Vampire Kiss von Laito-Sakamaki ================================================================================ Kapitel 39: Kyosukes Finale --------------------------- 39. Kyosukes Finale Yuri saß neben Reijka auf der Bettkante. Die kam gerade wieder zu sich und erinnerte sich sofort an alles. „Bitte lass mich gehen“, flehte sie, Ich habe doch keinem etwas getan!“ „Ginge es hierbei um Unschuld, wärst du sicher die letzte, die es verdient hätte, befreit zu werden“, lächelte Yuri kühl, „Doch hier geht es weder um Unschuld, noch um Schuld. Hier geht es nur um Blut und ewiges Leben. Haruka lebt schon Ewigkeiten und sie braucht Blut, damit es so bleibt. Du hast dieses Blut und wirst es ihr geben – so einfach ist das.“ „Was ist mit Michiru?“ kämpfte Reijka erfolglos gegen ihre Fesseln, „Lebt sie überhaupt noch? Oder habt ihr beide sie auch schon umgebracht?“ „Michiru lebt“, antwortete Yuri, „Sie hat sich in ein Kloster geflüchtet, aber das wird ihr nichts nutzen. Sie hat sich Haruka freiwillig hingegeben, mehr als einmal! Es gibt kein Zurück mehr für sie. Sie wird herkommen, um dein Leben zu retten, doch nach ihrer Verwandlung, wirst du ihr erstes Opfer sein.“ Reijkas Augen weiteten sich. „Ihr Monster!“ schrie sie, „Niemals wird Michiru das tun. Sie ist zu schlau, um auf einen so stupiden Plan herein zu fallen. Sie wird nicht herkommen!“ „Wenn sie nicht kommt, gehörst du Haruka“, grinste Yuri, „Für dich wird es kein Entkommen mehr geben – so oder so. Keine Traumhochzeit und ein laues Leben auf Kosten deines Schnösels. Aus der Traum!“ „Wehe wenn du Shingo zu Nahe kommst“, knurrte Reijka und zerrte wieder an ihren Fesseln, „Lasst ihn da raus!“ „Keine Angst“, erhob Yuri sich, „Haruka bevorzugt das Blut von Frauen. Deinem Witwer in spe wird keiner etwas tun. Du solltest dich lieber um dich sorgen. Haruka kann auch ganz anders sein als bisher… Weniger nett…“ „Nett?“ würgte Reijka hervor, „Dieses Monster hat mich zwei Mal gebissen!“ „Und sie wird dich noch öfter beißen“, lachte ihr Gegenüber, „Wenn sie will hält sie dich ewig am Leben, kurz vor der Grenze zum Tod, lässt dich genesen, gerade genug, um erneut dein Blut trinken und dich an die Schwelle des Todes bringen zu können. Sie gebietet über das Leben und den Tod! Niemand entkommt ihr und Nichts hat ihr etwas entgegen zu setzen!“ „Du liebst sie“, erkannte Reijka, „Bist du ihre Geliebte? Haben du und sie zusammen Michiru umgebracht, so wie meine ganzen Freunde in dieser Nacht?“ Yuri zog irritert die Augenbrauen hoch. »Ist sie so aufmerksam oder ich schon so leicht zu durchschauen?« „Michiru lebt, habe ich dir gesagt“, murrte sie der Gefesselten entgegen, „Sie ist diejenige, mit der zusammen Haruka seit geraumer Zeit getötet hat. Und nachdem sie plötzlich ihr Gewissen plagte, ist sie davon gelaufen und versteckt sich feige hinter den Mauern eines Klosters!“ „Und doch liebst du diesen Vampir!“ blieb Reijka hartnäckig, „Ich kann dir ansehen wie sehr du Michiru beneidest, weil Haruka sie und nicht dich will!“ „Warum sollte ich neidisch sein auf diese verweichlichte Göre?“, zischte Yuri gefährlich und funkelte sie an, „Ich bin in allem viel besser als sie!“ „Und selbst wenn es so ist“, spottete Reijka jetzt beinahe, „Trotzdem will Haruka sie und nicht dich!“ In der nächsten Sekunde war Yuri über ihr. Ihre Pupillen glühten gelb - grün und auch wenn ihre Zähne normal aussahen, entwich ihrer Kehle ein gefährlicher, drohender Laut und es hatte den Anschein, als würde sie zubeißen wollen. Reijka schrie zuerst erschreckt auf, doch dann lachte sie. „Wer derart leicht seine Beherrschung verliert, hat eine Menge Schwächen zu verbergen“, waren ihre Worte, „Na mach schon! Du willst es doch!“ Yuri blitzte sie an und wirkte einen Moment, als wolle sie tatsächlich zubeißen. Dann jedoch ließ das Leuchten ihrer Augen nach, wurde immer schwächer und verschwand schließlich ganz. „Dann hättest du es hinter dir, nicht wahr?“ lachte sie kehlig, „Aber dein Plan geht nicht auf! Du gehörst Haruka und vollkommen egal, was du auch sagst – du kannst mich nicht reizen.“ Ihre Stimme war in ein verheißungsvolles Flüstern übergegangen und am Ende ihrer Worte lächelte sie zufrieden. Sie ließ Reijka wieder frei und erhob sich vom Bett. „Weißt du“, grinste sie dann, „Ich werde es sehr genießen, was Haruka auch immer mit dir tut. Genauso wie ich es genießen werde, wenn sie sich Michiru mit Gewalt zurück holt und zum Vampir macht!“ Geschockt sah Reijka ihr nach, als sie das Zimmer verließ. »Das kann doch alles nicht wahr sein«, begann sie wieder an ihren Fesseln zu zerren, »Es muss doch ein Erwachen aus diesem Albtraum geben!« Fast gleichzeitig war ihr klar, dass es den nicht geben würde. Ihre Fesseln saßen so fest, dass Reijkas Handgelenke bereits blutig gescheuert waren, durch ihr ständiges Herumgezerre. Allein würde sie sich daraus niemals befreien können und Hilfe war hier wohl kaum zu erwarten. Ihre einzige Chance war Michiru, doch diese befand sich selbst auf der Flucht. Bereits wieder vor Sonnenuntergang war Haruka erwacht. Sie hatte entschieden, Michiru ein letztes Mal die Chance zu geben, einzulenken. Doch würde sie sich weiterhin weigern, musste es wohl so sein. Ihre Geduld war mehr als erschöpft und sie hatte keine Lust mehr auf irgendwelche Spielchen. Die hatte sie bereits viel zu lange gespielt. Zuerst hatte sie Michiru systematisch alles genommen, und ihr dann gegeben, wonach sie sich sehnte und es hatte auch wunderbar funktioniert. Michiru hatte ihr nicht nur ihr Vertrauen geschenkt, sie hatte sich sogar in Haruka verliebt. Das war viel mehr, als zu erwarten gewesen war und nun konnte und wollte die Vampirin sich nicht mit weniger abfinden. All die unvorhergesehenen Störfaktoren hatten die Zeit des Vertrauens unnötig verzögert. Kyosuke, Ayame und nicht zuletzt auch Yuri hatten zu viel Zeit gekostet und wieder Misstrauen wachsen lassen. »Ohne sie alle wäre Michiru längst Mein!« Sie ballte ärgerlich die Faust und biss die Zähne zusammen. Dann aber entspannte sie sich sehr schnell und ein Lächeln schlich auf ihre Lippen. »Am Ende wirst du doch mir gehören und wir werden gemeinsam vollenden, was ich vor 500 Jahren begonnen habe…« Sie verließ ihr Zimmer, um nach Yuri zu suchen. Sehr weit weg war sie nicht, wie Haruka deutlich fühlte. Im großen Wohnzimmer setzte sie sich darum auf einen Sessel und wartete auf sie. Keine Minute später kam sie auch schon und das belustigte Grinsen auf ihrem Gesicht erfror. „Haruka“, stammelte sie überrascht, „Du bist schon auf den Beinen? Ich habe…“ „Du hast dir einen Spaß daraus gemacht diese reiche Zicke etwas zu quälen“, unterbrach Haruka sie, „Rühr sie nur nicht an – das ist alles was ich dir sage!“ Yuri fühlte sich ertappt, doch das verging schnell wieder. Nach dem letzten Biss der Vampirin hatte ihre Vorsicht etwas nachgelassen. Sie verfolgte zwar weiterhin ihren Plan, aber in Harukas Nähe mangelte es ihr nun doch an Selbstbeherrschung. Hatte sie davor jede Emotion unterdrücken können, zugunsten ihres Planes, so rückte eben jener Plan in weite Ferne, wenn die Blondine ihr zu nahe kam. Das sie neuerdings schon beinahe freundschaftlich mit ihr umging, tat einiges dazu. „Ich habe nur ein wenig Spaß mit ihr, versprochen“, versicherte sie Haruka, „Das steht mir zu, nachdem ich mir in diesem blöden Café zwei Stunden ihr hochnäsiges Gelaber anhören musste.“ Haruka nickte nur und erhob sich. „Heute Nacht wird sie Michirus erstes Opfer werden!“ Yuri sprang beinahe erfreut ein Stück auf Haruka zu. „Heute holst du sie also endlich zurück?“ fragte sie unverblümt, „Dann wird sich endlich alles entscheiden.“ „Es ist genug Zeit vergangen“, entgegnete die Vampirin, „Das Ende ist unausweichlich und ich werde es jetzt etwas beschleunigen. Du bereitest unseren Ehrengast vor und achtest darauf, dass niemand sich heute Nacht dem Haus nähert!“ Yuri nickte und wagte sich noch ein Stück weiter vor. „Wenn sie freiwillig mit dir kommt“, fragte sie nun doch mit etwas Vorsicht, „Was wird dann aus mir?“ Haruka sah sie an und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Vielleicht musst du gar nicht mehr um dein Leben fürchten“, schnurrte sie, „Auch dann nicht, wenn Michiru es nicht freiwillig tut…“ Der letzte Sonnenstrahl verschwand – ebenso Haruka. Yuri starrte fassungslos auf die Stelle, wo sie gerade noch gestanden hatte. Dann schien sie langsam zu begreifen und ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen. »Geschafft«, jubelte etwas in ihr, »Gewonnen!« Haruka war nicht sofort am Kloster erschienen. Zuvor hatte sie in einem ihrer Lieblingsparks zwei weitere Leichen hinterlassen. Heute Nacht durfte sich absolut Nichts ihrer Kontrolle entziehen und dafür brauchte sie diese Stärkung. Wenn dieses Blut ihr auch nicht einen solchen Kraftschub gab, wie das Michirus – die Wirkung von deren Blut war ja noch immer vorhanden. Das letzte Stück des Wegs zum Kloster legte Haruka auf herkömmliche Weise zurück. Sie ging zu Fuß und ließ sich dabei eine Menge Zeit, denn sie wollte, dass Michiru jede Sekunde genau spürte, in der sie sich ihr näherte. Sie machte sich keine Mühe, ihre Anwesenheit zu verbergen, verstärkte ihre Ausstrahlung sogar noch, um sicher zu gehen, dass man ihren Sieg auch wahrnehmen würde. Nur vor Yuri verbarg sie sich. Auch wenn sie nicht mehr die Todfeindin in ihr sah und ihre Geheimnisse kannte – etwas war da noch, dass Haruka einen gewissen Abstand wahren ließ. Dann endlich hatte sie das Kloster erreicht. Nur wenige Meter vor ihr ragten seine dunklen Mauern in den Nachthimmel und waren doch keine Hürde für sie. Sicher war es nicht ganz ohne Risiko für sie, geheiligten Boden zu betreten und schwächte spürbar ihre Kräfte, doch war sie einer der wenigen mächtigen Vampire, für die es nicht den Tod bedeutete. Selbst von den großen Alten besaßen nur sehr wenige eine solche Macht und eigentlich war sie eher eine Bürde, denn ein Vorteil. Vampire die eine solche Kraft besaßen, waren denen die sie nicht besaßen ein Dorn im Auge. Man sagte ihnen Menschlichkeit nach, ein schlagendes Herz oder sogar eine Seele. Haruka wusste, das nichts davon zutraf. Ihre Zigeunermagie war es, die sie schütze und ein gottloses Leben. Wer bereits im Leben keinen Gottesglauben hatte, der hatte ihn als Vampir genauso wenig. Und das was wirklich da war, das Gute das gegen sie wirkte, prallte auf geballte schwarze Magie. Einen letzten siegreichen Blick auf den riesigen Torbogen und dann setzte Haruka sich langsam in Bewegung. »Komm zu mir mein Engel der Nacht. Gib deiner Sehnsucht einfach nach…« Sie wusste genau, dass Michiru es so deutlich spürte, als hätte die Vampirin es ausgesprochen und genoss ihren Triumpf. In der nächsten Sekunde wurde sie von den Füßen gerissen und landete hart auf dem steinigen Boden. „Was verdammt…“, weiter kam sie nicht. Etwas schoss heran und in der nächsten Sekunde schrie sie schmerzlich auf. Ihr ganzer Körper brannte und sie konnte sich nicht mehr bewegen. Ihre Augen verließen den dicken Holzpflock, welcher aus ihrem Brustkorb ragte und fixierten Kyosuke, welcher direkt über ihr stand. Auch er war sichtlich angeschlagen, doch seine Kraft hatte noch ausgereicht, Haruka zu überrumpeln. „Schach matt“, grinste er kalt, „So kurz vor dem Ziel, doch du wirst sie nicht bekommen!“ „Das du tatsächlich noch lebst, hätte ich bedenken müssen“, ächzte die Vampirin, „Aber du hast noch nicht gewonnen. Du hast mein Herz verfehlt und wenn du das Ding heraus ziehst, um es nochmal zu versuchen, zerreiß ich dich in Stücke!“ „Oh nein…“, raunte Kyosuke und lehnte sich zu ihr herunter, „Ich habe nicht verfehlt, meine Liebe. Wo bliebe denn meine Genugtuung, wenn du einfach stirbst und ich dich überlebe?“ Er legte seinen Zeigefinger auf den dicken Holzpflock und drehte ihn mit leichtem Druck in der Wunde. Haruka heulte auf und krümmte sich vor Schmerzen. Dann unterbrach Kyosuke sein Tun und grinste sie an. Schwer rang die Vampirin nach Atem und trotz der wahnsinnigen Schmerzen, die er in ihren Augen sehen konnte, sah er auch ihren abgrundtiefen Hass. „Tut ganz schön weh, was?“ lachte er, „Solche Schmerzen waren dir bisher fremd, hm?“ Erneut drehte er den Pflock in der Wunde und wieder schrie Haruka wie von Sinnen. Als er sich danach lachend wieder aufrichtete und überlegen auf sie herab sah, war Haruka schon kaum noch fähig zu sprechen. „Verdammt, töte mich endlich!“ presste sie schmerzlich hervor. „Bitte wie war das?“ lehnte Kyosuke sich wieder zu ihr hinuter. „Beende es!“ würgte die Blondine hervor und verdrehte kurz die Augen. Kyosuke aber richtete sich wieder auf und lachte leise. Er ging langsam um sie herum und genoss sichtlich seine Überlegenheit. „Habe ich nicht gesagt, du wirst mich noch anbetteln, dich zu töten?“ war er amüsiert, „Und sagte ich nicht ebenso, ich will das du leidest, Blutsaugerin?“ Er trat wieder neben sie und ging in die Knie. „Wie fühlt es sich an, so kurz vor dem Ziel versagt zu haben?“, schnurrte er, „Sie ist nur wenige Meter entfernt von dir und doch unerreichbar. Nur ein paar Meter und du hättest den Schlüssel für all deine machtgierigen Pläne in den Händen gehabt… Du hättest mich töten sollen, als du die Chance dazu hattest!“ Er legte seinen Finger ein weiteres Mal auf den Pflock, doch in der nächsten Sekunde zog er schmerzlich zurück. Er verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Boden, wo er sich unter Schmerzen wand und zuckte. Es kostete ihn sichtlich Kraft, sich auf alle viere zu kämpfen, doch er schaffte es und kroch auf sie zu. Haruka hatte längst begriffen, was geschehen war. Kyosuke hatte im Rausch des Sieges den Vollmond vergessen. Wenn er auch kein richtiger Werwolf mehr war und keine Macht mehr über seine Gabe besaß, sich in einen Wolf zu verwandeln – der Vollmond verwandelte ihn, ob er es nun wollte oder nicht. Harukas Lage wurde dadurch jedoch keinesfalls besser. Der Pflock lähmte sie und beraubte sie jeglicher ihrer Fähigkeiten. Es gab keine Flucht, wenn Kyosuke sich verwandelte. Nicht einmal wehren würde sie sich können und die Verwandlung hatte klar begonnen. Schon mehr Tier als Mensch streckte er seine Klaue nach dem Pflock, um ihn noch tiefer in Harukas Brustkorb zu treiben und sicher zu gehen, dass sie nicht entkam, bevor er vollends zum Wolf geworden war. Die ungewollte Verwandlung durch den Vollmond ging langsamer vonstatten und war auch nicht schmerzfrei. Als die Klauen an den Hinterbeinen durchbrachen, krümmte Kyosuke sich mit einem lauten Heulen. Dabei schlug seine Pranke gegen den Pflock und löste ihn aus Harukas Fleisch. Mit einem tierischen Schrei rollte sie auf die Seite und blieb japsend liegen. Sie hatte ihre Bewegungsfreiheit zurück, doch der Schmerz war noch da. Er war nicht mehr so Verstand raubend heftig, doch stark genug, ihr weiterhin die Kraft zu nehmen. Auch zu sehr, um ihre Zigeunermagie einzusetzen. Alles was ihr blieb war, ihre Emotionen so stark nur möglich von sich zu geben. »Yuri!« Sie versuchte, Abstand zwischen Kyosuke und sich zu bringen, was ihr nur schwer gelang. Angestrengt stützte sie sich auf die Unterarme, um besser sehen zu können. In genau diesem Moment tauchte Yuri aus dem Nichts neben ihr auf. „Wow!“ pfiff sie durch die Zähne, begeistert von der ihr neu zu eigenen Fähigkeit. Dann jedoch begriff sie die Lage und war sofort da, um Haruka hoch zu helfen. „Dieser verfluchte Werwolf“, ächzte Haruka, als Yuri sie in eine sitzende Position brachte, „Das wär fast schief gegangen!“ Yuri sah die klaffende Wunde in ihrer Brust und wusste, dass dies eine ernst zu nehmende Verletzung war. „Was ist passiert?“ war sie schockiert, „Was hat er getan?“ „Bring mich weg von hier“, krallte Haruka sich an ihr fest, „Los…!“ Yuri nickte und griff nochmals nach, um ihre Herrin besser halten zu können. Gerade als sie sich mit ihr auflösen wollte, hielt ein klägliches Jaulen sie zurück. Auch Haruka entspannte sich ein wenig und sah sofort zu Kyosuke rüber. Seine Verwandlung war vollendet, doch auf die Beine kam er nicht mehr. Winselnd lag er auf der Seite und zitterte stark. „Er stirbt“, murmelte die Vampirin, „Ein Feind weniger…“ Yuri sah sie an, dann wieder zu dem Wolf, der immer wieder versuchte aufzustehen und wie ein Welpe winselnd auf die Seite zurück fiel. „Wie schrecklich…“ hauchte Yuri abwesend. Sie wusste, ihr Schicksal wäre beinahe ein ähnliches geworden und dachte daran, wie sie diesem Wolf das erste Mal begegnet war. Unglaublich stark und machtvoll, trotz einer schweren Verletzung, welche Haruka ihm mit einem silbernen Dolch beigebracht hatte. Wie schwach und mitleiderregend er nun vor ihr lag. Und alles nur wegen des kurzen Bisses eines Vampirs. „Wenn er dir so leid tut, dann beende es“, presste Haruka zwischen den Zähnen hervor, „Lange macht er eh nicht mehr.“ Yuri wollte eigentlich gar nicht. Sie hielt Haruka im Arm, die ihre Hilfe brauchte, und damit alles, was sie je gewollt hatte. Trotzdem zog es sie zu dem sterbenden Werwolf. Als sie Haruka los lies, hatte diese zwar einige Schwierigkeiten, blieb aber aufrecht sitzen. Sie sah zu, wie Yuri neben dem Wolf in die Knie ging und ihre Hand ausstreckte. Der versuchte den Kopf zu heben, schaffte es aber kaum noch. Als sie seinen Nacken kurz hinter den Ohren berührte, jaulte er leise. „Kyosuke…“, flüsterte sie, „Hörst du mich?“ Sie sah, wie sich das Leuchten in seinen Augen veränderte und wusste, dass er sie verstand. „Es tut mir leid, dass es so gekommen ist“, sagte sie noch leiser, „Ich hatte nie etwas gegen dich.“ Sie kraulte leicht durch sein struppiges Fell und sah sich um. Nahe seiner Hinterläufe lag der hölzerne Pflock, wodurch Yuri nun auch wusste, was genau geschehen war. Von Interesse war es nicht mehr, denn dieser Kampf hatte hier sein Ende gefunden. Auch wenn Haruka schwer verletzt war und es nicht selbst tun konnte, so griff nun Yuri an ihrer Stelle zu dem blutigen Holzstück und baute sich vor dem Werwolf auf. „Es ist wirklich nichts persönliches“, sagte sie nochmals leise, „Und so hat dein Leid ein Ende!“ Ihre Arme sausten nach unten und schlugen den Pflock tief in das Herz des Wolfes. Der bäumte sich mit einem wilden Heulen ein letztes Mal auf und sackte dann leblos auf den Boden zurück. Das Leuchten seiner Augen wurde schwächer und erlosch dann völlig. Er holte noch einmal tief Luft und als sie seinen Lungen wieder entwich, war er tot. Yuri schluckte, als sie auf ihn nieder sah. »Das Ende einer Ära«, drehte sie sich zu Haruka und begann zu Lächeln, »Und der Beginn einer völlig Neuen…« Sie sah die Zufriedenheit über ihre Tat in Harukas Augen und lief zu ihr, um ihr auf die Beine zu helfen. In einer halbwegs würdevollen Position löste sie sich dann mit ihr zusammen auf, um sie ins sichere zu Hause zu bringen. Michiru hatte den ganzen Nachmittag im Garten verbracht. In der wärmenden Sonne fühlte sie sich ein wenig besser, als hinter diesen kalten Mauern und es fiel ihr leichter, ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte versucht, eine endgültige Entscheidung zu treffen, doch sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen Haruka auszuliefern, bevor sie noch einmal mit ihr gesprochen hatte. Das diese ihr Flehen erhören würde, glaubte sie zwar nicht, doch sie hoffte die Vampirin würde spüren, wie sehr sie sich nach ihr sehnte und wie gern sie einfach nur bei ihr bleiben würde, es aber eben nicht konnte. Als es zu dämmern begann, zog Michiru sich ins Haus zurück. Auch wenn sie sich Harukas erneuten Besuch wünschte, wollte sie doch kein Risiko eingehen. Dass die Blondine das Kloster betreten konnte, hatte sie bereits eindrucksvoll bewiesen und überraschen lassen wollte Michiru sich auf keinen Fall. Ein weiteres Gespräch mit Bruder Takumi wollte sie vorerst ebenfalls nicht. Er würde nur versuchen, sie zu bekehren und dazu zu bewegen, ihm Harukas Versteck zu verraten. Soweit wollte Michiru jedoch keinesfalls gehen. Zumindest nicht, solange sich irgendeine andere Chance bot. Um sich die Zeit zu vertreiben, las sie in einem Buch, welches ausnahmsweise nichts mit Vampiren oder Dämonen jagen zu tun hatte. Darauf konzentrieren konnte sie sich jedoch nicht wirklich. Nachdem die Sonne untergegangen war, wurde sie immer unruhiger und fing an, in ihrem Zimmer hin und her zu laufen und immer wieder aus dem Fenster zu sehen. »Vollmond«, dachte sie, »Wie ein Zeichen…« Als sie es beinahe nicht mehr aushielt, spürte sie plötzlich etwas. In der nächsten Sekunde wusste sie, dass Haruka sich ihr näherte. Ohne jede Eile, aber deutlich lockender, je mehr sich die Entfernung zwischen ihnen verringerte und schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Beinahe gehetzt verließ sie ihr Zimmer und lief durch die Gänge Richtung Ausgang. Plötzlich war ihr alles egal. Ihre Flucht, jeder Grund dafür – sie wollte nur noch zu ihrer Haruka und sich endlich wieder in ihre Arme schmiegen. Ohne Zögern öffnete sie die Tür nach draußen und lief in die Nacht. Dieses Mal war nicht die Rückseite des Klosters ihr Ziel, sondern das große Eingangstor. Sie spürte genau, dass Haruka da draußen vor dem Tor war und näher kam. Doch dann riss jegliche Verbindung abrupt ab. „Haruka!“ entwischte es Michiru geschockt. Sie überbrückte die letzten Meter und wollte gerade die kleine Tür im linken Flügel öffnen, als Bruder Takumi neben ihr war und sie zurück hielt. „Bitte“, wehrte Michiru sich gegen seinen Griff, „Ich muss da raus. Es ist etwas passiert!“ In dem Moment hörte sie Harukas Schrei. Beide, sie und auch Bruder Takumi hielten den Atem an und standen völlig still. Dann ließ der Mönch sie los und öffnete ein kleines Sichtfenster, um hinaus zu schauen. „Was geschieht da draußen?“ wollte Michiru aufgeregt wissen. Sie zitterte und hatte plötzlich Angst, Haruka nie wieder zu sehen. In diesem Moment schrie diese ein weiteres Mal und Michiru zerrte Bruder Takumi von dem Fensterchen weg. Als sie an seiner statt jedoch hindurch sah, wäre sie beinahe zusammen gebrochen. „Nein!“ schrie sie und wollte hektisch die Tür öffnen. Wieder hielt Takumi sie zurück. „Sie können da nicht hinausgehen!“ hielt er sie fest umklammert, „Das ist viel zu gefährlich!“ „Aber er bringt sie um!“ weinte Michiru, „Sie wird sterben!“ Ihr Widerstand erlahmte ein wenig, doch das Weinen blieb. „Wenn er es tut gibt es ein großes Problem weniger in dieser Stadt“, sprach er auf sie ein, „Auf der ganzen Welt. Sie wissen, es wäre das Beste so!“ Er dirigierte sie langsam zurück zum Gebäude und sie wehrte sich nicht dagegen. Irgendetwas sagt ihr, dass er Recht hatte. Sie war hierher geflüchtet, um die Hilfe dieser Mönche zu erbitten, sie vor Haruka zu retten. Nun erledigte sich dieses Problem vielleicht von selbst und nahm Michiru jede weitere Entscheidung ab. Eine Sekunde lang hatte sie plötzlich aber das Gefühl, Harukas alte Energie zu spüren. So stark war der Ruf, dass Michiru stehenblieb, doch dann war es wieder vorbei. Bruder Takumi führte das zitternde, weinende Mädchen weiter und die ergab sich einfach nur noch dem, was kommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)