Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 13: Männergespräche --------------------------- ♥ Taichi ♥ „Ihr habt schon wieder Streit?“, fragte Tai fassungslos und setzte sich auf einen der zwei Plastikstühle, die sich auf dem winzigen Balkon seines besten Freundes befanden. „Um was geht es diesmal?“ Matt seufzte als er Tai ein Bier reichte und sich ebenfalls setzte. Geschafft fuhr er sich durch seine blonden kurzen Haare, die im Licht der untergehenden Sonne golden schimmerten. „Sie hat etwas gegen meine Musik“, brach aus ihm hervor. „Ständig liegt sie mir in den Ohren, ich sollte mir um meine Zukunft Gedanken machen, obwohl ich schon genau weiß, was ich machen möchte. Doch das akzeptiert sie einfach nicht“, erklärte er klagend. „Du weißt doch wie sie ist. Sie macht sich um alles und jeden Sorgen. Bei mir ist sie nicht anders“, meinte Taichi beruhigend, auch wenn er sich denken konnte, dass es bei Yamato tatsächlich ein bisschen anders war. Er kannte seine beste Freundin, die von ihrem Leben bereits genaue Vorstellung hatte und diese unbedingt auch erreichen wollte. Am liebsten an der Seite von Yamato. „Als ob sie bei dir das Stipendium je schlecht reden würde“, knurrte er und ließ sich nach hinten sinken. „Ich habe ihr vor kurzen von einer richtig großen Chance erzählt und weißt du wie sie reagiert hat?!“ „N-Nein“, stammelte er und konnte sich keinen Reim darauf bilden, von welcher ominösen Chance Yamato da nur sprach. „Sie meinte, dass ich aus meiner Traumwelt endlich aufwachen sollte“, er seufzte und nippte großzügig an seiner Bierflasche. „Aber von welcher großen Chance redest du überhaupt? Mir hast du davon gar nichts erzählt“, fiel Taichi ein und fühlte sich gleich schon ein wenig beleidigt. Normalerweise erzählten sie sich doch fast alles! „Ich wollte es dir ja erzählen, aber nachdem Sora so reagiert hatte, wollte ich sowieso erstmal abwarten, ob es überhaupt klappt“, erzählte er weiter und ein Grinsen huschte über seine Lippen. „Lass mich raten, ihr streitet, weil es geklappt hat?“ „Hundert Punkte! Wir haben uns für einen Bandwettbewerb qualifiziert, bei dem man umgerechnet 50.000 Dollar gewinnen kann!“ Taichi, der gerade angesetzt hatte etwas zu trinken, verschluckte sich prompt und musste kräftig husten als er die Gewinnersumme hörte. Er hatte sich sicher verhört. „50.000 Dollar?!“, wiederholte er röchelnd und wusch sich schockiert über den Mund. „Ja, ich sagte doch, es wäre eine unglaubliche Chance. Wir könnten mit dem Geld sicher eine CD aufnehmen und uns einen passenden Agenten suchen“, erwiderte Matt träumerisch. „Und wie viele Bands treten dort gewöhnlich an?“, hinterfragte Taichi skeptisch, da er sich nicht vorstellen konnte, dass es so einfach werden würde. „Bestimmt so…keine Ahnung. Vierzig, Fünfzig…die genaue Zahl steht noch gar nicht fest“, er zuckte überfordert mit den Schultern, ließ sich aber nicht seine gute Laune nehmen. „Aber die können wir sicher ausstehen. Wir haben jedenfalls reelle Chancen und Makotos Vaters kennt sogar ein paar wichtige Ansprechpartner. Er arbeitet mit vielen Produzenten zusammen.“ „Makotos Vater?“, hakte Taichi argwöhnisch nach und musste sich zusammenreißen bei seinem Namen nicht die Augen zu verdrehen. „Hat er dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?“ „Fängst du auch schon damit an?“, grummelte Yamato erbost. „Du hast doch aus ganz anderen Gründen mit ihm ein Problem. Man, hätte ich gewusst, dass du so reagierst, hätte ich dir besser nicht erzählt, dass er heute mit Mimi ausgeht.“ Ein schmerzhafter Stich bohrte sich direkt durch sein Herz als er ihm die unweigerlichen Tatsachen vor Augen führte. Er war völlig baff gewesen als Yamato ihm berichtet hatte, dass Makoto heute ein Date mit Mimi hatte. Und das nachdem, was in den letzten Wochen alles zwischen ihnen passiert war… Er verstand sie nicht. Wieso ließ sie zu, dass er sie küsste und verabredete sich dann mit diesem Affen, der sie sicher nur ins Bett bekommen wollte? Makoto war kein unbeschriebenes Blatt, hatte oftmals Liebschaften für eine Nacht, die er meist auf den Konzerten erst kennen lernte und dann abschleppte. Er war der Typ Kerl, den Taichi verabscheute. Und trotzdem ließ sie sich auf ihn ein. „So ist das doch gar nicht“, entgegnete er schwach und blickte deprimiert auf seinen Schoss, während ein laues Lüftchen wehte. „Und wie ist es dann? Dieses hin und her zeichnet eure Beziehung doch schon seit Jahren aus“, warf sein bester Freund ein als er aus seiner Tasche eine Zigarettenpackung hervorkramte. „Immer behauptest du, dass nichts passiert wäre, aber hinterher war ‚Nichts‘ meistens ein gewaltiges ‚Etwas‘.“ Er steckte die Zigarette zwischen seine Zähne, fischte sein Feuerzeug hervor und zündete sie sich an. Mit einem starken Atemzug zog er daran und blies danach den Rauch kraftvoll aus seiner Lunge. „Vielleicht hat ja dein Prachtexemplar ihr Furcht eingeflößt“, meinte er trocken. „Du bist echt so unglaublich unlustig, Ishida! Warum erzähl‘ ich dir überhaupt noch was?“, fragte Taichi beleidigt und bereute es insgeheim ihm von dieser peinlichen Situation erzählt zu haben. „Na weil ich dein bester Freund bin und dir die peinlichsten Momente deines Lebens auf einem Silbertablett präsentiere, damit du sie auch niemals vergisst“, er lächelte selbstgefällig und kräuselte erneut die Lippen. „Sei froh, dass du ihren Namen nicht dabei gestöhnt hast. So kannst du dich immer noch rausreden“, ergänzte er mit einem monotonen Unterton, obwohl Taichi bemerkte, dass er das Lachen eigentlich kaum zurückhalten konnte. Ein peinliches Schweigen legte sich über die beiden, während Matt lautlos seine Zigarette zu Ende rauchte, am Balkongeländer ausdrückte und sie in den dabeistehenden Aschenbecher auf dem kleinen Beistelltisch warf. „Wieso holst du dir auch einen in der Schule runter? Ich glaube, du brauchst echt mal wieder eine heiße Bettgespielin“, witzelte er und erneut zierte ein breites Grinsen sein Gesicht. Er wusste ja selbst, dass es nicht so einfach war. Dass er nur ein Mädchen im Kopf hatte und das schon seit Jahren. Deswegen waren auch alle Beziehungen, die nicht gerade zahlreich waren, irgendwann zerbrochen. Besonders nachdem sie wieder nach Japan zurückkehrt war, hatte er sämtliches Interesse an anderen Mädchen verloren, auch wenn sie ihm durchaus Avancen machten. Eine kurze Beziehung hatte er seit ihrer Rückkehr gehabt, doch sein Herz war nicht frei für etwas Neues, weshalb die Beziehung schneller endete als sie angefangen hatte. „Ich glaube nicht, dass das mein Problem lösen würde“, antwortete er resigniert und ließ den Kopf betrübt nach unten hängen. Er hatte seinem besten Freund nichts von dem leidenschaftlichen Kuss erzählt, der immer noch in seinen Gedankengängen festsaß und seine Wünsche und Hoffnungen nährte. Yamato hatte Recht mit dem was er sagte. Ihre Beziehung war ein einziges Hin und Her, dass mit den Jahren einfach nur noch an seinen Nerven zehrte, aber dennoch den unbändigen Wunsch, mit ihr eine weitere Chance zu haben, bekräftigte. Es war ein immerwährender Zwiespalt, der sein Herz vereinnahmte und nicht mehr losließ. Er lebte in der Vergangenheit mit der Erkenntnis, dass die Gegenwart sich veränderte und weiterentwickelte. Und er konnte nicht behaupten, dass ihm diese Entwicklungen gefielen. _ Sein erschöpfter Körper bettete sich auf dem Gästefuton, dass Yamato für ihn bereitgelegt hatte. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt bei seinem besten Freund zu übernachten, doch im Anbetracht der vorangeschrittenen Zeit und das er mal wieder einen Abend mit seinem Vater alleine verbringen müsste, hatte sich Taichi ganz spontan selbst eingeladen. Noch immer hatte er ihm nicht verzeihen können, spürte die ständige Anspannung in seiner Gegenwart, die ein unbeschwertes Unterfangen mit seinem Vater kaum möglich machte. Zwar lief es beruflich etwas besser, da tatsächlich nach langem hin und her ein Inverstor Interesse zeigte, aber das änderte nichts an ihrem Verhältnis zueinander. Tai hatte das Vertrauen in seinen Vater endgültig verloren, auch wenn er sich Mühe gab und in unbeobachteten Momenten das Gespräch mit seinem Sohn suchte. Unzählige Male hatte er sich bereits bei Taichi entschuldigt. Unzählige Male redete er sich um Kopf und Kragen, um seinen Alkoholkonsum zu beschönigen und abzuschwächen. Es sei doch nur ein Feierabendbier, das er brauchte um seine Nerven zu beruhigen, wenn er mal wieder vor Tais Augen zur Flasche griff. Doch er wusste, dass es schon lange nicht mehr bei einem blieb. Natürlich hatte er sich nach diesem Vorfall besser unter Kontrolle, achtete darauf nicht zu viel zu trinken, doch er konnte auch nicht mehr darauf verzichten. Ein leiser Seufzer brach von seinen Lippen als er sein Gesicht in das weiche Kissen drückte und es mit seinen Armen umschloss. Sein Körper entspannte sich allmählich als Matt aus dem Badezimmer zurückkehrte, ebenfalls in sein gemachtes Bett stieg und das Licht direkt ausknipste. „Und heute musst du deine Schwester nicht bei meinem Bruder abholen?“, fragt er belustigt und kroch unter die Decke. Genervt stöhnte Taichi auf, drehte sich zur Seite und bettete sein Kinn auf seiner Handfläche, sodass er etwas aufrechter liegen konnte. „Sie übernachtet ja heute bei Yolei, nicht bei Takeru.“ „Ach wirklich?“, hakte Yamato skeptisch nach. „Und das glaubst du ihr? Sonst bist du doch auch immer ihr persönlicher Wachhund.“ „Ich muss eben lernen ihr zu vertrauen und außerdem betont sie ja immer, dass TK und sie nur Freunde seien“, erwiderte er angespannt, auch wenn er sich es nicht anmerken lassen wollte. Selbstverständlich passte es ihm nicht, dass seine kleine Schwester bei einem Jungen übernachtete, auch wenn es nur Takeru war, den er ebenfalls von Kindesbeinen an kannte. Irgendwie wollte er nicht, dass sie erwachsen wurde, da er spürte, dass sie sich jetzt schon immer mehr von ihm distanzierte, um ihren eigenen Weg einzuschlagen. Doch auch er hatte bemerkt, dass ihr die Freundschaft zu Takeru und den anderen guttat. Ihr den nötigen Halt gab, den sie zurzeit benötigte, aber Taichi ihr nicht geben konnte. Deswegen biss er die Zähne zusammen, ignorierte das mulmige Gefühl in seiner Magengegend, wenn er daran dachte, dass sie möglicherweise sogar in einem Bett miteinander schliefen. „Ich glaube, die beiden wollen es einfach noch nicht wahrhaben“, kam es von Matt, der nachdenklich zur Decke starrte. „Mein Bruder schwärmt sehr oft von ihr und bemerkt es noch nicht mal wirklich. Ich denke, dass er sie jedenfalls sehr gerne hat.“ Auch Taichi drehte sich wieder auf den Rücken und spürte den harten Futon in seinem Rücken. Zum Glück war seine Verletzung mittlerweile abgeheilt, sodass er sich keine Sorgen mehr darum machen musste. „Naja, Kari ist sehr beliebt. Auch Davis ist immer noch völlig verknallt in sie, obwohl Takeru bestimmt die besseren Chancen hätte.“ „Ja, das stimmt schon. Eigentlich könnte man ja wetten, wann die beiden endlich zusammenkommen“, witzelte Yamato und richtete seinen Blick zu Taichi, der ihn finster erwiderte. „Was? Ganz sicher nicht. Vielleicht bleiben sie ja auch einfach nur miteinander befreundet“, erwiderte er abweisend und dachte automatisch an Sora und sich. Auch er hatte eine Zeitlang heimliche Gefühle für seine beste Freundin gehegt, die er jedoch hinter sich gelassen hatte, nachdem Yamato und sie ein Paar wurden. Anfangs war es für Tai eine wahre Achterbahnfahrt, die in der Hölle begann und im freien Fall endete. Nie im Leben hätte er erwartet gehabt, dass ein Kuss sein ganzes Leben auf den Kopf stellen könnte und alles in neue Bahnen lenkte, die er zuvor nicht mal in Erwägung gezogen hätte. Doch sie hatte einfach alles verändert. „Stell‘ dir mal vor die beiden würden heiraten“, sein Lachen zog sich durch den kleinen Raum als Tai skeptisch die Stirn runzelte. „Wären wir dann nicht irgendwie verschwägert oder so?“ „Ähm, keine Ahnung. Jedenfalls wäre Kari dann meine Schwägerin und Takeru dein Schwager. Echt eine seltsame Vorstellung“, fasste er treffend zusammen und bewegte sich unruhig in seinem Bett, sodass seine Matratze leise quietschte. „Und wenn du dann noch Sora heirateten würdest…ohje, ich glaube dann wären wir in ein paar Jahren alle irgendwie miteinander verwandt“, führte er Yamatos Ausführungen fort als plötzlich eine unbehagliche Stille einkehrte. Überrascht setzte sich Taichi auf und legte seine Arme locker auf seinen Knien ab. „Ist alles in Ordnung?“, hinterfragte er besorgt, da er im dunkeln Zimmer das Gesicht seines besten Freundes nicht richtig erkennen konnte. „Denkst du, dass sie sich bald von mir trennt?“, durchbrach seine zitternde Stimme die Stille. Taichi riss augenblicklich die Augen auf und versucht eine passende Antwort auf Yamatos merkwürdige Frage zu finden. Doch bevor er antworten konnte, schritt er ihm das Wort ab, indem er seine Bedenken äußerte. „Im Moment streiten wir sehr oft, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Ich möchte doch nur meinen Traum verwirklichen. Ist das so falsch?“ Tai presste die Lippen aufeinander und senkte betroffen den Kopf. Was sollte er nur sagen? Er wusste ja, dass Sora von all dem nicht begeistert war, aber er konnte ihm doch nicht raten, die Musik aufzugeben. Dafür liebte Yamato sie zu sehr. „Ich…“, Taichi hielt inne, überlegte kurz, ob seine Worte überhaupt Sinn machten, bevor er sachte weitersprach. „Ich denke, dass ihr Kompromisse finden müsst. Sie liebt dich und will eine Zukunft mit dir. Aber ich glaube, sie weiß nicht so recht, wo ihr Platz in deinem Leben sein soll, wenn du tatsächlich gehst. Du weiß am besten, was sie sich von ihrem Leben erhofft und wie ehrgeizig sie ist.“ „Ja, ich weiß“, flüsterte er leise als Taichi den Blick zu Yamatos E-Bass richtete, der direkt neben seinem Fenster in seiner Halterung stand und vom samtigen Mondlicht umhüllt wurde. Vielleicht war es nicht möglich mehrere Träume in seinem Leben aufrecht zu erhalten. Möglicherweise musste man sich eines Tages entscheiden, weil die Wegweiser des unendlichen Lebenspfades in zwei verschiedene Richtungen führten und man eben nur eine wählen konnte, weil sich die Wege nicht berührten, sondern voneinander entfernten. Oftmals wurde auch für einen entschieden, ohne, dass man eine Wahl besaß. Doch in diesem Fall wusste Taichi, dass die Entscheidung ganz allein bei seinem besten Freund lag. Und im Moment konnte er nicht sagen, wie er sich entscheiden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)