich zurück. Krampfhaft versuchte er, sich zu entspannen, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte. Die Nervosität wegen der ausstehenden Antwort Bunnys machte das Entspannen unmöglich.

Nach einigen Minuten vibrierte sein Handy.

 

Hey Seiya! :-)

Mir geht’s gut und dir? Ich bin

mit Makoto im Gamecenter. Komm

doch auch!

 

Seiya atmete auf. Eine ganz normale SMS. Nichts Krampfhaftes, nichts Merkwürdiges. Sogar eine Einladung doch auch zum Gamecenter zu kommen! Er überlegte kurz, bevor er antwortete.

 

Ich mach mich sofort auf den

Weg! Lauft nicht weg! :-D

 

Er überflog die Nachricht noch einmal und schickte sie dann ab.

 

Eine halbe Stunde später stand er vor dem Gamecenter. Sein Herz klopfte schnell gegen seine Brust. Er war nervös. So sehr er sich darauf freute, sein Schätzen wiederzusehen, so sehr fürchtete er sich auch davor, dass es eben doch nicht normal zwischen ihnen sein würde.

Er holte einmal tief  Luft, bevor er durch die automatische Tür trat und schon auf den ersten Blick Bunny und Makoto entdecken konnte. Sie saßen sich gegenüber und spielten ein Beat’em up. Bunnys Schreien nach zu urteilen, verlor sie gerade. Als Seiya zu ihr herüberging und schließlich hinter ihr stand, leuchtete ein großes Game Over auf ihrem Bildschirm auf und sie ließ den Kopf hängen.

„Das muss aber noch besser werden.“, sagte Seiya grinsend und schaute ihr über die Schulter. Bunny schrak auf und drehte sich zu ihm um. Er verschränkte die Arme und grinste sie lässig an, obwohl er sich innerlich bei weitem nicht so locker fühlte, wie er sich gab.

„Seiya!“, rief sie aus und ihr Gesicht hellte sich auf. Seiyas Herz explodierte fast, als sie die Arme um ihn schlang, um ihn zu begrüßen. Es war die gleiche Umarmung, die er zur Begrüßung immer von ihr bekam, und dennoch hatte sie eine solche Wirkung auf ihn. Er erwiderte die  Umarmung kurz, bevor er sich Makoto zuwendete und auch sie begrüßte. Er wagte es kaum, Bunny anzusehen, so nervös war er. Wie sollte das bloß weitergehen?

 

„Nein, Schätzchen!“, rief Seiya aus und beugte sich halb über sie, um die Knöpfe auf ihrem Gamepad zu erreichen. Sie war gerade dabei, schon wieder gegen Makoto zu verlieren, und Seiya konnte es nicht länger mit ansehen. Mittlerweile hatte er sogar seine Nervosität vergessen. Für ihn ging es gerade nur darum, eine vernichtende Niederlage abzuwenden.

Überrascht von Seiyas plötzlichem Eingreifen sah Bunny zu ihm auf. Sein Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter vor ihrem und sah konzentriert auf den Bildschirm. Sie spürte seinen Oberkörper an ihrer Seite und seine Hand berührte ihre beim Drücken der Knöpfe. Als sie diese Nähe realisierte, machte ihr Herz einen Riesensatz und ihr schoss die Hitze in die Wangen. Schnell wendete sie den Blick wieder ab, doch schon blinkte auf ihrem Bildschirm erneut ein großes Game Over auf. Sie hatte vergessen, auf das Spiel zu achten und den Joystick zu bewegen.

„Was machst du denn, Schätzchen?“, fragte Seiya und sah sie nun auch an. Erst jetzt bemerkte er, wie nah er ihr eigentlich war, und er konnte ganz deutlich die Röte ihrer Wangen erkennen. Schnell wich er zurück, konnte jedoch nicht verhindern, dass auch er rot wurde.

„Sorry.“, murmelte er und legte verlegen die Hand in den Nacken. Sie nickte nur und startete einen weiteren Kampf gegen Makoto, wobei ihre Wangen jedoch immer noch rot schimmerten. Seiya hielt sich dieses Mal zurück. In seinen Gedanken konnte er grad sowieso nur ein einziges Bild sehen, nämlich Bunnys Gesicht mit den geröteten Wangen. Wieso hatte sie so geschaut? Warum hatte sie so auf seine Nähe reagiert?

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Doch sein Herz schlug unaufhörlich mit erhöhter Frequenz gegen seine Brust. Warum brachte sie ihn immer wieder so aus der Fassung? Und warum machten ihm gerade solche Momente immer wieder bewusst, dass er sie niemals haben konnte, egal wie sehr er es sich wünschte? Warum wurde sein Herz immer wieder in Stücke gerissen?

My resistance crumbles, I stumble, I fall

„Komme schon!“, rief Minako dem Telefon zu, das schon eine Weile klingelte. Sie war gerade durch die Tür gekommen, nachdem sie mit Yaten im Kino gewesen war und sie sich zu ihrer Freude ausgesprochen gut verstanden hatten.

„Aino!“, meldete sie sich etwas außer Atem.

„Hallo Minako?“, hörte sie am anderen Ende der Leitung. „Hier ist Makoto.“

„Hallo Makoto!“, antwortete Minako und ging gleichzeitig hinüber ins Wohnzimmer, um es sich etwas gemütlicher zu machen. Wenn ihre Eltern da waren, ging sie lieber in ihr Zimmer, aber meistens war sie sowieso alleine.

„Was gibt’s?“, fragte Minako, die tatsächlich gespannt war, wieso Makoto sie so spät noch anrief.

„Also…“, druckste Makoto ein wenig herum. „Sag mal… ist dir bei Bunny in letzter Zeit etwas aufgefallen?“

Minako wurde hellhörig. Die letzten Tage hatte sie tatsächlich fast nur über Bunny nachgedacht. Zumindest in der Zeit, in der sie nicht gerade an Yaten gedacht hatte.

„Ähm…“, machte Minako. „Was meinst du?“

Sie wusste nicht genau, worauf Makoto hinaus wollte und was sie wusste. Vermutlich war es besser, erst mal nichts zu verraten.

„Naja… Ich war heute mit Bunny im Gamecenter.“, begann Makoto zu erklären. „Und irgendwann kam Seiya dann noch dazu.“

Also doch! Es ging tatsächlich um Seiya. Gespannt presste Minako das Telefon gegen ihr Ohr.

„Und irgendwie…“, fuhr Makoto fort. „Kam Bunny mir in seiner Nähe etwas… komisch vor. Ich meine… dass Seiya sie liebt, wissen wir ja. Aber Bunny hat auch ganz komisch auf ihn reagiert. Seit dem Sommerfest eigentlich.“

„Sie hat komisch reagiert?“, fragte Minako aufgeregt.

„Ja, ich meine… Also einmal hat Seiya ihr wohl beim Spielen geholfen und sich so zu ihr gelehnt… Bunny ist ganz rot geworden und war dann auch ganz verlegen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie auch in Seiya verliebt ist.“

 

Gerade wollte Makoto diese Vermutung lachend abtun, da das ja nun wirklich absurd war, da kreischte Minako laut ins Telefon. Erschrocken hielt Makoto den Telefonhörer etwas von ihrem Ohr entfernt, bis Minako aufhörte zu kreischen.

„Was ist denn in dich gefahren?“, fragte Makoto perplex.

„Also…“, druckste Minako herum, bevor sie etwas leiser und mit verschwörerischer Stimme weitersprach. „Du liegst da gar nicht so falsch.“

Makotos Augen weiteten sich. Sie lag da gar nicht so falsch? Sollte Bunny am Ende doch etwas für Seiya empfinden?

„Mir ist dieses merkwürdige Verhalten nach dem Sommerfest natürlich auch aufgefallen.“, fuhr Minako nun fort. „Und… du wirst es nicht glauben… Seiya hat sie geküsst!“

Makoto ließ den Hörer beinahe fallen.

„WAS?“, fragte sie geschockt.

„JA!“, bestätigte Minako nochmal. „Anscheinend hat er selbst gar nicht so richtig realisiert, was er da tut, und als er es doch gemerkt hat, hat er sofort aufgehört und sich bei Bunny entschuldigt. Aber seitdem merkt sie langsam, dass sie vielleicht doch mehr für ihn empfindet als nur Freundschaft.“

Makoto konnte es kaum fassen. Ausgerechnet Bunny sollte sich in einen anderen Mann als ihren Freund verlieben? Ihre Bunny? Ihre Prinzessin, deren Schicksal seit so langer Zeit vorherbestimmt war? Die ihr ganzes Leben mit diesem einen Mann verbringen sollte?

„B-bist du dir da auch ganz sicher?“, fragte Makoto lieber noch einmal nach.

„Absolut!“, antwortete Minako sofort. „Bunny hat es mir am Telefon gebeichtet! Ich sollte es aber niemandem weitersa… oh… Naja, bitte erzähl es niemandem!“

„Und was hat sie nun vor?“, fragte Makoto, die diese Neuigkeit ganz schön umhaute.

„Keine Ahnung.“, antwortete Minako. „Ich glaube, bisher hat sie gar nichts vor. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sie so plötzlich mit Mamoru Schluss macht und dann auf einmal mit Seiya zusammen ist.“

„Nein…“, stimmte Makoto ihr zu. „Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich meine, wir haben die Zukunft doch gesehen! Heißt das nicht, dass sie das mit Seiya überwinden wird und alles so passiert, wie es sollte? Sie heiratet Mamoru, die beiden werden König und Königin von Kristalltokyo und Chibiusa wird geboren?“

Minako seufzte.

„Ich weiß es nicht.“, antwortete sie etwas vage. „Ich bin mir nicht sicher, ob diese Zukunft sich nicht doch ändern lässt. Ich meine, vielleicht hat sie sich ja schon längst geändert… Wir wissen nicht, ob sich vielleicht dadurch, dass Chibiusa in unsere Zeit gekommen ist, schon etwas geändert hat. Denk nur an Nehelenia und ihre Suche nach dem goldenen Traumspiegel. Wenn Chibiusa nicht in unserer Zeit gewesen wäre, wäre alles anders verlaufen. Vielleicht hätten wir dann die Star Lights auch niemals kennengelernt. Und dann hätte sich Seiya nie in Bunny verliebt und Bunny hätte sich damit auch nie beschäftigen müssen…“

Makoto gab es nur ungern zu, aber Minako hatte vermutlich recht. Es könnte durchaus sein, dass sich die Zukunft schon längst geändert hatte. Und das ausgerechnet Minako sich solche Gedanken darüber machte, hieß wohl, dass es durchaus ernster war, als sie zunächst vermutet hatte.

„Und was passiert, wenn Bunny sich von Mamoru trennt und sich für Seiya entscheidet?“, fragte Makoto unruhig.

„Hm…“, machte Minako überlegend. „Das kann wohl keiner so genau wissen… Ich weiß nur, dass ich Bunny glücklich sehen möchte. Und ich werde auf ihrer Seite stehen, egal für wen sie sich entscheidet. Und egal, was das für unsere Zukunft bedeutet.“

„Das werde ich auch.“, erwiderte Makoto sofort. Das war wohl außer Frage! Natürlich war Makoto das Glück ihrer Freundin und Prinzessin wichtiger als alles andere.

„Wir können wohl nur abwarten.“, vermutete Minako. „Das ist eine Sache, die nur Bunny entscheiden kann.“

 

 

Bunny lag derweil auf ihrem Bett und starrte gedankenverloren an die Decke. Was war das heute nur schon wieder gewesen? Sie hatte sich doch vorgenommen, mit Seiya wieder so umzugehen wie früher! Vor dem Kuss! Bevor ihre Gefühle in Bezug auf ihn so verrückt gespielt hatten! Doch kaum war er ihr auch nur ein bisschen nahe gekommen, hatte sie die Fassung verloren. Dabei hatte er ihr doch nur bei ihrem Spiel helfen wollen.

Sie seufzte und drehte sich auf die Seite. Wie sollte das nur weitergehen? Ständig kreisten ihre Gedanken nur um Seiya und immer wieder tauchte auch der Kuss vor ihrem geistigen Auge auf, der so schnell wieder vorbei gewesen war, dass sie es kaum realisiert hatte. Und dennoch stellte sie sich immer wieder das Gefühl seiner Lippen auf ihren vor.

Ruckartig setzte sie sich auf und schüttelte den Kopf. Solche Gedanken musste sie schnell loswerden! Sie wusste genau, dass Seiya nicht der Mann war, an den sie denken sollte. Sie griff nach ihrem Handy und begann zu tippen.

 

Hallo Mamoru.

Was machst du gerade so? Ich

vermisse dich.

Bunny

 

Sie hielt das Handy weiterhin in ihrer Hand, auch nachdem sie die SMS längst abgeschickt hatte und das Display sich wieder verdunkelt hatte. Beinahe schon krampfhaft versuchte sie, sich auf Mamoru zu konzentrieren, sich sein Gesicht vorzustellen und wie es war, von ihm geküsst zu werden. Doch gerade weil sie sich so dazu zwang, mochte es ihr nicht so ganz gelingen. Immer wieder tauchte Seiyas Gesicht vor ihrem inneren Auge auf.

Endlich das erlösende Vibrieren ihres Handys. Hastig öffnete sie die gerade eingegangene Nachricht und begann zu lesen.

 

Hi Bunny.

Ich muss bis morgen noch einen

Bericht schreiben und bin

deshalb gerade etwas

beschäftigt.

Mamoru

 

Enttäuscht ließ sie ihr Handy sinken. Das war’s? Natürlich war er gerade beschäftigt. Er war immer beschäftigt. Er hatte immer einen Bericht fertig zu schreiben oder zu lernen oder zu arbeiten. Schnell tippte sie noch eine Nachricht.

 

Viel Erfolg damit und schlaf

nachher gut!

 

Dieses Mal ließ die Antwort nicht lange auf sich warten, doch sie war mindestens genauso enttäuschend.

 

Danke. Du auch.

 

Bunny ärgerte sich. Sie ärgerte sich über Mamorus knappe Antworten und darüber, dass er nie Zeit hatte, aber auch über sich selbst, dass sie etwas erwartet hatte. Frustriert ließ sie das Handy auf die weiche Matratze fallen, von der es noch einmal kurz abfederte und dann zwei Zentimeter weiter links zum Liegen kam.

Noch bevor sie jedoch einen weiteren Gedanken hatte fassen können, griff sie schon wieder nach dem Handy und begann erneut, eine Nachricht zu schreiben.

 

 

 

Zusammen mit Yaten und Taiki saß Seiya auf dem großen Sofa ihres gemeinsamen Wohnzimmers und starrte auf den Fernseher, in dem gerade irgendeine Wissenschaftssendung lief. Taiki hatte sich durchgesetzt. Yaten hatte die Augen geschlossen und atmete verdächtig ruhig. Er selbst bekam kaum etwas von dem mit, was auf dem Bildschirm ablief. Erst das Klingeln seines Handys riss ihn aus seiner Trance. Er zog es aus der Hosentasche und sah auf das Display. Eine neue Nachricht von Bunny. Ohne dass er es hätte verhindern können, machte sein Herz einen Satz. Er öffnete die Nachricht.

 

Hey Seiya.

Was machst du so? Es hat

Spaß gemacht heute im

Gamecenter. :-)

Bunny

 

Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf Seiyas Lippen aus. Sofort begann er, eine Antwortnachricht zu schreiben.

 

Hi Schätzchen.

Ich schau mit Taiki und Yaten fern.

Das heißt, Taiki schaut fern,

Yaten pennt und ich war in

Gedanken irgendwie woanders. :-D

Und was machst du so?

Mir hat es auch viel Spaß gemacht

heute. :-)

 

Zufrieden behielt Seiya das Handy in der Hand, um so jederzeit bereit zu sein, zu antworten, wenn Bunny wieder schrieb. Ja, es war schwierig für ihn mit Bunny für immer auf dieser rein freundschaftlichen Ebene bleiben zu müssen, aber gleichzeitig freute er sich über jeden Funken Aufmerksamkeit, den er von Bunny bekam.

 

 

Bunny konnte nicht anders, als Mamorus und Seiyas Antworten auf ihre SMS zu vergleichen. So knapp und trocken Mamorus Nachricht gewesen war, so ausführlich und freundlich war die Seiyas. Sie seufzte. Aus einer Laune heraus hatte sie Seiya geschrieben. Warum hatte sie das getan? Hatte sie nicht von Anfang an gewusst, dass seine Antwort so viel freundlicher ausfallen würde? Hatte sie genau das provozieren wollen? Die Bestätigung haben wollen, dass Seiya ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte?

Sie fühlte sich schlecht. Sie hatte Schuldgefühle, dass sie so etwas dachte. Dass sie Seiya und Mamoru miteinander verglich. Sie ärgerte sich über Mamorus abweisende Art und freute sich gleichzeitig über die liebe Art Seiyas.

Sie versuchte, diese negativen Gedanken nach hinten zu schieben und machte sich daran, eine weitere SMS zu tippen.

 

Ich mach grad eigentlich gar

nichts. Mir ist langweilig und da

dachte ich mir, ich schreib dir

mal. :-) Ich hoffe, ich störe dich

grad nicht.

Vielleicht hast du ja nochmal

Lust, ins Gamecenter zu gehen?

 

Sie wusste genau, dass sie Seiya nicht störte. Seiya würde sich immer über eine Nachricht von ihr freuen und sich immer die Zeit nehmen, ihr zu antworten. Da war sie sich sicher. Wie konnte sie sich da so sicher sein? Weil Seiya sagte, dass er sie liebte? Nein. Das war es nicht. Es war einfach seine ganze Art, sein Charakter, seine Offenheit, einfach er. Sie konnte sich so sicher sein, weil er so war, wie er war.

Ihr Handy vibrierte.

 

Quatsch, du kannst mich gar nicht

stören, Schätzchen! Für dich habe

ich immer Zeit! ;-)

Ich würde gern nochmal mit dir

ins Gamecenter gehen.

Hast du nächste Woche Zeit? Ich

möchte dir gern etwas zeigen. ;-)

 

Noch während sie die Nachricht las, bildeten sich Tränen in ihren Augen. Sie verzweifelte immer mehr. Wieso war es Seiya, der sie so liebevoll behandelte? Wieso war immer er es, der für sie da war? Ihr Aufmerksamkeit schenkte? Wieso konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken?

Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und konzentrierte sich wieder auf die SMS.

 

Danke Seiya…

Ja, ich habe nächste Woche Zeit und

ich freu mich, wenn wir uns sehen

können.

Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht

und schlaf schön!

 

 

 

Seiya las sich die Nachricht durch, die gerade angekommen war. Aus irgendeinem Grund war der fröhliche Ton, den Bunny noch in den letzten Nachrichten angeschlagen hatte, in dieser hier nicht mehr zu erkennen. Er legte die Stirn in Falten. War etwas nicht in Ordnung bei Bunny? Oder bildete er sich nur etwas ein? Er überlegte etwas, bevor er antwortete.

 

Nichts zu danken, Schätzchen…

Wenn etwas ist, bin ich immer für

dich da. Ok?

Dann freu ich mich auf nächste

Woche!

Schlaf du auch schön!

 

 

 

Bunny lag eingerollt auf der Seite und hatte die Decke so weit es ging nach oben gezogen, während sie ihr Handy in der Hand hielt und die SMS las, die Seiya ihr gerade geschickt hatte. Stumme Tränen bahnten sich den Weg aus ihren Augen und ihre Wangen hinab, bis sie lautlos auf das Laken herabtropften.

Selbst durch so eine SMS schien Seiya erkennen zu können, wenn etwas mit ihr nicht Ordnung war. Wieso nur er? Wieso nicht Mamoru? Es war einfach nicht fair…

Und obwohl sie sich immer dagegen gewehrt hatte, so konnte sie doch nichts dagegen tun, dass diese Mauer des Widerstands und des Leugnens langsam immer weiter in sich zusammenfiel. Ja, sie empfand deutlich mehr für Seiya, als sie sollte, und sie sah keine Möglichkeit mehr, dies noch länger abzustreiten.

Maybe I'm afraid of the way I love you

Bunny sah auf die Uhr. Sie war spät dran. Schnellen Schrittes lief sie durch die Straßen auf dem Weg zum Park, wo sie Seiya treffen wollte, der ihr, wie vorher schon angekündigt, etwas zeigen wollte. Sie war sehr gespannt, was es war, und auch sonst freute sie sich darauf, ihn zu sehen. Und dennoch hatte sie es wieder einmal nicht geschafft, das Haus pünktlich zu verlassen. Wieso musste sie auch immer so trödeln?

„Da bist du ja.“, hörte sie Seiyas Stimme, als sie endlich atemlos vor ihm stand. Die letzten Meter war sie gerannt.

„Hi…“, keuchte Bunny. Seiya sah sie fragend an.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

„Ja…“, stieß Bunny aus. „Alles… in Ordnung. War… spät dran… bin… gerannt… uff!“

Erschöpft ließ sie sich auf die Bank fallen, auf der Seiya kurz vorher noch auf sie wartend gesessen hatte. Schmunzelnd setzte er sich neben sie.

„Hier.“, sagte er und hielt ihr eine kalte Dose Cola an die Stirn.

„Ahh…“, seufzte Bunny auf und nahm ihm die Dose aus der Hand. „Vielen Dank.“

Kurz presste sie sie noch gegen ihre Wange, bevor sie die Dose öffnete und einen erfrischenden Schluck nahm. Seiya sah ihr vergnügt dabei zu, bevor er seine eigene Dose ebenfalls öffnete und trank.

„Also!“, wendete sich Bunny, deren Atem sich mittlerweile wieder beruhigt hatte, an Seiya. „Was wolltest du mir zeigen?“

Seiya sah in Bunnys große Augen, die ihre Neugier und Aufregung deutlich zeigten, und schmunzelte.

„Nicht so neugierig, Schätzchen.“, tadelte er sie gespielt. Bunny zog einen Schmollmund.

„Aber ich möchte es doch wissen…“, murmelte sie, was Seiya zum Lachen brachte.

„Ok, ok.“, gab er nach und zog einen Diskman hervor. Er reichte Bunny die Kopfhörer.

„Erinnerst du dich an das Lied, das ich dir einmal vorgespielt habe?“, fragte er. „Das ich grad erst geschrieben hatte?“

Bunny nickte bestätigend. Klar erinnerte sie sich daran. Er hatte in ihrem Zimmer gesessen und ihr auf seiner Gitarre das Lied vorgespielt, während er dazu gesungen hatte. Wie konnte sie so einen Moment vergessen?

„Das ist jetzt die fertige Studioversion.“, erklärte Seiya grinsend.

„Wow!“, rief Bunny aus. Irgendwie war das aufregend. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er dieses Lied nur im Kopf und vielleicht auf einem Stück Papier gehabt. Und nun war es ganz professionell in einem Studio aufgenommen worden und auf eine CD gebrannt.

Gespannt setzte sie die Kopfhörer auf und Seiya drückte für sie auf Play. Schon ertönte die ihr bereits bekannte Melodie und bald darauf auch Seiyas Stimme. Sie lächelte.

Während sie dem Lied lauschte, spürte sie ihr eigenes Herz. Unwillkürlich sah sie Seiya an, der gerade einen Schluck Cola aus seiner Dose trank und ein Bein angewinkelt und auf die Kante der Bank, auf der sie saßen, gestellt hatte. Bunnys Lächeln verblasste langsam, ohne dass sie selbst sich dessen bewusst war.

Sie vergaß alles um sich herum, hörte nur noch seine Stimme, sah nur noch sein Gesicht, spürte nur noch ihr eigenes Herz, das in diesem Moment nur um seinetwillen zu schlagen schien. Die letzten Zeilen des Liedes ertönten.

 

Oh Girl 

You stand by me 

I'm forever yours 

Faithfully 

 

Genau in diesem Moment blickte Seiya zu ihr hinüber und fing ihren Blick auf. Sie sah seine strahlendblauen Augen, seine gerade Nase, seine Lippen,… Sie konnte ihren Blick nicht abwenden.

Erst als die letzten Töne verklungen waren, wurde sie zurück in die Realität gezogen. Sofort wandte sie den Blick ab. Ihre Wangen verfärbten sich leicht, während sie die Kopfhörer abnahm.

„Und?“, fragte Seiya und sah sie erwartungsvoll an. „Gefällt’s dir?“

„Es ist toll…“, antwortete Bunny etwas leise und ohne ihn anzusehen. Noch immer spürte sie ihr eigenes Herz. Innerlich redete sie auf sich selbst ein. Das hatte alles nur an diesem Lied gelegen! Es war ein romantisches Lied und sie mochte Seiya sehr! Nur deshalb hatte sie so reagiert. Es war nicht so, als wären ihre Gefühle für ihn so stark. Sie waren nicht mit denen für Mamoru zu vergleichen!

„Alles in Ordnung, Schätzchen?“, fragte Seiya mit besorgter Stimme und beugte sich so zu ihr herüber, dass sie seinem Blick kaum noch ausweichen konnte. Ihr Herz machte einen Hüpfer, ohne dass sie es kotrollieren konnte. Mittlerweile konnte sie die Hitze in ihrem Gesicht bereits spüren.

„A-alles in Ordnung!“, wehrte sie sofort ab. Seiya lehnte sich wieder etwas von ihr zurück. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass er lächelte.

„Das Lied gefällt dir also?“, fragte er.

„Ja.“, antwortete Bunny sofort und beschloss, sich endlich wieder am Riemen zu reißen. „Es ist wirklich sehr schön.“

„Es freut mich, dass es dir gefällt, Schätzchen.“, sagte er, während er sich nach hinten lehnte und auf einen unbestimmten Punkt im Himmel sah. „Weißt du… ich habe an dich gedacht, als ich das Lied geschrieben habe.“

Da war es wieder… Erneut hatte ihr Herz einen Hüpfer gemacht und das gerade, nachdem sie beschlossen hatte, sich am Riemen zu reißen.

„An mich?“, fragte sie mit roten Wangen. Seiya drehte sich lächelnd zu ihr.

„Ja, an dich.“, bestätigte er. „Deshalb wollte ich auch, dass du die erste bist, die es hört.“

Bunny wusste nicht so recht, was sie dazu sagen sollte. Sie wusste ja nicht einmal, wie sie sich fühlen sollte. Seine Worte machten sie unglaublich glücklich und zur selben Zeit schmerzten sie sie sehr. War es seinetwegen? Weil sie ihn abweisen musste und ihm damit wehtat? Oder war es ihretwegen? Weil sie ihn abweisen musste und sich damit selbst wehtat…

Hastig stand sie auf und ging drei Schritte, bevor sie abrupt wieder stehen blieb.

„Schätzchen?“, fragte Seiya verwirrt.

Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Auf keinen Fall wollte sie, dass er gerade ihr Gesicht sah. Ihre Augen waren schreckensgeweitet und ihre Wangen dunkelrot. Sie hatte ihre Hände an ihre Wangen gelegt und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

 

„Hey Schätzchen…“, versuchte Seiya es erneut. Was war denn los mit ihr? Er stand auf und ging auf sie zu.

„Warte!“, rief sie verzweifelt aus. Er blieb stehen.

„Was ist denn los?“, fragte er vorsichtig und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Was war los? Warum verhielt sie sich so eigenartig? Wieso sah sie ihn nicht an? Wieso sollte er sich ihr nicht nähern? Hatte er etwas Falsches gesagt oder getan? Es dauerte ein paar Sekunden, bis Bunny endlich antwortete.

„Ich…. ähm…“, stotterte sie. „Ich fühl mich grad nicht so gut.“

Seiya stutzte. War das der Grund, wieso sie sich so eigenartig verhielt? Er war versucht, ganz zu ihr herüber zu gehen, sie anzusehen, doch er traute sich nicht.

„Kann ich etwas für dich tun?“, fragte er stattdessen. Bunny schüttelte energisch den Kopf, wobei ihre langen blonden Zöpfe hin und her flogen.

„Nein.“, sagte sie dann. „Ich… muss nur ein paarmal tief durchatmen.“

Er hörte, wie sie die Luft tief einsog und dann wieder ausstieß, und sah, wie sich ihr Oberkörper dabei bewegte. Hilflos stand er da und beobachtete sie. Er schwieg und wartete darauf, dass sie sich wieder zu ihm umdrehte oder zumindest mit ihm sprach.

Einige Sekunden vergingen, bevor sie sich tatsächlich wieder zu ihm drehte. Ihre Wangen waren gerötet und sie hatte einen etwas gequälten Gesichtsausdruck, während sie versuchte, zu lächeln.

„Schätzchen…“, sagte er leise und sah sie besorgt an. „Geht’s dir wieder besser?“

 

Bunny zwang sich dazu, zu lächeln. Sie versuchte, sich von seinem besorgten Gesichtsausdruck nicht wieder aus der Fassung bringen zu lassen. Sie kämpfte gegen die in ihr aufsteigenden Gefühle an, die für sie gerade vollkommen überraschend auf sie eingeprasselt waren.

„Es geht schon wieder.“, antwortete sie und traute sich kaum, Seiya ins Gesicht zu sehen.

„Hmm…“, machte Seiya und sah dabei wenig überzeugt aus. „Möchtest du lieber wieder nach Hause?“

„Nein!“, sagte Bunny sofort. „Nein, ich… würde gern noch ein wenig Zeit mit dir verbringen.“

Sie konnte kaum verhindern, dass sich ihr Herzschlag bei ihren eigenen Worten erneut ein wenig beschleunigte. Aber es war wahr. Sie wollte noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen, selbst wenn sie gleichzeitig Angst hatte, dass das etwas mit ihr anrichten würde, was irgendwann nicht mehr rückgängig zu machen war.

„Okay.“, stimmte Seiya zu und lächelte sie an. Er schnappte sich seinen Rucksack, in dem er auch den Diskman verstaut hatte, und gemeinsam gingen sie in Richtung Stadt.

 

 

Nachdem sie in einem Café gesessen hatten und Bunny einen Eistee getrunken hatte, der sie wieder etwas abgekühlt hatte, waren sie noch einmal wie schon ein paar Tage zuvor mit Makoto ins Gamecenter gegangen. Als Bunny vor den Spielautomaten saß war sie endlich wieder die alte. Sie kämpfte und schimpfte und lachte und verlor am Ende doch meistens gegen Seiya, obwohl er sich Mühe gab, sie nicht ganz so vernichtend zu schlagen.

 Erst als es langsam dämmerte, machten sie sich auf den Heimweg. Als echter Gentleman begleitete Seiya sie natürlich nach Hause.

 

Bunny war froh, dass sie es nach dem Eistee und besonders den Spielen im Gamecenter geschafft hatte, sich unter Kontrolle zu bringen und sich von ihren verwirrenden und beinahe schon furchteinflößenden Gefühlen und Gedanken abzulenken. Erst jetzt, da sie still neben Seiya her lief, kehrte eine gewisse Unruhe in sie zurück.

„Hattest du denn Spaß heute?“, fragte Seiya sie nun und sah sie aufmerksam an.

„Ja.“, antwortete Bunny sofort und lächelte. „Und du?“

Er erwiderte das Lächeln. „Ich auch.“

 „Nächstes Mal schlage ich dich!“, rief Bunny herausfordernd aus und schwang drohend die Faust. Seiya lachte.

„In deinen Träumen vielleicht!“, nahm er die Herausforderung an.

„Du wirst schon sehen.“, erwiderte Bunny nun ebenfalls lachend. Sie liebte es, mit Seiya herumzualbern, so wie sie es nur mit ihm konnte. Sie liebte es, mit ihm zu lachen. Sie liebte es, Zeit mit ihm zu verbringen. Und genau das machte ihr Angst.

 

Als sie schließlich vor Bunnys Haustür standen, war die Zeit gekommen, sich zu verabschieden. Bunny drehte sich zu ihm um.

„Danke für den schönen Tag.“, sagte sie lächelnd.

„Ich danke dir!“, erwiderte Seiya ebenfalls lächelnd.

Bunny zögerte etwas. Es machte sie nervös, so mit ihm hier zu stehen. Wie sollte sie sich von ihm verabschieden? Wie hatte sie sich sonst immer von ihm verabschiedet? Doch noch bevor sie diese Gedanken zu Ende führen konnte, hatte Seiya schon den ersten Schritt getan und seine Arme um sie gelegt.

Instinktiv schloss Bunny die Augen und atmete seinen Duft ein. Er roch nach einer Mischung aus seinem Duschgel, Deo und einfach Seiya. Sie erwiderte die Umarmung, doch noch bevor sie dazu eigentlich bereit war, war sie schon wieder vorbei. Natürlich. Es war eine freundschaftliche Umarmung zum Abschied. Und die dauerten nun mal nicht so lange.

„Gute Nacht, Schätzchen.“, sagte er mit einem leicht schiefen Grinsen.

„Gute Nacht.“, antwortete auch Bunny und zögerte kaum merklich, bevor sie sich von ihm wegdrehte und die Tür aufschloss.

„Ähm… Schätzchen!“, hielt Seiya sie zurück. Sie drehte sich noch einmal um und sah, wie Seiya in seinem Rucksack kramte. Er zog einen großen braunen Umschlag hervor und hielt ihn ihr entgegen. Verwundert nahm sie ihn an.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Wirst du schon sehen.“, antwortete er vage und zeigte ihr erneut ein schiefes Grinsen, welches ihm einen etwas gequälten Gesichtsausdruck verlieh. Oder bildete sie sich das nur ein?

„Mach’s gut, Schätzchen.“, verabschiedete er sich noch mal.

„Du auch…“, erwiderte Bunny etwas verwirrt. Seiya drehte sich um und hob zum Abschied noch einmal die Hand, bevor er das Grundstück wieder verließ und bald schon aus Bunnys Sichtfeld verschwunden war.

 

Noch immer verwundert aber mittlerweile auch neugierig ging Bunny rein und verschwand, nachdem sie ihre Eltern begrüßt hatte, zusammen mit dem Umschlag in ihr Zimmer. Sie setzte sich auf das Bett und öffnete ihn. Sie zog eine Zeitschrift hervor. Auf dem Titelblatt war eine junge Schauspielerin, deren neuester Kinofilm demnächst Premiere haben würde, zu sehen. SEREBURITI stand in großen Lettern über ihrem Kopf und verkündete damit den Titel der Zeitschrift.

Bunny verstand sofort, worum es ging. Eine Seite war eingeknickt und ohne sich um die anderen Artikel zu kümmern, schlug sie die Seite auf.

 

 

Seiya Kou über sein Liebesleben!

 

Nach dem Artikel in unserer letzten Ausgabe (06/19XX) berichtet Seiya Kou, Frontsänger der beliebten Band Three Lights nun exklusiv bei Sereburiti über sein Liebesleben. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern können, kursierten Gerüchte über ihn und eine blonde Mitschülerin, nachdem die beiden zusammen fotografiert worden sind – und das in einer nicht ganz eindeutigen Position!

 

Sereburiti: Welche Beziehung haben sie zu diesem Mädchen?

Seiya: Sie ist eine gute Freundin und wir gehen in die gleiche Klasse.

Sereburiti: Wenn sie nur eine gute Freundin ist, wieso erreicht uns dann ein Bild, auf dem sie beide eindeutig wie ein Paar aussehen

Seiya: Ich finde nicht, dass es eine eindeutige Geste ist, jemandem einen Arm um die Schulter zu legen.Wie gesagt, ist sie eine gute Freundin und ich hatte sie sehr lange nicht mehr gesehen. Wir waren auf dem Weg, um etwas zu essen, rein freundschaftlich, und wurden auf dem Weg fotografiert.

Sereburiti: Warum haben Sie ihr den Arm um die Schulter gelegt?

Seiya (grinsend): Um sie zu ärgern:

Sereburiti: Um sie zu ärgern?

Seiya: Ja. (jetzt wieder ernst) Wenn ich allerdings geahnt hätte, was für Folgen das haben würde, dann hätte ich es gelassen.

Sereburiti: Es besteht also keine romantische oder sexuelle Beziehung zwischen Ihnen und Frau Tsukino?

Seiya (leicht nervös): Nein.

Sereburiti: Und Frau Tsukino ist im Gegenteil in einer festen Beziehung?

Seiya (ernst): Ja.

Sereburiti: In einem Interview in einer Talkshow haben Sie erzählt, dass es ein Mädchen gibt, welches Sie mögen und welches, wie Sie selbst sagten, eine gute Freundin geworden sei. Außerdem habe dieses Mädchen leider einen Freund. Herr Kou, handelt es sich bei diesem Mädchen um Ihre Mitschülerin Usagi Tsukino?

Seiya (nach kurzem Zögern): Nein.

Sereburiti: Möchten Sie uns dann stattdessen etwas mehr über das Mädchen erzählen, welches sie in der Talkshow gemeint haben?

Seiya (zwinkernd): Nein. Das möchte ich lieber nicht tun.

Sereburiti: In Ordnung, Herr Kou. Von mir aus wäre es das dann erstmal. Möchten Sie noch etwas sagen?

Seiya: Ich möchte mich aufrichtig bei Bunny Tsukino und ihrem Freund entschuldigen. Dafür, dass sie meinetwegen in eine solche Situation gebracht worden sind.

Sereburiti: Ich bedanke mich herzlich bei Ihnen, Herr Kou.

 

Nach eigenen Aussagen sind die Gerüchte um Seiya Kou und Usagi Tsukino also nicht zutreffend! Weder seien die beiden ein heimliches Liebespaar, noch hege Herr Kou einseitige Gefühle für seine Mitschülerin. Also, an all die weiblichen Fans – unser allseits geliebter Seiya ist noch Single!

 

Die letzten Worte des Artikels verschwammen vor Bunnys Augen, als sich Tränen bildeten, die sich den Weg über ihre Wangen bahnten und schließlich dunkle Flecken auf dem Papier des Magazins hinterließen.

Sie wusste, dass dieser Artikel nötig war, dass Seiya es getan hatte, um ihre Beziehung mit Mamoru nicht damit zu belasten. Und dennoch taten ihr diese Worte weh. Es tat ihr weh, als sie daran dachte, dass Seiya seine Gefühle für sie in aller Öffentlichkeit und für alle lesbar abstritt. Und dieses Mal war sie sich sicher, dass es ihr nicht allein seinetwegen wehtat. 

This old love has me bound, but the new love cuts deep

Sie hatte diese Nacht nicht gut geschlafen. Ihre Gedanken kreisten um den vergangenen Tag mit Seiya und ihre verwirrenden und Angst einflößenden Gefühle für ihn. Gleichzeitig schämte sie sich für ihre Gedanken und fühlte sich schuldig, weil sie so über einen anderen Mann dachte, während sie doch mit Mamoru zusammen war. Doch von diesem hatte sie den ganzen Tag gar nichts gehört und hatte sich auch nicht getraut, sich bei ihm zu melden, aus Angst, er würde sie abweisen.

Für diesen Tag nahm sie sich jedoch fest vor, Mamoru zu treffen. Sie musste einfach. Sie musste ihn sehen und damit Seiya ganz schnell aus ihrem Kopf bekommen. Wäre sie ein normales siebzehnjähriges Mädchen, hätte sie sich vielleicht überlegt, ob sie mit Mamoru Schluss machen sollte, um dann eine Beziehung mit Seiya anzufangen. Doch sie war kein normales siebzehnjähriges Mädchen. Sie war Sailor Moon und die zukünftige Königin Serenity von Kristalltokio. Und Mamoru war ebenso wenig ein normaler zweiundzwanzigjähriger Mann. Er war Endymion, der Mann, den das Schicksal für sie bestimmt hatte. Egal wie sehr sie sich in einen anderen Mann verliebte, das änderte nichts an dem Schicksal, an das sie gebunden war.
 

Nachdem sie den Tag ausnahmsweise mal allein zu Hause verbracht hatte, machte sie sich mit einem unangenehmen Gefühl im Magen und leichten Kopfschmerzen auf den Weg zu Mamorus Wohnung. Aus Angst, dass er sagen würde, dass er keine Zeit hätte, wenn sie ihm vorher schrieb oder ihn anrief, kam sie unangemeldet vorbei. Das unangenehme Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich noch, als sie schließlich in seinem Stockwerk aus dem Fahrstuhl stieg und sich der grünen Tür zu seiner Wohnung näherte. Mit klopfendem Herzen betätigte sie die Türklingel.

Es dauerte ein bisschen, bevor sie Schritte aus dem Inneren hörte. Er war also zumindest schon mal zu Hause. Die Schritte verstummten, doch es dauerte ein paar Sekunden, bevor die Tür geöffnet wurde. Er hatte sicher durch den Spion gesehen, um zu sehen, wer ihn da so unangemeldet besuchte.

„Bunny!“, begrüßte Mamoru sie überrascht. Bunny versuchte, all ihre unangenehmen Gefühle und Gedanken zu verdrängen und lächelte.

„Hallo Mamoru.“, sagte sie. „Ich hoffe, ich störe dich nicht.“

„Äh… nein.“, erwiderte Mamoru. „Ich bin noch nicht lange zu Hause und mache mir grad etwas zu essen.“

Er hielt ihr die Tür auf und trat einen Schritt zur Seite, um sie herein zu lassen. Bunny folgte der unausgesprochenen Aufforderung und betrat die Wohnung. Während Mamoru die Tür wieder schloss, streifte sie ihre Schuhe ab.
 

„Also?“, fragte Mamoru und schenkte ihr ein Lächeln. „Was führt dich hierher?“

Bunny wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Stumm sah sie ihn an, während sie versuchte, sich etwas einfallen zu lassen. Ohne dass sie etwas dagegen machen konnte, sammelten sich Tränen in ihren Augen. Schockiert weiteten sich Mamorus Augen. Er legte seine Hände sanft auf ihre Schultern und sah sie besorgt an.

„Was ist passiert?“, fragte er ruhig und dennoch eindringlich. Bunny schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Mamoru konnte sich absolut nicht erklären, warum sie gerade weinte. Er zögerte kurz, bevor er sie in seine Arme zog.

„Bunny…“, sagte er leise. „Wenn etwas ist, kannst du immer zu mir kommen.“

Bunny lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und legte ihre Arme um ihn. Sie atmete seinen Geruch ein. Es war ein angenehmer und beruhigender Geruch. Anders als bei Seiya, der ihr Herz regelmäßig zum Rasen brachte.

Als sie sich schließlich beruhigt hatte, löste sie sich leicht aus seiner Umarmung und sah zu ihm auf.

„Entschuldige…“, murmelte sie. „Ich bin nur ein bisschen durcheinander und hab letzte Nacht nicht so gut geschlafen.“

Sanft streichelte er über ihre Wange.

„Warum bist du durcheinander?“, fragte er. Bunny zögerte.

„Ich ähm…“, stotterte sie. Sie überlegte, doch es war ihr im Moment einfach nicht möglich über ihr Gefühlschaos zu reden. Nicht mit ihm. „Entschuldige, Mamoru… Wäre es ok, wenn wir ein anderes Mal darüber reden?“

Sie senkte den Blick. Sie konnte ihm grad einfach nicht in die Augen sehen. Ihr schlechtes Gewissen plagte sie, doch sie konnte Mamoru weder davon erzählen noch ihn anlügen.

Mamomu runzelte leicht die Stirn. Schließlich nickte er jedoch, bevor er sie wieder in seine Arme zog.

„Natürlich, Bunny.“, versicherte er ihr. „Erzähl mir davon, wenn du denkst, dass du dafür bereit bist.“

„Danke.“, murmelte sie gegen seine Brust und schämte sich für all das, was gerade in ihr vorging.
 

Mamoru hatte für sie beide gekocht und sie hatten zusammen gegessen. Zum ersten Mal seit langem war es fast wieder so wie früher. Sie konnten Zeit zusammen verbringen und sich unterhalten, ohne dass Mamoru ihr sagte, dass er nur wenig Zeit hatte oder die Stimmung getrübt wurde, weil Bunny etwas von Seiya erzählte. Tief im Inneren wusste sie, dass es nur so war, weil Bunny ihm so viel verschwieg. Hätte sie ihm von alldem, was in letzter Zeit passiert war, erzählt, wäre der Abend mit absoluter Sicherheit ganz anders verlaufen.

„Achso…“, sagte Bunny schließlich und kramte in ihrer Tasche. So ganz ohne Seiya würde es auch an diesem Abend wohl nicht zugehen. Sie zog die Zeitschrift hervor, die Seiya ihr am Abend zuvor gegeben hatte und reichte sie, nachdem sie die eingeknickte Seite aufgeschlagen hatte, an Mamoru weiter.

Bunny versuchte, seine Mimik zu deuten, während er das Interview las, doch verriet seine Miene nicht viel. Er sah konzentriert aus, wie immer wenn er etwas las, zeigte ansonsten jedoch keine Regung. Als er mit dem Lesen fertig war, sah er auf. Bunny spürte ihr Herz vor Anspannung klopfen.

„Das war anständig von ihm.“, sagte Mamoru schließlich mit ernstem Gesichtsausdruck und reichte ihr die Zeitschrift zurück. „Ich bin froh, dass er das gemacht hat.“

Bunny lächelte leicht, froh über seine Reaktion.

„Ja.“, bestätigte sie, während sie einen leichten Stich spürte. „Ich auch.“

Sie war sich mittlerweile vollkommen bewusst, dass das eine Lüge war. Eine Lüge, die sie nicht nur Mamoru sondern auch sich selbst erzählen musste. Nur so konnte sie damit umgehen.
 

Auch wenn der Abend mit ihrem Freund schön gewesen war, fühlte sie sich, als sie schließlich wieder nach Hause ging, trotzdem nicht gerade besser. Kaum hatten sie und Mamoru sich verabschiedet, prasselten all die verwirrenden Gedanken wieder auf sie ein. Seiya. Sie konnte nicht aufhören an diesen Mann zu denken. Warum? Sie liebte Mamoru, da war sie sich sicher. Aber mit Seiya war es einfach anders. Er brachte ihr Herz zum Rasen, war so lieb und aufmerksam. Er machte sie einfach glücklich und obwohl er viel mit ihr herumalberte, Scherze mit ihr machte und sie gern auf die Palme brachte, war er in den entscheidenden Momenten immer für sie da.

Sie seufzte. Was sollte sie nur tun? Konnte sie überhaupt irgendetwas tun? Immerhin hing von ihrer Beziehung mit Mamoru mehr als nur ihr persönliches Glück ab.
 

„Bunny!“, hörte sie eine bekannte Stimme. Sie sah auf.

„Makoto!“, erwiderte Bunny überrascht und erfreut zugleich. Endlich mal ein Gesicht, das ihre Gefühlswelt nicht in totales Chaos stürzte.

„Was machst du denn hier?“, fragte Makoto, die gerade einen Supermarkt verlassen hatte und zwei Einkaufstüten trug.

„Ich war grad bei Mamoru.“, erwiderte Bunny. Ihr entging die leichte Veränderung in Makotos Gesichtsausdruck.

„Und wie war’s?“, fragte Makoto beiläufig. Bunny zögerte.

„Mako…“, setzte sie an und senkte den Blick. „Kann ich vielleicht mit dir reden?“

Mit dieser Reaktion auf ihre Frage hätte Makoto nicht gerechnet. Seit ihrem Telefonat mit Minako wusste sie, dass Bunny wohl Gefühle für Seiya hatte. Doch so wie Bunny im Moment aussah, ging das Ganze noch viel tiefer, als sie es vermutet hätte.

„Natürlich.“, bestätigte Makoto sofort.
 

Bunny rief ihre Eltern an und sagte Bescheid, dass sie die Nacht bei ihrer Freundin verbringen würde. Da noch immer Sommerferien waren, hatten auch weder Ikuko noch der etwas strengere Kenji etwas dagegen.

Makoto zauberte zwei prachtvolle Eisbecher hervor, die bei einem solchen Gespräch unter Mädchen einfach ein Muss waren, insbesondere wenn es um Liebeskummer oder Beziehungsprobleme ging. Geduldig wartete Makoto darauf, dass Bunny das Gespräch begann. Sie seufzte.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“, sagte Bunny schließlich und lächelte schief. Als sie Makoto gefragt hatte, ob sie reden konnten, hatte sie das dringende Bedürfnis gehabt, sich jemandem anzuvertrauen. Doch nun, da es so weit war, fiel ihr das gar nicht so leicht.

„Am besten ganz von vorne.“, antwortete Makoto ruhig und schenkte ihrer Freundin einen aufmunternden Blick. Bunny nickte. Sie überlegte kurz, bevor sie den Mund aufmachte.

„Es geht um Seiya.“, setzte sie an. „Ähm… du weißt ja, dass er… Gefühle für mich hat.“

Sie konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. Doch Makoto nickte nur.

„Nun… als wir zusammen im Urlaub waren… da auf dem Sommerfest… da hat er mich auf einmal… g-geküsst.“

Wieder nur ein Nicken von Makoto. Bunny hätte eine etwas stärkere Reaktion erwartet, aber sie wusste ja nicht, dass Makoto diese Sensation schon von Minako erfahren hatte.

„Jedenfalls…“, fuhr Bunny dann fort. „Seitdem bin ich mir nach und nach bewusst geworden, dass ich… vielleicht… auch etwas für ihn empfinde…“

„Vielleicht?“, hakte Makoto nach. Sie konnte Bunny ansehen, dass es ihr nicht leicht fiel, darüber zu reden.

„Ich bin mir sicher…“, gab Bunny verlegen zu. „Gestern… hat er mir ein Lied gezeigt, das er geschrieben hat. Ein Liebeslied. Er hat gesagt, dass er dabei an mich gedacht hat. Das hat mich völlig fertig gemacht. Er ist immer so lieb und so süß. Und ich muss ihm immer wehtun. Und dann… als wir uns verabschiedet haben… hat er mir die neue Ausgabe von Sereburiti gegeben. Mit seinem Interview. In dem sagt er, dass er mich nicht liebt. Und als ich das gelesen hab… Weißt du… Das tat mir einfach weh. Ich hab sogar geweint.“

Verzweifelt ließ Bunny ihren Kopf auf ihre auf dem Tisch verschränkten Arme sinken.

„Du hast dich also so richtig in ihn verliebt?“, fragte Makoto, die das Ausmaß dieses Dilemmas jetzt erst so langsam begriff. Bunny nickte und sah dann wieder auf. In ihrem Blick lag pure Verzweiflung.

„Was soll ich denn jetzt machen, Makoto?“, fragte sie und wischte sich die aufkommenden Tränen aus den Augen.

„Du hast eigentlich nur zwei Möglichkeiten.“, antwortete Makoto. „Entweder du trennst dich von Mamoru und lässt dich auf Seiya ein. Oder du vergisst Seiya und bleibst bei Mamoru.“

„Ich kann das nicht.“, erwiderte Bunny mit gebrochener Stimme.

„Welches denn?“, fragte Makoto verwirrt.

„Beides.“, antwortete Bunny. „Ich kann Seiya nicht vergessen. Aber ich kann mich auch nicht von Mamoru trennen.“

Mitleidig sah Makoto auf ihre Freundin. Noch nie hatte sie dieses Mädchen so gesehen.

„Bunny…“, sagte sie sanft. Doch ihr fiel nichts ein, was sie sonst noch sagen könnte.

„Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.“, sagte Bunny mit belegter Stimme.

„Liebst du Mamoru denn auch noch?“, fragte Makoto schließlich. Diese Frage hatte sie schon eine Weile beschäftigt. War es überhaupt möglich, zwei Menschen gleichzeitig zu lieben? Bunny nickte langsam.

„Ich liebe ihn.“, antwortete sie. „Aber es ist anders als bei Seiya.“

„Anders?“, halte Makoto nach.

„Ja.“, bestätigte Bunny. „Mit Mamoru verbindet mich die Vergangenheit. Wir haben viel zusammen durchgemacht. Nicht nur als Prinzessin Serenity und Prinz Endymion. Auch als Sailor Moon und Tuxedo Mask. Und auch einfach als Bunny und Mamoru. Außerdem haben wir ein gemeinsames Schicksal. Eine Zukunft. Ein zukünftiges Kind. Es ist der sichere Weg. Bei ihm weiß ich ganz genau, was mich erwartet.

Mit Seiya ist das ganz anders. Es ist aufregend mit ihm zusammen zu sein. Nicht nur, dass er mein Herz zum Rasen bringt. Er ist einfach so ein lebensfroher Mensch. Mit ihm habe ich immer so viel Spaß und fühl mich so glücklich. Er führt ein aufregendes Leben. Er ist so interessant, hat so viele verschiedene Interessen und Hobbies.“

„Und er ist Popstar.“, fügte Makoto mit einem Lächeln hinzu. Bunny lachte.

„Und er ist Popstar!“, stimmte sie zu. Makoto konnte kaum glauben, wie Bunnys Miene sich erhellte, als sie von Seiya schwärmte.

„Bunny.“, setzte sie an. „Vergiss für einen Moment alles von der Vergangenheit und der Zukunft. Wenn du von alldem nichts wüsstest, nur das, was du im Moment fühlst… Für wen würdest du dich entscheiden?“

Bunny dachte kurz darüber nach, auch wenn sie tief im Inneren wusste, dass sie das gar nicht brauchte.

„… Seiya.“, antwortete sie schließlich. Nachdem, was sie an diesem Abend von Bunny gehört hatte, hatte Makoto sich diese Antwort schon denken können. Dennoch war sie überrascht. Niemals hätte sie gedacht, dass ihre Gefühle für ihn so tief gehen.

„Aber…“, redete Bunny beinahe sofort weiter. „… Ich kann das alles nicht vergessen. Ich DARF das alles nicht vergessen. Es geht nicht nur um mich. Es geht auch nicht nur um Mamoru oder Seiya. Es geht um die Zukunft Kristalltokios. Und… um die Zukunft von Chibiusa.“

Eine Welle des Mitgefühls überkam Makoto. Sie hatte Bunny stets um ihre feste Beziehung mit Mamoru beneidet, hatte sich selbst eine solche Zukunft gewünscht. Eine Zukunft mit dem Mann, den sie liebte, und ihrem gemeinsamen Kind. Doch jetzt erkannte sie, was für eine Bürde es war, dieses Schicksal zu kennen.

Bunny konnte ihre Tränen nicht mehr länger zurückhalten. „Es ist egal, wie sehr ich Seiya liebe.“, schluchzte sie. „Ich kann nicht mit ihm zusammen sein. Ich bin durch das Schicksal für immer an Mamoru gebunden.“

Es tat ihr weh, ihre Freundin so zu sehen. Makoto ging zu Bunny und nahm sie in den Arm. Das war das einzige, was sie für sie tun konnte.

I'll be there for you like I've been there before

„Guten Morgeeeeen!!“, rief Minako fröhlich in die Runde.

„Guten Morgen, Minako.“, begrüßten Ami und Makoto sie, während Rei nur mit strengem Blick auf ihre Armbanduhr tippte.

„Du bist spät.“, schalt Rei sie.

„Jaja, ich weiß.“, winkte Minako ab. „Also was gibt’s?“

Schwungvoll setzte sie sich auf den freien Platz neben Ami und stützte ihr Kinn auf ihre Hände. Erwartungsvoll sah sie ihre Freundinnen an.

„Naja…“, begann Ami. „Es geht um Bunny.“

Minako wurde hellhörig. Nachdem schon Makoto sie auf Bunny angesprochen hatte, war sie gespannt, was nun auch Ami zu sagen hatte. Wusste sie etwa auch um Bunnys Gefühlschaos Bescheid?

„Eigentlich um Bunny und Mamoru.“, fuhr Ami fort.

„Ami und ich waren gestern in der Stadt und sind dort Mamoru begegnet.“, ergriff nun Rei das Wort.

Mamoru? Das war ja mal etwas Neues! Hatte Mamoru etwa auch schon gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte?

„Er schien irgendwie besorgt zu sein.“, erklärte Ami. „Und fragte uns, ob wir wissen, was mit Bunny los ist.“

„Was mit Bunny los ist?“, hakte Minako in einem unschuldigen Tonfall nach. Ami nickte.

„Anscheinend ist sie vorgestern bei ihm gewesen und hat wie aus dem Nichts plötzlich angefangen zu weinen, ohne erklären zu wollen, was los ist.“

Das erstaunte selbst Minako. Es schien mit Bunny und ihren Gefühlen für Seiya deutlich ernster zu sein, als sie zunächst vermutet hatte.

„Sie hat geweint?“, hakte sie erschüttert nach.

„Das hat Mamoru uns zumindest erzählt.“, bestätigte Rei. „Er sagte, in letzter Zeit hätte er öfter mal das Gefühl gehabt, dass mit Bunny irgendetwas los ist. Sie würde sich irgendwie anders verhalten. Naja, und dann plötzlich die Tränen… Er weiß einfach nicht, was er machen soll.“

Minako fühlte sich plötzlich unwohl. Sie wusste, was mit Bunny los war und ein Seitenblick auf Makoto verriet ihr, dass auch sie mit sich kämpfte. Aber durften sie es Ami und Rei so einfach erzählen? Sie war sich sicher, dass Bunny ihnen nicht absichtlich etwas verheimlichte. Aber dennoch sollte sie selbst entscheiden dürfen, wer etwas davon wusste. Oder?
 

„Also ich hatte ja auch schon öfter mal das Gefühl, dass mit Bunny was nicht stimmt.“, sagte Rei schroff. Erst als sie merkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, realisierte sie, wie ihre Aussage geklungen haben muss.

„Ich meine, dass sie sich in letzter Zeit oft merkwürdig verhält.“, erklärte sie etwas sanfter. Auch wenn sie und Bunny sich oft zankten, war sie immer noch ihre beste Freundin und sie würde alles für dieses Mädchen tun.

„Da kann ich dir nur zustimmen.“, bestätigte Ami.

„Mhm…“, machte Makoto unsicher. „Sollten wir nicht besser mit Bunny direkt darüber sprechen?“

„Ich weiß nicht…“, sagte Ami und setzte einen leicht gequälten Gesichtsausdruck auf. „Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, dass sie sich immer weiter von uns entfernt.“

Minako und Makoto tauschten Blicke aus.

„Ähm… Ami…“, sagte Makoto. „Ich ähm… also Minako und ich wissen, was los ist.“

Ami und Rei sahen sie erstaunt an.

„Sie wollte bestimmt nichts vor euch verheimlichen!“, warf Minako schnell ein. „Ich habe sie nur so lange bedrängt, bis sie es mir erzählt hat.“

„Und ich bin ihr zufällig auf der Straße begegnet, als sie gerade von Mamoru kam.“, fügte Makoto hinzu.

Rei wusste nicht so recht, was sie denken sollte. Bunny hatte also Minako und Makoto schon davon erzählt? Selbst wenn sie sagten, dass es war, weil sie sie so lange bedrängt hatten bzw. ihr nur zufällig im richtigen Moment begegnet waren.

„Bitte seid ihr nicht böse.“, flehte Minako mit zusammengefalteten Händen. „Es fällt ihr nur unglaublich schwer, darüber zu reden. Aber ich bin mir sicher, dass sie früher oder später von alleine ankommen würde und es euch erzählen würde.“
 

„Und was ist ihr Problem?“, fragte Ami schließlich mit gesenktem Blick. Auch sie konnte es kaum fassen, dass Bunny sich Minako und Makoto aber nicht Rei und ihr anvertraut hatte.

Sie sah, wie Minako und Makoto erneut Blicke austauschten.

„Ähm… wir finden, das sollte sie euch selbst sagen.“, sagte Minako schließlich kleinlaut.

„Ihr wollt es uns also nicht erzählen?“, brauste Rei auf. Ami legte ihr die Hand auf den Arm.

„Sie hat recht.“, sagte sie. „Wenn Bunny ein Problem hat, sollte sie selbst entscheiden dürfen, wem sie davon erzählt. Auch wenn ich mir wünschte, dass sie es uns genauso erzählt hätte wie Minako und Makoto, finde ich, dass es ihr Recht ist, es nicht zu tun. Und dass die beiden es nicht weitererzählen, macht aus ihnen gute Freundinnen.“
 

Rei seufzte.

„Ich weiß, dass du recht hast.“, gab sie zu. „Aber es frustriert mich einfach. Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse voreinander. Denkt Bunny, dass ihre Probleme so schlimm sind, dass sich alles verändert?“

„Vielleicht tun sie das wirklich…“, murmelte Minako.

„Was meinst du damit?“, fragte Rei scharf. Minako schreckte auf und hob abwehrend die Hände.

„Nichts!“, antwortete sie schnell. „Ich meine… ach… Wenn Bunny euch erzählt hat, was los ist, werdet ihr das schon verstehen.“

Rei schnaubte auf. Diese Unwissenheit machte sie noch verrückt. Und dass hier direkt vor ihr zwei ihrer Freundinnen saßen, die Bescheid wussten und suggestive Dinge sagten, machte es nicht gerade besser.

„Ich geh jetzt zu Bunny.“, verkündete sie und stand auf.

„Rei!“, rief Ami aus. „Warte.“

„Ich will nicht länger warten!!“, brüllte Rei. „Seit Tagen mache ich mir Gedanken, was mit ihr los ist und seit Mamoru gestern mit uns gesprochen hat, mache ich mir richtige Sorgen! Ich will jetzt endlich wissen, was los ist!“

Sie konnte nicht verhindern, dass sich Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten. Tränen der Wut, aber auch der Sorge um ihre Freundin.

„Wie soll ich ihr denn helfen, wenn ich nicht weiß, was los ist?“, fragte sie schließlich deutlich leiser, aber mit leicht gebrochener Stimme.

„Rei…“, sagte Minako leise, stand auf und nahm sie in den Arm. „Lasst uns einfach mit Bunny reden. Ok? Sie wird es euch mit Sicherheit erzählen.“

Rei nickte und nahm die Umarmung ihrer Freundin an.
 


 

„Konzentrier dich endlich, Seiya!“, fuhr Yaten ihn an.

„Sorry.“, entschuldigte Seiya sich seufzend und schüttelte seine linke Hand, in der sich langsam aber sicher ein Krampf ankündigte.

„Was ist denn heute los mit dir?“, fragte Yaten aufgebracht. „Du versaust eine Aufnahme nach der anderen.“

„Es tut mir leid, ok?!“, erwiderte Seiya mittlerweile fast genauso aufgebracht. Er wusste, dass er grad zu viele Fehler machte, aber er machte das schließlich nicht mit Absicht.

„Beruhigt euch.“, mischte sich nun Taiki ein. Die Stimme der Vernunft. „Wenn ihr euch gegenseitig angiftet, wird es auch nicht besser.“

„Wenn Seiya endlich mal richtig spielen würde, müsste ich mich gar nicht erst aufregen.“, erklärte Yaten nicht ein bisschen beruhigt.

„Ich sagte doch schon, dass es mir leidtut!“, widerholte Seiya und fuhr sich durchs Haar.

„Toll.“, erwiderte Yaten sarkastisch. „Davon kann ich mir was kaufen.“

„Yaten!“, ermahnte Taiki ihn.

„Was auch immer…“, murrte Yaten und stapfte Richtung Tür.

„Wo willst du hin?“, fragte Taiki.

„Aufs Klo!“, antwortete Yaten schroff, stapfte an den Tonassistenten vorbei und verließ den Raum.

„Kleine Pause!“, rief Taiki den Mitarbeitern des Tonstudios zu. Sie nickten und verließen ebenfalls den Raum, wohl um sich einen Kaffee zu holen.
 

„Was ist denn los mit dir?“, wendete sich Taiki schließlich an Seiya. Dieser seufzte.

„Es ist wegen Bunny…“, murmelte Seiya, der sich mittlerweile auf den Boden gehockt hatte und sich erschöpft gegen die Wand lehnte.

„So viel war mir schon klar.“, erwiderte Taiki. Er erntete einen bösen Blick von Seiya.

„Sie hat sich neulich so komisch aufgeführt.“, erklärte Seiya dennoch. „Ich krieg das einfach nicht mehr auf die Reihe.“

„Was kriegst du nicht mehr auf die Reihe?“, hakte Taiki nach.

„Das alles.“, antwortete Seiya. „Jeder weiß, was ich für sie fühle. Sie selbst auch. Ich mach ja schließlich kein Geheimnis draus. Und jeder weiß auch, dass sie anders fühlt. Dass sie nicht mich, sondern ihren Freund liebt.“

„Mhm…“, machte Taiki unbestimmt.

„Aber in letzter Zeit…“, fuhr Seiya fort. „…in letzter Zeit habe ich manchmal das Gefühl, als sei da eben doch etwas. Sie ist so süß, sie wird schüchtern und manchmal wird sie sogar rot, wenn wir zusammen sind. Und dann mache ich mir Hoffnung. Aber es passiert nichts… Natürlich nicht. Und dann wird mir wieder klar, dass ich niemals eine Chance bei ihr haben werde. Ihre Zukunft steht bereits fest. Und da ist für mich kein Platz.“

„Seiya…“, murmelte Taiki. Er wollte ihn so gern aufmuntern, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Seiya vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Ich kann einfach nicht mehr.“, sagte Seiya mit gebrochener Stimme. „Es tut so weh. Obwohl ich von Anfang an wusste, dass sie mich nicht liebt und niemals lieben wird, ist es…“

„So ein Scheiß!!“, unterbrach Yaten ihn, der wieder zurück in den Raum gestürmt war und ihn nun wütend anstarrte. Erschrocken sah Seiya auf.

„Ha?“, machte Seiya.

„Wer hat gesagt, dass sie dich nicht liebt und niemals lieben wird??“, brüllte Yaten ihn an.

„Wa..?“, brachte Seiya verwirrt heraus.

„Mach mal deine Augen auf!“, fuhr Yaten immer noch brüllend fort. „Jeder, der euch beide beobachtet, kann erkennen, dass ihr beide Gefühle füreinander habt!!“

„A…“, begann Seiya, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen.

„Kein Aber!“, befahl Yaten. „Wenn du sie wirklich so sehr liebst, wie du immer behauptest, dann kämpf gefälligst um sie! Aber hör auf, hier die ganze Zeit rumzuheulen! „

Seiya musste schlucken. Yatens Worte schwirrten in seinem Kopf. Sie hatte auch Gefühle für ihn? Konnte das wirklich möglich sein? Und sollte er wirklich um sie kämpfen?

Für einige Sekunden war es still, bevor Seiya den Mund aufmachte.

„Wieso glaubst du, dass sie auch Gefühle für mich hat?“, fragte er mit belegter Stimme. Er gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, musste jedoch seine Hände fest ineinander krallen, um ein Zittern zu unterdrücken.

„Wieso ich…?“, stutzte Yaten. Erst jetzt wurde ihm bewusst, was er da ausgeplaudert hatte. Zwar hatte er nicht erzählt, dass Bunny es Minako gegenüber sogar schon zugegeben hatte, aber dennoch hatte er es hier als Tatsache hingestellt.

„Ja.“, bestätigte Seiya. „Wieso?“

Yaten senkte den Blick und überlegte angestrengt.

„I-ich meinte doch nur, dass es so aussieht…“, versuchte er schließlich, sich herauszureden.

„Also bilde ich mir das nicht nur ein?“, fragte Seiya und spürte, wie in ihm schon wieder die Hoffnung aufkeimte.

„Ich ähm…“, stotterte Yaten. „Also ich kann nur sagen, was ich glaube.“

Seiya sah Taiki fragend an, doch der zuckte nur mit den Schultern.

„Frag mich nicht.“, sagte er. „Ich hab davon keine Ahnung.“

„Mhm…“, machte Seiya.
 


 

„Komme schon!“, rief Bunny, nachdem ein ungeduldiges Klingeln an der Tür sie aus ihrer Gedankenwelt gerissen hatte. Ihre Eltern waren nicht da und auch Shingo war bei einem Freund zu Besuch. Sie öffnete die Tür.

„Rei!“, sagte sie erstaunt. „Ami, Minako, Makoto… Was macht ihr denn alle hier?“

Sie fragte sich, ob sie eventuell eine Verabredung mit den Mädchen vergessen hatte, doch sie konnte sich beim besten Willen an nichts dergleichen erinnern. Als Rei wortlos an ihr vorbei ins Haus stapfte, war sie umso erstaunter.

„Was ist los?“, fragte sie und blickte Rei verwirrt hinterher, die sich auf ihre Worte hin zu ihr umdrehte.

„Wir müssen uns unterhalten, Bunny.“, verkündete sie ernst, sodass Bunny angst und bange wurde. Ein Blick zu den anderen verriet ihr, dass es wirklich ernst zu sein schien. Ami schaute etwas distanziert und Minako und Makoto schenkten ihr ein etwas zurückhaltendes aber dennoch aufmunterndes Lächeln.

„Ähm… dann kommt doch rein.“, forderte sie ihre Freundinnen auf, wobei Rei sich bereits selbst hereingelassen hatte. „Geht doch schon mal auf mein Zimmer, ich mach Tee.“

„Vergiss den Tee.“, sagte Rei, was Bunny nur noch mehr verwirrte. Langsam bekam sie ein schlechtes Gefühl.
 

„Also?“, begann Rei ungeduldig, als sie schließlich alle in Bunnys Zimmer saßen. „Was ist los mit dir?“

„Hä?“, machte Bunny nur, die gar nicht wusste, worum es ging.

„Was hast du Minako und Makoto erzählt, aber Ami und mir nicht?“, versuchte Rei, es zu erklären. Doch Bunny wusste immer noch nicht, worum es ging und starrte sie verwirrt an. Schließlich wendete sie sich Minako und Makoto zu.

„Wovon redet sie denn?“, fragte sie.

„Also im Prinzip geht es darum, warum du neulich bei Mamoru geweint hast.“, erklärte Makoto vorsichtig. Endlich fiel auch bei Bunny der Groschen. Schlagartig schoss ihr die Röte ins Gesicht.

„Das ähm…“, stotterte sie. „Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll…“

„Spuck’s schon aus, Bunny.“, verlangte Rei.

„Es… es fällt mir wirklich schwer, darüber zu reden.“, begann Bunny ihre Erklärungen. „Ich also… es geht um… um Seiya.“

Rei wurde hellhörig und auch Ami zeigte zum ersten Mal eine Regung.

„Um… Seiya?“, hakte sie nach und ahnte bereits, um was es ging.

„Also… da auf dem Sommerfest… beim Feuerwerk…“, druckste Bunny herum. „Da hat er… hat er mich geküsst.“

Rei fiel die Kinnlade herunter.

„Dich geküsst???“, brüllte sie schon beinahe. Bunny nickte verlegen.

„Und seitdem…“, fuhr sie fort. „…geht er mir einfach nicht mehr aus dem Kopf…“

„Du… hast dich in ihn verliebt?“, fragte Ami offensichtlich geschockt. Alle Augen waren auf Bunny gerichtet, was sie nur zu deutlich spürte. Sie brauchte ein bisschen, bevor sie langsam nickte.

„Ja…“, gab sie zu. „Ich glaube, ich habe mich wirklich richtig in ihn verliebt…“

You are my cinema, I could watch you forever

Rei konnte es nicht fassen. Ihre Freundin Bunny, nein, ihre Prinzessin Serenity hatte sich in einen anderen Mann verliebt? Obwohl sie Mamoru hatte? Endymion? Der Mann, mit dem sie schon in der Vergangenheit zusammen war und mit dem sie in der Zukunft über Kristalltokyo herrschen sollte? Der ihr vorherbestimmt war? Den sie, Rei, für ihre Freundin und Prinzessin aufgegeben hatte?

„Das… meinst du doch nicht ernst?“, fragte Rei mit belegter Stimme. Bunny senkte den Blick.

„Doch.“, sagte sie leise. „Ich meine es ernst.“

„Und was hast du jetzt vor?“, fragte Ami nun mit ruhiger Stimme, aber einem so ernsten Blick, wie Rei es selten bei ihr gesehen hatte. Bunny schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht.“, antwortete sie.

„Was soll sie schon machen?“, brauste Rei auf. „Es ist ja wohl ganz klar, was sie machen muss oder? Immerhin kennen wir ihr Schicksal. Sie wird mit Mamoru zusammen über Kristalltokyo herrschen. Das ist ihre Bestimmung! Ihre Pflicht.“

Sie sah, wie Bunnys Gesichtsausdruck sich nach jedem ihrer Worte immer mehr verzog. Eine unendliche Traurigkeit war in ihren Gesichtszügen zu lesen. Rei fühlte sich schlecht. Sie wollte ihre Freundin sicher nicht traurig machen oder ihr wehtun, aber es musste doch gesagt werden!

„Und denk nur an Chibiusa!“, fuhr sie mit einem leichten Stich in der Magengegend fort. Wie hatte sie Bunny um das kleine Mädchen, das nicht nur ihre sondern auch Mamorus Tochter war, beneidet.

 

„Ich weiß!“, fuhr Bunny verzweifelt dazwischen und vergrub das Gesicht in ihren Händen.

„Ich weiß doch…“, wiederholte sie leise.

„Bunny…“, sagte Minako leise und legte ihr einen Arm um die Schulter. Bunny lächelte sie kurz dankbar an.

„Rei…“, sagte sie nun. „Glaub nicht, dass ich über all das nicht schon nachgedacht hätte. Ich habe mir noch nie so den Kopf über etwas zerbrochen. Aber ich komme einfach zu keiner Lösung. Ich weiß, dass ich Mamoru nicht einfach für Seiya verlassen kann. Ich weiß, dass ich eine Pflicht zu erfüllen habe. Und ich weiß, dass ich Chibiusa nicht verlieren will.“

„Hast du deine Lösung dann nicht schon?“, fragte Rei hoffnungsvoll.

„Ich weiß es nicht.“, erwiderte Bunny erneut. „Ich kann einfach nichts gegen diese Gefühle machen. Ich habe versucht, sie zu unterdrücken, aber sie werden einfach immer stärker. Und das ist nicht nur schwierig für mich, es ist auch Mamoru gegenüber unfair. Und Seiya gegenüber auch.“

„Liebst du Mamoru denn nicht mehr?“, fragte Rei verzweifelt.

„Doch.“, antwortete Bunny sofort. „Aber es ist anders als bei Seiya. Mit Mamoru verbindet mich sehr viel und ich empfinde eine tiefe Zuneigung für ihn. Aber… es ist nicht dieses überwältigende… aufregende… atemberaubende Gefühl, das ich habe, wenn ich mit Seiya zusammen bin.“

 

Rei wusste nicht, was sie noch dazu sagen sollte. Natürlich wollte sie, dass Bunny glücklich war, aber sie konnte sich mit dem Gedanken, dass sie Mamoru für Seiya womöglich verlassen würde, einfach nicht anfreunden. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den Mädchen, bis Bunny wieder den Mund aufmachte.

„Es tut mir leid.“, sagte sie geknickt. Es tat Rei weh, sie so niedergeschlagen zu sehen. Was sollte sie bloß sagen?

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“, antwortete Ami stattdessen. „Für seine Gefühle kann man nichts. Auch wenn du unsere Prinzessin bist und eigentlich ein vorherbestimmtes Schicksal hast, bist du auch nur ein ganz normales Mädchen. Und ein ganz normales Mädchen verliebt sich eben manchmal.“

Bunny lächelte schwach.

„Danke Ami.“, sagte sie.

„Trotzdem könnte das zum Problem werden.“, fuhr Ami fort. „Früher oder später musst du eine Entscheidung treffen, Bunny.“

Bunny nickte geknickt.

„Egal, wie du dich entscheidest…“, mischte sich nun Minako ein. „… ich werde auf deiner Seite stehen.“

„Ich auch!“, sagte Makoto sofort und rückte ein Stück näher an Bunny, um so ihre Solidarität und die Bereitschaft, sich im Zweifelsfall auch gegen Rei und Ami zu stellen, zu zeigen.

„Das wichtigste ist, dass du glücklich bist.“, sagte Ami lächelnd. „Ich werde auch an deiner Seite stehen.“

Alle Blicke richteten sich nun auf Rei, die im Inneren einen kleinen Kampf mit sich selbst ausfocht.

„Ich…“, setzte sie an, zögerte aber nochmal kurz, bevor sie ihre endgültige Antwort mit einem kleinen Seufzer, den sie einfach nicht verhindern konnte, gab. „Ich auch.“

Egal wie sehr ihr der Gedanke, dass sie sich vielleicht für Seiya entscheiden könnte, missfiel, letztendlich kam es auch für sie nur auf das Wohl ihrer Freundin an.

Bunny lächelte und zum ersten Mal an diesem Tag hatte Rei das Gefühl, dass es ehrlich war.

 

 

 

Seiya gingen Yatens Worte nicht mehr aus dem Kopf. Er solle um Bunny kämpfen, hatte er gesagt. Konnte er das wirklich tun? Durfte er das tun? Durfte er um ein Mädchen kämpfen, das bereits einen Freund hatte? Und das vom Schicksal dazu bestimmt war, mit eben diesem Freund über das zukünftige Kristalltokyo zu herrschen?

Er seufzte. Aber wenn er nun wirklich eine Chance hatte? Wenn sie wirklich auch Gefühle für ihn hatte… war es dann nicht in Ordnung? Er würde sie ja niemals dazu zwingen, Mamoru zu verlassen und dann mit ihm zusammen zu sein. Bunny konnte das selbst entscheiden, selbst wenn er versuchen würde, sie für sich zu gewinnen. Er wäre ihr auch nicht böse, wenn sie bei Mamoru bliebe.

Unsicher griff er nach seinem Handy. Einen Moment lang starrte er es einfach nur an, bevor er entschlossen begann, eine SMS an sie zu schreiben.

 

Hey Schätzchen.

Wie geht’s dir? Hast du Lust,

nachher noch etwas zu

unternehmen? Ich vermisse

dich schon wieder.

 

Nach kurzem Zögern löschte er den letzten Satz wieder.

 

Hey Schätzchen.

Wie geht’s dir? Hast du Lust,

nachher noch etwas zu

unternehmen? Ich hab

Langeweile. :D

Seiya

 

Er las sich die SMS noch einmal durch und fand, dass sie nicht zu aufdringlich war. Er würde sie sicherlich in Verlegenheit bringen, wenn er schrieb, dass er sie vermisse. Was sollte sie darauf auch antworten?

 

 

 

Bunnys Handy gab den kurzen Klingelton von sich, der bedeutete, dass sie eine neue SMS empfangen hatte.

„Entschuldigung.“, sagte sie an ihre Freundinnen gerichtet und langte nach dem Handy, welches auf ihrem Nachtisch lag. Sie schaute aufs Display und sah, dass es eine Nachricht von Seiya war. Sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag.

Sie öffnete die SMS und las sie. Er wollte mit ihr etwas unternehmen.

 

„Und?“ fragte Rei beiläufig. Sie hatte Bunnys Reaktion genau beobachtet. Da sie und die anderen Mädchen alle hier versammelt waren, kamen eigentlich nur noch zwei Personen in Frage, die ihr schreiben würden. Mamoru und Seiya. Sie hatte genau beobachtet, wie ihre Augen anfingen zu leuchten und ihre Wangen sich leicht rot verfärbten. Sie hoffte, die Nachricht war von Mamoru. Aber sie glaubte, sie war von Seiya.

„Seiya.“, antwortete Bunny und bestätigte damit Reis Vermutung. „Er fragt, ob ich heute noch etwas mit ihm unternehmen will.“

„Frag ihn doch, ob wir alle zusammen etwas machen wollen.“, schlug Minako enthusiastisch vor. „Yaten und Taiki können ja auch mitkommen.“

Wie immer, wenn Minako Yatens Namen sagte, klang sie überaus begeistert. Rei schmunzelte. Minakos Gefühle für Yaten waren so offensichtlich, dass sie sich ernsthaft fragte, ob Yaten noch nichts davon bemerkt hatte. Sie drückte Minako die Daumen. Sie wünschte ihr wirklich, dass ihre Gefühle eines Tages erwidert werden würden. Und sie wünschte, dass sie Bunny genauso anfeuern könnte wie Minako.

„Ist das für euch denn in Ordnung?“, fragte Bunny auf Minakos Vorschlag. Keiner hatte Einwände und auch Rei hatte eigentlich nichts dagegen. Schließlich mochte sie die Three Lights genauso gern wie die anderen.

 

 

 

Wie so oft, wenn er Bunny geschrieben hatte, konnte Seiya sich auf nichts konzentrieren. Nervös wartete er, dass sie auf seine SMS antwortete. Es waren erst wenige Minuten vergangen, doch ihm kamen die Minuten wie Stunden vor.

Endlich vibrierte sein Handy, das er fest in der Hand hielt.

 

Hey Seiya :)

Die Mädchen sind grad bei

mir. Wenn du willst, können

wir alle zusammen etwas

unternehmen. Haben Yaten

und Taiki auch Lust?

Bunny <(^_^<)

 

 

 

„Was soll das denn für ein Ding sein?“, fragte Bunny, nachdem sie genau das getippt hatte, was Minako ihr diktiert hatte und die Nachricht dann abgesendet hatte.

„Na, das ist ein Emoticon!“, erklärte Minako mit erhobenem Zeigefinger. „Ist doch süß, oder?“

„Ein Emo… Emoti… Ein was?“, fragte Bunny verwirrt nach.

„Ein Emoticon!“, wiederholte Minako. „Siehst du, das sind die Arme, das die Augen und das der Mund.“

Bunny brauchte einen Moment, um Minakos Erklärungen nachvollziehen zu können. Doch plötzlich erhellte sich ihre Miene.

„Jetzt seh‘ ich’s auch!“, rief sie begeistert aus und lachte. „Der ist wirklich niedlich!“

„Sag ich ja.“, bestätigte Minako mit einem breiten Grinsen.

 

 

 

Seiya las die Nachricht, die Bunny im gerade als Antwort geschickt hatte. Sie wollte, dass die anderen mit dabei waren. Ohne es verhindern zu können, breitete sich Enttäuschung in ihm aus. Auch wenn er die anderen sehr mochte, hatte er dennoch auf ein wenig Zeit mit ihr alleine gehofft. Aber wenn die Mädchen grad bei ihr waren, konnte Bunny sie schlecht rausschmeißen, um dann etwas mit ihm zu unternehmen. Nach kurzer Überlegung stand er auf.

„Yaten?“, rief er in die Wohnung hinein. „Taiki?“

„Ja?“, schallte aus dem Wohnzimmer zurück, wo beide Brüder saßen, seitdem sie von der misslungenen Studioaufnahme zurückgekommen waren.

„Habt ihr Lust nachher was mit den Mädchen zu machen?“, fragte er und wusste nicht, ob er hoffen sollte, dass sie zusagten oder dass sie absagten. Eigentlich spielte es auch keine Rolle.

„Was denn?“, fragte Yaten stirnrunzelnd. Seiya zuckte mit den Schultern.

„Weiß nicht.“, antwortete er vage. „Müssen wir uns noch überlegen.“

„Von mir aus.“, stimmte er schließlich ohne jegliche Begeisterung zu. Nur jemand, der Yaten so gut kannte wie Seiya oder Taiki konnte erkennen, dass sich Yaten insgeheim doch auf ein Treffen mit den Mädchen freute.

„Taiki?“, fragte Seiya noch, um die Zustimmung des letzten Mitglieds ihres Trios zu bekommen.

„Ich bin dabei.“, sagte er schlicht. Ohne noch etwas zu sagen, setzte sich Seiya neben Yaten auf das Sofa und begann, eine SMS an Bunny zu schreiben.

 

Können wir gern machen.

Yaten und Taiki sind auch dabei.

Worauf habt ihr denn Lust?

:-)

 

Es dauerte nicht lange, bis die Antwort kam.

 

Kino? :-)

 

 

Um 18 Uhr traf sich die Gruppe aus fünf Mädchen und drei Jungen vorm Kino. Bunny spürte die Blicke ihrer Freundinnen auf sich, als sie Seiya zur Begrüßung umarmte. Sie achtete darauf, dass die Umarmung kein bisschen länger oder herzlicher ausfiel als die anderen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie leicht rot wurde.

Nachdem sich die Gruppe endlich geeinigt hatte, was sie sehen wollte, wobei besonders zwischen Minako und Yaten eine hitzige Diskussion ausbrach, in der es darum ging, ob sie nun einen Liebesfilm oder einen Actionfilm ansehen sollten, begaben sie sich beladen mit Popcorn und Cola auf ihre Sitzplätze.

Bunny zögerte kurz, bevor sie sich neben Minako setzte, die sich natürlich sofort einen Platz neben Yaten ergattert hatte, der schmollte, weil Minako in ihrer Diskussion gewonnen hatte und sie nun einen Liebesfilm ansahen. Bunnys Herz machte einen Sprung, als sie merkte, dass Seiya den Platz neben ihr einnahm. Er schenkte ihr ein Lächeln, das ihr erneut die Röte in die Wangen trieb.

Sie versuchte, ihr Herz zu beruhigen. Sollte das jetzt immer so weitergehen, wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt? Würde er sie immer so nervös machen, ihr Herz zum Klopfen bringen und sie erröten lassen? Innerlich schüttelte sie den Kopf. Sie waren mit ihrer ganzen Clique im Kino! Sie waren nicht alleine! Sie hatten kein Date! Sie und er waren nur Freunde! Sie hatte Mamoru! Und dennoch… sie konnte nichts dagegen tun. Sie war in ihn verliebt. Und sie wusste, dass er auch in sie verliebt war. Und das war etwas, was sie auf der einen Seite unendlich glücklich machte, es für sie auf der anderen Seite aber auch unendlich schwer machte.

 

 

Seiya konnte sich kaum auf den Film konzentrieren. Er wehrte sich nicht so gegen Liebesfilme wie Yaten und so wie er es beurteile, war der Film auch eher eine Liebeskomödie als so eine Schnulze, aber dennoch schaffte er es kaum, dem Geschehen auf der Leinwand mit Interesse zu folgen. Dafür war er sich Bunnys Gegenwart viel zu bewusst. Selbst in der relativen Dunkelheit des Kinosaals nahm er ihre zierliche Gestalt im Augenwinkel wahr. Sie war es, die ihn interessierte. Mehr als jeder Kinofilm der Welt. Immer wieder schielte er auf ihre Hand, die sie locker auf die Lehne gelegt hatte, die ihren von seinem Sitz trennte. Schon seit etlichen Minuten rang Seiya mit sich selbst. Sollte er es tun? Yatens Worte hallten in seinem Hinterkopf wider.

 

Wenn du sie wirklich so sehr liebst, wie du immer behauptest, dann kämpf gefälligst um sie!

 

Er hatte das Gefühl, dass um ihn herum plötzlich alles still wurde. Er nahm die Geräusche des Films kaum noch wahr. Lediglich sein eigenes Herz spürte er so deutlich, dass es ihn vollkommen durchdrang und er glaubte, den Herzschlag laut und klar zu hören. Für einige Sekunden war er vollkommen regungslos. Er hielt den Atem an. Endlich überwand er sich. Langsam bewegte er seinen Arm und legte schließlich seine Hand auf ihre.

Er spürte, wie sie kurz zusammenzuckte und ihn ansah. Er war kurz davor, seine Hand wieder wegzuziehen und sich zu entschuldigen, wohlmöglich danach fluchtartig das Kino zu verlassen. Doch irgendetwas in ihm weigerte sich, das zu tun. Irgendeine innere Stimme befahl ihm, stur geradeaus auf die Leinwand zu starren und abzuwarten. Und tatsächlich. Es passierte absolut gar nichts. Nach einigen Sekunden richtete sich auch Bunnys Blick wieder auf die Leinwand. Ihre Hand blieb so liegen. Sie zog sie nicht weg. Eine Welle des Glücks überrollte ihn und er wusste ganz genau, dass er sich jetzt erst recht nicht mehr auf den Film würde konzentrieren können.

I wanna kiss you, but I want it too much

Bunny blickte starr auf die Kinoleinwand, auf der der Abspann lief. Sie hatte vom Ende des Films kaum etwas mitbekommen. Eigentlich hatte sie schon ab der Hälfte etwa kaum noch etwas mitbekommen. Seit Seiya seine Hand auf ihre gelegt hatte, hatte ihre Konzentrationsfähigkeit drastisch nachgelassen. Sie hatte nicht gewusst, wie sie darauf reagieren sollte. Sie wusste, dass sie es nicht zulassen sollte, dass er ihre Hand hielt. Aber das Klopfen ihres Herzens und die Hitze, die sie durchströmte, verrieten, dass es ihr trotzdem gefiel.

Doch langsam wurde sie wieder nervös. Der Film war vorbei. Gleich würde das Licht wieder angehen. Und dann? Würde er seine Hand vorher wegnehmen? Sie wollte nicht, dass einer von den anderen etwas davon mitbekam. Und wie sollte sie sich jetzt nur Seiya gegenüber verhalten?

Sie spürte, wie er kurz ihre Hand drückte und seine Hand dann von ihrer wegzog. Nur wenige Augenblicke später ging das Licht an. Bunny spürte, dass sie rot sein musste. Sie schielte kurz auf Seiya, doch er sah sie nicht an. Dennoch konnte sie auch auf seinen Wangen einen leichten Rotschimmer erkennen.
 

„Das war doch ein toller Film, oder?“, fragte Minako strahlend, als sie den Kinosaal verlassen hatten.

„Hmpf!“, machte Yaten nur, der immer noch schmollte, dass sie einen Liebesfilm gucken mussten. Dass er ihn gar nicht mal so schlecht fand, würde er niemals zugeben.

„Ich fand den Film toll!“, stimmte Rei aber zu und hatte einen schwärmerischen Ausdruck in ihren Augen.

„Ich auch.“, bestätigte Makoto sofort.

„Wie fandst du ihn, Bunny?“, wendete sich Minako gut gelaunt an ihre Freundin.

„Äh…“, stotterte Bunny etwas. Sie hatte ja von dem Film bestenfalls die erste Hälfte so richtig mitbekommen. „G-gut…“

Minako schaute etwas skeptisch, als Bunny so vor sich hin stotterte und rot wurde, sagte aber nichts weiter dazu.

„Und die Herren?“, fragte sie stattdessen weiter und sah besonders Seiya und Taiki an, da Yaten ja seine Meinung quasi schon geäußert hatte.

„Ja, war ganz gut.“, antwortete Seiya. Von Taikis Antwort bekam Bunny gar nichts mehr mit. Sie hatte Seiya kurz angesehen, der locker auf Minakos Frage hatte antworten können. Ganz anders als sie. War er nicht nervös gewesen? Hatte er sich noch auf den Film konzentrieren können? War es nur sie gewesen, die so aus der Bahn geworfen worden war?
 

Seiya konnte es immer noch nicht fassen. Er hatte tatsächlich bis zum Ende ihre Hand gehalten. Er hatte vom Film wirklich gar nichts mitbekommen. Er war froh, dass Minako nur danach gefragt hatte, wie ihm der Film gefallen hatte und nicht WAS an diesem Film ihm gefallen hatte, denn er hätte nicht eine Szene nennen können.

Immer wieder schielte er auf Bunny, die, seitdem sie den Kinosaal verlassen hatten, kaum etwas gesagt hatte. Doch er traute sich nicht, sie direkt anzusehen oder anzusprechen. Nicht vor den anderen. Wie wünschte er sich, er könnte jetzt mit ihr alleine sein. Nein, was er sich wirklich wünschte, war, dass sie ein offizielles Paar sein könnten, denn dann hätte jeder mitbekommen dürfen, dass er ihre Hand hielt. Er könnte sie sogar vor allen küssen und es würde niemanden stören. Bei diesem Gedanken schoss ihm die Röte wieder in die Wangen.
 

Ein Stoß in die Seite holte ihn in die Realität zurück.

„Reiß dich mal zusammen.“, forderte Yaten mit einem gespielt grimmigen Gesichtsausdruck.

„Was?“, fragte Seiya ehrlich verwirrt nach.

„Bei dem Gesichtsausdruck, den du gerade hattest, ist es echt kein Geheimnis, woran du gedacht hast.“

Mit schreckensgeweiteten Augen sah Seiya sich schnell um, um zu schauen, ob das grad jemand mitbekommen hatte. Glücklicherweise waren er und Yaten ein wenig abseits von den anderen und es schien niemand gehört zu haben.

„Ich kann doch auch nichts dagegen machen.“, erklärte Seiya im Flüsterton.

„Hat es dich wenigstens glücklich gemacht, ihre Hand zu halten?“, fragte Yaten nun mit einem überlegenen Grinsen, jedoch kein bisschen leiser als zuvor. Seiya wurde rot.

„Das hast du gesehen??“, fragte er geschockt.

„Wenn Minako mich nicht angestoßen hätte und mich drauf aufmerksam gemacht hätte, hätte ich’s nicht gesehen.“, erklärte Yaten und grinste dann. „Hat sie aber.“

Seiya vergrub das Gesicht in seinen Händen.

„Oh nein.“, murmelte er.

„Was denn?“, hakte Yaten nach. „Ist ja nicht so, als wüsste niemand von deinen Gefühlen für sie.“

„Ja schon.“, gab Seiya zu und sah mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck wieder auf. „Aber ich wollte trotzdem nicht, dass das jemand sieht.“

„Wieso nicht?“, fragte Yaten weiter.

„Na, weil…!“, begann Seiya. „Keine Ahnung! Bunny und ich sind kein Paar und sie hat auch noch einen Freund. Mir ist es eigentlich egal, was alle von mir denken, aber was werden ihre Freundinnen von IHR denken? Ich war es zwar, der seine Hand auf ihre gelegt hat, aber sie hat sie immerhin nicht weggezogen!“

„Und? Macht dich das nicht glücklich?“ Yaten schien ihn provozieren zu wollen.

„Doch!“, antwortete Seiya sofort. „Natürlich macht mich das glücklich. Allein das ist mehr, als ich mir je zu erträumen gewagt habe.“

„Echt?“ Yaten konnte ein Kichern nicht unterdrücken. „Allein das?“

„Klappe.“, forderte Seiya verlegen. „Du hast ja keine Ahnung, wie das ist.“

„Stimmt.“, gab Yaten ihm recht. „Ich habe keine Ahnung. Aber jetzt mal ernsthaft. Bunny hat ihre Hand nicht weggezogen! Wenn ihr das unangenehm gewesen wäre, hätte sie das doch gemacht, oder?“

Seiya zuckte mit den Schultern.

„Weiß nicht…“, antwortete er unsicher. „Vielleicht wollte sie nur meine Gefühle nicht verletzen. Sie weiß schließlich, wie ich für sie empfinde.“

„Quatsch.“, widersprach Yaten. „Früher hat sie auch immer gegen alles protestiert, was du gemacht hast.“

„Ja…“, stimmte Seiya zu und dachte an früher. „Aber damals war auch irgendwie alles noch anders.“

„Inwiefern?“, hakte Yaten nach.

„Es… es war einfach anders.“ Seiya suchte nach Worten. „Ich hätte damals selbst nicht geglaubt, dass es mir irgendwann einmal so ernst mit ihr werden würde. Am Anfang war das alles nur ein Spiel. Ein Flirt. Aber dann habe ich mich Hals über Kopf in sie verliebt, bevor ich es selbst überhaupt gemerkt habe. Und als es mir klar wurde… konnte ich einfach nicht mehr zurück. Ich kann jetzt nicht mehr mit ihr so umgehen wie früher. Und ich glaube, das merkt sie.

Weißt du… als wir wieder zur Erde gekommen sind, habe ich mir ganz fest vorgenommen, dass es in Ordnung für mich ist, dass wir nur Freunde sind und ich habe alles getan, um meine Gefühle zu verbergen oder zumindest nur als Witz abzutun. Aber das ging nicht lange gut. Schon nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass es für mich unmöglich ist, nur freundschaftliche Gefühle für sie zu haben. Und ich schaffe es einfach nicht, meine richtigen Gefühle die ganze Zeit zu unterdrücken. Ich will es, aber ich kann es nicht.“

„Und was willst du jetzt machen?“, fragte Yaten. „Willst du sie verbergen oder sie ihr offen zeigen und um sie kämpfen?“

Seiya zögerte etwas, bevor er antwortete.

„Mein Kopf sagt mir, dass ich sie verbergen sollte.“, sagte er schließlich. „Aber mein Herz will, dass ich um sie kämpfe.“

Yaten grinste.

„Du warst noch nie so der Kopfmensch.“, sagte er zufrieden.
 

„Wo sind denn Yaten und Seiya?“, fragte Rei, die die beiden Jungen nicht finden konnte. Die anderen blickten sich um.

„Waren sie nicht eben noch hinter uns?“, fragte Makoto, die die beiden auch nirgends entdecken konnte.

„Haben wir sie etwa verloren?“ Minako konnte es kaum fassen, dass sie tatsächlich Yaten so aus den Augen gelassen hatte, dass er verschwinden konnte.

„Ruf mal jemand an.“, schlug Rei vor.

„Ich hab mein Handy nicht dabei.“, erklärte Taiki, den die Mädchen sofort angesehen hatten.

„Ich auch nicht.“, sagte Minako.

„Ähm…“, machte Bunny. „Ich hab meins dabei.“

Sie zog ihr Handy aus der Tasche und suchte nach Seiyas Nummer. Wenn sie Yatens Nummer gehabt hätte, hätte sie in diesem Moment wohl lieber ihn angerufen. Aber sie hatte nur die Nummern von den Mädchen, Seiya und Mamoru.

Nachdem sie auf den grünen Hörer gedrückt hatte, hielt sie sich das Handy ans Ohr. Es klingelte.

„Schätzchen?“, hörte sie nach kurzer Zeit Seiyas Stimme.

„Ja…“, antwortete Bunny leicht verlegen. „Ähm… wo seid ihr denn?“

„Sorry.“, sagte Seiya. „Wir haben euch irgendwie aus den Augen verloren. Ich ähm… warte mal…“

Sie konnte Stimmen im Hintergrund hören, verstand aber nicht, was sie sagten.

„Hallo Bunny?“, hörte sie plötzlich Yatens Stimme.

„Äh… ja?“, antwortete sie verwirrt.

„Kannst du mir mal Minako geben?“, fragte er. Nun gänzlich verwirrt gab Bunny das Handy an Minako weiter, die sie kurz fragend ansah, es dann jedoch annahm.
 

„Hallo?“, sagte Minako, bevor sich ihre Miene erhellte.

„Yaten!“, rief sie freudig überrascht aus. Sie sagte eine Weile gar nichts, schien aber konzentriert zuzuhören.

„Ja…“, machte sie zwischendurch. „Ja. Okay. Ja, wir kommen. Bis gleich!“

Sie legte auf und gab Bunny das Handy zurück.

„Und?“, fragte Rei neugierig.

„Bunny und ich holen die Jungs ab.“, verkündete Minako und ergriff Bunnys Hand.

„Hä?“, machte Bunny verwirrt und auch die anderen verstanden ganz offensichtlich nicht, was das Ganze sollte.

„Komm einfach.“, forderte Minako und zog Bunny mit sich, wobei sie Rei, Makoto, Ami und Taiki verwirrt zurückließ.
 

Bunny wurde einige Minuten lang von Minako durch die Straßen gezogen, ohne dass auch nur eine ihrer Fragen beantwortet wurde. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was hier los war.

„Da sind sie!“, rief Minako schließlich aus, die Yaten und Seiya etwas abgelegen in einem kleinen Park entdeckt hatte.

Bunny spürte sofort, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, als sie Seiya sah, der dort an die Lehne einer Parkbank gelehnt stand, die Hände in den Hosentaschen, beleuchtet von dem Licht einer Straßenlaterne.

„Da sind wir.“, verkündete Minako, als sie schließlich bei den beiden angekommen waren.

„Gut.“, antwortete Yaten und stand von der Parkbank auf, an die Seiya gelehnt war. „Dann lass uns gehen, Minako.“

Bunny sah ihn und Minako fragend an. Wie jetzt? Nur er und Minako wollten gehen? Wollten die beiden sie etwa mit Seiya alleine lassen? Sie warf einen kurzen Blick auf ihn, doch er sah nur auf den Boden und sagte nichts.

„Bis später, Bunny!“, sagte Minako noch und zwinkerte ihr einmal zu, bevor sie mit Yaten davon schritt und sie tatsächlich mit Seiya alleine ließ. Langsam drehte sie sich zu ihm um.
 

„Was soll das denn?“, fragte sie, bemüht sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Endlich regte sich Seiya etwas.

„Yaten hielt es für eine gute Idee, uns alleine zu lassen.“, erklärte er mit rauer Stimme. Fragend sah Bunny ihn an. Seine Wangen waren gerötet und er blickte nicht sie, sondern den Boden vor ihr an. Seine Hände hatte er noch immer in den Hosentaschen und sie konnte erkennen, dass er sie wohl zu Fäusten geballt haben musste.

„Ähm…“, räusperte er sich etwas. „Schätzchen… Kann… kann ich kurz mit dir reden?“

„Klar.“, bestätigte Bunny sofort, die innerlich immer nervöser wurde. Seiya holte tief Luft.

„Du… weißt ja, dass ich schon seit… seit damals in dich… verliebt bin.“, begann er. Bunny wagte es kaum noch, zu atmen. Was kam jetzt? Ihr Herz klopfte nervös gegen ihre Brust.

„Ich meine, ich weiß… ich wusste auch damals schon, dass du… dass du einen Freund hast. Und nachdem mir klar geworden ist, was euch verbindet… wer ihr eigentlich seid… habe ich schnell erkannt, dass ich keine Chance bei dir habe.“

Bunny spürte einen kleinen Stich.

„Als wir wieder auf die Erde gekommen sind, da habe ich mir ganz fest vorgenommen, dass es genug für mich ist, wenn wir nur Freunde sind. Ich hab gedacht, solange du glücklich bist, reicht das für mich. Ich wollte meine Gefühle für dich unterdrücken. Das wollte ich wirklich.

Aber… ich hab gemerkt, dass ich das einfach nicht kann. Ich kann nicht so tun, als hätte ich keine Gefühle für dich… Und je länger wir zusammen sind, desto weniger kann ich meine Gefühle für dich kontrollieren.“

Bunny hatte Angst vor dem, was nun kam. Sie unterdrückte ein Zittern und sah ihn atemlos an.

„Ich…“, räusperte Seiya sich und legte verlegen die Hand in seinen Nacken. „Ich will nicht mehr einfach nur mit dir befreundet sein. Ich will mehr als nur Freundschaft. Ich will mit dir zusammen sein, ich will dich küssen, dich berühren…“

Er senkte verlegen den Blick. Seine Wangen waren deutlich gerötet und seine Hand lag immer noch in seinem Nacken.

Bunny sah ihn an. Sie wusste, dass auch ihre Wangen rot waren. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte nur ihr rasendes Herz und merkte, dass ihre Knie wackelig wurden. Endlich sah Seiya wieder auf.

„Ich… ich weiß, dass ich das alles nicht sagen sollte.“, fuhr er schließlich mit belegter Stimme fort. „Ich weiß, dass du deinen Freund hast… Und dass du ein vorherbestimmtes Schicksal hast… Ich weiß auch, dass es vermutlich gar nichts bringt, dir das hier alles zu sagen, aber… wenn du… auch nur ein bisschen… nur einen Funken… für mich empfindest… dann bitte… lass mich um dich kämpfen.“

Bunny musste schlucken. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte. Sie unterdrückte das Verlangen, ihm um den Hals zu fallen. Sie durfte ihm nicht zu viel Hoffnung machen. Sie durfte ihm nicht sagen, dass sie in ihn verliebt war.

Sie konnte die Verzweiflung in seinen Augen sehen, doch sie konnte nichts sagen. Erneut senkte er den Blick, bevor er einmal tief Luft holte und sie dann wieder ansah. Langsam kam er ihr näher. Er legte eine Hand an ihre Wange und die andere an ihre Taille. Sie hielt den Atem an, unfähig irgendetwas zu tun.

„Ich liebe dich, Schätzchen.“, sagte er ernst, bevor er sich langsam zu ihr herunterbeugte und sie etwas näher an sich heranzog. Er lehnte seine Stirn an ihre.

„Ich liebe dich so sehr.“ Er strich ihr über die Wange, bevor er seine Lippen auf ihre legte und sie küsste.

Bunny stockte der Atem. Passierte das gerade wirklich? Er… küsste sie? Seiya? Sie schloss automatisch die Augen. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte sich gegen diesen Kuss nicht wehren können. Vorsichtig öffnete er seine Lippen und seine Zunge tastete sich langsam vor. Bunny bekam wackelige Knie, doch ohne dass sie es wirklich kontrollieren konnte, begann sie, den Kuss zu erwidern. Sie legte die Arme um ihn und versank für diesen einen wunderbaren Augenblick in einem Kuss, wie sie ihn noch nie erlebt hatte.

I can fly so high, I can fall so deep

Seiya konnte es nicht fassen. Er küsste sie und sie erwiderte den Kuss! Er spürte ihre warmen weichen Lippen und ihre Zunge, die vorsichtig nach seiner tastete. Er konnte sie fühlen, sie riechen, sie schmecken. Sein Herz drohte ihm aus der Brust zu springen. Seine Knie drohten nachzugeben. Und er drohte, den Verstand zu verlieren. Er wünschte, dieser Moment würde ewig dauern.

Doch irgendwann endete der Kuss. Er wagte es nicht, sie anzusehen, hielt sie einfach nur fest an sich gedrückt, ohne die Augen zu öffnen. Wenn er sie jetzt losließ, dann war alles vorbei und sie würde ihm vermutlich sagen, dass sie niemals zusammen sein könnten.

Sie sagte nichts. Sie tat nichts. Sie ließ zu, dass er sie im Arm hielt und auch ihre Arme waren um ihn gelegt. Doch er wusste, dass sie nicht ewig so verharren konnten. Nervös und ein Zittern unterdrückend löste er sich schließlich und sah sie mit einem flauen Gefühl im Magen an. Das Herz rutschte ihm in die Hose, als er ihr Gesicht sah. Sie weinte.

„Schätzchen!“, sagte er bestürzt. „E-es tut mir leid!“

Wieso entschuldigte er sich jetzt? Er wollte sich doch nicht entschuldigen. Er wollte selbstbewusst an die Sache herangehen, um sie kämpfen, versuchen, ihr Herz zu gewinnen! Nur ein paar Tränen von ihr und gleich war alles vergessen, was er sich vorgenommen hatte.

„S-Seiya…“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich… ich… ich weiß nicht… ich kann nicht…“

Es war wie ein dumpfer Schlag in den Magen. Noch vor wenigen Sekunden hatte er auf Wolke Sieben geschwebt, das Mädchen küssend, das er schon seit so langer Zeit liebte. Und jetzt war er wieder auf dem harten Boden der Realität angekommen. Er hätte es wissen müssen. Er hätte wissen müssen, dass er sie nicht hätte küssen dürfen. Er hätte wissen müssen, dass sie sich niemals auf ihn würde einlassen können. Es ging nicht darum, einem Mädchen zu zeigen, dass er womöglich besser war als ihr jetziger Freund. In ihrem Fall würde es darum gehen, ihre komplette Zukunft, ihr Schicksal zu zerstören.
 

„Es tut mir leid.“, sagte Seiya erneut und wirkte dabei ehrlich niedergeschlagen. Bunny konnte ihm kaum in die Augen sehen. Wie sollte sie ihm sagen, dass sie nicht mit ihm zusammen sein konnte, wenn sie selbst genau wusste, dass es doch genau das war, was sie selbst auch wollte. Wie sollte sie sagen, dass dieser Kuss ein Fehler war, wenn er sie doch so glücklich gemacht hatte.

Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie musste furchtbar aussehen.

„Ich… ich hätte das nicht tun sollen.“, sagte Seiya. Bunny hätte am liebsten all ihre Gefühle laut heraus geschrien. Dass sie es genossen hatte, ihn zu küssen. Dass sie ihn am liebsten wieder und wieder küssen würde. Doch das konnte sie nicht tun.

„Es tut mir leid…“, murmelte Bunny, ohne ihm ins Gesicht zu sehen. „Seiya…“

Ihre Hand krallte sich in sein T-Shirt. Erneut liefen ihr die Tränen über die Wangen.

„Ich kann nicht…“, schluchzte sie. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein.“

Sie wusste, wie sehr sie ihm damit wehtat, und spürte, wie sie auch sich damit selbst verletzte. So unsicher sie sich die letzte Zeit gewesen war, so deutlich war ihr klar geworden, dass sie ihre Zukunft mit Mamoru nicht aufgeben konnte. Ihre Zukunft mit Chibiusa.
 

„Ich verstehe…“, erwiderte Seiya von der Zurückweisung hart getroffen und senkte den Blick. Der zweite Schlag. Dieses Mal hatte er eine klare Antwort bekommen. Es war endgültig. Er hatte keine Chance bei Bunny. Er atmete einmal tief durch, bevor er ein Lächeln aufsetzte.

„Eigentlich war mir das auch schon klar.“, sagte er mit gespieltem Gleichmut. „Ich dachte nur, ich probier‘ mein Glück mal.“

Bunny setzte einen gequälten Gesichtsausdruck auf, als würde sie seine Maskerade genau durchschauen und wissen, wie sehr es ihm wehtat.

„Ähm…“, machte er. „Es tut mir leid… also, dass ich dich geküsst habe.“

Er setzte ein leicht schiefes Grinsen auf.

„Schon wieder.“, fügte er dann noch hinzu. „Ich verspreche dir, dass ich das nie wieder mache. Es ist wohl an der Zeit für mich, dass ich aufgebe… Ich meine, ich wusste ja von Anfang an, dass wir nur Freunde sein können. Das ist schon ok. Ich meine… Wenn du glücklich bist, bin ich auch glücklich.“

Was plapperte er da nur? Warum sagte er so etwas? Jedes einzelne Wort tat ihm selbst weh. Und trotzdem wusste er, dass es wohl wirklich so sein sollt. Er sollte wirklich aufgeben. Wenn er sich weiterhin so benehmen würde, sie umwerben würde und sie einfach küssen würde, dann würde er sie irgendwann auch als Freundin verlieren. Und das wollte er auf keinen Fall. Auch wenn er nicht mit ihr würde zusammen sein können, so wollte er doch wenigstens weiterhin mit ihr befreundet sein.

„Hey, ähm…“, sagte er nun. „Lass uns zurück zu den anderen gehen. Ist das okay?“

Bunny nickte und wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht. Man konnte genau sehen, dass sie geweint hatte und jedem wiürd klar sein, dass er etwas damit zu tun hatte. Er könnte sich selbst ohrfeigen.
 


 

„Also? Was ist jetzt gelaufen?“, fragte Yaten, sobald sie sich von den Mädchen verabschiedet hatten und nun wieder unter sich waren.

„Ging voll daneben.“, murmelte Seiya als Antwort und ohne Yaten dabei anzusehen.

„Was war eigentlich los?“, fragte Taiki, der von der ganzen Sache wenig mitbekommen hatte. Alles, was er wusste, ist, dass Minako und Bunny losgegangen waren, um Yaten und Seiya zu suchen, die sie irgendwie verloren hatten. Zurückgekommen waren allerdings zunächst nur Minako und Yaten. Erst später waren auch Seiya und Bunny wiedergekommen und ihren Gesichtsausdrücken – und vor allem Bunnys roten Augen – nach zu urteilen, war irgendetwas passiert.

„Hab mal wieder Mist gebaut…“, sagte Seiya leise.

„Was hast du gemacht?“, hakte Yaten nach. Seiya seufzte. Er zögerte kurz, bevor er anfing, zu erzählen.

„Ich hab ihr gesagt, dass ich sie liebe. Und dass ich mehr will als nur Freundschaft. Und dann hab ich sie geküsst.“

Die letzten Worte sagte er nur ganz leise, aber Yaten und Taiki hatten ihn ganz genau verstanden.

„SCHON WIEDER?“, fragte Yaten für Seiyas Geschmack deutlich zu laut.

„Schrei doch nicht so.“, forderte er gequält und sah sich um, ob wohl jemand auf sie aufmerksam geworden war. „Ja, schon wieder!“

„Und?“, hakte Yaten weiter nach.

„Was und?“, fragte Seiya genervt.

„Wie hat sie reagiert?“ Yaten konnte seine Neugier nicht zurückhalten. Eigentlich interessierte er sich ja nicht sonderlich für Klatsch und Tratsch, aber wenn es um das Glück seines Bruders ging, dann interessierte es auch ihn.

„Sie… sie hat den Kuss erwidert.“, antwortete Seiya und wurde leicht rot. „Sie hat den Kuss erwidert und ihre Arme um mich gelegt.“

„Was?“ Taiki konnte es nicht fassen. Für ihn war immer klar gewesen, dass Bunny ihren Freund liebte und das von Seiya vergebliche Liebesmühen waren. Hatte er sich am Ende etwa geirrt? Man erwidert doch keinen Kuss von jemanden, den man nur als Freund sah, oder? Besonders nicht, wenn man einen Freund hatte.

„Ja…“, bestätigte Seiya. „Sie hat ihn erwidert. Es war… unglaublich. Unbeschreiblich. Ein richtiger Kuss.“

„Aber meintest du nicht grad, es ging voll daneben?“, wunderte sich Yaten.

„Mhm…“, machte Seiya. „Bis dahin war noch alles ok. Bis dahin hatte sie mir auch einfach nur zugehört. Dann haben wir uns geküsst. Und als ich sie dann wieder angesehen hab, hat sie geweint.“

„Sie hat geweint?“ Yaten konnte sich gut vorstellen, wie schrecklich das in dem Moment für Seiya gewesen sein musste.

„Sie hat geweint.“, bestätigte Seiya. „Und dann hat sie angefangen, sich zu entschuldigen. Sie hat gesagt, dass sie nicht mit mir zusammen sein kann.“

„Autsch.“, entfuhr es Yaten und erntete einen bösen Blick von Taiki.

„Ich wusste, dass es so kommen wird.“, sagte Seiya verzweifelt. „Wie konnte ich nur glauben, dass sie vielleicht auch Gefühle für mich hat und wir zusammen sein können? Ich meine, selbst wenn sie Gefühle für mich hätte, könnten wir niemals zusammen sein! Sie hat ihr beschissenes Schicksal zu erfüllen!“

„Beschissenes…?“, widerholte Yaten seine Worte. „Woah, Seiya! Solche Worte aus deinem Mund?“

„Aber könnte das nicht sein?“, warf Taiki ruhig ein, ohne auf Seiyas vulgäres Vokabular einzugehen. Seiya und Yaten warfen ihm fragende Blicke zu.

„Ich meine, könnte es nicht sein, dass sie wirklich Gefühle für dich hat? Deshalb hat sie auch deinen Kuss erwidert. Aber wegen ihres Schicksals kann sie nicht mit dir zusammen sein? Und deshalb hat sie geweint, als sie gesagt hat, dass sie nicht mit dir zusammen sein kann.“

Für einen Augenblick war es ruhig zwischen den dreien.

„Du könntest recht haben!“, sagte Yaten irgendwann mit erhellter Miene.

„Ich weiß nicht.“, zweifelte Seiya, der sich da lieber nicht zu große Hoffnungen machen wollte. Allein der Gedanke, dass sie eventuell Gefühle für ihn haben könnte, ließ sein Herz höher schlagen. Aber die Enttäuschung wäre zu groß, wenn auch diese kleine Hoffnung wieder zerstört werden würde. Je größer die Hoffnung, desto tiefer der Fall, wenn diese Hoffnung mal wieder enttäuscht werden würde.

„Ich halte das ehrlich gesagt für sehr wahrscheinlich.“, sagte Taiki, während er den Schlüssel aus der Tasche zog und die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss. „Wenn ich mir Bunnys Verhalten in deiner Gegenwart angucke und mit einbeziehe, was du gerade erzählt hast…“

„Selbst wenn es so ist… das heißt doch nur, dass wir wirklich niemals zusammen sein können, oder?“, überlegte Seiya laut, während er seine Schuhe abstreifte. „Wenn sie sich für Mamoru entscheidet, obwohl sie Gefühle für mich hat…

„Vielleicht kann sie sich nur noch nicht dazu durchringen, diesen Schritt zu gehen!“ Yaten wollte nicht aufgeben. „Vielleicht überlegt sie es sich irgendwann doch noch anders. Wenn sie erkennt, dass sie ohne dich einfach nicht leben kann!“

„Hört endlich auf!“, verlangte Seiya laut. „Hört auf, mir die ganze Zeit Hoffnung zu machen! Ich habe es schon so oft versucht und ich bin jedes Mal wieder gescheitert! Ich habe beschlossen, aufzugeben! Es hat doch keinen Sinn, ihr die ganze Zeit hinterher zu rennen! Irgendwann will sie nicht einmal mehr mit mir befreundet sein, wenn ich ständig bei ihr auf der Matte stehe und sie vollschwafel, wie sehr ich sie liebe und sie dann aus heiterem Himmel küsse. Wer würde das schon wollen?!“

Yaten und Taiki schwiegen kurz.

„Seiya…“, sagte Yaten vorsichtig. „Wir wollen nur, dass du glücklich wirst. Und so wie es aussieht, kannst du nur mit ihr glücklich werden. Oder kannst du dir vorstellen, ein anderes Mädchen als Bunny zu lieben?“

Seiya zögerte. Er versuchte, sich ein anderes Mädchen an seiner Seite vorzustellen. Kein bestimmtes. Irgendeins.

„Nein…“, gab er zu. „Ich werde nie ein anderes Mädchen so lieben wie Bunny. Aber das spielt leider keine Rolle. Es ist nicht meine Entscheidung, ob sie mit mir zusammen sein will. Es ist allein ihre. Und sie hat mir ganz klar gesagt, dass sie nicht mit mir zusammen sein kann.“

„KANN!“, rief Yaten aus. „Sie hat gesagt, dass sie nicht mit dir zusammen sein KANN! Nicht, dass sie nicht WILL!“

„Das spielt doch keine Rolle!“, erwiderte Seiya. „Ob sie nun nicht kann oder nicht will… Es kommt aufs Gleiche raus!“

„Ich glaube immer noch, dass du noch eine Chance hast…“ Yaten gab einfach nicht auf.

„Ich nicht.“, stritt Seiya es ab. „Ich will jetzt ein bisschen alleine sein.“

Er ging in sein Zimmer und schloss die Tür ab. Er atmete einmal tief durch. Und schon wieder hatte sich irgendwo in ihm ein Funken Hoffnung gebildet. Irgendwo hatten die beiden recht. Er würde sie niemals vollständig aufgeben können.

„Verdammte Hoffnung…“, murmelte er.
 


 

„Das war’s also?“, fragte Minako geknickt, nachdem Bunny erzählt hatte, was passiert war.

„Ich denke, das war’s…“, bestätigte Bunny traurig. „Rei hatte recht. Es ist eindeutig, wie ich mich zu entscheiden habe. Ich habe ein Schicksal zu erfüllen und das kann ich eben nur mit Mamoru an meiner Seite. Und das wichtigste in meinem Leben… Chibiusa… Ich kann nicht zulassen, dass sie nicht geboren wird.“

„Bunny…“, sagte Makoto mitleidig und legte eine Hand auf ihre. Bunny lächelte kurz.

„Es tut mir leid, Bunny.“, sagte Rei. „Wirklich! Aber ich glaube, das war die richtige Entscheidung.“

Bunny nickte zögerlich. Ihr Kopf sagte ihr, dass das die richtige Entscheidung gewesen war. Und dennoch hatte sie stark damit zu kämpfen, nicht wieder zu weinen, wenn sie daran dachte, was diese Entscheidung für sie bedeutete.

I've never had a yearning quite like this before

Zum Glück waren die Sommerferien noch nicht vorbei. Bunny hatte in den letzten Tagen und Wochen so viel erlebt und durchgemacht, dass sie noch gar nicht richtig dazu gekommen war, sich zu entspannen. Und das hatte sie bitter nötig. Sie versuchte seit drei Tagen krampfhaft, nicht an das zu denken, was zwischen ihr und Seiya passiert war. Trotzdem schweiften ihre Gedanken ungewollt immer wieder zu dem Kuss, den sie geteilt hatten. Sie seufzte.

„Minako?“, sprach sie ihre Freundin an, die neben ihr im Bikini auf einem Handtuch lag. Die beiden hatten beschlossen, sich einen Wellnesstag in Minakos Garten zu gönnen.

„Hm?“, machte diese und drehte den Kopf zu Bunnys Seite. Sie hatte nur ein Auge geöffnet und schirmte ihr Gesicht mit einer Hand von der Sonne ab, um Bunny besser ansehen zu können.

„Glaubst du, ich sollte Mamoru von alldem erzählen, was passiert ist?“, fragte Bunny nachdenklich und ein wenig bedrückt. Minako warf ihr einen mitleidigen Blick zu.

„Ich glaube nicht, dass du das tun solltest.“, sagte Minako ihre Meinung.

„Aber…“, wollte Bunny einwenden, wurde jedoch sofort wieder von Minako unterbrochen.

„Bunny.“, sagte sie. „Wenn du Mamoru davon erzählst, wird es sicherlich jede Menge Ärger zwischen euch geben. Mamoru wird sich betrogen fühlen und verletzt sein. Er wird das Vertrauen zu dir verlieren. Und das fiel ihm ja sowieso schon schwer in letzter Zeit… Und dann wird er sicherlich nicht wollen, dass du noch länger mit Seiya befreundet bist. Willst du das? Würdest du die Freundschaft zu Seiya aufgeben?“

„Ich weiß nicht…“, zögerte Bunny. „Nein.“

„Und was würdest du dann tun?“, hakte Minako weiter nach. „Seiya trotzdem weiterhin treffen und damit Mamoru hintergehen?“

„Das wäre nicht gut…“, gab Bunny zu. Minako griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht.

„Ich kann verstehen, dass du Mamoru das eigentlich nicht verheimlichen willst und dass du ein schlechtes Gewissen hast. Aber glaube mir, ihm davon zu erzählen wird es sicher nicht besser machen.“

Bunny dachte kurz über die Worte ihrer Freundin nach.

„Du hast wahrscheinlich recht.“, gab sie schließlich seufzend zu, auch wenn ihr das gar nicht gefiel. Andererseits wusste sie auch nicht, ob sie sich überhaupt getraut hätte, Mamoru alles zu erzählen.

 

„Hattest du seitdem nochmal Kontakt mit Seiya?“, fragte Minako vorsichtig und riss Bunny damit wieder aus ihren Gedanken. Sie schüttelte den Kopf.

„Nein.“, sagte sie. „Ich glaube, er traut sich nicht, sich bei mir zu melden… Und naja, ich trau mich auch irgendwie nicht so recht… Ich versuche ja eigentlich, das alles zu vergessen.“

„Ist nicht so leicht, hm?“ Minako empfand echtes Mitleid für ihre beste Freundin.

„Mhm…“, stimmte Bunny unbestimmt zu.

„Weißt du was?“, fragte Minako und setzte sich schwungvoll auf. Bunny sah sie fragend an.

„Ich schreib mal Yaten und frage, wie es Seiya so geht. Okay?“

„Okay.“, sagte Bunny mit einem schwachen Lächeln. Minako griff nach ihrem Handy und fing an, eine SMS zu schreiben.

 

Hi Yaten v(=∩_∩=)フ

Bunny und ich liegen grad

im Bikini bei mir im

Garten (✿◠‿◠)

und wir haben uns gefragt,

wie es Seiya so geht! (⊙﹏⊙✿)

Lass uns doch bald mal

wieder zusammen was

machen. O(≧▽≦)O                                                                                                                                                          

Minako ^o^

 

 

 

Genervt öffnete Yaten ein Auge, als er das nervtötende Vibrieren seines nervigen Handys auf dem Wohnzimmertisch wahrnahm. Dabei war er kurz davor gewesen, gemütlich wegzudösen. Seufzend streckte er eine Hand nach dem Handy aus, konnte es jedoch nicht ganz erreichen. Er knurrte leicht, während er sich ein wenig aufrichtete, um das blöde Teil doch noch in die Finger zu bekommen.

Er sah, dass es eine SMS von Minako war und obwohl sein Herz einen winzig kleinen Hüpfer machte, rollte er betont genervt mit den Augen. Es sollte ja keiner glauben, dass er sich über eine Nachricht dieses Mädchens freute. Schon gar nicht er selbst!

Er las die Nachricht. Es ging um Seiya. Ein klein wenig enttäuscht begann er, eine Antwort zu tippen.

 

Seiya stürzt sich in die

Arbeit. Ich seh ihn in letzter

Zeit kaum ohne seine Gitarre

in der Hand. Aber er kommt

schon klar.

Haben bald den Dreh unseres

PVs. Treffen morgen dafür

so ne neue Sängerin oder so.

 

Er überlegte kurz, ob er seine Antwort vielleicht etwas zu trocken war nach Minakos quirliger Art zu schreiben, entschied sich dann aber, dass er die Nachricht ruhig so abschicken konnte. Minako wusste ja, wie er war, und er musste sich nicht extra verstellen, was er ihr hoch anrechnete.

 

 

 

Minako zeigte Bunny die SMS, die sie von Yaten erhalten hatte. Bunny las sie und konnte nicht verhindern, dass ihr Herz sich kurz zusammenzog, als sie daran dachte, dass Seiya sich ihretwegen wohlmöglich zurückzog und sich in seiner Arbeit vergrub. Andererseits bewunderte sie ihn dafür, dass er sich so in seine Musik flüchten konnte.

Sie bemerkte kaum, dass Minako bereits wieder eine Nachricht an Yaten verschickte und auch als sie seine Antwort erhielt, bekam sie das nur durch Minakos lautes Quieken mit. Bunny schreckte hoch und sah Minako entgeistert an.

„Was ist los?“, fragte sie. Minako hatte ein breites Grinsen aufgesetzt und wirkte auf einmal ganz aufgeregt und hibbelig.

„Rika Osawa!!“, brachte sie hervor. Bunny sah sie verständnislos an.

„Äh… was?“, hakte sie nach.

„Sie drehen ihr PV mit Rika Osawa!“, erklärte Minako und sah so aus, als würde sie von Bunny ein paar Freudensprünge erwarten. Die konnte sie ihr jedoch nicht bieten.

„Wer ist denn Rika Osawa?“, fragte Bunny immer noch genauso verständnislos. „Und was ist ein PV?“

„Oh Mann!“, seufzte Minako ungeduldig. „Ein PV ist ein Promotional Video. Verstehst du? Ein Musikvideo zu ihrer nächsten Single! Und Rika Osawa ist nur zufälligerweise die Newcomerin des Jahres! Ihr Video läuft einfach überall und überall sieht man ihre Plakate und Werbung.“

„Wirklich?“, hakte Bunny nach und ließ sich tatsächlich ein bisschen von Minakos Begeisterung anstecken. Sie kannte sich mit Popstars und Schauspielern und so gar nicht so gut aus, aber aufregend war es dennoch, wenn man eine Berühmtheit treffen konnte. So war es damals auch mit den Three Lights gewesen. Auch wenn es eine Weile gedauert hatte, bis sie mitbekommen hatte, dass dieser unerhörte Flegel, dem sie immer wieder über den Weg gelaufen war, Seiya von den Three Lights war. Bei dem Gedanken daran musste sie unwillkürlich lächeln. Sie fragte sich, ob es für Popstars so wie Seiya, Yaten und Taiki auch noch aufregend war, andere Stars zu treffen.

 

 

„Also hört zu.“, forderte Yuuji, der Manager der Three Lights. „Rika Osawa kann manchmal ein bisschen schwierig sein, aber es ist unheimlich wichtig für uns, dass die Zusammenarbeit mit ihr gut klappt.“

„Wieso?“, fragte Seiya, der im Moment gar keine Lust hatte, sich mit irgendwelchen schwierigen Mädchen auseinanderzusetzen.

„Na immerhin ist sie mit ihrer ersten Single direkt in die japanischen Top Ten eingestiegen. Sie hat von einem Tag auf den anderen zahlreiche Fans gewonnen. Sie in eurem Video zu haben bedeutet, nicht nur eure eigenen Fans sondern auch ihre anzusprechen. Es ist eine ungeheure Chance, euer Publikum zu erweitern.“

Seiya antwortete darauf nichts. Ihm war schon klar, dass ihr Manager Wert darauf legte, dass die Three Lights immer bekannter und erfolgreicher wurden. Ihm war das eigentlich egal. Er liebte die Musik und nur deshalb machte er das Ganze hier. Damals war das anders gewesen. Damals hatten sie mit ihrer Musik nach ihrer Prinzessin gesucht. An Spaß war dabei kaum zu denken. Stets ging es nur um diese eine Botschaft. Doch jetzt, da sie von alldem frei waren, wollte er nur Musik machen, weil es ihm Spaß machte.

 

„Da wären wir.“, erklärte Yuuji schließlich, als sie vor der Tür zu einem der Besprechungsräume der Agentur standen. Als sie eintraten, stand Rika Osawa, die bis dahin auf einem der gemütlichen Sofas gesessen hatte auf. Sie war ein hübsches Mädchen mit hellbraunen Locken, die sie zu zwei Zöpfen gebunden hatte. Sie lächelte den Jungs verschmitzt entgegen.

„Ich freu mich ja so, euch kennenzulernen.“, rief sie ihnen fröhlich entgegen. Etwas zu fröhlich für Seiyas Geschmack.

„Gleichfalls.“, erwiderte er dennoch und reichte ihr eine Hand, die sie sofort mit beiden Händen umfasste und schüttelte, während sie ihn anstrahlte. Er zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Er war froh, als sie ihn wieder losließ, um auch Yaten und Taiki die Hand zu geben. Yaten konnte er seine Abneigung deutlich ansehen, doch Taiki blieb wie immer ganz professionell.

Nachdem sich alle angemessen begrüßt hatten, setzten sich auf die Sessel und Sofas des Besprechungszimmers und redeten über das Konzept des geplanten Musikvideos. Die neue Single sollte nämlich als große Comeback-Single direkt mit Video zum ersten Mal gespielt werden. Ihr Manager hatte ihnen eine super Sendezeit in einer der besten Musikshows dafür organisiert.

„Ich bin so aufgeregt.“, erklärte Rika, die schon die ganze Zeit auf ihrem Platz hin und her rutschte. „Kann ich das Lied nochmal hören?“

„Selbstverständlich“, bestätigte Yuuji und zauberte eine CD hervor, die er in den CD-Spieler legte, der in so einer Agentur zur Ausstattung gehörte. Es war das erste Lied aus dem neuen Album, das sie vollständig aufgenommen hatten.

Nach einem kurzen Intro hörte man Seiyas Stimme durch den Raum hallen.

 

I've been searching for you

I heard a cry within my soul

I've never had a yearning quite like this before

Now here you are walking right through my door.

 

Während Seiya sich diesen Song gefühlt zum tausendsten Mal anhörte – nachdem er ihn schon selbst geschrieben und gesungen hatte – dachte er mal wieder an Bunny. Seit sie wieder auf der Erde waren und erneut eine Musikkarriere gestartet hatten, war alles anders als damals. Damals hatten sie ihre Songs einzig und allein für ihre Prinzessin geschrieben. Doch dieses Mal war Bunny seine Prinzessin und obwohl er das eigentlich gar nicht wollte, schrieb er seine Songs unbewusst immer mit ihr in seinen Gedanken.

 

All of my life

Where have you been

I wonder if I'll ever see you again

And if that day comes

I know we could win

I wonder if I'll ever see you again

 

Das neue Album war von Liebesliedern und Balladen bestimmt. Wenn Taiki und Yaten nicht interveniert hätten, wären wohl alle Lieder Liebesschnulzen geworden. Aber das war nun mal das, was er am besten konnte. Und jetzt im Moment sowieso!

 

A sacred gift of heaven

For better, worse, wherever

And I would never let somebody break you down

Or take your crown never

 

Würde er jemals dazu im Stande sein, sie aufzugeben? Vielleicht wenn sie heiratete? Wenn sie zur Königin über Kristalltokyo werden würde? Sie als Königin Serenity mit König Endymion an ihrer Seite und ihrer gemeinsamen Tochter Chibiusa?

 

I've searched through time

I've always known

That you were there upon your throne

A lonely queen without her king

I've longed for you my love forever

 

Eine einsame Königin ohne ihren König? Was hatte er sich dabei gedacht, als er die Lyrics geschrieben hatte? Bunny würde niemals allein sein. Das wusste er doch am besten, oder?

 

I wonder if I'll ever see you again...

I wonder if I'll ever see you again...

 

Nachdem die letzten Töne des Lieds verklungen waren, klatschte Rika in die Hände.

„Ich bin begeistert!“, rief sie aus. „So ein schönes Lied! Ich bin so glücklich, dass ich in eurem Video mitspielen kann.“

„Danke.“, sagte Taiki mit seinem professionellen Lächeln. „Für uns ist es auch eine Ehre, mit dir zusammenarbeiten zu können.“

Rika kicherte hinter hervorgehaltener Hand.

„Ich freu mich schon sehr auf den Videodreh.“, erklärte sie. „Ich würde am liebsten direkt anfangen.“

„Lange dauert es ja auch nicht mehr.“, warf ihr Manager gut gelaunt ein.

Während die anderen mit Rika und ihrem Manager ihre Ideen für das Video besprachen, hing Seiya seinen eigenen Gedanken nach. Er wusste schon, was das für ein Video sein würde. Er spielte die männliche, Rika die weibliche Hauptrolle. In seinen Gedanken ging er das Ganze jedoch immer und immer wieder mit Bunny als seine Partnerin durch.

 

 

„Seiya?“, fragte Rika, als sie gerade im Begriff waren, zu gehen. Seiya drehte sich noch einmal zu ihr um. Sie sah ihn lächelnd und mit großen Augen an.

„Kannst du mir vielleicht deine Nummer geben?“, fragte sie und machte einen wohlplatzierten Wimpernschlag. Alles in Seiya sträubte sich in diesem Moment, diesem Mädchen seine Handynummer zu geben, doch er fing einen strengen Blick von Yuuji auf. Er setzte ein Lächeln auf.

„Klar.“, sagte er.

„Oh toll!“, rief Rika freudig aus und klatschte die Hände zusammen. Seiya nahm sich einen Zettel und einen Stift. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ihr eine falsche Nummer zu geben, schrieb sie dann jedoch trotzdem richtig auf. Er reichte ihr den Zettel, den sie wie einen Schatz an ihre Brust drückte, während sie ihn weiterhin anlächelte.

„Danke.“, sagte sie zuckersüß. Ein weiterer Wimpernschlag. Seiya lächelte zuckersüß zurück.

„Bitte schön.“, erwiderte er, bevor er sich nochmals verabschiedete und dann endlich den Raum verlassen konnte. Erleichtert atmete er aus.

„Na?!“, begrüßte Yaten ihn grinsend.

„Was?“, entgegnete Seiya entnervt.

„Hast wohl eine neue Verehrerin.“, zog Yaten ihn auf. Es war wirklich eindeutig gewesen, dass sie nur Interesse an Seiya hatte.

„Klappe.“, forderte Seiya. Das konnte er im Moment wirklich nicht gebrauchen. Sehnsüchtig dachte er an Bunny. Warum konnte nicht sie diejenige sein, die ein so eindeutiges Interesse an ihm zeigte?

I was in the wrong place at the wrong time

„Yaaaaaten!“, rief Minako laut und winkte, als sie ihre Verabredung erspähte. Sie hatte es geschafft, ihn zu einem Treffen zu überreden, indem sie als Grund angegeben hatte, über Bunny und Seiya reden zu wollen. Das schien in letzter Zeit das zu sein, was Yaten am meisten beschäftigte: Der emotionale Zustand seines Bruders. Und auch Minako machte sich wirklich Sorgen wegen der beiden.

„Hey.“, begrüßte auch Yaten sie und setzte sich zu ihr. Sie hatten sich im Crown verabredet. Noch bevor sie ein Gespräch anfangen konnten, kam schon die Bedienung und nahm ihre Bestelungen auf. Als sie wieder gegangen war, strahlte Minako ihren Gegenüber an.

„Wie geht’s dir?“, fragte sie ehrlich neugierig. Sie hatte ihren Yaten einfach viel zu lange nicht mehr gesehen.

„Müde.“, murrte Yaten leicht. „Videodreh ist so schon nervig, aber wenn man dafür auch noch jeden Tag um 6 aufstehen muss….“ Yaten war wirklich kein Fan vom Frühaufstehen. Und das war noch untertrieben.

„Armer Yaten“, sagte Minako, schob ihre Unterlippe leicht nach vorne und strich ihm über den Arm. Yaten konnte nicht verhindern, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer machte. Wie so oft, wenn er mit diesem Mädchen in Kontakt kam. Schnell zog er seinen Arm zurück. Nicht auszuhalten, diese eigenartigen Gefühle.

Die Kellnerin brachte beiden ein Stück Kuchen und ein Getränk. Yaten kam diese kurze Unterbrechung ganz gelegen.

„Wie geht’s Bunny?“, fragte er dann, um das Thema zu wechseln.

„Hm…“, machte Minako überlegend. „Es geht so, würde ich sagen. Sie ist etwas geknickt in letzter Zeit. Und macht sich Sorgen um Seiya. Sie hat Angst, dass sie keine Freunde mehr sein können.“

„Kommt mir bekannt vor.“, erwiderte Yaten. „Ich glaube, wenn unser Terminplan im Moment nicht so voll wäre, würde Seiya auch nur noch Trübsal blasen.“

„Kommt er denn klar mit dem Videodreh, wenn er so drauf ist?“, fragte Minako besorgt.

„Er ist ein Profi.“, antwortete Yaten sofort. „In seinen Pausen sieht man ihm seinen Kummer an, aber vor der Kamera lässt er sich nichts anmerken. Er ist eben nicht nur ein guter Sänger sondern auch noch ein guter Schauspieler.“

„Muss ganz schön schwierig sein…“, sagte Minako mitleidig und nippte gedankenverloren an ihrem Getränk.

„Wahrscheinlich.“, bestätigte Yaten. „Aber ich glaube, dass ihm das Ganze auch gut tut. So kommt er wenigstens ein bisschen auf andere Gedanken… Und Rika hält ihn auch ganz schön auf Trab.“

Sofort wurde Minako hellhörig.

„Rika Osawa??“, hakte sie aufgeregt nach.

„Jupp.“, erwiderte Yaten unberührt, während Minakos Augen strahlten.

„Wie aufregend!“, schwärmte sie. „Mit einem Star wie Rika Osawa zu arbeiten…“

„Naja…“ Yaten konnte einfach nicht die gleiche Begeisterung aufbringen. „Eher ganz schön anstrengend. Vor allem für Seiya.“

„Wieso??“ Minako wollte alles ganz genau wissen.

„Sie hängt an ihm wie eine Klette.“, erzählte Yaten. „Ständig fasst sie ihn an, als wäre es das Normalste auf der Welt. Sie geht überall hin, wo Seiya auch hingeht. Sie sucht die ganze Zeit seine Nähe und versucht, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Und nach Feierabend, simst sie ihm die ganze Zeit.“

„Oh mein Gott!!“, rief Minako aus. „Ist sie etwa in Seiya verliebt?“

Wie aufregend das doch war! Zwar hatte sie sich längst an die Gesellschaft der Three Lights gewöhnt und sie waren in erster Linie ihre Freunde, doch waren sie immer noch erfolgreiche Popstars. Und Rika Osawa war so ein Idol, wie sie selbst es sich immer erträumt hatte. Wie aufregend doch so eine Beziehung zwischen zwei erfolgreichen Stars wäre.

„Das kann man wohl sagen.“, bestätigte Yaten und verdrehte die Augen.

„Und Seiya??“, hakte Minako aufgeregt nach und schien dabei ganz zu vergessen, dass es hier um Seiya ging, der schon so lange in ihre beste Freundin, ihre Prinzessin, ihre zukünftige Königin verliebt war.

„Dir ist schon klar, dass wir hier von Seiya reden?“, fragte Yaten skeptisch nach. „Er sieht Rika noch nicht mal mit dem Arsch an.“

Etwas geschockt von Yatens Ausdrucksweise und der Tatsache, dass Seiya sich selbst für so ein Mädchen wie Rika Osawa nicht interessierte, war Minako einen Moment sprachlos.

„Aber Rika ist doch so ein unglaubliches Mädchen!“, brachte Minako schließlich heraus. „Versteh mich nicht falsch, ich liebe Bunny und sie ist wirklich toll! Aber Rika ist eine richtige Berühmtheit!“

Yaten zuckte desinteressiert mit den Schultern.

„Es ist Seiya ziemlich egal, dass sie berühmt ist. Für ihn ist das nichts Besonderes. Für uns alle nicht. Es geht eben nicht darum, dass jemand erfolgreich oder beliebt ist. Es geht nur um die inneren Werte.“

Einen Moment sah Minako ihn mit leicht schief gelegtem Kopf und einem bewundernden Blick an. Yaten war wirklich toll und sie konnte es nicht verhindern, dass sie sich über seine Worte freute, als hätte Yaten ihr gerade erklärt, dass er sie einem Idol gegenüber bevorzugte. Sie lächelte und stocherte etwas in ihrem Kuchen.

„Er liebt sie wirklich sehr… hm?!“ Mal wieder wurde ihr bewusst, wie unerschütterlich Seiyas Liebe zu Bunny zu sein schien. Konnte Mamoru da überhaupt mithalten?

„Ja.“, antwortete Yaten ohne zu zögern. „Ich glaube nicht, dass er jemals jemand anderen so lieben könnte wie Bunny.“

„Ich wünschte, die beiden könnten einfach zusammen sein…“, seufzte Minako. Sie konnte es wirklich nicht ertragen, dass ihre Freunde so litten. Und immerhin beruhten ihre Gefühle auf Gegenseitigkeit.

 

 

 

Sein Handy vibrierte zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag. Ohne es in die Hand zu nehmen, starrte er das Handy grimmig an. Es war noch gar nicht lange her, dass sein Herz jedes Mal einen kleinen Hüpfer gemacht hatte, wenn es vibriert hatte, in der Hoffnung, dass es eine Nachricht von Bunny war, die ihn grad erreichte. Doch jetzt wurde er mit Nachrichten von Rika Osawa überhäuft.

Widerwillig nahm er das Handy doch in die Hand und las die Nachricht, die natürlich von Rika war.

 

Hallo Seiyaaa ❀❀❀

(。◕‿◕。)

Was machst du grad? (ᵔᴥᵔ)

Ich lieg grad in der Badewanne

und musste an dich denken. ◕‿↼

♥‿♥

Schreib mir. ♥❀♥❀♥❀

Rika Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ

 

Genervt legte er das Handy wieder beiseite. Was stimmte mit diesem Mädchen nur nicht? Wieso schrieb sie ihm so etwas? Er wollte nicht wissen, dass sie in der Badewanne lag. Es interessierte ihn nicht, wenn sie an ihn dachte. Oder besser gesagt: Es wäre ihm lieber, wenn sie nicht an ihn denken würde.

Sehnsuchtsvoll dachte er an Bunnys einfache, wahrscheinlich mit viel Mühe geschriebene Nachrichten. Er liebte ihre leicht simple, aber so unglaublich liebenswerte Art. Rika war das absolute Gegenteil von Bunny.

Erneut vibrierte sein Handy, obwohl er noch nicht einmal auf die letzte SMS geantwortet hatte. Was wollte sie denn nun schon wieder? Entnervt sah er auf das Display.

„1 neue Nachricht: Schätzchen“

Sein Herz machte einen Hüpfer und wollte sich so gar nicht mehr beruhigen. Gleichzeitig breitete sich ein warmes Kribbeln von seiner Magengegend in seinen kompletten Körper aus. Rika war vergessen. Mit zitternden Händen öffnete er die Nachricht.

 

Hey Seiya,

Wie geht’s dir? Ich hoffe gut!

Hast du vielleicht bald mal Zeit?

Wenn es nicht zu viel ist! Ich

würde dich gern sehen…

Bunny

 

Seiya atmete tief durch, um sein Herz zu beruhigen. Erfolgslos. Wie schaffte es so eine kleine Nachricht von Bunny nur, ihn so aus der Fassung zu bringen? Sie wollte ihn sehen! Seit Tagen hatte er nichts mehr von ihr gehört. Seit er sie geküsst hatte und sie ihm klar und deutlich gesagt hatte, dass sie nicht mit ihm zusammen sein konnte. Seit diesem Tag hatte er den Kuss in seinem Kopf tausende Male wiederholt. Doch jedes Mal hatte ihn die Angst überkommen, dass er zu weit gegangen war und sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Immerhin war es schon das zweite Mal gewesen, dass er sie einfach so geküsst hatte.

Er hatte sich in den letzten Tagen nicht getraut, ihr zu schreiben. Und er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie ihm schreiben würde. Doch jetzt hatte er tatsächlich eine Nachricht von ihr bekommen und sie wollte sich mit ihm treffen! Nachdem er sich zumindest ansatzweise beruhigt hatte, verfasste er eine Antwortnachricht.

 

Hi Schätzchen!

Mir geht’s ganz okay. Ich hoffe,

dir geht’s gut!

Für dich habe ich immer Zeit. Wenn

du willst, heute noch!

Seiya

 

Er zögerte kurz. Konnte er die Nachricht wirklich so abschicken? Durfte er sie immer noch ‚Schätzchen‘ nennen? Durfte er immer noch so etwas sagen, wie dass er für sie immer Zeit hatte? Wirkte das zu aufdringlich? Zeigte er zu deutlich, wie wichtig sie ihm war? Wie sehr er sie liebte?

Er schüttelte diese Gedanken ab. Er wollte versuchen, sie so wie immer zu behandeln. Er wollte nicht, dass sich ihre Beziehung veränderte. Zumindest nicht in diese Richtung. Er nahm all seinen Mut zusammen und schickte die Nachricht so ab.

Nur wenig später erhielt er eine Antwort.

 

16 Uhr im Park bei der großen

Uhr?

 

Er sah auf die Uhr. Es war gerade einmal 13:07 Uhr. Schnell antwortete er.

 

Sehr gern. Dann bis um 16 Uhr!

Ich freu mich.

 

Wieder hatte er kurz gezögert, bevor er den letzten kleinen Satz geschrieben hatte. Aber er wollte ihn schreiben, also tat er es.

 

 

Schnell überprüfte Bunny nochmal ihr Spiegelbild, bevor sie das Haus verließ. Sie war ein wenig nervös und unbewusst hatte sie sich mit ihrem Aussehen besonders viel Mühe gegeben. Seit diesem einen Tag hatte sie Seiya nicht mehr gesehen. Noch immer schoss ihr die Röte ins Gesicht, wenn sie an den Kuss dachte. Es war ganz anders gewesen als mit dem kurzen Kuss auf dem Sommerfest. Dieser Kuss war ein richtiger echter Kuss gewesen. Seiya hatte sie geküsst und sie hatte es erwidert. Sie hatten sich gegenseitig im Arm gehalten und sich gegenseitig geküsst.

Sie fühlte sich schuldig. Sie hatte Mamoru betrogen und deshalb fühlte sie sich wirklich schlecht. Doch gleichzeitig konnte sie diesen unglaublichen Kuss einfach nicht bereuen, was es für sie nicht gerade einfacher machte. Sie hatte lange darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass das einzige, was machen konnte, war, ihre Beziehung mit Seiya wieder in eine normale freundschaftliche Richtung zu bringen. Denn verlieren wollte sie ihn auf keinen Fall.

 

Nur wenige Minuten zu spät kam sie am vereinbarten Treffpunkt an. Sie sah Seiya schon von weitem. Sofort fing ihr Herz an, höher zu schlagen. Sie atmete einmal tief durch und überwand dann die letzten Meter zwischen ihnen.

„Seiya!“, rief sie und hob grüßend den Arm. Er drehte sich zu ihr um.

„Schätzchen!“, erwiderte er die Begrüßung und lächelte ein Lächeln, das Bunny nur wieder nervöser machte. Als sie schließlich vor ihm stand, fielen ihr nur zu sehr die feinen Muskeln auf, die sich an seinen nackten Armen und unter seinem dunkelblauen T-Shirt abzeichneten. Er hatte jetzt im Sommer eine leichte Bräune angenommen, die ihn glatt noch ein wenig attraktiver erschienen ließ.

Sie schluckte.

„Wartest du schon lange?“, fragte sie, um einen Gesprächsbeginn zu finden.

„Nur ein paar Minuten.“, antwortete Seiya, der lieber nicht sagen wollte, dass er vor lauter Vorfreude und Nervosität schon eine halbe Stunde zu früh da gewesen war.

„Dann geht’s ja.“, lachte Bunny nervös.

„Mhm.“, bestätigte Seiya lächelnd. „Also? Was möchtest du machen?“

„Also ich weiß nicht, wie es dir geht…“, sagte Bunny. „…aber ich hätte Lust auf ein Eis!“

Seiya lachte. Das war doch typisch für sein Schätzchen. Er war erleichtert, dass sie sich so normal verhielt. Eine kleine Stimme in seinem Kopf, die er krampfhaft versucht hatte zu überhören, hatte ihm nämlich die ganze Zeit einreden wollen, dass sie ihn nur treffen wollte, um ihm zu sagen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.

„Also ein Eis!“, bestätigte Seiya grinsend und ohne sich seine Erleichterung anmerken zu lassen.

 

Wenig später saßen sie unter einem Sonnenschirm eines Eiscafés und studierten die Karten. Als schließlich die Bedienung kam, bestellten sie sich jeweils einen großen Eisbecher, für Bunny mit Erdbeeren und für Seiya mit Karamell.

Eigentlich war es ein echt schöner Tag, dachte Seiya. Wenn nur nicht irgendwo im Hintergrund die Sache vom letzten Mal zwischen ihnen stehen würde. Zumindest er fühlte sich doch ein wenig gehemmt, auch wenn er sich große Mühe gab, sich das nicht anmerken zu lassen.

„Erzähl doch mal.“, sagte Bunny schließlich. „Wie läuft euer Videodreh?“

„Öhm…“, machte Seiya, der eigentlich lieber über etwas anderes reden wollte. „Ganz gut, denke ich. Wir sind bald fertig.“

„Ich bin echt gespannt!“, erklärte Bunny aufgeregt. „Es ist doch bestimmt total aufregend mit so einem Idol wie Rika Osawa zu arbeiten, oder?“ Nachdem Minako ihr erzählt hatte, dass die Three Lights mit ihr zusammenarbeiteten, hatte sie sich über sie informiert und alles über sie gelesen, was sie finden konnte. Kaum zu glauben, dass Seiya und die anderen im Moment fast täglich mit ihr zu tun hatten.

„Naja…“, zögerte Seiya, der die Schnauze eigentlich schon längst voll von Rika Osawa hatte. Und mit Bunny wollte er schon gar nicht über dieses Mädchen reden. „Sie ist ein wenig anstrengend. Und eigentlich ist sie ja auch nur ein ganz normaler Mensch. So wie wir auch.“

„Also so ganz normale Menschen seid ihr ja nun auch nichts.“, kicherte Bunny. Oder konnte man es normal nennen, dass sie von einem fernen Planeten stammten und sich in Frauen verwandeln konnten, um so als Sailorkriegerinnen zu kämpfen?

„Na gut.“, gab Seiya sich grinsend geschlagen. „Dann ist sie eben ein ganz normaler Mensch so wie ANDERE auch. Wir sind natürlich wirklich etwas ganz Besonderes.“

Bunny lachte. Es war schön, sich mit Seiya so normal unterhalten zu können. Endlich kam auch ihr Eis und Bunny konnte nicht anders, als sich in diesem Moment wirklich einfach wohl zu fühlen.

 

„Schmeckt dein Eis?“, fragte Seiya, nachdem Bunny sich eine Zeit lang nur noch auf ihr Eis konzentriert und nichts mehr gesagt hatte.

„Mhmmm…“, machte Bunny mit vollen Mund. „Es ist unglaublich lecker! Und deins?“

„Willst du probieren?“, bot Seiya ihr vergnügt an. Er konnte Bunny richtig ansehen, wie sie versuchte, gegen die Versuchung anzukämpfen. Anscheinend verlor sie den Kampf, denn schließlich stimmte sie zu. Seiya hielt ihr seinen Löffel hin, auf dem sich ein wenig von seinem Eis mit Karamellsoße befand.

Bunny zögerte. War das so in Ordnung? Sie konnte doch nicht einfach von Seiyas Löffel essen, oder? Das war doch ein indirekter Kuss! Sofort schossen ihr wieder Bilder von ihrem Kuss durch den Kopf. Aber wäre es nicht eigenartig, wenn sie sich dem jetzt verweigern würde? Würde Seiya sich dann nicht schlecht fühlen? Würden sie sich dann nicht direkt wieder eigenartig fühlen?

Mit klopfendem Herzen beugte sie sich nach vorne und nahm den Löffel in den Mund, den Seiya ihr hinhielt. Das Eis war wirklich lecker! Gerade hatte sie sich wieder zurückgelehnt, da hörte sie eine Stimme, die sie gerade in diesem Moment eigentlich nicht hören wollte.

„Bunny?“, hörte sie Mamoru sagen, der etwa drei Meter von ihnen entfernt stand und sie entgeistert ansah.

Innocence and lies don't make a perfect match

Mamoru konnte es nicht fassen. Da wollte er auf dem Weg nach Hause von der Uni noch kurz in die Stadt, um eine Kleinigkeit zu besorgen, und was musste er da sehen? SEINE Freundin, die selenruhig mit ihrem sogenannten besten Freund, der auch noch in sie verliebt war, vor dem Eiscafé saß und Eis von seinem Löffel aß. Bunny hatte erschrocken aufgesehen, als er ihren Namen gesagt hatte.

„Erwischt“, dachte Mamoru, Bunnys Gesichtsausdruck interpretierend.
 

„M-Mamoru.“, sagte Bunny sichtlich nervös. Sie wusste wirklich nicht, was sie jetzt sagen sollte. Natürlich sah das Ganze für Mamoru höchst verdächtig aus. Das konnte sie gut verstehen. Sie würde sich auch stark wundern, wenn sie Mamoru in so einer Situation finden würde. Und das, nachdem es sowieso schon so oft Streit wegen Seiya gegeben hatte.

„Was ist hier los?“, fragte Mamoru mit Anspannung in der Stimme.

„Reg dich nicht auf.“, erwiderte Seiya mindestens ebenso angespannt. Bunny konnte sehen, dass er seine Hand zu einer Faust geballt hatte und er wirkte so, als wäre er bereit, jeden Moment aufzuspringen und auf Mamoru loszugehen.

„Bitte?“, hakte Mamoru fassungslos nach. Bunny schluckte.

„Ich hab sie dazu genötigt, mein Eis zu probieren.“, fuhr Seiya leicht widerwillig fort. „Sie wollte es gar nicht, aber hat es dann doch getan. Wohl damit ich mich nicht schlecht fühle.“

„Seiya…“, sagte Bunny leise und fühlte leichte Gewissensbisse, weil das tatsächlich ihre Gedanken gewesen waren. Auch wenn noch andere Gefühle da mitspielten, von denen Seiya nichts wusste.

Mamoru zog eine Augenbraue nach oben.

„Bunny?“, sprach er sie an und richtete seinen Blick starr auf sie. Jetzt musste sie etwas sagen.

„Es tut mir leid.“, sagte sie geknickt. „Ich habe mir nichts dabei gedacht.“

Mamoru seufzte. „Wir müssen uns mal unterhalten, Bunny.“, sagte er und sah dann eindringlich in Seiyas Richtung. „Alleine!“

Bunny sprang auf.

„Es tut mir leid.“, sagte sie leise zu Seiya und kramte schnell ihr Portemonnaie raus, um ihren Anteil zu bezahlen.

„Lass nur, Schätzchen.“, winkte Seiya ab und nannte sie mit voller Absicht bei seinem Kosenamen für sie. „Ich mach schon.“

„Danke.“, erwiderte sie nach kurzem Zögern, warf ihm einen letzten Blick zu und ging dann mit Mamoru.

Seiya blieb sitzen. Der Appetit auf Eis war ihm vergangen. Er fing den Blick von zwei älteren Damen auf, die die Szene beobachtet hatten und sich schnell abwandten, als sie bemerkten, dass er sie ansah. Die eine schüttelte den Kopf, bevor sie sich wieder in ein Gespräch vertieften. Erneut seufzte Seiya. Der Tag war definitiv gelaufen.
 

Schweigend ging Bunny neben Mamoru her. Sie hatte den Blick leicht gesenkt und spielte nervös mit ihrer Tasche, die sie fest in beiden Händen hielt. Sie traute sich nicht, als erste etwas zu sagen und wartete eigentlich nur auf das Donnerwetter. Sie gingen zu Mamorus Wohnung, die sie nach einem Fußweg von etwa 15 Minuten erreicht hatten.

„Komm rein.“, sagte Mamoru schließlich, nachdem er die Wohnungstür aufgeschlossen hatte. Bunny nickte nur und trat ein. Im Flur zogen sie beide ihre Schuhe aus, bevor sie das Wohnzimmer betraten. Mamoru wies sie an, sich hinzusetzen. Bunny setzte sich und wartete nervös, dass Mamoru anfing zu reden.

„Also…“, fing Mamoru irgendwann an. Bunny zuckte kaum merklich zusammen. „Ich bin mir ehrlich gesagt wirklich nicht sicher, was ich davon halten soll, Bunny.“

Bunny hatte das Gefühl, ein Knoten würde sich in ihrem Magen bilden.

„Ich weiß, wir hatten dieses Thema schon oft.“, fuhr Mamoru fort. „Und ich bin es auch wirklich langsam leid… aber… es kommen immer wieder irgendwelche Sachen, die mich denken lassen, dass… zwischen dir und Seiya mehr ist als nur Freundschaft. Ich mein, von Seiya wissen wir ja alle, dass er mehr von dir will… Aber… du wirkst ehrlich gesagt auch nicht gerade abgeneigt…“

Bunny wurde langsam schlecht. Mamoru hatte ja recht. Ja, sie empfand deutlich mehr für Seiya, als sie sollte. Ja, es war mehr als Freundschaft. Viel mehr. Nein, sie war ihm absolut nicht abgeneigt. Und nicht nur das… Es war tatsächlich schon etwas zwischen ihnen passiert. Die Erinnerungen an die beiden Küsse, die sie geteilt hatten, schossen ihr durch den Kopf.

Ihre Gedanken rasten und schienen zur selben Zeit stillzustehen. Sie musste Mamoru etwas sagen. Sie musste antworten. Sie konnte alles abstreiten. Sie konnte sagen, dass sie nur ihn, Mamoru, liebte und das mit Seiya von seiner Seite komplett einseitig war. Dass sie Seiya wirklich nur als Freund betrachtete. Dass sie ihn nicht hatte verletzen wollen, so wie er es gesagt hatte, und deshalb von seinem Löffel gegessen hatte. Oder… oder sie konnte ihm die Wahrheit sagen.

„M… Mamoru…“, setzte sie an, immer noch nicht sicher, was sie jetzt sagen sollte. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Sie wischte sie weg und holte einmal tief Luft.

„Zwischen mir und Seiya läuft nichts.“, sagte sie dann und zögerte kurz, bevor sie weiterredete. Ihre Stimme zitterte leicht. „Mh… Seiya… hat mich… g-geküsst.“

Sie hörte, wie Mamoru scharf die Luft einsog.

„A-aber…“, fuhr sie schnell fort. „Ich hab ihm gesagt… dass ich nicht mit ihm z-zusammen sein kann. W-wegen dir! Und Chibiusa.“

Vorsichtig sah sie auf. Der Knoten in ihrem Magen zog sich noch mehr zusammen, als sie Mamorus wütendes Gesicht sah.

„Er hat dich geküsst?“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Bunny bekam richtige Angst. So hatte sie Mamoru noch nie gesehen. Sie war sich sicher, wenn Seiya jetzt hier wäre, würde Mamoru ihm eine verpassen.

„J-ja, aber… Es war nur ganz kurz und er hat sich entschuldigt!“, warf sie schnell ein und redete damit eigentlich nur von dem ersten Kuss auf dem Sommerfest. Von dem zweiten, den sie auch noch erwidert hatte, konnte sie ihm unmöglich erzählen! Auch nicht, nachdem sie beschlossen hatte, ehrlich zu sein.

„Wann?“, fragte Mamoru. Bunny zögerte kurz.

„Als wir alle zusammen den Ausflug gemacht haben.“ Es war besser, den zweiten Kuss ganz zu verschweigen und nichts durcheinanderzubringen.

„Auf dem Ausflug?“, hakte Mamoru fassungslos nach und erhob sich vom Sofa, so als würde er es nicht mehr ertragen, neben ihr zu sitzen. „Er hat dich geküsst und du erzählst mir nichts davon? Und stattdessen triffst du dich weiterhin fröhlich mit Seiya und gehst mit ihm Eis essen und lässt dich dann auch noch von ihm füttern?“

Mamoru wurde immer lauter. Seine Wut war nicht mehr zu überhören. Bunny fing an zu schluchzen.

„E-es tut m-mir l-leid!“, brachte sie hervor. „I-ich wollte n-nur nicht, d-dass… es Ä-ärger gibt…“

„Du wolltest, dass es keinen Ärger gibt?“ Mamoru war fassungslos. „Bunny, weißt du, wie sehr du mich damit verletzt? Ständig hängst du mit einem anderen Mann rum, der in dich verliebt ist! Ihr steht euch total nahe und seht euch ständig! Das allein ist schon schwer genug für mich! Aber dann küsst er dich und du verheimlichst es mir! Was soll ich denn da denken? Wie soll ich dir denn da noch vertrauen? Wer sagt mir, dass nicht noch mehr zwischen euch war, als du mir jetzt erzählt hast? Wer sagt mir, dass nicht wieder etwas passieren wird und du es mir wieder verheimlichen wirst?“

Bunny hatte sich selten so schlecht gefühlt wie in diesem Moment. Sie hatte Angst, Gewissensbisse plagten sie, sie hatte Bauchschmerzen, ihr war schlecht, ihr wurde schwindelig und sie konnte nicht aufhören zu weinen. Und das Schlimmste war, das Mamoru mit alldem recht hatte. Es war ja wirklich noch ein wenig mehr passiert mit Seiya, auch wenn sie ihm gesagt hatte, dass sie nicht zusammen sein konnten, und sie wirklich versuchte, ihre Gefühle für Seiya zu unterdrücken. Aber allein die Tatsache, dass diese Gefühle da waren, war schon ein Verrat gegenüber Mamoru.

„Es tut mir leid.“ war das einzige, das sie hervorbrachte. Mamoru sagte nichts, sondern sah sie nur mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an. Bunny weinte leise vor sich hin.
 

Langsam und tief in Gedanken schlenderte Seiya durch die Stadt. Er hatte noch keine Lust, nach Hause zu gehen, wo er womöglich Yaten und Taiki begegnen würde, die ihm natürlich sofort ansehen würden, dass er niedergeschlagen war und ihn dann mit Fragen bombardieren würden. Im Moment wollte er eigentlich nur eine Person sehen: Bunny. Er hatte sie beschützen wollen. Er hätte sie, als Mamoru sie so anklagend angesehen hatte, am liebsten in den Arm genommen und ihm gesagt, er solle sie in Ruhe lassen. Aber das stand ihm nicht zu und er hätte damit vermutlich alles nur noch schlimmer gemacht. Zumal Bunny ihm deutlich klargemacht hatte, dass sie ihre Zukunft nur mit Mamoru sah.

Wie wohl das Gespräch zwischen ihr und Mamoru gerade verlief? Er hoffte, dass es nicht allzu schlimm für sie war. Und obwohl er sich nur wünschte, dass sie glücklich war, ertönte irgendwo in seinem Hinterkopf eine kleine Stimme, die ihm sagte, dass es gar nicht so schlimm war, wenn Bunny und Mamoru sich stritten. Vielleicht war diese Beziehung ja doch nicht so unzerstörbar, wie alle immer dachten…
 


 

„Ich bin mir nicht sicher, was ich jetzt machen soll…“, sagte Mamoru, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. Er fuhr sich durchs Haar und drehte sich leicht von Bunny weg. Sie sagte nichts.

„Ich wollte dir wirklich vertrauen…“, fuhr Mamoru nach einer kurzen Pause fort. „Auch wenn es mir mit Seiya immer ein bisschen schwergefallen ist. Aber immer wieder habe ich mir gesagt ‚Nein, sie würde dich nie betrügen. Sie ist immer ehrlich zu dir. Wir kennen unsere Zukunft doch bereits. Du kannst ihr vertrauen‘… Aber da habe ich mich wohl getäuscht.“

„Mamoru…“, setzte Bunny an, ohne zu wissen, was sie sagen wollte.

„Ich will nicht, dass du Seiya länger siehst.“, brachte Mamoru schließlich heraus. Bunny sah schockiert auf.

„Was?“, fragte sie fassungslos nach.

„Ich weiß, das ist sehr drastisch…“, sagte Mamoru. „Aber nach dem, was du mir gerade erzählt hast, gibt es für mich keine andere Möglichkeit. Wenn du Seiya weiterhin ständig siehst, wird mit Sicherheit wieder etwas passieren.“

„Aber…“ Bunny war fassungslos. „Ich meine, wir gehen zusammen zur Schule. Wir sind in einer Klasse.“

„Ich weiß…“, gab Mamoru widerwillig zu. „Es wird sich wohl nicht ganz vermeiden lassen, dass ihr euch seht. Aber du kannst ihm trotzdem aus dem Weg gehen.“

„Mamoru…“ In Bunny zog sich alles zusammen, als sie daran dachte, was das bedeutete. „Wie soll das denn funktionieren? Wir haben dieselben Freunde und…“

„Bunny.“, unterbrach Mamoru sie ernst. „Ich will nicht, dass du mit Seiya weiter befreundet bist. Denn das wird über kurz oder lang unsere Beziehung zerstören. Du hast also die Wahl… Seiya oder ich.“

Bunny musste schlucken. Was sollte sie denn da sagen? Wie sollte sie sich da entscheiden? Es war ihr so schon schwer genug gefallen, Seiya abzuweisen, obwohl ihre Gefühle für ihn längst über Freundschaft hinausgingen. Aber wenigstens hatte sie Seiya dadurch nicht komplett verloren. Sie hatten immer noch Freunde bleiben können. Aber jetzt…? Mamoru stellte sie vor die Wahl. Einen von beiden MUSSTE sie aufgeben. Und so schwer ihr das auch fiel, wusste sie schon, für wen sie sich entscheiden musste…

„Denk an Chibiusa.“, sagte Mamoru und sprach damit den Grund aus, der für Bunny alles entscheidend war. Die Tränen, die langsam versiegt waren, stiegen wieder in ihr hoch. Sie nickte.

„Ich werde Seiya nicht mehr sehen…“, sagte sie schließlich. Ein Lächeln trat auf Mamorus Gesicht.

„Gut.“, sagte er und wirkte einigermaßen zufrieden. Er rückte ein wenig näher an Bunny heran und nahm sanft ihre Hand.

„Es tut mir leid, dass ich so eine harte Forderung stelle.“, sagte er leise. „Aber es geht einfach nicht mehr anders. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ein anderer Mann dich mir wegnimmt. Allein der Gedanke, dass er dich geküsst hat, macht mich wahnsinnig.“

Langsam beugte er sich zu ihr herüber und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, während er über ihre Wange streichelte und so die Spuren ihrer Tränen verwischte.

„Ich liebe dich, Bunny.“, flüsterte er und sah sie eindringlich an. Sie brauchte etwas, um auf das Gesagte zu reagieren.

„Ich dich auch.“, erwiderte sie und spürte zum ersten Mal, seit sie Mamoru kannte, dass es gelogen war.

Ever fallen in love with someone you shouldn't have fallen in love with

„Mamoru hat WAS?“, fragte Minako geschockt. Sie saß seit einigen Minuten mit Bunny zusammen auf deren Bett, nachdem ihre beste Freundin sie vollkommen aufgelöst angerufen hatte. Bunny nickte bestätigend.

„Er hat gesagt, ich darf Seiya nicht mehr sehen.“, wiederholte sie. Minako war fassungslos. Niemals hätte sie gedacht, dass Mamoru so weit gehen würde.

„Das kann nicht wahr sein!“, regte sie sich auf. „Was fällt ihm eigentlich ein?“

„Mhm…“, machte Bunny und lehnte ihren Kopf gegen ihre angezogenen Knie. „Ich kann es irgendwie schon verstehen…“

„Bunny!“, protestierte Minako. „Niemand hat das Recht, dir das zu verbieten! Auch Mamoru nicht! Klar ist er sauer, weil Seiya dich geküsst hat. Aber das gibt ihm lange noch nicht das Recht, dir irgendetwas zu verbieten!“

„Er hat es mir ja auch nicht direkt verboten…“, warf Bunny zaghaft ein.

„Nein, er hat dich vor die Wahl gestellt.“, antwortete Minako sarkastisch. „Viel besser!“

„Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.“, sagte Bunny leise und versuchte, die in ihr aufsteigenden Tränen wieder herunterzuschlucken.

„Ach Bunny…“, erwiderte Minako mitleidig und legte ihrer Freundin einen Arm um die Schulter. Bunny lehnte sich bei ihr an.

„Ich an deiner Stelle würde mir das nicht gefallen lassen.“, sagte Minako mit fester Stimme, obwohl sie sich nicht so sicher war, ob sie an Bunnys Stelle wirklich so viel Mumm hatte, wie sie gerade behauptete.

„Aber was ist, wenn es dann wirklich mit Mamoru und mir vorbei ist?“, fragte Bunny und spürte die Bauchschmerzen bei diesem Gedanken.

„Naja…“, zögerte Minako. „Wenn er dann wirklich Schluss macht, dann kann er doch eigentlich gar nicht der Richtige gewesen sein… oder?!“

Bei jedem anderen Pärchen hätte sie das mit Überzeugung sagen können. Aber bei Bunny und Mamoru? Eigentlich hatte jeder von ihnen immer geglaubt, dass es auf dieser Welt kein anderes Paar geben würde, das mehr füreinander geschaffen war. Immerhin waren sie doch Serenity und Endymion. Verbunden durch ein unüberwindbares Schicksal. Und nicht nur, dass sie auch in der Vergangenheit schon ein Paar gewesen waren, nein, sie alle hatten doch die Zukunft der beiden schon gesehen.

„Aber Chibiusa…“, warf Bunny ein und brachte damit mal wieder das Totschlagargument.

„Ich weiß…“, seufzte Minako. Das alles wäre nicht so schwierig, wenn es Chibiusa und die bereits bekannte Zukunft nicht gäbe.

„Aber willst du jetzt wirklich nichts mehr mit Seiya zu tun haben?“, fragte Minako dann und konnte sich kaum vorstellen, wie das funktionieren sollte.

„Ich weiß nicht…“, gab Bunny zu. „Ich will ihn nicht als Freund verlieren. Aber ich darf auch Mamoru nicht verlieren. Und wenn ich mich entscheiden muss, dann… muss ich mich wohl für Mamoru entscheiden.“

Die Tränen, die sie so lange tapfer heruntergeschluckt hatte, liefen ihr nun doch die Wangen herab.

„Seiya wird mich hassen…“, schluchzte Bunny. Sofort zog Minako sie näher an sich und nahm sie nun ganz in den Arm.

„Mach dir keine Sorgen, Bunny.“, versuchte Minako sie zu beruhigen. „Seiya würde dich niemals hassen. Niemals!“
 


 

Seiya lag, seit er wieder zu Hause war, auf seinem Bett und starrte Löcher in die Decke. Wie wohl das Gespräch zwischen Bunny und Mamoru verlaufen war? Er hatte das starke Bedürfnis, sie anzurufen und einfach nachzufragen. Doch er wusste nicht, ob das eine so gute Idee war. Immerhin hatte sie seinetwegen wahrscheinlich schon genug Schwierigkeiten. Was, wenn sie immer noch bei Mamoru war? Der würde das wahrscheinlich nicht so toll finden, wenn er jetzt anriefe.

Ob sich Bunny wohl bei ihm melden würde, um ihm mitzuteilen, wie es gelaufen war? Immerhin war er ja daran beteiligt gewesen. Er hoffte, sie würde ihm keine Vorwürfe machen, auch wenn er es gut verstehen könnte. Immerhin hatte er sie wirklich dazu gedrängt, von seinem Löffel zu essen.

Es klopfte an seiner Zimmertür.

„Ja?“, rief er, ohne sich zu bewegen.

„Hey.“, hörte er Yatens Stimme aus Richtung Tür.

„Hey.“, antwortete er und starrte weiterhin nur an die Decke.

„Alles klar?“, fragte Yaten leicht unsicher.

„Klar.“, log Seiya. „Warum?“

„Ich war heute mit Minako verabredet.“, begann Yaten. „Aber sie musste plötzlich weg, weil sie einen Anruf von Bunny bekommen hat.“

Seiya setzte sich auf und sah Yaten erwartungsvoll an.

„Anscheinend war Bunny am Telefon ziemlich aufgelöst und Minako ist sofort zu ihr.“

„Scheiße…“, sagte Seiya leise und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Anscheinend war das Gespräch mit Mamoru alles andere als gut verlaufen.

„Was ist denn passiert?“, fragte Yaten, der sich immer noch um das Wohl seines Bruders sorgte.

„Bunny und ich waren Eis essen.“, erzählte Seiya nun. „Ich hab ihr einen Löffel von meinem Eis angeboten, sie hat es angenommen und in dem Moment musste natürlich Mamoru vorbeikommen. Er hat’s gesehen und Bunny sofort zu einem Gespräch unter vier Augen aufgefordert. Dann sind die beiden zusammen weg und seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.“

„Oh man…“, seufzte Yaten und legte die Hand in den Nacken. „Und du meinst, dass das Gespräch der beiden nicht so gut verlaufen ist?“

„Hört sich ganz so an, oder?!“, erwiderte Seiya. „Wenn es gut verlaufen wäre, hätte Bunny ja wohl kaum vollkommen aufgelöst Minako angerufen.“

„Scheiße.“, sagte jetzt auch Yaten.

„Das kannst du laut sagen.“, seufzte Seiya.
 


 

„Mamoru hat WAS?“, fragte Rei nach, als sie mit Minako telefonierte.

„Genau so habe ich auch reagiert.“, antwortete Minako sofort. Sie saß immer noch bei Bunny und hatte beschlossen, dass die Mädels darüber Bescheid wissen mussten, um so Bunny zur Seite stehen zu können.

„Ich glaub’s ja nicht…“, sagte Rei fassungslos. Minako nickte bekräftigend, auch wenn Rei das natürlich nicht sehen konnte. Aber wenn selbst Rei so schockiert war und es anscheinend falsch fand, was Mamoru da getan hatte…

„Also, kommst du?“, fragte Minako, die es für unabdinglich hielt, dass sich alle fünf Mädels schnellstmöglich versammeln sollten.

„Ich mach mich sofort auf den Weg!“, erklärte Rei und knallte den Hörer hin.

„Rei kommt auch.“, sagte Minako an Bunny gewandt. Ami und Makoto hatte sie vorher auch schon angerufen und beide hatten sofort zugesagt.

„Danke, Minako.“ Bunny hatte die Arme um ihr Kopfkissen geschlungen und ihr Gesicht darin vergraben. Zum Glück hatte sie ihre Freundinnen. Selbst wenn es mit Mamoru nicht gut lief, konnte sie sich auf ihre Mädels verlassen. Das hatte sie früher schon gemerkt.
 

Es dauerte nicht lange und die Freundinnen hatten sich alle in Bunnys Zimmer versammelt. Minako hatte sich stellvertretend für Bunny um Tee gekümmert und spielte Gastgeberin.

„Jetzt erzähl nochmal ganz genau, was passiert ist.“, verlangte Makoto, die am Telefon von Minakos knappen Ausführungen ziemlich überrumpelt worden war.

Bunny erzählte nochmal, was passiert war. Sie erzählte, wie Mamoru sie und Seiya beim Eis essen gesehen hatte, wie sie sich dann unterhalten hatten, wie sie von dem Kuss erzählt hatte, weil sie ihr schlechtes Gewissen einfach nicht mehr ertragen hatte, und wie Mamoru darauf reagiert und ihr schließlich den Kontakt zu Seiya mehr oder weniger untersagt hatte.

„Ich hätte nie gedacht, dass Mamoru so reagiert.“, sagte Ami, als Bunny fertig erzählt hatte.

„Ich auch nicht.“, bestätigte Bunny. Sonst hätte sie ihm wohl nie von diesem Kuss erzählt.

„Ist doch ganz klar, dass er sauer ist.“, warf Rei mit einem leicht vorwurfsvollen Ton ein. Sie hatte es von Anfang an nicht gut geheißen, was da zwischen Bunny und Seiya abgelaufen war. „Aber… dir die Freundschaft zu Seiya zu verbieten… das geht wirklich ein bisschen zu weit.“

„Dazu hat er gar kein Recht!“, regte Makoto sich auf. Seit der ganzen Sache mit Seiya, hatte Mamoru immer mehr Sympathiepunkte bei ihr verloren.

„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Bunny verzweifelt.

„Meinst du nicht, du kannst nochmal mit Mamoru reden?“, schlug Ami vor. „Vielleicht war das nur eine Schockreaktion und er braucht einfach ein bisschen Zeit, um wieder zur Vernunft zu kommen.“

„Einen Versuch wäre es wert.“, bestätigte Makoto aufmunternd.

„Ich weiß nicht.“, warf Rei ein. „Meint ihr nicht, dass er das vielleicht wieder in den falschen Hals kriegen könnte? Erst sagt Bunny, dass sie nichts mehr mit Seiya zu tun haben wird und kurze Zeit später versucht sie Mamoru doch wieder umzustimmen? Wirkt das nicht so, als könnte sie ohne Seiya einfach nicht mehr?“

„Da hast du auch wieder recht.“, gab Makoto seufzend zu.

„Vielleicht ist es wirklich das Beste, wenn du eine Weile Abstand von Seiya hältst.“, fuhr Rei fort. Sofort erntete sie die bösen Blicke von Minako und Makoto. Sie hob abwehrend die Hände.

„Ich meine ja gar nicht, dass du nie wieder etwas mit ihm zu tun haben sollst. Aber das Ganze ist in letzter Zeit doch sehr außer Kontrolle geraten, findet ihr nicht? Vielleicht braucht ihr ein bisschen Abstand voneinander, damit sich das alles wieder regeln kann. Versteht ihr, was ich meine? Wenn ihr euch ständig seht, ist es doch klar, dass du nicht von ihm los kommst. Und das war doch, was du entschieden hattest. Oder nicht?“

Bunny nickte.

„Ich wünschte, ich müsste Seiya nicht wehtun.“, sagte sie leise. „Aber indem ich mich für Mamoru entschieden habe, habe ich das wohl schon… Vielleicht kommt er ja auch über mich hinweg, wenn wir eine Weile keinen Kontakt haben.“

Sie spürte selbst, dass sie eigentlich gar nicht wollte, dass Seiya über sie hinwegkam. So egoistisch das auch von ihr war, tief im Inneren wünschte sie sich, dass er sie weiter immer lieben würde. Es versetzte ihrem Herzen einen Stich, als sie daran dachte, dass Seiya sich womöglich in eine andere verlieben und sie vergessen könnte.

„Naja…“, überlegte Ami. „Vielleicht ist das wirklich die beste Lösung. Auch wenn es mit Sicherheit schwierig ist, so habt ihr eventuell die Chance, ganz von vorne anfangen zu können. So wie jetzt kann es doch auch nicht weitergehen.“
 

Minako verstand natürlich, was Rei und Ami sagten, doch alles in ihr sträubte sich irgendwie gegen den Gedanken, dass Bunny und Seiya so auseinandergetrieben werden sollten. Es war, als wären all ihre Bemühungen umsonst gewesen. Sie und Yaten hatten doch nur gewollt, dass die beiden glücklich waren. Und sie beide waren der Meinung, dass das nur möglich war, wenn sie zusammen waren. Wäre da doch nur nicht die Sache mit Chibiusa….

„Willst du wirklich auf den Kontakt mit Seiya verzichten?“, fragte sie direkt an Bunny gewandt. Sie wollte nicht wissen, was die anderen dachten. Sie wollte nur wissen, was Bunny zu sagen hatte. Es war ganz allein ihre Entscheidung.

Bunny brauchte ein bisschen, bis sie antwortete.

„Ich will nicht.“, sagte sie schließlich zögerlich. „Aber ich muss.“

Minako war enttäuscht. Natürlich verstand sie, dass Bunny sich so entschied. Und natürlich würde sie Bunny immer unterstützen, egal wie sie sich entschied. Immerhin war sie ihre beste Freundin. Aber trotzdem war sie enttäuscht.

„Und… wie willst du es ihm sagen?“, fragte sie. Sie machte sich Sorgen. Sorgen um Bunny und Sorgen um Seiya. Sie wusste genau, dass es Seiya das Herz brechen würde, wenn Bunny nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Aber auch Bunny würde das nicht gut verkraften, da war sie sich sicher.

„I-ich weiß nicht…“, gab Bunny zu und senkte den Blick. „Wie soll ich ihm so etwas schon sagen?“

„Ich finde, du bist ihm ein richtiges Gespräch schuldig.“, antwortete Minako ernst. Wenn Bunny ihm schon das Herz brechen musste, dann sollte sie wenigstens ein vernünftiges Gespräch mit ihm haben.

„Der Meinung bin ich auch.“, mischte Makoto sich ein.

„Meint ihr, das ist okay?“, fragte Bunny, die langsam Angst bekam. „Ich habe Mamoru doch schon gesagt, dass ich Seiya nicht mehr sehen werde…“

„Na, hör mal, Bunny!“, rief Minako empört auf. „Wenn Mamoru schon so etwas von dir verlangt, dann soll er dich wenigstens das Ganze klären lassen! Wenn er dir deswegen krumm kommt, dann bekommt er es aber mit mir zu tun!“

Minako ließ ihre Fingerknöchel knacken, was bei weitem nicht so eindrucksvoll wirkte, wie wenn Makoto das getan hätte. Aber sie war in diesem Moment ernsthaft sauer. Allein die Vorstellung, dass Mamoru deshalb einen Aufstand machen könnte, trieb sie zur Weißglut. Obwohl sie Mamoru immer als Bunnys Partner und ihren zukünftigen König gesehen hatte, konnte sie in diesem Moment nur Hass für ihn empfinden.
 

„Du hast recht.“, seufzte Bunny. „Ich werde mit Seiya sprechen.“

Zögerlich griff sie nach ihrem Handy. Wie sollte sie das nur anfangen?

And I watch you like I'm made of stone as you walk away

Er lag mittlerweile schon seit Stunden auf seinem Bett. Yaten hatte ihn wieder alleine gelassen, nicht ohne ihn darum zu bitten, ihm Bescheid zu sagen, wenn es etwas Neues gab. Langsam zweifelte er daran, dass Bunny sich heute noch bei ihm melden würde. Doch kaum hatte er diesen Gedanken gefasst, ertönte sein Handy. Ruckartig setzte er sich auf, schnappte sich das Handy und sah auf das Display. Die SMS war tatsächlich von ihr. Nervös öffnete er die Nachricht.

 

Hey Seiya,

Ich muss dringend mit dir

reden. Hast du morgen

Zeit?

Bunny

 

Seiya schluckte. Das klang gar nicht gut. Wieso musste sie dringend mit ihm reden? Am liebsten würde er jetzt sofort und auf der Stelle zu ihr, um zu erfahren, was los war. Aber er sah ein, dass es dafür schon zu spät war, und sie fragte ihn ja auch ausdrücklich nach morgen. Nur dummerweise ging morgen der Dreh für das Video zu ihrer neuen Single weiter und er musste schon morgens um 8 am Set sein.

Zögerlich stand er auf.

„Yaten?“, fragte er vorsichtig, als er sein Zimmer verlassen hatte.

„Wir sind hier!“, rief Yaten aus dem Wohnzimmer, in dem er zusammen mit Taiki saß. Dem ganzen Papierkram auf dem Tisch nach zu urteilen, hatten sie gearbeitet. Ohne ihn. Sie hatten wohl – nicht ganz zu Unrecht – geglaubt, dass er im Moment eh zu nichts zu gebrauchen war.

„Gibt’s was Neues?“, fragte Yaten und sah Seiya besorgt an, nachdem er das Wohnzimmer betreten hatte.

„Mhm…“, machte Seiya als Antwort. „Sie hat mir geschrieben, dass sie dringend mit mir reden muss, und hat gefragt, ob ich morgen Zeit hätte.“

„Das ist alles?“, fragte Yaten stirnrunzelnd. Er hatte dieselben Gedanken wie Seiya zuvor. Das konnte kein gutes Zeichen sein.

„Du hast morgen keine Zeit.“, sagte Taiki.

„Aber…“, wollte Seiya protestieren.

„Wir können es uns nicht leisten, morgen sausen zu lassen.“, erklärte Taiki ruhig. „Rika hat nur noch morgen Zeit, bevor sie selbst wieder ins Studio muss.“

„Ich weiß.“, erwiderte Seiya und ballte seine Hände zu Fäusten.

„Vielleicht können wir es so drehen, dass du zwischendurch etwas Zeit hast.“, schlug Yaten vor. „Es gibt zwar nur wenige Szenen, in denen du nicht vorkommst, aber wenn wir die mit der Mittagspause zusammenlegen, kannst du vielleicht zwischendurch mal weg.“

Hoffnungsvoll sah Seiya auf. Er wusste, dass er so höchstens eine Stunde gewinnen konnte, aber das war besser als nichts. Oder? Flehend sah er Taiki an. Dieser seufzte.

„Na schön…“, stimmte er schließlich zu und kramte eine Mappe hervor. Er zog einige Zettel heraus, schnappte sich einen Kugelschreiber und machte einige Pfeile und Anmerkungen.

„Zwischen zwölf und eins.“, sagte er schließlich. „Aber du musst pünktlich wieder da sein.“

„Danke!“, rief Seiya aus. Er hatte gewusst, dass er sich im Notfall auf seine Brüder verlassen konnte. Er beeilte sich, eine Antwort an Bunny zu schreiben.

 

Ist ein bisschen knapp morgen,

aber wenn wir uns in der Nähe

vom Studio treffen können, hätte

ich ab 12 für eine Stunde Zeit.

Wäre das okay?

Seiya

 

 

 

 

Bunny sah mit klopfendem Herzen auf ihr Handy und las die Nachricht, die Seiya ihr geschickt hatte. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose. Beinahe hatte sie gehofft, Seiya hätte keine Zeit gehabt, dann hätte sie dieses Gespräch nicht so bald führen müssen. Aber anscheinend hatte er sich extra ein wenig Zeit für sie freigemacht. Und sie befürchtete, dass eine Stunde tatsächlich ausreichend war. Was blieb ihr also anderes übrig, als zuzustimmen? Das würde mit Sicherheit das schlimmste Gespräch ihres Lebens werden.

 

 

 

 

Seiya gähnte. Es war acht Uhr morgens und sie waren gerade alle am Set eingetrudelt. Er hatte viel zu wenig geschlafen. Ständig waren ihm alle möglichen Gedanken im Kopf herumgeschwirrt, was Bunny ihm wohl zu sagen hatte. Und ein Gedanke war schlimmer als der andere gewesen. Wie sollte er sich nur bis 12 Uhr auf die Arbeit konzentrieren?

„Seiya!“, hörte sie die glockenhelle Stimme von Rika Osawa. Die hatte ihm grad noch gefehlt. Er drehte sich um und tatsächlich stand dort das hübsche Mädchen vor ihm, das er in letzter Zeit beinahe jeden Tag um sich hatte.

„Hey.“, begrüßte er sie knapp und zwang sich zu einem Lächeln.

„Du hast gestern gar nicht auf meine SMS geantwortet.“, sagte sie und verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund.

„Oh? Ah…“, machte Seiya. Die SMS hatte er wieder ganz vergessen. „Sorry, ich hatte ziemlich viel um die Ohren.“

Immer noch dieser Schmollmund.

„Ist das auch wahr?“, fragte sie und sah – mit einem geschickt platzierten Augenaufschlag – von unten zu ihm hinauf.

„Natürlich ist das wahr!“, bestätigte Seiya sofort. Auch wenn er eigentlich nur Eis essen war. Und danach den Rest des Tages quasi nichts tuend auf dem Bett gelegen hatte.

„Na schön.“, gab Rika nach. „Dir sei noch einmal verziehen.“

Sie zwinkerte ihm zu und drehte sich dann um, weil ihr Manager sie gerufen hatte. Seiya seufzte. Er konnte mit diesem Mädchen einfach nicht umgehen.

 

 

„Okay, Schnitt!“, rief der Regisseur, den sie für diesen Videodreh angeheuert hatten. „Es hat zwar eine Weile gedauert, aber jetzt ist das erstmal im Kasten.“

Er sah dabei eindringlich Seiya an, der an diesem Tag mehr als nur einen Fehler gemacht hatte. Er hatte sich wirklich einfach nicht konzentrieren können. Er sah auf die Uhr. Es war bereits 12:07 Uhr. Verdammt. Ausgerechnet jetzt musste er sich verspäten. Während der Regisseur einige Anweisungen gab und die nächste Szene vorbereitet wurde, schnappte Seiya sich schnell sein Handy und verabschiedete sich mit knappen Worten von Yaten und Taiki.

„Um ein Uhr geht es weiter!!!“, rief der Regisseur ihm noch hinterher. Ihm hatten die Änderung im Drehplan gar nicht gepasst, hatte aber nachgegeben, nachdem Taiki eine Weile auf ihn eingeredet hatte.

Seiya hob nur kurz die Hand, um zu zeigen, dass er verstanden hatte, bevor er verschwand.

 

 

 

Bunny sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. Es war schon 12:09 Uhr. Seiya war zu spät. Nicht dass sie das schlimm fand. Normalerweise. Doch jetzt war sie so nervös, dass sie das nur noch verrückter machte. Sie war in Gedanken schon hundertmal durchgegangen, was sie sagen wollte. Sie war von ihren eigenen Worten selbst nicht überzeugt. Es gab einfach keine Möglichkeit, Seiya zu sagen, dass sie sich nicht mehr sehen konnten, ohne ihm wehzutun.

Tief in Gedanken ging sie auf und ab und merkte so gar nicht, dass Seiya plötzlich hinter ihr stand.

„Schätzchen…“, sagte er und klang leicht außer Atem. Ihr Herz machte einen Satz. Langsam drehte sie sich um. Da stand er. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel bis zum Ellbogen hochgekrempelt waren. Er schwitzte leicht und atmete schwer. Seine Wangen waren leicht gerötet. Anscheinend war er so schnell er konnte hergekommen.

„Seiya…“, sagte sie leise und konnte ihn in diesem Moment nur anstarren. Alle Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, waren einfach verschwunden. Ihr Herz wurde immer schwerer, als sie daran dachte, dass sie mit diesem Menschen bald nichts mehr zu tun haben konnte.

„S-sorry, dass ich zu spät bin.“, brachte Seiya schließlich heraus und legte sich verlegen die Hand in den Nacken. „Hat ein bisschen länger gedauert beim Dreh.“

„Mhm…“, machte Bunny nur und senkte den Blick. Sie schaffte es jetzt schon nicht, ihre Tränen zurückzuhalten. Seiya kam einen Schritt auf sie zu.

„Schätzchen?“, fragte er vorsichtig. „Alles in Ordnung?“

 

Er war geschockt, als er ihre Tränen sah. Sie hatte noch gar nichts gesagt. Sie stand einfach nur da und weinte.

„Schätzchen…“, brachte er heraus und verspürte den unheimlichen Drang, sie einfach in den Arm zu nehmen. Er streckte eine Hand nach ihr aus und legte sie ihr auf die Schulter. Sie zuckte zusammen. Erschrocken zog er seine Hand wieder zurück. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals.

„Was ist los?“, fragte er und wurde langsam panisch. Was war bloß passiert, dass sie sich so verhielt? Sie atmete einmal tief durch, bevor sie den Mund aufmachte.

„S-Seiya…“, schluchzte sie leise. Sein Herz rutschte ihm in die Hose.

„Was ist los, Schätzchen?“, fragte er erneut, obwohl er große Angst vor dem hatte, was sie wohl sagen würde.

„Es t-tut mir so l-leid.“, schluchzte sie weiter.

„Was?“, fragte er panisch. „Was tut dir leid?“

„Ich… ich kann…“, setzte sie an, schien aber die Worte nicht richtig herausbringen zu können. „Wir können… nicht… uns nicht mehr… sehen…“

Seiya gefror das Blut in den Adern. Mit einem Schlag wurde ihm eiskalt und trotzdem fing er an zu schwitzen.

„W-was meinst du?“, stotterte er. Hatte er sich verhört? Sie falsch verstanden? Alles in ihm zog sich zusammen.

„W-wir können… uns nicht mehr sehen.“, wiederholte Bunny erneut. Nicht einmal hatte sie ihn angeschaut, seit sie angefangen hatte zu weinen. Ohne darüber nachzudenken legte Seiya seine Hand an Bunnys Kinn und zwang sie so aufzusehen. Sein eigener angsterfüllter Blick spiegelte sich in ihren tränennassen Augen wieder.

„Was meinst du damit?“, fragte er und erkannte seine eigene Stimme kaum wieder.

„M-Mamoru…“, brachte sie hervor. Allein der Name war wie eine Ohrfeige. „E-er will nicht… dass w-wir… uns länger s-sehen…“

Ihre Stimme zitterte.

„D-das kann nicht dein Ernst sein!“, rief Seiya mit erstickter Stimme aus und packte sie bei den Schultern. Sie zuckte zusammen, doch dieses Mal ließ Seiya sie nicht los. Sie senkte den Blick wieder.

„Es tut mir leid...“, wiederholte sie leise.

„Nein!“, rief Seiya aus und schüttelte sie leicht. „Das kann nicht sein!“

Sie sah auf und ihm direkt in die Augen. Die Tränen liefen ihr immer noch die Wangen hinunter, doch ihr Blick sagte eindeutig, dass sie es ernst meinte. Langsam ließ Seiya seine Arme sinken.

„S-Seiya…“, sagte sie leise. „Ich… ich wollte das nicht…“

Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sie wollte das nicht? Wieso tat sie es dann?

„Warum, Bunny?“, fragte er nur. Seine Stimme war leise und gebrochen.

„Mamoru…“ Wieder eine Ohrfeige. „Er… hat gesagt, ich muss… muss mich entscheiden… Entweder du… oder er.“

Na, wie sie sich da entscheiden würde, war ja wohl von Anfang an klar gewesen, oder? Pure Bitterkeit stieg in ihm hoch. Mamoru wusste genau, dass Bunny sich niemals für ihn, Seiya, entscheiden würde. Immerhin hatten die beiden eine vorherbestimmte Zukunft. Sie KANNTEN ihre Zukunft. Wieso also sollte Mamoru Angst vor ihm haben? Es war doch von Anfang an klar gewesen, dass Seiya bei ihr keine Chance gehabt hatte.

„Du hast dich für ihn entschieden.“, stellte Seiya trocken fest. Er konnte es ihr nicht einmal verübeln.

„Ich…“, setzte sie verzweifelt an. „Ich MUSSTE mich für ihn entscheiden…“

„Ich weiß…“, sagte er. Das wusste er wirklich. Was hatte sie schon für eine Wahl?

„Es hat nichts mit dir zu tun…“, versicherte sie ihm schnell. Ein schwacher Trost.

„Glaubst du wirklich, das hilft mir?“, fragte er verzweifelt. Ein schmerzerfüllter Ausdruck trat auf Bunnys Gesicht. Sofort bereute Seiya seine Worte. Er wollte ihr nicht wehtun. Das Ganze war für sie sicher auch nicht einfach.

„Ich… ich wollte nur…“, stotterte Bunny und erneut kullerten die Tränen. Seiya hob abwehrend die Hand.

„Ich weiß…“, murmelte er. „Sorry.“

„Seiya!“, rief sie aus. „Bitte… entschuldige dich nicht bei mir. Du… du hast wirklich… wirklich nichts falsch gemacht! Es ist allein… ganz allein meine Schuld.“

Ist es nicht, dachte er. Es ist allein Mamorus Schuld. Wie gern würde er das glauben. In Wahrheit gab er aber doch sich selbst die Schuld. Wieso nur hatte er sich nicht beherrschen können? Es war ja nicht so, als hätte er nicht gewusst, dass sie einen Freund hatte. Er war doch wirklich selbst schuld, sich an die Freundin eines anderen ranzumachen.

„Es ist nicht deine Schuld…“, sagte er, ohne seine anderen Gedanken weiter auszuführen. Er atmete einmal tief durch.

„Das war’s dann also…“, stellte er beinahe schon nüchtern fest. Bunny senkte den Blick.

„Es tut mir leid…“, murmelte sie. Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Unendliche Trauer lag darin, die Seiya das Herz brach. Unfähig irgendetwas zu tun, sah er sie einfach nur an. Nach einigen Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen und doch viel zu kurz waren, drehte sie sich um.

„Leb wohl, Seiya.“, sagte sie leise und ging davon.

Er sah ihr nach. Er wollte schreien, ihr nachlaufen, sie zurückhalten. Doch er konnte nicht. Nicht einen Muskel konnte er rühren. Wie versteinert stand er da und sah dem Mädchen nach, das er mehr als alles andere liebte und das grad drohte, für immer aus seinem Leben zu verschwinden.

Erst als sie um die Ecke gegangen war und sich nicht mehr in seinem Sichtfeld befand, gaben seine Knie nach. Er sackte zu Boden und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Erst jetzt merkte er, dass ihm Tränen das Gesicht hinabliefen.

Maybe then I'll fade away and not have to face the facts

„Seiya?“

Nur langsam drang die Stimme Yatens an sein Ohr. Er spürte, wie ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte. Langsam drehte er den Kopf und erkannte seine Brüder, die ihn mit besorgten Blicken ansahen.

„Hey, Seiya!“, sagte Taiki schon etwas lauter. „Was ist denn los mit dir?“

„Was?“, fragte Seiya schwach.

„Du hättest schon vor über einer halben Stunde zurück sein sollen!“, erklärte Taiki mit einer Mischung aus Ärger und Besorgnis. Natürlich machte er sich Sorgen um Seiya, aber immerhin hatte er dem Regisseur gegenüber die Verantwortung übernommen. Nur so hatte er sich dazu überreden lassen, Seiya über Mittag wegzulassen.

Seiya warf einen Blick auf die Uhr. Die Zeiger verschwommen vor seinen Augen und er musste ein paarmal blinzeln, um zu erkennen, was die Uhr anzeigte. Tatsächlich war es schon halb zwei.

„Was ist los?“, wiederholte Yaten Taikis Frage. Seiya schluckte.

„Es ist vorbei…“, antwortete Seiya leise mit einem dicken Kloß im Hals.

„Was ist vorbei?“, fragte Yaten angespannt.

„Bunny…“, erwiderte Seiya. „Sie… sie hat gesagt, dass wir uns nicht mehr… sehen können.“

„WAS?“, fragte Yaten scharf. „Was soll der Blödsinn?“

„Mamoru.“, war das einzige, das Seiya darauf antwortete. Yaten wurde wütend. Er hatte diesen Mamoru noch nie wirklich leiden können, aber so langsam bekam er einen richtigen Hass auf ihn. Nicht nur, dass er Seiya mies behandelte und dafür sorgte, dass es ihm schlecht ging – was ja als Grund, um ihn zu hassen, schon vollkommen ausreichte! Nein, jetzt musste er auch noch Bunny so behandeln. Auch wenn er so etwas nie gut rüberbringen konnte, er mochte Bunny. Sie war wirklich ein liebes und lustiges Mädchen und er konnte verstehen, wieso Seiya sie so mochte. Mittlerweile war sie für ihn wirklich eine Freundin geworden. Und er konnte es einfach nicht ausstehen, wenn jemand seine Freunde schlecht behandelte.

„Hör mal, Seiya…“, sagte Taiki und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich kann verstehen, dass dich das grad echt mitnimmt. Wirklich. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das von Dauer sein wird. Ich mein… Wenn die Ferien vorbei sind, seht ihr euch doch jeden Tag in der Schule. Und wir sind doch alle Freunde. Ihr werdet euch mit Sicherheit wiedersehen. Und irgendwann, wenn sich alles beruhigt hat, könnt ihr auch wieder richtige Freunde sein und ganz normal miteinander umgehen.“

„Ich weiß nicht…“, zweifelte Seiya. Es stimmte schon. Sie würden sich jeden Tag in der Schule sehen. Der Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen und er erleichterte ihn schon ein wenig. Aber so ganz überzeugt war er trotzdem nicht. Er wusste von der Vorherbestimmung für Bunny und Mamoru. Und von ihrer gemeinsamen Tochter. Das würde sie nicht so einfach aufs Spiel setzen. Das konnte sie einfach nicht.

„Seiya, es tut mir wirklich leid.“, fuhr Taiki nun fort. „Aber wir müssen unbedingt zum Dreh zurück. Wir haben wirklich nur noch heute und ohne dich können wir das Video nicht machen.“

Scheiße, dachte Seiya sich. Warum ausgerechnet jetzt? Er hatte das mit Bunny noch lange nicht verarbeitet. Er war sich nicht mal sicher, ob er das jemals würde verarbeiten können. Und ausgerechnet jetzt musste er sich auf die Arbeit konzentrieren?

„Sorry…“, murmelte er und stand auf. Für einen Moment fühlte er sich ein wenig wackelig und erneut verschwamm sein Blick. Er atmete einmal tief durch.

„Okay.“, sagte er, obwohl er dabei etwas kraftlos klang. „Lasst uns gehen.“
 


 

Bunny lag auf ihrem Bett und hatte das Gesicht in ihrem Kissen vergraben. Es war feucht von den Tränen, die sie vergossen hatte und die nun langsam versiegt waren. Mit beinahe schon körperlichen Schmerzen dachte sie an Seiyas Gesicht, als sie ihm gesagt hatte, dass sie sich nicht mehr sehen konnten. Genau vor diesem Gesichtsausdruck hatte sie sich so sehr gefürchtet. Dieser Gesichtsausdruck, der es ihr so schwer machte, Seiya einfach stehen zu lassen. Mehr denn je war ihr bewusst, dass ihre Gefühle für diesen Mann weit über reine Freundschaft hinausgingen. Mehr denn je wünschte sie sich, nur ein normales Mädchen sein zu können. Ein ganz normales Mädchen mit ganz normalen Beziehungsproblemen und ganz normalem Liebeskummer. Ihre vorherbestimmte Zukunft lastete schwer auf ihr. War es wirklich richtig, dass sie wegen dieser Zukunft so leiden musste? Hätte sie sich womöglich anders entschieden, wäre Chibiusa damals nicht durch die Zeit gereist und hätte sie nichts von ihrer Zukunft erfahren? Vielleicht. Aber das spielte dummerweise keine Rolle. Chibiusa WAR durch die Zeit gereist und sie HATTE ihre Zukunft gesehen. Und nachdem sie diese Zukunft gesehen hatte und Chibiusa kennengelernt hatte, wie sollte sie sich dann für einen anderen Mann als Mamoru entscheiden und somit Chibiusa aufgeben? Das war unmöglich, so sehr sie auch darunter litt.
 


 

Bedrückt saß Minako auf dem Sofa und starrte auf den Fernseher, in dem irgendeine Talkshow lief, von der sie allerdings gar nichts mitbekam. Sie hatte am frühen Nachmittag kurz eine SMS von Bunny bekommen, dass sie mit Seiya geredet hatte. Das war alles. Sie hatte danach versucht, Bunny anzurufen, aber das Handy war ausgeschaltet gewesen. Ein eindeutiges Zeichen. Sie hatte es gelassen, Bunny über das Haustelefon anzurufen oder sie direkt zu besuchen. Bunny wollte wohl einfach ein bisschen alleine sein. Verständlich.

Minako seufzte. Sie würde zu gern wissen, wie es Bunny jetzt ging. Und Seiya! Der Arme musste vollkommen fertig sein. Es war ja sicher schon schlimm genug für ihn, dass Bunny schon in festen Händen war. Und jetzt durfte er nicht einmal mehr mit ihr befreundet sein. Sie würde es jedenfalls nicht ertragen, wenn Yaten eine Freundin hätte und diese plötzlich die Freundschaft zwischen ihnen beiden verbieten würde. Sofort bekam Minako Wut auf diese imaginäre Freundin.
 

Ihr Handy klingelte. Bunny? Sie griff nach dem Telefon und sah auf das Display. Es war nicht Bunny sondern Yaten! Sofort nahm sie ab.

„Hallo Yaten?“, meldete sie sich

„Hey.“, begrüßte dieser sie. Sofort zauberte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Glücklicherweise gab es diese Freundin nicht, die ihm verbat, mit ihr befreundet zu sein.

„Sag mal…“, setzte Yaten an. „Ähm… Seiya hatte heute ein Gespräch mit Bunny und…“

„Ich weiß.“, unterbrach Minako ihn seufzend. „Ganz schön furchtbar, oder?“

„Es ist also wirklich wahr?“, fragte Yaten.

„Scheint so.“, stimmte Minako zu. „Bunny hat mir gestern davon erzählt, was Mamoru von ihr verlangt hat. Ich kann es immer noch kaum glauben.“

„Dieses Arschloch.“, fluchte Yaten.

„Du nimmst mir die Worte aus dem Mund.“, erwiderte Minako. Seit dieser Aktion war er ganz schön bei ihr unten durch. „Ich kann es echt nicht fassen.“

„Und Bunny zieht das wirklich durch?“, fragte Yaten. Minako zuckte mit den Schultern, obwohl Yaten das natürlich nicht sehen konnte.

„Ich weiß nicht.“, antwortete sie. „Ehrlich gesagt hoffe ich, dass sie es nicht tut. Aber… ich weiß nicht. Sie hängt wirklich sehr an Chibiusa.“

„Chibiusa?“, hakte Yaten nach.

„Ihre gemeinsame Tochter mit Mamoru.“, erklärte Minako. „Aus der Zukunft.“

„Ah.“, machte Yaten. Davon hatte er schon gehört, aber den Namen hatte er nicht gewusst.

„Ich glaube, dass Bunny so einiges zu tun bereit wäre, wenn es um Chibiusa geht…“, fuhr Minako betrübt fort. „Immerhin ist es ihre Tochter.“

„Ja..“, bestätigte Yaten. Das konnte er sogar verstehen, auch wenn er Kinder nicht besonders mochte. "Also glaubst du, dass es wirklich vorbei ist mit Seiya und Bunny? Nicht mal Freundschaft ist mehr drin?“

„Mhm…“, machte Minako vage. „Ich bin mir sicher, dass Seiya bei Bunny immer einen besonderen Platz im Herzen haben wird und sie ihn immer als Freund betrachten wird. Aber… ob sich das wieder einrenkt und sie irgendwann wieder normal miteinander umgehen werden…. Das weiß ich leider nicht.“

„Scheiße.“, murmelte Yaten.

„Wie geht es Seiya denn?“, fragte Minako schließlich.

„Ziemlich beschissen.“, antwortete Yaten. „Als er mit Bunny gesprochen hat, hatte er eigentlich nur eine kurze Pause vom Dreh und er sollte pünktlich um eins wieder da sein. Als er dann um halb zwei immer noch nicht da war, sind Taiki und ich los, um ihn zu suchen, und haben ihn dann total in sich zusammengesackt in der kleinen Grünanlage neben dem Studio gefunden. Es hat auch ein bisschen gedauert, bis er auf uns reagiert hat. Wir haben ihn wieder mit in Studio genommen und er hat sich stark zusammengerissen, um den Dreh nicht zu ruinieren, auch wenn wir ihm ansehen konnten, wie schlecht es ihm ging. Naja, hinterher ist er dann komplett zusammengebrochen. Jetzt ist er in seinem Zimmer und gibt keinen Mucks von sich. Ich bezweifle aber, das er schläft.“

„Ohje…“, sagte Minako. „Klingt wirklich nicht gut. Er tut mir so leid.“

„Allerdings.“, stimmte Yaten zu. „Mir auch. Das nimmt ihn wirklich richtig mit. Keine Ahnung, ob er sich davon überhaupt wieder erholen wird. Bunny ist wirklich sein ein und alles.“

„Ich weiß.“, sagte Minako. Sie hatte es noch nie erlebt, dass jemand jemanden so sehr liebte, wie Seiya Bunny liebte. Sie seufzte.

„Und wie geht’s dir?“, fragte sie nach kurzem Schweigen.

„Mir?“, fragte Yaten überrascht nach. „Ähm… mir geht’s gut. Also… Das mit Seiya nimmt mich schon ein bisschen mit, aber… sonst geht’s gut, ja… Ähm… und dir?“

„Auch so.“, antwortete Minako. „Ich wünschte nur, ich könnte irgendetwas für die beiden tun.“

Da waren sie wieder. Wieder war das Gespräch bei Seiya und Bunny und sie kamen einfach nicht davon los. Natürlich lag das Minako wirklich am Herzen und sie wollte den beiden auch wirklich helfen. Aber insgeheim wünschte sie sich, dass sie und Yaten auch so viel über andere Themen reden könnten. Dass sie nicht nur über die Beziehung zwischen seinem Bruder und ihrer besten Freundin, sondern vielleicht auch mal über ihre eigene Beziehung reden konnten. Wenn man das, was sie da hatten, überhaupt so nennen konnte…
 


 

Müde sah Seiya auf die Uhr. Es war bereits drei Uhr nachts, aber schlafen konnte er nicht. Immer wieder sah er Bunny vor Augen. Bunny, die weinte. Bunny, die sich bei ihm entschuldigte, bevor sie ihm sagte, dass sie sich nicht mehr sehen konnten. Bunny, die „Leb wohl“ sagte. Bunny, die sich von ihm abwandte und für immer aus seinem Leben verschwand.

Er drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen. Er musste doch schlafen. Wenn er schlief, konnte er wenigstens nicht darüber nachdenken. Aber um einschlafen zu können, musste er erstmal aufhören, an Bunny zu denken.

„Argh!“, stieß Seiya aus, als er sich mit einem Ruck aufsetzte und sich durch die Haare wuschelte. Er schlug die Decke um und stand auf. Er zögerte kurz, bevor er sich eine Jogginghose überstreifte und dann sein Zimmer verließ. Leise schlich er zur Wohnungstür, um so Yaten und Taiki nicht zu wecken, schlüpfte in ein Paar Turnschuhe, schnappte sich seinen Schlüssel und verließ die Wohnung.

Wenn er schon nicht schlafen konnte, konnte er wenigstens etwas tun. Er fühlte sich zwar eher schlapp und kraftlos, aber anscheinend noch nicht genug, als dass die körperliche Müdigkeit über seine aufgewühlten Emotionen siegen könnte. Er würde jetzt einfach so lange laufen gehen, bis er gar nicht mehr anders konnte, als einzuschlafen. Und mit ein bisschen Glück würde er beim Laufen einfach irgendwann umkippen und niemals mehr aufwachen. Dann musste er wenigstens kein Leben ohne Bunny leben und dabei zusehen, wie sie mit Mamoru glücklich wurde.
 


 

Bunny fühlte sich immer noch schrecklich. Sie hatte diese Nacht mehr schlecht als recht geschlafen. Sie hatte lange gebraucht, um einzuschlafen und war auch dann immer wieder aufgewacht. Sie konnte Seiyas Gesichtsausdruck einfach nicht vergessen. Bis in ihre Träume hatte er sie verfolgt. Müde rieb sie sich ihre Augen. Als sie ihre Hände wieder von ihren Augen nahm, fiel ihr Blick auf ihr Handy. Das hatte sie gestern, nachdem sie ihren Freundinnen Bescheid gegeben hatte, dass sie nun mit Seiya gesprochen hatte, einfach ausgeschaltet. Sie hatte nicht darüber sprechen wollen, zu tief saß der Schmerz.

Langsam streckte sie eine Hand nach dem Handy aus. Sie zögerte kurz, bevor sie es griff und es wieder einschaltete. Nach nur wenigen Sekunden vibrierte es mehrere Male und es wurden ihr mehrere eingehende SMS und verpasste Anrufe angezeigt. Bunny riss die Augen auf. Normalerweise bekam sie fast nie SMS oder Anrufe. Sie öffnete eine der SMS. Sie war von Rei. Grad wollte Bunny beginnen, die Nachricht zu lesen, da klingelte ihr Handy erneut. Ein Anruf. Sie erschrak kurz, bevor sie auf das grüne Hörer-Symbol drückte.
 

„Ja?“, fragte sie und musste feststellen, dass ihre Stimme sich etwas rau und müde anhörte.

„Bunny?“, hörte sie Minakos Stimme. „Gott sei Dank. Endlich erreiche ich dich!“

Sie klang sehr aufgeregt.

„Ist was passiert?“, fragte Bunny sofort. Eine aufgeregte Minako war an sich nichts Besonderes, aber diese Aufgeregtheit hatte nichts mit der sonst so fröhlichen Art Minakos zu tun.

„Ist Seiya bei dir?“, fragte Minako und Bunny hörte, wie sie die Luft anhielt.

„W-was?“ Bunny wusste nicht recht, was sie von dieser Frage halten sollte. „Wieso sollte er bei mir sein?“

„Scheiße.“, fluchte Minako.

„Was ist denn los?“ Bunny wurde immer verwirrter, spürte aber, wie sich ihr Herzschlag unangenehm beschleunigte.

„Seiya ist weg.“, antwortete Minako und große Besorgnis lag in ihrer Stimme.

„Wie weg?“, hakte Bunny nach.

„Keine Ahnung.“, erwiderte Minako. „Yaten hat mich heute früh angerufen und gefragt, ob ich Seiya gesehen hätte. Er hat sich gestern anscheinend früh in sein Zimmer zurückgezogen, aber heute früh war er weg. Yaten und Taiki können ihn nicht erreichen und sie machen sich große Sorgen. Irgendwie haben wir gehofft, dass er vielleicht bei dir wäre, um vielleicht nochmal mit dir zu reden oder so.“

„…“ Bunny brauchte kurz um das Gesagte zu verarbeiten. „Seiya ist nicht hier.“

„Scheiße.“, wiederholte Minako. „Okay, danke Bunny. Wir suchen ihn dann weiter.“

„Warte Minako!“, hielt Bunny sie auf. „Ist… Glaubst du… das ist meine Schuld?“

Bunny hörte Minako seufzen.

„Bunny…“, sagte sie ruhig. „Mach dir keine Vorwürfe. Du hattest keine Wahl. So wie Mamoru dich unter Druck gesetzt hat.“

Erneut stiegen in Bunny Tränen hoch.

„Es tut mir so leid.“, schluchzte sie ins Telefon.

„Bunny… wirklich.“, versuchte Minako es erneut. „Du musst dir wirklich keine Vorwürfe machen. Seiya geht es auch bestimmt gut. Also… ich meine, er wird schon in Ordnung sein. Er konnte bestimmt nur nicht schlafen und ist dann ein bisschen rausgegangen. Er braucht halt jetzt ein bisschen Zeit für sich. Das wird schon wieder.“

„Glaubst du?“, fragte Bunny.

„Bestimmt.“, bestätigte Minako.

„Okay…“, gab Bunny sich geschlagen, ohne dass sich der Kloß in ihrem Hals auch nur einen Millimeter gelöst hätte.

„Ich helf‘ mal Yaten und Taiki weiter.“, sagte Minako schließlich. „Wenn du mich brauchst, Bunny, kannst du mich jederzeit anrufen, ja? Ich bin immer für dich da.“

„Danke Minako.“, erwiderte Bunny ehrlich dankbar.

„Selbstverständlich.“, sagte Minako. „Mach’s gut!“

„Danke.“, antwortete Bunny. „Du auch.“

Sie legte auf.

Sie fühlte sich, als würde sich alles um sie herum drehen. Seiya war weg. Verschwunden. Und egal, was Minako sagte, sie wusste, dass es ganz allein ihre Schuld war.

Forever and ever I'm part of you and me

Etwas unentschlossen saß Bunny auf ihrem Bett. Seiya war verschwunden. Ruckartig sprang sie auf, zog sich schnell ein paar Klamotten über, schnappte sich ihr Handy und lief eilig die Treppe hinab.

„Oh… Bunny?“, fragte Ikuko verwirrt, als ihre Tochter in rasender Geschwindigkeit an ihr vorbeilief.

„Morgen Mama.“, begrüßte Bunny sie hastig. „Sorry, keine Zeit. Bin weg!“

„Bunny!“, rief Ikuko ihr noch hinterher, doch Bunny war schon durch die Haustür verschwunden und hatte eine leicht verwirrte Ikuko zurückgelassen.

 

Bunny rannte durch ein paar Straßen, bevor sie etwas außer Atem stehen blieb und sich umsah. Was machte sie da eigentlich? Als würde sie Seiya so finden. Mit zitternden Händen zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte Seiyas Nummer.

 

Der gewünschte Gesprächsteilnehmer ist zurzeit nicht zu erreichen. The person you’ve called is temporarily not available.

 

Sie hatte es vermutet. Seiyas Handy war wohl ausgeschaltet. Er wollte im Moment wohl auch mit niemandem sprechen. Sonst wäre er ja auch nicht einfach weggegangen. Sie setzte sich wieder in Bewegung. Hastig wählte sie Minakos Nummer. Nach dem dritten Klingeln ging sie ran.

„Hallo Bunny?“, meldete sie sich.

„Hey.“, erwiderte Bunny. „Wo bist du grad?“

„Wo ich bin?“, fragte Minako etwas verwirrt nach. „Ähm… grad im Juban-Park. Warum?“

„Ich helfe mit.“, antwortete Bunny. „Ich helfe, Seiya zu suchen.“

„Du willst helfen?“, fragte Minako hörbar erstaunt.

„Ja.“, bestätigte Bunny. „Ich fühl mich furchtbar. Ich glaube, ich habe Seiya sehr wehgetan und… wenn ihm jetzt etwas zustoßen würde, könnte ich mir das nie verzeihen.“

„Ich verstehe…“, erwiderte Minako. „Wir freuen uns natürlich, wenn du helfen willst. Also ich suche grad immer noch den ganzen Juban-Park ab, Yaten ist in der Innenstadt und Taiki sucht das Studio und so ab… Ich weiß nicht, wo du suchen könntest, aber… vielleicht fällt dir ja etwas ein.“

„Okay.“, stimmte Bunny zu.

„Gut.“, sagte Minako. „Ich melde mich, wenn es irgendetwas Neues gibt.“

„Alles klar. Dann bis später!“, verabschiedete Bunny sich. Mit entschlossenem Blick schritt sie voran. Ihr fielen schon ein paar Plätze ein, an denen Seiya sich befinden könnte. Und sie hoffte, dass er sich an einem dieser Orte tatsächlich aufhielt.

 

 

„Seiya?“

Langsam öffnete Seiya seine Augen, als er seinen Namen hörte und eine Hand sanft auf seiner Schulter spürte. Nachdem er im ersten Moment nur unscharf sehen konnte, erkannte er nach und nach das Gesicht von Bunny vor sich.

„Schätzchen?“, fragte er mit müder Stimme und setzte sich langsam auf. Jeder einzelne Knochen tat ihm weh. Aber sie lächelte. Und dieses Lächeln sorgte dafür, dass er keine Schmerzen mehr spürte.

Vorsichtig streckte sie ihre Hand nach ihm aus und strich ihm über die Wange. Erstaunt sah er zu ihr auf. Noch immer lag dieses warme Lächeln auf ihren Lippen. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Was machte sie da?

„Wie geht’s dir?“, fragte sie mit sanfter Stimme.

„Ähm…“, stotterte er etwas. „Mir geht’s gut… denke ich… U-und dir?“

Sie schmunzelte.

„Ich bin bei dir.“, antwortete sie. „Natürlich geht es mir gut.“

Die Hitze schoss ihm ins Gesicht. Was war hier los? Warum benahm sie sich so? Nicht, dass er etwas dagegen hätte… Aber es war doch schon sehr eigenartig.

„Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?“, fragte er besorgt und suchte nach Anzeichen dafür, dass sie sich womöglich den Kopf gestoßen haben könnte. Doch sie lachte nur.

„Natürlich bin ich mir sicher.“, erwiderte sie. „Was sollte auch nicht in Ordnung sein? Es ist so ein schöner Tag…“

Plötzlich nahm Seiya seine Umgebung wahr. Sie befanden sich auf einer grünen Wiese, er lag an den Stamm eines Baumes gelehnt und die Sonne schien. Er hörte Vogelzwitschern und das Plätschern eines Bachs, aber sonst nichts. Keine anderen Menschen. So, als wären nur sie beide anwesend.

„…und wir sind zusammen.“, sprach Bunny ihren Satz zu Ende, bevor sie sich seufzend neben ihm niederließ, wobei sie nach seiner Hand griff und ihre Finger mit seinen verschränkte. Sie lehnte sich an seine Schulter.

Nur noch verwirrter sah er sie an, während sein Herz sich gar nicht mehr beruhigen wollte. Er war noch nie so glücklich und so verwirrt auf einmal gewesen.

„Schätzchen…?“, fragte er vorsichtig.

„Mhm?“, machte sie und sah zu ihm auf, ohne ihren Kopf von seiner Schulter zu nehmen.

„Ähm…“, zögerte er. „A-auch auf die Gefahr hin, dass ich damit alles kaputt mache… aber… was ist hier eigentlich los?“

Nun hob sie ihren Kopf doch. Sie runzelte die Stirn.

„Was meinst du?“, fragte sie, nun anscheinend ebenso verwirrt.

„I-ich meine…“, setzte er an. „Ich meine, gestern hast du mir noch gesagt, dass wir uns nicht mehr sehen dürfen… und jetzt… jetzt sitzen wir hier… ja, wo eigentlich? Wo sind wir hier? Und warum benimmst du dich so, als wäre ich… naja, als… wäre ich dein… Freund…“

Er spürte, dass er bei seinen letzten Worten rot wurde.

„N-nicht, dass ich etwas dagegen hätte…!“, fügte er hastig hinzu.

„Aber…“, sagte sie verwirrt. „Du BIST doch mein Freund.“

Seiyas Augen weiteten sich. Vielleicht hatte ER ja einen Schlag auf den Kopf bekommen und konnte sich an nichts mehr erinnern?

„Und… ist es nicht egal, wo wir sind?“, fuhr Bunny fort. „Die Hauptsache ist doch, dass wir zusammen sind. Oder nicht?“

„J-ja.“, antwortete Seiya. „Ich denke schon.“

Jetzt lächelte sie wieder.

„Ich liebe dich, Seiya.“, sagte sie. Sein Herz machte einen Satz und ausgehend von seinem Magen breitete sich ein unglaubliches Gefühl in seinem Körper aus. Es war doch scheißegal, was hier los war. Bunny hatte gesagt, dass sie ihn liebt. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er seine Hand nach ihr aus, legte sie an ihre Wange und zog sie so näher zu sich, bis er seine Lippen auf ihre legen konnte. Er küsste sie. Und sie erwiderte diesen Kuss. Seine Hand wanderte ihren Hals hinab, über ihre Schulter, bis er sie schließlich an ihre Taille legte und sie so noch näher an sich heranzog. Er spürte, wie sich ihre Hand in sein T-Shirt krallte. Angespornt von ihrer Geste, vertiefte er den Kuss nur noch mehr. Dieser Moment sollte am besten nie vorbei gehen.

 

„Bunny!“, hörte er die wütende Stimme des Mannes, den er in diesem Moment am allerwenigsten sehen wollte. Erschrocken löste sie den Kuss und sah auf.

„M-Mamoru…!“, rief sie offensichtlich verängstigt aus.

„Was zur Hölle geht hier vor sich?“, spuckte er förmlich aus.

„M-Mamoru…“, wiederholte sie nur noch verängstigter. Tränen sammelten sich in ihren Augen. „I-ich wollte nicht…“

„WAS wolltest du nicht?“, fragte er scharf nach. „Du wolltest nicht mit diesem Arschloch rummachen?“

„Mamoru bitte!“, winselte sie. „Ich wollte das wirklich nicht. Er… er hat mich dazu gezwungen!“

Geschockt sah Seiya sie an. Was erzählte sie da? Er hatte sie gezwungen? Hatte SIE nicht gesagt, er sei ihr Freund? Und hatte SIE nicht gesagt, sie würde ihn lieben?

Mamoru machte einen großen Schritt auf sie zu und stand nun direkt vor ihnen. Er packte Bunny am Arm und zog sie mit Gewalt von ihm weg. Ohne auf sie zu achten, schleuderte er sie beiseite. Sie fiel hin und schürfte sich das Knie auf dem harten Betonboden auf. Seiya sprang auf.

„Bist du bescheuert?“, brüllte er Mamoru an. Was fiel ihm eigentlich ein, Bunny SO zu behandeln?

„Halt die Schnauze.“, erwiderte der und packte ihn am Kragen seines T-Shirts. „Du hast MEINE Freundin geküsst, du Wichser.“

„Aber…“, wollte Seiya protestieren. So ist es doch gar nicht gewesen… oder? Er sah sich um. Sie befanden sich vor dem Eiscafé, wo sie zusammen Eis gegessen hatten. Sie waren nicht auf einer grünen Wiese. Wo sollte das auch gewesen sein? Hatte er sich das alles nur eingebildet? Hatte sie in Wirklichkeit niemals gesagt, er sei ihr Freund? Und dass sie ihn liebte? Hatte er sie wirklich zu diesem Kuss gezwungen?

Sein Blick schweifte zu Bunny, die noch immer auf dem Boden saß und sich den Arm dort rieb, wo Mamoru sie vorher so fest gepackt hatte. Sie sah mit weit aufgerissenen Augen zu ihm und Mamoru.

„Schätzchen…“, setzte er an, doch noch bevor er irgendetwas anderes hätte sagen können, spürte er einen harten Schlag in seiner Magengegend. Mamoru ließ ihn los. Er strauchelte und sackte schließlich auf den Boden.

„Wag es ja nicht, sie nochmal anzusprechen.“, sagte Mamoru drohend. Seiya sah zu ihm hinauf und hielt sich den Bauch. Er konnte gar nicht fassen, was hier gerade passierte. Erneut schweifte sein Blick zu Bunny, die ihn geschockt und mit einer Hand über ihrem Mund anstarrte.

Er durfte nicht zulassen, dass sie weiter mit diesem gewalttätigen Kerl zusammen war. Leicht taumelnd stand er auf.

„Du hast es nicht verdient, mit Bunny zusammen zu sein.“, sagte er an Mamoru gewandt. Er konnte die Wut in den Augen seines Gegenübers richtig sehen.

„Was hast du gesagt?“, zischte er.

„Du hast mich schon verstanden.“, sagte Seiya. Mamoru holte aus und traf ihn mit seiner Faust mitten ins Gesicht. Seiya schmeckte Blut. Doch er wich nicht zurück. Dieses Mal war er es, der Mamoru am Kragen packte.

„Lass sie gehen!“, forderte er. Mamoru packte ihn am Handgelenk und drehte es leicht. Seiya zuckte zusammen. Wieso war Mamoru so stark? Das war doch nicht menschlich. Mit Leichtigkeit befreite er sich aus Seiyas Griff und zwang ihn erneut in die Knie.

„Wenn ich dich noch einmal mit Bunny sehe, bringe ich dich um.“, sagte Mamoru. Seiya wollte etwas erwidern, doch er konnte kaum den Mund aufmachen, da spürte er Mamorus Tritt, der dafür sorgte, dass sein Kopf hart auf dem Boden aufschlug.

Er stöhnte, als er sich an den Kopf fasste. Er spürte das warme Blut über sein Gesicht laufen. Seine Wahrnehmung verschwamm. Nur unklar konnte er sehen, wie Mamoru zu Bunny ging, ihr aufhalf und sie dann in seine Arme zog.

„Wag es ja nicht, mir noch einmal zu nahe zu kommen.“, hörte er Bunnys kalte Stimme, die zusammen mit Mamoru nun direkt vor ihm stand. Unter Anstrengung sah er zu ihr hinauf und blickte in ihr hasserfülltes Gesicht. Das letzte, was er spürte, war ihr Tritt in seiner Magengegend, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.

 

Bunny seufzte. Wo konnte er nun sein? Sie hatte nun schon etliche Orte abgesucht, doch nirgends hatte sie Seiya entdecken können. Was, wenn er wirklich weg war? Weg aus Tokyo? Womöglich sogar weg von der Erde? Weg aus ihrem Leben? Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Hatte sie ihn nicht sowieso schon aus ihrem Leben verbannt? Hatte das nicht das Ganze hier erst angezettelt?

Aber so schnell konnte sie nicht aufgeben. Es gab einen Ort, an dem sie noch nicht nachgeschaut hatte.

 

Etwa fünfzehn Minuten später befand sie sich in einem kleinen Park, ganz in der Nähe von dem Vergnügungspark, den sie damals zusammen mit Seiya besucht hatte. Hier hatten die Three Lights damals das Konzert gegeben, auf dem Seiya zusammengebrochen war, nachdem er von Sailor Tin Nyanko verletzt worden war, als er sie beschützt hatte. Hier hatte er ihr durch seine Musik gezeigt, was damals auf Euphe passiert war und warum sie hier waren.

Langsam lief Bunny durch den Park und sah sich genau um. Es waren nicht viele Leute unterwegs. Nur selten begegnete sie jemandem, was ihr ganz recht war. Allerdings konnte sie auch Seiya nicht finden. Sie bog um eine Ecke und gelangte so in den hinteren, etwas abgelegenen Teil des Parks. In nur Bruchteilen einer Sekunde hatten sich ihre Augen auf ihn fixiert. Halb versteckt im Schatten eines Baumes und an dessen Stamm gelehnt saß Seiya. Sein Kopf war etwas zur Seite gekippt und er hatte die Augen geschlossen.

Unwillkürlich machte Bunnys Herz einen Satz. Sie holte einmal tief Luft, bevor sie vorsichtig zu ihm ging. Sie hockte sich vor ihn und sah ihn an. Er schien zu schlafen. Er atmete ruhig. Bunny wusste nicht so recht, was sie jetzt machen sollte. Sollte sie ihn wecken? Doch eigentlich sollte sie sich doch von ihm fernhalten, so sehr ihr das grad auch missfiel.

Vorsichtig streckte sie die Hand nach ihm aus, doch nur Millimeter, bevor sie ihn berührt hätte, zog sie ihre Hand wieder zurück und stand auf. Sie entfernte sich einige Meter von ihm, bevor sie ihr Handy hervorzog und Minako anrief.

 

Einige Minuten später kam Minako zusammen mit Yaten und Taiki, denen sie auch Bescheid gegeben hatte, bei Bunny an.

„Wo ist er?“, fragte sie vollkommen außer Atem.

„Da vorne.“, antwortete Bunny und zeigte in seine Richtung. „Er schläft.“

„Danke, Bunny.“, sagte Taiki aufrichtig, bevor er zusammen mit den anderen beiden zu Seiya ging, der mittlerweile deutlich unruhiger atmete.

 

„Seiya!“

Langsam öffnete er seine Augen, als er seinen Namen hörte und eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn vorsichtig schüttelte. Nachdem er anfangs nur unscharf sehen konnte, erkannte er nach und nach das Gesicht von Yaten vor sich.

Er richtete sich etwas auf und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Ihm tat alles weh.

„Yaten?“, murmelte er mit rauer Stimme.

„Man, hast du uns eine Angst eingejagt.“, sagte Yaten und atmete erleichtert auf.

„Was?“ Seiya war noch etwas verwirrt. Langsam wurde ihm bewusst, dass nicht nur Yaten hier war, sondern auch Taiki und Minako ihn mit erleichterten Gesichtsausdrücken ansahen.

„Was ist denn los?“, fragte er.

„Das wollten wir dich fragen!“, erwiderte Taiki, den er selten so aufgebracht erlebt hatte. „Was hast du dir nur dabei gedacht, einfach abzuhauen?“

„Abzuhauen?“, hakte Seiya verwirrt nach. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, was passiert war.

„Ich…“, setzte er an. „Ich hatte gar nicht vor, abzuhauen… Ich konnte nicht schlafen und da bin ich einfach etwas rausgegangen… joggen… ich muss wohl dann hier eingeschlafen sein.“

Er sah drei fassungslose Gesichter vor sich.

„Weißt du, was für Sorgen wir uns gemacht haben???“, schrie Yaten ihn an, dem der Geduldsfaden gerissen war. „Wir haben die ganze verdammte Stadt nach dir abgesucht und du pennst hier einfach in Seelenruhe! Ich kann es nicht fassen!“

„Ist doch nichts passiert.“, versuchte Seiya ihn zu beruhigen und hob abwehrend die Hände. In diesem Moment fiel sein Blick auf eine vierte Person, die in einigen Metern Abstand hinter Yaten, Taiki und Minako stand. Bunny! Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, bevor sie sich abwandte und davonging. Ihn überkam der Drang, aufzuspringen und ihr zu folgen, doch er bewegte sich keinen Millimeter.

Minako fiel Seiyas Blick auf.

„Sie hat dich gefunden.“, erklärte sie. Seiya sah sie an, ohne etwas zu sagen. Minako fuhr fort.

„Ich hab sie angerufen, weil ich dachte, dass du vielleicht bei ihr wärst, nachdem… naja, nachdem, was passiert ist… Sie hat sich wahnsinnige Sorgen gemacht… Und Vorwürfe… Sie wollte unbedingt mithelfen, dich zu finden. Und letztendlich war es auch sie, die dich entdeckt hat.“

Seiya erinnerte sich an Bunnys Worte.

Wag es ja nicht, mir noch einmal zu nahe zu kommen.

Nein! Das war ein Traum gewesen. Das alles! Schnell versuchte er, die Erinnerungen daran abzuschütteln.

„Seiya.“, sagte Minako und legte eine Hand auf seine Schulter. „Auch wenn Bunny gesagt hat, dass ihr euch nicht mehr sehen könnt, heißt das nicht, dass du ihr nicht mehr wichtig bist. Du hast keine Ahnung, wie schwer ihr das gefallen ist. Sie hat das nur gemacht, weil sie glaubt, dass sie das machen musste. Wegen ihrer Zukunft… Auch wenn ihr euch nicht mehr sehen dürft und nach außen hin keine Freunde mehr sein dürft, wirst du für immer in Bunnys Herzen sein. Das kann ich dir versprechen.“

Seiya brauchte einige Momente, um Minakos Worte zu verarbeiten, doch schließlich nickte er.

„Ich weiß.“, sagte er und auch wenn es ihm selbst gerade erst bewusst geworden war, stimmte es doch, was er sagte. Er wusste es wirklich. Immerhin war es Bunny, von der sie hier redeten.

Would it be wrong, would it be right?

Vollkommen erschöpft saß Seiya auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner gemeinsamen Wohnung mit Yaten und Taiki. Die Nacht war einfach viel zu kurz gewesen und dieser eigenartige Traum, den er gehabt hatte, hatte auch nicht gerade zu seiner Erholung beigetragen. Immer und immer wieder sah er vor sich, wie Mamoru Bunny von ihm losriss und dann auf ihn losging. Doch am schlimmsten waren die Bilder davon, wie Bunny ihn mit eiskaltem Blick ansah.

„Seiya?“, hörte er die Stimme Taikis.

„Hm?“, gab er als Antwort.

„Willst du dich nicht vielleicht nochmal hinlegen? Du siehst echt müde aus.“

„Nein…“, erwiderte Seiya. „Ich will nicht schlafen. Ich will nicht wieder so einen Scheiß träumen.“

„Was hast du denn geträumt?“, mischte sich Minako ein, die noch mit zu den Jungs gekommen war.

„Ach…“, wehrte Seiya ab. „War nur… nur ein Albtraum.“

„Hatte es mit Bunny zu tun?“ Minako konnte nicht anders, als neugierig zu sein.

„Mhm…“, machte Seiya bestätigend.

„Weißt du…“, setzte Minako an. „Ich weiß zwar nicht genau, was du geträumt hast. Aber vielleicht hilft es schon, wenn du mit jemandem darüber redest. Ich mein jetzt gar nicht mich. Aber Rei kennt sich mit so etwas aus. Traumdeutung und so. Dich nimmt das Ganze doch echt mit gerade.“

Seiya überlegte kurz. Sollte er vielleicht wirklich mit Rei darüber sprechen? Er hatte damals schon mal mit ihr über seine Probleme geredet. Auch wenn Rei wohl nicht gemerkt hatte, dass er wusste, wer sie war, denn sie hatte damals als Wahrsagerin im Einkaufszentrum gearbeitet. Und dieses kleine Gespräch mit ihr hatte ihm wirklich geholfen.

„Okay…“, stimmte er schließlich zu. Minako klatschte in die Hände.

„Ich ruf sie sofort an!“, sagte sie, sprang auf und griff nach dem Telefon.
 

Tatsächlich klingelte es zwanzig Minuten später an der Tür und Rei trat ein.

„Hey…“, sagte sie vorsichtig, da sie nach Minakos Erklärungen am Telefon nicht so recht wusste, wie Seiya grad drauf war.

„Hey.“, erwiderte Seiya und setzte sich leicht auf.

„Setz dich, Rei.“, forderte Minako sie auf, als wäre es ihre Wohnung. Rei setzte sich Seiya gegenüber in einen Lehnstuhl, den Minako im Voraus extra dort platziert hatte.

„Wie geht’s dir, Seiya?“, fragte sie immer noch vorsichtig.

„Müde.“, antwortete. „Und… naja, du weißt ja, was los ist, nehme ich an. Super gut geht’s mir nicht grad.“

Rei nickte. Das war wohl verständlich. Auch wenn sie Bunny stets dazu geraten hatte, sich für Mamoru zu entscheiden, und sogar angemerkt hatte, dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn sie ein wenig Abstand von Seiya halten würde, tat er ihr leid. Er sah wirklich fertig aus. Und das lag eindeutig nicht nur am Schlafmangel.

„Minako hat gesagt, du möchtest über einen Traum reden?“, kam sie nun zum Punkt. Er seufzte.

„Naja, am liebsten würde ich ihn eigentlich vergessen.“, erwiderte Seiya. „Aber vielleicht ist es besser drüber zu reden, als es zu verdrängen…“

Rei nickte eifrig.

„Wenn ich dir helfen kann…“, sagte Rei und sah ihn erwartungsvoll an. Seiya schloss für einen Moment die Augen, bevor er ihr von seinem Traum erzählte.
 

Als er die Erzählung beendet hatte, sah er die bekümmerten Gesichter seiner Brüder und der beiden Mädchen.

„Es war nur ein Traum…“, fügte er schnell noch hinzu, um klarzumachen, dass sie sich keine Sorgen machen sollten.

„Was sagst du, Rei?“, fragte Minako. Rei machte ein nachdenkliches Gesicht.

„Naja…“, begann sie, bevor sie Seiya direkt ansah. „Der Traum verarbeitet natürlich, was in letzter Zeit so passiert ist. Erst der Kuss und die Hoffnung, dass vielleicht doch etwas zwischen euch sein könnte. Und dann das abrupte und brutale Ende dieser Hoffnung, als Bunny gesagt hat, dass ihr keinen Kontakt mehr haben könnt.“

„Brutal?“, hakte Seiya nach. „Ist ja nicht so, als hätte Mamoru mich wirklich geschlagen. Er hat nicht mal mit mir gesprochen oder so.“

„Das nicht…“, erwiderte Rei. „Aber du weißt, dass Mamoru der Grund ist, wieso du nicht mit Bunny zusammen sein kannst und wieso sie auf einmal keinen Kontakt mehr mit dir haben will… kann. Auch wenn Mamoru dir keine körperlichen Schmerzen hinzugefügt hat, leidest du darunter. Und diese Schmerzen sind meist noch schlimmer als körperliche…“

„Mhm…“, machte Seiya. „Das wird es wohl sein…“

„Und dann hat er im Traum auch noch Bunny wehgetan, richtig?“, fuhr Rei fort. „Ich glaube nicht, dass Mamoru Bunny gegenüber jemals handgreiflich werden würde, aber… auch ihr tut es sehr weh, dass sie den Kontakt zu dir abbrechen musste. Und das wiederum liegt an ihm.“

„Okay, das verstehe ich.“, sagte Seiya. „Aber am Ende wirkte sie gar nicht mehr verletzt oder so… sondern eiskalt und sie hat gesagt, dass ich ihr nicht zu nahe kommen soll.“

„Das wiederum sind deine Ängste.“, antwortete Rei. „Du hast Angst davor, dass Bunny das alles nicht nur tut, um Mamoru zufrieden zu stellen. Du hast Angst davor, dass sie wirklich anfangen könnte, dich zu hassen oder dass du ihr einfach komplett egal bist.“

Seiya spürte einen Stich in seiner Brust.

„Du hast recht.“, murmelte er. „Davor habe ich wirklich Angst.“

„Seiya!“, warf Minako schnell ein. „So ist Bunny nicht, das weißt du doch. Sie würde dich niemals hassen und du bist ihr alles andere als egal! Sie lie…. sie… sie mag dich sehr… Du bist ihr wirklich wichtig. Glaub mir.“

Seiya vergrub das Gesicht in seinen Händen.

„Ich weiß ja…“, murmelte er. „Aber das reicht nicht…“

„Sie hat diese Entscheidung nur getroffen, weil sie so vor die Wahl gestellt wurde.“, fuhr Minako fort. „Mamoru hat gesagt, sie muss sich zwischen ihm und dir entscheiden. Das ist so, als hätte sie gar keine Wahl! Sie hat sich nicht wegen Mamoru für ihn entschieden, sondern wegen Chibiusa und ihrer vorherbestimmten Zukunft!“

„Ich weiß.“, wiederholte Seiya. „Ich versteh das ja alles. Aber was bringt mir das? Es kommt doch alles aufs selbe raus: Bunny bleibt bei Mamoru und ich hab nicht nur keine Chance bei ihr, ich darf noch nicht mal mehr mit ihr reden!“

Er spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Wut auf Mamoru? Wut auf Bunny? Wut auf seine Freunde, die versuchten, ihn aufzumuntern? Oder Wut auf sich selbst? Er wusste es nicht. Er hatte einfach nur das plötzliche Bedürfnis, auf irgendetwas einzuschlagen.

„Seiya.“, sagte Taiki scharf. „Ich weiß, das ist schwer für dich und du bist echt frustriert. Aber Bunny musste diese Entscheidung nun mal treffen. Du musst lernen, mit der Situation umzugehen. Wenn du jetzt etwas Dummes tust, wird es Bunny auch nicht zurückbringen und du würdest es hinterher nur bereuen.“

Seiya hasste es manchmal, wie recht Taiki doch immer hatte. Er stand auf.

„Ich will ein bisschen alleine sein.“, sagte er und ging einige Schritte Richtung Tür, bevor er sich nochmal umdrehte. „Keine Sorge. Ich werde nichts Dummes machen.“

Damit verschwand er aus dem Wohnzimmer. Nur wenig später hörten alle, wie die Wohnungstür ins Schloss gezogen wurde.
 

Ziellos wanderte Seiya durch die Straßen Tokyos. Er wusste nicht, was er jetzt machen sollte, aber er hatte es nicht mehr ertragen, mit den anderen auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Er konnte die aufmunternden Worte nicht mehr ertragen. Er konnte es nicht mehr ertragen, die ganze Zeit über dieses Thema zu reden. Er konnte es nicht mehr ertragen, wie alle sich um ihn sorgten. Er konnte es nicht mehr ertragen, so eine Schwäche zu zeigen. Er konnte sich selbst nicht mehr ertragen.

Wann war er zu so einem Jammerlappen geworden? Er war früher immer so von sich selbst überzeugt gewesen. Er hatte sich immer selbst gemocht, ohne – wie er hoffte – zu überheblich zu sein. Einfach selbstbewusst. Aber von diesem Selbstbewusstsein war nichts mehr übrig geblieben. Wann war das passiert?

Er dachte an die Zeit zurück, als er Bunny kennengelernt hatte. Er hatte sie von Anfang an gemocht, aber damals hatte er noch selbstbewusst an sie herantreten können. Selbst nachdem ihm klargeworden war, dass er sie wirklich liebte, er aber keine Chance bei ihr hatte, hatte er ihr noch ganz selbstbewusst seine Liebe gestehen können. Natürlich war er traurig gewesen damals, aber er hatte geglaubt, dass es ihm reichen würde, wenn sie glücklich war. Er hatte geglaubt, dass ihm Freundschaft reichen würde, er über sie hinweg kommen würde und womöglich ein anderes Mädchen finden würde. Aber er hatte das Gefühl, dass er sie einfach mit jedem Tag mehr und mehr liebte. Und mittlerweile wusste er, dass es für ihn unmöglich war, ein anderes Mädchen je so zu lieben. Er würde niemals über Bunny hinwegkommen. Was sollte er nur tun?

Er blieb stehen. Unbewusst war er in Richtung von Bunnys Haus gegangen. Wenn er um die nächste Ecke gehen würde, wäre er dort. Er zögerte einen Moment, bevor er sich wieder umdrehte. Er würde ihr nur Probleme bereiten, wenn er jetzt zu ihr gehen würde.
 


 

„Bunny?“

Bunny hörte, wie ihre Mutter vorsichtig an ihre Tür klopfte und nach ihr rief. Nachdem sie Seiya gefunden hatte, war sie nach Hause zurückgekehrt und hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Sie war unglaublich erleichtert gewesen, als sie gesehen hatte, dass er unversehrt war. Aber lange hatte die Erleichterung nicht angehalten. Es hatte sie viel Überwindung gekostet, ihn nicht direkt zu wecken, ihn womöglich in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen, wie froh sie war, dass es ihm gut ging. Und es war ihr bewusst geworden, dass all das niemals mehr möglich sein würde. Sie durfte keinen Kontakt mehr zu ihm haben, sonst brachte sie Chibiusa in Gefahr.
 

„Bunny!“, ertönte erneut die Stimme ihrer Mutter und dieses Mal wartete sie nicht mehr auf eine Antwort. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat ein. Bunny lag von der Tür abgewandt auf ihrem Bett und umklammerte ihr Kissen.

„Bunny, Schatz…“, sagte ihre Mutter leise, setzte sich zu ihr aufs Bett und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Ist alles in Ordnung?“

Bunny überlegte kurz.

„Mama…“, sagte sie schließlich und drehte sich zu ihrer Mutter. „Warst du schon mal in einen anderen Mann als Papa verliebt?“

Ikuko sah ihre Tochter erstaunt an.

„Bevor ich deinen Vater kennengelernt habe, hatte ich schon ein zwei Freunde…“, antwortete sie mit leicht geröteten Wangen, als sie an ihre Highschool- und Collegeliebe zurückdachte.

„Das meine ich nicht…“, widersprach Bunny. „Ich meine… also… hast du dich schon mal in einen anderen Mann verliebt, während du mit Papa zusammen warst?“

Nun war Ikuko noch erstaunter. Aber sie konnte eins und eins zusammenzählen. Sie streichelte ihrer Tochter über das Haar.

„Weißt du, mein Schatz, wir können unsere Gefühle nicht steuern.“, sagte sie schließlich. „Egal, wie sehr wir das auch versuchen, das ist einfach nicht möglich. Ich habe in deinem Vater den richtigen Mann für mich gefunden. Aber dafür musste ich auch erstmal die eine oder andere Beziehung mit dem Falschen erleben. Das ist ganz normal.“

„Und was, wenn man nicht weiß, wer der Richtige ist?“, fragte Bunny.

„Das weiß man vorher nie.“, erklärte Ikuko. „Wenn man das von Anfang an wüsste, dann gäbe es nicht so viele Trennungen. Aber das gehört eben zum Leben dazu. Es ist doch auch alles viel spannender, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Auch wenn es manchmal wehtun kann… das alles sind Erfahrungen, die man machen muss.“

„Und wenn man die falsche Entscheidung trifft?“, fragte Bunny weiter. „Und man es nachher bereut?“

„Bunny… Schatz…“, sagte Ikuko sanft. „Man kann vorher nie wissen, was die richtige Entscheidung ist. Egal, worum es geht. Privat oder beruflich… Jeder trifft mal eine falsche Entscheidung. Und wenn das so ist, dann hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du versuchst, die falsche Entscheidung wieder gutzumachen oder du blickst nach vorne.“

„Und wie soll man dann überhaupt eine Entscheidung treffen?“

„Du musst einfach deinem Herzen folgen.“, antwortete Ikuko. „Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber… wenn du eine Entscheidung nur mit dem Kopf triffst, dann läufst du Gefahr, dich nur unglücklich zu machen. Du musst dich für das entscheiden, was dich glücklich macht.“

Bunnys Herz pochte laut in ihrer Brust. Sie sollte sich für das entscheiden, was sie glücklich machte? Sofort dachte sie an Seiya. Ja, er würde sie glücklich machen, das wusste sie. Doch unwillkürlich schweiften ihre Gedanken auch zu Chibiusa. Denn auch sie bedeutete nur Glück für sie.

„Hast du gemacht, was dich glücklich macht?“, stellte Bunny eine letzte Frage. Ikuko lächelte.

„Das habe ich.“, erwiderte sie. „Ich habe einen wundervollen Mann und zwei wundervolle Kinder.“

Sie beugte sich runter zu Bunny und gab ihr einen Kuss auf den Haaransatz.

Bunny schob das Kissen beiseite und schlang ihre Arme stattdessen um die Taille ihrer Mutter, die sie sofort an sich drückte.

„Danke Mama.“, murmelte Bunny, ohne verhindern zu können, dass in ihr ein paar Tränen aufstiegen. Würde sie auch irgendwann so glücklich sein? Mit dem richtigen Mann und ihrem gemeinsamen Kind?

She breaks her heart just a little too much

Träge sah Bunny auf ihr Handy, das ihr jeden Tag aufs Neue klarmachte, dass das Ende der Ferien immer näher rückte. Es war kaum zu glauben, dass sie mittlerweile schon seit zwei Wochen nicht mehr mit Seiya geredet hatte oder ihn überhaupt gesehen hatte. Sie fühlte sich schlecht. Einerseits fiel es ihr wahnsinnig schwer diesen Kontakt, diese Freundschaft aufzugeben… und andererseits hatte sie ein schlechtes Gewissen gegenüber Mamoru, gerade weil es ihr so schwer fiel.

Bald würde die Schule wieder losgehen und sie würde Seiya jeden Tag sehen. Sie hatte Angst davor. Wie sollte sie sich verhalten? Einfach so tun, als wäre er nicht da? Wie sollte sie das bloß anstellen? So sehr sie sich auch wünschte, ihn wiederzusehen, so große Angst hatte sie auch davor.

 

Seufzend schwang sie ihre Beine aus dem Bett und stand auf. Für einige Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen und sie setzte sich noch einmal hin, bis ihre Sicht wieder klarer wurde. Sie war noch nie besonders fit gewesen, aber in letzter Zeit fühlte sie sich besonders schlapp und lustlos. Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, bevor sie einen zweiten Versuch startete und aufstand.

Makoto hatte sie am Abend zuvor angerufen und gefragt, ob sie sich nicht mit den Mädels im Crown treffen wollte. Bunny hatte viele dieser Treffen in letzter Zeit abgesagt und die Zeit alleine zu Hause verbracht. Sie wusste genau, dass ihre Freundinnen sich Sorgen um sie machten, und das tat ihr auch leid. Aber sie hatte sich irgendwie nicht überwinden können, rauszugehen und etwas zu unternehmen. Doch sie selbst konnte sich kaum noch ausstehen mit ihren ständigen Ausreden, ihrer Trägheit und ihrem Wehleiden. Nachdem sie zuerst gezögert hatte, hatte sie Makoto schließlich doch zugesagt. Vielleicht würde sie das ja auf andere Gedanken bringen. Außerdem wollte sie nicht, dass sich ihre Freundinnen länger solche Sorgen um sie machten.

 

Als sie – beinahe pünktlich – das Crown betrat, saßen Makoto und Ami bereits an ihrem Stammtisch. Rei und Minako wollten, soweit Bunny wusste, auch kommen, waren aber noch nicht da.

„Bunny!“, rief Makoto und winkte sie zu sich herüber.

„Hey.“, begrüßte Bunny ihre Freundinnen und brachte ein kleines Lächeln zustande.

„Schön, dass du kommen konntest.“, sagte Ami und rückte ein wenig zur Seite, damit Bunny sich neben sie setzen konnte.

„Kaum zu fassen, dass wir nur noch eine Woche Ferien haben, oder?!“, stellte Makoto fest, um einen Gesprächsanfang zu finden, der nichts mit Bunnys Befinden zu tun hatte.

„Die Ferien gehen IMMER viel zu schnell vorbei.“, bestätigte Bunny sofort, wobei ihr Amis Blick nicht entging.

„Also um ehrlich zu sein…“, sagte diese verlegen. „…freue ich mich schon wieder auf die Schule…“

Makoto lachte und selbst Bunny musste schmunzeln.

„Wir haben auch nichts anderes erwartet.“, neckte Bunny sie, bevor sie wehleidig weitersprach. „Aber ich habe noch gar keine Hausaufgaben gemacht.“

„Was?“, fragte Ami schockiert. „Du hast noch gar nichts gemacht?“

„Nein…“, bestätigte Bunny. „Noch gar nichts. Ich mag keine Hausaufgaben machen…“

„Ich hab auch noch nicht alles.“, wandte Makoto ein. „Bisher habe ich erst Geschichte und Japanisch gemacht.“

„Ich wette, Minako hat auch noch nichts gemacht.“, sagte Bunny, die in Minako zumeist eine Leidensgenossin hatte, was Schule anging.

„Was hab ich noch nicht gemacht?“, hörten sie auf einmal die muntere Stimme Minakos, die gerade zusammen mit Rei hereingekommen war.

„Minako, Rei!“, rief Bunny aus.

„Hi Bunny!“, begrüßte Minako sie auf ihre fröhliche Art und quetschte sich neben sie auf die Bank, sodass Bunny und schließlich auch Ami noch weiter aufrücken mussten. Rei setzte sich neben Makoto.

„Also was hab ich noch nicht gemacht?“, wiederholte Minako ihre Frage.

„Hausaufgaben.“, antwortete Ami. Minako verzog das Gesicht.

„Also wirklich, Ami, schäm dich.“, erwiderte Minako. „Solche schmutzigen Wörter wollen wir hier nicht hören.“

Obwohl ‚Hausaufgaben‘ nun wirklich kein schmutziges Wort war, färbten sich Amis Wangen leicht rosa.

„Wir haben doch Ferien!“, fuhr Minako fort.

„Aber…“, wollte Ami widersprechen.

„Nichts aber!“, unterbrach Minako sie sofort. „Überleg doch mal. Nächstes Jahr um die Zeit müssen wir uns alle ernsthaft Gedanken um unsere Abschlussprüfungen machen. Diese Sommerferien sind die letzten, die wir so richtig genießen können. Vergiss Hausaufgaben!“

„Ich habe meine Hausaufgaben sowieso schon gemacht.“, murmelte Ami.

Bunny schmunzelte. Sie hätte doch schon früher wieder mit ihren Freundinnen rausgehen sollen. Allein dieses Geplänkel heiterte sie ungemein auf.

„Ach übrigens!“, rief Minako plötzlich aus. „Heute Abend soll auf M Sute das neue Video von den Three Lights gezeigt werden!“

Bunny zuckte unmerklich zusammen.

„Wollen wir uns das nicht alle zusammen angucken?“, fuhr Minako fort.“ Meine Eltern sind nicht da, also können wir alle zu mir.“

„Gern.“, stimmte Makoto sofort zu und auch Ami sagte zu. Reis Blick wanderte in Bunnys Richtung und erst jetzt fiel den anderen auf, worüber sie gerade redeten. Indirekt. Seiya. Ein Thema, das sie um jeden Preis hatten vermeiden wollen.

„Bunny…“, setzte Makoto an, doch Bunny winkte lachend ab.

„Macht euch bloß keine Sorgen um mich.“, sagte sie schnell. „Die Three Lights sind unsere Freunde, auch wenn ich im Moment… naja… keinen Kontakt zu Seiya habe… Das ändert nichts an meiner Freundschaft zu Yaten und Taiki und schon gar nichts an eurer Freundschaft zu den dreien. Ich will das Video auch sehen!“

Sie klang optimistischer, als sie es eigentlich war, auch wenn sie es durchaus ernst meinte, was sie sagte. Dass jeder Gedanke an Seiya ihr einen Stich versetzte, mussten ihre Freundinnen aber nicht unbedingt erfahren.

„Dann schauen wir alle heute Abend bei mir?“, fragte Minako mit der gleichen Erleichterung in der Stimme, die den anderen ins Gesicht geschrieben stand.

„Ich bin auf jeden Fall dabei.“, bestätigte Bunny mit einem – zugegebenermaßen leicht gezwungenem – Grinsen.

 

 

 

Seiya saß im Proberaum und spielte auf seiner Gitarre. Die letzten zwei Wochen waren sie unentwegt im Studio gewesen und hatten einen Song nach dem anderen aufgenommen. Passend zum Schulbeginn sollten die Aufnahmen abgeschlossen sein. Er hatte anfangs etwas gebraucht, um auf sein gewohntes Niveau zu kommen, aber irgendwann hatte er die Aufnahmen dankbar angenommen, da sie ihn von all seinem Kummer ablenkten. Er verbrachte jede freie Minute damit, Gitarre zu spielen, zu proben oder gar neue Songs zu schreiben, obwohl da gerade gar kein Bedarf bestand. Er stürzte sich vollständig in seine Musik, um so abends, wenn er im Bett lag, ja zu müde zum Nachdenken zu sein.

Sein Blick fiel auf sein Handy. Das Display leuchtete auf und ihm wurde angezeigt, dass er gerade angerufen wurde. Erst als er aufhörte zu spielen, hörte er den Klingelton und das Vibrieren auf dem Holztisch. Er griff nach dem Handy und nahm ab.

„Hallo?“, meldete er sich.

„Seiya!“, hörte er die glockenhelle Stimme Rika Osawas. Er griff sich an den Kopf. Warum hatte er vorher nicht nachgesehen, wer ihn anrief?

„Hi.“, antwortete er knapp.

„Wie geht’s dir?“, fragte Rika in fröhlichem Plauderton.

„Gut. Und dir?“, antwortete Seiya. Das war gelogen. Seit Bunny ihm gesagt hatte, dass sie keinen Kontakt mehr haben durften, ging es ihm alles andere als gut. Aber er hatte nun wirklich keine Lust, seine Probleme mit Rika Osawa zu besprechen.

„Mir geht’s auch gut.“, flötete Rika. „Du, Seiya…“

Was kam jetzt?

„Heute Abend ist doch die Premiere unseres Musikvideos.“

UNSERES? Es war wohl eher das Musikvideo der Three Lights mit Rika in einer Gastrolle.

„Mhm…“, machte Seiya unbestimmt.

„Hast du nicht Lust, es dir heute Abend mit mir zusammen anzusehen?“, fragte Rika und Seiya konnte sich ihr Gesicht mit Schmollmund und klimpernden Wimpern dabei deutlich vorstellen.

„Ähm…“, machte Seiya. Wie sollte er sich da rausreden? „Eigentlich hatte ich vor, das mit Yaten und Taiki anzusehen.“

Eigentlich hatte bisher noch überhaupt nichts geplant gehabt. Es interessierte ihn gar nicht so sehr. Für ihn war dieser Videodreh eher eine Qual gewesen und im Moment hatte er echt andere Dinge im Kopf, auch wenn er verzweifelt versuchte, diese zu verdrängen.

„Oh, Taiki und Yaten können natürlich auch gern kommen.“, warf Rika sofort ein, auch wenn Seiya sicher war, ein wenig Unwille in ihrer Stimme zu hören. „Mein Manager, ein paar Leute aus der Agentur und ein paar Freunde werden auch da sein. Das ist einfach eine kleine Party. Weißt du… ich habe nämlich heute Geburtstag…“

Seiya seufzte innerlich. Da würde er wohl nicht drum herum kommen, oder?! Sein Manager sagte immer und immer wieder, wie wichtig es war, in diesem Business Kontakte zu pflegen.

„Oh, wirklich?“, sagte er in einem aufgesetzt fröhlichen Ton. „Dann alles Gute zum Geburtstag, Rika.“

Er hörte ein Kichern am anderen Ende der Leitung.

„Vielen Dank.“, flötete Rika ins Telefon. „Also, kommt ihr?“

„Ich müsste nochmal  Yaten und Taiki fragen.“, erwiderte Seiya, der sicher war, dass Taiki ihn und Yaten dorthin zerren würde. Business war Business.

„Ich hoffe, ihr kommt.“, sagte Rika und Seiya konnte sofort wieder diesen Schmollmund vor sich sehen.

„Bestimmt.“, antwortete Seiya. „Ich melde mich nochmal, wenn ich mit Yaten und Taiki gesprochen habe.“

„Oh prima.“, jauchzte Rika. „Dann bis später, Seiya. Ich zähl auf dich!“

„Alles klar, bis dann.“

Seiya legte auf. Er rieb sich die Schläfen. Na, das konnte ja spaßig werden.

 

Wie erwartet befand er sich einige Stunden später zusammen mit Yaten und Taiki auf dem Weg zu Rikas Party. Yaten hatte deutlich seine Abneigung gegen eine solche Party gezeigt, aber Taiki hatte, wie vermutet, darauf bestanden, dass sie gingen. Er hatte sich sogar noch um ein Geschenk gekümmert.

Die Party fand in einem der agentureigenen Studios statt, welches ein wenig umgestaltet und geschmückt und so partygerecht gemacht worden war. Als die drei Jungs eintraten, stürmte Rika sofort auf sie zu.

„Seiya!“, strahlte sie und warf dann auch flüchtige Blicke auf die anderen beiden. „Taiki! Yaten! Es ist so schön, dass ihr kommen konntet.“

„Danke für die Einladung.“, erwiderte Taiki mit einem charmanten Lächeln. „Und alles Gute zum Geburtstag.“

„Ja, alles Gute.“, räumte auch Yaten ein.

„Danke euch.“, erwiderte Rika lächelnd und sah dann Seiya erwartungsvoll an.

„Ähm… alles Gute nochmal.“, sagte er. Er hatte ihr doch schon am Telefon gratuliert.

„Wir haben hier auch noch ein Geschenk für dich.“, sagte Taiki und reichte Rika das hübsch verpackte Päckchen, in dem sich Seiyas Wissen nach irgendeine teure Handtasche befand.

„Oh wow, das ist lieb von euch.“, strahlte Rika, nahm das Päckchen entgegen und nutze den Anlass, um alle drei Three Lights einmal zu umarmen, wobei sich Seiya sicher war, dass seine Umarmung um einiges länger war als die von Yaten und Taiki. Als Rika ihn endlich wiieder loslies, strahlte sie ihn an.

„Holt euch doch da vorne etwas zu trinken.“, sagte sie. „Gleich geht’s schon los mit der Premiere unseres Videos.“

UNSERES Videos.

„Ich bin ja so aufgeregt.“ Rika klatschte einmal in die Hände und strahlte Seiya mit leicht schief gelegtem Kopf an.

„Alles klar.“, sagte er und drehte sich hilfesuchend nach Yaten und Taiki um. „Dann holen wir uns eben etwas zu trinken.“

Erleichtert ging er mit Yaten und Taiki, die sich beide ein Grinsen nicht verkneifen konnten, zum Buffet. Kaum hatten sie sich ihre Becher mit Cola gefüllt, hörten sie auch schon Rikas Stimme durch den Raum hallen.

„Meine lieben Freunde.“, sagte sie zuckersüß. „Ich freue mich so wahnsinnig, dass ihr heute alle gekommen seid, um mit mir meinen 17. Geburtstag zu feiern. Wie es der Zufall so will, wird auch heute Abend das Video zum ersten Mal ausgestrahlt, in dem ich zusammen mit den Three Lights für ihre neue Single mitgespielt habe, und ich freue mich so wahnsinnig darauf, es mit euch allen zusammen anzusehen. Meine Ehrengäste heute Abend sind natürlich die Three Lights selbst: Seiya, Yaten und Taiki.“

Sie wies auf die drei Jungs, die sich immer noch am Buffet aufhielten und plötzlich von zahlreichen fremden Gesichtern angesehen wurden. Seiya lächelte widerwillig und hob einmal die Hand zum Gruß in der Hoffnung, dass Rika schnell weiterreden würde und die Aufmerksamkeit so wieder auf sich ziehen würde.

„Es war ein unglaubliches Erlebnis für mich, mit Seiya vor der Kamera zu stehen und ich freue mich so darauf, die Ergebnisse dieser harten Arbeit heute live mit euch zu bewundern.“

Sie sah auf die Uhr und gab dann ihrem Manager ein Zeichen.

„Also dann.“, fuhr sie fort. „In wenigen Augenblicken ist es soweit, schalten wir schon mal ein…“

Der Manager sorgte dafür, dass das Programm von M Sute auf eine Leinwand gestrahlt wurde und tatsächlich redeten die Moderatoren anscheinend schon über das neue Musikvideo der Three Lights, denn eines der Promo-Fotos von ihnen und Rika wurde im Hintergrund gezeigt.

 

 

 

„…freuen wir uns heute Abend die Premiere von Again von den Three Lights hier auf M Sute zu feiern!“

Der Moderator drehte den Kopf in Richtung des Bildschirms im Hintergrund und wurde dann schließlich ausgeblendet. Die ersten Bilder waren zu sehen und am unteren Bildrand tauchte ein Schriftzug auf:

 

Three Lights

„Again“

Journey of my Love

 

Es wurde eine kleine Bühne gezeigt, auf der Taiki am Keyboard, Yaten am Schlagzeug und Seiya mit einer Gitarre standen und spielten. Bevor die ersten Zeilen gesungen wurden, zoomte die Kamera auf Seiya, der seine Augen geschlossen hatte und schließlich den Mund öffnete und sang.

Plötzlich änderte sich die Szene und Seiya wurde zusammen mit Rika in einem simpel eingerichteten Raum gezeigt. Seiya trug eine schwarze Anzughose, ein schwarzes Hemd mit Krawatte sowie schwarze Schuhe, während Rika ein weißes Sommerkleid trug, welches sanft ihre Beine umspielte. Es wurde gezeigt, wie sie ihre Hände nacheinander ausstreckten und ihre Finger miteinander verschränkten.

Einer Überblende und man sah wieder Seiya, der zusammen mit Yaten und Taiki auf der kleinen Bühne stand und sang.

Noch eine Überblende. Wieder sah man Seiya und Rika. Sie lächelte glücklich und legte eine Hand an Seiyas Wange, der die Augen schloss und sich an sie anschmiegte. Er legte seine Hand über ihre und gab ihr einen Kuss auf die Fingerspitzen, bevor er seinen Blick auf sie richtete. Sein Gesicht lag im Schatten und sein Blick war ernst, während Rika geradezu strahlte und ihre weißen Zähne entblößte.

Die Kamera schwenkte über die kleine Bühne, auf der Seiya, Yaten und Taiki unverändert spielten und sangen.

Rika legte ihre Arme um Seiyas Hals und zog ihn ein wenig zu sich herunter, sodass sie ihre Stirn an seine legen konnte. Noch immer lächelte und lachte sie, während sein Blick unverändert ernst blieb. Sie sagte irgendetwas, was man wegen der Musik natürlich nicht hören konnte. Doch die Bewegung ihrer Lippen ließ darauf schließen, dass sie „Ich liebe dich“ sagte. Seiya legte eine Hand an ihre Taille und zog sie näher an sich heran, bis ihre Gesichter nur noch Millimeter voneinander entfernt waren.

Wieder einmal schwenkte das Bild um, sodass man die Three Lights zusammen auf der Bühne spielen sah. Noch immer waren Seiyas Augen beim Singen geschlossen. Seine Stirn war leicht gerunzelt, sodass er leicht gequält aussah.

Als das Bild dieses Mal wieder zu Seiya und Rika wechselte, drückte sie ihn mit einem verschmitzten lächeln leicht von sich weg und immer weiter zurück, sodass er ein paar Schritte rückwärts machte, bis er schließlich die Kante des großen mit weißer Bettwäsche bezogenen Bettes in seinen Knien spürte. Er ließ sich aufs Bett fallen und Rika stützte sich mit einem Knie neben ihn aufs Bett. Sie beugte sich weiter nach vorne, bis ihre Lippen schließlich seine berührten.

Das Bild änderte sich wieder und zeigte erst Yaten, dann Taiki und schließlich wieder Seiya.

Nach der nächsten Überblende zog Rika an Seiyas Krawatte und fing an sie lösen, bevor sie schließlich begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Nach und nach wurde Seiyas Brust sichtbar. Als Rika sich nach unten beugte und ihre Lippen auf seine Haut legte, warf Seiya seinen Kopf nach hinten. Beide sanken zurück und verschwanden aus dem Blickwinkel der Kamera.

Nach einer erneuten Überblende war es das erste Mal, dass er seine Augen geöffnet hatte. Die Qual in seinen strahlend blauen Augen war deutlich wie noch nie.

Ein letztes Mal wurde der Raum gezeigt, in dem eben noch Seiya und Rika zusammen zu sehen waren. Doch dieses Mal sah man nur noch Seiya. Sein Hemd war offen. Er saß alleine auf der Kante des Bettes, in welchem Decken und Kissen durcheinander lagen. Seine Arme waren auf seine Oberschenkel gestützt und sein Kopf so nach unten geneigt, dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte.

Als zum letzten Mal zu der kleinen Bühne übergeblendet wurde, war Seiyas Kopf in genau derselben Position wie in der Szene zuvor. Als er die letzten Zeilen sang, sah er auf und man konnte in Seiyas unglaublich strahlende aber genauso unendlich traurige Augen blicken. Als schließlich auch die letzten Töne verklangen, wandte er sich ab und ging von der Bühne.

Das Video war vorbei.

 

Mit leerem Blick starrte Bunny auf den Bildschirm, auf dem soeben noch Seiya zu sehen war. Seiya zusammen mit diesem Mädchen…

Collect the clues and connect the dots

Die Leute applaudierten und immer wieder drehte sich jemand zu Seiya und seinen Brüdern um, um ihnen ein Lächeln oder ein anerkennendes Nicken zu schenken. Rika, die nun wieder dort stand, wo vorhin noch die Leinwand mit dem neuen Video der Three Lights zu sehen war, strahlte.

„Ich hoffe, es hat euch gefallen!“, rief sie. „Ich bin jedenfalls hin und weg!“

Seiya wandte sich ab. Es war ihm wirklich schwer gefallen, diese Szenen mit Rika zu drehen. Immer wieder hatte er sich vorgestellt, das Mädchen vor ihm wäre Bunny. Das hatte ihm nicht nur geholfen, Rika in seinen Armen zu halten, sondern hatte diesen verletzten, gequälten Gesichtsausdruck ganz automatisch hervorgerufen. Wenigstens hatte er keine fröhlichen Liebesszenen spielen müssen. Dazu wäre er vermutlich gar nicht in der Lage gewesen.

„Seiya!“, hörte er die hohe Stimme Rikas. Widerwillig drehte er sich zu ihr um. Sie kam noch immer strahlend auf ihn zu.

„Oh mein Gott, das Video war sooo genial!“, sagte sie in einem Atemzug.

„Mhm.“, machte er unbestimmt und zwang sich zu einem Lächeln.

„Ich bin sooo froh, dass ich mit dir zusammen vor der Kamera stehen konnte.“, fuhr sie fort. „Ich hatte noch nie so viel Spaß bei der Arbeit. Und das Ergebnis ist einfach der absolute Wahnsinn. Ich hab mich ja kaum selbst wiedererkannt.“

Sie kicherte.

„Und du kannst echt gut küssen.“, fügte sie etwas leiser hinzu und wurde leicht rot. Schnell senkte sie den Blick. Sie sah wirklich verlegen aus. Und zum ersten Mal fand Seiya, dass sie man sie durchaus als süß bezeichnen konnte.

 

Er wollte gerade etwas sagen, da klingelte sein Handy.

„Entschuldigung.“, sagte er und wandte sich ab. Er zog das Handy aus der Tasche und nahm ab.

„Ja?“, meldete er sich

„Hallo Seiya, hier ist Yuuji.“, hörte er die Stimme ihres Managers.

„Hallo.“, erwiderte er den Gruß.

„Habt ihr das Video gesehen?“, fragte Yuuji.

„Ja, haben wir.“, bestätigte Seiya. „Wir sind grad auf der Geburtstagsfeier von Rika Osawa.“

„Wirklich?“, hakte Yuuji nach und Seiya konnte die Begeisterung in seiner Stimme richtig hören.

„Ja, wirklich.“, antwortete er.

„Wunderbar, wunderbar.“, lobte Yuuji ihn. „Solche Kontakte sind wichtig in diesem Business.“

„Ja, ich weiß.“, stimmte Seiya zu und konnte ein Grinsen nicht verhindern, weil er genau gewusst hatte, dass Yuuji das sagen würde.

„Jedenfalls...“, setzte Yuuji an. „Ich habe gerade einen Anruf vom Sender bekommen. Euer Video hat die Quote für die Sendung um 37% angehoben! Ein voller Erfolg!“

„Das ist gut...“ Seiya konnte immer noch nicht so eine Begeisterung für dieses Video aufbringen. Es war einfach nicht richtig, dass er mit Rika solche Szenen spielte, wo er das Lied doch mit dem Gedanken an Bunny geschrieben hatte.

„Das ist super!!“, verbesserte Yuuji ihn. „Seiya, ich meld mich nochmal, wenn wir die ersten Reaktionen zum Video bekommen haben.“

„Okay.“, stimmte Seiya zu. „Bis dann.“

Er hatte gerade aufgelegt, da ließ sein Handy nochmal ein kurzes Klingeln hören. Eine SMS von Minako.

 

 

 

Besorgt sah Minako zu Bunny. Keines der Mädchen wagte es, etwas zu sagen. Bunny hatte sich noch kein bisschen bewegt, seit das Video vorbei war. Noch immer starrte sie auf den Bildschirm, schien aber gar nicht wahrzunehmen, was nun dort von sich ging. Minako biss sich auf die Unterlippe. Was wohl gerade in Bunnys Kopf vor sich ging? Vorsichtig legte sie ihrer besten Freundin die Hand aufs Knie.

„Alles in Ordnung, Bunny?“, fragte sie besorgt. Jetzt sahen auch die anderen zu Bunny, welche sich Minako zuwandte, sie jedoch nicht richtig wahrzunehmen schien.

„Hah?“, machte sie nur, was Minako besorgt die Stirn runzeln ließ.

„Ich hab‘ gefragt, ob mit dir alles in Ordnung ist.“, wiederholte sie vorsichtig. Bunny sah sie kurz an, bevor sie endlich antwortete.

„Alles in Ordnung!“, antwortete sie hastig. „Ich meine… also…“

„Es war bestimmt nicht schön, Seiya mit dieser Rika Osawa zu sehen, oder?!“, sagte Makoto bemüht einfühlsam. Minako nickte eifrig. Bunny sollte darüber reden, wenn sie etwas belastete und nicht alles in sich hineinfressen.

Bunny senkte den Blick und nickte langsam.

„Ich weiß, ich habe kein Recht dazu… aber ihn mit diesem Mädchen zu sehen… es tut einfach weh.“, gestand sie.

„Ist doch klar, dass das weh tut.“, bestätigte Minako sofort. „Nur weil du Mamorus… „Wunsch“… nachkommst, heißt das ja nicht, dass du plötzlich keine Gefühle mehr für Seiya hast.“

Minako hatte kurz gezögert, bevor sie das Wort „Wunsch“ verwendete, nicht ohne eine große Portion Sarkasmus in ihrer Stimme. Erneut kochte die Wut in ihr hoch, als sie daran dachte, was Mamoru von Bunny verlangte.

„Das braucht nun mal seine Zeit…“, warf Rei ein.

„Trotzdem habe ich kein Recht, mich jetzt schlecht zu fühlen.“, erwiderte Bunny geknickt.

„Papperlapapp.“, widersprach Minako. „Es geht nicht darum, ob du zu irgendetwas das Recht hast oder nicht. Es geht um deine Gefühle! Und gegen die bist du nun mal machtlos. Wenn du sie so einfach bestimmen könntest, gäbe es ja überhaupt kein Problem. Nicht wahr?“

Bunny nickte stumm.

„Ich sollte mich für Seiya freuen…“, sagte sie schließlich leise. Die Mädchen sahen sich an.

„Wieso freuen?“, stellte Makoto schließlich die Frage, die ihnen allen auf die Stirn geschrieben stand. Bunny sah fragend auf.

„Na, wegen seiner Freundin.“, erklärte sie. Vier Münder klappten vor Fassungslosigkeit auf.

„Sag mal, Bunny, wie doof kannst du eigentlich noch werden?“, fragte Rei.

„Hey!“, protestierte Bunny. „Warum bist du denn jetzt so gemein zu mir?“

Hilfesuchend wandte sie sich an Minako, doch die verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf.

„Nein, echt, Bunny!“, sagte sie. „Rei hat absolut recht. Du bist echt ‘ne hohle Nuss!“

Mit einem großen Fragezeichen sah sie schließlich Ami an, die einen Seufzer hören ließ.

„Nur weil sie zusammen in so einem Musikvideo auftauchen, heißt das noch lange nicht, dass sie ein Paar sind.“, erklärte Ami schließlich. „Das ist doch alles nur gespielt.“

Bunnys Augen weiteten sich.

„Wirklich?“, hakte sie nach und Minako glaubte, ein Fünkchen Hoffnung aus Bunnys Stimme herauszuhören.

„Wirklich!“, antwortete Minako grinsend. Sie glaubte, ein leichtes Lächeln auf Bunnys Lippen zu sehen. Sie war doch wirklich zu süß. Sie zückte ihr Handy und begann eine SMS zu tippen.

 

Wir haben gerade euer Video

gesehen. Bunny dachte, es sei

echt. Kannst du dir ihre Reaktion

vorstellen?

Minako

 

 

 

Seiya starrte auf sein Handy. Immer und immer wieder las er diese SMS. Zu viel musste er verarbeiten. Bunny hatte das Video gesehen. Bunny hatte gesehen, wie er Rika küsste. Bunny hatte gesehen, wie Rika sein Hemd öffnete und ihn aufs Bett drückte. Bunny dachte, das Video sei echt. Bunny dachte, zwischen ihm und Rika sei wirklich etwas. Bunnys Reaktion war… Ja, was war Bunnys Reaktion? Tausend Szenarien schossen ihm durch den Kopf. Bunny lachte. Bunny war erleichtert. Bunny war es egal. Bunny war wütend. Bunny war geschockt. Bunny war traurig…?

Er schluckte. Er wusste beim besten Willen nicht, was Bunnys Reaktion gewesen sein könnte. Schnell schrieb er eine Antwort.

 

Was war ihre Reaktion?

 

„Seiyaaaa!“, hörte er wieder einmal die Stimme Rikas, die sich durch all die Stimmen und die Musik um ihn herum an sein Ohr drängte.

„Hm?“, machte er und sah flüchtig auf, wobei er sein Handy fest in der Hand hielt, bereit, Minakos Antwort sofort zu lesen.

„Was machst du denn da?“, fragte Rika und zog einen Schmollmund. Seiya hatte sich etwas von den anderen Gästen zurückgezogen, als er telefoniert hatte. Und seitdem hatte er im Prinzip nur sein Handy in der Hand gehalten, ohne sich auch nur ein bisschen darum zu scheren, dass er gerade auf einer Geburtstagsparty war.

„Ähm… sorry…“, erwiderte er. „Das ist grad wichtig.“

Rika sah ihn fragend an. Was konnte so wichtig sein? Er stand doch nur da.

„Mh… Seiya.“, setzte sie schließlich an. „Wollen wir vielleicht…“

Seiyas Handy ließ einen kurzen Ton erklingen und zeigte eine neue Nachricht von Minako an. Schnell hob er die Hand, um Rika zu unterbrechen.

„Sorry.“, sagtge er und wandte sich ab. Mit leicht zittrigen Fingern öffnete er die Nachricht.

 

Es hat sie ganz schön

mitgenommen…

 

Seiyas Herz machte einen Satz. Es hat sie mitgenommen? Hieß das, sie fühlte sich schlecht, weil sie ihn zusammen mit einem anderen Mädchen gesehen hatte? War sie womöglich eifersüchtig? Schnell versuchte er, sich zu beruhigen.

Bild dir ja nichts ein, ermahnte er sich selbst. Vielleicht war ja auch etwas ganz Anderes damit gemeint. Und überhaupt… Wie konnte er sich nur darüber freuen, wenn es Bunny eventuell schlecht ging?

Ganz einfach: Wenn es Bunny deshalb schlecht ging, weil sie womöglich seinetwegen eifersüchtig war, dann hatte er durchaus einen Grund, sich zu freuen.

Doch bedeutete es das wirklich? Er musste sicher sein!

 

Warum hat es sie

mitgenommen?

 

Er wurde nervös. Er spürte, wie seine Hände zitterten. Sein Herz raste. Er bemerkte, dass er leicht schwitzte. Und er war nicht der einzige, der das bemerkte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Rika mit einem übertrieben besorgten Unterton.

„Hm… Ich geh mal an die frische Luft.“, beeilte Seiya sich zu sagen.

„Warte, ich komme mit!“, erwiderte Rika sofort und folgte Seiya, der bereits in Richtung Tür gegangen war. Abrupt blieb er stehen und drehte sich wieder zu Rika.

„Du kannst doch nicht von deiner eigenen Party verschwinden.“, widersprach er mit einem gezwungenen Lächeln. „Mach dir um mich keine Gedanken. Mir geht’s nicht so schlecht. Nur ein bisschen Stress. Ein bisschen frische Luft und alles ist gut.“

„Aber…“, wollte Rika protestieren, doch Seiya unterbrach sie sofort.

„Kein Aber!“, sagte er und zwang sich immer noch zu einem Lächeln. „Bleib bei deinen Gästen. Ich komm auch gleich wieder.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand aus der Tür. Er sah eine Treppe, die nach oben führte. Er erreichte eine schwere Metalltür, die auf das Dach des Studios führte. Sie war nicht abgeschlossen. Er betrat das Dach und sog die frische Abendluft ein.

Ganz ruhig jetzt, Seiya, sprach er sich selbst zu. Egal, was Minako gleich antwortete, er durfte weder enttäuscht sein, noch sich allzu große Hoffnungen machen. Aus welchem Grund auch immer Bunny mitgenommen gewesen war, es hatte nichts zu bedeuten. Er musste ganz ruhig bleiben.

Als allerdings sein Handy erneut das Eingehen einer SMS ankündigte, konnte er seine ohnehin eher vorgetäuschte Ruhe nicht mehr bewahren. Sein Herz machte einen Satz und erneut fingen seine Finger an zu zittern. Er atmete einmal tief durch, bevor er die Nachricht öffnete.

 

„Ich weiß, ich habe kein Recht

dazu, aber ihn mit diesem

Mädchen zu sehen, tut einfach

weh.“ Ihre Worte.

 

Seiya ging in die Hocke und klammerte sich an sein Handy. Es tat ihr weh, ihn mit Rika zu sehen! Das konnte doch nur eines bedeuten… oder?! Ohne es verhindern zu können, keimte Hoffnung in ihm auf. Ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht. Sein Herz klopfte euphorisch in seiner Brust. Ruckartig sprang er auf und stieß eine Faust in die Luft. Wenn Bunny tatsächlich eifersüchtig wegen ihm und Rika war, dann bedeutete das, dass sie Gefühle für ihn hatte. Und wenn sie tatsächlich Gefühle für ihn hatte, dann durfte er auf keinen Fall aufgeben. Wenn sie tatsächlich Gefühle für ihn hatte, dann würde er um sie kämpfen. Komme, was wolle! Er würde alles tun, um sie zu haben. Alles!

Rasch schrieb er eine weitere SMS an Minako.

 

Danke!

 

 

 

Minako las die SMS, die sie gerade von Seiya bekommen hatte und lächelte. „Danke!“, hatte er geschrieben. Das hieß hoffentlich, dass er verstanden hatte, was sie ihm sagen wollte. Sie wusste, dass es nicht ganz fair war, ihm von Bunnys Reaktion auf das Video zu erzählen. Aber sie konnte Bunnys und Seiyas Leiden einfach nicht länger mit ansehen. Nach dem, was Mamoru mit Bunny angestellt hatte, war er bei ihr komplett unten durch. Zwar hatte sie sich vorgenommen, Bunny in all ihren Entscheidungen zu unterstützen... aber dem Ganzen ein wenig auf die Sprünge zu helfen, das konnte sie sich einfach nicht verkneifen. Sie hatte längst entschieden, dass Seiya an Bunnys Seite gehörte. Und jetzt musste nur noch Bunny selbst diese Entscheidung treffen.

On a stormy sea of moving emotion, tossed about, I'm like a ship on the ocean

Müde und dennoch unfähig noch einmal einzuschlafen quälte Bunny sich aus dem Bett, nachdem ihre Mutter sie unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte. Waren die Ferien wirklich schon vorbei? Musste sie wirklich aufstehen und zur Schule gehen?

Sie hatte die letzte Nacht kaum geschlafen und das lag nicht nur daran, dass sie sich in den Ferien einen anderen Schlafrhythmus angeeignet hatte. Die halbe Nacht hatte sie wach gelegen und daran gedacht, dass sie nun Seiya wiedersehen würde. Zum ersten Mal, seitdem sie ihm schweren Herzens mitgeteilt hatte, dass sie keine Freunde mehr sein konnten.

Erst spät war sie eingeschlafen, nachdem sie sich stundenlang hin und hergewälzt hatte. Und als sie endlich eingeschlafen war, hatten Albträume sie heimgesucht. Sie hatte keine Ahnung, wie sie diesen Tag überstehen sollte. Zusätzlich zu ihrer Müdigkeit quälten sie Bauchschmerzen, die sie, da war sie sich sicher, nur deshalb hatte, weil sie Angst vor dem Wiedersehen mit Seiya hatte.

 

„Guten Morgen, Bunny.“, begrüßte Makoto sie erstaunt, als sie das Klassenzimmer betrat und Bunny dort bereits saß. Normalerweise kam Bunny immer eher knapp, wenn nicht gar zu spät. Heute war sie ungewöhnlich früh dran.

„Morgen Mako.“, erwiderte Bunny den Gruß träge. Makoto runzelte die Stirn.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie besorgt. Bunny hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte blass.

„Mhm...“, machte Bunny unbestimmt. „Müde. Hab‘ schlecht geschlafen.“

Makoto beugte sich zu ihr.

„Ist sonst alles okay?“, fragte sie mit vielsagendem Blick. Bunny wusste natürlich, wieso ihre Freundin sich Sorgen um sie machte.

„Das weiß ich noch nicht so ganz...“, gestand Bunny, die jedes Mal zusammenzuckte, wenn sich die Tür zum Klassenzimmer öffnete. Irgendwann würde es Seiya sein, der durch diese Tür trat. Und dann?

Makoto legte ihr eine Hand auf den Arm.

„Mach dir keine Sorgen, Bunny.“, versuchte sie sie zu beruhigen. „Es wird sicher nichts Schlimmes passieren.“

Bunny nickte. Makoto hatte schon recht. Was sollte passieren? Vermutlich würde Seiya sich wortlos und ohne sie zu beachten auf seinen Platz setzen. Das war doch genau das, was sie von ihm gefordert hatte, nicht wahr?! Natürlich würde ihr das weh tun. Aber dafür konnte Seiya nun wirklich nichts. Jedenfalls würde er sicherlich nichts Schlimmes machen. Was auch?

 

 

Müde lehnte Seiya seine Stirn an die kühle Fensterscheibe des Wagens. Der erste Schultag. Der Tag, auf den er sich in Gedanken schon so lange vorbereitet hatte. Nachdem Minako ihm diese vielsagende SMS geschrieben hatte, hatte er lange hin und her überlegt, was er nun machen sollte. Einfach aufzugeben und Bunny somit gänzlich zu verlieren, kam absolut nicht mehr in Frage. Er hatte tausend Nachrichten geschrieben und sie dann doch nicht abgeschickt. Hunderte Male stand er in Gedanken vor ihrer Tür. Doch was sollte er sagen? Er wusste nicht, wie er es anfangen sollte.

Die Schule war der einzige Ort, an dem sie sich zwangsläufig begegnen würden und an dem es schwierig sein würde, sich aus dem Weg zu gehen, was nicht zuletzt daran lag, dass er direkt hinter ihr saß. Und mal abgesehen davon, konnte er sich kaum vorstellen, dass Bunny vor all ihren Mitschülern eine Szene machen würde, wenn er sie zwanglos ansprach. Dazu musste er sich nur überwinden!

„Wir sind da.“, sagte Taiki an ihn gewandt, nachdem er sich, obwohl sie sich schon seit einigen Sekunden auf dem Parkplatz befanden, noch keinen Millimeter gerührt hatte. Wie aus einer Trance erwacht, sah er auf. Jetzt war es also soweit.

 

 

 

Bunny ertrug es kaum noch. Je näher der Unterrichtsbeginn rückte, desto nervöser wurde sie. Jeden Augenblick konnte Seiya den Klassenraum betreten. Es war nur eine Frage der Zeit. Sie war hin und hergerissen. Einerseits war sie jedes Mal erleichtert, wenn es einer ihrer anderen Mitschüler war, der die Tür öffnete und eintrat. Andererseits wurde sie bei jedem Mal immer nervöser und sie wünschte sich fast, sie hätte dieses erste Wiedersehen endlich hinter sich.

„Bunny?“

„Hm?“, machte sie, nachdem sich wieder einmal die Tür zum Klassenzimmer geöffnet hatte und einer ihrer Mitschüler eingetreten war.

„Hast du mir zugehört?“, fragte Makoto, die immer noch versuchte, Bunny auf andere Gedanken zu bringen. Sie sah auf.

„Entschuldige.“, sagte sie schließlich ein wenig geknickt.

„Macht nichts.“, wehrte Makoto schnell ab und lächelte. „Ich wollte nur wissen, ob du dich schon auf unseren Schulausflug freust.“

„Schulausflug...“, wiederholte Bunny. „Achja!“

Sie hatte über all ihre Probleme in der letzten Zeit glatt vergessen, dass sie nächste Woche mit der ganzen Klasse für fünf Tage und vier Nächte nach Kyoto fahren würden. Makoto schmunzelte etwas über die Schusseligkeit ihrer Freundin.

„Also?“, hakte sie nach. „Freust du dich?“

„Klar!“, sagte Bunny sofort und wirkte zum ersten Mal seit langem wieder etwas fröhlicher und auf positive Weise aufgeregt. In diesem Moment jedoch öffnete sich erneut die Tür. Bunny erspähte zunächst Yaten, dann Taiki und wusste schon, wen sie als nächstes entdecken würde. Ihr Herz rutschte ihr bis in die Kniekehlen, als sie den schwarzen Haarschopf Seiyas erblickte. Schnell wendete sie ihren Blick ab und starrte vor sich auf die Tischplatte.

„Morgen.“, grüßte Yaten in die Runde und setzte sich auf seinen Platz.

„Guten Morgen.“, sagte auch Taiki, wobei er lächelte und weniger grummelig klang als Yaten.

„Morgen!“, erwiderte Makoto den Gruß ungezwungen.

„Morgen...“, murmelte Bunny so leise, dass keiner der Jungs es gehört haben konnte, und starrte weiterhin nach unten.

„Guten Morgen!“, hörte sie schließlich auch die Stimme Seiyas. Er klang fröhlich. Ganz anders als sie. Sie wagte es nicht, aufzusehen. Ihr Blick war fest auf das Holz ihres Tisches gerichtet. Plötzlich schob sich eine Hand in ihr Blickfeld. Die schlanken männlichen Finger legten sich auf die Tischplatte. Bunnys Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Morgen, Schätzchen.“, hörte sie seine Stimme. Langsam sah sie auf und erblickte Seiyas charmantes Lächeln. Dasselbe Lächeln, das er ihr immer schon geschenkt hatte.

„M-morgen...“, erwiderte sie unsicher. Sein Lächeln wurde noch ein bisschen strahlender, bevor er wieder aus ihrem Blickfeld verschwand und sich hinter sie auf seinen Platz setzte.

Bunny war wie versteinert. Was war das denn grad? Er hatte sich vollkommen normal verhalten. So, als wäre überhaupt nichts passiert. Tage-, nein, wochenlang hatte sie sich Gedanken gemacht, was sie tun sollte, wenn sie ihn wiedersah. Und er? Er tat einfach so, als wäre nichts? Jetzt wusste sie noch viel weniger, wie sie mit der Situation umgehen sollte.

 

 

 

Seiya hatte seine Ellbogen auf den Tisch gelegt und die Hände zusammengefaltet. Er unterdrückte ein Zittern. Er glaubte zwar, dass man ihm nichts angemerkt hatte, doch noch nie im Leben war er so nervös gewesen wie gerade. Aber sie hatte seinen Morgengruß erwidert. Sie hatte geschockt, verwirrt, unsicher gewirkt, aber dennoch hatte sie ihn zurückgegrüßt. Was er gemacht hätte, wenn sie ihn einfach ignoriert hätte, wusste er nicht. Es hätte ihm erneut das Herz gebrochen.

Er konnte ein leichtes Grinsen nicht verhindern. Den ersten Schritt hatte er geschafft.

 

 

 

Bunny konnte sich nicht auf den Unterricht konzentrieren. Mit gerunzelter Stirn sah sie nach vorne, was eventuell den Anschein erwecken konnte, dass sie voll bei der Sache war. In Wirklichkeit kreisten ihre Gedanken jedoch ausschließlich um diesen kurzen Moment am Morgen. Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Herzschlag, als sie an sein strahlendes Lächeln und seine tiefblauen Augen dachte. Sie widerstand dem Drang, sich umzudrehen und ihn einfach anzustarren.

Was sollte sie nur tun? Sie hatte sich auf Mamorus Forderung eingelassen. Widerwillig zwar, aber in der Hoffnung, dass es ihr half, über Seiya hinwegzukommen. Aber bisher war sie alles andere als über ihn hinweg. Seit dem Tag, an dem sie zuletzt mit ihm geredet hatte, war kaum eine Minute vergangen, in der sie nicht an ihn gedacht hatte. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es hart werden würde. Aber dass es sie so sehr mitnahm, hatte sie selbst nicht geahnt.

Und wie sollte es nun weitergehen? Würde Seiya sie wieder ansprechen? Würde er wohlmöglich genauso mit ihr umgehen, wie er es immer getan hatte? Wie sollte sie reagieren? Sollte sie ihn ignorieren? Sollte sie ihm noch einmal klarmachen, dass sie nichts mehr miteinander zu tun haben konnten? Oder sollte sie einfach auf ihn eingehen? Bei dem Gedanken an die letzte Möglichkeit merkte sie, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte. Doch was, wenn sie das tat? Und Mamoru es herausfand? War dann nicht alles vorbei? Erneut dachte sie an Chibiusa. Ihr Herz schmerzte.

 

„Entschuldigung!“, unterbrach Minako den Unterricht mit weit erhobener Hand. Die Lehrerin senkte ihr Buch und sah sie stirnrunzelnd an.

„Ja, bitte?“, fragte sie irritiert.

„Bunny geht es nicht gut.“, sagte Minako. „Kann ich sie ins Krankenzimmer bringen?“

Aller Augen richteten sich auf Bunny. Ihre Hand zitterte, als sie ihre eigene Wange berührte. Sie war feucht. Weinte sie? Sie hatte es kaum gemerkt.

„In Ordnung.“, stimmte die Lehrerin sofort zu, nachdem sie einen Blick auf Bunny gerichtet hatte. Minako sprang auf, fasste Bunny am Ellbogen und ging mit ihr nach draußen. Sie hatten sich ein paar Meter vom Klassenraum entfernt, bevor Minako etwas sagte.

„Was ist los, Bunny?“, fragte sie besorgt.

„I-ich weiß nicht...“, antwortete Bunny stockend. „Ich habe nicht mal mitbekommen, dass...“

„Hat es wieder mit Seiya zu tun?“, unterbrach Minako sie. Bunny blieb stehen.

„Er hat mich heute Morgen begrüßt, als wäre nichts gewesen.“, sagte Bunny. Minako nickte.

„Ich hab’s gesehen.“, erwiderte sie. „Macht dich das so fertig?“

„Nein...“, überlegte Bunny. „Nein, das ist es nicht.“

Minako ergriff Bunnys Hand und zog sie weiter. Sie sollten über solche Dinge nicht im Flur reden.

„Was ist es dann?“, hakte Minako weiter nach.

„Ich... ich hab einfach Angst.“, sagte Bunny und merkte erst, nachdem sie es ausgesprochen hatte, dass es wahr war.

„Angst? Wovor denn?“ Minako runzelte die Stirn. Bunny schwieg kurz.

„Angst, dass ich ihn nicht vergessen kann...“, gestand sie schließlich. Minako drückte ihre Hand.

„Wäre das wirklich so schlimm?“, fragte sie. Bunny nickte.

„Chibiusa...“, gab sie schließlich die Erklärung. Minako seufzte. Sie hatten das Krankenzimmer erreicht. Minako öffnete die Tür.

„Hallo?“, rief sie in den Raum, der jedoch offensichtlich leer war. Anscheinend war die Schulschwester gerade nicht da. Sie zog Bunny mit sich und brachte sie dazu, sich aufs Bett zu legen. Sie selbst setzte sich auf die Bettkante. Sie zog den Vorhang zu, weil es ihr das Gefühl von mehr Privatsphäre gab.

„Bunny...“, sagte sie schließlich. „Ich weiß, du liebst Chibiusa über alles. Aber glaubst du wirklich, dass du all dein Glück, dein ganzes Leben aufgeben solltest?“

„Du hast die Zukunft doch gesehen!“, protestierte Bunny. „Serenity und Endymion sind glücklich zusammen mit Chibiusa!“

„Aber was, wenn die Zukunft sich geändert hat??“, fragte Minako hitzig. „Du kennst das doch auch aus irgendwelchen Filmen! Wenn man eine Zeitreise macht und irgendetwas ändert, auch wenn es nur eine Kleinigket ist, dann kann sich die ganze Zukunft ändern!“

Bunnys Augen weiteten sich.

„W-was meinst du?“

„Vielleicht hat sich deine Bestimmung geändert!“, fuhr Minako fort. „Chibiusa ist doch zu uns in die Vergangenheit gereist. Vielleicht hat das alles geändert! Vielleicht hätten wir die Starlights nie kennenlernen sollen. Du hättest dich nie in Seiya verliebt und die Zukunft wäre so gekommen, wie wir sie gesehen haben. Aber wir haben die Starlights kennengelernt und du hast dich in Seiya verliebt!“

Erneut liefen Tränen Bunnys Wangen hinab.

„Das kann nicht sein!“, weigerte sie sich. „Chibiusa...“

„Bunny...“, sagte Minako mitleidig und drückte sie an sich. „Ich weiß nicht, was mit Chibiusa ist. Ich möchte doch nur, dass du glücklich bist. Wir alle möchten das. Wir alle können es nicht ertragen, dich so leiden zu sehen.“

Bunny schluchzte leise. Ein Klingeln kündigte das Ende der ersten Stunde an. Es dauerte nicht lang, da öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer. Minako drückte Bunny noch einmal kurz an sich, bevor sie aufstand und den Vorhang ein wenig beiseite schob. Sie entdeckte Seiya, der sie mit besorgtem Blick ansah. Minako erwiderte den Blick, sagte jedoch nichts. Sie zog den Vorhang wieder zu und ging in Richtung Tür. Als sie auf Seiyas Höhe war, blieb sie kurz stehen und klopfte ihm auf die Schulter, bevor sie das Krankenzimmer verließ.

Seiya zögerte einen Moment, bevor er sich auf das freie Bett neben Bunnys setzte. Er konnte sie nicht sehen, da der Vorhang zwischen ihnen war, aber er hörte ein leises Schluchzen.

„Schätzchen...“, sagte er schließlich. Er bemerkte, dass ihr Schluchzen verstummte, sie sagte jedoch nichts.

„Falls es meine Schuld ist, dass du weinst, tut es mir leid.“, fuhr er fort. „Ich habe lange überlegt, was ich machen soll. Nachdem du mir gesagt hast, dass wir... keinen Kontakt mehr haben können, ging es mir wirklich schlecht. Das kannst du mir glauben. Ich konnte nicht schlafen, nicht essen, hab nichts auf die Reihe bekommen. Es war wie das Ende der Welt für mich. Aber ich habe beschlossen, dass ich das nicht einfach so hinnehmen kann. Ich weiß, das ist selbstsüchtig. Sehr selbstsüchtig. Ich wünschte, ich könnte dich einfach vergessen. Nicht meinetwegen, sondern deinetwegen. Damit du meinetwegen nicht mehr leiden musst. Es tut mir wirklich leid... Aber ich kann dich einfach nicht vegessen. Ich habe es versucht. Mehr als einmal. Es ist unmöglich. Du bist nun mal meine große Liebe und das wird sich niemals ändern. Es tut mir weh, dass du nicht mein bist. Aber dich komplett zu verlieren, das kann ich einfach nicht ertragen. Ich kann einfach nicht mehr ohne dich. Ich wollte wirklich versuchen, keinen Kontakt mehr zu dir zu haben. Für dich. Aber es geht nicht. Ich werde nicht aufgeben, Schätzchen. Ich will dir nicht wehtun, wirklich nicht... aber ich kann nicht anders. Ich werde um dich kämpfen. Ich werde alles dafür tun, damit wir wenigstens wieder Freunde sein können.“

Er atmete einmal tief durch.

„Ich liebe dich, Schätzchen.“, sagte er schließlich. Bunny rührte sich nicht. Er hörte keinen Laut von ihr. Selbst ihr Atem war zu leise, um seine Ohren zu erreichen. Er wollte gerade aufgeben und aufstehen, da bemerkte er eine Regung. Bunny setzte sich auf und zog den Vorhang beiseite. Mit festem Blick sah sie ihn an. Ihre Augen waren gerötet und leicht verquollen. Für einige Sekunden sahen sie sich einfach nur an.

„Seiya...“, sagte sie schließlich leise. Seiyas Herz drohte, aus seiner Brust zu springen. Er konnte nicht länger an sich halten. Er sprang auf, überwand die kurze Distanz zwischen ihnen und zog sie fest in seine Arme.

I really don't mind what happens now and then as long as you'll be my friend at the end

Er hielt sie fest in seinen Armen. Sie rührte sich nicht. Lediglich ihr Atmen konnte er schwach wahrnehmen. Er hielt seine Augen geschlossen, konzentrierte sich ganz auf den Moment. Denn er wusste, dass er viel zu schnell wieder vorbei sein würde.

„Seiya...“, sagte sie leise und gedämpft gegen seine Schulter. Schweren Herzens löste er sich etwas von ihr, sodass er sie ansehen konnte. Wieder einmal hatte sie Tränen in den Augen.

„Schätzchen...“, erwiderte er mit einer Mischung aus Angst, Nervosität und Glück, dass er sie seinen Namen sagen hören durfte. Sie sah ihn geradeheraus an. Eine Träne bahnte sich den Weg aus ihrem Augenwinkel ihre Wange hinunter. Ihre Unterlippe zitterte kaum merklich. Sie sah so aus, als wollte sie etwas sagen, doch sie schwieg. Gerade öffnete Seiya den Mund, um das Schweigen zu brechen, da sagte sie doch etwas.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll.“

Ihre Stimme zitterte leicht und sie klang ehrlich verzweifelt. Seiya sah sie fragend an. Er nahm ihre Hand und setzte sich vorsichtig neben sie.

„Was meinst du?“, fragte er, obwohl er Angst vor der Antwort hatte.

„Einfach alles.“, schluchzte sie, „Mit dir... und Mamoru... und Chibiusa... und der Zukunft...“

Seiya spürte einen Stich in seinem Herzen. Chibiusa und die Zukunft. Der allesentscheidende Grund, wieso er niemals mit Bunny zusammen sein würde.

„Ich weiß, ich schaufel mir hier grad mein eigenes Grab...“, sagte er zögerlich, „...aber hattest du dich nicht schon entschieden?“

Für einen Moment sagte sie gar nichts. Seiya rutschte das Herz in die Hose. Warum hatte er nicht seine große Klappe halten können?

„Was habe ich schon für eine Wahl?“, fragte sie, „Mamoru hat gesagt, entweder er oder du... und... wegen Chibiusa... ich MUSSTE das machen...“

Seiya schluckte. Natürlich verstand er, wieso Bunny getan hatte, was sie eben getan hatte. Natürlich wusste er, dass sie sich für Mamoru entscheiden musste. Immerhin war er ihr fester Freund und es ging hier um das Leben von Bunnys zukünftiger Tochter. Das alles wusste er. Aber dennoch... er konnte sich nicht so einfach damit abfinden.

„Schätzchen...“, sagte er, bevor er einmal tief Luft holte, um ihr eine unheimlich wichtige Frage zu stellen, „Bist du glücklich?“

Erstaunt sah sie ihn an. Sie öffnete ihren Mund, schloss ihn jedoch sofort wieder. Sie wandte ihren Blick ab und richtete ihn auf ihre in ihrem Schoß zusammengefalteten Hände.

„Im Moment...“, antwortete sie schließlich, „...nein...“

Natürlich hatte er gewusst, dass sie nicht glücklich war. Diese Frage hatte er nicht gestellt, um herauszufinden, ob sie es war. Er hatte sie gestellt, um zu sehen, was Bunny antworten würde. Ob sie ehrlich sein würde. Sich selbst gegenüber und ihm gegenüber.

„Wenn du nicht glücklich bist, musst du etwas ändern.“, sagte er nach außen hin ganz ruhig, jedoch mit klopfendem Herzen. Sie sah ihn wieder an.

„Was denn?“, fragte sie, „Wie denn?“

„Mhm...“, machte Seiya nachdenklich, „Ich befürchte, das musst du selbst entscheiden.“

Er lächelte schwermütig.

„Natürlich habe ich meine Vorstellungen davon, was du ändern könntest“, fuhr er fort, „aber das sind alles meine eigenen Sehnsüchte und Wünsche. Um mich geht es hier aber nicht, sondern nur um dich. Du musst für dich selbst entscheiden und das tun, von dem du glaubst, dass es dich glücklich macht.“

„Aber es geht nicht nur um mich!“, widersprach Bunny vehement, „Es geht auch um dich. Es geht um Mamoru. Und vor allem geht es um Chibiusa!“

„Nein“, widersprach nun Seiya, „du denkst die ganze Zeit nur daran, wie du es am besten allen recht machen kannst. Du denkst daran, was das Beste für die anderen ist. Hast du jemals schon mal nur an DICH gedacht? An das, was für DICH am besten ist?“

Bunny sah ihn mit großen Augen an. Sie schien ernsthaft darüber nachzudenken. Erneut senkte sie den Blick.

„Ich… weiß es nicht.“, gestand sie.

„Schätzchen…“, sagte Seiya, „Du bist ein unglaublich liebes und selbstloses Mädchen. Du gibst alles, was du hast, für andere. Manchmal musst du eben an dich selbst denken. Willst du für den Rest deines Lebens unglücklich sein, weil du es nur immer den anderen recht machen willst?“

„Nein, ich…“, setzte Bunny an, doch Seiya war noch nicht fertig.

„Du weißt, dass ich dich über alles liebe und dass ich mir fast nichts sehnlicher wünsche, als mit dir zusammen zu sein. Aber es gibt eben doch einen Wunsch, der noch größer ist. Und das is, dass du glücklich bist.“

Er drückte ihre Hand und zwang sie, ihn direkt anzusehen.

„Glaub mir, Schätzchen, wenn du glücklich wärst und ich deinem Glück nur im Wege stehen würde, dann würde ich dich für immer in Ruhe lassen. Aber ich sehe dich nur leiden. Und das kann ich einfach nicht mit ansehen. Ich… ich will dich gar nicht dazu überreden, Mamoru zu verlassen oder so… Ich möchte nur, dass du das tust, was dich glücklich macht.“
 

Bunny wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Seiya hatte schon recht. Sie versuchte wirklich, die anderen glücklich zu machen, ohne dabei auf sich selbst zu achten. In diesem Fall waren „die anderen“ eben Mamoru und… Chibiusa. Nein, egal wie sehr sie darüber nachdachte, es kam absolut nicht in Frage, Chibiusa aufzugeben.

„Mh… Seiya…“, sagte sie mit belegter Stimme, „Danke, dass du dir um mich so viele Gedanken machst. Und es tut mir wirklich wirklich leid, dass… ich dir immer wieder so wehgetan habe. Aber… Mein Glück ist einfach nicht so wichtig im Vergleich zu Chibiusas Leben.“

Seiyas Griff um ihre Hand lockerte sich spürbar. Sie nahm seine Enttäuschung deutlich wahr.

„Das verstehe ich…“, sagte er dennoch. Er schwieg einen Augenblick und starrte auf den Boden, bevor er sie wieder aus seinen blauen Augen heraus ansah.

„Trotzdem, Schätzchen… Ich… ich will jetzt meine eigene Wichtigkeit für dich nicht zu sehr überschätzen… Aber wenn du deshalb unglücklich bist, weil Mamoru dir den Kontakt zu mir verbietet, dann musst… dann solltest du dich vielleicht dagegen wehren.“

„Ich weiß…“, gab Bunny zu, „du hast recht… Aber Mamoru war ziemlich deutlich. Wenn ich mich für dich, also… unsere Freundschaft, entscheide, dann ist es aus.“
 

Seiya wurde wütend. Wie konnte man seine Freundin nur so ein Ultimatum setzen?

„Es tut mir leid, dass ich das jetzt so sage, aber wenn er dich SO vor die Wahl stellt, liebt er dich dann überhaupt richtig?“

Bunny sah ihn schockiert an.

„Tut mir leid!“, beeilte er sich zu sagen, „Aber das macht mich echt sauer. Wenn er dich wirklich liebt, dann würde er um dich kämpfen und dich nicht so unter Druck setzen. Zu sagen, dass er die Beziehung beendet, wenn du und ich weiter Freunde bleiben… Sorry, aber das geht GAR nicht!“

Seiya musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu werden und anzufangen, Mamoru zu beleidigen. Er wollte eigentlich sachlich bleiben, Bunny zeigen, dass es irgendwie anders gehen musste. Dass es nicht normal und schon gar nicht in Ordnung war, was Mamoru sich da gerade erlaubte.

„W-was… soll ich deiner Meinung nach tun?“, fragte Bunny mit leicht zitternder Stimme. Seiya zögerte kurz.

„Wenn es nach mir ginge, würdest du sofort mit Mamoru Schluss machen und dich in mich verlieben.“ Er grinste schief. „Aber… was du wirklich tun solltest, ist, mit Mamoru zu reden. Du solltest all das ansprechen, was dich stört und, bestenfalls mit ihm zusammen, nach einer Lösung suchen. Du musst standhaft bleiben und deine Meinung sagen und dich nicht von irgendwelchen Drohungen unterkriegen lassen. Denn eine Beziehung sollte nicht auf solchen Drohungen basieren.“

„Mhhhmm…“, machte Bunny nachdenklich.

„Ich weiß, dass ich zum großen Teil Schuld an dieser Misere bin.“, fuhr Seiya fort, „Ich versuche, meine Gefühle für dich in Zukunft zurückzuhalten und mich wie ein ganz normaler Freund zu benehmen. Das kannst du ihm sagen…“

„Danke, Seiya.“, sagte sie und drückte seine Hand. Er lächelte geknickt. Wieso nur gab er ihr Beziehungsratschläge? Wieso versuchte er, ihr zu helfen, das mit Mamoru wieder hinzubiegen? Wieso versuchte er nicht, sie dazu zu bringen, sich von Mamoru zu trennen und mit ihm zusammen zu sein? Darauf gab es leider gleich zwei Antworten. Erstens: Wenn er das versuchen würde, hätte er sowieso keine Chance und er würde sie gleich ganz verlieren. Zweitens: Er war einfach nicht Arschloch genug, um Bunny nicht bei ihren Problemen zu helfen.

„Gern geschehen, Schätzchen.“, sagte er weiterhin lächelnd, „Hey, aber wenn du dich zufällig doch dazu entscheiden solltest, Mamoru abzuschießen… ich stehe jederzeit zur Verfügung.“

Er grinste breit. Er hoffte, dass sie die Gefühle der Trauer, der Sehnsucht und des Schmerzes, die er dahinter verbarg, nicht sehen konnte.

Zu seiner Überraschung, lief sie rot an.

„Seiya!“, rief sie aus und protestierte so gegen seinen Flirtversuch.
 

Die Tür öffnete sich und die Schulschwester trat ein. Verdutzt sah sie auf die beiden Schüler, die nebeneinander auf der Kante des hintersten Bettes saßen und sich scheinbar gerade gekabbelt hatten, denn das Mädchen hatte beide Fäuste erhoben, wurde jedoch von dem Jungen festgehalten. Die beiden Schüler sahen sie ebenso verdutzt an. Innerlich lachte sie, nach außen hin setzte sie jedoch einen strengen Blick auf.

„Es sieht nicht so aus, als ob einer von euch beiden krank ist.“, sagte sie, „Marsch, zurück in eure Klassen ihr beiden!“

Beide sprangen sofort auf und verließen mit ein paar Worten der Entschuldigung das Krankenzimmer. Die Schulschwester sah ihnen einen Moment hinterher und lächelte. Jung müsste man nochmal sein…
 

Seiya stand mit hinter dem Kopf verschränkten Armen neben der Tür zum Klassenzimmer. Die Klassenlehrerin hatte ihn sofort gescholten, weil er den Anfang der Stunde verpasst hatte. Bunny hatte bleiben dürfen, immerhin hatte sie sich tatsächlich schlecht gefühlt, als sie ins Krankenzimmer gegangen war.

Er dachte über das Gespräch mit ihr nach. So ganz wusste er nicht, was jetzt passieren würde. Waren sie jetzt wieder Freunde? Würde sie mit Mamoru reden? Würde sie ihm klarmachen, dass sie weiterhin mit ihm, Seiya, befreundet sein wollte? Er hatte keine Ahnung, wie er sich ihr gegenüber jetzt verhalten sollte.
 

Bunny stützte ihren Kopf mit einer Hand ab und sah starr nach vorne, ohne so recht mitzubekommen, was dort vor sich ging. Mit ihren Gedanken hing sie bei dem Gespräch mit Seiya. Dadurch, dass die Schulschwester sie eben unterbrochen hatte, waren sie zu keinem richtigen Abschluss gekommen. Aber… Sie waren doch jetzt wieder Freunde, oder?

Sie musste unbedingt mit Mamoru reden. Solange sie kein klärendes Gespräch mit ihm geführt hatte, konnte es nicht so richtig vorangehen. Sie nahm sich Seiyas Worte zu Herzen. Sie musste Mamoru klar ihre Meinung sagen und auf ihrem Standpunkt beharren. Seiya war ihr bester Freund…

Naja… Vielleicht war er tatsächlich mehr als das, wie sie sich selbst eingestand. Mamoru hatte ja nicht ganz zu Unrecht den Verdacht gehabt, dass zwischen ihr und Seiya etwas war. Immerhin hatte sie tatsächlich Gefühle für ihn. Und immerhin hatten sie sich tatsächlich geküsst. Ja, sie konnte Mamoru sogar wirklich verstehen. Aber trotzdem… Sie durfte Seiya nicht ganz verlieren. Genauso wie er würde sie ihre Gefühle einfach unterdrücken und einfach ganz normal mit ihm befreundet sein. Für Chibiusa. Mamoru musste da einfach nachgeben!
 


 

„Warte, Setsuna!“, rief Haruka aus und hielt ihre Freundin so davon ab, das Haus zu verlassen.

„Ich muss mit ihr reden.“, erwiderte Setsuna ruhig und bestimmt. Haruka zog die Augenbrauen zusammen.

„Ich finde nicht, dass du das solltest.“, widersprach Haruka.

„Die Prinzessin leidet!“, sagte Setsuna mit Nachdruck.

„Das muss sie ganz alleine durchmachen!“, erwiderte Haruka etwas lauter, „Sie muss ihre Entscheidungen alleine treffen!“

„Sie könnte ihre Entscheidung treffen, wenn sie nichts von der Zukunft wüsste.“, erklärte Setsuna ruhig, „Aber sie hat die Zukunft damals kennengelernt und an die klammert sie sich.“

„Was ist so schlimm daran?“, fragte Haruka mit geballten Fäusten.

„Sie leidet!“, wiederholte Setsuna.

„Die Zukunft kann sich ändern!“, sagte Haruka, „Du hast es doch gesehen!“

Setsuna schüttelte den Kopf.

„Diese Zukunft kann sich nicht mehr ändern.“

So close no matter how far

Bunny atmete tief durch, als sie vor Mamorus vertrauten grünen Wohnungstür stand. Mit leicht zitternder Hand betätigte sie die Türklingel. Nach ihrem Gespräch mit Seiya hatte sie in der nächsten Pause sofort eine SMS an Mamoru geschrieben und ihn darum gebeten, sich möglichst noch am selben Tag mit ihr zu treffen. Er hatte zugestimmt und hier war sie nun. Ihr Herz klopfte nervös gegen ihre Brust. Ihr war ein wenig schlecht, weil sie solche Angst vor dem Gespräch, das nun vor ihr lag, hatte.

Bunny hörte Mamorus Schritte, die sich der Tür näherten, bevor diese schließlich geöffnet wurde. Mamoru sah ihr mit einem Lächeln entgegen.

„Hallo Bunny“, begrüßte er sie sanft und ließ sie eintreten.

„Hallo Mamoru“, erwiderte Bunny und konnte ihm kaum in die Augen schauen. Sie streifte ihre Schuhe ab und ließ sich daraufhin von Mamoru in die Arme ziehen. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihr wurde immer mulmiger zumute.

Sie setzten sich im Wohnzimmer auf das Sofa. Mamoru lächelte sie erwartungsvoll an.

„Na, warum wolltest du mich heute unbedingt noch sehen?“, fragte er.

„Mh... Mamoru...“, machte Bunny, „Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll...“

Mamorus Miene verfinsterte sich.

„Es geht um Seiya, oder?“, fragte er. Bei seinem Ton lief Bunny ein kalter Schauer über den Rücken. Sie senkte den Blick und nickte zögerlich. Mamoru seufzte.

„Du hast ihn heute wiedergesehen?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Heute war ja der erste Schultag...“, erklärte Bunny.

„Und gleich ist alles vergessen, was du mir versprochen hast“, sagte er und Bunny konnte die Wut und Enttäuschung direkt heraushören. Dabei hatte sie noch nicht einmal etwas gesagt.

„So war das nicht!“, widersprach sie schnell. „Mamoru... Ich... ich hatte wirklich vor, mich an das Versprechen zu halten, aber...“

Bunny atmete tief durch, um nicht anzufangen zu weinen. Wieso war das so schwierig? Wieso musste sie das durchmachen? Wieso konnte Mamoru sie nicht verstehen? Mamoru sagte nichts, sondern wartete darauf, dass sie weitersprach.

„Mamoru“, sagte sie so ruhig wie möglich, während sie sich selbst Mut zusprach, „Ich kann das nicht...“

„Was kannst du nicht?“, fragte Mamoru, als Bunny nicht weitersprach.

„...dieses Kontaktverbot...“, erklärte Bunny knapp und wagte es kaum, Mamoru anzusehen. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, eine Hand zur Faust geballt, wirkte wütend. Bunnys Magen zog sich zusammen. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Seine Stimme klang rauh.

„Liebst du ihn?“, fragte er leise.

„D-das ist es nicht!“, warf Bunny sofort ein, „S-seiya ist ein Freund! Und... und ich finde es nicht richtig, dass du... mir den Kontakt zu einem Freund verbietest...“

Sie wurde zum Ende hin immer leiser und senkte erneut den Blick. Sie hatte Angst vor Mamorus Reaktion. Sie spürte seinen Blick auf sich, während er vermutlich selbst überlegte, wie er nun reagieren sollte.

„Ist er dir so wichtig?“, fragte er schließlich, angestrengt ruhig zu bleiben.

„Er ist mir wichtig“, antwortete Bunny sofort, „Alle meine Freunde sind mir wichtig.“

Mamoru fuhr sich durch die Haare.

„Ich weiß“, sagte er mit leichtem Widerwillen in der Stimme.

Sie schwiegen. Bunnys Herz schlug noch immer nervös gegen ihre Brust. Wieso sagte Mamoru nichts mehr? Und was sollte SIE jetzt sagen?

„M-mamoru?“ Unsicher sah sie ihn an.

„Ich weiß auch nicht, was ich jetzt sagen soll,“ gab Mamoru zu und erwiderte ihren Blick. Es lag keine Wut mehr darin. Vielmehr wirkte er verunsichert und verletzt. Bunny wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie hatte sich geschworen, nicht zu weinen. Sie wollte stark sein und kämpfen. Für ihre Freundschaft mit Seiya und für sich selbst.

„I-ich will diese Freundschaft nicht aufgeben...“, sagte sie, um deutlich zu machen, dass es ihr wirklich ernst war. Ihre Stimme zitterte leicht.

„Was erwartest du jetzt von mir?“, fragte Mamoru herausfordernd. Bunny schrak leicht zusammen, obwohl Mamoru weder laut geworden war, noch etwas Angreifendes gesagt hatte.

„Ich...“, setzte sie an, „Ich will, dass du meine Freundschaft zu Seiya akzeptierst.“

„Bunny“, sagte er ernst, „Das wäre ja alles kein Problem, wenn es nur Freundschaft wäre.“

Bunny spürte einen Stich in ihrem Herzen.

„Ich bin nicht blöd“, fuhr er fort, „Ich weiß, dass das zwischen euch nicht reine Freundschaft ist. Dass Seiya in dich verliebt ist, ist ein offenes Geheimnis. Jeder weiß das. Wenn ich zu ihm gehen würde und ihn fragen würde, ob er dich liebt, würde er das niemals leugnen. Bis vor kurzem habe ich gedacht, das sei komplett einseitig seinerseits. Immerhin bist du mit MIR zusammen. Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Wir sind füreinander bestimmt. Du und ich... wir gehören einfach zusammen. Wir haben sogar eine Tochter in der Zukunft! Aber dein ganzes Verhalten in letzter Zeit lässt mich ernsthaft daran zweifeln, dass du nur Freundschaft für ihn empfindest.“

„Mamoru...“, sagte Bunny, die immer mehr Schwierigkeiten damit hatte, ihre Tränen zurückzuhalten.

„Bitte, lass mich ausreden“ unterbrach er sie, „Ich kann Seiya keinen Vorwurf dafür machen, dass er sich in dich verliebt hat. Auch wenn ich das gerne würde, ich weiß, dass das nicht geht. Aber er weiß, dass du vergeben bist und trotzdem macht er sich an dich ran. Er versucht, dich mir wegzunehmen. Und du... du wirkst nicht gerade so, als hättest du etwas gegen seine Anmache. Im Gegenteil! Du lässt dich von ihm küssen. Und jetzt kommst du zu mir und sagst, dass dir Seiya so wichtig ist, dass du ihn nicht für mich aufgeben kannst... Weißt du, was das für ein Scheißgefühl für mich ist? Weißt du, was für eine Scheißangst ich davor habe, dass ich dich an ihn verliere?“

Mamoru vergrub das Gesicht in seinen Händen.

„Mamoru...“, brachte Bunny erschüttert hervor und legte eine Hand auf seine Schulter, „Ich hatte nie vor, dich für ihn zu verlassen oder so! Wir... wir haben doch eine Zukunft vor uns! Du, Chibiusa und ich...“

Mamoru ergriff ihre Hand und drückte sie.

„Kannst du mir das versprechen, Bunny?“, fragte er. Bunny zögerte einen Moment, doch dann drückte auch sie seine Hand

„Ich verspreche es dir“, erwiderte sie.
 


 

Seiya saß mit Taiki und Yaten vor dem Fernseher. Sie hatten gerade gegessen und eine gewisse Lethargie hatte sie alle ergriffen. Seiya nahm gar nicht richtig wahr, was auf dem Bildschirm vor sich ging. Er versuchte, seine momentane Gefühlslage einzuordnen. Natürlich war er glücklich und erleichtert, dass er mit Bunny hatte reden können und dass er ihr immer noch irgendwie wichtig war. Aber trotz allem war noch immer diese Verunsicherung da. Er wusste nicht, was passieren würde. Würde sie sich wieder von ihm abwenden? Was würde Mamoru machen? Gleichzeitig hatte sich wieder einmal bestätigt, dass Bunny sich niemals für ihn entscheiden würde. Wegen Chibiusa.

Das Telefon klingelte. Die Jungs sahen sich an. Keiner von ihnen wollte aufstehen. Taiki gab sich schließlich seufzend geschlagen. Immerhin war er der Vernünftige von ihnen.

„Kou“, meldete er sich. Nach wenigen Momenten legte er den Hörer beiseite.

„Ist für dich, Seiya“, sagte er und setzte sich ohne ein weiteres Wort wieder hin. Seiya sah ihn einen Moment fragend an, bevor er jedoch aufstand und zum Telefon ging.

„Hallo?“, sprach er fragend in den Hörer.

„Seiya? Hier ist Bunny.“ Er hatte bereits nach der ersten Silbe gewusst, wer am Telefon war.

„Schätzchen...“, sagte er leise, schnappte sich das Telefon und ging so weit von Taiki und Yaten weg wie nur möglich.

„Stör ich grad?“, fragte sie. Seiya schüttelte den Kopf, obwohl sie das natürlich nicht sehen konnte.

„Nein“, antwortete er deshalb.

„Ich hab versucht, dich auf dem Handy anzurufen, aber es ging keiner ran.“

Seiya zog das Handy aus der Tasche. Tatsächlich. Drei verpasste Anrufe in Abwesenheit.

„Sorry, hatte es noch auf lautlos“, entschuldigte er sich und war gleichzeitig unheimlich froh, dass sie nicht aufgegeben hatte, sondern ihn schließlich auch auf dem Festnetz angerufen hatte.

„Achso. Naja, ich hab dich ja jetzt erreicht“, sagte sie, sprach dann jedoch nicht weiter. Seiya fragte sich, wieso sie anrief. Ihm wurde bewusst, dass sie noch nie so richtig miteinander telefoniert hatten. Sofort bekam er wieder ein flaues Gefühl im Magen.

„Mh... gibt es einen bestimmten Grund, wieso du anrufst?“, fragte er vorsichtig, „Ist etwas passiert?“

„Nein“, erwiderte Bunny sofort, „Ich... ich wollte einfach nur mit dir reden.“

Seiyas Herz machte einen Hüpfer. Das war etwas Gutes, oder?!

„Oh...“, stieß er aus und räusperte sich kurz, „Geht’s dir gut?“

Er ärgerte sich über diese blöde Frage. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte.

„Ich glaub schon“, antwortete sie.

„Du glaubst?“

„Hmmm...“, machte sie und Seiya hatte Angst, zu viel gefragt zu haben. Doch sie sprach weiter: „Ich war grad bei Mamoru...“

„Oh...“, sagte er erneut, wobei sich sein Ton deutlich verändert hatte, „Und?“

„Ich hab ihm gesagt, dass ich unsere Freundschaft nicht aufgeben will...“

„Und?“, fragte er erneut. Er spürte die Nervosität in sich aufsteigen.

„Er war natürlich nicht begeistert“, erzählte sie, „aber ich glaube, er hat es akzeptiert...“

Seiya wusste nicht, was er sagen sollte. Für einen Moment hatte er wirklich geglaubt, das, was er sich in der Schule erarbeitet hatte, sei wieder vollständig zunichte gemacht worden. Er brachte kein Wort heraus.

„Seiya?“, fragte Bunny, „Bist du noch da?“

„J-ja!“, antwortete er schnell, „Klar.“

„Ist alles okay bei dir?“ Sie klang besorgt.

„Alles okay“, erwiderte er.

„Sicher?“

„Sicher.“ Er schloss die Augen und lächelte. Wie wundervoll dieses Mädchen doch war. Er stellte sich vor, wie Bunny in ihrem Zimmer saß, das Telefon in der Hand, vielleicht aus ihrem Fenster sah oder mit ihrem Haar spielte, während sie mit ihm sprach.

„Was machst du grad?“, fragte sie, nachdem sie kurz geschwiegen hatten.

„Ich sitz im Flur auf dem Boden und telefonier mit dir“, antwortete er, „Und du?“

„Ich sitz auf meinem Bett und guck grad den Mond an. Er ist wirklich unheimlich groß heute Nacht.“

Seiya konnte durch die offene Tür zur Küche sehen, wie der Mond durch das Fenster schien.

„Du hast recht“, stimmte er zu.

„Und mit dir telefonieren tu ich natürlich auch“, fügte sie schließlich noch hinzu. Seiya schmunzelte.

„Ich bin froh, dass du angerufen hast“, sagte er ehrlich.

„Dann bin ich ja froh, dass du froh bist“, erwiderte sie lachend.

„Nein, ehrlich“, sagte er, „Du kannst mich ruhig öfter mal anrufen.“

„Vielleicht mach ich das auch!“

„Ja, mach das“, erwiderte er grinsend, „Es ist immer schön, deine Stimme zu hören.“

Für einen Moment wurde es am anderen Ende der Leitung ruhig. Er konnte sich bildhaft vorstellen, wie Bunny rot wurde und nicht so recht wusste, was sie sagen sollte.

„Kein Grund rot zu werden“, neckte er sie schmunzelnd.

„Ich bin gar nicht rot!“, protestierte Bunny sofort und wurde dabei vermutlich nur noch roter. Seiya lachte.

„Gib’s doch einfach zu, Schätzchen!“

„Nein!“ Sie blieb stur. Sie war so unglaublich süß.

„Okay, okay“, gab Seiya sich lachend geschlagen, „Du bist nicht rot.“

„Genau!“, rief sie zufrieden aus.

„Ich wünschte, ich könnte dein Gesicht sehen“, sagte Seiya. Schon wieder wurde es ruhig, doch dieses Mal antwortete Bunny doch noch.

„Warum?“, fragte sie anscheinend etwas verunsichert.

„Na, damit du nicht einfach behaupten kannst, du wärst gar nicht rot“, erklärte Seiya neckisch, auch wenn das sicherlich nicht der einzige Grund war, wieso er sie gern gesehen hätte. Bunny sprang sofort darauf an.

„Wenn du mein Gesicht sehen könntest, müsstest du sofort zugeben, dass ich gar nicht rot bin!“, erklärte sie enthusiastisch.

„Das glaube ich kaum“, neckte Seiya sie weiter, „Ich kenn dich doch, Schätzchen.“

„Achja?“, fragte sie herausfordernd.

„Ja“, antwortete er lächelnd, „Ich kenn dich ziemlich gut, glaube ich.“

„... ja“, gab sie schließlich zu, „Da kann ich dir wohl nicht widersprechen. Du kennst mich wirklich ziemlich gut.“

Seiya fuhr sich lächelnd durchs Haar. Es war unglaublich, wie so ein einfacher Telefonanruf ihn so glücklich machen konnte.

„Ich bin mir aber nicht so sicher, wie gut ich dich kenne“, fuhr sie fort und überraschte Seiya damit.

„Was meinst du?“, fragte er.

„Naja, ich weiß nicht wirklich viel über dich“, erklärte sie, „Ich weiß zum Beispiel so gut wie nichts über deine Vergangenheit.“

„Was möchtest du denn wissen?“, fragte er, „Du kannst mich alles fragen.“

„Hmmmm“, machte sie überlegend, „Was ist mit deinen Eltern?“

Seiya zögerte kurz.

„Bei uns ist es anders als bei euch hier auf der Erde“, sagte er schließlich, „Wir sind nicht wiedergeboren und in ganz normalen Familien aufgewachsen. Yaten, Taiki und ich sind alle die Kinder von Sailorkriegern. Aber... wir haben unsere Eltern nie wirklich kennengelernt. Sie sind schon, als wir noch ganz klein waren, im Kampf gegen das Böse gefallen.“

„Das tut mir leid“, sagte Bunny sofort und bereute vermutlich, dass sie diese Frage gestellt hatte.

„Ist schon gut“, wehrte er ab, „Kakyuus Familie hat uns aufgenommen. Wir hatten kein einfaches Leben, aber wir hatten uns und die Prinzessin. Wir sind eine Familie.“

„Habt ihr deshalb alle denselben Nachnamen?“, fragte Bunny, die sich schon länger gefragt hatte, ob die drei wirklich Brüder waren.

„Ja“, bestätigte Seiya, „Wir sind zwar keine Blutsverwandten, aber wir sind dennoch eine Familie.“

„Kein Wunder, dass ihr euch so nahe steht“, sagte sie nachdenklich.

„Mhhmmm“, machte Seiya, „Noch eine Frage?“

„Vermisst du Euphe?“

„Manchmal“, antwortete er sofort, „Aber... nicht so sehr, als dass ich wieder zurück wollen würde. Hier haben wir so viel, was wir dort nicht hatten. Unser eigenes Leben, unsere Freiheit, unsere Freunde...“

„Ich bin froh, das zu hören“, sagte Bunny.

„Wieso? Würdest du mich sonst vermissen?“, fragte Seiya nach und wollte sie mal wieder ein bisschen ärgern.

„Ja“, antwortete Bunny jedoch ohne zu zögern, was nicht nur sein Herz ein wenig höher schlagen ließ, sondern ihm auch die Röte in die Wangen trieb. Wieso liebte er sie nur so sehr? Und wieso nur würde er sie niemals haben können?

You'll only know what they want you to know

Wieder einmal ging Bunny mit klopfendem Herzen in die Schule. Sie hatte am Abend zuvor tatsächlich über eine Stunde mit Seiya telefoniert. Sie hatten geredet, gelacht und sich gegenseitig geneckt. Sie konnte selbst kaum glauben, wie sehr sie sich darauf freute, ihn wiederzusehen.

„Schätzchen!“, hörte sie von weitem. Ihr Herz machte einen Hüpfer und sie drehte sich um. Da war er, lief auf sie zu.

„Morgen Seiya“, begrüßte sie ihn lächelnd und aus irgendeinem Grund leicht aufgeregt.

„Morgen“, erwiderte er grinsend.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie, da Seiya normalerweise zusammen mit Yaten und Taiki zur Schule kam und dies eigentlich nicht Teil ihres Schulwegs war.

„Ähm...“ Seiya wurde leicht rot. „Nichts... ich dachte nur, ich könnte dich unterwegs abfangen.“

Er verschränkte seine Arme hinter dem Kopf und sah zur Seite, um seine Verlegenheit zu verbergen. Bunny musste lächeln. Wie süß er war...

Schnell brachte sie sich selbst auf andere Gedanken.

„Nächste Woche geht’s nach Kyoto“, sagte Bunny und sprach damit das erste Thema an, das ihr in den Sinn kam.

„Ja“, stieg Seiya sofort darauf ein, selbst froh über den Themenwechsel, „Warst du schon mal da?“

„Ein paarmal als ich noch klein war“, erzählte Bunny, „Mit meinen Eltern und meinem Bruder, als er noch ein Baby war. Und du?“

„Ich glaube, wir haben dort mal ein Konzert gegeben“, überlegte Seiya laut, „Aber wir haben nichts von der Stadt gesehen. Dafür bleibt dann nie Zeit.“

„Werdet ihr bald wieder auf Tour gehen?“, fragte Bunny, die meinte, mal gehört zu haben, dass Musiker, wenn sie eine neue CD auf den Markt brachten, kurz darauf auch auf eine Konzert-Tournee gingen. Und die Three Lights wollten sehr bald ein neues Album herausbringen. Die erste Single war immerhin schon erschienen, wie sie sich nur zu gut erinnerte.

„Ja, werden wir“, bestätigte Seiya sofort, „Unser Manager regelt das alles. Die Termine, die Locations und so weiter. Sicher ist aber, dass wir spätestens Ende Oktober die ersten Konzerte geben.“

„Ist das aufregend“, sagte Bunny und dachte an das Three Lights-Konzert damals, das unglücklicherweise von einem Angriff durch ihre Feinde unterbrochen worden war.

„Ach naja“, winkte Seiya ab, „Irgendwie gewöhnt man sich dran. Es ist eher stressig als aufregend. Man reist von einer Stadt in die nächste, lernt Leute kennen, mit denen man dann nur einen Abend etwas zu tun hat, muss eine Show auf die Beine stellen und danach geht’s schon wieder weiter.“

„Mhmm... klingt ja nicht so, als würde es dir wahnsinnigen Spaß machen“, stellte Bunny fest.

„Ach, so kann man das auch wieder nicht sagen“, wehrte Seiya ab, „Ich liebe die Musik und es macht mir unheimlich viel Spaß, Lieder zu schreiben und zusammen mit Yaten und Taiki zu spielen. Ich wünschte nur manchmal, dass diese Konzerte etwas ruhiger und persönlicher ablaufen würden. Es ist toll, so viele Fans zu haben. Aber wenn man vor so einem riesigen Publikum steht, hat man natürlich überhaupt keinen persönlichen Bezug zu den Zuschauern.“

„Und wieso sind eure Konzerte dann so riesig?“, fragte Bunny.

„Ganz einfach“, antwortete Seiya, „So ist das Showbusiness. Wenn man gefragt ist, muss man große Konzerte geben.“

„Aber wenn ihr doch viel lieber kleinere, persönlichere Konzerte geben würdet?“ Bunny konnte nicht verstehen, wieso die Jungs ihre Konzerte nicht einfach so gaben, wie sie es wollten.

„Ich gaube, du hast da eine falsche Vorstellung davon, wie das alles abläuft“, erklärte Seiya, „Wir haben nicht so viel Mitspracherecht, wie du denkst. Wir schreiben unsere Musik selbst und spielen so, wie wir es wollen, ja. Aber wir sind ja bei einer Plattenfirma unter Vertrag. Und die entscheiden über die Vermarktung und auch über so etwas wie Konzerte.“

„Wirklich?“, hakte Bunny ungläubig nach.

„Ja, wirklich“, bestätigte Seiya grinsend.

„Wow...“, machte Bunny, „Ich dachte immer, dass ihr das alles selbst bestimmt.“

„Na, dann hast du wieder etwas gelernt“, sagte Seiya zwinkernd.

 

 

 

Minako saß unruhig auf ihrem Stuhl. Bunny und Seiya waren gerade noch rechtzeitig zum Klingeln in die Klasse gekommen. Warum hatten sie nicht früher kommen können? Alle paar Minuten sah Minako auf die Uhr. Wann war endlich Pause? Sie hielt es einfach nicht mehr aus.

Endlich klingelte es. Minako sprang auf und stand nach wenigen großen Schritten vor Seiyas Platz. Sie klatschte ihm eine Zeitschrift auf den Tisch. Überrascht sah er sie an.

„Was ist los?“, fragte er erstaunt.

„Lies!“, forderte sie ihn auf. Bunny drehte sich zu Seiyas Tisch um und warf ebenfalls ein Blick auf die Zeitschrift. Sie sah ein Bild von Seiya und Rika Osawa, das augenscheinlich ein Ausschnitt aus dem Video der Three Lights war. Unbewusst stand sie auf und ging so um den Tisch herum, dass sie die Schrift lesen konnte.

 

 

Liebesglück beim Videodreh? – Die wahre Beziehung zwischen Seiya Kou und Rika Osawa

 

Nachdem der Leadsänger der beliebten Pop-Gruppe Three Lights, Seiya Kou (18), die Gerüchte über sich und seine hübsche Mitschülerin dementiert hat, zeigt er sich im neuen Video zur Single Again überraschend vertraut mit dem Pop-Idol Rika Osawa (17). Zeigt das erotisch anhauchende Video die tatsächliche Intimität zwischen den beiden Popstars?

„Als ich Seiya das erste Mal gesehen habe, war es sofort um mich geschehen“, gesteht uns Rika in einem Interview mit geröteten Wangen. Sie erzählt uns, dass sie schon vor ihrer eigenen Karriere ein großer Three Lights-Fan war und deshalb sehr nervös war, als sie die drei Jungs endlich kennenlernen durfte. Die drei seien ihr auf Anhieb sympathisch gewesen, doch besonders Seiya habe es ihr angetan. Dass sie ausgerechnet mit dem attraktiven Frontmann der Band solch intime Szenen spielen durfte, habe sie glücklich und nervös zugleich gemacht. Seine lockere und charmante Art habe ihr jedoch sehr geholfen. Während der Dreharbeiten habe sie sich wunderbar mit Seiya verstanden und sie seien sich auch privat näher gekommen.

„Besonders glücklich war ich darüber, dass er auch bei meiner Geburtstagsfeier dabei war“, erzählt uns die hübsche Brünette strahlend. Auf unsere Nachfrage, ob zwischen ihr und dem charmanten Sänger eine ernsthafte Beziehung bestünde, lächelt sie nur und zwinkert uns zu. Wir wünschen ihr und Seiya jedenfalls nur das Beste!

 

 

Mit jedem Wort, das sie las, wurde Bunny übler. War das, was sie in dem Video gesehen hatte, doch nicht alles nur gespielt gewesen? Als sie fertig gelesen hatte, schielte sie zu Seiya rüber. Der starrte noch immer auf die Zeitschrift und hatte die Augenbrauen zusammengezogen.

„Diese...“ Er fand nicht die richtigen Worte, um Keiko Kobayashi, Journalistin bei Sereburiti, angemessen zu beleidigen. Er sah auf, suchte Bunnys Blick.

„Das ist die gleiche Journalistin, die auch den Artikel über uns geschrieben hat“, erklärte er, „Zwischen mir und Rika ist NICHTS!“

Inzwischen hatten sich auch Yaten, Taiki, Ami und Makoto um Seiyas Platz herum versammelt.

„Zeig mal her“, forderte Yaten und ließ sich die Zeitschrift reichen. Er überflog den Artikel, bevor er anfing zu lachen.

„Was lachst du so blöd?“, fragte Seiya gereizt.

„Ganz ehrlich?“, erwiderte Yaten, „Wundert es dich echt, dass Rika so einen Kram redet? So wie sie dich umschwärmt hat?“

Bunny bekam Bauchschmerzen. Yaten schmiss die Zeitschrift wieder auf Seiyas Tisch.

„Rika Osawa ist die Art Mädchen, die versucht, einen Typen, der ihr gefällt, mit einem Augenaufschlag und einem tiefen Ausschnitt um den Finger zu wickeln. Und sie lässt nicht locker, bis sie das bekommt, was sie will.“

„Oh mein Gott!“, rief Minako aus, „Heißt das, mit ihr ist echt was gelaufen, Seiya?“

„Was?“, protesierte Seiya entrüstet, „Natürlich nicht!“

„Keine Sorge“, sagte Yaten schlichtend und sprach dabei bewusst in Bunnys Richtung, „Seiya würde sich nie auf dieses Mädchen einlassen.“ Er fing wieder an zu lachen. „Und ich weiß ganz ehrlich nicht, von welcher charmanten Art sie da spricht. Seiya ist nicht besonders nett mit ihr umgegangen. Nur gerade so, um sich die Dreharbeiten nicht zu versauen.“

„Wir haben ihn dazu genötigt, mit zu dem Geburtstag zu kommen“, erzählte Taiki weiter.

„DU hast UNS dazu genötigt, mitzukommen“, verbesserte Yaten mit strengen Seitenblick auf seinen Bruder.

„Warum denn?“, fragte Makoto, die nicht recht verstand, wieso sie zu dieser Geburtstagsparty gegangen waren, wenn Rika allen dreien doch eher unsympathisch zu sein schien.

„Aus geschäftlichen Gründen“, antwortete Taiki sofort, „Das gehört sich so.“

„Ich werde mit Sicherheit nie wieder mit Rika zusammenarbeiten“, erklärte Seiya jetzt, „Ich hab die Schnauze voll, sowohl von ihr als auch von solchen beschissenen Artikeln.“

„Tja, das lässt sich wohl nicht verhindern, wenn man berühmt ist“, sagte Taiki ruhig, „Die Leute wollen Sensationen lesen, Skandale... Und ob das die Wahrheit ist oder nicht, ist dabei Nebensache.“

 

 

Die Schule war fast vorbei, aber Bunny hatte immer noch Bauchschmerzen. Okay, zwischen Seiya und Rika war anscheinend wirklich nichts gelaufen. Das erleichterte sie. Aber sie fühlte sich schlecht, weil sie so eine Erleichterung spürte. Wer gab ihr das Recht, eifersüchtig zu sein? Sie war doch diejenige, die Seiya die ganze Zeit sagte, dass sie nicht zusammen sein konnten. Woher nahm sie das Recht, zu hoffen, dass Seiya sich nicht in eine andere verliebte? Das durfte sie nicht! Das stand ihr nicht zu! Und dennoch bemerkte sie bei diesem Zeitschriftenartikel genauso wie bei dem Musikvideo vor kurzem, dass sie wahnsinnige Angst davor hatte, dass Seiya sich in ein anderes Mädchen verlieben könnte.

Es klingelte. Die letzte Stunde war vorbei. Langsam packte Bunny ihre Sachen zusammen. Sie hatte keine große Lust, sich mit irgenjemandem zu unterhalten. Sie fühlte sich motivationslos und träge. Wieso hatte sie dieser blöde Artikel schon wieder so mitgenommen? Dabei war zwischen ihr und Seiya gerade wieder alles in Ordnung.

„Schätzchen?“, sprach Seiya sie an. Ihr Herz machte einen schmerzhaften Hüpfer. Sie drehte sich zu ihm um.

„Hm?“, machte sie.

„Alles in Ordnung?“

„Ja, klar“, schwindelte sie und zwang sich zu einem Lächeln. Seiya betrachtete sie skeptisch, schien sich dann aber dazu entscheiden, ihre Antwort zu akzeptieren.

 

Die anderen hatten, nachdem er ihnen ein Zeichen gegeben hatte, das Klassenzimmer schon verlassen. Er wollte einen Moment mit Bunny alleine sein. Demonstrativ griff er nach dem Magazin, das Minako ihm überlassen hatte und das er während des Unterrichts in dem Fach unter seinem Tisch hatte liegen lassen.

„Ich bin echt genervt von dem Scheiß hier“, sagte er. Er hatte sich vorher nicht so recht getraut, mit Bunny direkt darüber zu sprechen. Doch jetzt war der Schultag fast vorbei und es war ihm wichtig, dass sie wusste, dass zwischen ihm und Rika Osawa nicht das Geringste lief.

„Das kann ich mir vorstellen“, antwortete Bunny und verzog ihre Lippen zu einem schiefen Lächeln. Seiya spürte einen kleinen Stich.

„Du glaubst mir doch, dass das alles nicht stimmt, oder?!“, fragte er nun direkter, als er es geplant hatte.

„Natürlich glaube ich dir.“ Wieder dieses gezwungene Lächeln.

„Schätzchen...“, sagte er und wusste nicht so ganz, was er sagen sollte. War sie ihm irgendwie böse?

„Es ist wirklich alles in Ordnung“, versicherte sie ihm. Seiya ließ sich jedoch nicht so leicht davon überzeugen.

„Wenn ich irgendetwas getan hätte, würdest du es mir doch sagen, oder?!“

„Klar“, bestätigte sie, „Würde ich.“

„Gut“, erwiderte er nur wenig beruhigt, „Ich habe nämlich echt Angst, dich durch irgendeinen blöden Fehler wieder zu verlieren.“

 

Bunny fühlte sich immer schlechter. Seiya sah so niedergeschlagen aus, sorgte sich um sie und zeigte ihr, wie wichtig sie ihm doch war. Und sie konnte nichts anderes tun, als ihn zu verletzen.

„Du wirst mich nicht wieder verlieren“, versuchte sie, ihn zu beruhigen. Er lächelte schief.

„Ich hoffe es“, sagte er, „Das würde ich echt nicht verkraften.“

„Seiya...“

Bunnys Handy vibrierte in ihrer Tasche. Sie zog es hervor, beinahe schon froh über die kleine Ablenkung. Eine SMS von Minako:

 

Ihr solltet schnell rauskommen.

Könnte Probleme geben.

 

Was sollte das denn bedeuten? Bunny beschlich ein ungutes Gefühl. Sie machte sich gemeinsam mit Seiya auf den Weg. Nachdem sie sich beide ihre normalen Schuhe angezogen hatten, verließen sie das Schulgebäude. Während sie über den Schulhof gingen, konnte Bunny schon von weitem die anderen entdecken. Sie standen am Schultor. Warum?

Nur wenige Augenblicke später wusste sie es. Mamoru stand dort neben seinem Wagen und wartete offensichtlich auf sie. Erneut bekam sie Bauchschmerzen. Jeder Schritt tat weh.

„Mamoru!“, begrüßte sie ihn mit gespielter Freude und hing sich ihm an den Arm.

„Hey Bunny“, erwiderte er die Begrüßung und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Es war für ihn völlig untypisch, in der Öffentlichkeit seine Zuneigung zu ihr zu zeigen. Aber Bunny kannte es schon. Wenn Seiya dabei war...

„Bist du hier, um mich abzuholen?“, fragte sie und legte eine Mischung aus Überraschung und Freude in ihrer Stimme.

„Nein, heute nicht“, widersprach Mamoru lächelnd, „Ich bin hier, weil ich gern mit Seiya reden würde.“

Bunny war nicht die einzige, die vollkommen überrascht war. Die Blicke aller wanderten zu Seiya, der selbst wohl am schockiertesten war und mit weit aufgerissenen Augen und einem dicken Fragezeichen im Gesicht Mamoru anstarrte.

The only thought I get of you sickens me

„Mamoru...“, sagte Bunny mit gerunzelter Stirn und deutlichem Unbehagen in der Stimme, „Warum willst du denn mit Seiya reden?“

Mamoru lächelte sie an.

„Das ist eine Sache zwischen ihm und mir“, erklärte Mamoru gelassen.

„Aber...“, warf Bunny ein, wurde jedoch von Seiya unterbrochen.

„Schon gut, Schätzchen“, sagte er und schenkte ihr ein kurzes Lächeln, bevor er sich an Mamoru wandte, „In Ordnung, lass uns reden.“

„Gut“, bestätigte Mamoru und wies ihn mit einer Geste an, sich auf den Beifahrersitz seines Wagens zu setzen.

„Bis später“, verabschiedete sich Seiya von allen und tauschte einen Blick mit Bunny aus, welche ihn noch immer höchst besorgt ansah. Er lächelte ihr aufmunternd zu, um deutlich zu machen, dass alles in Ordnung war.

„Tschüss Bunny“, sagte Mamoru und gab ihr demonstrativ einen Kuss auf die Wange, bevor er sich seinem Wagen zuwandte und nochmal zum Abschied die Hand hob.
 

Schweigend saßen Mamoru und Seiya nebeneinander. Seiya überlegte, wo Mamoru wohl hinfahren würde und was jetzt wohl auf ihn zukommen würde. Dass es kein angenehmes Gespräch werden würde, das stand wohl fest. Er hatte sich in seinem Leben noch nie so unwohl gefühlt wie in diesem Moment.

Nach etwa zwanzig Minuten Fahrt hielt Mamoru auf einem Parkplatz außerhalb der Stadt. Es war ruhig hier und Seiya konnte außer ihnen keine Menschenseele entdecken. Lediglich ein anderes Auto stand am anderen Ende des Parkplatzes.

Mamoru stieg wortlos aus. Seiya machte es ihm nach. Sie gingen ein Stück einen schmalen gepflasterten Weg entlang, bis sie auf ein paar Holztische und –bänke trafen. Seiya hatte die Hände in seinen Hosentaschen zu Fäusten geballt. Er wartete darauf, dass Mamoru etwas sagte. Dieser lehnte sich an einen der Tische und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Du weißt bestimmt, worum es geht“, sagte er schließlich. Seiyas Puls beschleunigte sich etwas.

„Na, es wird wohl um Bunny gehen“, antwortete Seiya unbestimmt.

„Richtig“, erwiderte Mamoru, „Um meine Freundin!“

Seiya spürte den Hass in sich aufsteigen. Als wüsste er nicht genau, dass sie Mamorus Freundin war.

„Und was genau willst du von mir?“, fragte er leicht ungeduldig.

„Ich möchte, dass du sie in Ruhe lässt“, antwortete Mamoru ruhig aber mit Nachdruck. Seiyas Blick verfinsterte sich.

„Sorry, aber das kann ich nicht“, erwiderte er.

„Sie gehört zu mir“, sagte Mamoru nach einer kurzen Pause, „Bunny und ich kennen unsere Zukunft. Wir beide werden König und Königin von Kristalltokyo und wir werden eine gemeinsame Tochter haben. Wir haben sie sogar schon kennengelernt.“

„Ich weiß“, erwiderte Seiya und versuchte dabei zu verbergen, wie weh es ihm tat, darüber nachzudenken, „aber eure Zukunft hat nichts mit meiner Freundschaft zu Bunny zu tun.“

Mamoru lachte auf.

„Freundschaft!“, rief er aus, „Du musst jetzt nicht so tun, Seiya. Jeder weiß, dass du in sie verliebt bist.“

„Ja, ich liebe sie“, bestätigte Seiya sofort, „Aber deshalb sind wir doch trotzdem Freunde.“

Mamoru runzelte unzufrieden die Stirn.

„Und du willst mir jetzt erzählen, dass es für dich vollkommen okay ist, wenn ihr nur Freunde seid? Wenn sie mich heiratet und wir zusammen ein Kind bekommen?“

Seiya spürte, wie sich seine Fingernägel in seine Handflächen bohrten.

„Okay?“, fragte er sarkastisch nach, „Natürlich ist das nicht vollkommen okay für mich. Aber was soll ich denn machen? Soll ich sie deshalb ganz verlieren? Sie ist die wichtigste Person in meinem Leben und wenn ich nur als Freund an ihrer Seite sein kann, dann ist das eben so!“

„Du versuchst also nicht, sie irgendwie für dich zu gewinnen?“ Seiya konnte den Sarkasmus aus Mamorus Stimme deutlich heraushören. Er senkte den Blick.

„Nein“, erwiderte er leise, „nicht, solange sie glücklich ist.“

„Was soll das heißen?“, hakte Mamoru verärgert nach. Seiya sah auf.

„Solange sie mit dir glücklich ist, sage ich kein Wort“, erklärte Seiya, „Solange sie mit dir glücklich ist, bin ich nur ein Freund für sie. Und sie nur eine Freundin für mich.“

Mamoru richtete sich auf und ballte beide Hände zu Fäusten.

„Du Arschloch hast sie geküsst!“, rief er aus, „Und du willst mir ernsthaft weismachen, dass du für sie nur ein Freund sein willst?“

Mamorus Worte waren wie ein Schlag in den Magen. Er hasste diesen Kerl und trotzdem fühlte er sich ernsthaft schlecht, weil er Bunny geküsst hatte.

„Ich hätte sie nicht küssen sollen“, gab er widerwillig zu, auch wenn er es niemals bereuen würde, „Aber du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass mir Bunnys Glück am wichtigsten ist. Wenn sie mit dir glücklich ist, dann gebe ich auf. Aber das heißt nicht, dass ich nicht weiterhin mit ihr befreundet sein kann.“

„Sie IST mit mir glücklich!“, sagte Mamoru lauter, als es nötig gewesen wäre. Seiya runzelte die Stirn.

„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte er suggestiv. Er konnte dem Drang, Mamoru eins auszuwischen, nicht widerstehen.

„Was soll das heißen?“ Mamoru hatte sich deutlich angespannt. Seiya hob abwehrend die Hände.

„Gar nichts“, antwortete er. Damit war Mamoru natürlich nicht zufrieden.

„Sag schon“, forderte er, „Was soll das heißen?“

„Nichts“, wiederholte Seiya, fuhr dann aber fort, „Du solltest nur nicht einfach davon ausgehen, dass sie glücklich ist, sondern auch mal was dafür tun.“

„Willst du jetzt sagen, ich könnte meine Freundin nicht glücklich machen?“ Seiya hörte die Aggression deutlich aus Mamorus Stimme heraus.

„Glaubst du denn, dass du sie in letzter Zeit besonders glücklich gemacht hast?“, fragte Seiya im Gegenzug. Mamoru stockte.

„Denk mal drüber nach“, sagte Seiya, als Mamoru nicht antwortete, und wandte sich zum Gehen.

„Lass die Finger von meiner Freundin!“, rief Mamoru plötzlich. Seiya drehte sich noch einmal zu ihm um.

„Solange sie glücklich mit dir ist...“, erwiderte er. Mamoru stand mit einigen großen Schritten vor ihm und packte ihn am Kragen.

„Halt dich von Bunny fern!“, forderte Mamoru wütend. Das war zu viel.

„Lass mich los“, presste Seiya zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mamorus Griff wurde noch etwas fester.

„Ich lass dich los, wenn du dich von Bunny fernhältst“

„Vergiss es“, lehnte Seiya Mamorus Forderung ab, „Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben und das einzige, was ich nicht so einfach aufgeben werde.“

„Du bist reich und berühmt, du könntest JEDE haben! Wieso ausgerechnet Bunny?“

„Glaub mir, wenn ich mir das aussuchen könnte, dann hätte ich mich bestimmt nicht in sie verliebt“, erwiderte Seiya, „das wäre für alle einfacher gewesen. Aber ich KANN es mir nicht aussuchen und ich HABE mich in sie verliebt!“

Mamoru ließ Seiya los, drehte sich um, spannte sich deutlich an. Plötzlich fuhr er herum und im nächsten Moment spürte Seiya einen heftigen Schmerz in seinem Gesicht. Er taumelte leicht zurück. Er fuhr mit seiner Hand an seinen Kiefer. Seine Lippe blutete. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an. Er verspürte das heftige Verlangen, Mamoru genauso seine Faust ins Gesicht zu rammen, doch er hielt sich zurück. Er spuckte auf den Boden, bevor er sich wortlos umdrehte und ging.
 

Zu seiner Erleichterung folgte Mamoru ihm nicht und einmal in seinem Leben hatte er Glück: Gerade als er die Straße erreichte, hielt dort ein Bus, in den er schnell einstieg. Zu Fuß wäre es ein weiter Weg zurück in die Stadt gewesen und Mamoru als Mitfahrgelegenheit konnte er wohl vergessen.

Er spürte die Blicke des Busfahrers und der Fahrgäste auf sich. Er war es gewohnt, wenn die Leute ihn anstarrten, aber dieses Mal lag es wohl er an dem Blut in seinem Gesicht als an seiner Berühmtheit.
 


 

„Möchtest du vielleicht etwas trinken oder so?“, fragte Taiki. Bunny schüttelte wortlos den Kopf. Nachdem Seiya in Mamorus Auto gestiegen und sie zusammen weggefahren waren, war sie mit Yaten und Taiki in deren Wohnung gegangen, um dort auf Seiya zu warten. Sie machte sich schreckliche Sorgen. Was wollte Mamoru wohl von ihm? Nicht für eine Sekunde war ihr in den Sinn gekommen, in Mamorus Wohnung zu gehen und dort auf IHN zu warten.

„Er kommt sicher bald nach Hause“, versuchte Yaten sie zu beruhigen.

„Mhm...“, machte Bunny unbestimmt. In ihren Gedanken spielten sich tausend Szenarien ab und keines davon war besonders positiv.

Taiki und Yaten tauschten einen Blick miteinander, sagten jedoch nichts mehr. Es half sowieso nichts. Schweigend saßen sie auf dem Sofa und warteten. Schließlich hörte man, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde. Bunny sprang sofort auf und auch Yaten und Taiki folgten.

Bunny schlug sich die Hand vor den Mund, als sie Seiya sah.

„Schätzchen“, stieß Seiya überrascht aus, „Was machst du denn hier?“

Sie antwortete nicht, sondern schmiss sich ihm um den Hals.

„Es tut leid“, wisperte sie, „es tut mir so leid!“

Seiya legte seine Arme um sie.

„Es ist alles in Ordnung, Schätzchen“, wollte er sie beruhigen, „Mir geht’s gut. Es ist nichts passiert.“

Bunny löste sich leicht von ihm, sodass sie ihn anschauen konnte.

„Nichts passiert?“, fragte sie schon fast hysterisch, „Seiya, du siehst furchtbar aus!“

„Hey, Worte können weh tun!“, scherzte er mit einem schiefen Grinsen. Bunny stutzte kurz, bevor auch sie ein kleines Lächeln zeigte.

„Blödmann“, murmelte sie und legte erneut die Arme um ihn.

Erneut tauschten Yaten und Taiki einen Blick, dieses Mal jedoch grinsten sie sich an.

„Hrhrm“, räusperte Yaten sich schließlich, „Ich will eure traute Zweisamkeit ja nicht stören, aber vielleicht wollt ihr mal reinkommen und die Tür zumachen?“

Bunny schreckte auf. Sie hatte für einen Moment vollkommen vergessen, dass die beiden anderen ja auch da waren. Verlegen und mit geröteten Wangen wich sie von Seiya zurück und beeilte sich, zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Ihr entging das breite Grinsen, das Yaten Seiya zuwarf.
 

Nachdem Seiya seine Schuhe ausgezogen hatte, ging auch er ins Wohnzimmer und setzte sich zu den anderen aufs Sofa.

„Also?“, fragte Taiki, „Was ist passiert?“

Seiya schielte kurz zu Bunny und zögerte etwas. Sollte er es ihr wirklich erzählen? Bei ihrem erwartungsvollen Blick gab er jedoch nach.

„Mamoru wollte, dass ich mich von dir fernhalte“, antwortete er, jedoch direkt an Bunny gerichtet. Sie verzog das Gesicht.

„Ich hatte doch gerade erst mit ihm darüber geredet“, sagte sie niedergeschlagen.

„Naja, da er offensichtlich keinen Erfolg hatte, dir den Kontakt zu verbieten, dachte er sich wohl, er probiert es mal von der anderen Seite“, stellte Taiki fest.

„Was hast du gesagt?“, fragte Yaten dazwischen.

„Ich habe natürlich abgelehnt“, erwiderte Seiya, der sich nicht traute, vor Bunny seinen genauen Wortlaut wiederzugeben.

„Und dann hat er dich geschlagen?“, hakte Yaten nach. Bunny zuckte zusammen.

„Naja, so direkt nicht...“, erklärte Seiya zögerlich, „Wir haben ein bisschen diskutiert und... ich habe ihn wohl wütend gemacht.“

„Ich kann es gar nicht fassen, dass er dich geschlagen hat“, sagte Yaten, wirkte aber eher amüsiert als wirklich erschüttert, „Ich hoffe, du hast dich revanchiert.“

Bunny blickte ruckartig auf und sah Seiya aus großen Augen an. Er schüttelte den Kopf.

„Nein“, antwortete er, „Ganz ehrlich, ich hatte das starke Bedürfnis, ihm eine zu verpassen. Aber... Ich glaube nicht, dass das geholfen hätte.“

„Schade“, bedauerte Yaten, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück, „Ich hätt’s ihm gegönnt.“

Taiki warf ihm einen missbilligenden Blick zu, bevor er sich an Seiya wandte.

„Es ist gut, dass du dich nicht hast provozieren lassen“, lobte er ihn.

„Mhm...“, machte Seiya zur Antwort.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte nun Bunny und Seiya konnte die Qual in ihrem Blick deutlich sehen. Er schenkte ihr ein Lächeln, zuckte jedoch leicht zusammen, da seine Lippe immer noch schmerzte.

„Das muss es nicht, Schätzchen“, wehrte er ab, „Es ist doch meine eigene Schuld.“

„Nein!“, widersprach Bunny sofort, „Mamoru hätte dich nicht schlagen dürfen, das ist... nicht zu verzeihen. Ich werde mit ihm reden.“

„Du musst das nicht machen“, warf Seiya besorgt ein. Er wollte ihr nicht noch mehr Ärger machen.

„Doch, muss ich“, erwiderte Bunny entschlossen, „Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich bin wirklich wütend auf ihn.“

Seiya sah sie überrascht an. Sie hatte ihre Augenbrauen zusammen gezogen und sah ihn ernst an. Er bemerkte, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte. Sie war offenbar wirklich wütend. Und das um seinetwillen. War es okay, dass er darüber ein bisschen glücklich war?

If you don't deal with it it keeps killing you a little by little

Seiya presste sich einen Beutel mit Eis gegen die Lippe, während er auf dem Sofa saß und die Decke anstarrte. Es pochte. Bunny war vor etwa 15 Minuten gegangen. Sie hatte gesagt, dass sie unbedingt mit Mamoru reden musste und das noch heute. War sie schon bei ihm? Er wusste nicht, wie lange sie von seiner Wohnung zu Mamoru brauchte. Wieder einmal spürte er den Hass auf diesen Menschen in sich hochkochen. Würde er doch nur nicht existieren...

„Wie geht’s deiner Lippe?“, fragte Taiki, der gerade aus der Küche zurück ins Wohnzimmer gekommen war. Er stellte einen Teller auf den Tisch, auf dem sich ein in mundgerechte Stücke geschnittenes Butterbrot befand.

„Danke, Mama“, frotzelte Seiya. Taiki sagte nichts, sah ihn nur mit hochgezogener Augenbraue an.

„Tut noch etwas weh“, antwortete Seiya schließlich auf die zuvor gestellte Frage, „Geht schon.“

Er steckte sich ein Stück Brot in den Mund. Trotz der mundgerechten Häppchen tat es etwas weh zu kauen. Wie gerne würde er Mamoru eine verpassen... Doch er war froh, dass er es nicht getan hatte. Er wusste, dass Bunny das nicht gewollt hätte.

„Ich hätte echt nicht gedacht, dass er der Typ dazu in der Lage ist, jemanden zu schlagen“, überlegte Taiki laut.

„Ich auch nicht“, erwiderte Seiya mit vollem Mund, schluckte und sprach dann weiter, „Ich meine, ich mochte ihn noch nie, aber anfangs war das nur meine eigene Eifersucht. Und jetzt... je mehr ich ihn kennenlerne, desto weniger kann ich ihn leiden. Und wenn er Bunny auch nur ein einzigen Haar krümmt...“

„Ich glaube nicht, dass er SIE schlagen würde“, warf Taiki ein. Seiya seufzte.

„Ich auch nicht, aber wenn doch... bring ich ihn um.“

Taiki sah ihn skeptisch an.

„Natürlich würde ich ihn nicht wirklich umbringen“, revidierte Seiya seine vorherige Aussage sofort, „aber weh tun würde ich ihm trotzdem.“

„Da bin ich sofort dabei“, warf Yaten ein, der gerade den Raum betreten hatte.

„Wo warst du?“, fragte Seiya, dem jetzt erst aufgefallen war, dass Yaten, nachdem Bunny gegangen war, auch verschwunden war.

„Nur kurz telefonieren“, erklärte Yaten und wurde tatsächlich ein bisschen rot.

„Lass mich raten“, erwiderte Seiya, „mit Minako.“ Der sich noch verstärkende Rotton auf Yatens Wangen verriet, dass er ins Schwarze getroffen hatte.

„Ja“, gab Yaten etwas trotzig zu, „Sie wollte halt wissen, was Mamoru von dir wollte, und hat mich gebeten, sie anzurufen, wenn du wieder da bist.“

„Hey, du musst dich nicht rechtfertigen.“ Seiya hob abwehrend die Hände und lachte etwas, was er jedoch sofort bereute, als er seine spannende Lippe spürte.

„Was hat sie denn gesagt?“, fragte Taiki.

„Sie ist wohl auch ziemlich geschockt, dass Mamoru Seiya geschlagen hat“, erzählte Yaten, „Sie hätte auch nicht gedacht, dass er so weit gehen würde.“ Er wandte sich an Seiya: „Und ich soll dir sagen, dass du dich bloß nicht unterkriegen lassen sollst und ich soll dich nochmal an ihre letzten SMS erinnern.“

Seiya lächelte leicht. Minako war wirklich ein nettes Mädchen. Und ihre letzten SMS, in denen sie ihm von Bunnys Reaktion auf das Musikvideo berichtet hatte, hatten immerhin dafür gesorgt, dass er den Mut aufbringen konnte, mit Bunny zu reden.

„Danke“, sagte er aufrichtig. Yaten starrte ihn einen Augenblick an.

„Was hat Minako dir geschrieben?“, fragte er. Seiya musste schon wieder grinsen. Verdammte Lippe!

„Das ist ein Geheimnis zwischen Mina und mir“, antwortete er und nannte Minako absichtlich beim Spitznamen. Yaten zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn tatsächlich böse an. Seiya musste lachen.

„Keine Sorge“, gab er schließlich nach, „Sie hat mir nur was über Bunny geschrieben. Um mir Mut zu machen!“

Yatens Gesichtsausdruck entspannte sich etwas.

„Mir doch egal, was sie dir schreibt“, sagte er, drehte sich um und verließ das Zimmer wieder. Seiya und Taiki tauschten grinsend einen Blick miteinander.

„Scheiße, verdammt!“, rief Seiya aus und presste sich den Eisbeutel wieder auf die Lippen.
 


 

Es war soweit. Wieder einmal. Bunny stand mit klopfendem Herzen vor der ihr so vertrauten grünen Tür zu Mamorus Wohnung. Sie musste mit ihm reden. Eigentlich über so viele Dinge… Doch sie wusste, wenn es soweit war, würde sie nicht einmal die Hälfte davon über die Lippen bringen.

Sie klingelte. Sie hörte Mamorus Schritte, bevor sich die Tür öffnete. Mamoru, der sie sonst immer lächelnd hereinbat, sah sie ernst an. Wortlos trat er einen Schritt beiseite, sodass sie eintreten konnte. Sie streifte ihre Schuhe ab und folgte Mamoru, der schon vorgegangen war, ins Wohnzimmer. Er bot ihr keinen Tee oder ähnliches an. Sie setzte sich neben ihn auf das Sofa. Nervös knetete sie ihre Hände. Die Stille machte sie nur noch nervöser.

„Also?“, forderte Mamoru sie schließlich auf, zu sprechen. Immerhin war sie es gewesen, die ihm vor etwa einer halben Stunde eine SMS geschrieben hatte, dass sie sich unterhalten mussten. Natürlich war es klar, worum es ging.

„Ich ähm…“, begann Bunny stotternd, „Ich hab gehört, was… da mit Seiya passiert ist.“

Mamoru ließ einen genervten Seufzer hören, der Bunny innerlich zusammenzucken ließ.

„Und?“, fragte Mamoru nur abwehrend. Bunny war geschockt.

„Was meinst du mit ‚Und‘?“, hakte sie fassungslos nach, „Wie konntest du ihn einfach schlagen?“

„Seine Einstellung ging mir gehörig auf die Nerven“, erwiderte Mamoru. War das seine Erklärung?

„Seine Einstellung?“ Bunny konnte es einfach nicht glauben. „Du schlägst ihn wegen seiner Einstellung?“

Sie sah die Wut in Mamorus Augen aufblitzen.

„Hör mir mal zu, Bunny“, forderte er, „Dieser Typ kommt plötzlich daher, erzählt überall, wie sehr er in dich verliebt ist, verbringt seine ganze Freizeit mit dir, macht dich an, küsst dich einfach, zieht dich total auf seine Seite und meint dann noch, mir erzählen zu müssen, was ich in unserer Beziehung falsch mache. Ich hab die Schnauze sowas von voll. Nicht nur von ihm, sondern auch davon, wie DU ihn ständig in Schutz nimmst.“

Bunny konnte nicht verhindern, dass Tränen in ihr aufstiegen.

„Mamoru“, schluchzte sie, „Was ist denn nur los mit dir?“ Sie hatte ihn noch nie so erlebt wie jetzt. Wo war der sanftmütige, verständnisvolle junge Mann, den sie damals kennengelernt hatte und in den sie sich verliebt hatte?

„Was mit MIR los ist?“ Er wurde lauter. „Was ist mit DIR los? Wieso hängst du die ganze Zeit mit diesem Kerl rum? Wieso bist du immer auf seiner Seite? Wieso ist dir seine Freundschaft wichtiger als unsere Beziehung? Wieso bin ich immer der Böse?“

Bunny wusste nicht so recht, was sie antworten sollte. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen und weinte stumm. Als Mamoru sie so sah, sackte er etwas zusammen.

„Wo ist das Mädchen, in das ich mich damals so verliebt habe?“, fragte er leise und mit rauer Stimme, „Das, mit dem ich nicht nur meine Vergangenheit, sondern auch meine Zukunft verbringen wollte. Wo ist meine Prinzessin Serenity?“

Bunny brauchte etwas, um zu antworten.

„Ich bin eben nicht nur Prinzessin Serenity“, sagte sie mit zitternder Stimme, „Ich bin auch... und vor allem... Bunny Tsukino.“
 

Mamoru betrachtete stumm das Mädchen, das mal wieder weinend auf seinem Sofa saß. Im Kopf wiederholte immer und immer wieder ihre Worte. Natürlich war sie nicht nur Prinzessin Serenity, genauso wie er nicht nur Prinz Endymion war. Aber sie liebten sich doch nicht nur als Serenity und Endymion, sondern auch als Bunny und Mamoru. Oder?! Er bekam Kopfschmerzen, außerdem tat seine Hand immer noch weh.

Es vergingen einige Minuten, in denen lediglich Bunnys leises Schluchzen zu hören war. Ihr Gesicht war in ihren Händen vergraben, wodurch jeder Schluchzer gedämpft wurde.

„Und jetzt?“, fragte er irgendwann. Er wusste wirklich nicht mehr weiter. Er konnte das alles nicht mehr ertragen, die ganze Situation, Bunnys Weinen, genauso wie seine eigene Eifersucht. Er wusste, dass in einer normalen Beziehung jetzt die Zeit der Trennung gekommen wäre. Aber das kam in ihrer Situation wohl kaum in Frage.

Bunny presste ein „Ich weiß es nicht“ hervor. Mamoru seufzte. Natürlich wusste sie es nicht. Er wusste es ja auch nicht. Seiyas Worte gingen ihm durch den Kopf. Und er hasste es, sich einzugestehen, dass er vermutlich recht hatte.

„Du... bist nicht glücklich... oder?“ Eigentlich war es weniger eine Frage als eine Feststellung. Sie sah auf. Ihre Augen waren rot und das Gesicht nass vor Tränen. Allein dieser Anblick reichte schon als Antwort.

„Wir streiten uns doch nur noch“, brachte sie tränenerstickt hervor. Er konnte ihr nicht mal widersprechen. Er widerstand dem Drang alles auf Seiya zu schieben und sie mal wieder gleich mitverantwortlich zu machen.

„Was sollen wir tun, Bunny?“, fragte er.

„Ich weiß es nicht“, antwortete sie erneut. Er seufzte erneut. Was hatte er erwartet?

„Vielleicht brauchen wir einfach mal ein wenig Abstand voneinander?“, schlug er schweren Herzens vor. Kaum hatte er es ausgesprochen, bereute er es schon wieder. Was hieß ein wenig Abstand? Eine Beziehungspause? Hatte Seiya dann nicht freie Bahn?

„Wäre vielleicht gut“, erwiderte Bunny, gerade als er es wieder zurücknehmen wollte. Ihre Zustimmung zu seinem eigenen dämlichen Vorschlag war wie ein Schlag in den Magen.

„Okay“, sagte er nur. Ihm fehlte die Kraft, jetzt noch zu widersprechen. Bunny wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und fing an, in ihrer Tasche zu kramen. Mamoru stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und holte eine Packung Taschentücher, die er ihr reichte.

„Danke“, sagte sie mit erstickter Stimme. Sie zog ein Taschentuch aus der Packung, tupfte ihr Gesicht ab und schnäuzte sich.

„Es tut mir leid, Mamoru“, brachte sie schließlich hervor, wobei sich schon wieder neue Tränen in ihren Augenwinkeln ansammelten. Es fühlte sich an, als würde sein Herz in tausend Stücke zerbrechen.

„Mir tut es auch leid“, erwiderte er. Kam es ihm nur so vor oder fühlte sich das wirklich wie eine Trennung an?

„W-wann sehen wir uns wieder?“, fragte sie mit gebrochener Stimme. Es tat ihm weh, sie so zu sehen, aber ihm wurde dennoch ein kleines bisschen leichter ums Herz.

„Vielleicht können wir uns einfach mal nächste Woche treffen“, schlug er vor, „Vielleicht was trinken gehen oder so.“

„Nächste Woche... sind wir von der Schule ein paar Tage in Kyoto“, musste Bunny ablehnen. Mamoru erinnerte sich, dass sie davon erzählt hatte. Es hatte ihm schon vor ein paar Wochen nicht gefallen, doch nun, da sie Abstand voneinander halten wollten... Würde Seiya nicht jede Chance nutzen? Er riss sich zusammen, seinen Unmut nicht heraushängen zu lassen. Dann würde nur alles wieder von vorne beginnen.

„Die Woche danach?“, fragte er tonlos.

„Okay“, stimmte sie zu.

„Okay“, wiederholte er. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.

„Vielleicht... sollte ich gehen?“ Es klang wie eine Frage.

„In Ordnung.“ Mamoru stand auf, Bunny tat es ihm nach. Im Flur zog Bunny ihre Schuhe an. Sie zögerte kurz, bevor sie die Tür öffnete.

„Mach’s gut“, sagte sie leise.

„Du auch“, erwiderte er kraftlos. Bunny öffnete die Tür und ging. Mamoru stand noch einige Sekunden vor der verschlossenen Tür.

„Scheiße“, murmelte er, fuhr sich durch die Haare und ging zurück ins Wohnzimmer.
 


 

„Minako“, schluchzte Bunny ins Telefon. Sie war gerade erst nach Hause gekommen und hatte es irgendwie geschafft, an ihren Eltern vorbeizukommen, ohne dass sie etwas mitbekommen hatten.

„Was ist passiert??“, fragte Minako sofort. Bunny konnte deutlich hören, dass Minako nicht neugierig, sondern ehrlich besorgt war.

„M-Mamoru...“, brachte sie nur heraus. Sie hörte Minako nach Luft schnappen.

„Hat er dir was getan?“, fagte sie geschockt.

„Nein!“, widersprach Bunny sofort, „Nein, natürlich nicht!“

„Gut“, sagte Minako erleichtert, „Was ist denn dann passiert?“

„Er... Also wir... haben beschlossen, dass es besser ist, wenn... wir ein wenig Abstand voneinander halten“, schluchzte sie. Minako brauchte einen Moment, um zu antworten.

„Das ist vielleicht gut so, Bunny“, sagte sie beruhigend, „Wenn ihr ein wenig Abstand voneinander haltet, merkt ihr vielleicht, wie wichtig ihr euch seid. Und die ganze Situation lockert sich vielleicht etwas. Mamoru hat Zeit über sein eifersüchtiges Verhalten nachzudenken und auch du... naja, kannst über deine Gefühle nachdenken.“

Bunny konnte nicht antworten. Sie weinte nur.

„Hör mal, Bunny“, fuhr Minako fort, „So konnte es doch wirklich nicht weitergehen. Wann hattet ihr das letzte Mal einfach eine schöne Zeit zusammen? Ihr habt euch doch echt nur noch gestritten. Und eine Weile so ein bisschen Abstand voneinander ist doch keine Trennung. Ihr nutzt die Zeit doch, um mal ein bisschen durchzuatmen, damit ihr dann wieder etwas gefasster an die ganze Sache rangehen könnt. Dann klappt’s auch mit der Beziehung wieder.“

„Meinst du wirklich?“, fragte Bunny mit erstickter Stimme.

„Bestimmt“, erwiderte Minako und klang dabei überzeugter, als sie es eigentlich war.

„Danke, Mina.“ Bunny war wirklich dankbar, dass sie eine so tolle Freundin hatte.

„Ist doch selbstverständlich!“, winkte Minako ab.

„Mhm... Minako?“, fragte Bunny leise.

„Ja?“

„Kannst du... kannst du das vielleicht für dich behalten?“ Bunny wollte nicht, dass alle von dieser Situation erfuhren, auch wenn es ihr schwer fallen würde, etwas vor ihren Freundinnen zu verheimlichen.

„Natürlich, Bunny“, versprach Minako ihr sofort. „Ich werde kein Wort sagen.“

„Danke...“ Auch wenn es immer noch weh tat, nach dem Gespräch mit ihrer besten Freundin fühlte Bunny sich tatsächlich etwas besser.

The trembling hand of the trembling man

„Ruhe!“, forderte die Lehrerin zum wiederholten Male, kam gegen das aufgeregte Geschnattere ihrer Klasse jedoch kaum an. „RUHE, HAB ICH GESAGT!“

Endlich senkte sich der Geräuschpegel etwas, wobei es einige Mädchen dennoch nicht unterlassen konnten, weiter miteinander zu tuscheln.

„Sind alle da?“, fragte die Lehrerin laut, „Fehlt jemand?“

„Bunny ist noch nicht da!“, meldete Minako sich zu Wort. Die Lehrerin zog die Augenbrauen zusammen.

„Nicht einmal heute kann sie pünktlich sein…“, murmelte sie vor sich hin und sah auf die Uhr. Ihr Zug würde nicht auf sie warten!

„Da ist sie!“, hörte man ein Mädchen rufen und tatsächlich konnte man am Ende des Bahnsteigs Bunny sehen, die bepackt mit einer großen Tasche auf sie zurannte.

„Na, Gott sei Dank“, seufzte die Lehrerin erleichtert. Es würde anstrengend genug werden, die ganze Klasse fünf Tage und vier Nächte quasi rund um die Uhr betreuen zu müssen. Da hatte ihr eine fehlende Schülerin gleich zu Beginn gerade noch gefehlt.

„Ent-schul-digung!“, keuchte Bunny, als sie schließlich mit hochrotem Kopf vor ihr zu stehen kam.

„Sind jetzt alle da?“, fragte die Lehrerin erneut in die Runde. Da niemand etwas Gegenteiliges behauptete, forderte sie ihre Schüler auf, sich gesittet in den Zug zu begeben und sich hinzusetzen.
 

„Ist hier noch frei?“

Bunny sah auf und direkt in Seiyas Augen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte.

„Ähm…“, machte sie und sah sich um. Wieso hatte sie gedacht, dass Minako sich längst neben sie gesetzt hatte? Sie entdeckte sie einen Platz weiter neben Yaten, der stur aus dem Fenster starrte, während Minako enthusiastisch von ihren Plänen für Kyoto erzählte.

„Schätzchen?“, fragte Seiya, als Bunny nicht antwortete.

„Ah… ja!“, beeilte sie sich zu sagen, „Hier ist noch frei.“ Seit ihrem Gespräch mit Mamoru passierte es ihr immer öfter, dass sie sich in ihren eigenen Gedanken verlor und von dem Geschehen um sie herum nur wenig mitbekam.

Seiya setzte sich neben sie. Bunny starrte auf ihre Knie. Ihr mochte gerade so gar nichts einfallen, worüber sie mit Seiya reden konnte, zumal sich ihre Gedanken in letzter Zeit eigentlich nur um ihre Situation mit Mamoru drehten.

„Alles in Ordnung?“, fragte Seiya schließlich, nachdem er sie eine Weile betrachtet hatte.

„J-ja!“, beeilte sie sich zu sagen. Sie lachte nervös. „Alles in Ordnung!“

Sie konnte ihm nicht von der Sache mit Mamoru erzählen, wobei sie selbst nicht einmal so genau wusste warum. Doch irgendetwas hielt sie davon ab.

„Hm…“, machte Seiya skeptisch, „Wenn du über irgendetwas reden willst… ich bin immer für dich da.“

Bunny lächelte ihn an. Seiya war doch wirklich ein lieber Kerl und ein unheimlich guter Freund. Sie verstand selbst nicht, wieso sie sich ihm nicht einfach anvertraute. Sonst hatte sie doch auch immer über alles mit ihm reden können.

„Danke, Seiya“, sagte sie aufrichtig, „Aber es ist alles in Ordnung. Ich… hab einfach nicht so gut geschlafen.“

Das war nicht mal ganz gelogen, da sie tatsächlich nicht besonders gut geschlafen hatte. Dennoch konnte sie ihm ansehen, dass er ihr das nicht so ganz abkaufte, aber er entschied sich offensichtlich dafür, nicht weiter nachzubohren.

„Na schön“, gab er nach, „Aber mein Angebot steht trotzdem.“
 


 

Knapp vier Stunden waren sie unterwegs. Bunny war froh, dass sie es doch noch geschafft hatte, sich zusammenzureißen und normal mit Seiya zu reden. Und diese Ablenkung hatte ihr tatsächlich gut getan. Zumindest hatte es sie mal auf andere Gedanken gebracht.

„Haaaach“, seufzte sie und sank auf ihren Futon nieder. Sie teilte sich mit Ami, Makoto und Minako ein Zimmer in der Jugendherberge.

„Jetzt nicht schlapp machen, Bunny“, neckte Makoto sie, „Wir treffen uns in zehn Minuten wieder am Eingang und dann geht’s mit den Besichtigungen los.“

„Ich bin aber müde“, maulte Bunny, „und ich hab Hunger!“

„Ich hab noch ein paar Cracker“, warf Minako ein und zog eine angebrochene Packung Cracker aus ihrem Rucksack, die sie sich für die Fahrt eingepackt hatte.

„Du bist die Beste!“, dankte Bunny ihrer Freundin glücklich. Alles sah doch gleich viel besser aus, wenn man etwas im Magen hatte. Und immerhin würden sie jetzt fünf Tage mit der ganzen Klasse in Kyoto verbringen. Das musste sie doch genießen!
 

Tatsächlich befanden sie sich etwa eine Dreiviertelstunde später mitten im Herzen Kyotos und blickten auf den Kaiserpalast, der sich inmitten einer großen Parkanlage befand. Bunny musste zugeben, dass der Anblick durchaus beeindruckend war, jedoch konnte sie sich auf die Ausführungen ihrer Lehrerin kaum konzentrieren. Nur hin und wieder schnappte sie mal ein paar Worte auf, wenn sie sich mal wieder dabei ertappte, dass ihre Gedanken abschweiften.

„…zwischen 794 und 1868 als Kaiserresidenz…

…mehrere Male abgebrannt…

…befindet sich die Residenz des zurückgetretenen Kaisers….“

Beinahe hätte sie verpasst, dass die ganze Klasse sich weiterbewegte.

„Hey, Schätzchen“ riss Seiya sie aus ihren Gedanken, „Nicht schlafen!“

Er hatte bemerkt, dass Bunny verträumt stehen geblieben war und war nochmal umgekehrt, um sie einzusammeln.

„Oh!“, stieß Bunny aus und bemerkte erst jetzt, dass die anderen sich schon einige Meter von ihnen entfernt hatten.

„Komm schnell!“, forderte Seiya und nahm sie bei der Hand. Bunny zuckte kurz zusammen, als sich seine warme Hand um ihre schloss. Er fing an zu rennen und zog sie mit sich. Nach nur wenigen Sekunden hatten sie die anderen eingeholt. Bunnys Herzschlag hatte sich über die paar Meter deutlich beschleunigt. Konnte das wirklich an dem kleinen Sprint gelegen haben oder lag es viel mehr daran, dass Seiya ihre Hand hielt? Sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er sie immer noch nicht losgelassen hatte, obwohl sie die anderen bereits eingeholt hatten. Vorsichtig schielte sie auf Seiyas Gesicht, doch er schaute stur geradeaus. Bildete sie es sich nur ein oder lag tatsächlich ein leichter Rotschimmer auf seinen Wangen?
 

Minako traute ihren Augen kaum. Sie stieß Yaten in die Rippen und deutete ihm, sich unauffällig umzudrehen. Er reagierte zunächst ein wenig genervt, drehte den Kopf dann aber trotzdem ein wenig zur Seite, um einen Blick auf das zu erhaschen, was Minako ihm da unbedingt zeigen wollte. Und jetzt konnte er auch verstehen, wieso Minako so reagiert hatte. Ein kleines Stück hinter ihnen liefen Seiya und Bunny und sie hielten sich tatsächlich bei der Hand. Schnell sah er wieder nach vorne, während Minako erneut einen kleinen Blick nach hinten riskierte. Sie strahlte.

Bunny und Seiya liefen einfach nebeneinander her. Weder sprachen sie miteinander noch tauschten sie irgendwelche Blicke miteinander. Und beide hatten diesen unheimlich niedlichen Rotschimmer auf ihren Wangen. Minako hätte am liebsten einen kleinen Freudensprung gemacht. Überschwänglich hakte sie sich bei Yaten ein.

„Hey, Minako!“, protestierte er etwas überrumpelt. Doch sie grinste nur und ignorierte den Protest.

„Sind sie nicht unheimlich süß?“, fragte sie strahlend. Yaten seufzte.

„Naja…“, sagte er nur. Vielleicht hätte man sie wirklich als süß bezeichnen können, was Yaten jedoch nie tun würde, aber… gab es da nicht ein kleines Problem, das Minako komplett zu übersehen schien?

„Was ist mit Bunnys Freund?“, fragte er ernst. So sehr er es Seiya gönnte, seiner Angebeteten ein bisschen näher zu kommen, er wollte einfach nicht, dass er verletzt wurde.

„Aaaaaaach…“, machte Minako ausweichend, „Vielleicht ist das alles ja gar nicht mehr so ein großes Problem?“

Yaten versuchte sich einen Reim daraus zu machen und sah Minako fragend an. Diese wich seinem Blick jedoch aus.

„Minako?“, hakte er nach.

„Hm?“, machte sie nur, ohne ihn anzusehen.

„Was meinst du damit?“

Er konnte Minako ansehen, dass sie ehrlich versuchte, irgendetwas für sich zu behalten. Andererseits sah sie so aus, als würde sie gleich platzen.

„Minako“, sagte er erneut.

„Okay, okay!“, platzte sie heraus, „Aber du musst mir versprechen, es NIEMANDEM zu sagen, okay? NIEMANDEM!“

„Klar“, sagte er gleichgültig. Er wollte nur wissen, ob es für seinen Bruder vielleicht doch besser aussah, als er dachte.

„Also…“ Minako holte noch einmal tief Luft, bevor sie sich verschwörerisch noch näher zu Yaten neigte, „Bunny hat sich mal wieder wegen Seiya mit Mamoru gestritten und jetzt machen sie eine Beziehungspause!“

Für einen kurzen Moment sah Minako so aus, als wäre eine große Last von ihren Schultern genommen worden, bevor sich jedoch ihr schlechtes Gewissen bemerkbar machte. Offensichtlich hatte sie eigentlich niemandem davon erzählen dürfen.

„Bitte, sag’s nicht weiter“, flehte Minako erneut, „Nicht mal Ami, Makoto oder Rei wissen davon…“

Das erstaunte Yaten tatsächlich. Redeten die Mädchen sonst nicht immer über ALLES miteinander? Es gab Dinge, die Bunny nur EINER Freundin anvertraute? Jetzt fühlte er sich beinahe schon unwohl, weil Minako gerade ihn eingeweiht hatte.

„Ich sag’s nicht weiter“, versprach er. „Aber meinst du, dass Seiya irgendetwas davon hat? Ich meine… eine Beziehungspause ist keine Trennung oder?“

„Ich weiß es nicht genau“, gab Minako zu, „aber vielleicht ist es wirklich der erste Schritt in Richtung Trennung… Andererseits… Es geht hier um Bunny und Mamoru und nicht um irgendein normales Paar.“

Yaten seufzte.

„Also im Prinzip hat sich an der Situation überhaupt nichts geändert… Bunny wird irgendwann wieder zu Mamoru zurückgehen und wenn es nur wegen der Zukunft und des Kindes ist.“

„Vielleicht…“, gab Minako zu, „Aber vielleicht nutzt sie diese Chance auch, um ihren Gefühlen für Seiya nachzugehen und etwas zu verändern…“
 

Seiya konnte es nicht fassen. Er hatte all seinen Mut zusammengenommen, als er ihre Hand ergriffen hatte. Dass sie es zugelassen hatte, hatte er wohl seinem Vorwand zu verdanken, sie einfach schnell wieder zu den anderen zu bringen. Aber auch als sie die anderen längst erreicht hatten, hatte er sie nicht losgelassen und sie hatte sich auch nicht dagegen gewehrt. Jetzt liefen sie schon mehrere Minuten Händchen haltend nebeneinander her. Er traute sich nicht, sie anzusehen, geschweige denn etwas zu sagen. Ihr schien es ähnlich zu gehen. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass auch sie stur geradeaus sah.

Er fühlte sich beinahe so, als hätte er zu viel Kaffee getrunken. Sein Herz schlug viel zu schnell, er konnte ein Zittern kaum unterdrücken und er hätte gerade Bäume ausreißen können. Andererseits hatte er auch dieses flaue Gefühl im Magen, weil er Angst vor dem hatte, was noch kam. Irgendwann würde er ihre Hand loslassen müssen und er hatte noch keine Ahnung, wie er sich dann verhalten sollte. Und trotzdem war er gerade wohl der glücklichste Mann der Welt, weil er mit seiner großen Liebe Händchen halten konnte.
 

Er zuckte regelrecht zusammen, als sein Handy plötzlich klingelte. Ruckartig ließ er Bunnys Hand los und kramte nach seinem Handy. Er konnte ihren Blick nur zu genau spüren und wusste genau, dass er gerade ziemlich rot anlief. So also wurde dieser wunderbare Moment beendet? Ohne darauf zu achten, wer ihn da gerade anrief, nahm er ab.

„Hallo?“, meldete er sich und musste feststellen, dass er etwas atemlos klang.

„Hallo Seiya?“, hörte er eine weibliche Stimme. Er musste für einen Moment überlegen, bevor ihm klar wurde, wer gerade anrief.

„Rika?“, fragte er und im gleichen Moment rutschte ihm das Herz in die Hose, als ihm klar wurde, dass Bunny gerade genau mitbekam, dass Rika Osawa ihn auf seinem privaten Handy anrief. Und das nach all den Gerüchten, die es in letzter Zeit über ihn und Rika gab.

„Was machst du gerade?“, fragte Rika mit süßer Stimme. Seiya fühlte sich etwas überfordert. Warum zur Hölle rief sie ihn an, wenn sie dann nur mit irgendwelchem Smalltalk anfing?

„Ich… bin gerade in Kyoto“, antwortete er schließlich.

„Oh, Arbeit? Habt ihr ein Konzert?“

„Nein… Schulausflug…“

Er schielte hinüber zu Bunny, die immer noch neben ihm lief, ihn aber nicht ansah. Sie lief einfach nur neben ihm her.

„Oooh, ich bin neidisch!“, rief Rika aus, „Ich würde auch gern mit dir verreisen! Kyoto ist bestimmt toll! Ich hab gehört, da soll es einen Tempel geben, der…“

„Rika!“, unterbrach Seiya sie, „Warum rufst du an?“

„…Ich wollte nur deine Stimme hören“, erwiderte sie nach einer kurzen Pause und Seiya konnte sich ihren Schmollmund genau vorstellen.

„Sorry, aber ich kann jetzt nicht mit dir reden“, versuchte er, sie abzuwimmeln.

„Darf ich dich später nochmal anrufen?“, fragte sie sofort. Seiya seufzte.

„Du solltest das lieber lassen“, wehrte er ab.

„Aber…“

„Nein“, sagte er bestimmt, „Sorry, dass ich dir das jetzt so sage, aber ich habe keine Lust mit dir zu telefonieren. Ich hab kein Interesse an dir und um ehrlich zu sein, stört es mich etwas, dass irgendwelche Gerüchte über uns in Umlauf sind.“

„Aber… aber… Seiya!“ Er sah sie vor sich, wie sie ein paar Tränen hervorbrachte und ihn mit traurigem Blick ansah.

„Sorry, ich leg jetzt auf“, verabschiedete er sich und legte auf, ohne dass sie eine Chance gehabt hätte, noch etwas zu erwidern. Er seufzte. Nervös sah er zu Bunny rüber, die ihren Blick immer noch nach vorn gerichtet hatte.

„Sorry“, sagte er schließlich leise. Erstaunt sah sie auf.

„Wofür denn?“, fragte sie.

„Dass du das mit anhören musstest“ erwiderte er. Es war ihm wirklich mehr als unangenehm. Doch sie lächelte einfach nur ihr bezauberndes Lächeln.

„Macht doch nichts“, winkte sie ab. Er schluckte. Er musste gerade stark gegen den Drang ankämpfen, sie einfach in den Arm zu nehmen und sie fest an sich zu drücken.

And everything was made for you and me

Obwohl Bunny sich immer wieder und wieder sagte, dass sie kein Recht dazu hatte, hatte sie der Anruf von dieser Rika Osawa bei Seiya tatsächlich etwas getroffen. Dass er sie direkt abgewimmelt und ihr auch so direkt gesagt hatte, dass er kein Interesse an ihr hatte, hatte sie – und auch dazu hatte sie kein Recht, das wusste sie genau – ein wenig erleichtert. Dennoch… Die beiden hatten anscheinend ihre privaten Handynummern miteinander ausgetauscht. Und Seiya war eigentlich gar nicht der Typ dafür, so etwas zu machen, wenn er die andere Person gar nicht mochte.

Sie befand sich den ganzen Tag im Zwiespalt mit sich selbst. Mal überkam sie ein Gefühl, das sie wohl nur als Eifersucht bezeichnen konnte, gefolgt von einem schlechten Gewissen, da sie genau wusste, dass Seiya in sie verliebt war und sie einfach nicht auf seine Gefühle eingehen konnte. Warum musste es so kompliziert sein? Wieso konnte sie nicht einfach ein ganz normales Mädchen sein? Das war nicht das erste Mal, dass sie sich das wünschte, aber noch nie hatte es sie innerlich so zerrissen.
 

„Mann, bin ich erledigt“, schnaufte Minako, als sie nach ein paar Stunden wieder auf ihrem Zimmer waren. Sie hatten eine halbe Stunde Zeit, um sich ein wenig auszuruhen oder sich frisch zu machen, bevor sie sich alle wieder zum Essen einfinden sollten.

Bunny ließ sich schweigend auf ihren Futon sinken. Auch sie war total erledigt, allerdings nicht nur von den Besichtigungen, die sie hinter sich hatten.

„Na, nicht schlapp machen!“, forderte Makoto amüsiert, „Das war doch erst der erste Tag.“

„Ich fand die Besichtigung des Kaiserpalasts wirklich interessant“, mischte sich Ami ein, „allerdings hätte ich gerne noch mehr zur Meiji-Restauration gehört und ich hätte zu gern das Ogakumonsho gesehen. Die kaiserliche Bibliotek… das wäre ein Traum.“

„Ami! Nein!“, rief Minako empört und hielt sich den Kopf, „Genug Geschichte für heute! Und ich bin froh, die Bücher mal für ein paar Tage los zu sein!“

Ami wurde ein bisschen rot.

„Aber…“, erwiderte sie leise. Sie interessierte sich eben für Geschichte… unter anderem! Und sie liebte Bücher. Tatsächlich waren sie, bevor sie ihre Mädels kennengelernt hatte, jahrelang ihre besten Freunde gewesen.

„Findest du nicht auch, dass wir heute genug über Geschichte gehört haben?“, fragte Minako an Bunny gewandt und merkte jetzt erst, dass Bunny wieder einmal total in sich zurückgezogen war und gar nichts von ihrem Gespräch mitbekommen hatte.

„Hey Bunny!“, sagte sie jetzt etwas lauter.

„Hm?“, Bunny schreckte auf. „Sorry… was?“

Minako legte kurz besorgt die Stirn in Falten und auch auf Makotos und Amis Gesichtern zeichnete sich Sorge ab.

„Ich meinte nur, dass wir heute schon genug über Geschichte gehört haben“, fuhr Minako dann beinahe übertrieben fröhlich fort, „War das nicht tooootal langweilig?“

„Ich äh…“ Bunny zögerte kurz. „Um ehrlich zu sein, hab ich gar nicht immer so genau zugehört“, gestand sie dann leise und wurde rot.

„Also ich freue mich sowieso viel mehr auf morgen!“, plapperte Minako munter weiter, um bloß keine Lücke für schlechte Stimmung zuzulassen.

„Wieso auf morgen?“, fragte Bunny ahnungslos. Minako entriss Ami das Programm, das ihre Lehrerin ihnen allen vor ihrer Reise gegeben hatte und welches Ami bereits sorgfältig studiert und immer griffbereit hatte.

„Schau!“, forderte Minako Bunny auf und zeigte mit dem Finger auf einen der Programmpunkte. Bunny las: „13:30 Uhr – Besichtigung des Otowasan Kiyomizudera, 16:30 Uhr Freizeit“

„Freizeit ist immer gut“, folgerte Bunny.

„Nein, nein!“, wehrte Minako ab, „Oder doch! Natürlich ist Freizeit gut, aber ich meinte eigentlich den Kiyomizudera!“

„Hä?“, Bunny konnte absolut nicht verstehen, wieso ausgerechnet Minako sich auf die Besichtigung einer Tempelanlage freute.

„Weißt du’s echt nicht? Kennst du nicht den Jisho-jinja? Den Schrein?“, fragte diese erschüttert. Sie zog einen zusammengefalteten und schon leicht zerknitterten Zettel hervor, faltete ihn auseinander, räusperte sich kurz und fing an zu lesen:

„In Jishu-jinja gibt es eine Menge an Orten, die berühmt für ihre Auswirkungen auf Ehen sind, aber der berühmteste von ihnen sind die „Liebes-Vorhersehung-Steine", was ein Paar Steine ist, denen in einer Studie bestätigt wurde, schon seit der Jomon-Periode zu existieren. Wenn Sie erfolgreich mit geschlossenen Augen zwischen den Steinen entlang wandern, wird Ihr Liebeswunsch erfüllt werden. Zudem werden Ihnen, wenn jemand Ihnen beim Durchqueren der Steine hilft, die Ratschläge dieser Person behilflich beim Finden Ihrer Liebe sein.

Es gibt auch einen Gong, den Sie schlagen können, dem nachgesagt wird, er helfe beim Finden eines guten Partners und das „Okage Myojin" wird Ihnen einen Wunsch schenken, ganz egal, was dieser sei.“

„Wo hast du das denn her?“, fragte Bunny, die tatsächlich nichts davon gewusst hatte.

„Na, ich habe mich natürlich im Voraus informiert!“, erklärte Minako strahlend.

„Du hast dich informiert?“, fragte Ami und war schon beinahe ein bisschen stolz auf ihre Freundin.

„Klar!“, bestätigte Minako sofort, „Ich hab mal in einem Manga davon gelesen und da musste ich doch nachschauen, ob es das wirklich gibt!“ Sie machte ein Peace-Zeichen und zwinkerte verschmitzt. „Immerhin ist die Venus ja die Göttin der Liebe!“
 

Seiya betrat zusammen mit Taiki und Yaten den großen Speisesaal der Jugendherberge, in dem die meisten Schüler schon einen Platz gefunden hatten. Tatsächlich waren auch Bunny und ihre Freundinnen schon da und zu Seiyas Glück waren für ihn und seine Brüder noch genügend Plätze neben den Mädchen vorhanden. Schnell schnappte er sich ein Tablett und holte sich seine Portion Curry an der Essensausgabe ab, bevor er sich auf den freien Platz neben Bunny sinken ließ.

„Guten Appetit“, sagte er und sah zu Bunny rüber, die den Mund gerade voll hatte.

„Gudfn Abfedid“, erwiderte sie trotzdem. Er grinste. Sie war doch einfach süß. Er konnte kaum glauben, dass er das Glück hatte, fünf Tage mit diesem Mädchen, das er so sehr liebte, zu verbringen. Na gut, ein Schulausflug war nicht gerade ein romantischer Urlaub zu zweit, aber es war besser als nichts. Sie konnten den ganzen Tag miteinander verbringen und das beste: Mamoru war gut 350 km von ihnen entfernt.

„Machen wir heute noch irgendwas?“, fragte Minako und schielte dabei besondern in Richtung Yaten, der zu ihrem Verdruss neben Seiya und damit ganz schön weit weg von ihr saß.

„Was sollen wir denn machen?“, fragte Yaten, dem es gar nicht auffiel, wie natürlich er sofort auf Minako reagierte, „Nach dem Essen gibt es noch Zeit, um baden zu gehen und bald danach müssen wir auf unsere Zimmer und schlafen.“

„Ach, komm schon“, wehrte Minako ab, „wir können uns doch heimlich auf unseren Zimmern besuchen. Das gehört doch dazu!“

„Minako!“, rief Ami entsetzt, „Das ist gegen die Regeln!“

„Ach was, Regeln“, winkte Minako ab, „Es geht doch nicht immer nur um Regeln. Es geht um Spaß! Wir sind nur einmal jung! Und wir sind nur einmal in der 11. Klasse und zusammen auf Klassenfahrt!“

„Ich bin dafür“, mischte sich Seiya grinsend ein. Er hatte absolut nichts dagegen, wenn Bunny ihn spätabends in ihren Schlafsachen auf seinem Zimmer besuchen würde.

„Ha!“, machte Minako triumphierend. „Makoto?“

„Ich wäre auch dabei“, bestätigte Makoto vergnügt.

„Ich halte mich raus“, warf Taiki ein, bevor ihn noch jemand zu irgendetwas überreden wollte. Insgeheim hatte aber auch er nichts gegen den Besuch eines gewissen Mädchens. Nur gerade das wollte nicht…

„Bunny?“, wandte sich Minako erwartungsvoll an ihre Freundin. Diese war hin- und hergerissen. Es würde bestimmt lustig werden, wenn sie die Jungs auf ihrem Zimmer besuchten. Andererseits hatte sie im Moment ein wenig Angst davor, Seiya zu nahe zu kommen. Bei ihrer Gefühlslage… Doch schließlich konnte sie Minako es nicht abschlagen. Bei dem Blick!

„Ich bin dabei“, sagte sie schließlich.

„Ha!“, machte Minako erneut und der Triumph stand ihr ins Gesicht geschrieben, „Die Mehrheit ist dabei!“

„Macht doch, was ihr wollt“, grummelte Yaten und verstand nicht so ganz, wieso es ihm eigentlich gar nicht ganz so viel ausmachte, wie es sollte.

„Na schön“, gab auch Ami seufzend nach, „Dann komme ich eben auch mit.“ Alleine wollte sie schließlich auch nicht zurückbleiben.
 

„Ist die Luft rein?“, flüsterte Bunny, die mittlerweile ganz schön nervös war. Warum hatte sie ausgerechnet ihren kurzen rosa Häschen-Pyjama mitgenommen? Normalerweise war es ihr egal, aber gerade kam sie sich besonders kindisch damit vor. Was sollten die Jungs – Seiya – nur von ihr denken?

„Ich glaub, ja“, erwiderte Minako, nachdem sie den Kopf vorsichtig aus ihrer Zimmertür gesteckt hatte und gelauscht hatte, ob man die Schritte eines Lehrers auf dem Gang hören konnte. Vorsichtig öffnete sie die Tür noch etwas weiter und schlich gefolgt von Bunny, Ami und Makoto in Richtung Jungenzimmer. Einmal wären sie fast erwischt worden, aber Minako, die die ganze Zeit an der Spitze lief, blieb gerade noch rechtzeitig stehen, um von ihrer Klassenlehrerin nicht gesehen zu werden. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das Zimmer der drei Jungs. Minako klopfte leise und schon wurde die Tür geöffnet. Schnell huschten die vier Mädchen in das Zimmer.

Ami ließ sich erschöpft und mit deutlich geröteten Wangen auf den Boden sinken. So eine Aufregung war sie nicht gewohnt.

„Willkommen!“, empfing Seiya sie grinsend und breitete einladend die Arme aus. Mit einer galanten Bewegen deutete er auf die Mitte des Raumes, wo die drei Futons zu einem Dreieck zusammengelegt waren, in dessen Mitte sich diverse Getränke und Chips befanden, die er noch hatte besorgen können.

„Wow!“, staunte Bunny begeistert. Das war auf alle Fälle besser, als direkt schlafen zu gehen!

„Komm, Schätzchen“, forderte Seiya sie auf und ergriff sie auch prompt bei der Hand, um sie zu seinem Futon zu ziehen, auf dem sie es sich sitzend bequem machten. Auch die anderen setzten sich, wobei Minako sich beeilte, um schnellstens neben Yaten Platz zu nehmen.
 

Es dauerte nicht lange, da hatte Minako auch schon die Führung der abendlichen Aktivitäten übernommen. Mit einer leeren Colaflasche als Zufallsgenerator spielten sie Wahrheit oder Pflicht.

„Also, ich drehe zuerst!“, bestimmte Minako enthusiastisch und drehte die Flasche, die in der Mitte platziert war. Als sie zum Stehen kam, zeigte sie auf Ami, die prompt rot wurde und nervös an ihrem langen Schlafshirt nestelte.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Minako grinsend.

„Ich… äh… W-Wahrheit!“, entschied Ami unsicher.

„Okaaaayyy… hmmm…“, machte Minako überlegend, bevor sie wieder grinste. Ami schluckte. „Was war die schlechteste Note, die du jemals hattest?“

Ami lief knallrot an und blickte verlegen zu Boden.

„79%....“, gab sie schließlich leise zu. Dem Großteil der Anwesenden kippte die Kinnlade runter.

„79%????“, riefen Bunny, Makoto und Yaten wie aus einem Munde.

„I-ich… das war… in der 5. Klasse und ich… ich war krank und…“, versuchte Ami stotternd zu erklären.

„Ami!“, unterbrach Bunny sie, „wenn ich 79% in meinen Arbeiten hätte, dann wäre ich überglücklich! Deine schlechteste Note… also echt!“

Ami blickte weiterhin hochrot und total verlegen auf den Boden, während die anderen lachten. 79%!

„Ami, du musst jetzt drehen!“, forderte Minako sie schließlich noch halb lachend auf. Ami gehorchte und drehte die Flasche. Dieses Mal zeigte sie auf Makoto.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Ami unsicher. Sie wusste nicht einmal, ob sie sich eine vernünftige Frage oder Aufgabe ausdenken konnte.

„Hm… Pflicht!“, antwortete Makoto.

„Ähm…“, überlegte Ami, „dann… ähm… mach zehn Liegestütze?“

Etwas Besseres war ihr nicht eingefallen.

„Ami! Das ist doch langweilig“, protestierte Minako und wieder schaute Ami verlegen zu Boden.

„Entschuldigung“, sagte sie leise. Doch Makoto war schon dabei, die Liegestütze zu absolvieren. Und zwar mit Leichtigkeit!

Nach Makotos Liegestützen musste Seiya seinen Gegenüber umarmen (Taiki), Minako beantworten, ob sie schon mal etwas geklaut hatte (ja, einen Schokoriegel, als sie sieben war) und Taiki beantworten, mit wem aus diesem Raum er überhaupt nicht auf einer einsamen Insel stranden wollen würde (Yaten, weil der nur meckern würde). Als die Flasche ein zweites Mal auf Minako zeigte, musste sie die erste männliche Person zu ihrer rechten auf die Wange küssen. Das war Seiya und Taiki hatte sich die Aufgabe absichtlich so ausgedacht, um Yatens Reaktion zu sehen. Und dessen angefressenes Gesicht war es durchaus wert gewesen, eine solch pubertäre Aufgabe zu wählen.

Minako drehte die Flasche und dieses Mal zeigte sie auf Bunny, die bisher verschont geblieben war.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Minako aufgeregt.

„… Pflicht“, antwortete Bunny schließlich. Sie hatte zu viel Angst vor dem, was sie gefragt werden könnte.

„Okay“, entgegnete Minako mit ihrem breitesten Grinsen. „Wir stellen uns alle im Kreis hin und du musst in die Mitte, die Augen zumachen und dich drehen, bis ich „stopp“ sage und dann musst du die Person küssen, vor der du stehenbleibst. Auf den Mund!“

„Wa…“ Bunny konnte kaum glauben, dass sie jemanden auf den Mund küssen sollte! Was, wenn es Taiki oder Yaten wären? Oder vielleicht sogar noch schlimmer… Seiya?!

Auch Seiya war ziemlich schockiert… Obwohl auch ein kleines Fünkchen Hoffnung dabei war.

„Kein Protest!“, widersprach Minako jedoch sofort, „Das sind die Regeln!“

Und tatsächlich stand Bunny kurz darauf mit verbundenen Augen (sicher war sicher!) in der Mitte und fing auf Minakos Kommando an, sich zu drehen. Minako passte genau auf.

„Stopp!“, rief sie schließlich.

Bunny blieb stehen und brauchte einen kurzen Moment, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Sie hörte ein kurzes, dumpfes Geräusch und dass jemand sich ein bisschen bewegte.

„Ich… ich mach dann mal, ja?“, sagte sie unsicher. Dass sie nicht einmal sehen konnte, wen sie da gleich küssen würde, machte sie komplett nervös.

„Warte, ich helf dir“, erwiderte Minako, die kurz darauf neben ihr stand und sie am Ellbogen einen Schritt nach vorne führte. Minako war es also schon mal nicht, darauf hatte sie eigentlich gehofft. Blieben immer noch Ami und Makoto als Hoffnungsschimmer.

Doch sobald sie vor der Person stehenblieb, die sie küssen sollte, wurde ihr klar, dass es nicht Ami oder Makoto waren. Sie atmete den Duft dieser Person ein. Den Duft, den sie so gut kannte. Ihr Herz konnte sich nicht entscheiden, ob es vor Aufregung fast aus der Brust springen oder ihr doch eher in die Hose rutschen sollte. Sie war sich nicht sicher, ob sie Schmetterlinge im Bauch hatte oder ihr übel war. Jedenfalls spürte sie die Anspannung am ganzen Körper.

Nervös und unsicher beugte sie sich ein wenig nach vorne und streckte den Kopf schon etwas in die Höhe, da er ja ein ganzes Stück größer war als sie. Jetzt konnte sie seinen Atem hören und auch spüren. Ohne etwas sehen zu können, spürte sie umso deutlicher, wie er näher kam. All ihren Mut zusammennehmend überwand sie die letzten Centimeter und spürte dann die warmen und weichen Lippen ihres Gegenübers. Sie bemerkte, dass sie den Mund nicht perfekt getroffen hatte und ihn ein wenig seitlich küsste. Das änderte jedoch nichts an dem kleinen Feuerwerk in ihrem Magen.

Noch bevor sie ihre Lippen wieder von ihrem Gegenüber lösen konnte, brach ein kleiner Tumult aus. Man hörte aus dem Nebenzimmer die Stimme des Lehrers, der die Zimmer der Jungen kontrollierte und gerade die Jungen nebenan ermahnte, die Lichter auszumachen. In Windeseile flüchteten Minako und Makoto hinter die glücklicherweise langen und schweren Vorhänge, während Yaten schnell das Licht ausschaltete und Ami mit Taikis Hilfe in der Ecke hinter Gepäck und unter einer Jacke verschwand. Bunny, die noch immer die Augenbinde trug und ein wenig in Panik geriet wurde plötzlich mit nach unten gerissen und befand sich nur wenig später eng an die Brust ihres Kusspartners gedrückt unter einer Decke. Ihr Herz raste.

Sie hörte, wie die Tür sich öffnete. Anscheinend schaute der Lehrer sich kurz um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken und da das Licht bereits ausgeschaltet war und die Jungen anscheinend schon brav schliefen, schloss er die Tür wieder. Als die Gefahr offensichtlich vorüber war, zog Bunny sich endlich die Augenbinde vom Kopf und sah nun auf Seiyas Brust. Er zog die Decke nach unten.

„Alles okay, Schätzchen?“, fragte er. Bunnys Gesicht brannte richtig und als sie aufsah, konnte sie auch auf Seiyas Wangen eine sehr deutliche Rötung erkennen.

„A-alles okay…“, bestätigte sie schließlich verlegen. Außer dass ihr Herz so schnell schlug, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen.

When I look into your eyes I can see a love restrained

Ihr Herz raste noch immer. Nachdem sie der Kontrolle der Lehrer knapp entgangen waren, hatten sich die Mädchen erfolgreich auf ihr Zimmer zurückgeschlichen und lagen nun in ihren Futons. Die anderen flüsterten noch miteinander, doch Bunny beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Ihre Gedanken waren ganz bei den Ereignissen des Abends. Sie hatte es tatsächlich getan. Sie hatte Seiya geküsst. Es war ein unschuldiger kleiner Kuss gewesen, sie hatte nicht einmal richtig seine Lippen getroffen. Es war ein Spiel gewesen. Aber dennoch… Es war Seiya, den sie geküsst hatte. Und nicht nur das. Als der Lehrer das Zimmer kontrolliert hatte, hatte Seiya sie gepackt und mit unter seine Decke gezogen. Sie hatte dicht an ihn gedrückt mit ihm in seinem Futon gelegen. Ihre Hände hatten an seiner harten Brust gelegen, genau wie ihre Wange. Sie hatte seine Wärme gespürt, hatte seinen Geruch eingeatmet. Allein bei dem Gedanken daran schoss ihr das Blut in die Wangen.

Dass sie Gefühle für Seiya hatte, hatte sie sich längst eingestehen müssen. Aber erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, dass sie sich auch körperlich wahnsinnig zu ihm hingezogen fühlte. Unfreiwillig musste sie an ihren kleinen Ausflug in den Wasserpark denken, als er so plötzlich in Badehose vor ihr gestanden hatte und sie den Blick kaum von ihm hatte losreißen können. Ja, ihr war damals aufgefallen, wie attraktiv er war. Doch damals war sie sich ihrer eigenen Gefühle noch nicht so bewusst gewesen.

Ruckartig drehte sie sich auf die Seite und zog die Decke über ihren Kopf.

„Hör auf, an so etwas zu denken!“, schalt sie sich selbst, bekam das Bild von Seiya jedoch nicht aus ihrem Kopf.

„Hey Bunny“, flüsterte Minako und beugte sich zu ihrer Freundin rüber. Bunny, die die ganze Zeit über in ihre eigenen Gedanken vertieft gewesen war, hatte gar nicht mitbekommen, dass die anderen die Gespräche mittlerweile eingestellt hatten.

„Ja?“, flüsterte sie zurück und war froh, dass Minako sie aus ihren Gedanken gerissen hatte.

„Bist du mir böse?“, fragte Minako und klang ehrlich besorgt. Bunny riss die Decke nach unten und sah Minako entsetzt an.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie erschüttert.

„Naja…“, erwiderte Minako etwas verhalten, „Weil ich doch… Weil du ihn meinetwegen küssen musstest…“

Sofort wurden Bunnys Wangen wieder heiß und sie erinnerte sich an das Gefühl, als ihre Lippen ihn berührten.

„Ich… ich…“, stotterte Bunny verlegen, „Ich bin nicht böse…“

Minako lächelte leicht.

„Ein Glück“, sagte sie und zögerte kurz, bevor sie weitersprach, „Ich wollte dich zu nichts zwingen, was du nicht möchtest… Aber… Weißt du, ich glaube, Seiya… würde gut zu dir passen.“

Bunny machte große Augen.

„Es war doch nur Zufall, dass es Seiya war“, erinnerte sie Minako. Immerhin hätte sie auch vor jedem anderen stehen bleiben können, als sie sich mit verbundenen Augen im Kreis gedreht hatte.

„Naja…“, druckste Minako herum, „Also… ehrlich gesagt, habe ich genau aufgepasst, wann ich ‚Stopp‘ sagen musste und… eigentlich bist du irgendwo zwischen Seiya und Makoto stehen geblieben, aber… Ich hab Seiya ein bisschen zur Seite gestoßen, damit du direkt vor ihm stehst.“

Bunny erinnerte sich, dass sie kurz ein dumpfes Geräusch gehört hatte.

„Das war Absicht?“ Sie konnte es kaum glauben.

„Bist du mir jetzt doch böse?“, fragte Minako nervös.

„Ich…“ Bunny zögerte etwas. „Nein… Ich bin nicht böse. Ich… Mina, ich bin total durcheinander. Ich… hab ihn so wahnsinnig gern. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Ich möchte ihm nahe sein… Näher… immer näher… und gleichzeitig habe ich wahnsinnige Angst davor. Ich darf das nicht. Ich darf ihm nicht noch näher kommen. Es ist jetzt schon zu viel.“

„Bunny…“ Minako hasste es, ihre beste Freundin so leiden zu sehen. Sie rückte ein Stück näher an sie heran und legte den Arm um sie.

„Du darfst deine Gefühle nicht so unterdrücken“, flüsterte sie, „Du leidest doch nur. Bitte… Du… Vielleicht muss das jetzt einfach sein. Vielleicht musstet du und Mamoru jetzt diese Beziehungspause einlegen, damit du deinen eigenen Gefühlen nachgehen kannst. Sonst wirst du doch niemals glücklich.“

„Aber ich kenne meine Zukunft doch schon…“, erwiderte Bunny wenig überzeugt, „Ich kann doch nicht einfach alles über den Haufen werfen.“

„…Ich weiß es nicht“, sagte Minako nach einem kurzen Zögern, „Ich sehe nur, wie unglücklich du bist. Ich sehe, wie viel Streit du mit Mamoru hast und wie unglücklich du dadurch die ganze Zeit bist. Und gleichzeitig sehe ich, wie sehr Seiya dich liebt. Er würde alles dafür tun, dass du glücklich bist. Und ich meine… du… du hast doch selbst gesagt, dass du Gefühle für ihn hast. Seiya ist wirklich ein toller Kerl.“

„Ich weiß“, gab Bunny sofort zu, „Ich weiß doch… Seiya ist wirklich toll. Ich hab nur so eine Mordsangst davor, was passiert, wenn ich mich wirklich auf ihn einlasse. Was passiert, wenn ich nicht mehr mit Mamoru zusammen bin? Was soll dann aus der Zukunft werden? Was ist mit Chibiusa? Ich meine, ich bin kein Genie, aber selbst ich weiß, dass sie nicht geboren werden kann, wenn ich mit einem anderen Mann zusammen bin.“

„Ach Bunny“, seufzte Minako verzweifelt, „Ich weiß, wie furchtbar das für dich sein muss… Ich wünschte, ich wüsste eine Lösung. Aber ich weiß keine… Ich möchte doch nur, dass du glücklich bist. Und… tut mir leid, dass ich das nochmal so sage… ich glaube einfach, dass du mit Seiya viel glücklicher wärst…“

Als ihre Freundin ihr nicht antwortete, drückte Minako sie einmal, bevor sie sich wieder ganz zurück auf ihren Futon rollte.

„Danke, Mina“, flüsterte Bunny noch nach einer Weile. Auch sie wünschte, dass irgendjemand eine Lösung für sie hätte. Doch sie wusste, dass sie diese Entscheidung letztendlich selbst treffen musste. Sie konnte lange nicht einschlafen, aber sie merkte nicht, dass auch Minako, Ami und Makoto noch lange wach lagen, denn die beiden letzteren hatten das Gespräch zwischen ihr und Minako genau mitgehört und konnten nicht anders, als sich auch Gedanken um ihre Freundin zu machen.
 

Auch Seiyas Gedanken drehten sich einzig und allein um das, was an diesem Abend passiert war. Er spürte noch genau das Herzklopfen, das er hatte, als Bunny etwas unsicher und mit verbundenen Augen auf ihn zugekommen war, nachdem Minako ihm einen Stoß verpasst hatte. Er hatte Bunny angesehen und genau gewusst, was als nächstes kommen würde. Noch nie in seinem Leben hatte er so eine nervöse Spannung verspürt. Erwartungsvoll, gleichzeitig ängstlich hatte er dagestanden und darauf gewartet, dass sie zu ihm kam. Er hatte sich stark zurückhalten müssen, um sie nicht plötzlich in seine Arme zu ziehen, sie an sich zu drücken und sie selbst zu küssen. Erst als sie direkt vor ihm stand und sich ihm sogar etwas entgegenstreckte, hatte er sich leicht zu ihr hinuntergebeugt. Er hatte die Hand zu einer Faust geballt, in der Hoffnung, so sein Zittern unterdrücken zu können. Und als sie dann tatsächlich ihre Lippen auf seine gelegt hatte, hätte er sich beinahe nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er war schon dabei gewesen, seine Arme zu heben, um sie an sich zu drücken, als plötzlich dieser Tumult ausgebrochen war. Wenigstens hatte er schnell reagieren können und die hilflose Bunny mit sich in den Futon ziehen können. Und er hatte sich gewünscht, dieser Augenblick würde nie vorübergehen. Sie so eng an sich gedrückt zu haben, hatte sich einfach unglaublich angefühlt. Ihr schlanker, weicher Körper, ihre Wärme, ihr Atem, den er noch durch sein T-Shirt hatte spüren können. Er schämte sich dafür, aber es hatte ihn tatsächlich etwas erregt. Zum Glück war es nicht so weit gegangen, als dass sie davon etwas hätte mitbekommen können. Sonst hätte er ihr nie wieder in die Augen sehen können.
 

„Morgen Schätzchen“, begrüßte Seiya sie am nächsten Morgen mit einem breiten Grinsen. Er hatte sie schon von weitem gesehen, als sie zusammen mit ihren Freundinnen in den Speisesaal zum Frühstück gekommen war. In dem Moment, als er sie gesehen hatte, hatte sein Herz verrücktgespielt. Die ganze Zeit, während die Mädchen sich ihre Tabletts holten, ihr Frühstück entgegen nahmen und dann zu ihnen herüberkamen, hatte er sich darauf vorbereitet und schließlich hatte er all seinen Mut zusammen genommen, um sie so zu begrüßen, als sei überhaupt nichts passiert und als hätte er nicht die halbe Nacht wach gelegen und an ihre weichen Lippen und ihren warmen Körper gedacht.

„M-morgen“, erwiderte sie und lief schlagartig rot an, während sie sich schnell hinsetzte. Seiyas Herz machte einen Hüpfer. Sie war so unglaublich süß.

„Gut geschlafen?“, fragte er beinahe beiläufig.

„Ähm…“, druckste Bunny herum, „Es geht. Ist so ungewohnt hier… U-und du?“

„Genauso, würde ich sagen“, erwiderte er zwinkernd. Sie schien nicht so recht zu wissen, was sie sagen sollte, schenkte ihm nur ein kleines Lächeln und fing dann an zu essen. Sie war sichtlich nervös. Sein sorgfältig zurechtgelegtes Grinsen verrutschte etwas. Was, wenn sie es ihm übel nahm, dass er sie mit in seinen Futon gezogen hatte? Was, wenn sie es gehasst hatte, ihn küssen zu müssen? Was, wenn sie doch etwas von seiner Erregung mitbekommen hatte? Nein, das war unmöglich. Oder? So weit war es nicht gegangen.

Er bemerkte gar nicht, dass er wie erstarrt war, während ihm gefühlt 1000 schlimme Gedanken durch den Kopf gingen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Bunny schließlich mit gerunzelter Stirn, „Du bist etwas blass.“

„Hah…?“, machte Seiya verdutzt, „Nein, alles in Ordnung.“

„Bist du sicher?“, hakte sie nach und sah ihn besorgt an, „Wenn es dir nicht gut geht, solltest du dich vielleicht nochmal hinlegen? Soll ich den Lehrern Bescheid sagen?“

Sie war schon dabei, aufzustehen, doch Seiya legte schnell seine Hand auf ihre.

„Nein“, sagte er schnell, „Nein, Schätzchen, ist schon gut. Mit mir ist alles okay.“

Sie ließ sich zurück auf ihren Stuhl sinken.

„Bist du dir sicher?“, hakte sie nochmal nach.

„Ganz sicher“, antwortete er lächelnd, „Danke, dass du dir Sorgen um mich machst.“

„Ist doch selbstverständlich“, murmelte sie verlegen, bevor sie ihm nochmal direkt ins Gesicht sah, „Du siehst auch schon wieder besser aus.“

Kein Wunder, dachte sich Seiya. Spätestens seit er ihre Hand berührte, war sie Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt.

„Danke“, sagte er grinsend und drückte kurz ihre Hand. Er sollte wirklich aufhören, sich gleich wegen allem immer so verrückt zu machen.
 

„Hey Minako“, sagte Makoto, als sie endlich einen passenden Augenblick gefunden hatte. Sie waren gerade wieder mit der ganzen Klasse auf Besichtigungstour und Bunny war einige Meter von ihnen entfernt.

„Was gibt’s?“, fragte Minako ausgelassen und sah, dass nicht nur Makoto, sondern auch Ami auf sie zukam.

„Sag mal…“, setzte Makoto an, „Wir haben letzte Nacht euer Gespräch mitgehört…“

„Oh“, machte Minako, obwohl sie es sich schon beinahe gedacht hatte.

„Bist du wirklich der Meinung, dass Seiya besser zu Bunny passt als Mamoru?“, fragte Makoto schließlich.

„Ja, bin ich“, antwortete Minako ernst und aufrichtig.

„Dann sind wir wohl einer Meinung“, sagte nun Ami. Minako sah die beiden erstaunt an.

„Ehrlich?“, hakte sie nach.

„Ja“, bestätigte Makoto. „Naja, ich dachte immer, dass Mamoru und Bunny unzertrennlich zusammengehören, aber… in letzter Zeit bin ich mir da wirklich nicht mehr so sicher.“

„Ich möchte nur, dass Bunny glücklich ist“, fuhr Ami fort, „Und ich habe ihr ja auch schon gesagt, dass ich sie unterstütze, egal wie sie sich entscheidet. Aber ehrlich gesagt… in letzter Zeit… mir gefällt das nicht sonderlich, aber Mamoru verhält sich in letzter Zeit wirklich… wie… wie soll ich sagen?“

„Wie ein Volltrottel?“, schlug Minako vor, was einen entsetzten Blick auf Amis Gesicht zauberte.

„Naja…“, stotterte sie… „Irgendwie.. ja…“

„Minako…“, mischte Makoto sich ein, „Du hast was von einer Beziehungspause gesagt… Was meinst du damit?“

Erst jetzt wurde Minako bewusst, dass Makoto und Ami natürlich auch den Teil mitgehört hatten.

„Ah…es… es tut mir leid“, druckste Minako herum, „Ähm… also… eigentlich wollte Bunny nicht, dass jeder davon weiß. Also… Es sieht so aus, als würden sie und Mamoru grad eine kleine Beziehungspause einlegen, also… weil sie sich ja im Moment so viel streiten und so…“

Ami und Makoto sahen sich an. Es schien, als hätte Bunny in letzter Zeit sehr vieles, was sie nicht einfach so erzählte. Makoto seufzte.

„Sie hätte es uns ruhig erzählen können.“

„Ich glaube, es fällt ihr einfach unheimlich schwer, darüber zu reden“, versuchte Minako Bunny zu verteidigen, „Und ich habe, glaube ich, einfach von allem am meisten mitbekommen. Ganz zufällig. Naja, und weil ich mit Yaten darüber rede.“

„Seit wann machen sie denn schon diese Beziehungspause?“, fragte Ami.

„Nicht lange“, erwiderte Minako, „Erst seit ein paar Tagen.“

„Vielleicht ist das wirklich gut so“, überlegte Ami, „Dann kann Bunny mal die Zeit nutzen, um einen klaren Kopf zu bekommen und über alles nachzudenken. Vielleicht fällt ihr die Entscheidung dann leichter.“

„Ich weiß nicht“, zweifelte Makoto, „Ich glaube, das dreht sich alles im Kreis. Sie kann sich nicht dazu durchringen, sich für Seiya zu entscheiden, weil sie Angst um Chibiusa hat. Aber sie merkt immer deutlicher, dass sie mit Mamoru nicht glücklich ist und dass sie sich wirklich in Seiya verliebt hat.“

Die drei seufzten.

„Ich wünschte so sehr, ich könnte ihr helfen“, bedauerte Minako. Ihr Blick fiel auf Bunny, die einige Meter vor ihnen neben Seiya lief und lachte.

„Sie sieht so glücklich aus, wenn sie mit ihm zusammen ist“, stellte Makoto fest.

„Und er auch“, fügte Ami hinzu, „So habe ich Mamoru noch nie gesehen.“

„Mamoru ist halt ganz anders als Seiya“, sagte Makoto, „Er und Bunny sind so unterschiedlich. Ich glaube mittlerweile wirklich, dass Seiya einfach… besser zu ihr passt. Bunny braucht jemanden, mit dem sie lachen kann.“

„Und jemanden, der immer für sie da ist“, fügte Ami hinzu.

„Jemanden, der sie einfach nur glücklich macht“, schloss Minako.

Sie waren sich einig, dass dieser jemand Seiya war.

Every God of Love will now extend his vast prerogative

Minako klatschte begeistert in die Hände. Ihr Augen leuchteten, als sie die Tempelanlage des Jishu-jinja sah. Da sie die Venus, also die Göttin der Liebe war, war der Tempel ja quasi ihr gewidmet. Euphorisch packte sie ihre beste Freundin am Arm und zog sie mit sich.

„Komm schon, Bunny“, forderte sie sie auf, „wir haben viel vor!“

„W-was?“, fragte Bunny verwirrt. Sie fand diese Tempelanlage zwar auch wunderschön, konnte jedoch Minakos Begeisterung nicht so ganz teilen. Verschwörerisch beugte diese sich zu ihr rüber.

„Hast du das schon vergessen?“, raunte sie ihr zu und warf einen Seitenblick auf die Jungs, die ein Stück von ihnen entfernt standen, „Hier dreht sich alles um die Liebe! Ich will unbedingt zu den Liebessteinen und zu Okuninushi beten und dann wird mein größter Wunsch endlich in Erfüllung gehen!“

Ihre Stimme überschlug sich förmlich vor Begeisterung.

„Dein größter Wunsch?“, hakte Bunny etwas unsicher nach.

„Na klar!“, antwortete Minako mit leuchteten Augen und faltete die Hände zusammen, „Endlich Yatens Freundin zu werden.“

„Das ist dein größter Wunsch?“, fragte Bunny überrascht, woraufhin Minako kräftig nickte. Als Bunny so darüber nachdachte, hätte sie es eigentlich wissen müssen. Natürlich wusste sie, dass Minako total in Yaten verknallt war. Sie war jedoch in letzter Zeit so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass sie gar nicht über ihre Freundinnen und deren Liebesleben nachgedacht hatte. Sie überkam ein schlechtes Gewissen, als ihr bewusst wurde, dass sich in letzter Zeit eigentlich alles nur um sie gedreht hatte.

„Dann lass uns all das machen“, sagte Bunny schließlich lächelnd, „dein Wunsch geht bestimmt in Erfüllung.“

Minako drückte ihre Freundin kurz.

„Danke, Bunny. Deiner auch! Auch wenn du dir gerade noch nicht so ganz sicher bist, was du dir eigentlich wünschst.“

„Mhm…“, machte Bunny unbestimmt. Eigentlich wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einfach nur ein ganz normales Mädchen zu sein. Doch dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen würde, das hatte sie schon vor langer Zeit akzeptieren müssen.
 

Es dauerte nicht lange, da sahen sie schon von weitem eine Schar Mädchen in ihren Schuluniformen, etwa im gleichen Alter. Man hörte sie kichern, sich gegenseitig anfeuern und kreischen.

„Das muss es sein!“, rief Minako aufgeregt und zerrte Bunny mit sich mit. Und tatsächlich konnten sie, nachdem sie sich ein wenig nach vorne gedrängt hatten, zwei Steine sehen, die etwa sechs Meter auseinander standen und um die je ein dickes Tau gebunden war und eine Tafel mit der Aufschrift „Liebesstein“.

„Das sind sie!“, kreischte Minako aufgeregt, „Wir müssen gleich… also…“

Sie versuchte sich weiter nach vorne durchzuarbeiten, doch es war so voll, dass es nahezu unmöglich war, den berühmten Gang mit verschlossenen Augen von einem Stein zum anderen zu machen.

„Lass uns doch etwas später wiederkommen, Minako“, versuchte Bunny ihre Freundin zu überzeugen, „vielleicht ist es dann nicht mehr ganz so voll.“

„Aber…“, wollte Minako widersprechen. Die Enttäuschung war ihr deutlich anzusehen. Sie zögerte kurz, bevor sie sich schließlich geschlagen gab.

„Na schön…“, stimmte sie seufzend zu. Es dauerte allerdings nicht lange, bis ihre Laune sich wieder hob, denn immerhin gab es noch ein paar andere Dinge, die ihr bei ihrem Liebesglück helfen sollten, und damit konnten sie sich schließlich wunderbar die Zeit vertreiben, bis sie es noch einmal bei den Liebessteinen versuchen konnten.

„Da seid ihr ja“, hörte Bunny plötzlich eine ihr nur allzu bekannte Stimme aus alldem Durcheinander der vielen Menschen heraus. Sie drehte sich um und erblickte als erstes Seiya, der zusammen mit Yaten und Taiki auf sie zukam. Ein kleines Stück hinter ihnen folgten auch Ami und Makoto.

„Ihr wart plötzlich verschwunden“, sagte Makoto, als sie schließlich vor ihnen stand.

„Wir sind nur ein bisschenn vorgegangen“, erwiderte Minako leicht schmollend. Normalerweise wollte sie jede Sekunde in Yatens Nähe verbringen, doch ausgerechnet jetzt wäre es ihr lieber, ihn nicht dabeizuhaben. Wie sollte sich sich vernünftig den Göttern anvertrauen, wenn das Objekt ihrer Begierde direkt neben ihr stand?

„Ganz schön voll hier, oder?“, stellte Makoto fest, während sie sich umsah.

„Viel zu voll…“, murrte Yaten, der solche Menschenmassen auf den Tod nicht ausstehen konnte. Gerade weil er, Seiya und Taiki nur allzu oft von großen Scharen an Menschen belagert und bedrängt wurden.

„Das ist ja auch eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Japans“, erklärte Ami, „Und nicht nur das! Abgesehen von Mekka gibt es keinen Ort auf der ganzen Welt, der mehr Touristen anzieht als dieser Tempel.“

„Kein Wunder, dass es so überfüllt ist“, seufzte Minako wehmütig.

„Ist doch egal“, wehrte Seiya ab, „Lasst uns einfach das Beste draus machen. Wie oft kommt es schon vor, dass wir alle zusammen so unterwegs sind?“

„Du hast recht!“, stimmte Minako sofort zu und ballte die Hand zu einer Faust. Sie würde schon noch dazu kommen, ihrem Liebesglück auf die Sprünge zu helfen. Und währenddessen konnte sie eine schöne Zeit mit ihren Freunden und nicht zuletzt Yaten verbringen.

Nacheinander klapperten sie die kleinen Attraktionen innerhalb des Tempels ab, beteten zu Okuninushi, dem Gott der Liebe, tätschelten den kleinen Daikoku-Statuen den Kopf, was Glück bringen sollte und zogen jeder einen Omikuji, einen kleinen Papierstreifen, auf dem Wahrsagungen standen.

Bunny war hin- und hergerissen zwischen der Freude darüber, dass sie ihre Zeit mit ihren Freunden verbringen konnte, und den Sorgen, die sie nun schon so lange plagten. So schön es hier auch war, gerade weil der Tempel dem Glück in der Liebe gewidmet war, fiel es ihr schwer, ihre Sorgen zu vergessen. Während es wohl relativ klar war, worum Minako den Gott der Liebe bat, wusste sie nicht so recht, was sie sich eigentlich wünschte. Wünschte sie sich, wieder mit Mamoru glücklich zu werden? Wollte sie Seiya vergessen können und so ihrer vorherbestimmten Zukunft wieder zuversichtlich entgegensehen? Rational betrachtet, sollte sie sich das wünschen, doch tief in ihrem Inneren sträubte sie sich dagegen. Seiya, der es trotz des Gedränges immer schaffte, bei ihr zu bleiben, nahm dafür bereits einen viel zu großen Platz in ihrem Herzen ein. Wie sollte sie sich ernsthaft wünschen, ihn vergessen zu können und ihn damit wieder einmal zu verletzen? Was also konnte sie sich schon erhoffen?

Während sie in Gedanken versunken hinter dem langen blonden Haarschopf Minakos herlief, spürte sie plötzlich eine warme Hand auf ihrer Schulter. Sie zuckte kurz zusammen, bevor sie aufsah.

„Alles in Ordnung, Schätzchen?“, fragte Seiya mit gerunzelter Stirn. Ihm war aufgefallen, dass Bunny wieder einmal so furchtbar still geworden war, so wie es in letzter Zeit viel zu häufig der Flall gewesen war.

„J-ja!“, beeilte sich Bunny zu sagen. Sie wollte nicht, dass Seiya sich auch noch Sorgen um sie machte. Sie lächelte ihn an. „Alles in Ordnung, Seiya, wirklich.“

„Hm…“, machte Seiya nur, offenbar nicht überzeugt, fragte jedoch nicht weiter nach. Noch während er überlegte, was er tun konnte, um Bunny aufzuheitern, drehte sich Minako zu ihnen um.

„Komm schnell, es sieht so aus, als ob gerade nicht ganz so viel los wäre!“ Mit diesen Worten schnappte sie Bunnys Hand und zog sie einfach davon. Seiya blieb verdutzt zurück und ehe er sich versah, waren die beiden Mädchen in der Menge verschwunden.
 

„Endlich!“, rief Minako und klatschte verzückt in die Hände. Tatsächlich hatte sich die Menge um die beiden Liebessteine etwas gelichtet, nachdem anscheinend gleich zwei Schulklassen wieder abgereist waren. Schnell stellte Minako sich an einem der Liebessteine auf.

„Ich tu’s!“, rief sie Bunny zu, schloss die Augen, streckte die Arme leicht von sich und begann in Richtung des anderen Steins zu laufen. Etwas verdutzt sah Bunny ihr zu. So ganz hatte sie immer noch nicht verstanden, was es mit diesen Steinen auf sich hatte. Minako marschierte jedoch souverän von einem Stein zum anderen. Bunny beeilte sich, an Minako vorbei zum Stein zu laufen, damit sie ihre momentan blinde Freundin dort empfangen konnte.

„Du hast es geschafft!“, rief Bunny, als Minako nur wenige Zentimeter rechts vom Stein angekommen war. Prompt öffnete diese ihre Augen und strahlte übers ganze Gesicht.

„Na, das war ja einfach“, stellte sie fest, „Wenn der Weg zur Beziehung mit Yaten genauso leicht ist, dann kann ja gar nichts mehr schiefgehen.“ Sie grinste breit und zwinkerte Bunny zu. „Jetzt du!“

„Ich?“, fragte Bunny entsetzt nach. Wenn es wirklich so war, dass der Weg von einem Stein zum anderen so leicht oder schwer war wie das eigene Liebesleben, dann würde sie vermutlich nicht nur stolpern und fallen, sondern sich womöglich auch noch den Hals brechen.

„Klar!“, bestätigte Minako sofort und packte Bunny am Arm, sodass sie sie in die perfekte Startposition schieben konnte.

„Minako, ich weiß nicht…“, äußerte Bunny ihre Zweifel. Sie wollte eigentlich wirklich nicht.

„Nun sei nicht so ein Angsthase, Bunny“, neckte Minako sie, bevor sie sie anlächelte, „Dir wird nichts passieren, ich bin doch da. Ich helfe dir doch. Ich helfe dir doch immer!“

Tatsächlich beruhigte das Bunny etwas. Minako war zwar sprunghaft und manchmal etwas zu aufgeregt und tollpatschig, aber wenn es darauf ankam, war sie immer für sie da. Und wieso sollte sie, wenn sie auch noch die Unterstützung ihrer besten Freundin hatte, nicht so etwas Simples schaffen, wie von einem Stein zum anderen zu laufen, selbst wenn sie dabei die Augen geschlossen halten musste.

„Also gut“, stimmte Bunny schließlich entschlossen zu. „Ich mach’s.“

Plötzlich legte sich etwas über ihre Augen.

„Hey!“, protestierte sie kurz.

„Das muss sein, Bunny“, erklärte Minako ernst, während sie das Tuch, das sie Bunny über die Augen gelegt hatte, zuband, „sonst schummelst du!“

„Tu ich gar nicht!“, widersprach Bunny trotzig, während sie heimlich ausprobierte, ob sie nicht unten unter dem Tuch durchlinsen konnte. Enttäuscht stellte sie fest, dass sie absolut nichts sehen konnte.

„So, du bist soweit“, verkündete Minako, die auf Bunnys Protest gar nicht weiter einging.

„O-okay“, willigte Bunny nervös ein. So schlimm konnte es ja nicht werden. Unsicher setzte sie einen Fuß nach dem anderen nach vorne. Schon nach kurzer Zeit hatte sie keine Ahnung mehr, ob sie tatsächlich strikt geradeaus lief oder vielleicht schon längst vom Weg abgekommen war. Sie hörte das Stimmengewirr um sich herum, konnte jedoch nichts verstehen.

„Mi-Minako?“, fragte sie leise und unsicher, bekam jedoch keine Antwort. Vermutlich hatte sie sie gar nicht gehört. Der Weg bis zu dem zweiten Stein kam ihr unendlich lang vor. Sechs Meter sollten es sein, erinnerte sie sich. Sie musste doch längst sechs Meter gelaufen sein, oder?! Langsam wurde sie unruhig. Sie stockte etwas, machte jedoch trotzdem den nächsten Schritt.

„Ein kleines bisschen mehr nach links, Bunny“, hörte sie endlich Minakos Stimme. Erleichtert und wieder etwas selbstbewusster machte sie einen weiteren Schritt nach vorne, wobei sie sich leicht nach links wandte. Sie ging noch einen Schritt und noch einen und plötzlich stieß ihr Fuß gegen etwas Hartes. Weil Bunny nicht damit gerechnet hatte, verlor sie das Gleichgewicht. Sie konnte nichts sehen und streckte instinktiv die Hände nach vorne, um ihren Sturz abzufangen.

„Hoppla“, hörte sie, während sie aufgefangen wurde. Der harte Sturz blieb aus. Als ihr der saubere Geruch der Person, die sie aufgefangen hatte, in die Nase stieg, fühlte sie sich unwillkürlich an den vorigen Abend zurückversetzt, als sie ebenfalls mit Augenbinde auf Seiya zugesteuert war und ihm ungeschickt einen Kuss gegeben hatte. Sie erinnerte sich an das Gefühl, an seinen Geruch, an die Wärme seiner Haut und daran, wie er sie zu sich in den Futon gezogen hatte, als der Lehrer ins Zimmer gekommen war. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als ihr sanft die Augenbinde über die Stirn gezogen wurde.

„Alles okay, Schätzchen?“, fragte Seiya mit strahlendem Lächeln. Seine blauen Augen reflektierten das Sonnenlicht. Er hielt sie noch immer fest. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Hände, die sie instinktiv ausgestreckt hatte, auf seiner Brust lagen. Sie konnte förmlich spüren, wie sie rot wurde. Langsam, wie in Trance nickte sie und konnte nicht verhindern, dass sie ihm beinahe schon sehnsüchtig auf die Lippen starrte.

„Gut“, erwiderte Seiya grinsend und entblößte seine perfekten Zähne. Bunny schmolz förmlich dahin.
 

Minako schaute zufrieden zu Bunny und Seiya. Genau so hatte sie es sich immer vorgestellt. Bunny bestritt diesen Weg, um am Ende bei Seiya zu sein und sie war diejenige, die ihr dabei helfen würde.

Never gonna give you up, never gonna let you down

Endlich war Freizeit angesagt. Die Schüler und Schülerinnen der Juban Highschool durften den Nachmittag ihres zweiten Tages in Kyoto selbst gestalten. Nach den langen Besichtigungen hatte sich die Gruppe auf ein peinlich lautes Magengrummeln von Bunny hin dazu entschlossen, etwas zu essen. Zu siebt hatten sie sich in die Ecke eines Okonomiyaki-Restaurants gequetscht.

Seiya fiel es schwer auf die Gespräche der anderen zu achten. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Bunny, die direkt neben ihm saß. Da der Platz eigentlich für sechs anstatt für sieben Personen ausgelegt war, waren sie auf der Bank eng zusammengerückt, sodass sie sich unentwegt berührten. Er spürte die Wärme ihres Oberschenkels an seinem und ihre Schulter stieß immer wieder an seinen Oberarm. Dabei stieg ihm immer wieder der süße Geruch ihres Shampoos in die Nase. Es machte ihn wahnsinnig. Dass seine Gedanken komplett von ihr ausgefüllt waren, war nichts Neues. Doch die Zeit, die er hier mit ihr verbringen durfte, nicht zu vergessen der vorherige Abend, an dem sie ihm diesen kleinen, ungeschickten und ach so süßen Kuss gegeben hatte... All das führte dazu, dass er sich immer nur noch mehr in sie verliebte. Wie konnte ein einzelnes Mädchen nur so wundervoll sein? Immer wieder musste er dem Drang widerstehen, sie einfach an sich zu ziehen, sie festzuhalten, sie zu küssen. Doch immer wieder tauchte auch das ihm mittlerweile so verhasste Gesicht ihres Freundes auf. Wie konnte sie nur mit jemandem wie ihm zusammen sein? Und warum musste er sich ausgerechnet in ein Mädchen verlieben, deren Schicksal schon seit Jahrhunderten vorherbestimmt war? Ein Mädchen, das ihre Zukunft mit ihrem Freund und ihrer zukünftigen Tochter bereits kannte.

Immer wieder hatte er sich gesagt, dass er sie vergessen musste. Doch das konnte er einfach nicht. Es war unmöglich. Jedes Mal, wenn er dachte, dass er über sie hinwegkommen konnte, musste er sich spätestens beim nächsten Wiedersehen eingestehen, dass er dieses Mädchen niemals würde vergessen können. Es war schon lange keine einfache Verliebtheit mehr. Er liebte sie von ganzem Herzen.
 

Bunny griff nach ihrem Glas. Ihr Arm streifte seinen. Er spürte, wie sich eine feine Gänsehaut auf seinem linken Arm ausbreitete. Selbst eine solch leichte Berührung brachte ihn fast um den Verstand. Mit leicht getöteten Wangen sah er zu ihr rüber, merkte kaum, wie er sie anstarrte. Bunny blickte auf.

"Was ist?", fragte sie verunsichert und strich sich automatisch eine Haarsträhne hinter das Ohr. Seiya fühlte sich ertappt.

"Nichts", versicherte er ihr schnell und griff hastig nach seinem Glas, um seine Verlegenheit zu überspielen. Er nahm einen Schluck, war jedoch etwas zu hastig. Er fing an zu husten. Er stellte sein Glas ab und klopfte sich selbst auf die Brust.

"Alles okay?", fragte Bunny besorgt. Mittlerweile schauten auch die anderen zu ihm hinüber.

"Ja...", röchelte er, "hab mich nur verschluckt." Sein Kopf war mittlerweile ziemlich rot geworden von dem angestrengten Husten, aber auch weil es ihm peinlich war. Wo war nur seine Gelassenheit geblieben? Zum Glück saß er am Ende der Bank, sodass er aufstehen konnte, ohne dass die anderen ihn erst rauslassen mussten.

"Entschuldigt mich kurz", sagte er und erhob sich. Auf der Herrentoilette wusch er sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Er stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. Noch immer war die Rötung deutlich zu sehen. Was war nur los mit ihm? Wie konnte sie ihn nur so aus der Fassung bringen? Er atmete ein paarmal tief durch, bevor er sich mit einem Papierhandtuch das Gesicht und die Hände trocknete und dann die Herrentoilette wieder verließ. Da stand sie.

„Schätzchen?“, sprach er sie an. Sie sah auf.

„Ah, Seiya!“, sagte sie, „Ich… ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist.“

Er spürte, wie ihm sofort wieder warm wurde.

„Ich hatte mich nur verschluckt“, erwiderte er verlegen grinsend.

„Sonst ist alles okay?“, hakte sie nach.

„Alles okay, Schätzchen“, versicherte er und versuchte, sich endlich zusammenzureißen.

„Hast du dir etwa Sorgen gemacht?“, fragte er mit einem Augenzwinkern.

„Ehrlich gesagt, ja“, antwortete sie und brachte ihn damit wieder ein wenig aus der Fassung. Dieses Mal konnte er sich jedoch schnell wieder fangen.

„Du machst mich ja ganz verlegen“, sagte er breit grinsend und schaffte es tatsächlich, überhaupt nicht verlegen auszusehen. Bunnys Miene, die zunächst nur Sorge gezeigt hatte, hellte sich etwas auf.

„Achja?“, fragte sie neckisch, „Danach siehst du aber gar nicht aus!“

„Erwischt!“, erwiderte Seiya lachend und hob sich ergebend die Hände. Dass er sich total zusammenreißen musste, um seine Verlegenheit zu überspielen, brauchte sie ja nicht zu wissen. Er fühlte sich deutlich wohler in der Rolle des selbstbewussten Charmeurs als als vor Verliebtheit tollpatschiger Junge.

„Gehen wir?“, fragte er und legte ihr ohne die Antwort abzuwarten einen Arm um die Schulter, um sie so zurück zum Tisch zu geleiten.
 


 

„Mamoru?“, sprach Rei den großen jungen Mann an, der vor ihr an der Kasse des kleinen Ladens stand und gerade ein Sandwich, eine Flasche Wasser und eine Packung Kaugummi bezahlte. Er drehte sich zu ihr um.

„Ah, Rei“, begrüßte er sie, „hallo!“

„Wie geht’s dir?“, fragte sie, erfreut ihn zu sehen.

„Ach…“, machte er unspezifisch, „viel zu tun, wie immer.“

Sie hatte das Gefühl, dass er ihrem Blick auswich. Sie konnte sich schon denken, dass die Probleme, die er in letzter Zeit mit Bunny hatte, dazu führten, dass es ihm nicht allzu gut ging.

„Hast du Feierabend?“, fragte sie. Sie vermutete, dass Mamoru außerhalb seiner Arbeitszeiten und außerhalb der Universität viel alleine war und beschloss, ihm, wenn er es denn wollte, ein wenig Gesellschaft zu leisten.

"Ich habe heute Abend nochmal ein Seminar", erwiderte Mamoru mit einem Blick auf seine Armbanduhr, "aber bis dahin hab ich frei."

"Klasse", freute sich Rei und strahlte ihn an, "dann lass uns doch irgendetwas essen gehen."

Mamoru zögerte etwas, bevor er jedoch zustimmte.
 

Etwa eine Viertelstunde später hatten sie einen Platz in einem kleinen, gemütlichen Café gefunden. Normalerweise wären sie ins Crown gegangen, aber obwohl keiner von ihnen es aussprach, hatten sie beide das Gefühl, dass es nicht angebracht war, in das Stammlokal der Clique zu gehen.

"Und Rei? Wie geht's dir?", fragte Mamoru schließlich, nachdem sie bei der Bedienung ihre Bestellung aufgegeben hatten.

"Mir? Mir geht's gut", erwiderte Rei, die eigentlich vielmehr an dem Gemütszustand Mamorus interessiert war. "Etwas neidisch vielleicht, dass die anderen grad alle in Kyoto sind", fügte sie scherzhaft hinzu.

Mamorus Blick verdüsterte sich. Eigentlich versuchte er so gut es ging, zu verdrängen, dass Bunny sich grad zusammen mit Seiya in einer Stadt über 450km von ihm entfernt aufhielt. Wegen seines hirnrissigen Vorschlags, eine Beziehungspause einzulegen, hielten sie momentan nicht einmal Kontakt. Womöglich hatte er ihr damit lediglich einen Freifahrtschein erteilt, um etwas mit Seiya anzufangen.

"Alles in Ordnung?", riss Rei ihn aus seinen Gedanken. Sie sah ihn besorgt an. Er seufzte.

"Eigentlich nicht", gab er zu. Noch im selben Moment fragte er sich, ob es in Ordnung war, mit Rei darüber zu reden. Er hatte Rei gern. Bevor er mit Bunny zusammen gewesen war, war er ein paarmal mit ihr ausgegangen. Richtig verliebt gewesen war er nie und er hatte ehrlich ein schlechtes Gewissen gehabt, als er von Bunnys Identität als Prinzessin Serenity erfahren hatte und daraufhin mit ihr zusammengekommen war. Doch Rei hatte es ihm nie übel genommen. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, mit ihr über alles zu reden? Er hatte schließlich sonst niemanden.

"Was ist denn los?", fragte Rei, obwohl sie sich eigentlich schon denken konnte, dass es um seine Probleme mit Bunny ging. Mamoru seufzte erneut.

"Ich nehme an, dass du schon mitbekommen hast, dass Bunny und ich... so unsere Probleme haben momentan?"

Rei nickte stumm. Ihr Blick forderte ihn auf, fortzufahren.

"Ich komme einfach nicht mit Seiya klar", gab er offen zu. "Dass er Gefühle für sie hat, ist ja wohl ein offenes Geheimnis. Klar, dagegen kann ich nichts machen. Aber ich hab immer mehr das Gefühl, dass Bunny für ihn auch mehr empfindet, als sie zugeben will. Von wegen bester Freund..."

Er spürte die Wut in sich aufkochen. Gerade kam die Kellnerin und brachte ihnen ihre Getränke. Dankbar für die Ablenkung nahm er einen Schluck seines Eistees.

"Du liebst Bunny sehr, oder?", fragte Rei, nachdem die Kellnerin wieder gegangen war und auch sie einen Schluck getrunken hatte.

"Natürlich!", antwortete Mamoru sofort. "Immerhin bin ich Endymion und sie ist Serenity. Und dann wär da auch noch Chibiusa."

Rei stutzte. Genauso wie Bunny redete er von Endymion, Serenity und Chibiusa. Er redete von der Vergangenheit und der Zukunft, nicht vom Hier und Jetzt. Er redete nicht von Mamoru und Bunny.

"Wir sind füreinander bestimmt!", fuhr er fort. "Ich kann es noch gar nicht fassen, dass wir momentan nicht zusammen sind..."

Rei sah auf und starrte ihn mit großen Augen an.

"Was?"
 


 

"Was wollen wir heute Abend noch machen?", fragte Makoto, während sie einen Reiseführer über Kyoto durchblätterte. Mit mittlerweile gefüllten Mägen saßen die vier Mädels und drei Jungs immer noch im Restaurant und überlegten, wie sie den Rest des Tages gestalten sollten.

"Ich finde, wir sollten einfach ein bisschen durch die Stadt bummeln", schlug Minako vor. "So... durch die alten Viertel. Die großen Sehenswürdigkeiten gucken wir uns die Tage noch mit der Schule an."

"Find ich gut", stimme Taiki zu und auch die anderen hatten keinerlei Einwände.

Als sie bezahlt hatten und das Restaurant schließlich verließen, hielt Yaten Seiya leicht zurück, sodass sie ein paar Schritte hinter den anderen herliefen.

"Alles okay bei dir?", fragte Yaten, dem aufgefallen war, dass Seiya die ganze Zeit fast gar nichts gesagt hatte.

"Klar, wieso?", fragte Seiya verwundert.

"Du bist so ruhig", erwiderte Yaten.

"Ach...", winkte Seiya ab, "ich war nur etwas in Gedanken... Bunny... Du weißt schon." Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. Yaten hatte es geahnt.

"Ich finde, du solltest versuchen, nachher ein bisschen mit ihr alleine zu sein", sagte er beiläufig. Seiya sah ihn erstaunt an.

"Wieso?"

"Ach... einfach, weil... ", zögerte Yaten. Seitdem Minako ihm erzählt hatte, dass Bunny und ihr Freund momentan eine Beziehungspause einlegten, war es ihm extrem schwergefallen, Seiya gegenüber nichts zu erwähnen. Aber er hatte es Minako versprochen und wollte sich auch daran halten. Dennoch... einen kleinen Schubser in die richtige Richtung... den konnte er Seiya doch geben, oder?

"Ich denke einfach, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um es nochmal versuchen", sagte er schließlich.

"Was zu versuchen?", hakte Seiya etwas verständnislos nach.

"Na, ihr Herz zu erobern."

Seiyas Wangen färbten sich leicht rötlich.

"Ihr Herz zu erobern?", widerholte er fragend. "Was meinst du damit, jetzt sei der richtige Zeitpunkt?"

"Naja, in so einer Stadt weit weg von zu Hause... die Atmosphäre..."

"Ich weiß ja nicht", zweifelte Seiya, "ich glaube nicht, dass Bunny sich plötzlich von ihrem Freund abwendet, nur weil eine etwas größere Entfernung zwischen den beiden liegt." Das schien doch nun wirklich etwas absurd.

"Es ist ja nicht nur die Entfernung", versuchte Yaten es weiter, "ich glaube, dass sie sowieso schon ein bisschen mit sich hadert. Ich mein, hatte sie in letzter Zeit nicht sowieso öfter mal Probleme mit ihrem Freund? Und hat sie dir gegenüber nicht schon jede Menge Zuneigung gezeigt?"

"Schon...", gab Seiya zu und dachte an all die schönen kleinen Momente, die er mit ihr geteilt hatte.

"Oder gibst du etwa auf?", fragte Yaten provozierend.

"Selbstverständlich nicht!", biss Seiya an. "Ich werde sie niemals aufgeben."

Yaten grinste und klopfte Seiya auf die Schulter. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, beschleunigte er seine Schritte, um so die anderen wieder einzuholen.

Seiya, der immer noch ein Stück entfernt war, dachte nach. Sein Blick ruhte auf Bunnys Hinterkopf. Sie lachte gerade über etwas, was Makoto sagte. Ihr zwei langen Zöpfe flatterten leicht im Wind. Als sie kurz zur Seite blickte, konnte er ihr wunderschönes Lächeln sehen. Für einen kurzen Moment kamen die Zweifel wieder hoch. Doch dieses Mal ließ er nicht zu, dass sie ihn übermannten. Nein, er würde sie wirklich niemals aufgeben. Er fasste sich ein Herz und holte Bunny schnellen Schrittes ein.

"Schätzchen!"

Listen to your heart, there's nothing else you can do

"Schätzchen!"

Bunny hörte Seiya sie rufen und drehte sich zu ihm um. Er kam schnellen Schrittes auf sie zu. Als er sie eingeholt hatte, grinste er sie kurz an, nahm ihre Hand und zog sie mit sich mit.

"Hey... Seiya!", protestierte sie, "Was ist denn los? Wo gehen wir hin?"

Auch ihre Freunde riefen ihnen nach. Seiya drehte sich kurz um.

„Geht schon mal weiter, wir kommen später nach!“

Ohne auf Fragen und Proteste zu achten, zog er Bunny einfach mit sich. Sie hatte es mittlerweile aufgegeben, sich zu wehren und lief einfach mit. Als sie eine Weile gelaufen waren, verlangsamten Seiyas Schritte sich und anstatt sie zu ziehen, lief er nun neben ihr her. Ihre Hand ließ er jedoch nicht los.

„Seiya? Was machen wir hier?“, fragte Bunny nach einer Weile etwas außer Atem. Ihr Herz mochte sich seit dem Augenblick, an dem er ihre Hand ergriffen hatte, einfach nicht beruhigen. Und sie war sich sicher, dass es nicht allein an dem kleinen Lauf lag. Seiya räusperte sich.

„Ich... wollte einfach ein wenig mit dir alleine sein“, gestand er verlegen. Er hatte sich nicht getraut, sie danach zu fragen. Es war viel einfacher gewesen, sie einfach mit sich zu ziehen. Vorsichtig wagte er einen Blick auf ihr Gesicht. Ihre Augen waren auf den Boden gerichtet, doch er konnte die leichte Färbung ihrer Wangen erkennen. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer bei ihrem Anblick.

„W-wieso das denn?“, fragte Bunny, die nicht so recht wusste, wie sie mit der Situation umgehen sollte.

„Ach... einfach so...“, wich Seiya der Frage aus. Sie erreichten das Ende der Straße, die sie gerade entlanggelaufen waren. Seiya erkannte einen Fluss. Da es bereits recht dunkel geworden war und die Häuser hell erleuchtet waren und an den hübschen Terassen teilweise sogar Lampions und kleine Laternen befestigt waren, spiegelten sich die Lichter im Wasser. Es war wunderschön.

„Wow“, bestätigte Bunny seine Gedanken, „wo sind wir hier?“

„Keine Ahnung“, gab Seiya zu. Er war einfach irgendwo hingelaufen.

„Es ist wirklich schön hier", sagte Bunny. Sie wollte ein Foto machen, doch Seiya hielt ihre Hand. Aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht überwinden, sich von ihm zu lösen, um die Kamera hervorzuholen und die Szenerie zu fotografieren.

„Find ich auch“, stimmte er ihr zu, drückte kurz ihre Hand und lächelte sie an.

Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte. Doch beide wussten, dass ihre Gefühle füreinander unausgesprochen zwischen ihnen standen.
 


 

Mamoru hatte beschlossen, sein abendliches Seminar zu schwänzen. In all den Jahren war dies das erste Mal, dass er so etwas tat. Doch nach dem Gespräch mit Rei, war er einfach zu aufgewühlt. Er saß zu Hause auf dem Sofa und hatte ein Glas Sake in der Hand. Er nahm einen Schluck.

Er hatte es gar nicht fassen können, dass Rei nichts von Bunnys und seiner Beziehungspause gewusst hatte. Erzählte Bunny ihren Freundinnen denn nicht immer alles? Wussten die anderen davon? Er war sich nicht sicher, wie er das deuten sollte. Vielleicht wollte Bunny einfach keine große Sache daraus machen, da sie die Beziehungspause nur dazu verwenden wollte, um einmal durchzuatmen, bevor sie selbstverständlich wieder zu ihm zurückkam. Vielleicht hatte sie aber auch ganz andere Gründe und vielleicht würde sie während der Beziehungspause auch nur zu dem Schluss kommen, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte.

Er leerte das Glas in seiner Hand, stellte es auf den Tisch und schenkte sich nach.

Unweigerlich wanderten seine Gedanken zu Bunny. Bunny, die gerade über 400 Kilometer von ihm entfernt war. Bunny, die zusammen mit Seiya eine der schönsten Städte Japans besichtigte. Vor seinem inneren Auge tauchten Bilder von ihr auf, wie sie und Seiya lachten, sich an der Hand hielten, wie sie in seinen Armen lag, wie er sie küsste...

Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Erneut griff er zum Glas. Er spürte bereits, wie der Alkohol seine Glieder schwerer und seine Gedanken unklarer werden ließ.

Er dachte an die Zeit, die er mit Bunny verbracht hatte. Es war nicht immer einfach gewesen. Immer wieder waren sie von ihren Feinden auseinandergetrieben worden. Doch immer wieder hatten sie auch wieder zueinandergefunden. Er musste zugeben, dass sie nicht viel miteinander gemeinsam hatten und auch der Altersunterschied machte die Dinge nicht unbedingt einfacher. Aber sie beide verband doch so viel mehr als ein gemeinsames Hobby oder etwas ähnlich Triviales. Sie beide verband das Schicksal. Er sah sich zusammen mit Serenity und Chibiusa. Eine richtige Familie. Eine Königsfamilie. Das waren sie und das mussten sie sein. Also wie konnte es sein, dass sie diese Probleme hatten?

Erneut griff er zum Glas. Ohne darüber nachzudenken, leerte er das Glas in einem Zug. Es brannte.

Er erinnerte sich an den Tag, an dem er herausgefunden hatte, wer er war und wer Bunny war. Er erinnerte sich an ihren ersten Kuss und die Gefühle, die er damals gehabt hatte. Es war, wie etwas Wichtiges wiederzufinden, was man lange Zeit verloren geglaubt hatte. Sie war damals erst 14 Jahre alt gewesen. Natürlich hatte er sich immer zurückgehalten. Mehr als ein paar Küsse hatte es nicht gegeben. Schließlich war er um einiges älter als sie und als verantwortungsbewusster Erwachsener war es seine Pflicht gewesen, zu warten. Wie oft hatte er in einsamen Nächten von ihr geträumt? Wie oft hatte er den Körper der erwachsenen Königin Serenity vor sich gesehen, ihn berührt und liebkost? Doch es war stets ein Traum geblieben. Bunny war noch ein Kind. Obwohl er zugeben musste, dass sie in den letzten Jahren durchaus reifer geworden war. Ihr Gesicht war nicht mehr ganz so rund und ihre weiblichen Merkmale waren ausgeprägter als noch vor drei Jahren.

Er spürte, wie die Lust ihn überkam. Für einen Moment wanderte seine Hand zum Gürtel, doch sofort zog er sie wieder zurück. Er setzte sich auf und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Bewegungslos saß er so da, bis er sich wieder etwas abgeregt hatte. Er griff nach seinem Handy.

„Ich vermisse dich“, schrieb er und drückte, noch bevor er es sich anders überlegen konnte, auf Senden.
 


 

Bunny fühlte sich wie im Traum. Noch immer hielt Seiya ihre Hand und gemeinsam schlenderten sie den Weg am Fluss entlang. Sie nahm das Stimmengewirr um sie herum als ein gleichmäßiges Summen wahr, aus dem nur hin und wieder mal eine Stimme hervorstach und ein paar vereinzelte Wörter zu verstehen waren. Das Wasser des Flusses glitzerte herrlich und hier und da konnte man leise Musik hören.

„Schätzchen?“

Die Stimme Seiyas riss sie aus ihren Gedanken.

„Ja?“, antwortete sie.

„Geht’s dir gut?“, fragte Seiya mit leicht gerunzelter Stirn. Sie lächelte.

„Mir geht’s sehr gut, danke“, erwiderte sie ehrlich.

„Gut“, sagte Seiya und zögerte kurz, bevor er fortfuhr, „ich hatte ein wenig Angst, dass du sauer bist, weil ich dich einfach so mitgezerrt habe.“

„Ich bin nicht sauer“, antwortete Bunny sofort, „ich war nur etwas überrascht.“

„Okay, überrascht ist in Ordnung.“ Seiya lachte etwas. Wieder drohte sich Schweigen breitzumachen, doch Seiya wollte keinesfalls, dass der gemeinsame Abend so zu Ende ging. In letzter Zeit war es immer etwas komisch zwischen ihnen gewesen. Sie waren sich sehr nahe und dennoch, war immer eine gewisse Anspannung da, wenn sie Zeit miteinander verbrachten. Das durfte doch nicht so weitergehen. Er musste den ersten Schritt wagen.

„Du Schätzchen...“, begann er und spürte sein eigenes Herz mehr als deutlich, „darf ich dich etwas fragen?“

„Natürlich“, bestätigte sie, „was denn?“

„Du musst nicht darauf antworten, wenn du nicht möchtest...“, begann er zögerlich, „also... ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll...“

„Frag einfach“, versuchte Bunny ihn zu ermuntern. Sie war wirklich neugierig.

„Es ist nur so...“, setzte Seiya nochmal an, „also... du weißt ja, dass meine Gefühle für dich mehr als nur Freunschaft sind...“

Bunny wurde knallrot.

„Vielleicht bilde ich es mir nur ein“, fuhr Seiya fort, „aber manchmal, da hab ich das Gefühl, als wäre es... nicht komplett einseitig... als wäre da mehr als Freundschaft zwischen UNS...“

Sein Herz schlug bis zum Hals, als er das sagte. Er schaute zu Bunny und versuchte ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Er bekam Angst.

„Seiya...“, setzte sie an, ohne ihn anzusehen.

„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich sofort. Er hätte das nicht sagen sollen.

„Nein“, wehrte Bunny ab, „ich... ich meine... Seiya... du bist mir unglaublich wichtig... ich... ich hab dich wirklich sehr gern... du...“

Seiya blieb stehen und drehte sich ganz zu ihr. Mit der freien Hand drückte er sanft ihr Kinn nach oben und zwang sie so, ihn anzusehen. In ihren Augen spiegelten sich die Lichter um sie herum. Ihre Wangen waren gerötet. Vorsichtig legte er seine Hand an ihre Wange und strich mit seinem Daumen über ihre Haut. Er konnte es kaum fassen, als sich Bunnys Hand über seine legte und sich ihr Kopf leicht neigte, als würde sie sich an ihn schmiegen.

„Du bist wirklich mehr für mich als nur... einfach irgendein Freund“, fuhr sie fort, „ich meine... ich war vorher noch nie mit einem Jungen auf diese Art befreundet... du bist... mehr... also...“

„Schätzchen“, unterbrach Seiya sie und blickte ihr direkt in die Augen, „ich liebe dich.“

Sie schloss die Augen. Er spürte wir sich der Druck ihrer Hand auf seine verstärkte, bevor sie die Augen wieder öffnete. Sie sah beinahe verzweifelt aus.

„Seiya...“, stieß sie hervor, „ich wünschte wirklich, ich könnte...“

„Sag nichts...“, unterbrach er sie, während er einen Finger auf ihre Lippen legte. Er sah ihr noch für einen Moment in die Augen, bevor er sich zur ihr herunterbeugte und seine Lippen auf ihre legte. Er küsste sie zunächst ganz sanft. Als er merkte, dass sie sich nicht wehrte, verstärkte er den Druck auf ihre Lippen ein wenig. Er legte seine Arme um sie und zog sie näher an sich. Zu seiner Überraschung und unendlichen Freude, schlang sie ihre Arme um seinen Hals. Davon ermutigt öffnete er seine Lippen leicht und tastete sich mit seiner Zunge voran. Sie begann, den Kuss zu erwidern. Es war, als würde ihn ein Stromschlag durchfahren. Sein Herz raste in seiner Brust, er hatte Schmetterlinge im Bauch. Er vergaß alles um sich herum. Es gab nur noch Bunny und ihn.
 

Der Kuss dauerte eine kleine Ewigkeit. Sie konnten kaum voneinander lassen und es verging kaum eine Sekunde, in der ihre Lippen voneinander getrennt waren, bevor sie erneut zu einem Kuss verschmolzen. Es raubte Bunny den Atem. So war sie noch nie zuvor geküsst worden. Es lag so viel Liebe und Leidenschaft in dem Kuss. Sie war sich sicher, wenn Seiya sie nicht halten würde, würden ihre Knie nachgeben. In diesem Moment gab es nichts, was sie davon abhalten konnte, diesen Kuss zu genießen. Es zählten nur Seiya und sie, als wären sie die einzigen Menschen auf der ganzen Welt.

Vorsichtig löste Seiya seine Lippen von ihren, hielt sie jedoch weiter fest an sich gedrückt. Seine Stirn lag auf ihrer und er sah sie mit glasigen Augen und sichtlich erhitzt an.

„Ich liebe dich“, wiederholte er mit rauer Stimme. Sie bekam kaum Luft.

„I-ich...“, stotterte sie, „ich... liebe dich auch...“

Sie spürte, wie Seiya der Atem stockte. Er löste sich etwas von ihr, um sie besser ansehen zu können, als würde er in ihren Augen nach Bestätigung suchen. Doch schon nach einem kurzen Augenblick zog er sie wieder an sich und küsste sie erneut. Bunny konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie hatte es getan. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn auch liebte. Sie konnte gar nicht über die Konsequenzen nachdenken, denn alles, was sie in diesem Moment spürte, war pures Glück.
 

Auf ihrem Futon in dem Zimmer, das sie sich mit ihren Freundinnen teilte, lag ihr Handy, auf dessen Display eine neue Nachricht von Mamoru angezeigt wurde.

To make things right, you need someone to hold you tight

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie und Seiya sich von den anderen entfernt hatten. Es hätten 20 Minuten sein können oder zwei Stunden. Aber es war ihr auch egal. Selbst wenn sie zu spät zurück in ihrer Jugendherberge wären und Ärger bekämen, es war egal. In diesem Moment gab es viel Wichtigeres. Dieser eine Moment könnte ihr ganzes Leben verändern.

Sie hatte Angst. Sie hatte Schuldgefühle. Und dennoch verspürte sie immer noch dieses Glücksgefühl, das sie gepackt hatte, als Seiya sie geküsst hatte.

Sie lag in seinen Armen und atmete seinen sauberen Duft ein, fühlte die Wärme seines Körpers durch sein Shirt und spürte seinen regelmäßigen Atem.

„Schätzchen...“, murmelte er und drückte sie noch einmal fest an sich, bevor er sich leicht von ihr löste, um sie anschauen zu können, „...ist das wirklich wahr?“

Sie nickte zunächst nur, bevor sie den Mund öffnete: „Ja.“

„Wie...? Ich meine... wann? Also...“

Bunny schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht...“, sagte sie leise, „es... ist einfach so passiert. Ich weiß es selbst nicht...“

Seiya schluckte. Er zögerte.

„Und... was bedeutet das jetzt?“, fragte er mit unsicherer Stimme. Erneut schüttelte sie den Kopf.

„Ich weiß es nicht...“, wiederholte sie. Sie bemerkte, dass ihre Augen feucht wurden. Schnell versuchte sie, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln.

Seiya biss sich auf die Lippe und schien nachzudenken.

„Was ist mit Mamoru?“, fragte er schließlich widerwillig, „Liebst du ihn auch?“

Sie zögerte. Diese Frage hatte sie sich in letzter Zeit selbst sehr oft gestellt.

„Mamoru und mich verbindet sehr viel...“, begann sie vorsichtig, „du kennst die Geschichte... wir haben viel zusammen durchgemacht... in unseren vergangenen Leben... in der Gegenwart... und... wir haben bereits gesehen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen soll... Wir... sollen ein gemeinsames Kind haben.“

Bei dem Gedanken an Chibiusa stiegen wieder die Tränen in ihr hoch. Sie brauchte einen Moment, um weitersprechen zu können, und war Seiya sehr dankbar, dass er nichts sagte und nur darauf wartete, dass sie fortfuhr.

„Ich habe Mamoru immer sehr geliebt, ich wollte mein Leben mit ihm verbringen... Aber... vor einem Jahr... als Galaxia aufgetaucht ist... und Mamoru verschwunden ist... und ich dich und auch Taiki und Yaten getroffen habe... da hat sich alles verändert. Er war so lange weg, ohne dass ich etwas von ihm gehört habe. Natürlich konnte er nichts dafür, aber... es war danach einfach nicht mehr das Gleiche. Ich hatte das Gefühl, als wären wir uns einfach nicht mehr so nahe wie vorher... Und... während er weg war... da warst du immer für mich da und wir sind uns so nahe gekommen. Ich... ich wäre damals nie auf die Idee gekommen, dass ich mich in dich verlieben könnte... ich hatte doch Mamoru. Aber... jetzt... jetzt ist alles anders.“

Bunny hatte Schwierigkeiten, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Seiya schwieg noch immer und gab ihr damit die Zeit, die sie benötigte, um nachzudenken.

„Ich dachte immer, Mamoru und ich seien füreinander bestimmt… Aber vielleicht ist das gar nicht so. Ich meine… Vielleicht war es so, aber… Irgendwie glaube ich, dass wir doch nicht so gut zueinanderpassen. Ich habe schon oft gedacht, dass ich Mamoru gar nicht verdient habe, weil er doch so intelligent und erwachsen ist und ich… naja…“

Seiya konnte kaum glauben, was er hörte. Sie dachte, SIE hätte IHN nicht verdient? Seiner Meinung nach, war es genau anders herum.

„Schätzchen…“, unterbrach er sie, um zu protestieren, doch sie bedeutete ihm, dass sie noch mehr zu sagen hatte. Er schwieg.

„Mein Blick auf unsere Beziehung hat sich in letzter Zeit ganz schön verändert, weißt du? Ich denke nicht mehr, dass ich ihn nicht verdient habe, sondern vielmehr, dass… wir einfach nicht so gut zueinander passen. Wir sind so unglaublich unterschiedlich. Vielleicht haben Serenity und Endymion damals zueinander gepasst, aber wir sind nicht nur Serenity und Endymion. Wir sind auch Bunny Tsukino und Mamoru Chiba. Und wir leben nicht in der Vergangenheit, sondern jetzt. Ich bin nicht nur die Mondprinzessin, sondern auch die Tochter von Ikuko und Kenji Tsukino. Verstehst du?“

Seiya nickte nachdenklich.

„Und?“, fragte Seiya, nachdem er ihre Worte ein wenig verarbeitet hatte, „Liebt Bunny Tsukino Mamoru Chiba?“

Bunny lächelte traurig.

„Das hat sie mal“, antwortete sie, „aber jetzt liebt sie Seiya Kou.“

Erst als sie das ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, was sie da eigentlich sagte. Sie lief schlagartig rot an, doch Seiya strahlte sie an.

„Und Seiya Kou liebt Bunny Tsukino“, sagte er lachend, zog sie an sich und küsste sie erneut. Als sie sich wieder voneinander lösten, sah Bunny ihn ernst an.

„Seiya…“, begann sie und wirkte verzweifelt, „ich liebe dich wirklich, aber… ich brauche noch etwas Zeit.“

„Wegen Mamoru?“, fragte er und versuchte, sich verständnisvoll zu zeigen. Trotzdem konnte er nicht gänzlich verhindern, dass der Ärger und die Angst erneut in ihm aufstiegen.

„Ja… Nein…“, erwiderte Bunny unsicher, „also… irgendwie schon, aber… Seiya… du hast keine Ahnung, was ich die letzte Zeit durchgemacht habe… Ich weiß, ich habe dir immer und immer wieder wehgetan und das tut mir so unendlich leid. Weißt du, wenn es nur um Mamoru und mich ginge, dann wäre das alles so viel einfacher. Ich glaube, dann hätte ich mich schon längst für dich enschieden. Aber es geht eben auch… um Chibiusa.“

Seiya rutschte das Herz in die Hose. Natürlich ging es auch um Chibiusa. Aber wir sollte er dagegen gewinnen? Konnte er das überhaupt?

„Schätzchen“, sagte er verzweifelt, „gibt… es überhaupt eine Chance für mich? Für uns?“

Es dauerte etwas, bis Bunny antwortete. Einige Sekunden sah sie ihm nur in die Augen.

„Ich möchte, dass es eine Chance gibt“, erwiderte sie schließlich.

Er sah sie mit gerunzelter Stirn an und dachte über ihre Worte nach. Was bedeutete das? Gab es eine Chance? Oder hieß das nur, dass sie es sich zwar auch wünschen würde, es aber unmöglich war? Ihm fiel auf, dass dies nicht das erste Mal war, dass sie seiner Frage ausgewichen war. Er seufzte und ließ ihre Hand los, die er die ganze Zeit gehalten hatte. Schweren Herzens drehte er sich von ihr weg und trat einen Schritt von ihr weg. Er blickte auf den Fluss, auf dem die Lichter der Umgebung glitzerten, und versuchte, seine Gedanken und Gefühle zu sortieren.

„Seiya“, sagte Bunny und trat neben ihn. Sie griff nach seinem Ärmel und hielt sich daran fest. Sie sah ihn mit verzweifeltem Blick an, sagte jedoch nichts. Er seufzte erneut.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du dich niemals von ihm trennen wirst“, sagte er schließlich.

„…vielleicht habe ich das schon“, erwiderte sie zögerlich. Überrascht sah er sie an.

„Wie meinst du das?“

„Nachdem ihr letzte Woche diese Auseinandersetzung hattet, als er dich… geschlagen hat… da bin ich doch zu ihm“, erinnerte sie ihn, „wir haben uns gestritten und jetzt machen wir grad so eine Art… Beziehungspause.“

„Eine Beziehungspause?“, hakte er nach. Sie nickte.

„Ja… Wir kommen momentan überhaupt nicht miteinander zurecht. Und da hat er eine Beziehungspause vorgeschlagen. Und ich hielt das für eine gute Idee, damit… ich schauen kann, was ich eigentlich wirklich möchte.“

„Und in diesem Moment?“, fragte er, „Was möchtest du in diesem Moment?“

Sie ließ seinen Ärmel los, fuhr mit ihrer Hand seinen Arm hinab und ergriff seine Hand. Sie brachte ihn dazu, sich zu ihr zu drehen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, reckte sich ihm entgegen und gab ihm einen sanften Kuss, der ihn förmlich zum Schmelzen brachte.

„In diesem Moment…“, flüsterte sie, „möchte ich nur dich.“
 

„Da seid ihr ja endlich!“, rief Minako Bunny und Seiya entgegen, als sie an der Jugendherberge ankamen. „Frau Kajiwara ist schon mächtig sauer!“

Tatsächlich waren die beiden zu spät zurückgekehrt. Sie hätten schon vor einer Stunde zurück sein sollen. Da Bunny ihr Handy in ihrem Zimmer zurückgelassen hatte, hatte sie gar nicht mitbekommen, dass ihre Freunde verzweifelt versucht hatten, sie zu erreichen. Seiya hingegen hatte sein Handy abgestellt, weil er keine Lust auf weitere unangenehme Anrufe gehabt hatte, wie es der von Rika Osawa gewesen war.

„Usagi Tsukino!!“, hörten sie die wutentbrannte Stimme ihrer Lehrerin, „Seiya Kou!! Wo sind Sie gewesen?? Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?? Können Sie sich vorstellen, was für Sorgen wir uns gemacht haben, als Sie einfach nicht aufgetaucht sind und Ihre Freunde Sie nicht mal telefonisch erreichen konnten?? Wozu habt ihr Jugendlichen eigentlich alle eure Handys, wenn nicht für solche Situationen???“

„Entschuldigen Sie, Frau Kajiwara“, sagte Seiya, als die Lehrerin mal eine Pause machen musste, um Luft zu holen. Er schaffte es, tatsächlich reumütig auszusehen.

„Mir tut es auch leid“, warf Bunny schnell ein und senkte geknickt den Blick.

„Was haben Sie sich nur dabei gedacht?“, fragte Frau Kajiwara nur wenig besänftigt.

„Wir haben uns verlaufen“, erwiderte Seiya sofort. Eine glatte Lüge.

„Wir waren mit den anderen unterwegs und auf einmal waren alle weg“, stieg Bunny sofort darauf ein.

„Am Anfang haben wir noch versucht, die anderen wiederzufinden“, fuhr Seiya fort, „aber irgendwann hatten wir einfach keine Ahnung mehr, wo wir waren, und haben nur noch versucht, hierher zurückzufinden.“

„Ich hab mein Handy im Zimmer vergessen“, sagte Bunny bedauernd.

„Und bei mir ist der Akku dummerweise leer“, fügte Seiya hinzu.

Frau Kajiwara atmete einmal tief durch.

„Frau Tsukino, ich muss ja gestehen, dass ich von Ihnen kaum etwas anderes erwartet habe, aber bei Ihnen, Herr Kou, sieht die Sache schon ganz anders aus. Gerade von Ihnen hatte ich erwartet, dass Sie wüssten, wie gefährlich es sein kann, wenn Sie alleine unterwegs sind und das auch noch um diese Zeit. Sie sind eine Person des öffentlichen Lebens und es ist ein Wunder, dass Sie bisher noch keine Unannehmlichkeiten mit irgendwelchen… Fans oder so auf dieser Reise hatten. Ihnen sollte bewusst sein, dass Sie mit solchen Aktionen sich selbst und auch Ihre Mitschülerin hier in Gefahr bringen.“

Bunny und Seiya sahen mittlerweile tatsächlich geknickt aus. Gerade Seiya hätte es nicht ertragen können, wenn er Bunny, wie Frau Kajiwara es ihnen gerade vorhielt, tatsächlich in Gefahr gebracht hätte.

„Nehmen Sie ein Bad und begeben Sie sich augenblicklich auf Ihre Zimmer. Eine angemessene Strafe erhalten Sie, wenn wir zurück in Tokio sind.“

„Ja, Frau Kajiwara“, antworteten Bunny und Seiya im Unisono. Sie eilten an ihrer Lehrerin vorbei in die Herberge. Schweigend liefen sie den Flur entlang und die Treppe hinauf, wo ihre Zimmer lagen. Als sich ihre Wege trennten – rechts ging es zu den Zimmern, die die Jungen belegten, links zu den Mädchen – warfen sie sich nervös einen Blick zu.

„Gute Nacht Seiya“, murmelte Bunny verlegen.

„Nacht, Schätzchen“, erwiderte Seiya. Er sah sich kurz um und gerade als Bunny sich wegdrehte, griff er nach ihrem Handgelenk und hielt sie zurück. In dem Moment, als sie sich ihm wieder zuwandte, drückte er ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen. Er grinste sie noch einmal an, bevor er sie losließ und sich zum Gehen wandte. Bunny blieb noch einen Augenblick perplex stehen, bevor auch sie sich wieder umdrehte und ging.

Minako, die am Ende der Treppe stand und alles gesehen hatte, biss sich fest auf die Lippe, um nich laut aufzuschreien vor Freude.
 

Erst nachdem Bunny ein Bad genommen hatte und all den neugierigen Fragen ihrer Freundinnen mit einem „Nicht mehr heute, ich bin so müde!“ ausgewichen war, warf sie einen Blick auf ihr Handy. Tatsächlich zeigte es einen Haufen verpasster Anrufe von ihren Freundinnen an. Dann entdeckte sie noch etwas. Eine SMS von Mamoru. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose, als sie sie sah. Als sie die kurze Nachricht las, zog sich ihr Magen krampfartig zusammen. Ihr war kotzübel.

You and me alone, a secret kiss

Bunny tat diese Nacht kaum ein Auge zu. Zu viel schwirrte in ihrem Kopf herum. Seiya, Mamoru und nicht zuletzt auch Chibiusa. Nach wie vor hatte sie einfach keine Lösung. Dass sie Seiya liebte, hatte sie sich längst eingestehen müssen und sie hatte gemerkt, dass sie diese Gefühle auch nicht einfach unterdrücken konnte. Schon gar nicht nach dem, was am Abend zwischen ihnen passiert war. Sie spürte immer noch die Wärme seiner Lippen auf ihren, hatte immer noch seinen Duft in ihrer Nase. Ja, sie liebte ihn wirklich und sie wollte mit ihm zusammen sein. Das schlechte Gewissen plagte sie, als sie an die SMS von Mamoru dachte. Sie hatte nicht darauf geantwortet. Sie wusste nicht, was sie hätte schreiben sollen. Sie vermisste ihn nicht.

Als der Wecker klingelte, fühlte sie sich furchtbar. Sie hatte Kopfschmerzen, ihre Augen brannten, ihr Magen war flau und ihr Herz schien einen Takt zu schnell zu schlagen. Sie hatte die ganze Nacht nachgedacht, war jedoch immer noch nicht weiter als zuvor. Es gab einfach keine Lösung.

„Aufstehenszeit, Bunny!“

Minako stupste ihre Freundin sanft an.

„Mhmmm…“, machte Bunny lustlos. Sie hatte einen Arm über ihre Augen gelegt, da das Licht ihr in den Augen wehtat und auch ihre Kopfschmerzen nur verstärkte.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Makoto und beugte sich ebenfalls zu Bunny herüber.

„Ich hab nur schlecht geschlafen“, murmelte Bunny.

Ihre Freundinnen warfen sich vielsagende Blicke zu.

„Bunny, möchtest du uns nicht mal erzählen, was…“ versuchte Makoto es, wurde jedoch prompt von Bunny unterbrochen.

„Nein!“, sagte sie schnell und bemerkte die besorgten Blicke ihrer Freundinnen. „Nicht jetzt… später.“

„Na schön…“, seufzte Makoto und auch Ami und Minako hakten nicht weiter nach.

Langsam quälte Bunny sich aus ihrem Futon. Wahllos zog sie ein paar Klamotten aus ihrer Reisetasche und begann, sich umzuziehen. Sie brauchte drei Versuche, bis sie ihre Bluse richtig geknöpft hatte. Auch ihre Frisur wollte einfach nicht sitzen, bis sich Minako erbarmte und den linken Zopf so band, dass er nicht schlaff herunterhing. Erst das kalte Wasser, mit dem sie sich das Gesicht wusch, schaffte es, sie ein wenig wacher zu machen. Unter Einsatz abdeckenden Makeups schaffte sie es sogar, ihre Augenringe weniger sichtbar zu machen.

Schon auf dem Weg zum Frühstück merkte sie, wie stark ihr Herz in ihrer Brust klopfte. Gleich würde sie ihn sehen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit ihm umgehen sollte. Immerhin war zwischen ihnen immer noch so einiges ungeklärt. Als sie mit ihren Freundinnen den Frühstückssaal betrat, sah sie sich nervös um. Seiya war nicht zu sehen. Beinahe erleichtert, atmete sie auf. Auch wenn es unvermeidbar war, dass sie sich in kürzester Zeit begegnen würde, hatte sie das Gefühl, wenigstens noch ein bisschen Aufschub bekommen zu haben.

Obwohl sie eigentlich gar keinen rechten Appetit hatte, folgte sie ihren Freundinnen zum Buffet und nahm sich eine Schale mit Reis, etwas Ei, Fisch und Gemüse. Kaum hatte sie sich hingesetzt, erblickte sie zunächst Yaten und dann Taiki, die den Raum betraten. Fest davon ausgehend, dass im nächsten Moment auch Seiya durch die Tür kommen würde, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Doch von Seiya war nichts zu sehen. Yaten und Taiki schlenderten zum Buffet, beluden je ein Tablett mit ihrem Frühstück und kamen dann zu ihnen herüber.

"Morgen", grüßte Taiki sie zuerst und auch Yaten murmelte etwas vor sich hin, was wohl einen Morgengruß darstellen sollte.

"Morgen", erwiderten die Mädels im Unisono. Nach einem kleinen Seitenblick auf Bunny übernahm Minako die Frage, die allen auf der Zunge brannte.

"Wo ist Seiya?"

Taiki und Yaten tauschten einen Blick.

"Er meint, er hätte keinen Hunger", erklärte Taiki knapp, "und er kommt später nach."

Bunny dachte nach. Ob er ihr aus dem Weg ging? Sie hatte schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie sie ihm an diesem Morgen begegnen sollte, ganz besonders, da die anderen ja auch da waren. Kurzerhand fasste sie einen Entschluss. Schnell schaufelte sie ihr Frühstück in sich hinein und sprang dann auf.

"Ich muss nochmal aufs Zimmer", behauptete sie und ging, bevor auch nur einer den Mund öffnen konnte.
 

Natürlich suchte sie nicht ihr eigenes Zimmer auf. Mit klopfendem Herzen ging sie am oberen Ende der Treppe nicht nach links zu den Zimmern der Mädchen, sondern nach rechts. Als sie vor der Tür zu dem Zimmer, das Seiya sich mit Yaten und Taiki teilte, stand, hielt sie den Atem an. Es brauchte all ihren Mut, um die Faust zu heben und an die Tür zu klopfen.

"Ja?", hörte sie von innen. Nervös öffnete sie die Tür. Seiya saß aufgerichtet auf seinem Futon, die Decke bis zu seinen Hüften.

„Hey...“, begrüßte Bunny ihn etwas schüchtern und hielt sich an der Klinke der offenen Tür fest.

„Schätzchen!“, rief Seiya überrascht aus. Er war heilfroh, dass er, wenn er auch noch nicht richtig angezogen war, zumindest schon die Haare gekämmt und die Zähne geputzt hatte.

„Darf ich reinkommen?“, fragte Bunny leise.

„Klar“, antwortete er sofort, obwohl er sie eigentlich lieber gebeten hätte, ihm eine Minute Zeit zu geben, um sich wenigstens noch eine Hose anzuziehen.

„Danke.“ Sie trat ein, schloss leise die Tür und stand dann etwas unschlüssig im Raum herum. Sie wusste nicht, ob sie sich setzen sollte oder lieber stehen blieb, da es abgesehen vom Boden und den drei Futons keine Sitzgelegenheiten gab. Seiya nahm ihr diese Entscheidung ab.

„Setz dich“, forderte er sie auf, setzte sich anders hin und zeigte dann auf das Fußende seines Futons.

„Danke“, sagte sie erneut und setzte sich neben Seiya. Sie überlegte, was sie sagen sollte.

„Was gibt’s?“, fragte Seiya und wirkte ebenfalls ein wenig nervös.

„Ich ähm... naja“, druckste Bunny herum. „Ich dachte einfach, es wäre vielleicht gut, wenn wir kurz miteinander reden würden? Wegen... also... wegen gestern...“

„Okay“, stimmte Seiya zu und wartete weiter ab. Bunny holte einmal tief Luft.

„Also... ich... hab den anderen noch nichts davon erzählt und... weiß irgendwie nicht so richtig, wie ich jetzt mit dir umgehen soll“, gestand sie. Sie hoffte inständig, dass er sie verstehen würde.

„Oh... hm...“, machte er, „also... ich hab Yaten und Taiki eigentlich auch nichts erzählt. Nur dass es vielleicht doch ein bisschen Hoffnung für mich gibt.“

Er grinste schief.

„Aber keine Sorge“, fügte er schnell hinzu, „ich habe sie gebeten, nicht darüber zu reden.“

„Oh, okay.“ Das erleichterte sie doch etwas. Ihre Freundinnen sollten wenn dann schon von ihr persönlich davon hören. Sie spürte Seiyas Blick. Sie hatte es noch kein einziges mal geschafft, ihn direkt anzusehen. Ihr Blick war fest auf ihre Füße gerichtet.

„Schätzchen...“ Sie hörte die Sorge in Seiyas Stimme. Sie zwang sich aufzusehen. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Bereust du, was gestern passiert ist?“

„Was? Nein!“, antwortete sie sofort. Die Frage überraschte sie sehr. Wie kam er darauf? Er griff nach ihrer Hand.

„Wirklich nicht?“, hakte er nach.

„Wirklich nicht!“, bestätigte sie und drückte seine Hand. „Seiya... ich weiß, dass das alles momentan ziemlich schwierig ist und... es tut mir wirklich leid, dass ich mich immer noch nicht richtig festlegen kann... Aber das liegt nicht an dir. Das verstehst du doch, oder?! Ich meine... ich hab dir gestern gesagt, dass ich... dich liebe... und ich hab das ernst gemeint...“

Ihre Wangen glühten. Seiya zu sagen, was sie für ihn empfand, war immer noch absolut nervenaufreibend. Vorsichtig sah sie ihn an. Er lächelte leicht.

„Ich verstehe es“, sagte er, „und ich bin froh, dass du es nicht bereust. Für mich war das gestern der schönste Moment meines Lebens.“

Es versetzte ihr einen kleinen Stich ins Herz, das zu hören. Obwohl sie ihm hatte sagen müssen, dass sie sich wegen Chibiusa immer noch nicht auf ihn einlassen konnte, bezeichnete er es als den schönsten Moment seines Lebens.

„Seiya...“ Sie richtete sich etwas auf, schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Es dauerte nicht lange, da spürte sie, wie sich seine Arme auch um sie legten. Für einen Moment hielten sie sich einfach nur fest, doch plötzlich spürte sie, wie Seiya sich nach hinten fallen ließ und sie einfach mitzog, sodass sie nun halb auf ihm lag.

„Hey!“, beschwerte sie sich halbherzig, „Was machst du denn?“

„Ich hab die Nacht kaum geschlafen und bin sooo müde“, murmelte er in ihre Haare, „lass uns ‘ne Runde schlafen.“

Das klang tatsächlich sehr verlockend. Sie selbst hatte schließlich auch kein Auge zugetan und war ebenfalls sehr müde. Doch sicherlich würden Taiki und Yaten bald zurückkommen und sie hatten immer noch nicht darüber geredet, wie sie sich jetzt verhalten sollten.

„Das geht leider nicht“, widersprach sie und versuchte sich wieder aufzurichten. Vergebens. Seiya hielt sie fest.

„Mhmmm“, machte er nur und machte keinerlei Anstalten, sie loszulassen.

„Seiya!“, protestierte sie.

„Gib mir einen Kuss und ich lass dich los.“

„Was?“

„Du hast mich schon verstanden.“ Er grinste. Bunny zögerte kurz. Ihr Herz schlug schnell in ihrer Brust. Doch sie entschloss sich, mitzuspielen. Langsam beugte sie sich zu ihm herunter und legte die Lippen auf seine. Sie hatte vorgehabt, ihm nur einen kleinen Schmatzer auf den Mund zu geben, doch als sie merkte, wie er den Kuss erwiderte, seine Lippen leicht öffnete und der Kuss langsam immer intensiver wurde, konnte sie ihm nicht widerstehen. Mit der rechten Hand fuhr er ihr den Nacken entlang hinunter bis zu ihrer Taille.

Für einen Moment vergaß sie vollkommen, dass sie für so etwas eigentlich keine Zeit hatten, dass sie mit ihm reden wollte, dass sie auf Klassenfahrt waren und dass Taiki und Yaten jeden Moment hereinkommen konnten. Doch Seiya hielt sein Versprechen. Nachdem er sie noch einmal fest an sich gezogen hatte, löste er den Kuss und ließ sie los. Beinahe schon ein wenig enttäuscht richtete sie sich auf und auch er nahm wieder eine aufrechte Position ein. Sie räusperte sich und versuchte, ihre Verlegenheit zu überspielen.

„Du wolltest noch mit mir reden?“, kam er ihr zuvor.

„Ja“, bestätigte sie, „also... ich hab den anderen wie gesagt noch nicht erzählt, was passiert ist und... und sowieso glaube ich, dass es vielleicht besser wäre, das jetzt nicht so... öffentlich zu machen?“

Sie hatte Angst davor, Seiya wieder einmal zu verletzen. Angst, dass er böse sein könnte.

„Ist das eine Frage?“ Er lachte. „Selbstverständlich können wir das nicht öffentlich machen.“

„Du verstehst das also?“, fragte Bunny erleichtert.

„Natürlich“, bestätigte er sofort. „Ich habe zwar Taiki und Yaten ein bisschen was erzählt, aber nur weil ich keine andere Antwort parat hatte, als Yaten mich gefragt hat, warum ich so dämlich grinse.“

Sie musste schmunzeln.

„Schätzchen... ich wünsche mir wirklich, dass wir irgendwann richtig zusammen sein können. Aber mir ist durchaus bewusst, dass das im Moment nicht der Fall ist. Es wäre absolut falsch, wenn wir uns jetzt wie ein verliebtes Pärchen benehmen würden. Nicht nur, weil du den anderen noch nichts erzählt hast. Es gibt so viele Gründe, die dagegen sprechen. Und ganz ehrlich... Falls du mich am Ende doch abservierst, möchte ich auch nicht unbedingt in aller Öffentlichkeit wie der arme, sitzengelassene Trottel aussehen.“

Er sagte das mit einem schiefen Grinsen. Eigentlich sollte es ein Spaß sein, doch es war beiden schmerzlich bewusst, dass die Möglichkeit, dass sie sich nicht für ihn entscheiden konnte, durchaus bestand. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Er seufzte.

„Mach dir keine Gedanken um mich, Schätzchen“, versuchte er, sie zu trösten. „Ich weiß, dass das sehr schwierig für dich ist. Aber allein zu wissen, dass du mich auch liebst, macht mich schon wahnsinnig glücklich. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Nichts wäre schlimmer für mich, als wenn du die Entscheidung, mit mir zusammen zu sein, irgendwann bereust.“

Ihr war schon wieder zum Heulen zumute. Sie brauchte einen Moment, um ihre aufsteigenden Tränen herunterzuschlucken.

„Danke, Seiya“, brachte sie irgendwann hervor, „dass du Verständnis hast.“

„Ist doch klar, Schätzchen“, erwiderte er, nahm ihre Hand und küsste sie. Schon von dieser kleinen Geste schmolz sie beinahe dahin. Wieso war er so verdammt süß? Sie betrachtete seine blauen Augen, sein schwarzes Haar und seine glatte Haut. Er lächelte leicht. Unwillkürlich beugte sie sich zu ihm und küsste ihn. Er schien kurz überrascht, ließ sich aber nur zu gern auf den Kuss ein.

Plötzlich öffnete sich die Tür. Erschrocken fuhren Bunny und Seiya auseinander, doch zu spät. Yaten starrte sie mit großen Augen an, bevor er das breiteste Grinsen zeigte, das Bunny je an ihm gesehen hatte.

„Ups!“

If you had the time to lose, an open mind and time to choose...

„Ich muss zurück in mein Zimmer!“, rief Bunny mit hochrotem Kopf, sprang auf und lief eilig an Yaten vorbei aus der Tür. Yaten sah ihr kurz nach, bevor er die Tür schloss und sich grinsend Seiya zuwandt.

„Soso...“, sagte er neckisch, „Ihr habt nur miteinander geredet, nehme ich an. So wie gestern?“

„Halt die Klappe“, forderte Seiya, der nicht halb so verlegen war wie Bunny.

„Jetzt mal ehrlich, seid ihr jetzt zusammen oder was?“, fragte Yaten. Seiya seufzte.

„Schön wär’s“, antwortete er.

„Also macht ihr einfach nur so ein bisschen rum?“ Yaten konnte nicht widerstehen, seinen Bruder ein wenig aufzuziehen. Nachdem er die beiden so zusammen gesehen hatte und mit der Information, die er von Minako hatte, dass Bunny und Mamoru zur Zeit eine Art Beziehungspause einlegten, konnte er sich fast schon denken, was zwischen den beiden am Abend zuvor geschehen war.

„Halt die Klappe!“, forderte Seiya erneut. Yaten hob abwehrend die Hände.

„Reg dich ab“, sagte er immer noch grinsend. „Ich weiß Bescheid.“

„Was?“ Seiya sah ihn skeptisch an. Er zuckte mit den Schultern.

„Minako hat mir erzählt, dass Bunny und Mamoru gerade eine Beziehungspause machen“, erklärte er. „Ich gehe davon aus, dass ihr euch gestern mal ein bisschen ausgesprochen habt und Bunny dir dabei von ihren Gefühlen erzählt hat... dass sie auch in dich verliebt ist, meine ich. Und obwohl wegen Bunnys Zukunft und ihrem Kind immer noch nichts geklärt ist, könnt ihr jetzt einfach nicht die Finger voneinander lassen.“

„So ungefähr“, brummte Seiya. „Wissen die anderen das auch schon alle?“

„Ich weiß nicht“, erwiderte Yaten und dachte einen Moment nach. „Ich glaube, sie ahnen etwas, bin mir aber nicht sicher. Minako weiß es bestimmt schon längst, sie weiß immer alles. Ansonsten... Keine Ahnung.“

Seiya seufzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

„Erzähl’s nicht weiter, ja?“, bat er.

„Mal gucken“, erwiderte Yaten grinsend und konnte gerade so dem Kissen ausweichen, das Seiya nach ihm warf. Er lachte.

„Ist ja gut, ist ja gut“, gab er nach, „ich erzähle es nicht weiter! Aber was willst du jetzt machen?“

„Was meinst du?“ Seiya runzelte die Stirn.

„Wie soll es weitergehen? Macht ihr jetzt einen auf glückliches Pärchen und sobald Bunny wieder auf Mamoru trifft, geht alles auf einmal wieder den Bach runter?“

Seiyas Blick verfinsterte sich.

„Ich weiß es nicht“, gestand er, „Bunny ist, glaube ich, momentan total überfordert. Du kennst die Geschichte… Mamoru, Chibiusa, Zukunft… und auf der anderen Seite… ich.“ Er lachte verbittert auf. „Wenn ich das so sage, ist es eigentlich ganz eindeutig, wie sie sich entscheiden muss. Und dabei komme ich nicht besonders gut weg.“

„Aber offensichtlich kann sie sich nicht so einfach gegen dich entscheiden“, warf Yaten ein, der es schon wieder bereute, Seiya darauf angesprochen zu haben.

„Hm…“, machte dieser, „sie hat gesagt, sie wäre gern mit mir zusammen. Aber sie weiß nicht, ob das jemals passieren wird. Nicht wegen Mamoru, sondern wegen ihrer Tochter.“

„Also im Prinzip ihre eigenen Gefühle gegen das Leben ihrer Tochter…“, fasste Yaten zusammen.

„Ich hab keine Chance.“ Seiya vergrub das Gesicht in seinen Armen. Yaten sollte nicht sehen, dass sich bei diesem Gedanken, tatsächlich Tränen in seinen Augen sammelten.
 


 

Mamoru fühlte sich elend. Er hatte am Abend viel zu viel getrunken, hatte schlecht geschlafen und dann auch noch seinen Wecker überhört. Mit wahnsinnigen Kopfschmerzen und ohne die Zeit für eine belebende Dusche gehabt zu haben, war er zu spät in seine Vorlesung gekommen, die er sich eigentlich auch hätte sparen können, da er sich sowieso nicht konzentrieren konnte. So sehr er auch versuchte, seinem Dozenten zu lauschen, es schien unmöglich. Immer wieder drifteten seine Gedanken zu Bunny. Trotz all der Hektik am Morgen hatte er es nicht lassen können, wenigstens einen Blick auf sein Handy zu werfen – nichts. Bunny hatte nicht auf seine Nachricht geantwortet. Wut kochte in ihm hoch. Und Angst. Eifersucht. All das bewirkte, dass er sich hundeelend fühlte. Sein Magen rebellierte. Ruckartig stand er auf, klemmte seine Sachen unter den Arm und verließ den Hörsaal. Schnellen Schrittes ging er zur nächsten Herrentoilette und sperrte sich in eine der Kabinen ein. Gerade noch rechtzeitig. Er übergab sich.

Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn, als er, nachdem er die Klospülung betätigt hatte und den Deckel heruntergeklappt hatte, auf der Toilette saß. Was war nur los mit ihm? Wie konnte er sich nur so herunterziehen lassen? Wieso passierte das alles? Wieso musste er Angst haben, seine Freundin zu verlieren? Sie und er waren doch füreinander bestimmt! Das wusste jeder. Alles war nur die Schuld von diesem Seiya. Er hatte sich schon damals an seine Freundin herangemacht. Wer wusste schon, was damals genau zwischen den beiden gelaufen war? Während ihm, Mamoru, von Galaxia das Leben geraubt worden war, hatte Bunny sich mit Seiya vergnügt. Erneut wurde er wütend. Es hatte so gut getan, diesem widerlichen Popstar eine zu verpassen. Er wünschte, er hätte ihm noch eine mitgegeben, bis sein schönes Gesicht kaum wiederzuerkennen gewesen wäre.

Er schüttelte den Kopf. Was dachte er da nur? Er war doch sonst nie so gewesen. Er war absolut keiner dieser Schlägertypen, er verabscheute Gewalt. Nur bei Seiya, da konnte er sich einfach nicht beherrschen. Er hasste ihn einfach. Abgrundtief. Zwischen ihm und Bunny war immer alles gut gewesen, bis Seiya aufgetaucht war. Er hatte alles kaputtgemacht.

Er fühlte sich machtlos. Was sollte er nur tun, wenn Bunny sich wirklich endgültig von ihm trennte, um mit Seiya zusammen zu sein? Würde er das verkraften? Würde sein Stolz das verkraften?

Es verging eine ganze Weile, bevor er die Toilettenkabine wieder verließ. Er trat vor das Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. Er sah furchtbar aus. Blass. Der Schweiß, der mittleweile getrocknet war, ließ sein Gesicht klebrig und fettig erscheinen. Einige Strähnen seiner ungewaschenen Haare klebten ihm an der Stirn. Zudem hatte er tiefe Augenringe. Seufzend drehte er den Wasserhahn auf, wusch sich das Gesicht und trank auch etwas, um den immer noch anhaltenden Geschmack seines eigenen Erbrochenen etwas zu mildern. Nachdem er sich Hände und Gesicht mit mehreren Papiertüchern getrocknet hatte, drehte er sich um und ging. Er musste etwas machen.
 


 

Als Bunny ihr Zimmer betrat, erwartete sie eigentlich, dass ihre Freundinnen längst da sein würden. Doch der Raum war leer. Anscheinend waren sie noch nicht vom Frühstück zurückgekehrt. Vielleicht war nur Yaten früher gegangen?

Seufzend ließ sie sich auf ihrem Futon nieder. Wie peinlich, dass Yaten sie gesehen hatte! Bei dem Gedanken daran, wurde sie schlagartig wieder rot. Eigentlich hatte niemand von ihr und Seiya mitbekommen sollen!

Sie fühlte sich mies. Seiya machte sie wahnsinnig glücklich. Diese kleinen Plänkeleien, die sie miteinander hatten... so etwas hatte ihr mit Mamoru immer gefehlt. Er war immer lieb zu ihr gewesen, aber sie konnte sich an keine einzige Situation erinnern, in der sie einfach ein bisschen rumgealbert und gelacht hatten. Seiya war so anders. Er war viel offener, lockerer und zeigte ihr immer, wie sehr er sie liebte. War es ein Wunder, dass sie sich so zu ihm hingezogen fühlte? Und doch plagte sie das schlechte Gewissen. Sie und Mamoru hatten gerade eine Beziehungspause. Dennoch fühlte es sich an, als würde sie ihn einfach nur betrügen.

Sie dachte an die SMS, die er ihr geschrieben hatte, dass er sie vermisse. Sie fühlte sich schlecht, weil sie ihm nicht antwortete, weil sie ihn nicht vermisste. Sie nahm ihr Handy in die Hand und entdeckte eine weitere SMS. Sie war von Rei.
 

Ich hab gestern Mamoru

getroffen. Macht ihr echt

eine Beziehungspause?

Ich kanns gar nicht glauben!

Ist es das wirklich wert?

Was ist mit Chibiusa?
 

Unwillkürlich stiegen ein paar Tränen in ihr hoch. Rei brachte es auf den Punkt. Was war mit Chibiusa? Im Prinzip musste sie eine Entscheidung zwischen ihrem eigenen Glück und Chibiusas Leben treffen. Was gab es da großartig zu überlegen? Natürlich musste sie sich für Chibiusa entscheiden. Das war doch gar keine Frage, oder? Wieso fiel es ihr dann so schwer, sich ein für alle mal für Mamoru und damit Chibiusa zu entscheiden?

Weil sie Seiya liebte - ganz einfach.

Gerade versuchte sie, ihre Tränen wieder wegzuwischen, da öffnete sich die Tür und ihre Freundinnen kamen herein. Bei Bunnys Anblick stutzten sie.

„Oh Gott, Bunny!“, rief Makoto als erste aus und war mit wenigen großen Schritten bei ihr. Sie hockte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern.

„Was hast du denn?“

Auch Minako und Ami eilten herbei. Bunnys Tränen erschütterten vor allem Minako. Sie hatte am Abend zuvor den kleinen Abschiedskuss von Bunny und Seiya gesehen und hatte geglaubt, dass so langsam alles seinen Lauf nahm und Bunny glücklich sein würde.

"Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll...", schluchzte Bunny und ließ ihren Tränen freien Lauf.

"Was du machen sollst?", hakte Makoto nach, die nicht so recht wusste, was Bunny meinte.

"Mit Mamoru... mit Seiya... und mit Chibiusa...", brachte sie stockend heraus.

Bestürzt sahen ihre Freundinnen sie an. Darauf hatten sie auch keine Antwort.

„Ich bin total hin- und hergerissen“, fuhr sie fort, ohne eine Antwort bekommen zu haben. „Ich weiß überhaupt nichts mit meinen Gefühlen anzufangen. Ich... ich liebe Seiya... aber Mamoru ist der Vater von Chibiusa... ohne ihn wird es auch Chibiusa nicht geben.“

„Liebst du Mamoru denn auch noch?“, fragte Makoto, die es kaum mit ansehen konnte, wie ihre Freundin litt. Bunny zögerte einen Moment, bevor sie antwortete.

„Ich... es ist... kompliziert, ich meine... ich dachte immer, Mamoru sei meine große und einzig wahre Liebe, aber... seit Seiya hier ist... hat sich alles geändert... also... wenn Mamoru meine große Liebe ist, wie konnte ich mich dann in Seiya verlieben?“

„Ich weiß genau, was du meinst“, unterstützte Minako sie, „ein weiser Mann hat mal gesagt: Wenn du zwei Personen zur gleichen Zeit liebst, dann nimm die zweite. Denn wenn du die erste wirklich lieben würdest, gäbe es die zweite gar nicht.“

„Wer hat das gesagt?“, fragte Ami skeptisch.

„Johnny Depp!“, antwortete Minako zufrieden.

„Minako...“, setzte Ami an, doch Makoto unterbrach sie.

„Er hat doch recht! Oder?“

„Sag ich ja“, stimmte Minako zu, „Bunny, ich glaube auch, Mamoru ist gar nicht deine große Liebe... Vielleicht wäre er das gewesen, wenn du Seiya nicht kennengelernt hättest, aber so hat sich eben gezeigt, dass es jemanden gibt, den du noch mehr lieben kannst und dagegen erblasst deine Liebe zu Mamoru eben total!“

„Aber wir haben die Zukunft doch schon kennengelernt!“, erwiderte Bunny verzweifelt, „Ihr habt es doch gesehen! Mamoru und ich sollten heiraten und zusammen Crystal Tokyo regieren! Und Chibiusa kann ohne Mamoru nicht geboren werden!“

„Und was ist, wenn die Zukunft sich schon längst verändert hat?“, warf Ami grübelnd in den Raum. Die anderen sahen sie schweigend an.

„Mit Zeitreisen beschäftigt sich die Menschheit schon seit geraumer Zeit“, holte Ami aus, „Sowohl in der Literatur als auch in der Physik. Etliche Theorien sind dazu entstanden! 1949 entdeckte zum Beispiel der österreichisch-amerikanische Mathematiker und Philosoph Kurt Gödel, dass eine Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie, bei der das Universum rotiert, das Zurückkehren eines Objekts in seine eigene Vergangenheit ermöglicht.“

Ihre Freundinnen sahen sie verständnislos an. Ami wurde leicht rot, bevor sie fortfuhr.

„Ist auch egal… jedenfalls… in jedem Buch, das man über Reisen in die Vergangenheit liest, heißt es ganz eindeutig, dass man unter keinen Umständen etwas verändern darf und niemand einen sehen sollte, der einen womöglich in der Zukunft kennen könnte.“

Noch immer schwiegen die anderen.

„Was ich sagen möchte, ist, dass Chibiusa mit ihrer Reise in die Vergangenheit, also unsere Gegenwart, vielleicht schon etwas verändert hat! Das halte ich durchaus für möglich! Für jedes Ereignis gibt es eine Kausalkette und auch wenn uns die Zusammenhänge nicht klar sind, wäre es durchaus möglich, dass wir, wenn Chibiusa nicht zu uns gekommen wäre, die Starlights gar nicht kennengelernt hätten. Vielleicht wäre Prinzessin Kakyuu nie zur Erde geflohen und dann wären auch die Starlights nie hergekommen.“

Die Mädchen mussten Amis Worte für einen Moment verdauen.

„Was bedeutet das, Ami?“, fragte Bunny schließlich mit zitternder Stimme.

„Das bedeutet, dass die Zukunft, die wir gesehen haben, eventuell so gar nicht mehr existiert.“

Trapped in yourself, break out instead

Setsuna stützte sich mit den Armen auf das Geländer einer Brücke, die sich über einen kleinen Fluss spannte und schaute nachdenklich auf das Wasser, auf dem sich die Morgensonne glitzernd spiegelte. Unter der Woche kam selten jemand in den kleinen Park und so zog sie sich gerne hierher zurück, um nachzudenken. Nach ihrem letzten Streitgespräch mit Haruka und Michiru - wobei Michiru sich eigentlich eher zurückgehalten hatte - hatte sie beschlossen, vorerst noch nicht mit der Prinzessin zu reden. Das Schicksal würde so oder so ihren Lauf nehmen, doch sah sie ihre Prinzessin, ihre zukünftige Königin nicht gerne leiden. Ihre eigenen Gefühle spielten dabei gar keine Rolle. Sie dachte an die kleine Lady und lächelte wehmütig. Egal, was sie tat oder sagte, diese Entscheidung musste die Prinzessin selbst treffen. Und niemand wusste so gut wie Setsuna, dass ihr Herz dies bereits getan hatte.
 

Ihre Augen waren noch leicht gerötet, als Bunny zusammen mit ihren Freundinnen die Jugendherberge verließ und sie sich zu ihren Mitschülern gesellten, die allesamt darauf warteten, dass das Tagesprogramm startete. Verunsichert sah sie sich nach Seiya um. Sie entdeckte ihn zusammen mit Yaten und Taiki einige Meter entfernt im Schatten eines Baumes. Er hatte sie wohl schon länger angesehen, denn als er ihren Blick auffing, zuckte er kurz zusammen, lächelte leicht und drehte sich dann schnell weg. Auch Bunny wandte sich wieder ihren Freundinnen zu. Es war eigenartig. Manchmal waren sie und Seiya so vertraut miteiander - redeten, lachten, küssten sich - und manchmal wusste keiner von beiden so recht, wie er mit dem anderen umgehen sollte.

Sie blinzelte mehrmals, als sie in die helle Sonne sah. Sofort begannen ihre Augen zu tränen und sie musste niesen. Müde rieb sie sich mit beiden Händen die Augen. Es würde ein anstrengender Tag werden. Kyoto war eine wunderschöne Stadt und auch das Wetter war perfekt. Sie hätte das alles eigentlich viel mehr genießen müssen. Doch das war momentan einfach unmöglich. Obwohl sie versuchte, ihre Gedanken zu verdrängen, musste sie doch immer wieder über alles nachdenken, wobei ihr abwechselnd Seiya, Mamoru und Chibiusa in den Sinn kamen. Auch Amis Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf: „Das bedeutet, dass die Zukunft, die wir gesehen haben, eventuell so gar nicht mehr existiert.“

Sie war sich nicht sicher, was sie damit anfangen sollte. Was sollte das heißen? Dass es zu spät war? Dass Chibiusa, egal wie sie sich entschied, sowieso nicht geboren werden würde? Bei diesem Gedanken hatte sie jedes Mal einen Kloß im Hals und hatte Mühe damit, ihre Tränen runterzuschlucken.

Sie bekam die Gespräche ihrer Freundinnen kaum mit und das änderte sich auch den ganzen Tag nicht. Sie war tief in Gedanken versunken und die meiste Zeit ließen ihre Freundinnen sie in Ruhe. Sie wussten genau, was gerade in Bunny vor sich ging und hatten jede für sich beschlossen, dass sie ihr ihre Zeit geben wollten. Auch Seiya hielt sich den Tag über eher von ihr fern. Auch er merkte, dass sie mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war und er wusste besser als jeder andere, worum es dabei ging.
 

Völlig erschöpft ließ Bunny sich auf einer Bank nieder und streckte die Beine aus. Den ganzen Tag herumzulaufen, war sowieso nicht gerade Bunnys Stärke, aber momentan fühlte sie sich zusätzlich schlapp durch den Schlafmangel und ihre verfahrene Situation. Es war 18 Uhr und die Schüler und Schülerinnen der 11. Klasse der Juban Oberschule hatten das Tagesprogramm ihres dritten Tags in Kyoto hinter sich gebracht. Den Rest des Abends durften sie selbst gestalten. Die meisten hatten sich schon in kleinen Grüppchen zusammengefunden und waren auf der Suche nach einem geeigneten Lokal, um möglichst gut und dabei gleichzeitig günstig zu essen.

Bunny hatte eigentlich gar keinen Appetit, obwohl sie merkte, dass ihr Magen leer war. Wie selbstverständlich hatten sie sich in ihrer Gruppe bestehend aus den vier Mädchen und drei Jungen zusammengefunden. Minako, Yaten und Seiya wollten, bevor sie alle etwas essen gingen, noch die Toilette aufsuchen, weshalb die anderen gerade auf sie warteten. Ami und Makoto waren in ein Gespräch mit Taiki vertieft. Bunny schloss für einen Moment die Augen. Sie spürte eine Bewegung neben sich und noch ehe sie sich dazu entschließen konnte, nachzuschauen, hörte sie eine Stimme, die eine angenehme Nervosität in ihr auslöste.

„Alles in Ordnung, Schätzchen?“

Langsam öffnete sie die Augen und lächelte Seiya beruhigend an.

„Ich bin nur etwas müde“, erklärte sie, obwohl sie beide wussten, dass es viel mehr als das war.

„Ich auch“, stimmte er ihr zu und gähnte wie zur Demonstration. Keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte und so saßen sie schweigend nebeneinander. Es dauerte nicht lange, bis auch Yaten und schließlich Minako zurückkamen.

„Und wo gehen wir jetzt hin?“, fragte Minako heiter.

„Ehrlich gesagt bin ich hundemüde“, erwiderte Seiya mit einem Seitenblick auf Bunny, „ich glaube, ich würde gern nur noch schnell was essen und dann zurück in die Jugendherberge.“

„Ich auch“, warf Bunny schnell ein, dankbar, dass sie die Chance bekam, sich früh zurückzuziehen, ohne es selbst ansprechen zu müssen.

„Das heißt natürlich nicht, dass wir alle so früh zurückgehen müssen“, fügte Seiya schnell hinzu, als er Minakos unwilligen Gesichtsausdruck sah.

„Na gut“, erwiderte Minako zögernd, „dann können wir uns nach dem Essen ja auch aufteilen?“

„Warum nicht?“, entgegnete Makoto.

„Gut, dann lasst uns schnell was essen.“ Seiya war froh, dass die anderen seinen Vorschlag angenommen hatten. Er selbst war zwar auch wirklich müde, aber nachdem er Bunny den ganzen Tag beobachtet hatte, wusste er, dass sie ein wenig Ruhe auf jeden Fall gebrauchen konnte.

Etwa eine Stunde später - ganz so hetzen wollte er dann doch nicht - machte er sich zusammen mit Bunny auf den Weg zurück in die Jugendherberge. Es war bereits dunkel, doch die Lichter der Stadt erhellten die Umgebung. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Er war überrascht, als sie schließlich das Schweigen brach.

„Seiya?“ Sie klang zögerlich.

„Ja?“, erwiderte er fragend.

„Glaubst du an das Schicksal?“, fragte sie ohne ihn anzusehen.

„An das Schicksal?“, wiederholte er überrascht. Er dachte kurz darüber nach. „Ich weiß nicht genau... wieso fragst du?“

„Seit ich 14 war und zum ersten Mal zu Sailor Moon geworden bin, habe ich immer wieder darüber nachgedacht. Was ist Schicksal? Und wie sehr sind wir davon bestimmt? Ich wollte immer nur eins: ein ganz gewöhnliches Mädchen sein. Ich wollte nie Sailor Moon sein und ich wollte auch nie ein vorherbestimmtes Leben haben.“

Langsam dämmerte Seiya, worum es hier ging.

„Aber so war es nun mal. Ich bin Sailor Moon und ich habe dieses vorherbestimmte Leben. Das ist Schicksal, dachte ich mir. Und dagegen kann ich nicht viel tun, habe ich mir gesagt. Aber das alles ist in letzter Zeit ganz schön ins Wanken geraten... Deinetwegen...“

„Mhhmm...“, machte er nur und wartete darauf, dass sie fortfuhr.

„Immer wieder habe ich darüber nachgedacht, ob es vielleicht doch möglich ist, das Schicksal in seine eigene Hand zu nehmen. Ich meine, ich hätte mich auch weigern können, zu Sailor Moon zu werden, oder? Nur hätte ich dann mit den Konsequenzen leben müssen, die für mich schlimmer gewesen wären, als Sailor Moon zu sein. Aber es ist nicht so, als hätte ich nicht die Wahl gehabt. Ich meine, man hat immer eine Wahl, oder?“

„Ich denke schon“, stimmte Seiya ihr nachdenklich zu.

„Ja, ich denke, uns kommt es manchmal nur so vor, als hätten wir keine Wahl. Aber eigentlich haben wir immer eine. Auch jetzt. Ich meine... ich habe die Wahl, oder?“ Sie zögerte kurz. „Irgendwie dachte ich die ganze Zeit, ich hätte keine Wahl. Ich dachte, ich KANN mich nur für Mamoru entscheiden. Wegen unserer vorherbestimmten Zukunft. Ich dachte, das ist mein Schicksal und dagegen kann ich gar nichts tun. Aber jetzt bin ich mir sicher, dass ich die Zukunft ändern kann. Jede meiner Entscheidungen kann die Zukunft verändern. Und auch wenn ich die Zukunft kenne, kann ich mich ganz bewusst dagegen entscheiden. Oder?“

„Ich... ich denke schon“, wiederholte Seiya. Worauf genau wollte sie hinaus?

„Irgendwie ist das doch ein beruhigendes Gefühl, oder nicht?“, wollte sie wissen. Seiya runzelte die Stirn.

„Wie meinst du das?“, hakte er nach.

„Ich meine... das bedeutet doch, dass wir frei sind, oder? Wir sind frei, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. Wir sind nicht gefangen in unserem Schicksal. Wir können machen, was wir wollen, solange wir mit den Konsequenzen leben können.“

„Ja, das ist wahr“, stimmte er ihr zu und er fühlte sich, als sie das sagte, tatsächlich etwas freier, hoffnungsvoller. Er lächelte.
 

Sie wusste selbst nicht, was auf einmal in sie gefahren war. Den ganzen Tag hatte sie nachgedacht. Über ihr ganzes Leben, seitdem sie erfahren hatte, dass sie Sailor Moon war, seitdem sie erfahren hatte, dass sie Serenity war. Sie hatte sich immer schon gefangen gefühlt, doch aus irgendeinem Grund war ihr heute eines klar geworden: Sie war gar nicht gefangen. Sie konnte tun, was sie wollte. Als wäre ihr der sprichwörtliche Stein vom Herzen gefallen, fühlte sie sich plötzlich viel leichter, viel lebendiger.

Sie griff nach Seiyas Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Er sah überrascht auf, erwiderte aber schon im nächsten Moment ihr Lächeln.

„Jetzt gerade...“, fuhr sie fort, „habe ich die Wahl, mich verrückt zu machen, weil ich mich entscheiden muss... oder... einfach mal für eine Weile nicht über die Konsequenzen nachzudenken.“

Sie biss sich auf die Unterlippe und sah ihn erwartungsvoll an. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, aber seit sie mit Seiya alleine war, konnte sie nur noch an die schönen Momente mit ihm denken, die sie in den letzten Stunden mit ihm erlebt hatte. Ein kleiner Blick darauf, wie es mit ihm sein könnte. Und der dringende Wunsch dieses Gefühl noch einmal zu erleben, überkam sie wie aus dem Nichts.
 

Er musste schlucken.

„Nicht über die Konsequenzen nachzudenken klingt eigentlich ganz verlockend...?“, antwortete er mit einem kleinen Fragezeichen. Sie lächelte und drückte seine Hand.

„Schätzchen...“, sagte er mit trockenem Hals. War ihr eigentlich bewusst, wie verführerisch sie gerade war? Einem plötzlichen Impuls folgend zog er sie in die nächste Seitenstraße, drückte sie sanft gegen die Wand und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss, ließ seine Hand los und schlang beide Arme um seinen Hals. Es hätte ihn nicht gewundert, hätte sie ihn von sich weg gestoßen. Er hatte ihr genug Freiraum dafür gegeben, war beinahe schon darauf vorbereitet gewesen. Doch im Gegenteil: Sie zog ihn noch enger an sich heran.

Es dauerte etliche Minuten, bis sie atemlos und beide mit hochroten Wangen voneinander abließen. Die Müdigkeit, die sie beide den ganzen Tag über verspürt hatten, war wie weggeblasen.

„Schätzchen...“ murmelte er.

„Mh?“, machte sie und sah ihn mit glasigen Augen an.

„Ich liebe dich.“ Die Worte kamen über seine Lippen, bevor er auch nur darüber nachdenken konnte, was er eigentlich sagen wollte.

„Ich liebe dich auch, Seiya“, erwiderte sie und schaffte es wieder einmal, dass er sich so fühlte, als hätte er das ganze Glück der Erde in diesem Moment für sich gepachtet. Erneut beugte er sich zu ihr runter und erneut küsste er sie.
 


 

Mit geschlossenen Augen saß Setsuna auf einer steinernen Bank in der Nähe des Hikawa-Tempels. Als Hüterin des Tores zu Raum und Zeit, wusste sie, dass die Zukunft sich verändern konnte. Mal waren es kleine Veränderungen, mal waren es größere. Schon seit einigen Wochen spürte sie, dass etwas im Gange war. Etwas Großes. Etwas, das die Zukunft, wie sie sie kannte, einschneidend veränderte. Es war eine dieser Veränderungen, die nur langsam passierten, in ständiger Bewegung waren und immer wieder stark ins Wanken gerieten. Zunächst hatte sie nicht gewusst, was es war, es waren nur kleinere Störungen im Raum-Zeit-Gefüge, einzelne Bilder, die ihr wie Visionen erschienen waren. Doch nach und nach erkannte sie immer deutlicher, was es war. In letzter Zeit sah sie die neue Zukunft immer häufiger und immer deutlicher. Seit dem vorigen Abend gab es kaum noch Schwankungen. Sie konnte sie deutlich erkennen. Ihre Königin, glücklich an der Seite ihres Mannes. Sie hielten ihr gemeinsames Kind in den Armen, ihre Tochter, die zukünftige Prinzessin.

Bei alldem, was sie sah, versuchte sie stets, ihre eigene Zukunft zu übersehen. Wer wollte schon ständig über seine eigene Zukunft im Bilde sein? Doch dieses eine Mal gelang es ihr nicht.

Sie öffnete ihre Augen, als sie die Schritte hörte, die sich ihr näherten. Sie lächelte.

„Hallo Endymion.“

Follow the bliss just like a summersong

„Hallo Setsuna“, erwiderte Mamoru den Gruß. Er überwand die letzten Meter, die zwischen ihnen lagen und setzte sich neben die junge Frau, die er vor einigen Stunden angerufen und um ein Treffen gebeten hatte. Er faltete die Hände in seinem Schoß und schaute auf den Boden, während er überlegte, wie er das Gespräch beginnen sollte. Setsuna schwieg, doch er konnte ihren Blick auf sich spüren. Er räusperte sich kurz.

„Wie geht’s dir?“, fragte er schließlich. Er hatte beschlossen, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

„Gut“, erwiderte Setsuna mit jenem mysteriösen Lächeln auf den Lippen, welches Mamoru immer schon auf seltsame Art und Weise faszinierend gefunden hatte.

„Aber deshalb sind wir nicht hier“, fuhr Setsuna fort. „Ich weiß, worüber du mit mir reden möchtest.“

Also doch mit der Tür ins Haus, dachte Mamoru.

„Ich verliere sie, Setsuna“, gestand Mamoru. „Seit Seiya wieder hier ist, entgleitet sie mir immer mehr. Und ich befürchte, es ist auch noch meine eigene Schuld.“

Es war das erste Mal, dass er sich eingestand, dass es vermutlich nicht allein an Seiya, sondern auch an seinem eigenen Verhalten lag, dass seine Beziehung mit Bunny langsam kaputt ging. Rückblickend hätte er sich anders verhalten sollen. Er hatte sie in die Ecke getrieben mit seiner Eifersucht, die er einfach nicht hatte kontrollieren können.

„Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern“, sagte Setsuna.

„Was ist mit der Zukunft?“, fragte Mamoru, der genau darüber mit der Hüterin des Tores zu Raum und Zeit reden wollte. Setsuna legte den Kopf leicht schräg und dachte kurz nach.

„Jede unserer Handlungen – mögen sie noch so unbedeutend erscheinen – kann unsere Zukunft verändern. Und in letzter Zeit sind viele Dinge geschehen, die die Zukunft, so wie ihr sie kennengelernt habt, verändert haben.“

Er senkte den Blick. Es war so, wie er befürchtet hatte.

„Gibt es noch eine Chance?“

Setsuna zögerte. „Das kann ich dir nicht beantworten. Die Zukunft kann sich jederzeit ändern, doch ob es für dich noch eine Chance gibt, das kann nur die Prinzessin entscheiden.“

Mamoru fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er dachte nach.

„Wie... sieht die Zukunft jetzt aus?“, fragte er schließlich zögerlich. Setsuna sah ihm in die Augen und schwieg einen kleinen Moment, bevor sie den Mund öffnete.

„Das kann ich dir nicht sagen, Endymion“, erwiderte sie schließlich. „Die Zukunft hat sich verändert. Aber es ist besser für jeden, die Zukunft nicht zu kennen. Denn nur dann können wir frei unsere eigenen Entscheidungen treffen. Ich bedauere sehr, dass ihr diese Möglichkeit nicht hattet, da ihr eure Zukunft bereits kennengelernt habt und eure Entscheidungen dadurch beeinflusst wurden. Jetzt, da sie sich verändert hat, solltet ihr – solltest du darüber nachdenken, ob du deine Entscheidungen nach der Gegenwart oder nach der Zukunft richten möchtest.“

Mamoru legte die Stirn in Falten. Hatte er bisher denn wirklich immer nur nach der Zukunft gehandelt?
 


 

Hand in Hand schlenderten Bunny und Seiya in Richtung ihrer Jugendherberge. Immer wieder blieben sie stehen, sahen sich die Gebäude an, die Bäume oder eine streunende Katze, die lauernd am Wegesrand saß. Auf einmal hatten die beiden es überhaupt nicht mehr so eilig, zurückzukommen. Beide waren stillschweigend zu der Übereinkunft gekommen, dass sie die Zeit, die sie zu zweit miteinander verbrachten, noch etwas länger genießen wollten.

Bunny konnte nur daran denken, wie gut es sich anfühlte, Seiyas Hand zu halten, während sie der Jugendherberge langsam immer näher kamen. Ohne es zu wollen, dachte sie an Mamoru und wie es mit ihm gewesen war damals, als sie frisch zusammen waren. Doch in ihrer Erinnerung sah sie sich nicht Händchen halten. Meist war sie es gewesen, die sich an seinen Arm geklammert hatte. Neben Mamoru hatte sie sich immer klein gefühlt, unbedeutend. Als sei sie nicht gut genug, um an seiner Seite zu sein. Und gerade deshalb hatte sie sich so an ihn geklammert.

Ruckartig ließ Seiya ihre Hand los. Erstaunt sah sie zu ihm auf. Seine Augen waren auf etwas in der Ferne fixiert. Ohne dass sie es bemerkt hätte, waren sie nur noch wenige Meter von ihrer Jugendherberge entfernt. Sie sah einige ihrer Mitschüler, die offensichtlich in ihre Richtung sahen. Deshalb hatte er sie auf einmal losgelassen. Sie wusste, dass es nicht gut war, wenn jemand sie so zusammen sehen würde. Trotzdem wünschte sie sich nichts mehr, als Seiyas Hand wieder zu ergreifen. Ob es Seiya wohl ebenso ging? Erneut riskierte sie einen Seitenblick auf ihn, doch sie konnte seine Miene nicht lesen. Schweigend gingen sie an ihren Mitschülern vorbei. Während sie die Jugendherberge betraten, konnte Bunny das Getuschel ihrer Mitschüler hören.

Im Gebäude war es ruhig. Seiya sah sich um, bevor er aufatmete. Niemand war zu sehen.

„Sorry“, sagte er an Bunny gerichtet, doch sie schüttelte den Kopf. Es gab schließlich nichts, wofür er sich entschuldigen musste.

„Es ist alles in Ordnung“, erwiderte sie und schenkte ihm ein Lächeln. Sie zögerte kurz. „Wir sollten auf unsere Zimmer gehen.“

„Ähm... ja“, stimmte er zu. Bunny meinte, das Bedauern in seiner Stimme herauszuhören. Etwas unschlüssig standen sie im Vorraum der Herberge. Keiner von beiden wollte so recht seines Weges gehen.

„Seiya…“, begann Bunny, doch dieser hatte im selben Moment angefangen zu sprechen: „Schätzchen…“

„Du zuerst!“, beeilte Bunny sich zu sagen. Er räusperte sich kurz.

„Ich wollte nur fragen… also… möchtest du vielleicht noch mit auf mein Zimmer kommen?“ Bunny sah ihm an, dass es ihm nicht leicht fiel, diese Frage zu stellen. Er sah sie nicht direkt an und auf seinen Wangen lag ein verlegener Rotschimmer. Sie lächelte.

„Gern“, antwortete sie glücklich. Auch wenn sie selbst sich nicht getraut hätte, diesen Vorschlag zu machen, so hatte sie sich genau das selbst auch gewünscht. Seiya erwiderte ihr Lächeln. Er sah sich noch einmal genau um, bevor er Bunnys Hand ergriff und sie mit sich in Richtung Jungenzimmer zog.

Als sie das Zimmer, das sich Seiya mit Yaten und Taiki teilte, erreicht hatten, atmeten sie erleichtert auf. Seiya grinste Bunny an, die glücklich zurück lächelte. Seit sie beschlossen hatte, mal nicht über die Zukunft und die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken, fühlte sie sich viel besser. Sie wusste, dass sie sich früher oder später wieder damit beschäftigen musste. Doch für den Augenblick wollte sie einfach nur mal glücklich sein.

Seiya hatte es sich indes auf seinem Futon bequem gemacht und klopfte neben sich auf das Polster, um Bunny zu bedeuten, dass sie sich neben ihn setzen sollte. Sie folgte dieser Aufforderung und machte es sich neben ihm gemütlich. Als sie saß, spürte sie, dass ihre Füße leicht pochten und ihre Waden schmerzten. Immerhin waren sie wieder einmal den ganzen Tag unterwegs gewesen.

„Mann, bin ich k.o.“, sagte in diesem Moment auch Seiya.

„Ich auch“, stimmte Bunny ihm zu. „Ich will keinen Schritt mehr laufen.“ Seiya grinste schelmisch.

„Tja… Dann musst du heute Nacht wohl hier schlafen“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Bunny lief sofort knallrot an.

„So hab ich das nicht gemeint!“, rief sie empört. Seiya lachte. Er legte einen Arm um sie und zog sie mit sich, als er sich seitlich auf seinen Futon fallen ließ. Mit einem Arm unter ihrem Kopf und einem Arm um ihren Bauch zog er sie an sich.

„Hey…Seiya!“, protestierte Bunny, ohne sich jedoch körperlich gegen diese Position zu wehren. Es fühlte sich unheimlich gut an, so von ihm gehalten zu werden. Sie spürte seinen warmen Körper in ihrem Rücken, während sie heimlich die Augen schloss und seinen Duft einsog.

„Nur ein bisschen ausruhen…“, murmelte Seiya in ihren Haarschopf.
 


 

„Wir sollten langsam mal zurückgehen“, sagte Ami mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. Minako hatte den ganzen Abend die Kontrolle übernommen, aber wenn es darum ging, pünktlich zurück zur Herberge zu kommen, wollte Ami sich lieber nicht auf sie verlassen.

„Jetzt schon?“, fragte Minako wie zur Bestätigung. Sie sah enttäuscht aus.

„Ami hat recht“, stimmte Taiki zu, der ebenfalls auf seine Uhr sah.

Nachdem Seiya und Bunny gegangen waren, waren die drei Mädchen und die zwei Jungen noch ein wenig durch Kyoto gelaufen. Ami und Taiki hatten sich besonders für die geschichtlichen Fakten verschiedener Gebäude und Straßen interessiert, während Minako bei diesen Gespräch demonstrativ weggehört hatte. Sie hatte sich lieber an Yaten gehängt, der zwar immer wieder mit den Augen gerollt und protestiert hatte, es jedoch letztendlich immer zugelassen hatte, dass Minako sich bei ihm einhakte. Makoto begeisterten indes die kulinarischen Facetten Kyotos. Sie beschloss, einige der Spezialitäten, die sie gesehen und probiert hatte, selbst einmal zu kochen, wenn sie wieder zu Hause war.

Es dauerte ungefähr zwanzig Minuten, bis die Gruppe wieder bei der Jugendherberge war. Es war ein milder Abend und einige ihrer Mitschüler hielten sich noch vor dem Gebäude auf, während andere noch mit ihren Freunden im Aufenthaltsraum waren, Spiele spielten, Süßigkeiten aßen und sich unterhielten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Lehrer sie auf ihre Zimmer schicken würden. Nachdem sie den Jungen eine gute Nacht gewünscht hatten, gingen die Mädchen zurück zu ihrem Zimmer. Minako hätte zwar gern noch die letzten Minuten des Abends genutzt, um bei Yaten zu sein, aber gleichzeitig machte sie sich auch Gedanken um Bunny, die vermutlich schon eine Weile alleine im gemeinsamen Zimmer war. Leise öffnete Makoto die Tür, für den Fall, dass Bunny schon schlief. Es war dunkel und es dauerte eine Weile, bis sich die Augen der Mädchen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.

„Sie ist nicht hier“, sagte Makoto, als sie schließlich genug erkennen konnte, um zu sehen, dass Bunnys Futon leer war.

„Was?“, fragte Minako erstaunt und drängte sich an Makoto vorbei. Sie ging neben Bunnys Futon in die Hocke und inspizierte ihn genau. Bunny lag eindeutig nicht darin.
 

Taiki sah durch den kleinen Türspalt am Boden, dass das Licht in ihrem Zimmer brannte. Seiya war also dort und vermutlich noch wach. Er öffnete die Tür, doch noch bevor er den Raum betreten hatte, stutzte er und blieb wie angewurzelt stehen. Yaten, der damit nicht gerechnet hatte, lief geradewegs in ihn hinein.

„Hey!“, beschwerte er sich und rieb sich die Nase. „Du kannst doch nicht einfach so stehen bleiben. Was ist?“

Da Taiki um einiges größer war als er, konnte er nicht sehen, warum dieser so abrupt stehen geblieben war. Er schob Taiki leicht beiseite, um an ihm vorbei ins Zimmer sehen zu können. Mit großen Augen blickte er auf das Bild, das sich ihm bot. Seiya und Bunny lagen eng aneinandergekuschelt auf Seiyas Futon und schliefen seelenruhig.

„Yaten!“, hörte er ein paar Meter von ihm entfernt. Er drehte sich um und entdeckte Minako, die ihn gerade gerufen hatte, gefolgt von Makoto und Ami.

„Bunny ist nicht auf unserem Zimmer“, erzählte Minako ihm mit deutlicher Sorge in der Stimme. „Ist Seiya hier? Weiß er vielleicht, wo Bunny ist?“

Yaten konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hob den Zeigefinger an die Lippen, um den Mädchen Stillschweigen zu bedeuten. Er trat einen Schritt beiseite und wies in das Zimmer. Auch Taiki war inzwischen an die Seite getreten, sodass die Mädchen, als sie näher gekommen waren und durch die Tür sahen, sofort erkennen konnten, was Yaten ihnen zeigen wollte.

„Oh mein Gott!“, flüsterte Minako verzückt. „Ich glaub’s ja nicht!“

All I know is that to me you look like you're having fun

Noch bevor er richtig wach war, spürte er, dass es plötzlich unruhig geworden war. Leises Flüstern drang an sein Ohr und holte ihn langsam aber sicher aus seinem Schlaf. Widerwillig öffnete er ein Auge und blinzelte gegen das Deckenlicht, das ihm in diesem Moment viel zu hell erschien. Als er wahrnahm, dass mehrere Menschen auf ihn herabblickten, zuckte er leicht zusammen. Nur langsam konnte er die Gesichter ausmachen. Warum starrten ihn alle so an? Als sich das Mädchen in seinen Armen auch langsam regte, dämmerte es ihm. Er musste zusammen mit Bunny einfach eingeschlafen sein.

„Was ist los?“, murmelte Bunny verschlafen und richtete sich schwerfällig auf.

„Das wollen WIR gerne wissen!“, entgegnete Minako mit funkelnden Augen. Bunny sah sich um. Nach und nach realisierte sie, dass all ihre Freunde auf sie hinabblickten, während sie auf dem Boden auf ihrem Futon saß. IHREM Futon? Sie sah zur Seite und entdeckte Seiya, der sich inzwischen auch aufgerichtet hatte und ebenso verschlafen aussah, wie sie sich fühlte. Es war gar nicht IHR Futon. Es war Seiyas! Entsetzt riss sie die Augen auf. Plötzlich fühlte sie sich hellwach.

„Ich…“, setzte sie an, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen sollte. „Wir…“ Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Situation erklären sollte. Hilfesuchend schaute sie zu Seiya, der einmal herzhaft gähnte.

„Sind wohl eingeschlafen“, sagte er gleichgültig und zuckte mit den Schultern, bevor er grinste. Wir konnte er in dieser Situation nur so gelassen sein?

„Soso…“, entgegnete Yaten ebenfalls grinsend. „Und Bunny hat deine Arme mit ihrem Futon verwechselt, oder….?!“ Bunny lief knallrot an, doch Seiya lachte.

„Ich kann doch auch nichts dafür, dass es in meinen Armen so gemütlich ist“, sagte er zwinkernd.

„Na, ob das der Grund war…“, wollte Yaten ihn ärgern.

„Willst es ausprobieren?“, konterte Seiya und streckte seine Arme nach ihm aus. Yaten verzog das Gesicht. „Hau bloß ab!“

Alle lachten. Außer Bunny, der die ganze Sache immer noch recht unangenehm war. Immerhin hatte Seiyas und Yatens Geplänkel die Situation für sie etwas entschärft. Immer noch verlegen stand sie auf.

„Wir sollten dann mal auf unser Zimmer gehen“, erklärte sie, schnappte sich links Amis und rechts Makotos und Arm und zog die beiden mit sich. „Gute Nacht!“

Verdutzt blieb Minako noch einen Moment stehen. Bevor sie ihren Freundinnen hinterherlief, wandte sie sich noch einmal an Seiya. „Weiter so!“ Sie zwinkerte ihm noch einmal zu, bevor sie sich umdrehte, Yaten und Taiki ein Grinsen schenkte und mit einem „Gute Naaaacht!“ das Zimmer der Jungen verließ.
 

Auf dem Mädchenzimmer angekommen ließ Bunny sich auf ihren Futon fallen und vergrub sofort das Gesicht in ihren Händen. Wie peinlich!

„Bunny!“, ließ Makoto ihr jedoch keine Ruhe. „Wie ist DAS denn passiert?“

Als Bunny aufsah, erblickte sie nicht nur Makotos, sondern auch Amis und Minakos neugierigen Gesichter. Sofort wurde sie wieder rot.

„Ich ähm… ich hab keine Ahnung“, erwiderte sie etwas unsicher und schaute verlegen auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte.

„Keine Ahnung?“, hakte Makoto nach. „So etwas passiert doch nicht einfach so.“

„Sei ehrlich, Bunny“, forderte auch Minako. „Zwischen dir und Seiya ist was passiert, oder?“

Nachdem sie ein paar Sekunden gezögert hatte, nickte sie schließlich. Es war ja nicht so, als wollte sie ihren Freundinnen absichtlich etwas verheimlichen. Sie war einfach noch nicht so weit gewesen, mit ihnen darüber zu sprechen. Weil immer noch nichts endgültig war.

„Also…“, begann sie unsicher. „Ich… ich hab ihm gesagt, was ich für ihn empfinde.“ Wieder einmal spürte sie die Hitze in sich hochsteigen.

„Und weiter?“ Minako konnte die Spannung kaum ertragen.

„Und ähm…“, fuhr Bunny stockend fort. „Ich habe beschlossen, mir mal eine Weile keine Gedanken mehr über die Zukunft zu machen.“ Die Mädchen sahen sie mit großen Augen an, sagten aber nichts. Sie fuhrt fort: „Ich… ich weiß immer noch nicht, was ich machen soll, aber… aber Seiya macht mich einfach glücklich und ich… ich hab es einfach nicht mehr ertragen, mich die ganze Zeit nur fertig zu machen und…“ Sie blickte etwas verloren in die Runde.

„Ach Bunny“, seufzte Minako und nahm ihre Freundin in den Arm. „Ich freu mich, dass du einfach mal ein bisschen glücklich sein kannst.“

„Ich mich auch“, stimmte Makoto sofort zu und auch Ami nickte.

„Ihr findet es also okay, wenn ich… also wenn ich mich auf Seiya einlasse?“, fragte Bunny verlegen.

„Natürlich!“, antwortete Minako sofort und auch wieder stimmten die beiden anderen ihr zu.

„Wir wollen nur, dass du glücklich bist“, erklärte Ami.

„Ehrlich gesagt finden wir schon länger, dass Seiya irgendwie einfach besser zu dir passt“, fuhr Makoto fort. Bunny machte große Augen.

„Wirklich?“, fragte sie erstaunt nach. Dass ihre Freundinnen sie in allem unterstützen würden, das hatten sie ihr bereits gesagt. Doch dass sie sich so für Seiya aussprachen, obwohl sie von der Zukunft wussten, damit hätte sie dann doch nicht gerechnet.

„Wirklich“, bestätigte Minako. „Natürlich unterstützen wir dich, egal wie du dich am Ende entscheiden solltest. Aber… nach alldem, was in letzter Zeit so passiert ist, muss ich einfach sagen, dass ich mir kaum einen besseren Freund für dich vorstellen kann als Seiya.“

Makoto nickte bekräftigend. „Sehe ich ganz genauso. Dass mit Mamoru in letzter Zeit alles falsch läuft, ist die eine Sache. Aber ganz unabhängig davon habe ich das Gefühl, dass Seiya einfach besser zu dir passt.“

„Ehrlich gesagt“, stieg Minako darauf ein, „habe ich damals schon gedacht, wie gut Seiya zu dir passt. Du weißt schon… Als sie das erste Mal auf der Erde waren und Mamoru nicht da war. Seiya hat sich die ganze Zeit um dich gekümmert.“

„Aufgezogen und geärgert hat er mich!“, protestierte Bunny beim Gedanken an Seiyas damaliges Verhalten, bevor sie jedoch lächelte. „Aber du hast recht, er war wirklich immer für mich da und hat mir wahnsinnig geholfen in dieser schwierigen Zeit.“

„Eben“, erwiderte Makoto. „Ihr habt so viel zusammen unternommen und gelacht. Und man merkt Seiya sofort an, wie wichtig du ihm bist. Er sieht so glücklich aus, wenn du in seiner Nähe bist.“

„Und du siehst auch glücklich aus“, bestätigte Ami, die sich bisher eher zurückgehalten hatte. „Du wirkst einfach… ausgelassener! Fröhlicher.“

„Ja, Mamoru ist einfach ein bisschen zu langweilig für dich!“, stimme Minako zu.

„Das wollte ich damit eigentlich nicht sagen“, erwiderte Ami leicht verlegen. Sie persönlich fand Mamoru gar nicht langweilig, aber seine Interessen passten wirklich nicht besonders gut zu Bunny.

„Also ganz ehrlich, Bunny“, wandte sich Minako wieder an Bunny. „Ich finde wirklich, dass Seiya einfach perfekt zu dir passt. Mit ihm siehst du immer so aus, als hättest du so viel Spaß.“

Die Bestätigung ihrer Freundinnen tat ihr gut. Nur einmal wollte sie nicht über ihr Schicksal, ihre Zukunft nachdenken. Nur einmal wollte sie ihrem Herzen folgen und das tun, was sie glücklich machte. Und sie war sehr dankbar, dass ihre Freundinnen sie dabei einfach nur unterstützten und sie nicht an all die ungelösten Probleme erinnerten.

„Ich danke euch“, erwiderte Bunny gerührt. In dem Moment kündigte ihr Handy an, dass sie eine neue Nachricht bekommen hatte. Etwas nervös warf sie einen Blick darauf. Die letzten Male waren es Mamoru oder Rei gewesen, die sie leider eben doch an diese Probleme erinnert hatten. Doch ein Blick verriet ihr, dass die Nachricht von Seiya war.
 

Gute Nacht, Schätzchen. :-*
 

Sie lächelte glücklich. Während sie eine Antwortnachricht schrieb, warfen ihre Freundinnen sich ebenfalls lächelnd Blicke zu. So gefiel ihnen ihre Prinzessin deutlich besser.
 


 

Nachdenklich saß Mamoru in seiner Wohnung auf dem Sofa. Er wollte einen klaren Kopf bewahren und griff dieses Mal nicht wieder zum Alkohol, auch wenn ihm danach zumute war. Das Gespräch mit Setsuna hatte ihm zwar nicht die Antworten gegeben, die er gewollt hatte, jedoch hatte es ihn zum ersten Mal dazu gebracht, ernsthaft über seine Beziehung zu Bunny nachzudenken. Nicht zu Serenity, sondern zu Bunny Tsukino, dem 17-jährigen Mädchen, das Schülerin der Juban Oberschule war, Tochter von Kenji und Ikuko Tsukino. Bisher hatte er sich in seinen Gedanken eigentlich immer nur an das geklammert, was ihnen das Schicksal vorgab. Es war für ihn nie eine Frage gewesen, ob er und Bunny gut zusammenpassten. Es war ihre Bestimmung gewesen. Natürlich war er damals in sie verliebt gewesen, keine Frage. Aber war das immer noch so? Darüber hatte er eigentlich noch nie nachgedacht. Er dachte an die Zeit, die er mit Bunny verbracht hatte. Seitdem Galaxia besiegt worden war, herrschte Frieden auf der Erde. Sie hatten schon eine ganze Weile wie ganz normale Menschen leben können. Der einzige Unterschied war, dass sie von ihrer Zukunft wussten. Hatte er darüber hinaus wirklich vergessen, mit Bunny im Hier und Jetzt zu leben?

Er versuchte seine Beziehung zu Bunny ganz nüchtern zu betrachten. Ohne ihr vorherbestimmtes Schicksal hätte er sich vor drei Jahren vermutlich gar nicht erst auf dieses Mädchen eingelassen. Immerhin war sie damals erst 14 Jahre alt gewesen, er selbst 19. In dem Alter ein nicht zu unterschätzender Altersunterschied. Dieser wiederum führte natürlich auch dazu, dass sie ganz unterschiedliche Interessen hatten, unterschiedliche Erfahrungen und einfach ganz unterschiedliche Leben führten. Sie ging noch zur Schule, er studierte, lebte alleine und verdiente sich seinen eigenen Lebensunterhalt. Auch ganz unabhängig von dem Altersunterschied waren sie wohl sehr unterschiedlich. Nicht dass es ihm unbedingt etwas ausmachte – Gegensätze zogen sich schließlich an – doch manchmal dachte er schon, wie schön es wäre, wenn er mit seiner Freundin über die Themen sprechen könnte, die ihn interessierten.

Er seufzte. Er fühlte sich mit seinen Gefühlen vollkommen verloren. Wieder dachte er an das Gespräch mit Setsuna. Sie hatte gesagt, dass die Zukunft sich verändert hatte. Doch was bedeutete das?
 


 

Bunny hatte in dieser Nacht endlich mal wieder gut geschlafen. Nachdem sie schon ein bisschen mit Seiya auf seinem Futon geschlafen hatte und sie dann durch diese kleine Aufregung wieder hellwach gewesen war und noch mit ihren Freundinnen geredet hatte, hatte sie zwar eine Weile gebraucht, um wieder einzuschlafen, hatte dann aber bis zum Weckerklingeln tief und fest schlafen können. Und diesen Schlaf hatte sie auch bitter nötig gehabt.

Ihr vierter Tag in Kyoto war angebrochen und damit der letzte ganze Tag, den sie hatten. Am nächsten Tag würden sie wieder zurück nach Hause fahren. Da Bunny die ersten Tage immer wieder mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen war, stand sie an diesem Tag mit dem festen Vorhaben auf, ihre Zeit in Kyoto noch einmal so richtig zu genießen. Nachdem sie und ihre Freundinnen sich fertig gemacht hatten, gingen sie gemeinsam zum Frühstück. Als sie den Speiseraum betraten, hielt sie Ausschau nach Seiya. Waren er und die anderen beiden schon hier? Sie musste nicht lange suchen. An einem großen Tisch in der hinteren Ecke des Raums sah sie ihn. Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie ihn erblickte. Wie konnte es sein, dass allein sein Anblick sie glücklich machte? Schnell schnappte sie sich ein Tablett und lud sich ihr Frühstück darauf. Ihre Freundinnen taten es ihr gleich und gemeinsam gingen zu dem Tisch, an dem die drei Jungen bereits saßen.

„Guten Morgen“, begrüßte Bunny die drei, hatte ihren Blick jedoch fest auf Seiya gerichtet, der sie bis dahin noch gar nicht bemerkt hatte. Ruckartig sah er auf und strahlte sie an.

„Guten Morgen, Schätzchen“, begrüße er sie und deutete auf den Platz neben sich, damit sie sich dorthin setzen würde. Das hatte sie sowieso vorgehabt.

„Hey! Und was ist mit uns?“, fragte Minako neckisch, bevor sie sich auf der gegenüberliegenden Seite neben Yaten setzte.

„Euch natürlich auch einen guten Morgen“, erwiderte Seiya sofort und grinste. Auch die anderen begrüßten sich und fingen an, sich zu unterhalten. Seiya hatte jedoch nur Augen für Bunny.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte er.

„Wie ein Stein“, antwortete sie. „Und du?“

„Ich auch.“ Er nahm einen Bissen von seinem Frühstück, bevor er grinsend fortfuhr. „Allerdings fand ich es besser, als du mit mir geschlafen hast.“ Bunny wurde sofort knallrot und sah sich um, ob ihn jemand gehört haben könnte.

„Seiya!“, protestierte sie flüsternd. „Das kannst du doch so nicht einfach sagen!“

„Wieso denn nicht?“, fragte er lachend. „War doch so.“

„Das hätte man jetzt aber auch anders verstehen können“, erklärte sie ihre Empörung. Er setzte einen schockierten Gesichtsausdruck auf.

„Aber Schätzchen!“, sagte er mit gespieltem Entsetzen. „Wo hast du denn deine Gedanken? Ich wusste ja gar nicht, dass du dabei gleich an SO was denkst.“

Bunnys Gesicht glich inzwischen einer Tomate. Sie beugte sich zu ihm rüber und hielt ihm mit beiden Händen den Mund zu. „Pssst!“, machte sie. Er sollte endlich still sein! Verschmitzt sah er sie an. Seine Augen funkelten, als er Bunnys auf seine Lippen gelegten Handfläche einen Kuss gab. Sofort zog sie ihre Hände wieder zurück.

„Seiya!“, protestierte sie wieder, doch er grinste nur.

„Sorry, Schätzchen“, erwiderte er, ohne dass es nach einer Entschuldigung klang. „Du bist einfach zu süß, wenn du dich aufregst.“
 

Minako lehnte sich zu Yaten herüber. „Sind sie nicht einfach unheimlich süß?“, fragte sie ihn flüsternd. Nicht nur sie hatte das Geplänkel zwischen Bunny und Seiya beobachtet.

„Mh“, machte Yaten unbestimmt, während er sein Essen kaute. Vermutlich konnte man die beiden so bezeichnen, aber solche Worte lagen ihm irgendwie nicht. Er stellte sich vor, wie er sich wohl an Seiyas Stelle verhalten würde. Wie war es, wenn das Mädchen, das man über alles liebte, diese Gefühle erwiderte? Unwillkürlich warf er einen Seitenblick auf Minako, die sich inzwischen wieder ihrem Essen zugewandt hatte. Würde er das jemals erfahren?

There's something happening here, but what it is ain't exactly clear

Nachdem die ganze Klasse gefrühstückt hatte und noch mal kurz auf ihre Zimmer zurückgekehrt war, um sich die Zähne zu putzen und ihre Taschen und Rücksäcke zu holen, befanden sie sich nun auf dem Weg zum Nationalmuseum, ihre erste Station für den Tag. Zu Bunnys Erleichterung nahmen sie bis zum Museum einen Bus. Nach den letzten Tagen hatte sie das Gefühl, nie wieder laufen zu wollen. Im dichten Verkehr Kyotos waren sie ca. eine halbe Stunde unterwegs. Sie wusste nicht genau, wie es zu dieser Sitzordnung gekommen war, doch irgendwie hatte Seiya es schon wieder geschafft, den Platz neben ihr einzunehmen. Nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde. Nur ihr Herz hatte sich noch nicht so recht an die neue Situation mit Seiya gewöhnt und spielte wie immer, wenn er in ihrer Nähe war, verrückt. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und sah sich nach ihren Freundinnen um.

Sie entdeckte Minako, die sich neben Yaten gesetzt hatte und fröhlich auf ihn einredete. Hinter ihr selbst und Seiya saßen Ami und Taiki. Die beiden schienen sich gegenseitig mit Informationen über das Museum zu bombardieren, die sie bereits vor ihrer Reise recherchiert hatten. Bunny verzog etwas das Gesicht, bevor sie sich nach Makoto umsah. Es dauerte nicht lang, da entdeckte sie sie zwei Plätze hinter Minako. Dadurch, dass Rei nicht auf ihre Schule ging, bestand ihre sonst achtköpfige Gruppe aus Mädchen und Jungen während des Schulausflugs aus einer ungeraden Zahl an Personen, was in solchen Situationen äußerst unpraktisch war. Bunny versuchte zu erkennen, wer neben Makoto saß, doch die Sitze versperrten ihr die Sicht. Sie reckte den Hals etwas, bis sie ihre Mitschülerin Natsuki entdeckte. Sie hatten nicht viel miteinander zu tun und Bunny wusste nicht viel über sie. Sie drehte sich wieder um und reagierte nun auf Seiya, der aus dem Fenster zeigte und sie auf ein paar schöne historische Gebäude aufmerksam machte.
 

Makoto unterhielt sich derweil mit ihrer Sitznachbarin. Auch sie hatte nicht viel mit Natsuki zu tun, doch wollte sie die Fahrt ungern schweigend verbringen, nur weil sie nicht neben einem ihrer engeren Freunde saß.

„Sag mal, Makoto…“, setzte Natsuki irgendwann an, zögerte jedoch noch etwas.

„Ja?“, fragte Makoto neugierig. Sie sah, dass Natsukis Blick ein paar Plätze weiterwanderte und fragte sich, wen sie wohl ins Visier nahm.

„Also…“, fuhr Natsuki nun fort. „Stimmt es wirklich, dass Bunny und Seiya miteinander gehen?“

Makoto blickte überrascht auf. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie.

„Naja… Ein paar aus unserer Klasse haben gesagt, dass sie die beiden zusammen gesehen haben.“

„Was meinst du, ‚dass sie die beiden zusammen gesehen haben‘?“, hakte Makoto nach. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.

„Also…“, begann Natsuki verlegen. Ihr schien das Gespräch ein wenig unangenehm zu sein, doch gleichzeitig war sie neugierig genug, um Bunnys Freundin danach zu fragen. „Gestern sind sie wohl Händchen haltend an der Jugendherberge angekommen und haben sich schnell losgelassen, als sie gemerkt haben, dass sie gesehen wurden. Und Hiroki schwört, er hätte die beiden vorgestern knutschen sehen.“ Natsuki wurde bei ihren eigenen Worten leicht rot. Makoto traute ihren Ohren kaum. Jemand sollte Bunny und Seiya gesehen haben? Das musste sie erst mal verdauen. Solche Gerüchte konnten ihre beiden Freunde zurzeit wirklich gar nicht gebrauchen.

„Also… ist das jetzt wahr?“, fragte Natsuki erneut, nachdem Makoto ihr nicht antwortete.

„Du solltest nicht alles glauben, was so gesagt wird“, widersprach Makoto schließlich, auch wenn sie sich nicht sicher war, was in so einer Situation die richtige Antwort war.

„Also stimmt es nicht?“, hakte Natsuki überrascht nach. Das Gerücht, dass Seiya und Bunny was miteinander hatten, war schon lange in Umlauf gewesen, sogar schon vor seiner halbjährigen Abwesenheit. Sie hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass es wahr sein könnte, wenn sie die beiden so betrachtete. Erst beim Frühstück hatte sie die beiden beobachtet und ihr war nicht entgangen, wie die beiden geflirtet hatten. Hatte er nicht sogar etwas davon gesagt, sie hätte mit ihm geschlafen?

„Und wenn es stimmen würde, wäre das ein Problem?“, stellte Makoto eine Gegenfrage. Natsuki zuckte leicht zusammen, als sie Makotos Stimme hörte. Sie klang irgendwie bedrohlich. Makoto hatte immer schon zu den Mädchen gehört, die ihr ein wenig Angst machten.

„Nein, nein“, wehrte Natsuki mit erhobenen Händen ab. „Natürlich nicht. Ich hab mich nur gefragt… Weil alle darüber geredet haben… Aber natürlich wäre es kein Problem…“

„Gut“, schloss Makoto und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich dachte nur… dass Bunny schon einen Freund hätte…“, setzte Natsuki jedoch nach und zog damit den wütenden Blick Makotos auf sich.

„Es wäre wirklich besser, wenn nicht immer alle hinter dem Rücken anderer Leute über sie reden würden“, erwiderte Makoto finster, ohne auf den indirekten Vorwurf Natsukis einzugehen. Diese wich ein bisschen vor ihr zurück.

„Ich meine nur…“, fuhr Makoto fort und bemühte sich, etwas freundlicher zu klingen. Mit Drohungen würde sie sicher nicht weiterkommen. „Niemand mag es gern, wenn hinter seinem Rücken über einen geredet wird. Vor allem, wenn niemand so genau weiß, was wirklich los ist.“ Natsuki nickte nur und sah betreten auf ihren Schoß. Makoto blickte rüber zu Bunny und Seiya. Bei nächster Gelegenheit würde sie den beiden erzählen müssen, was sie gerade gehört hatte.
 

Am Museum angekommen verließen alle den Bus. Die Schüler und Schülerinnen fanden sich automatisch in ihren gewohnten Gruppen zusammen und ein allgemeines Stimmengewirr war zu hören. Seit ihrem Gespräch mit Natsuki fiel Makoto auf, dass die Blicke ihrer Mitschüler immer wieder zu Bunny und Seiya wanderten. Sie runzelte die Stirn. Hatte sich dieses Gerücht in ihrer Klasse wirklich so verbreitet?

„Alles in Ordnung, Makoto?“, sprach Taiki sie an. Sie blickte auf.

„Ja“, antwortete sie automatisch, bevor sie jedoch zögerte. „Naja… eigentlich…“ Sie sah rüber zu Bunny und Seiya, die sie nun ebenfalls fragend ansahen. Sie lehnte sich etwas zu ihren Freunden herüber und fuhr etwas leiser fort. „Ich hab während der Busfahrt eben mit Natsuki geredet“, erzählte sie nun. „Und die hat mir erzählt, dass in der ganzen Klasse Gerüchte über euch zwei kursieren.“

„Gerüchte?“, hakte Seiya nach, obwohl er sich eigentlich schon denken konnte, was für Gerüchte das sein mussten. Makoto nickte.

„Dass da bei euch irgendwas läuft“, erklärte sie etwas genauer. „Anscheinend haben einige unserer Mitschüler euch gestern Abend gesehen, als ihr zusammen zurück zur Jugendherberge gelaufen seid. händchenhaltend. Und Natsuki sagt, Hiroki schwört, er hätte euch vorgestern…“, sie zögerte kurz, bevor sie verlegen fortfuhr, „…knutschen gesehen. Ihre Worte, nicht meine.“

Bunny lief rot an, während Seiya besorgt die Stirn runzelte.

„Jedenfalls scheint ihr jetzt Gesprächsthema Nummer Eins zu sein, vor allem, weil die meisten wissen, dass Bunny eigentlich einen Freund hat“, schloss Makoto ihre Ausführungen.

„Denen werde ich was erzählen!“, sagte Minako wütend und mit geballter Faust. „Die sollen sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern.“

„Beruhige dich, Minako“, versuchte Ami sie zu besänftigen, obwohl auch sie sich ärgerte, dass das momentane Glück, das ihre Freundin empfand, gleich wieder einen Dämpfer verpasst bekam.

„Sie hat doch Recht“, bekräftige Yaten Minako jedoch. Er hatte es noch nie leiden können, dass sich alle immer hinter ihrem Rücken das Maul über sie zerrissen.

„Es tut mir leid, Schätzchen“, meldete sich nun Seiya zu Wort und zog damit die Blicke aller auf sich. Bunny sah ihn überrascht an.

„Wieso?“, fragte sie ehrlich verwundert.

„Naja…“ Er senkte den Blick. „Das Ganze ist doch meine Schuld.“

„Seiya…“ Sie sah ihn traurig an. „Das Ganze ist genauso meine Schuld wie deine… Es gehören immer noch zwei Personen dazu.“

Noch bevor Seiya etwas darauf erwidern konnte, hörte er ein Räuspern hinter sich, das nicht nur seine, sondern die Aufmerksam aller auf sich zog. Ihre Lehrerin sah sie mit in die Hüften gestemmten Händen und wütendem Blick an.

„Würden die Herrschaften sich wohl bemühen, sich auch langsam mal in Bewegung zu setzen? Das wäre sehr freundlich.“

„Entschuldigung Frau Kajiwara“, erwiderte Ami erschrocken. Auch die anderen murmelten eine Entschuldigung und kamen nun endlich in Bewegung. Keinem von ihnen entgingen die Blicke und das Geflüster ihrer Mitschüler.
 

Für den Rest des Tages versuchten Bunny und Seiya etwas Abstand zueinander zu halten. Nicht so sehr, dass es zu auffällig war, aber gerade genug, als dass sie nicht wie ein verliebtes Pärchen wirken sollten. Erst als sie am frühen Abend mit ihren Pflichtprogramm durch waren und noch ein letztes Mal ihre eigene Abendgestaltung übernehmen durften, entspannten sie sich etwas. Sie hatten sich zum gemeinsamen Abendessen ein günstiges, aber gemütliches Restaurant gesucht.

„Kaum zu glauben, dass es morgen schon wieder nach Hause geht“, seufzte Minako betrübt. Sie hatte so gehofft, dass diese Reise ihr die Gelegenheit gab, Yaten etwas näher zu kommen. Doch irgendwie hatten sich ihre Gespräche mit ihm meistens um die verzwickte Situation ihrer beiden Freunde gedreht.

„Die Zeit ging wirklich viel zu schnell um“, stimmte Makoto sofort zu.

„Und nach dem Wochenende geht’s direkt wieder mit Unterricht weiter“, jammerte Minako weiter.

„Minako, sag doch nicht so etwas Furchtbares!“, beschwerte Bunny sich mit vor Schreck geweiteten Augen. An so etwas wie Schule und Unterricht wollte sie im Moment wirklich nicht denken. Sie hatte schon genug andere Sorgen. Und eine davon wollte sie nächste Woche sehen, wie sie sich erinnerte. Sie hatte mit Mamoru ausgemacht, dass sie sich in der Woche nach ihrem Schulausflug nach Kyoto mal treffen wollten. Bei dem Gedanken daran bekam sie Bauchschmerzen. Obwohl sie sich immer weiter auf Seiya eingelassen hatte, hatte sie immer noch keine Lösung für ihr Problem gefunden. Sie hatte keine Ahnung, was sie Mamoru in einigen Tagen erzählen sollte.
 


 

Dieser befand sich in diesem Moment auf dem Weg nach Hause. Er hatte einen langen Tag an der Uni gehabt. Zurzeit konnte er sich nur schlecht auf das Studium und seine Arbeit konzentrieren, weil er mit seinen Gedanken die meiste Zeit bei Bunny und ihrer vorherbestimmten Zukunft war. Er fühlte sich viel erschöpfter als normalerweise. Seit seinem Gespräch mit Setsuna fühlte er sich vollkommen verloren. Hatten ihn zuvor eher Wut und Eifersucht zerfressen, waren es nun eher die Zweifel an der Zukunft und seinen eigenen Gefühlen. Er wusste nicht mehr, wen er eigentlich liebte. Bunny? Serenity? Das Leben, das er haben sollte? War das, was er fühlte, überhaupt Liebe?

„Mamoru!“, hörte er eine ihm bekannte Stimme. Verwundert sah er auf. Er war inzwischen vor seinem Haus angekommen, vor dem Rei stand und augenscheinlich auf ihn wartete.

„Rei“, gab er erstaunt zurück. „Was machst du denn hier?“

„Ich habe auf dich gewartet.“ So viel hatte er schon vermutet. Er zögerte kurz.

„Möchtest du vielleicht mit hochkommen?“, fragte er schließlich. Wenn Rei ihm so auflauerte, wollte sie vermutlich ein etwas ernsteres Gespräch führen, und das wollte er sicher nicht auf offener Straße erledigen.

„Gern“, bestätigte sie sofort. Nur wenige Minuten später betraten sie beide Mamorus Wohnung. Während Rei es sich auf dem Sofa bequem machte, sorgte Mamoru schnell für Tee. Er fand auch noch eine angebrochene Packung mit Keksen, die er mit auf den Tisch stellte.

„Danke“, sagte Rei, rührte jedoch weder Tee noch Kekse an.

„Also?“, fragte Mamoru schließlich. „Was gibt’s?“

„Ich möchte mit dir über Bunny reden“, rückte Rei nun mit der Sprache raus. Mamoru legte die Stirn in Falten.

„Über was genau?“, hakte er nach. Rei atmete einmal tief durch.

„Ich habe seit unserem letzten Treffen viel darüber nachgedacht“, sagte sie schließlich. Erst von Mamoru hatte sie erfahren, dass die beiden gerade eine Beziehungspause machten und obwohl sie Bunny eine SMS geschrieben hatte, hatte sie keine Antwort bekommen. „Ich habe das Feuer befragt und irgendwas passiert hier gerade. Auch wenn ich nicht genau sagen kann, was ist ist, ich bin mir sicher, es hat mit Bunny zu tun.“

Mamoru dachte einen Augenblick darüber nach. Hatte Rei auch gespürt, dass die Zukunft sich veränderte? So wie Setsuna? Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Ich habe mit Setsuna geredet“, erzählte er nun. „Sie hat gesagt, dass die Zukunft sich verändert… oder schon verändert hat.“

Rei dachte einen Moment darüber nach, bevor sie nickte. Das passte zu dem, was sie empfunden hatte, als sie sich aufs Feuer konzentriert hatte.

„Was gedenkst du nun zu tun?“, fragte sie schließlich direkt. Mamoru sah sie verwundert an.

„Was soll ich denn tun?“, fragte er. „Es liegt schließlich an Bunny, ein Entscheidung zu tr….“

„Nein“, unterbrach Rei ihn jedoch. „Es liegt nicht alles nur an Bunny. Mamoru, du gehörst genauso zu dieser Beziehung und der Zukunft, die wir gesehen haben, wie Bunny auch. Es ist nicht nur IHR Handeln, das diese Zukunft beeinflusst. Es ist auch DEIN Handeln.“

Mamoru fühlte sich, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Sollte er am Ende dazu beigetragen haben, dass die Zukunft sich veränderte?

„Mamoru…“, fuhr Rei nun etwas sanfter fort. „Ich bin mir sicher, dass Bunny dir sehr wichtig ist. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich möchte, dass sie glücklich ist.“

Mamoru sah sie weiterhin erstaunt an. „Natürlich möchte ich auch, dass sie glücklich ist. Ich würde alles tun, um sie glücklich zu machen!“

„Alles?“, fragte Rei zweifelnd. Er zögerte. Noch bevor er etwas darauf erwidern konnte, fuhr Rei fort. „Mamoru… Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen. Aber wenn du Bunny wirklich glücklich sehen möchtest… dann denk darüber nach, ob sie gehen zu lassen nicht vielleicht eine Möglichkeit ist, die du ernsthaft in Betracht ziehen solltest.“

„Ist das dein Ernst?“, fragte Mamoru entsetzt.

„Glaub mir, mir gefällt das auch nicht“, erwiderte Rei sofort. „Aber wenn es eine Sache gibt, die mir noch weniger gefällt, dann ist es, Bunny unglücklich zu sehen.“

„Was ist mit Chibiusa?“, fragte Mamoru inzwischen recht aufgebracht. Rei seufzte.

„Ich weiß es nicht“, gab sie zu. „Aber wenn Chibiusa das Einzige ist, was euch beide zusammenhält, dann sehe ich nicht, wie Bunny… nein, ihr beide jemals glücklich werden solltet.“

And I’m full of love and I’m falling under your spell

„Schätzchen?“, sprach Seiya Bunny an, die schon eine Weile sehr ruhig gewesen war und ihr Essen kaum angerührt hatte. Ruckartig sah sie auf.

„Ja?“, erwiderte sie und sah ihn mit großen Augen an.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er besorgt. Sie lächelte leicht.

„Natürlich“, antwortete sie, schaute jedoch sofort wieder auf ihren Teller. Er legte die Stirn in Falten. Sie wirkte nicht so, als sei wirklich alles in Ordnung. Er bekam ein flaues Gefühl im Magen. Ob die Tatsache, dass sie am nächsten Tag wieder zurück nach Tokio fahren würden, sie wieder in die Realität zurückgeholt hatte? Eine Realität, in der sie durch ihr Schicksal an Mamoru gebunden war – an Chibiusa? Er wollte nicht schon wieder darüber nachdenken. Die kurze Zeit, in der er sorglos mit Bunny zusammen gewesen war, sollte nicht schon wieder vorbei sein. Natürlich hatte er gewusst, dass das nicht für immer so bleiben würde. Sie hatte es selbst gesagt. Sie wollte nur einmal nicht über die Konsequenzen nachdenken. Das hieß nicht, dass sie das nicht wieder irgendwann tun würde… musste!
 

Als die Gruppe sich nach dem Essen wieder aufgemacht hatte, die letzten zwei Stunden, bevor sie sich wieder bei der Jugendherberge einfinden mussten, noch mal durch die Stadt zu laufen und ihren letzten Abend zu genießen, griff Seiya plötzlich nach Bunnys Hand. Verwundert sah sie auf.

„Schätzchen…“, setzte er an. Dass sie plötzlich wieder so still und nachdenklich geworden war, hatte ihn etwas verunsichert. „Wenn es für dich okay ist, können wir dann die letzten zwei Stunden zu zweit irgendwo hingehen?“

Sie dachte kurz darüber nach, bevor sie jedoch lächelte und nickte. „Gern“, stimmte sie zu.

„Hey, Leute!“, rief Seiya den anderen zu, die bereits an paar Meter von ihnen entfernt waren und sich auf sein Rufen umdrehten. Grinsend hob er die Hand, mit der er immer noch Bunnys Hand hielt.

„Wir verdrücken uns mal. Bis später!“

Noch bevor einer der anderen etwas darauf erwidern konnte, drehte er sich um und zog Bunny einfach mit sich mit. Auch sie grinste nun und winkte den anderen zum Abschied zu. Seiya hatte sie aus ihren trüben Gedanken geholt.
 

„Was möchtest du machen, Schätzchen?“, fragte er nun.

„Keine Ahnung“, antwortete sie ehrlich. Eigentlich war sie schon glücklich damit, mit Seiya an ihrer Seite durch diese wunderschöne Stadt zu laufen.

„Mhhmmm…“, machte er überlegend, bevor sein Blick auf etwas fiel. „Wie wär’s damit?“, fragte er und zeigte auf einen Fotoautomaten, der im Eingangsbereich einer hell erleuchteten Ladenpassage stand. Bunnys Augen fingen sofort an zu leuchten. Sie liebte diese Purikura-Automaten. Nicht nur dass man tolle Fotos mit seinen Freunden machen konnte, man konnte sie auch noch nach Belieben bearbeiten und verzieren und am Ende bekam man sie sogar als Sticker. Eine halbe Minute später saßen sie zu zweit in der Fotokabine.

„Aufgepasst!“, rief Bunny, nachdem sie ein paar Münzen eingeworfen hatte, und der Automat anzeigte, dass er gleich das erste von fünf Fotos schießen würde. Seiya neigte sich leicht zu Bunny rüber und beide machten ein Peace-Zeichen. Sie hatten zwischen den Fotos nur wenig Zeit, um sich neu zu positionieren. Auf dem zweiten Bild schnitten sie beide eine Grimasse. Für das dritte Bild legte Seiya seinen Arm um Bunny und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Bunny hatte nicht damit gerechnet und weitete überrascht die Augen. Sie drehte ihren Kopf zu Seiya und sah in seine strahlenden Augen, in denen sie sich für einen Augenblick verlor. Das vierte Bild. Noch bevor sie wusste, was gerade geschah, zog er sie schon an sich und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Automatisch schloss sie die Augen. Das fünfte Bild. Die beiden hatten gar nicht gemerkt, dass inzwischen alle Bilder geschossen waren und der Automat sie dazu aufforderte, ihre Bilder in der dafür vorgesehenen Nebenkabine zu bearbeiten.

Bunny legte ihre Arme um Seiyas Hals und zog ihn so noch näher zu sich. Vorsichtig öffnete er seine Lippen. Bunny erwiderte es sofort. Zunächst noch ganz sanft, doch dann immer fordernder küsste Seiya die Liebe seines Lebens. In diesem Moment gab es nur noch sie und ihn. Sein Gehirn war nicht dazu in der Lage, darüber hinaus an irgendetwas zu denken oder irgendetwas wahrzunehmen. Er wollte mehr. Wollte ihr näher sein. Wollte sie nie wieder loslassen. Immer näher drängte er sich an sie, verstärkte den Druck auf ihre Lippen, spürte die Bewegungen ihrer Lippen und ihrer Zunge. Nur am Rande nahm er wahr, dass er sie inzwischen gegen die Wand der Fotokabine drückte. Ihr entfuhr ein genüssliches Seufzen, das ihn beinahe um der Verstand brachte. Er war ihrem Zauber vollkommen verfallen.

„Schätzchen“, keuchte er, legte seine Lippen jedoch sofort wieder auf ihre. Er spürte, wie ihre Hand über seine Wange strich und dann seinen Hals hinabwanderte, über seine Brust, bis sie schließlich an seiner Taille lag und sie ihn noch näher an sich zog.
 


 

„Was glaubt ihr, was Bunny und Seiya grad machen?“, fragte Minako ihre Freunde nach einer Weile. Noch immer schlenderten sie gemeinsam durch die Stadt.

„Das will ich lieber nicht wissen“, erwiderte Yaten und verzog das Gesicht.

„Die beiden werden sicher genau wie wir einfach ihren letzten Abend hier genießen“, antwortete schließlich Taiki.

„Das glaube ich auch“, sagte Makoto nun. „Wahrscheinlich haben beide etwas Angst davor, was kommen wird, wenn wir zurück in Tokio sind.“

„Mhm“, machte Ami nachdenklich. „Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Bunny hat gesagt, sie wolle sich mal eine Weile einfach keine Gedanken machen, aber natürlich wird sie das früher oder später tun müssen. Und wenn wir zurück in Tokio sind, wird sie vermutlich unweigerlich wieder über alles nachdenken.“

Für einige Sekunden herrschte Schweigen in der Gruppe. Alle dachten darüber nach, was es wohl bedeuten würde, wenn Bunny wieder nachdenken würde.

„Glaubt ihr, dass sie wieder zurück zu ihrem Freund geht?“, fragte Taiki schließlich und sah die drei Mädchen dabei eindringlich an. Bisher hatte er sich noch nicht großartig eingemischt. Er hatte versucht, neutral zu bleiben. Er hatte stets versucht, auch Mamorus Seite zu verstehen. Und doch wollte er einfach nicht, dass Seiya schon wieder verletzt werden würde.

„Ich weiß nicht…“, zögerte Makoto und warf einen unsicheren Blick auf Minako und Ami, die ebenfalls darüber nachzudenken schienen.

„Wenn Chibiusa nicht wäre, hätte ich keine Zweifel, dass sie sich sofort für Seiya entscheiden würde“, überlegte Minako laut. Makoto nickte langsam.

„Das ist ihre Tochter, richtig?“, hakte Taiki nach.

„Ja“, bestätigte Minako sofort. „Bunny liebt sie über alles, daher ist das alles so schwierig für sie.“

„Ehrlich gesagt“, mischte sich nun Ami ein, „glaube ich nicht, dass sie so einfach wieder zu Mamoru zurückgeht.“ Alle sahen sie an. Verlegen fuhr sie fort: „Ich glaube, dass Bunny sich gar nicht erst auf Seiya eingelassen hätte, wenn sie wirklich noch zurück zu Mamoru gehen könnte. In ihren Gedanken findet immer noch ein Kampf statt, aber eigentlich weiß sie schon, was sie will.“

„Ami…“, sagte Minako nach einigen Sekunden des Schweigens. „Glaubst du das wirklich?“

Ami nickte überzeugt. „Ja, das glaube ich wirklich. Ihr kennt Bunny… Glaubt ihr wirklich, sie wäre der Typ dafür, ihre Beziehung für eine kurzfristige Affäre zu gefährden?“

Wenn sie so darübber nachdachten, glaubte das eigentlich keiner. „Das bedeutet, dass sie sich eigentlich schon für Seiya entschieden hat. Sie weiß es nur noch nicht. Beziehungsweise sie kann es sich selbst noch nicht ganz eingestehen, weil sie dabei immer noch an Chibiusa denkt.“

„Weißt du was, Ami?“ Minako lächelte leicht. „Ich hoffe, du hast recht.“
 


 

Als Bunny und Seiya den Kuss nach einer gefühlten Ewigkeit lösten, mussten sie beide schwer atmen. Die Hitze, die Seiya spürte, war genauso auf Bunnys Wangen zu erkennen. Mit glasigen Augen sah sie ihn an. Seiya, der sich stark zusammenreißen musste, um seine Sinne beisammenzuhalten, beugte sich noch einmal zu ihr und gab ihr noch einen sanften Kuss auf die Lippen, bevor er sich etwas von ihr löste. Nur zu gern hätte er weitergemacht, doch er hatte das Gefühl, dass er es nicht mehr aushielt, ihr so nahe zu sein, ohne ihr NOCH näher sein zu können.

„Schätzchen“, murmelte er schließlich.

„Mh?“, machte Bunny und wirkte so, als sei sie noch nicht wieder ganz da.

„Ich glaube, wir sollten mal unsere Fotos bearbeiten“, sagte er schließlich. Damit holte er auch Bunny zurück in die Realität. Etwas verwirrt und verlegen sah sie sich um, so als müsste sie erst mal herausfinden, wo sie überhaupt waren. Seiya lächelte. Er griff wieder nach ihrer Hand und zog sie so in die enge Kabine, in der man zum Abschluss seine Fotos bearbeiten konnte.

Als Bunny die Fotos erblickte, machte sie große Augen. Diese Fotos waren definitiv nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
 

Obwohl Bunny anfangs etwas dagegen protestiert hatte, hatte Seiya darauf bestanden, die Fotos noch zu bearbeiten und etwa eine Viertelstunde später hielten sie die gedruckten Fotosticker in Händen – jeder einen Bogen, auf dem die Fotos je in zweifacher Ausführung vorhanden waren. Seiya grinste, als er die Fotos betrachtete. Besonders das letzte Foto hatte es ihm angetan. Ein Foto, auf dem er und sein Schätzchen sich küssten. Der Automat hatte etliche Möglichkeiten geboten, dieses Foto mit Herzen und anderen Verzierungen noch zu verbessern.

Bunny hätte die Fotos am liebsten gar nicht erst genommen. Fotos, die zeigten, wie sie und Seiya sich küssten? Wie peinlich! Seit ihrem leidenschaftlichen Kuss war sie aus ihrer Verlegenheit gar nicht mehr rausgekommen. Sie war sich sicher, dass sie immer noch knallrot war. Kaum zu fassen, dass sie sich so vergessen hatte, nur weil Seiya sie so geküsst hatte. Andererseits musste sie zugeben, dass sie noch nie so geküsst worden war. Mamoru hatte sie sowieso selten geküsst und wenn dann eher harmlos. Vermutlich wegen ihres Altersunterschieds. Aber sie war auch kein kleines Kind mehr, dass nur mit ganz harmlosen Küssen zurechtkam.
 

Nachdem sie noch eine Weile zusammen durch die Stadt geschlendert waren, gingen sie wieder zurück in Richtung Jugendherberge. Seiya hatte Taiki angerufen, damit sich die ganze Gruppe treffen konnte, bevor sie an ihrem Ziel ankamen. Nachdem Makoto ihnen von den Gerüchten erzählt hatte, die offenbar um sie kursierten, wollten sie lieber ein wenig vorsichtig sein. Und da war es besser, wenn sie nicht nur zu zweit, sondern in ihrer üblichen Gruppe eintreffen würden.

Sofort, als die zwei auf die anderen trafen, hängte Minako sich an Bunnys Arm und zog sie ein paar Meter mit sich.

„Und??“, fragte sie mit strahlenden Augen.

„Was und?“, erwiderte Bunny verwirrt.

„Na, wie war’s??“, hakte Minkao aufgeregt nach. „Was habt ihr gemacht?“

Bei dem Gedanken daran, was sie gemacht hatten, wurde Bunny auf der Stelle wieder rot, was Minako natürlich nicht entging.

„N-nichts Besonderes“, antwortete Bunny ausweichend und wagte es nicht, Minako in die Augen zu sehen.

„Komm schon“, forderte Minako sie auf und stieß ihr mit dem Ellbogen leicht in die Seite. „Mir kannst du es doch erzählen!“

„W-wir…“ Bunny sah sich um, ob auch niemand sonst zuhörte, bevor sie deutlich leiser fortfuhr. „Wir waren in so einem Purikura-Automaten und… sind dann noch etwas durch die Stadt gelaufen.“

„Das war’s?“ Minako setzte ein enttäuschtes Gesicht auf. Bunny nickte so vehement, dass Minako sich sicher war, dass da noch mehr gewesen sein musste. „Kann ich die Fotos sehen?“

Entsetzt schüttelte Bunny den Kopf. „Die… die sehen ganz furchtbar aus! Die kann ich niemals jemandem zeigen! Hörst du? Nie niemals!“
 

Seiya beobachtete, wie Bunny und Minako sich kabbelten und grinste leicht. Es war schade, dass sich ihre Zeit in Kyoto dem Ende neigte. Er wusste, dass die lockere Stimmung zwischen ihm und Bunny vermutlich nicht aufrecht erhalten werden konnte, wenn sie zurück in Tokio waren. Aber immerhin wusste er jetzt, wie Bunny für ihn empfand und obwohl er versuchte, sich nicht zu viele Hoffnungen zu machen, hatte er nicht mehr dieses Gefühl völliger Hoffnungslosigkeit. Es bestand eine reelle Chance, dass Bunny sich für ihn entscheiden könnte.
 

Nach einem entspannenden Bad hatten sich die vier Mädchen für ihre letzte Nacht in ihrem Zimmer eingefunden und lagen inzwischen in ihren Futons. Sie redeten über die letzten Tage in Kyoto, über das, was sie gesehen und erlebt hatten, und was ihnen am besten gefallen hatte. Bunnys Gedanken schweiften immer wieder zu Seiya, dem sie während dieser Reise so unglaublich nahe gekommen war. Viel näher als sie es jemals gedacht hätte. Sie dachte an die Fotosticker, die sie, als sie in ihr Zimmer zurückgekehrt waren, schnell in ihrem Taschenkalender verstaut hatte, damit niemand aus Versehen diese Bilder zu Gesicht bekommen würde. Erneut spürte sie die Hitze in sich aufsteigen, als sie an den Kuss dachte. Sie wusste nicht, wie es weitergehen würde, wenn sie zurück in Tokio sein würden. Sie wusste nur, dass sie ihn wieder so küssen wollte.

„Bunny?“ Makotos Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Ja?“, antwortete sie schnell.

„Ich hab dich gefragt, ob du morgen Abend, wenn wir zurück sind, auch Lust hast mit zu Rei zu kommen. Sie hat mir eine SMS geschrieben und gefragt.“

„Ja, natürlich“, erwiderte Bunny sofort, obwohl sie ein schlechtes Gewissen überkam, als sie Reis Namen hörte. Sie hatte auf Reis letzte SMS, in der sie nach Bunnys und Mamorus Beziehungspause gefragte hatte, nicht mehr geantwortet. Zu viel war ihr zu dem Zeitpunkt im Kopf herumgegangen. Sie hoffte, Rei nahm es ihr nicht allzu übel.

And I don't see an easy way to get out of this

Bunny konnte noch gar nicht richtig glauben, dass ihre Zeit in Kyoto schon wieder vorbei war. Es war bereits später Nachmittag und sie stand in ihrem Zimmer und packte ihre Sachen aus. Ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass Bunny ihr gleich ihre Wäsche hinlegen sollte, weil sie noch am selben Tag waschen wollte. Bunny hätte ihre Tasche sonst vermutlich mehrere Tage in der Ecke ihres Zimmers liegen lassen.

Jetzt, da sie wieder zu Hause war, fühlte sie ihre Sorgen wieder zurückkehren. Bereits als sie im Zug gesessen hatten, hatte sie gemerkt, dass sie sich immer unwohler fühlte, je näher sie Tokio kamen. Die Reise nach Kyoto war ihr eine willkommene Auszeit gewesen, auch wenn sie zumindest die ersten Tage kaum hatte genießen können. Die letzten Tage jedoch… Die Tage, in denen sie Seiya so nahegekommen war, sich ihm so geöffnet hatte… Sie seufzte bei dem Gedanken daran. Sie vermisste ihn schon wieder. Während ihrer Zeit in Kyoto hatte sie ihn fast die ganze Zeit um sich gehabt. Und selbst wenn nicht, war sie zumindest nie wirklich alleine gewesen. Sie war froh, dass sie sich am Abend mit den anderen bei Rei treffen würden. Dann wäre sie wenigstens nicht mit ihren Gedanken alleine.

Ihr Handy machte ein kurzes Geräusch und verkündete damit den Eingang einer neuen SMS. Ihr wurde schlagartig flau im Magen. Sie rechnete jederzeit mit einer Nachricht von Mamoru, der ja wusste, dass sie an diesem Tag wieder zurück sein würde. Vorsichtig warf sie einen Blick auf das Display. Erleichterung machte sich in ihr breit, als ihr angezeigt wurde, dass die SMS nicht von Mamoru, sondern von Minako war, die fragte, ob Bunny nachher ihre Kamera mitbringen könnte, damit sie Rei Fotos aus Kyoto zeigen konnten. Bunny steckte die Kamera sofort in die Tasche, die sie später mitnehmen wollte, damit sie sie nicht vergaß.
 

Etwa eineinhalb Stunden später fand sie sich bei Rei ein. Die anderen waren alle schon da und ein Blick auf die Uhr verriet Bunny, dass sie zehn Minuten zu spät war.

„Du bist zu spät“, sagte Rei prompt und warf ihr einen strengen Blick zu. Bunny, die immer noch ihr schlechtes Gewissen wegen der nicht beantworteten SMS plagte, legte die Hände zusammen und senkte den Kopf leicht.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich und setzte sich schnell zwischen Makoto und Ami auf den Boden. Nach einem weiteren strengen Blick, entspannten sich Reis Gesichtszüge wieder ein bisschen.

„Wie war’s in Kyoto?“, fragte sie schließlich. Ein bisschen hatte sie schon von den anderen gehört, doch wollte sie explizit auch von Bunny etwas dazu hören.

„Gut“, antwortete sie zunächst knapp und blickte etwas verlegen drein. Sie warf einen kurzen Blick zu Minako, die ihr aufmunternd zunickte. „Ich…“, setzte Bunny an, die noch nicht so richtig wusste, wie sie Rei von den Entwicklungen zwischen ihr und Seiya erzählen sollte. Sie atmete einmal tief durch.

„Rei…“, fing sie schließlich noch mal von vorn an. „Tut mir leid, dass ich dir auf deine SMS nicht geantwortet habe. In den letzten Tagen ist ganz schön viel passiert und ich war selbst ganz schön durcheinander. Ja, Mamoru und ich haben uns auf eine Beziehungspause geeinigt, um zu schauen, wie es mit uns weitergeht.“ Sie machte eine kurze Pause und sah Rei vorsichtig an. Diese nickte kurz, um zu zeigen, dass sie verstand und sie weiter zuhören würde.

„Als wir dann in Kyoto waren“, fuhr Bunny fort, „ist zwischen mir und Seiya einiges passiert.“ Sie senkte den Blick, ließ sich von ihrer eigenen Verlegenheit jedoch nicht beirren. Da musste sie jetzt durch. „Ich habe ihm gesagt, was ich für ihn empfinde und wir… sind uns nähergekommen.“

„Habt ihr euch geküsst?“, fragte Rei direkt. Bunny wurde rot, bevor sie nickte.

„Seid ihr jetzt zusammen?“, stellte Rei ihre nächste Frage, auf die Bunny dieses Mal langsam den Kopf schüttelte.

„Nein“, antwortete sie. „Wir… wir sind nicht zusammen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das momentan nicht kann. Dass ich immer noch nicht weiß, was ich machen soll. Ich habe ihm gesagt, dass ich einfach mal eine Weile nicht über die Zukunft nachdenken möchte, und ich glaube, ihm ist klar, dass ich mich nur deshalb so auf ihn einlassen konnte.“

Rei nickte nachdenklich. „Eine letzte Frage“, sagte sie nach einigen Sekunden. „Macht Seiya dich glücklich, wenn ihr so zusammen seid?“

Bunny sah auf und Rei fest in die Augen. „Ja, das tut er.“

Rei schloss für einen Augenblick die Augen und atmete einmal tief ein und wieder aus, bevor sie Bunny wieder direkt ansah.

„Ich habe gestern mit Mamoru gesprochen“, eröffnete sie ihrer Freundin schließlich. Nicht nur Bunny, sondern auch die anderen drei Mädchen sahen sie erstaunt an. Bunny bekam Bauchschmerzen.

„Ich will ehrlich sein, Bunny“, fuhr sie fort. „Mir fällt das nicht so leicht, das alles so zu akzeptieren. Für mich war immer klar, dass du und Mamoru füreinander bestimmt seid. Ich dachte, wenn es etwas gibt, worauf man sich verlassen kann, dann darauf. Aber die letzten Wochen und Monate haben mir gezeigt, dass das wohl nicht so ist. Ich habe viel darüber nachgedacht und bin letzten Endes zu dem Schluss gekommen, dass mir dein Glück wichtiger ist als irgendeine vorherbestimmte Zukunft.“

„Rei…“ Bunnys Magen entkrampfte sich etwas.

„Lass mich ausreden.“ Rei sah sie mit strengem Blick an und Bunny verstummte sofort. „Ich habe wie gesagt gestern mit Mamoru geredet. Ich habe ihm gesagt, dass er darüber nachdenken soll, dich gehen zu lassen.“

Bunny riss bei Reis Worten erstaunt die Augen auf und auch den anderen Mädchen konnte man ihre Überraschung ansehen.

„DAS hast du ihm gesagt?“, hakte Bunny nach. Sie hatte Schwierigkeiten damit, diese Information zu verarbeiten. Doch Rei nickte.

„Das habe ich ihm gesagt“, bestätigte sie.

In Bunnys Gedanken drehte sich alles. So viele Fragen kamen in ihr hoch. „Wieso?“ war die erste, die sie über die Lippen brachte. Rei seufzte.

„Weil ich will, dass du glücklich bist, du doofe Nuss.“
 


 

Seiya saß zusammen mit Taiki auf der Couch in ihrem Wohnzimmer und starrte auf den Fernseher, ohne wirklich zu sehen, was da gerade lief. Wäre er aufmerksamer, hätte er wohl protestiert, denn Taiki hatte sich für eine stinklangweilige Sendung über Quantenphysik entschieden. Seiya war mit seinen Gedanken gerade jedoch nicht bei dem amerikanischen Physiker Hugh Everett, sondern bei Bunny.

Seit er wieder zu Hause war, hatte er das Gefühl, sich mit seinen Gedanken und den damit zusammenhängenden Emotionen vollständig im Kreis zu drehen. In einem Moment dachte er an die wunderschöne Zeit, die er mit Bunny in Kyoto verbracht hatte. Er dachte daran, wie sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Er dachte an die Küsse, die die beiden geteilt hatten. Er dachte an das Gefühl, dass das bei ihm ausgelöst hatte. Doch dann dachte er auch daran, dass immer noch nichts endgültig war. Daran, dass Bunnys Problem mit ihrer Zukunft und ihrer Tochter immer noch bestand. Dass Bunny ihm jederzeit mitteilen konnte, dass sie wieder zurück zu Mamoru gehen würde. Und immer, wenn er wieder an diesem Punkt angekommen war, dachte er daran, dass sie gesagt hatte, dass sie wollte, dass es eine Chance für sie beide gab. Und seine Gedankengänge begannen von vorne.

Er wünschte, er könnte sie jetzt sehen. Doch er wusste, dass die Mädchen sich am Abend bei Rei treffen wollten. Von Yaten hatte er erfahren, dass Minako ihm gesagt hatte, dass es ausnahmsweise mal ein reiner Mädelsabend werden sollte. Er hatte keine Ahnung, was die Mädchen an so einem Mädelsabend machten, aber er respektierte, dass sie auch mal unter sich sein wollten. Er beschloss, sich in ihren Proberaum zurückzuziehen und etwas Musik zu machen. Wie schon so oft hatte er das Gefühl, am kreativsten zu sein, wenn er so emotional war. Mit seiner Musik hatte er glücklicherweise ein Ventil, das er in solchen Situationen nutzen konnte. Doch bevor er in den Proberaum ging, machte er noch einen kleinen Abstecher in sein Zimmer. Er holte den Bogen mit den Purikura-Stickern hervor. Er wählte das Foto, auf dem er Bunny einen Kuss auf die Wange gab und nahm es mit, um es auf seine Gitarre zu kleben. Damit konnte seiner Kreativität nichts mehr im Wege stehen.
 


 

Rei hatte den Freundinnen inzwischen etwas genauer von ihrem Gespräch mit Mamoru erzählt. Auch dass sie im Feuer eine Veränderung wahrgenommen hatte, was sich Mamoru zufolge mit Setsunas Aussage über die Zukunft deckte, verschwieg sie nicht. Gemeinsam stellten die Mädchen Überlegungen an, was das konkret bedeutete.

„Ich weiß es leider auch nicht“, musste Rei ihre Freundinnen enttäuschen. „Ich kann nicht in die Zukunft sehen oder so. Es ist viel mehr… ein Gefühl, dass irgendetwas anders ist.“

„Und hat Mamoru gesagt, was genau Setsuna meinte?“, fragte Makoto. Doch Rei schüttelte den Kopf.

„Nicht genau“, erklärte sie. „Er hat nur gesagt, dass die Zukunft sich verändert oder schon verändert hat.“

„Dann sollten wir Setsuna vielleicht selbst fragen“, schlug Makoto nun vor.

„Das halte ich auch für eine gute Idee“, stimmte Ami zu.

„Wollen wir sie gleich fragen?“, mischte sich Minako aufgeregt ein. Ihrer Meinung nach konnte es gar nicht schnell genug gehen, dass sie Antworten bekamen. Zu ihrer Verwunderung schüttelte Bunny jedoch den Kopf.

„Nein, nicht mehr heute“, wandte sie ein. Sie war zu aufgewühlt, zu erschöpft. Und allem voran hatte sie zu viel Angst vor Setsunas Antwort. Sie hatte das Gefühl, eine endgültige Entscheidung treffen zu müssen, sobald sie mit Setsuna gesprochen hatte. Genauso hatte sie Angst davor, dass ihr am Ende doch keine Wahl blieb. So oder so, sie wusste, dass es keinen einfach Ausweg geben würde.

In dem Moment verkündete ihr Handy, dass sie eine SMS bekommen hatte. Wie schon am Nachmittag wurde ihr wieder schlagartig flau im Magen. Doch wieder überkam sie die Erleichterung, als sie sah, dass die Nachricht nicht von Mamoru war. Im Gegenteil machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer, denn es war Seiya, der ihr geschrieben hatte.
 

Hey Schätzchen :-*

Ich glaube, ich kann dir bald mal

wieder ein neues Lied vorspielen ;-)

ILD Seiya
 

Bunny konnte sich nur zu gut an das letzte Mal erinnern, als Seiya ihr ein Lied vorgespielt hatte. Sie lächelte. Sie konnte es kaum erwarten, das neue Lied zu hören. Es war immer irgendwie magisch, wenn sie Seiyas Gitarre und seinen Gesang hörte. Erneut warf sie einen Blick auf die SMS und stutzte etwas.

„Minako?“, wandte sie sich an ihre Freundin.

„Mh?“, machte diese neugierig.

„Was bedeutet ILD?“, fragte Bunny nun. Nicht nur Minako, sondern auch Rei und Makoto reagierten aufgeregt, während Ami ausnahmsweise einmal genauso auf dem Schlauch stand wie Bunny.

„Oh mein Gott“, rief Minako aufgeregt aus. „Hat Seiya dir das geschrieben?“

„Ja“, erwiderte Bunny verwirrt. „Aber ich weiß nicht, was das bedeutet.“

„Ich liebe dich!“, antwortete Minako enthusiastisch. Bunny runzelte die Stirn.

„Ja… ich dich auch, aber was bedeutet das jetzt?“

„Ach Bunny…“, seufzte Rei resigniert.

„Was ist?“ Bunny war inzwischen vollkommen verwirrt.

„ILD steht für ‚ich liebe dich‘!“, erklärte Minako geduldig.

„Oh“, machte Bunny und errötete verlegen. Sie wandte den Blick wieder auf das Display und begann, eine Antwort zu tippen.
 

Ich freu mich schon drauf!
 

„Schreib ‚IDA‘!“, forderte Minako, die sich über Makoto hinweg zu Bunny gebeugt hatte, um zu sehen, was ihre Freundin da schrieb.

„Und was bedeutet das nun wieder?“, fragte Bunny, die sich auch unter dieser Abkürzung nichts vorstellen konnte.

„Na, was schon? ‚Ich dich auch‘ natürlich!“, erklärte Minako. Bunny zögerte kurz. Sie drehte sich mit dem Handy zur Seite, sodass Minako nicht mehr sehen konnte, was sie da schrieb. Doch sie hörte auf ihre Freundin.
 

IDA Bunny
 

Noch einmal zögerte sie kurz, doch dann schickte die die SMS ab. Es war ja nicht so, als hätte sie Seiya ihre Liebe nicht sowieso schon längst gestanden. Noch während sie darüber nachdachte, gab ihr Handy erneut einen Ton von sich. Sie zuckte kurz zusammen und schaute erwartungsvoll auf das Display. Hatte Seiya so schnell schon wieder geantwortet? Doch als sie den Namen sah, der ihr da angezeigt wurde, rutschte ihr das Herz in die Hose. Es war die Nachricht, vor der sie sich so gefürchtet hatte.

„Alles okay, Bunny?“, fragte Ami, die sie, nachdem sie sich von Minako und damit auch Makoto weggedreht hatte, am besten sehen konnte und festgestellt hatte, dass sie plötzlich blass geworden war.

„Mamoru“, antwortete Bunny nur. Das genügte. Eine gespannte Stille legte sich über die Mädchen. Mit zitternden Fingern öffnete Bunny die SMS und begann zu lesen. Die Nachricht war kurz. Sie musste schlucken.

„Er möchte sich Sonntag mit mir treffen.“

Time can bring you down, time can bend your knees, time can break your heart

Unruhig blickte Bunny auf den Wecker neben ihrem Bett. 6:43 Uhr. Sie hatte die ganze Nacht schlecht geschlafen und obwohl es noch früh am Morgen war, glaubte sie nicht, dass sie noch mal einschlafen würde. Zu viel ging ihr im Kopf herum. Sie wollte heute mit Setsuna reden. Müde rieb sie sich die Augen. Sie schlug die Decke zurück und setzte sich mühselig auf. Sie braucht einen Moment, um sich an die aufrechte Position zu gewöhnen, doch schließlich stand sie auf. Sie ging ins Badezimmer und nahm eine Dusche, nach der sie sich etwas lebendiger fühlte. Für einen Moment überlegte sie, was sie frühstücken sollte, doch der Gedanke an Essen löste ein unangenehmes Gefühl in ihrem Magen aus. Sie schrieb einen Zettel für ihre Eltern und verließ das Haus.

Es war noch viel zu früh, um zu Setsuna zu gehen, aber sie hatte das Gefühl, keine Sekunde länger mehr zu Hause auszuhalten. Sie überlegte kurz, wohin sie jetzt gehen sollte, und entschied sich schließlich dafür, einen Spaziergang im Juban-Park zu machen. Um die Zeit sollte es dort recht ruhig sein. Gedankenverloren lief sie durch die Straßen, bis sie schließlich den Park erreichte. Es waren tatsächlich nur wenig Menschen zu sehen. Hier und da sah man einen frühen Spaziergänger, der seinen Hund ausführte, oder einen Jogger, der seiner Morgenroutine folgte. Doch Bunny nahm diese Menschen kaum wahr. Seit sie am vorigen Abend die Nachricht von Mamoru erhalten hatte, war sie in Gedanken bei dem anstehenden Gespräch mit ihm. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Nachdem sie erlebt hatte, wie es mit Seiya war, konnte sie sich einfach nicht mehr vorstellen, zu Mamoru zurückzugehen. Gleichzeitig konnte sie sich immer noch nicht vorstellen, Chibiusa einfach aufzugeben. Was sollte sie nur tun?

 

„Prinzessin.“

Überrascht sah Bunny auf. Setsuna stand nur wenige Meter von ihr entfernt auf einer kleinen Brücke.

„Setsuna!“, rief sie aus und überwand die kurze Distanz zwischen ihnen. „Was machst du denn hier?“

„Ich hatte das Gefühl, dass ich dich hier treffen würde“, antwortete Setsuna mit dem mysteriösen Lächeln, das Bunny schon so oft an ihr aufgefallen war.

„Wusstest du, dass ich heute mit dir reden wollte?“, fragte Bunny erstaunt.

„Ich habe es geahnt“, erwiderte Setsuna und schenkte Bunny ein wohlwollendes Lächeln. „Machen wir einen kleinen Spaziergang?“

Bunny nickte und setzte sich neben Setsuna in Bewegung.

„Wenn du schon geahnt hast, dass ich mit dir reden wollte, dann weißt du sicher auch, warum…“ Bunny merkte, dass sie nervös wurde. Auch vor diesem Gespräch hatte sie Angst.

„Wegen deiner Zukunft“, antwortete Setsuna. „Wegen Endymion, wegen Seiya Kou und… wegen Chibiusa.“

Bunny nickte stumm.

„Ich werde dir sagen, was ich Endymion gesagt habe“, fuhr Setsuna fort. Bunny sah auf. „Die Zukunft hat sich verändert. Aber es ist besser, wenn ihr eure Zukunft nicht kennt. Du weißt, wie es ist, seine eigene Zukunft zu kennen, und du weißt, wie schwierig es sein kann, dann noch in der Gegenwart zu leben. Die Zeit ist gekommen, dass du endlich frei sein kannst.“

Bunny dachte einen Augenblick darüber nach. Es war sicher nicht falsch, was Setsuna da sagte. Aber es half ihr nicht wirklich weiter.

„Setsuna“, sagte die deshalb. „Ich wünsche mir nichts mehr, als frei zu sein. Aber ich habe meine Zukunft schon kennengelernt. Ich habe Chibiusa kennengelernt. Wie könnte ich da jemals frei sein und meinem Herzen folgen?“

Setsuna blieb stehen. Bunny, die zunächst noch einen Schritt weitergelaufen war, drehte sich zu ihr um. Setsuna sah sie mit ernstem Blick an. „Diese Zukunft, die du kennengelernt hast, existiert nicht mehr.“

Bunnys Herz wurde schwer. Sie musste schlucken, bevor sie ihre nächsten Worte sprach: „Heißt das… Chibiusa… wird auch nicht existieren?“

Setsuna zögerte kurz, bevor sie fortfuhr. „Ich befürchte… so ist es.“

Es war die Antwort, vor der sie am meisten Angst gehabt hatte. Pure Verzweiflung trat in ihren Blick. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Das durfte einfach nicht sein!

„Prinzessin…“ Setsuna machte einen Schritt auf sie zu und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Die kleine Lady wusste, dass so etwas passieren könnte.“

Bunny verstand nicht, was Setsuna da sagte. „W-was…?“

Ein schmerzhafter Ausdruck trat auf Setsunas Gesicht. „Ich habe sie gewarnt, dass so etwas passieren könnte. Zeitreisen sind sehr gefährlich. Dadurch kann sich alles ändern. Und es hat sich alles geändert.“

„Setsuna...“, sagte Bunny verzeifelt. „Wovon redest du?“

„Ich kann dir nicht sagen, was genau es war. Aber durch die Zeitreise der kleinen Lady hat sich die Zukunft geändert. Ihre Zeitreise hat aus irgendeinem Grund dafür gesorgt, dass Prinzessin Kakyuu von Euphe auf die Erde geflohen ist. Dadurch sind auch Galaxia und die Starlights hergekommen.“

Bunny sah sie weiterhin fragend an. Setsuna schloss für einen Moment die Augen, bevor sie fortfuhr. „Mit anderen Worten… wäre die kleine Lady nicht in die Vergangenheit gereist, hättest du Seiya Kou niemals kennengelernt.“

Bunny versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Ihr war schwindelig. Dass sie so schlecht geschlafen und nichts gefrühstückt hatte, machte sich nun bemerkbar. Sie hatte das Gefühl, als sei ihr jegliche Energie geraubt worden. Sie zitterte und ihre Knie gaben nach. Sie sackte auf den Boden.

„Prinzessin!“, rief Setsuna erschrocken aus und ging sofort auf die Knie, um nach Bunny zu sehen. Doch mehr als ein Schluchzen brachte diese nicht hervor. „Prinzessin…“, wiederholte Setsuna, dieses mal mit sanfter Stimme. „Es tut mir so leid.“

 

Bunny brauchte einige Minuten, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und putzte sich mit einem Taschentuch, das Setsuna ihr gereicht hatte, die Nase. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Seit wann weißt du das alles?“, fragte sie schließlich. Setsuna überlegte einen Moment, bevor sie antwortete.

„Sicher bin ich mir erst seit Kurzem. Es gab schon lange Anzeichen, die ich jedoch nicht zu deuten vermochte.“ Sie holte einmal tief Luft. „Mir ist es erst jetzt bewusst geworden, doch schon als die Starlights damals auf die Erde kamen, hat sich die Zukunft geändert. Doch anders als bei Chibiusa wusste niemand davon. Mein Blick war getrübt, deshalb wusste auch ich nicht, was es war. Als die Starlights wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, dachte ich, es sei alles wieder normal, auch wenn alles ein wenig instabil wirkte. Doch in den letzten Wochen… In den letzten Wochen ist es sehr deutlich geworden. Es ist nicht mehr zu übersehen. Die Zukunft hat sich geändert. Und jetzt weiß ich, was es war. Wer SIE war.“

„Wer SIE war?“, fragte Bunny kraftlos.

„Eure Tochter.“

Bunny sah Setsuna fragend an. „Chibiusa?“

Doch Setsuna schüttelte den Kopf. „Nein… Nicht die kleine Lady. Ich spreche von einem anderen kleinen Mädchen. Ihr habt sie Chibi Chibi genannt.“

Sofort tauchte vor Bunnys Augen das Bild des kleinen Mädchens auf, das damals plötzlich aufgetaucht war und sie in vielerlei Hinsicht sehr an Chibiusa erinnert hat. Ihre Gedanken kreisten um das kleine Mädchen, bevor sie langsam realisierte, was Setsuna ihr da gerade eröffnet hatte.

„Chibi Chibi ist…?“ Sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Doch Setsuna verstand. Sie nickte.

„Sie ist deine Tochter“, erwiderte sie ruhig. „Deine und Seiyas Tochter, um genau zu sein.“

 

 

 

Seiya musste niesen.

„Gesundheit“, sagte Taiki, ohne von der Zeitung hochzublicken, die er während des Frückstücks las.

„Bist du etwa krank?“, fragte Yaten skeptisch und rückte ein Stück von Seiya weg.

„Nein“, antwortete Seiya und rieb seine Nase. „Es hat bestimmt grad jemand über mich geredet.“

Während er einen weiteren Bissen seines Frühstücksomletts nahm, beschloss er, Bunny nach einem Treffen zu fragen. Er hatte das Gefühl, nicht das ganze Wochenende ohne sie aushalten zu können. Er hatte sie immer schon am liebsten rund um die Uhr um sich gehabt, doch seit sie sich in Kyoto so nahe gekommen waren, verspürte er eine Sehnsucht, die kaum auszuhalten war. Er musste sie einfach sehen.

Schnell schlang er sein Frühstück runter und ging in sein Zimmer, wo sein Handy lag. Beinahe schon nervös griff er danach und wählte in seinen Kontakten Bunnys Nummer aus. Er hob das Handy an sein Ohr und hörte den Ton, welcher ihm anzeigte, dass es bei Bunny gerade klingeln musste. Sein Herz schlug aufgeregt in seiner Brust. Doch nach einer Weile ertönte nicht Bunnys Stimme, sondern eine automatische Ansage, dass der gewünschte Teilnehmer grad nicht erreichbar war. Vielleicht schlief sie noch. Kurzerhand schrieb er ihr eine SMS.

 

Guten Morgen Schätzchen :-*

Hast du Lust dich heute mit

mir zu treffen? Ich vermisse

dich schon wieder… :‘(

ILD Seiya

 

Er überflog die Nachricht noch einmal kurz, bevor er sie abschickte. Er überlegte, was er nun machen sollte. Eigentlich wollte er nichts anderes, als sein Schätzchen zu sehen. Aber da er sie bisher nicht erreicht hatte, musste er sich wohl oder übel etwas anderes überlegen. Zumindest, bis sie seine Nachricht gelesen hatte und sich bei ihm melden würde. Sollte er wieder in den Proberaum gehen und an seiner Musik arbeiten? Doch eigentlich stand ihm der Sinn eher nach etwas Bewegung. Er beschloss, eine Runde laufen zu gehen. Neben Schule, der Musik und seinen Freunden kam der Sport immer etwas zu kurz, obwohl er eigentlich immer gern sportlich aktiv gewesen war. Es schaffte ihm einen gewissen Ausgleich.

Etwa zehn Minuten später befand er sich bekleidet in kurzer Sporthose und passendem T-Shirt auf dem schnellsten Weg zum Juban-Park. Mit ein bisschen Grün um einen herum konnte man irgendwie einfach besser laufen. An seiner Kondition merkte er, dass er schon länger nichts getan hatte. Das Laufen kam ihm anstrengender vor, als es sollte. Er beschloss, dass er wieder öfter laufen gehen würde.

Er war etwa eine halbe Runde durch den Park gelaufen, als ihm auf einem der etwas abgelegeneren Wege hinter der Brücke etwas ins Auge stach. Jemand hockte am Boden. War etwas passiert? Er beschleunigte seinen Schritt etwas. Als er näher kam, konnte er ausmachen, dass es sich um zwei Personen handeln musste – zwei Frauen. Eine Frau mit langem, dunklem Haar hatte ihm den Rücken zugewandt und sprach offenbar mit einer zweiten Frau, die er jedoch nicht genau erkennen konnte. Er war schon relativ nah, als er die beiden Frauen endlich erkannte. Schlagartig spürte er die Angst in sich aufkommen. Er überwand die letzten Meter und ging neben Bunny, die bitterlich weinte, auf die Knie.

„Schätzchen!“, rief er erschüttert aus und legte einen Arm um ihre Schulter. „Was ist los? Was ist passiert?“

„Se-Seiya…“, schluchzte Bunny und sah zu ihm auf. Er zog sie noch ein wenig näher zu sich.

„Ich bin hier, Schätzchen“, versuchte er sie zu beruhigen. Er spürte, wie Bunny sich zu ihm drehte, ihren Kopf gegen seine Brust lehnte, und sich mit den Fingern in sein Shirt krallte. Vorsichtig strich er über ihr Haar.

„Was ist los?“, richtete er seine Frage dieses Mal an Setsuna. Diese zögerte etwas.

„Ich denke, das sollte die Prinzessin dir selbst erzählen“, antwortete sie schließlich. Seiya runzelte die Stirn. Was konnte Bunny so erschüttert haben? Was war es, was Setsuna ihm nicht sagen konnte? Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das weinende Mädchen in seinen Armen. Eine Weile saßen sie einfach nur da. Er hielt sie fest und streichelte besänftigend über ihr Haar. Es schienen etliche Minuten vergangen zu sein, bevor Bunny sich langsam etwas beruhigte. Sie hörte auf zu schluchzen und ihre Tränen versiegten langsam. Seiya löste sich sanft von ihr, um ihr ins Gesicht sehen zu können.

„Geht’s langsam wieder, Schätzchen?“, fragte er besorgt. Sie nickte, bevor sie sich an Setsuna wandte.

„Danke, Setsuna. Ich glaube… ich sollte mit Seiya alleine reden.“

Setsuna nickte und erhob sich.

„Es tut mir leid, Prinzessin“, sagte sie. „Ich hoffe, dass es dir bald besser geht.“

Bunny lächelte zaghaft. „Danke.“

Setsuna verabschiedete sich und wandte sich zum Gehen. Sowohl Bunny als auch Seiya sahen ihr hinterher. Keiner von beiden sagte ein Wort, bis sie aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Als sie nicht mehr zu sehen war, atmete Bunny einmal tief durch und machte Anstalten, aufzustehen. Seiya ergriff ihren Arm und stützte sie.

 

„Erzählst du mir jetzt, was los war?“, fragte Seiya, nachdem er sicher war, dass Bunny einen sicheren Stand hatte und nicht jeden Moment wieder zu Boden gleiten würde. Er sah ihr an, dass sie zögerte. Doch schließlich begann sie, zu erzählen.

„Ich habe mit Setsuna über die Zukunft geredet“, erklärte sie. „Du weißt schon… wegen Chibiusa und so…“ Seiya nickte ernst. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Was konnte Setsuna ihr diesbezüglich erzählt haben, was sie so aus der Fassung gebracht hatte? Er merkte Bunny an, dass es ihr schwerfiel, darüber zu reden.

„Setsuna hat mir erzählt, dass… die Zukunft, die ich kenne… dass Chibiusa… nicht mehr…“ Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen und sie stockte etwas. Seiyas Herz zog sich bei hrem Anblick zusammen.

„Es tut mir leid, Schätzchen“, sagte er sofort und hoffte, dass sie wusste, dass er es ernst meinte. Doch sie schüttelte den Kopf.

„Es ist nicht deine Schuld“, erwiderte sie leise. Er bezweifelte, dass es nicht seine Schuld war, sagte jedoch nichts.

„Setsuna“, fuhr sie nun fort, „hat mir erzählt, dass sich die Zukunft schon deshalb geändert hat, weil Chibiusa damals eine Zeitreise gemacht hat. Offenbar seid ihr nur deshalb überhaupt erst auf die Erde gekommen. Und offenbar haben wir uns deshalb überhaupt erst kennengelernt. Und das hat gereicht, um die Zukunft zu verändern.“

Seiya brauchte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Hieß das, dass Chibiusas eigene Zeitreise dafür verantwortlich war, dass sie gar nicht erst geboren werden würde? Wie grausam das Schicksal sein konnte…

„Aber“, fuhr er mit seinen Überlegungen laut fort, „dass wir auf die Erde gekommen sind, kann doch keinen so starken Einfluss auf die Zukunft gehabt haben?“

„Anscheinend doch“, antwortete Bunny und erneut konnte Seiya sehen, dass sie zögerte.

„Seiya…“, sagte sie schließlich. „Erinnerst du dich an Chibi Chibi?“

„Klar.“ Natürlich konnte er sich an das quirlige kleine Mädchen erinnern. Immerhin hatte sie ihn ganz schön auf Trab gehalten und für die eine oder andere peinliche Situation gesorgt.

„Chibi Chibi…“, fuhr Bunny leise fort, bevor sie ihm direkt in die Augen sah und mit etwas festerer Stimme weitersprach, „… ist unsere Tochter.“

I’d never dreamed that I’d meet somebody like you

Seiya starrte Bunny wortlos an. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Eigentlich wusste er nicht mal, was er denken sollte. Was hatte sie gerade gesagt? Eben hatte sie von der Zukunft erzählt, die sich verändert hatte. Und dann? Was war mit Chibi Chibi? Sie war… was?

„U-unsere… Tochter?“, brachte er schließlich hervor. Er merkte, wie ihm bei seinen eigenen Worten die Hitze in die Wangen stieg.

„Ja“, bestätigte Bunny nickend. „Sie ist unsere Tochter.“

„Moment mal“, forderte Seiya und hob abwehrend die Hände. „Nicht so schnell… Was meinst du damit, sie ist unsere Tochter? Wie soll sie unsere Tochter sein?“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Bunny. „Setsuna hat gesagt, dass sie unsere Tochter ist und ich glaube ihr.“

Seiya hatte diese Information immer noch nicht verarbeitet, doch ein anderer Gedanke schlich sich bei ihm ein.

„Schätzchen“, sagte er vorsichtig. „Hast du deshalb so geweint? Weil du erfahren hast, dass Chibi Chibi… also… dass sie unsere… Tochter ist?“

Schnell schüttelte Bunny den Kopf. „Nein“, beeilte sie sich zu sagen. „Natürlich nicht. Es ist nicht wegen Chibi Chibi. Ich bin nur…“ Sie musste einmal durchatmen und Seiya hatte das Gefühl, dass sie ein paar neuerliche Tränen runterschluckte.

„Es ist nur grad alles etwas viel für mich“, fuhr sie schließlich mit zitternder Stimme fort. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Chibiusa…“ Ihre Stimme brach und dieses Mal konnte sie nicht verhindern, dass die Tränen wieder in ihr aufstiegen.

„Schätzchen…“ Seiya tat es weh, Bunny so zu sehen. Erneut legte er die Arme und sie und zog sie an sich. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und hielt sie einfach fest. Bunny schmiegte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.

„Kann ich ein bisschen mir zu dir nach Hause kommen?“, murmelte sie in sein T-Shirt, nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. Sie hatte das Bedürfnis bei ihm zu sein, aber sie wollte sich nicht mehr in der Öffentlichkeit des Parks aufhalten.

„Natürlich Schätzchen“, antwortete Seiya sofort und gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich von ihr löste und nach ihrer Hand griff. „Lass uns gehen.“
 

Etwa zwanzig Minuten später schloss Seiya die Tür zu seiner Wohnung auf.

„Komm rein, Schätzchen“, forderte er Bunny auf. Sie folgte ihm in die Wohnung und zog ihre Schuhe aus.

„Seiya?“, hörte sie Taikis Stimme und kurz darauf trat er auch in ihr Blickfeld. „Oh, hallo Bunny“, begrüßte er sie.

Sie lächelte schwach. „Hallo Taiki“, erwiderte sie den Gruß. Er musste ihr ansehen, dass etwas nicht in Ordnung war, doch er sagte nichts. Stattdessen zog er eine Augenbraue hoch und warf einen fragenden Blick zu Seiya. Dieser schüttelte jedoch nur den Kopf. Taiki akzeptierte es.

„Yaten und ich sind im Wohnzimmer, falls ihr was braucht.“ Damit verschwand er wieder. Bunny war dankbar für Taikis Feingefühl. Natürlich würden er und Yaten früher oder später erfahren, was los war. Doch in diesem Moment war sie noch nicht bereit, mit irgendjemandem außer Seiya darüber zu reden. Nicht mal mit ihren besten Freundinnen.

„Komm, wir gehen in mein Zimmer“, hörte sie jetzt Seiya sagen. Sie folgte ihm stumm. Als sie sein Zimmer betrat, sah sie sich kurz um. Es war ordentlicher, als sie gedacht hatte. Auf dem Bett und über der Lehne seines Schreibtischstuhls lagen ein paar Klamotten und auf seinem Schreibtisch stand ein benutztes Glas. Ansonsten war ziemlich ordentlich. Ihr Blick fiel auf die Wand hinter dem kleinen Sofa. Dort hing die Fotowand, die sie und die anderen ihm vor ein paar Wochen zum Geburtstag geschenkt hatten.

„Brauchst du irgendwas, Schätzchen?“, fragte Seiya und holte sie damit aus ihren Gedanken. Sie drehte sich zu ihm um.

„Nein…“, erwiderte sie leise, doch in diesem Moment meldete sich ihr Magen mit einem lauten Grummeln. Prompt wurde sie rot. Seiya grinste leicht.

„Ich hol dir was zu essen“, verkündete er und verließ den Raum. Wie peinlich! Nachdem Seiya die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte Bunny sich wieder der Fotowand zu. Sie ging etwas näher heran, um die Bilder besser betrachten zu können. Sie freute sich, dass er das Geschenk wirklich in seinem Zimmer aufgehängt hatte. Sie musste lächeln, als sie die Bilder sah. Sie hatte wirklich viele schöne Erinnerungen an ihre gemeinsamen Unternehmungen. Plötzlich fiel ihr Blick auf die untere rechte Ecke. Sie musste etwas genauer hinsehen. Sie spürte, wie sie wieder rot wurde, als sie erkannte, was es war, das ihr da ins Auge gesprungen war. Seiya hatte dort einen der Purikura-Sticker hingeklebt, die sie in Kyoto gemacht hatten. Und dann auch noch ausgerechnet den, auf dem sie beide sich küssten. Sie spürte ein leichtes Kribbeln in der Magengegend, als sie an diesen Kuss dachte. Doch sofort schüttelte sie den Gedanken wieder ab und dachte wehmütig an Chibiusa. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie kein Recht, an irgendetwas Schönes zu denken, jetzt da sie von Chibiusas Schicksal erfahren hatte.

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Seiya betrat das Zimmer. Er hielt ein Tablett in den Händen, auf dem sich Reis, Miso-Suppe und noch ein paar andere Dinge befanden. Mit dem Fuß schob er die Tür hinter sich wieder zu. Er stellte das Tablett auf den kleinen Tisch in der Mitte des Raums und räumte die einzelnen Schalen und Teller, einen Löffel und das Paar Stäbchen vom Tablett auf den Tisch.

„Danke, Seiya“, sagte sie und setzte sich zum Essen hin.

„Gern geschehen, Schätzchen“, erwiderte er sofort. „Ich hoffe, es schmeckt dir.“

Sie nahm einen Löffel der Suppe. „Lecker.“

Seiya lächelte.

„Schätzchen, sorry, aber ich bin etwas verschwitzt, weil ich eben laufen war. Ich würde gern kurz unter die Dusche springen. Ist es okay, wenn ich dich kurz allein lasse?“

„Natürlich“, antwortete sie sofort. Er sah erleichtert aus. Als hätte sie ihm seine Dusche verwehren können.

„Ich bin in fünf Minuten zurück, versprochen!“
 

Seiya beeilte sich im Bad. Er wollte sein Schätzchen nicht allzu lang allein lassen. Dennoch kam er nicht darum herum, über das nachzudenken, was er vor nicht einmal einer Stunde erfahren hatte. Schon während ihres Heimwegs hatte er unentwegt darüber nachgedacht. Er konnte es immer noch nicht glauben. Er und Bunny sollten eine gemeinsame Tochter haben. Und diese Tochter hatte er bereits kennengelernt. Bei dem Gedanken an das kleine Mädchen wurde ihm ganz eigenartig zumute. Sie war seine Tochter gewesen. Seine und Bunnys. Das bedeutete, er und Bunny würden zusammen sein. Nicht nur das, sie würden eine gemeinsame Tochter haben! Seine Gedanken kreisten immer wieder um diesen einen Punkt.
 

Bunny aß gerade die letzten Bissen, als sich die Tür zu Seiyas Zimmer öffnete. Sie sah auf und verschluckte sich beinahe. Seiya betrat offensichtlich verlegen das Zimmer. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt, welches ihm etwa bis zu den Knien reichte.

„Hab vergessen, mir Klamotten mitzunehmen“, murmelte er verlegen und schritt schnurstracks zu seinem Kleiderschrank, aus dem er sich ein paar Klamotten fischte. „Bin gleich wieder da.“

Mit diesen Worten verschwand er wieder. Bunny starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Tür, durch die Seiya grad verschwunden war. Sie hatte ihren Blick keine Sekunde von ihm abwenden können. Noch immer sah sie seinen nackten Oberkörper vor sich. Die feinen Muskeln, die sich unter seiner glatten, noch leicht feucht schimmernden Haut abzeichneten.

Langsam legte sie die Stäbchen, die sie noch in der Hand hielt, auf den Tisch und klatschte sich mit beiden Händen einmal ins Gesicht. „Reiß dich zusammen!“, dachte sie für sich. Sie hatte gerade ganz andere Sorgen, da war kein Platz für Seiyas Bauchmuskeln. Oder seine glatte Haut. Oder den Duft, den er im Raum hinterlassen hatte…
 

Es dauerte nur zwei Minuten, bis sich die Tür wieder öffnete und Seiya – dieses Mal vollständig bekleidet, aber immer noch etwas verlegen – das Zimmer betrat. Er setzte sich zu Bunny auf den Boden.

„Bist du fertig?“, fragte er und deutete auf die paar Reste, die sich noch in den Schälchen befanden. Erst durch seine Frage fiel Bunny wieder ein, dass sie eigentlich grad dabei war zu essen.

„Fast!“, rief sie aus, griff wieder nach ihren Stäbchen und schaufelte sich die Reste in den Mund. Seiya grinste. Ihr Appetit war ein gutes Zeichen.

Als Bunny aufgegessen hatte, räumten sie die die mittlerweile leeren Schälchen und Teller sowie das Besteck auf das Tablett. Seiya entschuldigte sich noch mal kurz, um das Tablett in die Küche zu bringen und das gebrauchte Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Als er wiederkam, hatte Bunny es sich auf dem kleinen Sofa gemütlich gemacht. Seiya setzte sich neben sie.

„Geht’s dir etwas besser, Schätzchen?“, fragte er mit Sorge in der Stimme.

„Ja“, antwortete sie und schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Das Essen hat mir wirklich gutgetan.“

Er griff nach ihrer Hand und strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken.

„Möchtest du über irgendetwas reden?“, erkundigte er sich nun. So richtig hatten sie noch gar nicht darüber gesprochen, was sie heute erfahren hatten.

„Mhm…“, machte Bunny unbestimmt. „Möchtest du?“

„Ich denke, wir sollten…“, erwiderte er, wusste aber selbst nicht, wie er am besten anfangen sollte. Nach einigen Sekunden der Stille ergriff allerdings Bunny wieder das Wort und nahm ihm diese Aufgabe damit ab.

„Seiya…“, begann sie vorsichtig, als hätte sie Angst vor dem, was gleich kommen könnte. „Ist… Ist es schlimm für dich zu wissen, dass wir… also dass Chibi Chibi… unsere Tochter sein wird?“

„Was?“, fragte er erstaunt. „Nein, natürlich nicht!“ Er drückte ihre Hand und brachte sie dazu, ihn anzusehen. „Schätzchen… Zu wissen, dass wir beide eine gemeinsame Tochter haben werden… und dass diese Tochter Chibi Chibi ist… das macht mich überglücklich!“

In Bunnys Augen sammelten sich erneut Tränen, doch sah sie dieses Mal nicht unglücklich aus.

„Wirklich?“, hakte sie nach.

„Wirklich“, bestätigte Seiya sofort. „Ich meine, natürlich hat mich diese Nachricht erst mal umgehauen. Aber eine Zukunft mit dir, in der wir zusammen sind und sogar eine gemeinsame Tochter haben! Das ist alles, was ich jemals wollte!“

Bunny lächelte und wischte sich mit einer Hand ihre Tränen weg.

„Ich hatte Angst, dass es schlimm für dich ist und du das alles gar nicht willst“, gab sie nun zu. Seiya legte eine Hand an ihre Wange.

„Schätzchen“, sagte er ernst. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Wirklich. Außerdem, wer würde sich nicht darüber freuen, so ein süßes Mädchen wie Chibi Chibi zur Tochter zu haben? Sie sieht genauso aus wie du!“

„Und sie hat deine Persönlichkeit“, fügte Bunny hinzu.

„Was meinst du damit?“, fragte Seiya mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Naja… sie ist frech und aufmüpfig und stellt ständig Blödsinn an“, erklärte sie grinsend.

„Hey!“, protestierte Seiya, musste aber lachen. Ganz unrecht hatte sie damit ja nicht.

„Es ist unglaublich, oder?“, fragte Bunny nach einigen Sekunden. „Dass die Zukunft sich so verändert hat, meine ich. Schon damals.“

„Ist es“, stimmte Seiya zu und legte seinen Arm um Bunnys Schultern, um sie etwas näher an sich zu ziehen. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

„Ich hätte damals nie gedacht, dass ich mal so für dich empfinden würde“, fuhr Bunny fort. „Ich meine, ich mochte dich. Aber ich dachte die ganze Zeit, das wäre nur Freundschaft. Immerhin hatte ich ja schon einen Freund…“

Seiya musste schlucken. Eigentlich wollte er grad nicht über besagten Freund nachdenken. Aber obwohl er jetzt von seiner Zukunft mit Bunny wusste, stand dieser immer noch irgendwo zwischen ihnen.

„Apropos…“, begann Seiya widerwillig. „Was ist jetzt mit ihm?“

Bunny seufzte. „Er will sich morgen mit mir treffen.“

Seiya löste sich etwas von ihr, um sie ansehen zu können.

„Und was wirst du ihm sagen?“, fragte Seiya und versuchte das flaue Gefühl in seinem Magen zu ignorieren. Doch Bunny schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es noch nicht“, gestand sie. „Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken.“

Seiya schwieg. Er wusste genau, was sie ihm sagen sollte, wenn es nach ihm ginge. Aber er wollte ihr da nicht reinreden. Was sie mit Mamoru machen wollte, ihm sagen wollte, war immer noch ganz allein ihre Entscheidung.
 


 

Mamoru betrat das kleine Café. Er war einmal mit Bunny hier gewesen, doch hatte sie hier irgendwie fehl am Platze gewirkt. Es war ein ruhiger Ort, an dem die meisten Leute der Unruhe des Alltags entflohen. Die stilvolle Einrichtung und die klassische Musik, die stets im Hintergrund lief, boten ein gehobenes Ambiente. Viele kamen alleine her und lasen Zeitung oder ein Buch. Diejenigen, die in Gesellschaft kamen, unterhielten sich in einem angemessenen Ton. Es war ihm unangenehm gewesen, als Bunny in ihrer üblichen lauten Art mit ihm geredet und gelacht hatte. Ihm waren die Blicke der anderen Gäste nicht entgangen – ihr schon.

Er sah sich um. In einer Ecke entdeckte er Setsuna, die grad an ihrer Tasse Tee nippte und augenscheinlich der Musik lauschte. Brahms, wenn er nicht irrte. Er schritt auf seine Verabredung zu und setzte sich zu ihr. Es verstrichen ein paar Sekunden, bevor sie die Augen öffnete und ihn ansah.

„Danke, dass du gekommen bist, Endymion“, begrüßte sie ihn.

„Nichts zu danken“, erwiderte er. Noch bevor sie ein Gespräch aufbauen konnten, kam schon die Kellnerin und nahm Mamorus Bestellung an. Er schloss sich Setsuna an und bestellte einen Earl Grey.

„Du wolltest mich sehen?“, fragte er schließlich, neugierig, warum Setsuna ihn noch einmal treffen wollte, nachdem sie erst vor wenigen Tagen miteinander gesprochen hatten. – ein Gespräch, das ihm immer noch nachhing.

Setsuna setzte ihre Tasse ab und sah ihn an.

„Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, antwortete sie. Mamoru zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ich habe heute früh mit der Prinzessin geredet“, fuhr sie fort, „und ich habe ihr mehr erzählt, als ich wollte. Mehr als ich dir erzählt habe. Das ist nicht fair. Ich möchte dir die Chance geben, die gleichen Möglichkeiten auszuschöpfen wie sie.“

Mamoru runzelte die Stirn. „Was hast du ihr gesagt?“

„Ich habe ihr etwas über das Schicksal eurer gemeinsamen Zukunft gesagt und etwas über ihre neue Zukunft. Das Gleiche biete ich dir auch an. Ich kann dir etwas darüber erzählen, was mit eurer gemeinsamen Zukunft passiert ist. Und etwas über deine neue Zukunft. Auch wenn ich dir von Letzterem abraten möchte.“

„Du hast Bunny aber darüber erzählt“, stellte er fest und runzelte die Stirn.

„Das habe ich“, erwiderte Setsuna und seufzte. „Ich wollte es eigentlich nicht, aber ich hatte das Gefühl, dass sie diese Information braucht.“

„Welche Information?“, hakte Mamoru nach, doch Setsuna schüttelte den Kopf.

„Das kann ich dir nicht sagen.“

Mamoru dachte einen Moment nach. Er wollte wissen, was Setsuna Bunny genau gesagt hatte, doch wusste er, dass es wohl keinen Zweck hatte weiter darauf zu pochen.

„Was ist mit Bunnys und meiner gemeinsamen Zukunft?“, fragte er deshalb.

„Diese Zukunft existiert nicht mehr“, erklärte Setsuna ruhig. „Die Zusammenhänge kann ich dir leider nicht erklären, aber die Zeireise der kleinen Lady hat die Zukunft verändert. Eigentlich hätten Prinzessin Kakyuu und Galaxia und damit auch die Starlights nicht auf die Erde kommen sollen. Doch irgendetwas an der Zeireise der kleinen Lady hat bewirkt, dass sie eben doch hergekommen sind.“

Mamoru dachte etwas darüber nach, bevor er die wichtigste Frage stellte.

„Was ist mit Chibiusa?“

Setsuna senkte den Kopf. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich und sah dabei ehrlich betrübt aus. „Aber die kleine Lady wird ebenfalls nicht existieren.“

There is a feeling that flows through me when you are near

Mamoru hatte es befürchtet und trotzdem traf ihn die Nachricht, dass Chibiusa nicht existieren wird, wie ein Schlag in den Magen. Er schloss für einen Moment die Augen und atmete einmal tief durch. Er spürte, dass Setsunas Blick auf ihm lag. Als er seine Augen wieder öffnete, trafen sich ihre Blicke.

„Wie hat Bunny darauf reagiert?“, fragte er schließlich.

„Sie hat geweint“, antwortete Setsuna ehrlich. „Es hat sie schwer getroffen.“

Mamoru nickte nachdenklich. Natürlich hatte Bunny geweint. Alles andere hätte ihn mehr als überrascht. Selbst wenn es zwischen ihnen beiden nicht mehr so gut lief, an ihrer Liebe zu Chibiusa hatte er keine Zweifel. Er würde am nächsten Tag mit ihr reden. Das hatte er sowieso vorgehabt. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung…
 


 

Bunny hatte den Kopf an Seiyas Schulter gelehnt. Schon seit einigen Minuten hatte keiner von beiden mehr etwas gesagt. Jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Bunny dachte an Chibiusa. Immer wieder war sie den Tränen nahe, wenn sie an das kleine Mädchen dachte, das eigentlich ihre Tochter hätte werden sollen. Doch sie dachte auch an Chibi Chibi. Die Tatsache, dass die Zukunft sich geändert hatte und Chibi Chibi ihre und Seiyas Tochter sein sollte, änderte ihre Lage vollkommen. Sie musste sich jetzt nicht mehr zwischen dem Leben ihrer Tochter und ihrem eigenen Glück entscheiden. Nein, ihre Entscheidung würde nun so oder so einem kleinen Mädchen das Leben kosten. Chibiusa oder Chibi Chibi. Es brach ihr das Herz.

Sie spürte die Erschöpfung und hatte das Gefühl, immer wieder wegzunicken, während sich ihre Gedanken immer wieder um dasselbe drehten. Chibiusa oder Chibi Chibi. Sie stellte sich vor, wie es wäre mit Seiya zusammen zu sein und in der Zukunft mit ihm eine gemeinsame Tochter zu haben. Sie sah Chibi Chibi vor ihrem geistigen Auge. Sie lachte und wurde von Seiya auf seine Schultern gehoben. Auch er lachte. Sie sahen glücklich aus. Vater und Tochter. Jetzt sah Seiya sie an und hielt ihr seine Hand hin. „Komm, Schätzchen“, forderte er sie lächelnd auf. Sie konnte nicht anders als ebenfalls zu lächeln. Der Anblick machte sie einfach glücklich. Sie streckte ihre Hand nach seiner aus, doch kurz, bevor sie sie ergreifen konnte, spürte sie, dass etwas von hinten an ihr zog. Sie drehte sich um. Hinter ihr stand Chibiusa – leichenblass und mit leeren Augen. „Mama…“, sagte sie mit schwacher Stimme.

Bunny schrak hoch. Für einen Moment wusste sie nicht, wo sie war.

„Alles in Ordnung, Schätzchen?“, hörte sie Seiyas besorgte Stimme. Sie sah zu ihm auf. Er hatte die Stirn in Falten gelegt und sah sie eindringlich an.

„Ich… muss kurz weggenickt sein“, erklärte sie und versuchte diesen kurzen, aber intensiven Traum abzuschütteln. „Ich hab letzte Nacht fast gar nicht geschlafen.“

„Möchtest du dich etwas hinlegen?“, bot er ihr sofort an. Doch Bunny schüttelte den Kopf. Sie wollte auf keinen Fall wieder so einen Traum haben.

„Kann ich sonst irgendetwas für dich tun?“, hakte er nach. Bunny überlegte kurz.

„Ich könnte ein bisschen Ablenkung vertragen“, sagte sie schließlich. „Du wolltest mir doch mal zeigen, wie man Klavier spielt. Seitdem ist so viel passiert, dass wir das irgendwie nie gemacht haben, aber du hast es mir versprochen.“

„Gern“, bestätigte er grinsend, ergriff ihre Hand und stand mit ihr auf. „Ich zeige dir unseren Proberaum und dann kann die Klavierstunde anfangen.“
 


 

Minako gähnte herzhaft. Erschöpft ließ sie sich auf einen der Sessel in der Leseecke fallen. Dass ein Einkaufsbummel mit Ami auch immer in einem Buchladen enden musste… Während sich ihre Freundin im großen Regal mit Fachliteratur interessiert umsah, schweifte Minakos Blick ziellos durch das große Geschäft. Es war ziemlich voll. Sie hatte kein Verständnis dafür, dass sich so viele Leute freiwillig an einem Samstag in einen Buchladen begeben würden. Vielleicht in der Manga-Ecke, vielleicht auch bei den Liebesschmökern, aber doch nicht hier, wo es neben Fachliteratur aus allen möglichen Bereichen nur Klassiker, Lehrbücher und anderes langweiliges Zeug gab.

Doch plötzlich erblickte sie doch etwas Interessantes. Waren das da hinten nicht Yaten und Taiki? Sofort fühlte sie sich viel lebendiger.

„Yaaaaten!“, rief sie, während sie winkend auf ihn zulief. Nicht nur Yaten, der beim Klang seines Namens sofort aufgesehen hatte, sondern auch Taiki hatte sie nun entdeckt. Auch Ami sah auf, als sie ihre Freundin rufen hörte.

„Hallo“, begrüße Yaten sie etwas verlegen. Minakos laute Stimme hatte dafür gesorgt, dass mindestens ein Dutzend Augenpaare auf ihnen lagen. Ein Raunen ging durch den Laden.

„Was macht IHR denn hier?“, fragte Minako überschwänglich.

„Ich bin nur seinetwegen hier“, brummte Yaten und zeigte auf Taiki.

„Bunny ist grad bei uns“, erklärte dieser nun. „Irgendetwas scheint vorgefallen zu sein. Jedenfalls dachte ich, es könnte nicht schade, sie und Seiya etwas alleine zu lassen.“

„Es hätte aber trotzdem nicht unbedingt eine Buchhandlung sein müssen“, murmelte Yaten grummelnd.

„Was meinst du damit, dass irgendetwas vorgefallen zu sein scheint?“, hakte Ami nach, die inzwischen zu der Gruppe getreten war. Taiki zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß auch nicht so genau“, erwiderte er. „Sie sah… etwas mitgenommen aus.“

Minako und Ami warfen sich einen Blick zu. Sie konnten nur ahnen, dass es sich um das ganze Dilemma mit Mamoru und Chibiusa handelte.

„Vielleicht sollten wir sie mal anrufen?“, schlug Minako vor, doch Ami schüttelte den Kopf.

„Ich denke, wir sollten sie einfach in Ruhe lassen. Sie ist bei Seiya in guten Händen. Wenn sie uns braucht, dann wird sie schon mit uns reden.“

„Vielleicht hast du recht…“ Minako biss sich auf die Unterlippe. Ihre beste Freundin bereitete ihr Sorgen. Aber Ami hatte sicher recht, wenn sie sagte, dass Bunny bei Seiya in guten Händen war. Vielleicht war es genau er, den Bunny grad brauchte.

„Können wir vielleicht woanders hingehen?“, fragte Yaten nun, der sich unbehaglich umsah. Den Blicken und dem Getuschel der umstehenden Menschen nach zu urteilen, waren er und Taiki eindeutig erkannt worden. Er hatte keine Lust, so viel Aufmerksamkeit zu erregen. Auch die anderen schienen sich der Situation endlich bewusst zu werden.

„Ja“, stimmte Ami daher zu. „Lasst uns gehen.“
 

Sie schafften es, den Buchladen zu verlassen, ohne in einen größeren Tumult zu geraten. Sie schlenderten durch die Stadt und entschieden sich bewusst für die etwas ruhigeren Straßen. Minako hing ihren eigenen Gedanken nach. Sie versuchte gar nicht erst, dem Gespräch zwischen Taiki und Ami zu folgen, die seit einigen Minuten angeregt über eine Fernsehsendung redeten, die Taiki gesehen hatte. Bei dem Stichwort Quantenphysik hatte ihr Gehirn von ganz allein den Sender gewechselt. Statt zuzuhören, drehten sich ihre Gedanken um Yaten, der schweigend neben ihr herlief. Auch er zeigte kein Interesse an dem Gespräch. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie einen kurzen Blick auf ihn warf, was ihr immer wieder Schmetterlinge im Bauch bescherte. Sie hatte sich in letzter Zeit viel mehr um Bunnys Liebesleben gekümmert als um ihr eigenes. Natürlich – ihre beste Freundin steckte in einer verzwickten Situation und Minako lag es sehr am Herzen, dass Bunny ihr Glück finden würde. Doch nun hatte sie das Gefühl, dass sie sich auch mal über ihre eigenen Gefühle Gedanken machen sollte. Sie hatte schon für viele Jungen geschwärmt, doch mit Yaten war es irgendwie anders. Als sie die drei Three Lights damals kennengelernt hatte, hatte sie alle drei toll gefunden. Immerhin waren sie alle drei berühmt und gutaussehend. Aber nach all der Zeit hatte sie sich eingestehen müssen, dass sie nur an einem Jungen ernsthaftes Interesse hatte. Und das war Yaten. Es machte ihr überhaupt nichts aus, dass Seiya in Bunny verliebt war und die beiden wohl in absehbarer Zeit ein offizielles Paar sein würden. Im Gegenteil – sie freute sich sogar! Und Taiki? Sie hatte immer das Gefühl, dass er ein Blick auf Ami geworfen hatte, und sie fand, dass die beiden ein tolles Paar abgeben würden. Doch wenn Yaten auf einmal eine Freundin hätte… das würde sie nicht verkraften.

„Minako!“

Bevor sie auf ihren Namen reagieren konnte, spürte sie schon, dass jemand sie festhielt und sie ruckartig einen Schritt nach hinten gezogen wurde. Verwirrt sah sie sich um. Yaten hielt sie am Arm und sah sie erschrocken an.

„Pass doch auf!“, forderte er. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie beinahe bei Rot über die Straße gelaufen wäre.

„Entschuldigung!“, rief sie nun selbst ziemlich erschrocken. „Und… danke“, fügte sie etwas leiser hinzu.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Yaten mit gerunzelter Stirn. Auch Ami und Taiki sahen sie fragend an.

„Äh, ja“, bestätigte Minako etwas verlegen. „Ich war nur mit den Gedanken ganz woanders.“

Yaten ließ sie ruckartig los und sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Pass besser auf!“ Er klang irgendwie wütend.

In dem Moment sprang die Fußgängerampel auf Grün und Yaten drehte sich, ohne sie noch einmal anzusehen, um und überquerte die Straße. Für einen kurzen Moment sah Minko ihm hinterher, bevor sie ihm, gefolgt von Ami und Taiki, nachlief. Bis zur anderen Straßenseite hatte Minako Yaten aufgeholt und lief nun wieder auf einer Höhe neben ihm. Er sah sie nicht an.

„Yaaaateen…“, sagte Minako etwas kleinlaut und zupfte leicht an seinem T-Shirt. Er antwortete nicht, sah sie aber aus den Augenwinkeln an, sodass sie weitersprach. „Es tut mir leid. Ehrlich.“

Yaten seufzte und richtete den Blick wieder nach vorne, sagte aber immer noch nichts.

„Bist du böse auf mich?“, fragte Minako ehrlich geknickt. Jetzt blieb Yaten stehen und sah sie endlich wieder an.

„Ich bin nicht böse auf dich“, erwiderte er ernst. „Ich hab Angst bekommen. Du wärst fast vom Auto überfahren worden!“

„Angst?“, hakte Minako mit großen Augen nach. „Um mich?“

„Natürlich um dich!“, fauchte Yaten. „Ich will nicht, dass dir was passiert!“ Auch Yatens Tonfall konnte das Glücksgefühl, das sie in diesem Moment verspürte, nicht mindern.

„Yaten!“, rief sie glücklich aus und klammerte sich an seinen Arm. Hinter ihnen tauschten Ami und Taiki grinsend einen Blick.
 


 

Wie Seiya es ihr erklärt hatte, legte Bunny ihre Finger auf die Klaviertasten. Der Daumen ihrer rechten Hand lag auf dem C. Sie drückte die Taste und spielte die Tonleiter, während Seiya die entsprechenden Töne ansagte. C, D, E – sie führte ihren Daumen unter Zeige- und Mittelfinger entlang – F, G, A, H, C. Als sie beim höheren C angekommen war, spielte sie die Tonleiter rückwärts. C, H, A, G, F – dieses Mal führte sie den Mittel- und damit auch den Zeigefinger über den Daumen – E, D, C.

„Sehr gut, Schätzchen“, lobte Seiya sie. „Du machst das schon richtig gut.“

Bunny strahlte ihn an. Sie war sich bewusst, dass sie kein großes Talent für so etwas hatte und dass sie keine schneller Lernerin war. Dennoch verlor Seiya nie die Geduld mit ihr. Im Gegenteil, er lobte sie sogar.

„Hier, leg deine Hand so hin.“ Er nahm ihre Hand und legte sie auf die richtigen Tasten. Seine eigene Hand legte er über ihre. Die sanfte Berührung, seine Nähe und sein feiner Duft, der ihr in die Nase stieg, sorgten für ein wohliges Kribbeln in ihrem Magen.

„Jetzt spiel“, fuhr er fort, „A – D – F“ Er drückte ihre Finger mit seinen eigenen sanft nach unten. Als er anschließend seine Hand von ihrer nahm, war sie beinahe enttäuscht.

„Jetzt du alleine“, forderte er sie auf und sie spielte die gleichen Noten wie er. Er nickte zufrieden. „Sehr gut. Jetzt noch mal. Spiel die gleichen Noten in dem Tempo zehnmal hintereinander.“

Sie tat wie ihr geheißen und spielte, während Seiya mit der linken Hand zwei tiefere Noten spielte und nach fünf ihrer Wiederholungen zwei noch tiefere. Als sie die Noten zehnmal wiederholt hatte, blickte sie ihn an. Er grinste.

„Das waren die ersten Noten von Beethovens Mondscheinsonate“, erklärte er.

„Ich hab grad Beethoven gespielt?“, fragte sie erstaunt.

„Hast du“, bestätigte er immer noch grinsend. Bunny lachte vergnügt. Wer hätte gedacht, dass sie – ausgerechnet sie! – irgendwann mal Beethoven spielen würde. Es war unglaublich. Seiya brachte sie dazu, neue Dinge auszuprobieren. Und auch wenn sie sicher kein Musikgenie war, so schaffte sie es doch immerhin, seinen Anweisungen zu folgen und etwas hervorzubringen, was sich gar nicht mal so schlecht anhörte. Vielleicht war sie doch kein ganz so hoffnungsloser Fall, wie alle immer dachten. Zumindest nicht mit Seiya an ihrer Seite.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!
Ja, das war der Prolog meines neuen FF-Projekts. :D Einige haben es sicher schon erkannt: Das erwähnte Lied ist von Bonnie Tyler (zu hören bei Asterix & Obelix in Amerika^^).
http://www.youtube.com/watch?v=SbANRkcPeFQ

Ich hoffe, der Auftakt hat euch gefallen und ihr lest noch ein bisschen weiter.^^

Viele Grüße,
Fhin Komplett anzeigen

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sanguisdeci
2024-03-09T08:56:14+00:00 09.03.2024 09:56
Ein schweres Gespräch, dass die zwei führen. Meinen Respekt!
Antwort von:  Fhin
09.03.2024 15:59
Danke für deinen Kommi. :)
Von:  Stuchage
2022-12-18T23:35:38+00:00 19.12.2022 00:35
Ich hab mir extra ein account gemacht um zu kommentieren. Was soll ich sagen, ich habe erst neu bemerkt, dass ich das bunny x seiya pairing absolut liebe. Ich war nie zu frieden mit dem Ende, vorallem nicht mit Mamoru, als seiya aufgetaucht ist und verliere mich in fanfictions mit der frage wie wäre es sonst. Deine Geschichte hat mich sofort umgehauen. Du hast die Gefühle beide Charaktere so gut rüber gebracht und ich liebe es. Ich weiß man sollte nie eine Autorin hetzen, so kann ich nur in Geduld warten wie es weiter geht und hoffe du hast ein tolles leben *schnauben*

In voller Spannung
Dein Hardcore Fan
Von:  kikidragneel85
2020-02-25T17:56:48+00:00 25.02.2020 18:56
bin vor kurzem über deine geschichte gestolpert
was soll ich sagen.......
ich bin total begeistert
man kann sich richtig in die gefühlslagevon bunny und saiya reinverstetzten

hoffendlich gehts irgendwann mal weiter mit der geschichte
ich liebe das pairing usagi/saiya einfach
Von:  Duschuckschmi
2019-08-01T22:57:26+00:00 02.08.2019 00:57
Ich habe es endlich geschafft, weiter zu lesen. Viel zu lange habe ich nicht mehr auf Animexx vorbeigeschaut :(
Aber sooo viel habe ich nicht verpasst, hier herrscht ja auch seit über einem Jahr Ruhe xD
Sehr schade! Denn ich frage mich wirklich, wie sich das ganze weiterentwickelt. Bunny hat endlich zu Seiya gefunden <3

Ich hoffe, dass es irgendwann neue Kapitel geben wird und du noch nicht die Nase voll davon hast :)

Liebe Grüße ^^
Von:  seiya68
2018-03-07T22:18:41+00:00 07.03.2018 23:18
Ooo ein neues Kapitel 😍
Wie immer sehr angenehm zu lesen (aber zu kurz 😶)
Ich hoffe es dauert nicht lange bis das nächste Kapitel kommt 😄
Von:  HikariHodako
2018-02-23T20:01:21+00:00 23.02.2018 21:01
Kommt setsuna mit mamaoru zusammen ? :O
Hach das Kapitel ist schön, mir gefällt es wie bunny umdenkt endlich
Von:  HikariHodako
2017-12-02T19:10:31+00:00 02.12.2017 20:10
Das beste ist ja: Mamoru scheint sich über chibiusa nur wenig Sorgen zu machen. ... tja...

Sehr gute Theorie von Ami! Klingt auf jedenfall logisch :) uns vielleicht kommt chibiusa ja aus einem parallel Universum;)
Hoffentlich kommt das nächste Kapitel schneller ;D
Antwort von:  Fhin
04.12.2017 09:58
Mamoru kann man echt in die Tonne kloppen! xD

Tja, vielleicht ist Ami da auf eine heiße Spur gestoßen. :D Ich geb mir ganz doll Mühe, mit dem nächsten Kapitel schneller zu sein!! @_@

Liebe Grüße
Fhin
Von:  -Sorvana-
2017-12-02T11:32:11+00:00 02.12.2017 12:32
Wow, ich bin verwirrt xD Okay, lieg daran das ich gerade erst aufgestanden bin und nicht komplett wach bin xD
Aber ein tolles Kapitel, endlich ging es mal weiter :) Und mach dir keinen Kopf, Privates geht einfach vor :)

LG
Sorvana
Antwort von:  Fhin
02.12.2017 12:43
Ohje, ich hoffe, ich habs mit der Logik etc nicht verkackt in dem Kapitel! xDD
Danke auf jeden Fall, schön mal wieder von dir zu lesen!!! :) Und danke für das Verständnis! <3 :)

Liebe Grüße
Fhin
Antwort von:  -Sorvana-
02.12.2017 13:37
Achwas mach dir kein Kopf, ich denke nicht das du es verkackt hast, dass liegt nur an mir weil ich noch nicht so ganz auf der Höhe war xD
Freut mich auch wieder was von dir zu lesen :) Und ja ich weiß zurzeit bin ich furchtbar wenn es um Kommentare geht, ich weiß xD
Gerne doch :)

Liebe Grüße
Sorvana
Antwort von:  Fhin
04.12.2017 09:56
Haha, dann bin ich ja beruhigt! :D Und Quatsch, ich hab mich jedenfalls sehr über deinen Kommentar gefreut! :)

Liebe Grüße
Fhin
Antwort von:  -Sorvana-
04.12.2017 11:45
Haha das freut mich sehr, wenn ich dir eine kleine Freude machen konnte :)
Habe eine stressfreie Woche, wir werden uns wieder öfters Lesen, bestimmt :)

Liebe Grüße
Sorvana
Von:  petraengel88
2017-10-08T01:09:14+00:00 08.10.2017 03:09
Ich hoffe es geht bald weiter!
Du kannst so fantastisch schreiben!
Antwort von:  Fhin
02.12.2017 10:34
Ach herrje, ist das schon wieder lange her... Aber vielen vielen Dank für deinen Kommentar und das Lob! Ich hab mich sehr gefreut! :)
Hat etwas gedauert leider mit dem neuen Kapitel, aber jetzt ist es tatsächlich da!

Liebe Grüße
Fhin
Von:  seiya68
2017-08-11T23:00:02+00:00 12.08.2017 01:00
😍😍😍😍 😂😂
Also Yatens Gesichtsausdruck kann ich mir gut vorstellen 😅😅
Sehr schönes, aber kurzes Kapitel; will meeeehr 😍😍😍
Antwort von:  Fhin
02.12.2017 10:33
Omg, SOOORRYYY, dass ich so ewig nicht geantwortet habe!! @___@ Und ein dickes DANKE für deinen Kommentar, hab mich natürlich riesig gefreut! :)
Und sorry auch, dass es so lange gedauert hat mit dem neuen Kapitel... Aber jetzt ist es endlich da! xD

Liebe Grüße
Fhin


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