Abenteuer im Land der Träume von Kikono-chan ================================================================================ Kapitel 16: Blutrausch ---------------------- 16. Kapitel: Blutrausch (Katory): Jeder Mensch hat eine dunkle Seite. Doch liegt es an jedem selbst, wie er damit umgeht. Manch einer lernt damit zu leben, lässt ihr in stillen, unbeobachteten Momenten freien Lauf, ohne nennenswerte Konsequenzen. Andere verlieren sich völlig in ihr, werden zu Monstern. Und wieder andere lernen ihre dunkle Seite nie kennen. Ich hatte mich immer zu letzteren Menschen gezählt… zumindest bis zu jenem verhängnisvollen Ereignis… Mein Kopf fühlte sich an, als hätte er ein Schädelhirntrauma erlitten! Meine Lider waren schwer wie Blei und ich bekam sie auch nach größtem Bemühen nicht einen Millimeter weit auf. Dafür schien mein Gehör allerdings zu dreihundert Prozent zu arbeiten... In meiner unmittelbaren Nähe drang ein unheilvolles Surren, gepaart mit einem Knall und einem unangenehmen Schrei zu mir herüber, während ein grausames Lachen erklang und eine dritte Person ebendiese anzukeifen schien. "Lass ihn zufrieden! Nimm deine scheiß Flossen von ihm, hab ich gesagt! Du Hurensohn!" woher kannte ich diese vulgäre Aussprache nur? Ein erneutes gequältes Stöhnen und heftiges Rasseln erklang. "PENNER!" tobte die Stimme von eben erneut. Der Mensch mit der boshaften Lache, die es mir eiskalt den Rücken runterlaufen ließ, erhob das Wort. "Aber aber mein Lieber! Nicht so ungeduldig! Ich bin hier gleich fertig - dann widme ich all meine Aufmerksamkeit nur dir. Und wenn du und dein treuer Köter dann endlich aus dem Weg geräumt sind, werde ich mich etwas mit der Kleinen hier amüsieren. Mir bleibt noch etwas Zeit, bis der Konteradmiral hier eintrifft, musst du wissen." Er kicherte erneut. Nur schwer konnte mein Hirn die eben erhaltenen Informationen verarbeiten. Anscheinend folterte dieser Perverse gerade jemanden... kannte ich die Person? Und wer war der, mit dem lauten Organ? Anscheinend das nächste Opfer. Und "die Kleine" von der er sprach - meinte er mich? Und was hatte es mit diesem Konteradmiral auf sich? So viele Fragen... Doch Antworten bekam ich keine, denn mein matschiges Hirn bevorzugte es, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen, aus der ich eben erst entkommen war. "Schrei für mich!" knurrte jemand bedrohlich. Mein Unterbewusstsein riss mich erneut aus dem dunklen Käfig und zerrte mich an die Oberfläche meiner Sinneswahrnehmungen. "Gnnnnhhh! Niemals!" zischte eine zweite Person zurück. Ich kannte diese Stimme - ich war mir ganz sicher! Aber ich konnte sie nicht einordnen. Ein ratschendes Geräusch drang an mein Ohr, sowie ein unterdrückter Schmerzlaut. Dann ein Fluchen. Schritte. Sie kamen direkt auf mich zu. "Nun. Wenn du nicht gewillt bist, mit mir zu spielen - vielleicht sollte ich dann etwas mit ihr spielen..." Eiskalte Finger grabbelten an meinem linken Bein hinauf zu meinem Oberschenkel. Nein! Ich wollte das nicht! Er sollte aufhören! "Nimm deine schmutzigen Finger von ihrem reinen Körper, du Gierlappen!" Tatsächlich erstarrte er in seinem Tun. Wer hätte es nicht getan, bei dem bedrohlichen Klang? Einem inneren Impuls folgend, versuchte, ich mich aufzurichten. Meine Beine waren anscheinend gefesselt, denn ich konnte sie kaum bewegen, ebenso meine Arme, die in unbequemer Position über meinem Kopf festgetackert worden waren. Aber gegen meine Erwartungen fühlte ich mich nicht schwach. Ich grübelte kurz. Hätte ich mich denn schwach fühlen sollen? Warum eigentlich? "Hey, du Amateur von einem Kopfgeldjäger..." diese Stimme! So spottend und drohend sie auch klang, ich wusste genau, dass ich dem dazugehörigen Menschen vertrauen konnte. Ich wollte zu ihm! Ich MUSSTE zu ihm! "Findest du 'Amateur' nicht dezent untertrieben, Eustass Captain Kid?" raunte der andere böse. Natürlich! Wie konnte ich ihn auch nur eine Sekunde lang vergessen? Kid! Und jetzt fiel meinem endlich wieder arbeitenden Hirn auch wieder ein, warum ich erwartet hatte, mich schwach zu fühlen: Sollte man Teufelskraftnutzer nicht lieber mit Seesteinhandschellen fesseln? "Immerhin habe ich es geschafft, dich dingfest zu machen. Zusammen mit deinem achso treuen Massaker-Soldaten und deinem Täubchen." Täubchen?! Ich hatte mich wohl verhört! Die aufsteigende Wut jagte durch meinen Körper und setzte mein Adrenalin frei. Der Typ konnte sich warm anziehen! "Mal ehrlich, seit wann hälst du dir deine Huren als Schoßhunde? Sie ist doch viel zu schade für dich." spottete das Ekelpacket weiter. Ich war so sauer! "Sprich gefälligst nicht so abfällig über sie, du Stück Dreck! Sie ist ein ebenbürtiges Mitglied meiner Mannschaft!" Endlich bekam ich meine bleischweren Lider dazu, sich zu erheben. Ich drehte meinen Kopf leicht weg von den Stimmen, doch was ich dort sah, gefiel mir ebenso wenig, wie das, was ich zuvor gehört hatte... Zu meiner rechten Seite hing Killer, die Hände weit weggestreckt von seinem Körper an die hinter ihm liegende Wand gefesselt - allein beim Hinsehen schmerzten meine Schultern schon! Soweit seine Fixierung es zuließ, war er hinuntergerutscht und hing in einer halb hängenden, halb sitzenden Position dort. Sein Hemd war zerrissen, offenbarte unschöne Blutergüsse, Schnitt - und Stichverletzungen, sowie einige Fleischwunden. Auch seine Hose war zum Großteil mehr Fetzen als alles andere. Es sah aus, als hätte sich jemand mit einer Peitsche an ihm ausgetobt. Ebenso beunruhigend war die Blutspur hinter ihm an der Wand, die eindeutig von seinem Rücken verursacht worden war. Aber was mir am allerwenigsten gefiel, war seine blutige Maske! Es war seins, dessen war ich mir absolut sicher. Von dem, was ich sehen und beurteilen konnte, schloss ich auf die ein oder andere, noch immer blutende Kopfverletzung. WAS HATTE DIESER BASTARD IHM ANGETAN!? Mit einer kleinen Windsichel zerstörte ich meine Fesseln beinahe lautlos und rappelte mich langsam auf, richtete meinen Blick nun zu meiner linken Seite, wo ich ein nicht minder grausames Bild bekommen sollte. Mein Kapitän hing ein Stück weit über dem Boden an Seesteinhandschellen gefesselt an der anderen Wand. Auch sein Körper war reichlich malträtiert worden, nicht so grausam wie der von Killer aber allein die Tatsache, dass sich dieses Würstchen derart an den beiden vergriffen hatte, ließ meine Muskeln bedrohlich zittern - ich war in meinem ganzen Leben noch nie so wütend und schockiert gewesen! Ich schluckte den aufkommenden Kloß herunter, als ich sah, wie mein Käptn zugerichtet worden war und dennoch war sein Kampfgeist ungebrochen, loderte sogar auf, als er mich sah. Ich suchte seinen Blickkontakt, um mich von seinen Verletzungen abzulenken. "Du hast heute genau drei Fehler begangen, du räudige Töhle..." begann der Teufel nun mit einem diabolischen Grinsen seinem Gegenüber zu eröffnen. Es fiel mir unsagbar schwer, mich ruhig zu verhalten und meine aufbrodelnden Teufelskräfte im Zaum zu halten - ich hatte ihm versprochen, sie nur auf seinen Befehl hin loszulassen. "Dein erster Fehler war, dich mit uns anzulegen - ..." Naja, ich hatte ihm versprochen, nicht meine vollen Kräfte einzusetzen... von einer schützenden Windhose war nicht die Rede - also erzeugte ich ebendiese. "... dein zweiter, Hand an mein (!) Mädchen zu legen - ..." Seine Worte jagten mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Zum zweiten Mal nannte er mich nun schon so und ich musste gestehen, dass es mir sehr gefiel. Meine Mundwinkel zuckten leicht. "... und dein dritter - ..." Es wurde Zeit, meinen Käptn von seinen Seesteinhandschellen zu befreien, damit wir hier etwas randalieren konnten. Ich jagte meine Windsicheln in seine Richtung, die ohne Probleme durch das Material und die dahinterliegende Wand schnitten, als wäre es warme Butter. "... besagte Frau zu unterschätzen!" Er landete galand auf seinen Beinen. Um seine Worte zu unterstreichen, weitete ich den kleinen Sturm etwas aus, zerstörte den Tisch, auf dem ich mittlerweile stand und kam elegant hinter dem Monster zu stehen, der meinen Freunden die Verletzungen beigeführt hatte. Er zuckte merklich zusammen, Schweiß bildete sich auf seinem Gesicht und in seinem Nacken. Ich wollte, dass er litt! Grausame Qualen sollte dieses Scheusal erleiden! Kids boshaftes Grinsen wurde breiter, als er einen Schritt auf den Kopfgeldjäger zumachte und ihm keine Fluchtmöglichkeit mehr ließ. "Du hättest besser deine Hausaufgaben machen sollen! Niemand legt sich ungeschoren mit den Kid-Piraten an." "Käptn... gib mir den Befehl!" forderte ich mit eiskalter Stimme. Er musste nicht erst fragen, um zu wissen, was ich meinte - er konnte anhand des kleinen tobenden Sturms, der mich umgab, genau sehen, wie es in meinem Inneren aussah. Ich wollte diese Kräfte freisetzen, die ich nur noch schwerlich zügeln konnte. JETZT! Ein knappes Nicken gab mir die Genehmigung. Ich schickte zwei Sicheln zu den Fesseln des Vizen. "Bring Killer hier weg." Ich wusste, ich sollte Kid keine Befehle erteilen aber ich war mir nicht sicher, wie weit das hier ausufern würde und ich wollte die beiden unter keinen Umständen noch mehr verletzen. Wortlos ging der Rothaarige an dem Mann und mir vorbei - nicht ohne ihn noch einmal schadenfroh anzugrinsen -, schnappte sich seinen besten Freund und riss die Tür aus den Angeln, um den Raum zu verlassen. "Und jetzt zu dir, du Früchtchen..." Ruckartig drehte er sich um, wich einige Schritte vor mir zurück. Ich ließ einige Windsicheln quer durch den Raum schießen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Das tat schonmal ziemlich gut. Ängstlich sah er mich an - von seiner großspurigen Art war nichts mehr übrig. Dieses Ekel fühlte sich nur solange stark, wie seine Opfer sich nicht wehren konnten. Wie ich solche Menschen doch verachtete! Ich ließ eine Windhose aufkommen, die ihn ganz und gar einschloss und sorgte dafür, dass mein Wind seine Haut oberflächlich aufriss - er sollte durch die gleiche Hölle gehen wie Kid und Killer! "Wa-wa-was tust du? Aufhören! Aah!" Ich schnaubte verächtlich. "Weichei! Als ob diese kleinen Schnitte wirklich schmerzhaft wären..." Er wollte echte Schmerzen spüren? Konnte er gern haben! Ich löste kleinere Windsicheln aus der Windhose, die ihn umgab und zielte auf sein linkes Bein. Mit schmerzerfülltem Laut knickte er ein, was meine Mundwinkel nach oben zucken ließ. Allerdings war er durch seine Positionsveränderung mit seinem 'hübschen' Gesicht in meinen Sturm getaucht, welcher sofort ganze Arbeit leistete und freundliche Grüße hinterließ. Während eines erneuten Aufschreis, hielt er sich seine Hände schützend vor sein Gesicht. Ich konnte die kleinen Blutrinnsale, die zwischen seinen Fingern hervortraten deutlich sehen. Diese Genugtuung... "Also - wie kommt ein Wicht wie du dazu, zu glauben, er könnte uns einfach so der Marine ausliefern?" fragte ich ihn kalt, löste meine Windhose um ihn herum auf und hockte mich vor ihn. Wütend starrte er mich durch seine Wurstfinger an. "Bilde dir bloß nichts ein, Täubchen! Ihr kommt hier nicht wieder lebend raus! Konteradmiral Hiyoru ist bereits hierher unterwegs und sollte jeden Moment auf der Insel eintreffen." "Und was macht dich da so sicher, dass er auch nur den Hauch einer Chance gegen uns hätte?" Ich packte seine rechte Schulter und stieß eine Windsichel mitten hindurch. Er fiel rückwärts, laut plärrend zu Boden, hielt sich die stark blutende Wunde. Mühsam hob er seinen Kopf, um mich wieder ansehen zu können. "Er braucht nicht gegen euch zu kämpfen. Es reicht völlig aus, wenn er euch berührt - seine Teufelskräfte tun dann ihr Übriges." So ein redseliges Kerlchen - nun wurde ich schon neugierig, auch wenn ich ihm dies nicht zeigte. "Und was soll dann passieren?" fragte ich so desinteressiert wie möglich. Er lächelte siegessicher. "Die Alpträume, die er einem beschert, bringen einen ganz langsam um. Sie töten von innen heraus - so muss er sich nicht einmal die Finger schmutzig machen, hehe." Dieser Trottel war wirklich so dumm, wie er aussah! Ganz bereitwillig gab er mir, einer Piratin der Kid-Piraten, derart delikate Informationen preis. Allerdings... Nachdenklich tippte ich mir an mein Kinn. Konnte es sein, dass ich genau an diesen Mann geraten war auf dem Dorffest? Wenn dem wirklich so war, sollte ich schnellstmöglich herausfinden, wie ich wieder aus seinem Bann herauskam. Ich fixierte wieder den wertlosen Kopfgeldjäger, der in der Zwischenzeit ein gutes Stück von mir weggekrochen war. Glaubte er etwa, er könnte mir entkommen? Pah! "Wohin so eilig - unser Gespräch war doch noch gar nicht beendet!" Zwei größere Windsicheln durchtrennten die Nerven seines rechten Beines und linken Armes. Nutzlos, wie ein nasser Sack sackte er augenblicklich zusammen. Panisch sah er um sich, versuchte die anderen beiden verletzten Gliedmaßen zu bewegen. "Bemüh dich nicht. Du tust dir nur noch mehr weh." meinte ich tonlos, stand auf und schlenderte auf ihn zu. "Steht diese Insel auch unter seinem Zauber?" wollte ich wissen. Eifrig nickte er. "Es sind a-a-aber gute Träume, die er den Einwohnern schenkt. Somit wissen alle Marinesoldaten sofort, ob es sich bei Passanten um Einheimische handelt oder nicht." So war das also. Das war diese unheimliche Aura, die wir gespürt hatten. Wie mächtig war dieser Konteradmiral eigentlich, wenn er eine ganze Insel mitsamt Bevölkerung unter seiner Kontrolle hielt? "Hey! Wie kommt man von seinem Fluch wieder los? REDE!" Sein zuvor ängstlicher Ausdruck wechselte zu Überraschung und dann zu einem spöttisch, hämischen Grinsen. "Wen von den Kid-Piraten hat er berührt?" Stumm taxierte ich ihn mit einem tödlichen Blick. "Den Vizen? Nein, die Maske schien zu aufgeweckt - derjenige musste bereits einiges an Kraft verloren haben..." überlegte er laut, dann glitten seine Augen über meinen Körper bevor er anfing, laut zu lachen. "Du! Dich hat er erwischt! Hab ich Recht?" Zornig verpasste ich ihm eine Ohrfeige, die seinen Kopf heftig zur Seite warf. Völlig unbeirrt davon, richtete er seinen Blick wieder auf mich. "Du willst wissen, wie man den Alpträumen entkommt? Nur der Tod bringt Erlösung!" Ich hatte genug gehört. Meine Wolke beförderte ihn an die Decke, löste sich auf und ließ ihn auf die Trümmer des Tisches fallen, auf dem ich zuvor gelegen hatte. Ein unschönes Knacken und Krachen erklang. Oh, hatte ich da etwa was kaputt gemacht? Wie schade... Mit eiskaltem, diabolischen Lächeln drehte ich mich zu ihm um, ließ einige Windsicheln über seinen geschundenen Körper rollen, die tiefe Spuren hinterließen. Mich beherrschte nur noch ein Gedanke: Dieses Aas sollte leiden und dann jämmerlich krepieren! Ich baute mich bedrohlich über ihm auf. "Noch irgendwelche letzten Worte?" Seine gurgelnde Lache erklang, meine Finger zuckten unheilvoll. "Kat! KAT! WAS TUST DU DENN DA?!?" Ich zuckte zusammen, fuhr herum und sah in Kids aufgebrachtes Gesicht. Mit langen Schritten kam er auf mich zu, drückte mir ein braunes Bündel in die Hand und starrte auf den Kopfgeldjäger. Dieser spuckte ihm seine gurgelnde Lache entgegen. "Dein Mädchen wird sterben, Eustass Kid! Und du kannst nicht das Geringste dagegen tun, haha-..." Sein Lachen erstarb, als der Rotschopf ihm den Gnadenstoß gab. Er säuberte das benutzte Messer an den Klamotten des eben Verschiedenen und steckte es in das braune Bündel zurück, dass ich in meinen Händen hielt. Erst jetzt bemerkte ich, dass es meine Tasche mit meinen Messern war, die er anscheinend extra für mich gesucht hatte. Eine Welle der Zuneigung überrollte mich und spülte allen Hass und Groll hinfort. Doch als ich ihn ansah, war seine Miene alles andere als herzerwärmend. Er war stinksauer! "Sag mal, was sollte das denn!? Ich gab dir die Erlaubnis deine Kräfte zu benutzen, nicht deine Mordfantasien auszuleben!" Schuldbewusst drehte ich meinen Kopf weg. "Ich war nur so sauer, weil er euch... er... ihr..." versuchte ich mich zu erklären, fand aber keine richtigen Worte. "Und das ist für dich gleich ein Grund, ihn derart zuzurichten?!" tadelte er mich weiter. Was hätte ich denn sonst tun sollen? War es nicht auch das, was er von mir erwartet hatte? "Du solltest ihm lediglich einen gehörigen Arschtritt verpassen und dann nachkommen..." allmählich wurde seine Stimme sanfter und als ich mich endlich wieder traute, ihn anzusehen, versetzte mir sein Ausdruck einen Stich ins Herz. So traurig, so voller Sorge, Schuld und Angst... Dann überwand er den letzten Meter zwischen uns und nahm mich in den Arm, drückte mich fest an sich, als hätte er Angst, ich könnte verschwinden, sobald er seinen Griff lockerte. "Hast du es selbst nicht bemerkt?" flüsterte er an mein Ohr. Was? Was sollte ich bemerkt haben? "Du warst gerade kurz davor, dich zu verlieren... und dann wärest du nie wieder die alte gewesen..." er seufzte leise. "Wäre ich nur einen Moment später gekommen, hättest du deine reine Seele verloren..." Meine reine Seele? Was meinte er damit? Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Kannst du mir etwas versprechen, Kat?" Ich nickte stumm. "Du darfst niemals - hörst du, NIEMALS - einen Menschen töten, wenn es nicht der allerletzte Ausweg ist! Du darfst nicht zu einem Monster werden, wie ich eines bin..." Erst jetzt bemerkte ich, dass er zitterte und Erkenntnis sickerte wie Säure in mein Hirn: Mein Hass hatte für einen Moment völlig die Kontrolle über mein Handeln übernommen, mich blind gemacht für alles, was mir sonst wichtig war. Hätte Kid mich nicht aufgehalten, ich wäre diesem Blutrausch noch tiefer verfallen und hätte meine Seele verloren. Er hatte mich gerettet. Schon wieder. Ich klammerte mich an ihn und nickte, spürte die erste Träne über meine Wange rollen. Was hatte ich nur getan? "Lass uns gehen... " Er ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her. Einige Gänge weiter, las er dann noch Killer auf, warf ihn sich über die Schulter und ging unbeirrt weiter. "Tschuldige alter Kumpel, hat etwas länger gedauert. Aber jetzt geht's zurück!" Killer brummte nur kurz. Er musste wirklich schwer verletzt sein... Auf unserem Weg nach draußen trafen wir einige ungebetene Gäste, die kurzerhand durch umherfliegende Metallgegenstände seitens Kids wieder aus dem Weg geräumt wurden. "Du weißt, wo wir lang müssen?" fragte ich vorsichtig, kassierte nur einen ziemlich angepissten Blick. Mehr Antwort brauchte ich nicht - er hatte absolut keine Ahnung, wo wir uns befanden, geschweige denn, wie wir hier wieder herauskamen. Wir standen an einer Gabelung und kurz blieb er unentschlossen stehen. Dann vernahmen wir schnelle Schritte, die von überall gleichzeitig zu kommen schienen. Verdammt und was sollten wir jetzt tun? In meinem Kopf formte sich eine wahnwitzige Idee. "Eustass... lass uns diesen Weg nehmen." Er folgte meinem Blick, der auf die Decke gerichtet war. "Bist du von allen guten Geistern verlassen?" Entschlossen sah ich ihn an. "Ich weiß, ich schaff das!" "Hast du dich nicht schon genug verausgabt?" Zweifel lagen ganz deutlich in seinen Worten, doch ich ließ mich nicht beirren. "Du sagtest, du vertraust mir." Seine Augen verengten sich zu Schlitzen aber er gab keine Wiederworte mehr. Ich konzentrierte mich, schloss meine Augen und mobilisierte meine Kräfte - ich brauchte mein Schwert! Ich musste die Decke über uns zerteilen, damit wir dann auf meiner Wolke fliehen konnten. Die Luft um mich herum begann zu knistern. Ich konnte spüren, wie Kid meine Hand drückte, er hatte sie die ganze Zeit über kein einziges Mal losgelassen. Wie viel Kraft er mir damit schenkte, konnte er nicht einmal im Entferntesten erahnen. Als ich meine Augen wieder öffnete, schwebte mein Schwert direkt vor mir. Selbstsicher griff ich danach, blendete die immer näherkommenden Schritte aus und fixierte die Decke über uns. Ein Schnitt - mehr brauchte es nicht - aber er musste perfekt ausgeführt werden... Ich erhob die Waffe und führte sie kraftvoll und schnell in einem Streich durch die Luft. Sofort vibrierte die Klinge und ein ohrenbetäubendes knackend-zerreißendes Geräusch erklang. Dann blendete mich Tageslicht. "Da sind sie! Schnappt sie euch!" hallte es nun durch die Gänge. Nein! Hier würde es nicht enden! Kid beförderte einige metallene Trümmer in Richtung unserer Verfolger und verschaffte mir somit genug Zeit, um meine Wolke zu formen. Kaum waren wir alle drauf, jagten wir durch den - doch ziemlich schmalen - Spalt. Gewehrschüsse erklangen, verfehlten uns glücklicherweise, doch ignorierte ich sie. Ich brauchte all meine Konzentration und restliche Kraft, um das zusätzliche Gewicht auf meiner Wolke zu tragen. Nach kurzer Zeit schon waren wir draußen und ich sog den frischen Sauerstoff in meine Lungen. Nach dem muffigen Gestank da unten war das hier eine echte Wohltat. Ich steuerte den Strand an - irgendwo musste ja unser Schiff vor Anker gegangen sein... Ob es Heat und Wire wohl gut ging? Ein lauter Knall riss mich aus meinen Gedanken. Etwas Schweres traf meine Wolke und noch bevor ich realisieren konnte, was geschah, verpuffte sie und wir fielen. Kid verlor meine Hand durch den heftigen Ruck und wir landeten unsanft im kargen Gestrüpp des angrenzenden Strandes. Nur mühsam konnte ich mich wieder aufrappeln, sah die vielen weißen Kappen, die uns umzingelt hatten. Verdammt! Und ich hatte kaum noch genug Kraft, um wieder aufzustehen. Völlig unerwartet schob sich eine Person vor mein Gesichtsfeld, baute sich beschützend vor mir auf. Ich traute meinen Augen kaum. Wie konnte er nach all dem, was geschehen war, noch aufrecht stehen? Ehrfürchtig blickte ich zu meinem Käptn auf. "Bist du schwer verletzt?" fragte er, wand den Kopf kaum merklich in meine Richtung. "Nein. Nur erschöpft... Eustass, du kannst doch nicht - ..." "Ich beschütze, was mir wichtig ist!" unterbrach er mich mit fester Stimme. Von wegen Monster... Ein platschendes Geräusch erklang hinter uns und kurz konnte ich Kid auflachen sehen. "Da seid ihr ja endlich." meinte er nur knapp. "Yo, Chef! Wo seid ihr gewesen?" Heat! "Musstet ihr so einen Lärm veranstalten? Ich dachte, wir wollten unauffällig agieren..." schmollte die zweite, mir ebenso vertraute Stimme. Ich drehte mich um und ein breites Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich Heat und Wire erblickte, die sich nun kampfbereit an die Seite unseres Käptns stellten. "Ja, sorry, Jungs. Da konnte jemand nicht die Finger von unserer Krankenschwester lassen - das konnte ich unmöglich so stehen lassen." lässig zuckte er mit den Schultern, was Wire kichern ließ. "Schon klar, dass du das nicht konntest, Kapitän. Also. Was machen wir jetzt mit diesen Möchtegernsoldaten hier?" Unheilvoll schwang Wire seinen Dreizack. Heat ließ die Knochen seiner Hände bedrohlich knacken. "Wir heizen ihnen mal so richtig ein!" Dann wand er sich ein letztes Mal an mich. "Kannst du Killer schon mal auf's Schiff bringen und behandeln? Wir kommen gleich nach." Ich nickte eifrig, ließ meine Wolke unter Killer entstehen und schlurfte selbst Richtung Schiff. Zu meinem Glück war der Vize ein Fliegengewicht und die kleine Atempause hatte mir genug Energie verschafft - ich hätte nicht gewusst, wie ich ihn sonst hätte mit meinen wackeligen Beinen auf das Schiff bringen sollen. Alles Weitere musste ich den dreien überlassen. Ich wusste nicht, wie schwer Kid verletzt war aber mit Heat, dem Schwert schwingenden Feuerspucker und Wire, mit seinem unheilbringenden Dreizack und seinen zwei Äxten, von denen kaum einer was wusste, da sie wohlverborgen hinter seinem Mantel waren, an seiner Seite sollte er keine Probleme bekommen. Kaum hatte ich Killer in mein provisorisches Krankenzimmer verfrachtet, begann ich auch schon, seine Wunden genauer zu inspizieren. Ich holte mir Desinfektion, Mull, Naht - und Verbandsmaterial heran. Das hier würde einige Zeit dauern... Zuerst schälte ich den Blonden aus den Resten seines Hemdes und machte mich daran, seinen Oberkörper zu verarzten. Zum Glück sahen die meisten Verletzungen schlimmer aus, als sie es in Wahrheit waren. Ich arbeitete mich systematisch über seine Arme und seinen Oberkörper, desinfizierte alles und vernähte die Wunden, so es notwendig war. Anschließend kullerte ich den Vizen vorsichtig auf den Bauch. Ich zog zischend die Luft ein, als ich seinen Rücken begutachtete. Die Haut war regelrecht aufgerissen, hässliche Fleischwunden sabberten fröhlich vor sich hin und verteilten Blut und Wundsekret gleichermaßen über meinen provisorischen Behandlungstisch. Ich seufzte schwer. Die zurückbleibenden Narben würden den stolzen Massaker-Soldaten nicht erquicken. Schlechten Gewissens fuhr ich mit meiner Arbeit fort. Es war nur meine Schuld, dass er und Kid in diesen Schlamassel geraten waren. Wie viel Schaden wollte ich ihnen eigentlich noch zufügen, ehe ich mein egoistisches Handeln endlich überdachte?! Es dauerte ganze drei Stunden, bis ich ihn endlich von Kopf bis Fuß verarztet hatte. Am meisten graute mir davor, ihm seine Maske abnehmen zu müssen. Ich rechtfertigte mich gedanklich immer wieder damit, dass ich ja seine Verletzungen behandeln musste aber wohler wurde mir deswegen nicht. Stattdessen wuchs Neugierde in mir - klasse! Mich interessierte brennend, warum er sein Gesicht verbarg... Als ich fertig mit der Behandlung war, begutachtete ich sein Gesicht eingehend, fand aber, außer einer langen Narbe auf seiner rechten Wange, die sich irgendwo in seinem Haaransatz verlor, nichts, was sein Versteckspiel begründen würde. Ob ich ihn einmal fragen sollte? Klar, warum auch nicht? Wie bescheuert war ich eigentlich?! Ich war jetzt schon dem Tod wieder so nah, dass ich ihm fast die Hand geben konnte. Killer würde mich definitiv einen Kopf kürzer machen, sobald er erfuhr, dass ich ihm seine Maske abgenommen hatte... Allerdings stand ich vor dem Problem, dass ich nicht imstande war, sie ihm wieder aufzusetzen... Ich war anscheinend einfach zu blond dafür... Also wartete ich auf das kommende Unheil geduldig, bis der kleine Sonnenschein seine Augen wieder öffnete - die im Übrigen eine eisblaue Farbe hatten, wie ich feststellen durfte. Stöhnend griff er sich an seinen Kopf und hielt sofort in seiner Handlung inne. Sein Blick huschte zu mir und sofort erstarrte ich auf meinem Stuhl. Dann glitt sein Blick zu seiner Kopfbedeckung, die neben mir auf dem Tisch lag. "Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung dafür." knurrte er bedrohlich. Ich hob den Zeigefinger und deutete auf eine der Platzwunden. "Ich musste sie nähen..." gab ich kleinlaut von mir. Dann sah er an sich hinab und erneut traf mich sein eiskalter Blick. Er musste nichts sagen, ich wusste genau, was ihm missfiel. Schnell hielt ich ihm ein TShirt und eine Hose hin und drehte mich von ihm weg. "Deine Klamotten waren ohnehin völlig zerfetzt... Und ich konnte doch nicht... Ich musste die vielen Wunden doch behandeln..." wurde ich immer leise, nuschelte am Ende nur noch. Im nächsten Moment spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und sah auf. "Danke." ein ehrliches Lächeln zierte das Gesicht des Vizen. Es war das erste Mal, dass ich ihn wirklich Lächeln sah und es nicht nur erahnte oder hörte. Es war so warm, herzlich und ich konnte immer weniger verstehen, warum er es hinter einer Maske versteckte, nach der er nun griff, um sie sich wieder aufzusetzen. "Warum..." begann ich meinen Gedanken auszusprechen. "So kennt niemand mein Gesicht. Niemand würde mich ohne diese auffällige Maske erkennen. Irgendwann, wenn wir all unsere Ziele und Wünsche erreicht haben, kann ich dann ein ruhiges Leben führen." Killer und ein ruhiges Leben? Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Irgendwie passte dieses Bild nicht zu ihm. Er lachte auf. "Ich wusste, dass du so reagieren würdest." er wuschelte mir durch meine Haare. Seine freundschaftliche Geste machte mich nur noch trauriger. "Tut mir Leid, dass ihr meinetwegen- ..." Er unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. "Du gehörst zu uns und auch wenn wir für viele nach außen hin grausam und unbarmherzig erscheinen, so passen wir doch aufeinander auf. Wir haben schließlich nur uns. Niemand sonst springt für uns vor eine Klinge. Wir müssen aufeinander Acht geben." Seine Worte rührten mich zu Tränen. "Jetzt fang bloß nicht wieder an zu heulen... Das kannst du bei Kid machen - der nimmt dich sicher liebend gern in die Arme, um dich zu trösten." Schlagartig wurde ich rot. "Apropos - wo ist er überhaupt?" Ach herje! Das hatte ich ja völlig vergessen! Kämpften sie etwa noch immer? Ein Blick aus dem kleinen Fenster verriet mir, dass wir wieder unterwegs waren. Wo war dann Kid? Um ihn musste ich mich auch noch dringend kümmern! Ich sprang auf und rannte aus meinem Krankenzimmer die Flure entlang und zurück an Deck. Wire lehnte gelangweilt am Mast und schnitzte irgendetwas. Ich ging geradewegs auf ihn zu. Als er mich sah, lächelte er mir fröhlich entgegen. "Hey, Süße - wie geht es unserem Vizen?" "Bestens - wo ist Eustass?" kam ich ohne Umschweife zum Thema. Er deutete auf die Kapitänskajüte. "Wo schon - in seiner Höhle natürlich. Er wartet sicher schon auf dich." Als ich meinen Weg fortsetzen wollte, fiel mir gerade noch etwas ein. "Wie geht es dir eigentlich? Und Heat? Habt ihr irgendwelche Verletzungen davon getragen?" Er machte eine abwertende Handbewegung. "Ich bitte dich! Nicht ein Haar hat man uns gekrümmt. In einem fairen Kampf kann uns keiner von denen das Wasser reichen." Seine Worte beruhigten mich sehr. "Dann werd ich mal unseren Kapitän verarzten gehen." breit grinsend steuerte ich daraufhin mein Ziel an. Schwungvoll öffnete ich die Tür zur Kapitänskajüte und sah mich um. Kid hing an seinem Schreibtisch, kippte gerade hochprozentigen Alkohol über einen seiner Arme und biss die Zähne zusammen. Kopfschüttelnd trat ich zu ihm, nahm ihm die Flasche ab und stellte seufzend einen Erste-Hilfe-Koffer auf den Schreibtisch. "Mensch, Eustass, was machst du denn da?" Bockig wich er meinem Blick aus - was hatte er denn nun schon wieder? "Zeig her. Ich kümmer mich darum." Wortlos ließ er es über sich ergehen. Er war bei Weitem nicht so schlimm verletzt, wie Killer und das erleichterte mich ungemein. Eine ganze Weile herrschte Schweigen zwischen uns und ich konnte mich ganz und gar auf meine Arbeit konzentrieren. So viel, wie ich heute genäht hatte, haben manche unserer Ärzte ihr ganzes Leben nicht genäht! "Wie geht es Killer?" fragte er mich schließlich. War ja klar, dass seine Gedanken sich um seinen besten Freund drehten. Ich lächelte ihn an. "Er kann schon wieder schimpfen und umherlaufen." Kid grinste amüsiert. Dagegen wurde meine Miene nun ernster. "Man hat ihm übel mitgespielt. Vor allem am Rücken werden einige hässliche Narben bleiben. Tut mir Leid..." Er ergriff meine Hand. "Es ist nicht deine Schuld." Ich seufzte schwer. "Das hat er auch gesagt... Aber - ..." "Nichts aber! Er hat völlig Recht! Dich trifft keine Schuld. Weder an dem Vorfall, noch daran, dass Narben zurückbleiben werden. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören!" Ich schluckte meinen Protest herunter und nickte stattdessen. Der Rest des Tages verflog ohne besondere Vorkommnisse und am Abend fiel ich völlig erschöpft ins Bett. Sofort drückte Kid mich fest an sich - wann lernte der Typ endlich, dass ich nicht sein Kuscheltier war!? "Katory..." "Hm..." antwortete ich bereits völlig schlaftrunken. Ich war hundemüde, wollte nur noch schlafen. Mein Hirn hatte sich bereits zur Nachtruhe verabschiedet, weswegen ich nicht wirklich registrierte, dass er mich zum ersten Mal bei meinem vollständigen Namen nannte. "Ich hatte heute wirklich Angst, dich für immer zu verlieren..." gestand er leise flüsternd. Er hatte sich wirklich Sorgen um mich gemacht. Dann driftete ich zur Gänze in meine Traumwelt. Was dann geschah, bekam ich bereits nicht mehr mit. Liebevoll strich er mir meine blonden Haare aus meinem Gesicht, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und wisperte: "Ich liebe dich..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)