Vampire Kiss von Laito-Sakamaki ================================================================================ Kapitel 45: Ein neues Ziel -------------------------- 45. Ein neues Ziel Michiru lief kreuz und quer durchs Haus und packte alles zusammen, was ihr von Nutzen sein konnte. Die Flugtickets lagen auf dem Tisch und der Fernseher lief nebenher. Alles wirkte völlig normal, doch in diesem Haus lebte das Böse. Auch nach dem Tod der Hausherrin war all das Böse, was diese getan hatte, allgegenwärtig in diesen Mauern. Fast konnte Michiru ihre Nähe fühlen, als wäre etwas von ihr noch in diesem Haus. Und als Michiru den goldenen Ring vom Nachttisch aufhob, wurde dieses Gefühl noch viel intensiver. »Dein Blut fliesst auch in meinen Adern...«, lächelte sie und steckte den Ring auf ihren Finger. Wieder reagierte der Ring auf die Berührung, leuchtete kurz auf. Michirus Gesichtsausdruck veränderte sich und für den Bruchteil einer Sekunde waren Harukas Züge darin zu erkennen. "Wir sind eine Einheit", sagte Michiru leise vor sich hin und beinahe war es, als konnte man Harukas Stimme diesselben Worte flüstern hören, "Nichts auf dieser Welt kann uns trennen!" Ihre Augen leuchteten kurz auf und sie ging zurück ins Wohnzimmer. Gerade liefen die Nachrichten im Fernseher und zogen sofort Michirus Aufmerksamkeit auf sich. *In einer kleinen Wohnung am Stadtrand wurde vor etwa einer Stunde eine Leiche gefunden*, berichtete die junge Reporterin, *Es handelt sich um einen Mönch aus dem Kloster außerhalb der Stadt. Laut Polizei weise alles auf den Angriff eines Raubtiers hin, was jedoch die Frage aufwirft - woher kommt dieses Raubtier und was ist es überhaupt? Kein heimisches Raubtier wäre in der Lage, einen Menschen derart zu zu richten...* Michiru grinste und ließ sich auf die Couch sinken. »Ahnungslose Menschen«, dachte sie amüsiert, »Dieses Raubtier ist überall zuhause. Dieser Mönch ist gar nichts. Ihr werdet schon noch sehen, wozu ich alles in der Lage bin...« "Takumi hat mehr als nur Kyoko vergessen...", flüsterte sie versonnen, "Auch er war sich seiner Sache zu sicher und hat Fehler gemacht. Außerdem wusste er zwar wirklich sehr viel mehr über die Kreaturen der Hölle, welche auf Erden wandeln, als jeder andere Mensch und doch wusste er nicht genug!" Michiru lachte. Wie leicht es ihr gefallen war, den Mönch zu täuschen, nachdem er Haruka getötet hatte. Dabei hatte er ihr selbst noch gesagt, dass der Keim der Macht des Blutes, welches auch durch Harukas Adern floss, allein in ihr lag. »Das hätte dir sagen müssen, dass ich kein Menschenopfer brauchte, um zu sein, was ich bin, Takumi...« Sie lehnte sich zurück und seufzte übermütig. »Wir waren füreinander bestimmt. Der Vampir in mir war immer da und hat nach ihr gesucht. Der erste Kontakt zwischen uns, bei dem Blut floss, hat ihn geweckt und ab diesem Moment hätten weder sie noch ich dem Verlangen unseres Blutes widerstehen können. Nur darum wirkte Haruka in jeder Hinsicht derart stark auf mich - weil ich genauso stark auf sie wirkte! Wir verstärken gegenseitig alles, was den anderen ausmacht, was er in sich trägt und was er beherrscht...« Nicht Haruka hatte einen Vampir aus Michiru gemacht, sondern sie selbst hatte sich dazu entschieden, dem Vampir in sich ihren Körper zu überlassen und die Macht seines Blutes zu nutzen. Allein Harukas Nähe hätte dazu ausgereicht. *...Unerklärlich ist ebenfalls, wieso das Kloster verlassen vorgefunden wurde...*, wurde Michirus Aufmerksamkeit wieder auf die Nachrichten gelenkt. *Es gibt keinerlei Hinweis, was in dem alten Kloster vorgefallen ist und warum die Mönche es scheinbar verlassen haben. Noch ist kein einziger von ihnen irgendwo aufgetaucht und der Kardinal selbst behauptet, nicht zu wissen, was in diesem Kloster geschehen ist.* »Der weiss ganz sicher, was vor sich geht«, grinste Michiru erneut, »Die Mönche sind nur die Frontsoldaten. Jene welche im Hintergrund die Fäden ziehen sind die, die alles wissen...« Sie wussten auch, das Michirus Blut die Macht hatte, Menschlichkeit zu geben. Menschlichkeit in so fern, dass ihre Körper nicht mehr den Gesetzen der Vampire unterlagen. Sie litten keinen quälenden Hungerschmerz mehr, wenn sie mal ein paar Tage kein Blut tranken, heilige Gegenstände hatten keinerlei Macht über sie und sie existierten am Tage ebenso, wie bei Nacht. Sie waren in der Lage vollkommen menschlich unter Menschen zu leben, ohne im geringsten aufzufallen und konnten so, ohne jede Eile und jedes Risiko, die Menschheit unterwandern. Alles das wussten die Kirchoberhäupter. »Hättet ihr den Mönchen das gesagt, hätten Takumi und seine Ordenbrüder uns wirklich gefährlich werden können«, konnte sie ihre Schadenfreude nicht zurück drängen, »Doch ihr seid böser und herrschsüchtiger, als jeder Dämon es je sein könnte. Leider seid ihr aber Menschen. Dämonen können warten, denn sie haben Zeit - etwas das euch nur begrenzt zur Verfügung steht. Darum wollt ihr alles und das am besten sofort und darum könnt ihr immer nur verlieren...« Auch wenn es Menschen gab, die das Wissen hatten, jedem Dämon den Garaus zu machen, so würden diese Wissenden sich niemals unter die Frontsoldaten mischen, denn sie waren keine Krieger. Ebenso wie die Krieger viel zu austauschbar waren, alsdass man ihnen zu viel Wissen anvertraute. Die Menschen waren ihr eigener Untergang. "Und ich gehöre nicht länger zu ihnen", lächelte Michiru und schaltete den Fernseher aus. Sie hob die Hand und betrachtete den Ring an ihrem Finger. »Solange unser gemeinsames Blut durch meine Adern fliesst, wurdest du nicht endgültig ausgelöscht«, wurde ihr Blick abwesend, »Ich werde tun, was ich tun muss, bis der Zeitpunkt gekommen ist und du wieder an meiner Seite bist...« Sie stand auf, nahm ihre Taschen und machte sich auf den Weg zum Flughafen. Der Flug war lang gewesen, doch Michiru spürte nicht die geringste Erschöpfung. Sie hatte noch zwei Stunden Fahrt, bis sie ihr Ziel erreichte und so winkte sie das erste Taxi heran, welches sie sah. Der Fahrer, ein junger Mann mit mittelblondem Haar, verstaute ihr Gepäck und hielt ihr sogar die Beifahrertür auf. Die ganze Zeit über lächelte er freundlich und fragte Michiru dann, genauso freundlich, nach ihrem Ziel. "Nach Kershaw", antwortete sie, "Ich werde dort erwartet." "Familie?" fragte der Fahrer, während er los fuhr, um ein lockeres Gespräch zu beginnen, "Lassen sie mich raten. Sie haben im Ausland studiert und kommen jetzt, als echte Lady, zurück in das Dorf, in welchem sie aufgewachsen sind?!" "Falsch geraten", entgegnete Michiru, "Ich bin keine Schottin. Und warum ich hier bin, geht niemanden etwas an!" Der Taxifahrer zog die Augenbrauen hoch. "Genauso bissig wie schön, hm?" sagte er frei heraus und lachte. "Sie sind ganz schön frech für ein Landei", sah Michiru ihn direkt an, "Bilden sie sich nichts ein. Die Lady aus der Stadt wird sich nicht in den gutaussehenden Gentlemen vom Lande vergucken!" "Bissig und eingebildet", grinste der Fahrer, "Genau die Art Frau, die man bei uns auf dem Land besonders gern sieht. Sie werden es schwer haben, Freunde zu finden!" "Wer sagt, dass ich welche suche?" murrte Michiru. "Irgendetwas suchen sie", lächelte der junge Mann sie an, "Sonst wären sie nicht hier!" Langsam fing der Typ an, Michiru auf die Nerven zu gehen und das zeigte sie auch deutlich. "Ich bin jedenfalls nicht hier, um Smalltalk mit einem Taxifahrer zu halten, denn ich nichtmal kenne und auch nicht kennen will!" sagte sie spitz. "Sie sollen mich nicht heiraten, sie sollen sich nur mit mir unterhalten", gab er unbeeindruckt zurück, "Oder sitzen sie lieber zwei Stunden schweigend neben mir?" "Das würde ich vorziehen", bejahte Michiru und blickte, beinahe trotzig, aus dm Seitenfenster. Den jungen Mann amüsierte ihr Verhalten offenbar königlich, denn er lachte. Die Unschuld vom Lande hatte demnach nichts mit Landei zu tun. Dieser, aufdringliche, Taxifahrer hatte in seinem ganzen Leben sicher ungefähr genauso viele böse Gedanken gehabt, wie es Eisbären in der Wüste gab - nämlich keine. Er ging so unbefangen mit Michiru um, als wären sie zusammen aufgewachsen und schien das auch gar nicht anders zu kennen. Doch er war auch schlau genug und hatte genug Charme um zu wissen, dass er sich beinahe alles erlauben durfte, bei der Damenwelt. "Da haben sie leider Pech gehabt", kam in diesem Moment die Bestätigung, "Ich unterhalte mich gerne und werde das, auf so einer langen Fahrt, auch tun." Michiru verdrehte die Augen. "Dann tun sie, was sie nicht lassen können", stöhnte sie genervt, "Ich werde es überleben." »Aber du nicht, wenn du mir jetzt zwei Stunden lang Honig ums Maul schmierst und mich wie deine beste Freundin behandeltst...« Sie schloss die Augen und blendete das Gerede des euphorischen Landeis einfach aus. Hin und wieder murrte sie etwas zur Antwort, doch er schien zufrieden damit zu sein. So verging die Fahrt und Michiru nutzte die Zeit, etwas zu ruhen, um Kraft zu sammeln für das, was vor ihr lag. Als das Taxi jedoch abrupt zum Stehen kam, wurde sie nach vorn gerissen und war sofort hellwach und in Alarmbereitschaft. Die Sonne war bereits untergegangen und die Dämmerung sehr weit fortgeschritten. Menschliche Augen erkannten bei dieser Dunkelheit nicht mehr viel. Und dennoch starrte der Taxifahrer in eine bestimmte Richtung, als hätte er etwas gesehen. Michiru musste nicht hinsehen, um zu erkennen, was er da wohl entdeckt hatte. Sie hatte den Werwolf sofort gespürt. Der Fahrer jedoch schien es ebenfalls irgendwie zu wissen, denn er legte den Finger auf die Lippen und gebot Michiru, sich nicht zu bewegen. "Seien sie ganz still", flüsterte er, "Wenn wir keinen Mucks von uns geben, bemerkt er uns vielleicht gar nicht." "Das ist kein normaler Wolf", sah Michiru ihn unbeeindruckt an, "Der weiss längst, dass wir hier sind. Selbst wenn er die quietschenden Bremsen überhört haben sollte und das Licht der Scheinwerfer für Glühwürmchen hält - er riecht mein Blut!" Zuerst schien der junge Mann überrascht, dass Michiru offensichtlich darüber aufgeklärt war, dass es hier Werwölfe gab, doch dann nahm er es als willkommen, um frei heraus zu reden. "Sie riechen unser Blut?" fragte er, "Ohne jede Verletzung und auf diese Entfernung?" "Nein", seufzte Michiru gelangweilt, "Ich sagte mein Blut! Vampire können Menschenblut wittern - Werwölfe hingegen wittern Vampirblut. Ziemliche Lücken in Dämonen Lehre!" "Woher wissen sie das so genau?" war er jetzt verblüfft und schien dann zu begreifen, "Warten sie. Sie sagten, er hätte ihr Blut gerochen und sie sagten, Werwölfe können das nur bei Vampiren. Wollen sie mir damit ernstahaft sagen, sie seien ein Vampir?" Er lachte. "Verzeihen sie. Aber sie sind sicher eher ein Engel, als ein Dämon. Sie haben Angst, das ist normal. Da draussen ist ein Werwolf und wenn er uns angreift, haben wir wohl schlechte Karten, aber das ist kein Grund, solche haarsträubenden Dinge zu sagen." "Gott, bist du ein Warmduscher", war Michiru es jetzt offenbar genug damit, braves Mädchen zu spielen, "Das Ding da draussen sucht mich und du hast nicht die geringste Chance einen Kampf du bestehen. Also bleib brav hier im Auto und lass den bösen Vampir die Sache regeln!" Sie grinste nochmal und stieg aus dem Auto. "Sind sie verrückt geworden?" rief er, als sie in Richtung des Wolfes los lief. Er sprang aus dem Auto und lief ihr, ohne nachzudenken, hinterher. Der Werwolf würde sie in Stücke reissen. Die Vampir Story hatte er ihr sowieso nicht abgekauft und selbst wenn sie stimmen würde, dieses zarte Wesen würde niemals einen Werwolf besiegen können. Er musste sie unbedingt zum Auto zurück und in Sicherheit bringen. Im nächsten Moment hörte er ein gefährliches Heulen und zeitgleich einen Schrei. "Verdammt", wollte er gerade los spurten, als etwas Großes auf ihn zu flog. Es war zu schnell, um zu reagieren und der Aufprall war hart. Angeschlagen hockte der Taxifahrer auf dem Boden im Scheinwerferlicht und hatte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. "Was war das denn, verfluchte Scheisse?" presste er hervor und blickte sich um. Im nächsten Moment riss ihn etwas nach hinten und zerrte ihn weg. Voller Panik sah er sich um und erblickte Michiru, die ihn hinter sich her zog. "Bleib im Auto hab ich doch gesagt", knurrte sie, "Was daran hast du nicht verstanden? Oder sehnst du dich so sehr danach, von einem Werwolf zerfleischt werden?" "Unglaublich", flüsterte er völlig fasziniert, "Diese Kraft!" "Darüber können wir später diskutieren", schimpfte Michiru, "Im Moment haben wir..." Weiter kam sie nicht. Sie spürte den lauernden Gegner im Dunkel genau. Spürte, wie siegessicher er war, spürte, wie er sprang. Der Taxifahrer sah in auf sie zuschiessen und schrie, doch Michiru war schneller. Sie schleuderte den Fahrer Richtung Auto, wich dem Wolf aus und schlug nach ihm. Er heulte auf und verschwand im Dunkel. Der junge Mann schien endlich begriffen zu haben, das hier zwei wirkliche Dämonen miteinander kämpften. Er hatte sich ins Auto zurück gezogen und beobachtete gebannt, was sich abspielte. Wieder schoss der Werwolf aus der Dunkelheit und wieder wich die junge Frau ihm gekonnt aus. Ihr Gegenüber blieb er stehen und starrte sie siegessicher an. "Du kannst mir nichts anhaben, Wolf", sagte sie, "Unterwerfe dich oder stirb!" Unterwerfung schien für diesen Werwolf nicht in Frage zu kommen. Er duckte sich und sprang. Michiru ließ sich fallen, hob ihre Klaue empor und schlitze ihn der Länge nach auf. Sein Heulen war schrecklich und nachdem er hart auf den Boden aufschlug, regte er sich nicht mehr. Michiru stand auf und sah auf den toten Wolf herab. "Deine Art ist nicht stark genug, für mich eine Gefahr darzustellen", sagte sie und kam dann Richtung Taxi. Noch bevor sie die Fahrertür erreicht hatte, sprang dieser aus dem Wagen. "Das war unglaublich", jubelte er begeistert, "Sind sie Supergirl oder soetwas? Sie sind bestimmt ein Dämonenjäger, so schnell wie sie dieses Biest ausgeschaltet haben. Haben sie dafür einen Silberdolch benutzt? Darf ich ihn sehen?" Michiru blieb direkt vor ihm stehen und sah zu ihm auf. "Ich sagte dir doch, was ich bin", schnurrte sie tadelnd, "Ebenso wie ich sagte, du sollst im Wagen bleiben!" Sie drängte ihn an jenen zurück und blieb weiter dicht vor ihm. Je länger er ihr in die Augen sah, desto mehr begann er, ihre Worte zu glauben. "Sie...sind ein Vampir?" fragte er zögerlich, "Ein echter?" "Ich bin nicht nur irgendein Vampir", lächelte sie honigsüß, "Ich bin die Königin der Vampire." "Aber ich dachte, Vampire sind auch Dämonen, die den Menschen nach dem Leben trachten", war er verwirrt, "Wieso haben sie mich vor dem Werwolf gerettet?" "Das habe ich nicht", hauchte Michiru, "Zu diesem Kampf wäre es in jedem Fall gekommen, auch ohne die Anwesenheit eines jämmerlichen Menschen, der glaubt einen Werwolf zu besiegen, um dadurch die Vampirkönigin zu retten." Sie strich mit dem Finger über seine Wange und stellte sich auf die Zehenspitzen. "Hättest du nur getan, was ich dir gesagt habe", schnurrte sie verführerisch, nahe an seinem Ohr und sog hörbar seinen Duft ein, "Wärst du im Wagen geblieben, hätte ich den Wolf direkt erledigt. Durch deine Ablenkung allerdings musste ich Energie für einen unnötigen Kampf verschwenden. Ich habe viel zu viel gehundert seit Harukas Tod, alsdass ich dich jetzt noch gehen lassen könnte..." Er regte sich nicht, als begreife er den Ernst der Lage nicht. Erst als er den scharfen Schmerz an seinem Hals spürte, leistete er Gegenwehr. Das jedoch, ohne das geringste damit zu erreichen. Michiru hatte ihn fest im Griff und schnell wurden seine Versuche, sie weg zu stoßen, schwächer und hörten schliesslich ganz auf. Nach nur wenigen Minuten trat Michiru zurück und er fiel leblos zu Boden. "Zu dumm", schmollte sie und wischte sich einen Rest Blut vom Mundwinkel, "Jetzt muss ich das letzte Stück Weg auch noch selber fahren." Sie stieg ins Auto und startete den Motor. Kershaw konnte nicht mehr weit sein und einen Kampf mit einem weiteren Werwolf wollte sie heute Nacht auch aus dem Weg gehen. Sie holte alles aus dem alten Wagen des Taxifahrers, verfluchte mehr als einmal die vielen Schlaglöcher und konnte nur eine viertel Stunde später, die Lichter von Kershaw sehen. Schon als sie in das Dorf hinein fuhr wusste sie, sie würde leichtes Spiel haben. Die Dorfbewohner waren misstrauisch und ängstlich. Sie wurden zu lange von Werwölfen heimgesucht, um noch irgendjemanden von Außerhalb zu trauen. Einige schlossen sogar direkt die Fensterläden, als sie das fremde Auto sahen. Michiru lächelte zufrieden. Ihr war es nur Recht, wenn keine Kerle ihr schöne Augen machten und keine neugierige Nachbarin sie zum Kaffee einlud. Sie war hierher gekommen um sich zurück zu holen, was ihr genommen wurde und menschlicher Balast, würde daraus nur ein unnötiges Blutbad machen. Vor einem kleinen Gasthaus hielt Michiru den Wagen an und stieg aus. Als sie sich umsah, verschwanden gleich drei Leute in ihre Häuser. Grinsend schüttelte Michiru den Kopf, holte ihr Gepäck und ging ins Gasthaus, in dem emsiger Betrieb herrschte. Als die Tür hinter ihr zu fiel und alle sie bemerkten, wurde es jedoch augenblicklich still. "Guten Abend", lächelte sie freundlich, "Mein Name ist Kaioh. Ich brauche ein Zimmer auf unbestimmte Zeit." Niemand regte sich. Alle sahen sie nur an. Dann jedoch tauchte ein junges Mädchen zwischen all den rüden Kerlen auf und kam auf sie zugelaufen. "Hallo", strahlte sie Michiru entgegen und hielt ihr die Hand hin, "Ich bin Amberly. Meinem Vater gehört dieses Wirtshaus." Michiru blickte sie prüfend an und reichte ihr dann zögerlich die Hand. "Amberly also?" fragte sie interessiert, "Wie alt bist du?" "Fast 17, Miss", antwortete diese und machte einen kleinen Knicks, "Sie kommen von sehr weit her, stimmts?" Michiru nickte und wollte etwas sagen, doch da durchbrach die grollende Stimme eines Mannes die Stille. "Amberly! Belästige unseren Gast nicht!" schimpfte es, "Hilf ihr, das Gepäck nach oben zu tragen und gib ihr das letzte Zimmer im Gang. Das ist das einzige, das den Ansprüchen einer Lady aus der Großstadt genügen könnte!" Michiru nahm deutlich die Missgunst in seinen Worten wahr. Einigen dieser Leute war wohl doch klar, wann sie ein gefährliches Wesen vor sich hatten. "Sie müssen immer eine Woche im Voraus bezahlen", hielt die Stimme des Wirtes sie ungefähr auf halber Höhe der Treppe zurück, "Was weiss ich, wie lang sie bleiben." Sie drehte sich zu ihm um und lächelte wieder unschuldig süß. "Natürlich. Ich werde ihrer Tochter das Geld sofort mitgeben." Kurz trafen ihre Blicke sich und der wortlose Pakt war geschlossen. Dieser Mann wusste, das sie ein Dämon war, doch er würde sie nicht verraten und sich ihr unterwerfen, um sich und seiner Familie das Leben zu retten. Michiru nickte nochmal freundlich und ging dann mit Amberly zu ihrem Zimmer. Als Amberly die große Tasche auf dem Bett abstellte, sah sie Michiru entschuldigend an. "Es tut mir leid. Mein Vater ist eigentlich ein sehr herzlicher Mensch", erklärte sie, "Es ist nur, dass hier so gut wie nie Fremde herkommen und..." "Schon gut", unterbrach Michiru sie, "Wie viel bekommt dein Vater für eine Woche?" "Einhundert", antwortete Amberly leicht enttäuscht. Sie hatte gehofft, sich mit Michiru anfreunden zu können und endlich mal etwas von der Welt zu erfahren. Die jedoch drückte ihr einige Geldscheine in die Hand und sagte: "Das sind 200. Sollte ich doch länger bleiben, bekommt er natürlich mehr." Amberly verstand sehrwohl, dass Michiru sie damit höflich aus dem Zimmer bat, doch sie fand deren Anwesenheit viel zu aufregend, um einfach zu gehen. "Woher kommen sie, wenn ich das fragen darf?" sprudelte es beinahe aus ihr heraus und Michiru fasste sie bei den Schultern, um ihre Euphorie direkt auszubremsen. "Kleine! Hör zu!", sagte freundlich, aber mit Nachdruck, "Ich bin zu alt, um mich mit dir anzufreunden. Außerdem habe ich hier etwas wichtiges zu tun und kann kein kleines Mädchen gebrauchen, das um mich rumschleicht. Also geh und gib deinem Vater das Geld. Ich will niemanden sehen!" Sie drehte sich um und begann ihre Taschen auszupacken. Amberly stand einen Moment lang wie angewurzelt da und dann blinzelte sie. "Ich werde ihnen später noch etwas zu essen bringen", rief sie und war so schnell weg, das Michiru das nicht einmal ablehnen konnte. "Die macht sicher noch Probleme...", murmelte Michiru ärgerlich, "Noch aufdringlicher als dieser dumme Taxifahrer und viel zu neugierig." Sie verstaute ihre Sachen und legte sich aufs Bett. Den Blick an die Decke gerichtet, schlich sich ein zufriedenes Lächeln auf ihre Lippen. Wieder betrachtete sie den Ring an ihrem Finger und ihre Augen begannen zu glühen. "Nicht mehr lang, Geliebte", hauchte sie leise, "Bald hole ich dich zurück und wir werden stärker sein, als ein Vampir es je gewesen ist." Sie schloss die Augen und versank in Gedanken an Haruka. Wie sie sich kennen - und lieben gelernt hatten. Wie sie gejagt wurden und jeder sie voneinander trennen wollte und wie sie am Ende für immer Eins geworden waren. Sie genoss diese Erinnerung so sehr, dass sie nicht bemerkte wie die Tür sich öffnete und jemand ins Zimmer schlich. Jedenfalls fühlte der Eindringling sich unentdeckt. Er wähnte Michiru schlafend, doch dieses Denken zerbrach, als diese ihn im nächsten Augenblick an der Kehle hatte und hart zu Boden drückte. "Miss Kaioh bitte", brachte eine Mädchenstimme sie zum einhalten. "Amberly", zischte sie, "Warum schleichst du dich heimlich in mein Zimmer? Ich hätte dich verletzen können!" Sie zog das Mädchen vom Boden hoch und sah sie an. "Also sag schon. Was willst du hier?" "Sie haben so viele schöne Dinge mitgebracht", brachte das Mädchen scheu hervor, "Das meiste habe ich noch nie gesehen und ich wollte es mir nur einmal anschauen. Das müssen sie mir glauben, Miss Kaioh. Ich wollte nicht stehelen." "Nenn mich Michiru", sagte diese und setzte sich aufs Bett, "Ich zeige dir meine Sachen und du hilfst mir im Gegenzug, ein paar Dinge zu besorgen. Ist das ein Angebot?" Amberly nickte hecktisch. "Alles was sie wünschen, Miss, wenn sie mir nur ein wenig von der Welt da draußen zeigen." "Also gut", holte Michiru eine der Taschen unter dem Bett hervor, "Das alles bleibt ein Geheimnis zwischen uns. Wir beide werden etwas tun, dass vorher noch nie ein Wesen auf Erden getan hat!" Sie öffnete die Tasche und legte den Inhalt fein säuberlich aufs Bett. Amberly trat zu ihr und sah gebannt auf die Gegenstände. Einiges war Schmuck, wohl sehr alt und wertvoll, während anderes wie wertloser Plunder wirkte. Kleine Holzkistchen, winzige Lederbeutel und ein schäbig aussehender, alter Dolch. "Was ist das alles?" fragte Amberly, "Und wozu brauchen wir es?" Michiru legte eine Hand auf ihre Wange und sah ihr tief in die Augen. "Wir brauchen es, um meine geliebte Haruka wieder zu mir zurück zu bringen", wisperte sie, "Wir werden ein uraltes Ritual vollziehen und sie kommt zurück." "So eine Art...Liebeszauber...?" fragte Amberly benommen. Sie stand ganz und gar in Michirus Bann. Diese lächelte zufrieden und nickte dann. "So etwas ähnliches", sagte sie noch und fing an, die Sachen wieder in die Tasche zu packen. Ein paar der kleinen Lederbeutel gab sie Amberly. "Ich brauche noch einige Kräuter. Die wirst du mir besorgen ohne Aufsehen zu erregen oder jemandes Neugier zu erwecken!" Amberly nahm die Beutel und nickte gehorsam. »Eigentlich wäre der Bann gar nicht nötig gewesen«, dachte Michiru, als das Mädchen fort war, »Sie hätte auch so alles getan, worum ich sie bitte. Ein solches Mädchen gehört nicht in ein so hinterweltlerisches Dorf wie dieses. Sie würde alles tun, von hier zu entkommen. Wahrscheinlich sogar einen Pakt mit dem Teufel schliessen...« Sie verstaute die Tasche wieder unter dem Bett und trat ans Fenster. Die Nacht auf dem Land war dunkel und schon wenige Schritte von den Häusern entfernt, drang kein Lichtstrahl mehr durch die Finsternis. Michiru jedoch reichte das schwache Mondlicht aus. Sie sah jedes noch so kleine Tier, das sich da draußen bewegte, hörte jedes noch so kleine Geräusch und verstand jedes gesprochene Wort innerhalb des Dorfes, wenn sie nur etwas lauschte. Nichts blieb ihr verborgen und nichts konnte sie überraschen. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)