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The Splintered Truth

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Randnotiz: [Jedes Kapitel begleitet eine Person und dessen Gedanken. Es ist dennoch in der dritten Person geschrieben, aber man kann in diesem Kapitel nur die Gedanken der oben genannten Person hören bzw. handelt das Kapitel nur in dessen Umgebung ab. Dadurch können manche Inhalte öfters entdeckt werden wie zum Beispiel: Können Personen, die zwar in der Geschichte schon auftraten, dennoch als Unbekannte für die Person in dem Kapitel dargestellt werden, da diese die Unbekannten noch nicht persönlich getroffen hatten.
Ausgenommen von den Reglungen sind der Prolog, dieses Kapitel und alle folgenden Kapitel, die den Namen Guide tragen.
Im Normalfall folgen keine zwei Kapitel, in denen die Sicht aus der selben Person besteht. Diese Reglung gilt aber erst ab dem 18. Kapitel, davor können mehrere Kapitel hintereinander, mit der Sicht aus der selben Person, vorkommen.

Und nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen, ich freue mich stets auf Reflexionen.
Selbst auf Kritik, wenn sie sachlich formuliert wurde. =) ] Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Meine Geschichten werde ich in gewissen Abständen immer wieder aufbessern, indem ich Rechtschreibfehler oder Grammatikfehler rausstreiche.
Ich bitte euch mir nicht vorzuwerfen, wenn ich versehentlich irgendwo ein Artikel vergessen habe oder ein Buchstabe vergesse.
Daher freue ich mich, falls euch etwas auffällt und ihr es erwähnt. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Randnotiz: [Diese Geschichte ist meine größte, älteste bzw. erste und meine längste Geschichte, die schon seit vielen Jahren in meinem Kopf umher geistert. Sie nimmt viel Zeit in Anspruch und sie verfeinert sich immer mehr, daher kann es dauern, bis ein neues Kapitel hochgeladen wird.
Diese Geschichte kann sicherlich Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten, Serien, Bücher, Spiele usw. aufweisen, diese sind dann aber in Regel zufällig, aber natürlich gibt es auch einige Punkte, bei denen ich mich inspiriert haben lassen, aber ich versuche mich nicht zu fokussieren.
Damit es eine gute Geschichte wird, versuche ich stets ältere Kapitel zu überarbeiten, aber da man natürlich als eigener Autor manchmal bestimmte Aspekte nicht sofort erkennt, ist jede Kritik oder jeder Vorschlag willkommen und ich würde jederzeit darauf eingehen. Ich freue mich über jegliche Unterstützung. =)]

[Diese Geschichte befindet sich auch schon weit vorangeschritten auf FanFiktion.de
Ich uploade die Kapitel auf Animexx nachträglich Stück für Stück.
Diese Geschichte wird der erste Teil der Reihe sein und es wird auch nur ein bestimmten Zeitabschnitt behandeln, sodass die Charakterbeschreibungen nicht zu viel spoilern werden.
Der nächste Zeitabschnitt werde ich in einer neuen Geschichte veröffentlichen, wenn ich hiermit fertig bin.
Dieses Kapitel ist nur ein reines Kapitel voller Erklärungen, die wahre Geschichte beginnt erst im nächsten Kapitel. Alles was hier erklärt wird, wird im Verlauf der Geschichte an unterschiedlichen Stellen abschnittsweise wiederholt werden. Dieses Kapitel soll nur eine groben Überblick geben, wie die Welt in der Geschichte ungefähr aussieht.
Viel Spaß beim Lesen, ich freue mich stets auf konstruktive Kritiken. ^^] Komplett anzeigen

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Das Erwachen --- Planänderung

[Nr. 7]

 

Der Beamte am Hafen starrte sie verdutzt an, als er die Passagierin nach Name und Grund des Besuchs fragte.

„Nummer Sieben. Grund Auftrag.“ Antwortete die Frau schnell, jedoch betont und deutlich. Sie meinte das mit voller Ernsthaftigkeit.

Bevor der Wachmann auf die ungewöhnliche Antwort reagierte und die Frau bei ihrem Vorhaben Voranzuschreiten stoppte, unterbrach ihn eine ältere Dame, die ihn regelrecht anbrüllte, um den Mann nach dem Weg zu fragen. Ihre krächzende und nervenaufreibende Stimme ließ alle Umstehenden kurz zusammenzucken. Der Beamte reagierte erschrocken, bevor er der älteren Dame eine Antwort gab. Die Passagierin mit dem Namen ‚Nummer Sieben‘ zog ihren schwarzen Mantel enger um sich und die Kapuze weiter über ihr Gesicht, daraufhin eilte sie in einem zügigen Tempo aus der kleinen Hafenstadt. Am Ende der Straße, allerhöchsten waren es drei Kilometer, lag ihr Zielort.

Zügig wanderte sie durch die kleine Stadt namens Orange. Obwohl es sich bei diesem Ort um die Hauptstadt der gemäßigt-tropischen Sommerinsel Ranger Island handelte, und obwohl er ein Touristenmagnet war, so verhielten sich die Bewohner nervös und zurückhaltend, sollte ein Tourist den Namen des Ortes lautstark aussprechen. Die Mantelträgerin wusste wieso. Die Gerüchte besagten, dass die Bewohner dieser Insel an einen Fluch glaubten, der Unheil brachte, wenn ein Bewohner dieser Insel den Namen der Stadt aussprach.

 

Der Name der Stadt stammt vom Gründer. Ein erfolgreicher und internationaltätiger Handelskaufmann hatte vor einigen Jahrzehnten angefangen Lagerdepots auf den Sommer- und Winterinseln zu bauen. Diese sollten zunächst als Zwischenhafen für die Handelsfrachter zwischen den Kontinenten dienen. Auf der großen Plankarte des damaligen Unternehmens bekam jedes Lager eine Farbe zugewiesen. Der einfachen Übersicht geschuldet wurden die Depots nach diesen Farben benannt.

Nach vielen kleineren Wirtschaftskrisen in den letzten Jahrzehnten ging der Handelskaufmann bankrott. Er verschwand spurlos, der Untergrund wusste wieso. Viele Depots, die von einer Vielzahl Arbeitern bewohnt wurden, wurden verlassen, während andere sich hielten und zu Städten heranwuchsen. Orange war einer dieser Städte. Warum diese nicht wie die anderen verlassen wurde, war in heutiger Zeit nur noch Spekulation. Niemand wusste den Grund. Die Gerüchte behaupteten Bodenschätze, die von reichen Geschäftsleuten unter Verschluss gehalten wurden, aber das heutige Standbein der Stadt war der Tourismus.

 

Das Städtchen, dessen Häuser aus massivem Stein erbaut wurden, um der Feuchtigkeit, die vom heißen Sommerwind getragen wurde, zu trotzen, wirkte im Vergleich der großen luxuriösen Städte im Land ‚Festa‘ schlicht. Ihre Schlichtheit hatte jedoch einen Charme, der jährlich Touristen anzog. Abgesehen davon herrschte auf Ranger Island eine permanente erholsame Stille.

Der Wald, der Orange umringte, bot den Bewohnern zusätzlichen Schutz gegen den Wind, so war das Erholen an öffentlichen Plätzen in der prallen Sonne keine Besonderheit. Unter großen Schirmen saßen die Einheimischen schweigend auf ihren Stühlen, als wollten sie ihre Gespräche nicht in Gegenwart von Fremden führen. Nummer Sieben störte etwas Anderes. Die Aufmerksamkeit der skeptischen und misstrauischen Bewohner könnte dazu führen, dass irgendjemand auf die idiotische Idee kommen könnte und Fragen stellte.

Vereinzelt kamen Passanten der Fremden entgegen, während sie an ihnen vorbeischritt, ohne ihnen weitere Beachtung zu schenken. Die Menschen warfen ihr verwunderte Blicke zu. Sie schätze, dass dies ihr Kleidungsstil verursachte. Ihre Hände vergrub sie in den Manteltaschen, und selbst bei diesen Temperaturen behielt die Person ein schnelles Schritttempo bei.

Der Blick der Fremden blieb konzentriert. Die Frau verweilte nie lange an einem Ort. Sie lief ihre Wegpunkte ab, die sie sich im Voraus festgelegt hatte. Um Polizisten machte sie einen Bogen. Sie hatte gehört, dass der neue Kommissar dieser Insel sehr viele nervige Fragen stellte und unbestechlich war.

 

Sie setzte ihre Suche am Stadtrand fort. Im Schatten des Waldes war die hitzige Atmosphäre viel leichter zu ertragen. Große massive hohe rötliche Nadelbäume, die spitzige hohle Nadeln trugen, schirmten das Sonnenlicht ab, dennoch wuchs allerlei dazwischen. Dornige Büsche, Beerensträucher mit kleinen roten und schwarzen Beeren, kleinere dünne Nadelbäume, die besonders biegsam waren und schwer zu stutzen. Zähe Schlingpflanzen, wildwachsende schwarze und dunkelrote Rosen, vereinzelte dicke massive runde Hecken und eine Menge Wildgras. Insgesamt wirkte alles sehr trocken, aber die Pflanzen hatten sich angepasst und speicherten das Wasser in ihren metertiefen Wurzeln.

‚Sie haben es bemerkt. Ich verliere Zeit. Mir bleibt keine andere Wahl.‘

Kurz wog sie ab, ob die Wahrscheinlichkeit groß war, dass dies bemerkt werden würde. Sie hob ihre rechte Hand. Ein bläuliches Leuchten umgab ihre Hand.

„Hände hoch. Was machen Sie da?“ Eine junge männliche Stimme sprach die Frau von der Seite an.

Bevor die Mantelträgerin hochsah, reagierte ihr Körper. Ihre Reflexe sprangen an, bevor sie selbst die Situation realisierte. Nur wenige Informationen waren entscheidend, wie sie vorging. Wie viele, wo und was. Es war ein Polizist, kleiner als sie und ein Mensch.

Eine nicht nennenswerte Bedrohung, die sie schnell ausschalten konnte. Ihr Arm lag schon um den Hals des Mannes, während sie hinter ihm stand. Der Polizist schnappte nach Luft und er versuchte sich zu befreien, aber der Griff war stärker.

„Nicht mein Ziel.“ Bewusstlos ließ sie den jungen Mann zu Boden sacken. Waffen, Munition, Wertgegenstände und Geld wurden ihm abgenommen, dann entfernte sich die Frau vom Geschehen. Ihr Zeitfenster hatte sich geradeeben um einen großen Teil reduziert.

 

Die aufmerksame Polizei war auch dem amtierenden Verwalter von Orange geschuldet. Dieser residierte in einer prächtigen Villa, die nicht weit vom einzigen Hafenstädtchens der Insel stand. Der Bürgermeister selbst arbeitete jedoch die meiste Zeit im prachtvollen Rathaus der Stadt. Viele beschrieben ihn als harsch, unfreundlich, anstrengend und zielstrebig. Mit eiserner Hand beherrschte der Mann die Stadt. Sein öffentliches Engagement war international bekannt, jedoch wusste nur der Untergrund, dass dieser Mann nicht davor zurückschreckte seine Feinde mit allen erdenklichen Mitteln aus dem Weg räumen zu lassen.

Der Mann war reich und mächtig, aber die Insel gehörte ihm nicht und was außerhalb von Orange und dem Hafenstädtchen geschah, das hatte der Mann nicht zu entscheiden. So wie sich das Gerücht mit dem Fluch hielt, so war auch die andere Behauptung immer wieder zu hören, dass ein Unwesen diese Insel beherrschte.

Nummer Sieben hatte von Personen gehört, die als Auftrag bekamen, diese Person aufzusuchen, aber bisher kehrte niemand zurück.

 

Auf dem Dach eines kleinen Hauses, nahe dem Stadtrand und ohne direkten Sichtkontakt zu anderen Menschen, streckte die Frau ein weiteres Mal ihre rechte Hand aus. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren.

Die Mantelträgerin hatte einen Auftrag, für die sie gut bezahlt wurde. Sie war auf der Suche nach einer bestimmten Person. Der letzte bekannte Aufenthaltsort des Gesuchten war auf dieser Insel. Er wurde auf den Sicherheitskameras eines Schiffes gesehen, welches am Hafen angelegt hatte. Nachdem er das Schiff verlassen hatte war er gen Westen, in Richtung Orange, gegangen.

 

Aus dem blauen Schimmern, welches ihre Hand umschloss, formten sich drei kleine, bläulich leuchtende Kugeln. Sie fingen an sich um ihre Hand zu drehen.

Im nächsten Moment schossen sie davon, wie Jagdhunde, die eine Witterung aufgenommen hatten. Die Kugeln positionierten sich in regelmäßigen Abständen, jedes Mal, wenn die Mantelträgerin eine von ihnen erreichte. Sie musste so nur den Kugeln folgen, solange sie den Zauber aufrechterhielt.

 

Die Mantelträgerin lief über einen Feldweg, der nach Westen aus der Stadt führte. Nach ihrer Erinnerung von der Inselkarte, war in dieser Richtung der Weg, der die Touristen zu den Regenbogenmuschelklippen führte. Davor galt es jedoch ein mehrerer Kilometerlanger Feldweg zu überwinden.

 

Zielstrebig folgte sie ihren bläulichen Kugeln, bis diese sich augenblicklich auflösten. In der Ferne entdeckte sie ihr Ziel.

Mitten auf dem Pfad lief jemand beirrt umher. Ein großer, schlanker Mann mit einem zerschlissenen Ledermantel und einem vernarbten Gesicht. Er schien etwas zu suchen. Mit nachdenklichem Blick schaute er auf ein Gerät in seiner Hand.

Eilig kam die Mantelträgerin näher.

„Hier ist es… hier ist es… das Signal wird stärker! Es wird hier definitiv in der Nähe passieren. Ich muss hier…“, flüsterte er sich selbst aufgeregt zu.

Als der Mann die Frau bemerkte, erstarrte er. Sie war nah an ihn herangekommen, ohne dass es ihm aufgefallen war. Nur wenige Meter trennten die beiden.

 

Die Frau im schwarzen Mantel zog einen kleinen dunkelbraunen Baseballschläger hervor, der schnell auf doppelte Größe anwuchs und fest im Griff eines goldenen Handschuhs mit einer römischen Sieben darauf sprintete sie auf den Mann zu.

„Nicht du schon wieder! Wie hast du mich gefunden?“, rief er genervt. Fast schon panisch griff er nach etwas in seinem Ledermantel. Der Mann zog eine handelsübliche Pistole hervor, ähnlich der Waffen der Polizei, und versuchte nach dem Entsichern den Abzug zu drücken. Auch dieses Mal reagierte ihr Körper schneller, als sie selbst realisieren konnte. Der Angriff des Baseballschlägers erfolgte schnell. Schneller als der Abzugsfinger des Mannes. Das Knacken von Knochen erschütterte die Umgebung, folgend ein lautes Aufheulen und ein metallisches plumpes Geräusch.

Blut verteilte sich auf dem Feldweg. Die Hand des Mannes wurde schwer getroffen. Ein zweiter Schlag folgte und traf leicht den rechten Oberschenkel des Mannes.

Ein lauter Schrei folgte. Der Mann wich humpelnd zurück. Zitternd hob er seine verletzte Hand. Unbarmherzig holte die Mantelträgerin erneut aus, bevor sie die Granate vor ihr auf dem Boden realisierte. Ein Lichtblitz zuckte durch die Luft. Ein wenig benommen davon taumelte sie zurück.

 

Es dauerte wenige Minuten, bis die Angreiferin wieder sehen konnte, wenn auch nur schwach. Die Frau streckte ihre freie Hand aus. Ein rotes Licht entschwebte ihrer Handfläche und schoss in den Wald. Die Frau sprintete ihm, trotz mangelndem Sehvermögen, hinterher.

Sie holte ihren Gejagten langsam ein, der immer noch einige Meter entfernt vor ihr war. Der Angeschlagene humpelte durch den Wald, während er knurrend seine Hand hielt.

Die rötliche Magie, war im Gegensatz zu ihrer blauen Variante, der Verfolger. War ihr Ziel bekannt und dessen Route absehbar, würde die rötliche Kugel nie ihr Ziel verfehlen.

Durch den leicht bergigen Wald, stürmte die Mantelträgerin mit Leichtigkeit über die sperrigen Wurzeln und den hinderlichen dornigen Büschen. Ihre sich selbst auferlegten Trainingsherausforderungen in den letzten Monaten machten sich bezahlt.

Das prägnante rote Leuchten würde sie zudem niemals aus den Augen verlieren. In der Ferne nahm sie das schwere Keuchen wahr. Unbeholfen und weniger agil preschte ihr Ziel durch den Wald. Es war abzusehen, dass die dornigen Büsche oder die hervorstechenden Äste aus den umgefallenen Bäumen für Schnittverletzungen sorgen könnten. Die Verfolgerin erkannte die frischen Blutspritzer auf den Bäumen. Es war nur eine Frage der Zeit bis er fiel.

 

In einem günstigsten Moment, als zwischen ihr und ihrem Ziel ein gerader Pfad durch den Wald ohne Hindernisse zu erkennen war, nahm sie an Geschwindigkeit zu. Der Absprung durch ihren rechten Fuß nach vorn, ließ den Teil der massiven Wurzel, der unter ihrem Fuß war, zerbersten. Sie hielt ihren Schläger schräg nach unten, um in entsprechender Reichweite mit einem Hieb dem Verfolgten sein Ende zu bereiten. Es waren nur noch wenige Meter. Es war aussichtslos für ihn, egal wie schnell er versuchte von ihr wegzulaufen.

 

Sein Weg endete abrupt an einer Klippe, in die der Wald endete. Spitze Felsen ragten vor ihm aus der Tiefe des Wassers empor und würde einen Fall tödlich bestrafen. Der verwundete Mann stoppte und fiel auf die Knie. Die Ummantelte stürmte hinterher, ihren Schläger fest im Griff.

Eine Melodie ließ sie jedoch erstarren. Eine einfache Melodie, dessen Abfolge jeder musikalische Anfänger in kurzer Zeit beherrschte. Diese Tonabfolge hatte sich ihr in den Kopf gebrannt. Wenn diese Melodie ertönte, dann wusste sie Bescheid. Unter keinen Umständen durfte sie zögern. Die Frau hielt inne und sie senkte ihren Schläger. Hastig zog die Verfolgerin ihr Smartphone aus der Manteltasche hervor. ʽMR. Cʼ, erblinkte als Name des Anrufers. Mit einer leichten Berührung beendete sie die Melodie und die Sorge, dass ihr Zögern den Anrufer verärgern konnte.

„Boss…“, sagte die Ummantelte in einem respektvollen Ton. Das Sonnenlicht traf ihr Gesicht. Die Frau schaute zur Seite, da das Sonnenlicht in ihren Augen brannte. Der verwundete Mann vor ihr sprang in dem Moment auf, aber er reagierte zu langsam auf den schnellen Hieb gegen seinen Oberschenkel. Schreiend warf er sich wieder zu Boden.

„Bist du etwa nur seine Marionette…?“, brummte der Verwundete. Er hielt sich schwer bei Bewusstsein. Mühevoll schaute der Mann zu seiner Peinigerin hoch. Völlig emotionslose Augen hielten ihn unter Beobachtung.

„…ist er schon tot?“, sprach eine düsterverzerrte Stimme. Bevor die Schlägerin antwortete, rief der Verwundete dazwischen:

„Spar dir deine Arroganz, ich bereue nichts! EGAL WIE ES ENDET!“ Ein Lachen war aus dem Smartphone zu hören, als die Mantelträgerin die Lautsprecherfunktion aktivierte.

 

„Ich habe nicht vor mich zu rechtfertigen, alter Freund. Ich möchte mich eher bedanken. Deine nette Geschichte und deine Ansichten haben tatsächlich mein Gedankenfenster erweitert. Ich hätte nicht so tunnelhaft denken sollen. Das wäre sicherlich unschön geendet. Trotz deines Verrats und dem unnötigen Stress, wie auch immer du sie verschwinden lassen hast, hast du mir sehr geholfen. Immerhin habe ich durch dich meine Pläne geändert.“

„Du wirst nicht weit kommen, man wird dich bemerken! Du bist nicht so perfekt wie du denkst, und deine Pläne sind lückenhaft!“, brüllte der Verwundete zornig, da erwiderte Mr. C laut und deutlich:

„Ich bin hier fertig, Nummer Sieben. Bitte tu deine Pflicht, aber davor möchte ich meine ursprünglichen Befehle an dich ändern. Du sollst nun nicht mehr nach ihnen suchen, sie töten und meine Kristalle zurückholen. Ich möchte stattdessen, dass du zurückkommst. Ich habe deinen Lohn für deine Arbeit überwiesen. Du kannst den Auftrag den anderen überlassen, du hast deinen Teil erfüllt. Also… beeil dich!“ Die Stimme verstummte. Das Smartphone verschwand in der Jackentasche. Für einen Moment herrschte unangenehme Stille. Selbst die Möwen waren nicht mehr zu hören, die sonst wild schreiend über die Insel kreisten.

 

ʽDer Kodex wird eingehalten!ʼ, waren die einzigen Gedanken, die der Mantelträgerin durch den Kopf gingen, während sie schließlich mit dem Baseballschläger ausholte. Der Kodex, das einzige, an das sich die Frau hielt, stand über alles und jedem. Verräter, die seine Regeln brachen, mussten mit ihrem Leben bezahlen.

Der Verwundete kniete entkräftet vor ihr, während sein Blut sich auf dem Boden verteilte. Müde sah er zu ihr hoch.

„Zur Hölle mit dir“, brummte er.

Der Schläger sauste schnell auf sein Ziel, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten.

Das Erwachen II --- Der Aufschlag

[Rick]

 

‚Kein Bock…, außerdem habe ich… oh, das c fehlt… egal,… Training. Bald ist Prüfung. Ich kann das nicht schon wieder ausfallen lassen.‘ Er drückte auf Senden, bevor er wieder für einige Sekunden auf sein Handy starrte. Der Junge wusste, dass die Antwort nicht lange auf sich warten lassen würde.

Das Handy vibrierte und die Nachricht erschien auf dem Bildschirm:

‚Dann schuldest du mir was.‘

‚Als ob…, immer muss es nach ihrem Kopf gehen.‘ Der Junge trank aus seiner Coladose, die er neben sich auf dem Zaunpfosten deponiert hatte. Als er diese aber wieder abstellte, rutschte diese wegen der leichten Schräge herunter und der Inhalt verteilte sich auf dem Boden.

„Oh verdammt!“ Fluchend schnappte der Junge nach der Dose, da stieg in ihm ein überwältigendes Gefühl von Zorn auf, während er die sich verteilende Flüssigkeit beobachtete. Er trat die Dose gegen die nächste Hauswand, daraufhin flog diese in den danebenliegenden Vorgarten.

‚Ah…, ich sollte das nicht tun.‘ Verärgert über seinen kurzen Wutausbruch sprang der Junge über den Hüfthohen Holzzaun und fischte die Dose aus dem Blumenbeet. Im Anschluss entsorgte er die Dose im nächsten Mülleimer.

Er streifte sich den oberflächlichen Dreck von seiner kurzen Hose ab.

‚Oh wenn ich das ins Hauptquartier trage, dann wird mich Linda wieder…‘ Der Boden vibrierte plötzlich, aber das Erdbeben fand schnell ein Ende. Es war nichts ungewöhnlich. Immer wieder war die Insel in Bewegung.

‚Erdbeben…, die kommen immer aus dem Nichts.‘ Sein Handy vibrierte und schnell zog er es wieder herbei.

‚Hast du das eigentlich von dem Mord im Wald gehört? Dieses Mal fand man die Leiche aber in der anderen Inselhälfte wie sonst.‘ Der Junge zögerte zunächst. Es war kein Thema, was er gern ansprechen wollte. Linda hatte zu ihm gesagt, dass Alina und er sich deswegen in der Nähe von ihr aufhalten sollten. Wenn irgendetwas war, dann sollten sie schnell zur Polizei oder zum Hauptquartier rennen.

‚Die Polizei wird dazu doch wieder so eine Stellungnahme machen…, dann erfahren wir mehr. Ah… verdammte Tasten. Das f…‘ Rick tippte genervt zurück, um ein f bei erfahren einzufügen.

‚Oder schreibt man das nur mit einem f…‘ Um so länger er darüber nachdachte, um so weniger hatte er Lust sich weiter damit zu beschäftigen. Er drückte auf Senden.

‚Ach verdammt…, jetzt habe ich den Rest des Textes vergessen.‘ Es dauerte nicht lang bis die Antwort folgte:

‚Sehen wir nach? Ich weiß wo die Stelle ist.‘ Rick seufzte, denn er wusste, dass Alina das wirklich tat.

‚Nein…, denn wenn uns die Polizei oder sogar Linda findet, dann sind wir die nächsten über die die Polizei eine Stellungnahme treffen… sagen… machen… ach verflucht was passt denn jetzt?‘ Rick drückte auf Senden. Ihm egal ob das Geschriebene nicht korrekt war. Ein Grund warum er auch Aufsätze nicht leiden konnte. Gut, dass im Moment Ferien waren.

Die Antwort ließ auf sich warten, sodass der Junge kurz zur Seite schaute, nach hinten und dann nach oben, ob er etwas interessantes entdeckte.

Während sein Handy vibrierte und somit eine neue Nachricht ankündigte, erstarrte der Junge, als er etwas im Himmel erkannte. Es ähnelte einem Meteoriten, der mit glühender Spitze auf die Insel zuraste.

Es waren sogar drei Objekte am Himmel, jedoch in unterschiedlichen Abständen zueinander. Ricks Aufmerksamkeit war jedoch nur auf den vordersten gerichtet, der sich drohend der Stadt näherte.

‚Ich sollte rennen…‘ Jedoch erstarrte er, weil ihm bewusst wurde, dass der Einschlag wohl die gesamte Stadt auslöschen wird. Bilder von zerstörten Städten erschienen in seinen Gedanken und der Antagonist aus seinem Lieblingsanime, wie dieser mit einem Fingerschnippen eine gesamte Stadt pulverisierte. Sein Herz pochte und der Schweiß brach aus ihm hervor.

‚Ist das wirklich… ich muss hier weg… also…‘ Er atmete schneller.

Beim nächsten Vibrieren seines Handys realisierte der Junge, dass der Meteorit knapp über die Stadt flog und im westlichen Wald einschlug. Rick erwartete, dass eine erschütternde Staubwelle durch die Stadt fegte oder etwas Ähnliches, aber es passierte nichts. Bis auf den ohrenbetäubenden Lärm, den der Einschlag verursacht hatte, blieb alles ruhig.

Verwirrt und ein wenig planlos blickte Rick auf sein Handy, weil dieses ein weiteres Mal vibrierte.

‚Hast du auch den Meteoriten gesehen? Sollen wir uns den krallen? Ich meine so Ding zu haben ist doch verdammt cool.‘

Die zwei vorherigen Nachrichten bestanden aus Beleidigungen, dass Rick nur ein Feigling war, wenn er solche Angst vor Linda hatte.

Es gab nicht viel wovor Rick sich fürchtete, denn normalerweise war er das Gegenteil, aber vor der Gildenmeisterin hatte er Furcht. In Ausnahmezustände wurde sie zu einer Dämonin, zumindest im übertragenden Sinne.

‚Erst der Mord und jetzt der Meteorit…, zumindest wird es heute nicht langweilig.‘ Er scrollte durch die Nachrichten. Die Beleidigungen ärgerten ihn.

‚Aber ich bin kein Feigling. Dieses Mal werde ich zuerst da sein.‘ Seine Freundin wusste, wie sie ihn ködern konnte.

‚Und zumindest kann ich ja nachsehen, ob es ein Meteorit ist oder etwas anderes. Besser als sich zu langweilen.‘ Rick glaubte jedoch nicht an außerirdisches Leben und daher auch nicht an Aliens. Bisher war noch nie jemand außerhalb dieses Planeten gewesen, also konnte niemand beweisen, dass sie nicht die einzigen Lebewesen in diesem Universum waren. Es wären doch mit Sicherheit schon längst Aliens gelandet, wenn es sie geben würde.

Rick setzte sich in Bewegung. Die Neugierde ließ ihn grinsen.

‚Wenn ich mir das Ding hole, dann wird Alina mir etwas schuldig sein.‘ Es war die Chance, dass nicht sie immer die Gewinnerin war und es ihm tagelang unter die Nase rieb.
 

Rick hielt sich in den Gassen bedeckt, als er die Vielzahl an Polizisten bemerkte. Eine Sirene heulte kurz auf, daraufhin fuhr ein Polizeifahrzeug in Richtung Stadtmitte.

Am westlichen Stadtrand bemerkte der Junge eine kleine Ansammlung von Leuten. Ein Polizist verscheuchte die Journalisten, die sich hinter einer gezogenen weißen Linie positioniert hatten. Ein schwarzer Leichenwagen fuhr vom holprigen Feldweg auf die gepflasterte Straße und dann in Richtung Krankenhaus, welches sich in der Südhälfte der Stadt befand. Gefolgt wurde dieser von einem weiteren Polizeiwagen. Hinter den Absperrungen bauten Arbeiter provisorische Stände ab. Rick konnte nicht sagen, was sie hatten aufgebaut hatten.

„Beantworten sie die Frage. Es geht um das Wohlbefinden der Bewohner. Sie haben Angst.“ Rief einer der Journalisten.

„Herr Stahl wird sich heute Abend bei der Pressekonferenz zu Wort melden und der Bürgermeister ebenfalls. Bitte ansonsten keine Nachfragen.“ Erklärte ein Polizist lautstark, aber er wurde von den Stimmen der Journalisten wieder übertönt, die genervt durcheinanderredeten.

„Ruhe ihr Tölpel.“ Unterbrach eine männliche Stimme das laute Gerede. Es wurde still und man hörte nur noch genervtes Gemurmel.

„Und diese drei Meteoriten, die hier eingeschlagen sind? Weiß man da genaueres? Die Bewohner der Stadt sind verunsichert, da der Bürgermeister sich nicht äußert.“ Ein großer Mann, der in einem grauen Mantel eingehüllt war und in seiner rechten Hand ein schwarzes Mikrophon dem Polizisten entgegenhielt, drängte sich der Sicherheitskraft auf.

„Hey Moment mal..., diese Sache ist geradeerst passiert. Die Polizei kann sich auch nicht vervielfachen. Wir sind im vollen Einsatz den Mörder zu fassen, wir können nicht…“

„Mörder? Ist er etwa noch immer auf freien Fuß?“ Die umstehenden Leute tuschelten lautstark.

„Ich sagte…“, plötzlich stockte dem Polizisten der Atem, als hätte er einen Geist gesehen.

„Ja…?“ Sein Gegenüber hielt dem Mann unbeirrt das Mikrophon des Aufnahmegeräts, welches an seinem Gürtel befestigt war, entgegen.

„Entschuldige…, ich dachte ich hätte etwas gesehen. Ich wollte nicht unhöflich bleiben.“ Es räusperte sich kurz.

„Keine Fragen.“ Fügte er hinzu. Der Mann wimmelte damit aber die Journalisten nicht ab.

Rick, der sich in einem kleinen Pfad zwischen zwei Häusern versteckte, ballte kurz seine rechte Hand zu einer Faust.

‚Warum ausgerechnet er? Der hat mich doch sowieso schon auf den Kicker. Er wird Linda sofort anrufen, wenn ich versuche da vorbeizulaufen.‘ Diese Straße war somit für ihn unmöglich zu überwinden. Als Ausweg blieb wohl nur der Umweg durch die großen Gärten hinter dem Supermarkt. Mit Sicherheit würde die Polizei nicht dort herumstehen.
 

Während Rick sich durch die Gärten kämpfte und dem Arbeiter auswich, der im Moment die Pflanzen bewässerte und dabei Musik lautstark aus seinen Kopfhörern dröhnte, vibrierte sein Handy erneut. Alina war fleißig am Schreiben. Immer wenn sie irgendetwas über den Mord oder über die fliegenden Objekte gehört hatte, musste sie dies sofort Rick preisgeben. Gelegentlich blickte Rick auf sein Handy, um sich die neuste Nachricht durchzulesen, aber das meiste hielt er für Gerüchte.

Der erste Meteorit schlug mit voller Geschwindigkeit auf die Insel ein. Die anderen beiden Flugobjekte einige Minuten später. Beim dritten Objekt hörte man nicht einmal einen Einschlag. Ein Meteorit war im westlichen Teil der Insel eingeschlagen, ein anderes im östlichen Teil. Das dritte Objekt blieb verschwunden. Die Nachrichten mit den möglichen außerirdischen Wesen ignorierte er.

Über den zwei Meterhohen Holzzaun geklettert, stand der Junge vor dem dichtbewachsenen Wald. Besonders einladend wirkte er nicht, die dornigen Büsche duldeten keine Besucher.
 

Der Junge sprintete durch den Wald, er kannte die begehbaren Pfade. Rick hangelte sich über die umgefallenen Bäume oder die herumliegenden Felsbrocken. Vereinzelt versperrte ein dorniger Busch dem Jungen den Weg, der inzwischen größer war als in seiner Erinnerung.

Schnell war auch dieses Hindernis überwunden und der Junge kletterte tiefer in den dicht bewachsenen Wald.

Er hatte nicht mehr viel Zeit, bevor die Nacht hereinbrach und es dunkel wurde. Nachts waren die Wälder der Insel gefährlich.

Linda hatte immer davor gewarnt. Vor allem, dass es pro Monat mindestens zwei Vermisste gab, auch wenn es in der Regel Touristen waren. Dies war jedoch nur die halbe Wahrheit. Linda wollte die beiden nur schützen, aber die ganze Wahrheit war, dass die Leichen an den Klippen oder selten auch tiefer im Wald gefunden wurden. Meistens nie in einem Stück.

Kreaturen, die dies anrichten konnte, hatte bisher aber nie jemand gesehen, gehört oder irgendwie wahrgenommen. Dies war ein weiterer Mythos der Insel, der abenteuersüchtige Touristen anzog.

Nicht ohne Grund erhielten alle Bewohner und Touristen das Verbot in den östlichen Wald zu gehen. Warum aber niemand einen unüberwindbaren Zaun baute, verstand Rick nicht.

‚Ich darf nicht an so etwas denken. Ich muss mich auf diese Sache konzentrieren. Ich muss vor Alina da sein, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie niemals den richtigen Weg finden wird. Ihre Orientierungskünste sind bescheiden.‘ Dieser Sieg war ihm sicher.

Während er sich ausmalte, was der Junge bei seinem Sieg sagen würde und sich dies in seinen Gedanken vorstellte, rutschte er einen kleinen Abhang hinunter. Der Junge fing sich schnell, seine Reflexe waren gut und sein tägliches Training half ihm sein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Der Junge stoppte, trotz dass er immer noch auf dem Abhang stand, der eine große Steile besaß. Beim kurzen Fuchteln, während des Abrutschens, blieb er an einem kleinen dünnen Ast hängen, der ihn beinahe das Armband vom rechten Arm wegriss.

Schnell reagierte der Junge und brach den kleinen Ast noch rechtzeitig ab.

`Linda hätte mich das Hauptquartier schrubben lassen, wenn ich das verlieren würde.`

Nach dem Abhang setzte der Junge seinen Weg fort.
 

„Da hinten ist es…“ Murmelnd blickte Rick in die Ferne. Er erkannte den schwach aufgewirbelten Staub, der sich langsam legte.

Der braunhaarige Junge kletterte über umgefallene Bäume und tauchte dann vor einem drei Meter großen und ein Meter tiefen Krater auf, der nahe einer Lichtung einen bleibenden Schaden im Wald verursacht hatte. Durch den aufgewirbelten Staub konnte er nur sehen, dass etwas Mitten im Krater lag, aber noch nicht was.

Ein Schauder zog über seinen Rücken, als er einen Schritt nach vorn setzte.

Eine große Person, die mehrere Köpfe größer war als er, stand neben ihm. Diese Person trug einen langen schwarzen Mantel. Die rechte Hand war mit Blut überdeckt. Auf der Kleidung waren ebenfalls Blutspritzer zu erkennen.

‚Der Mörder…‘ Er erstarrte.

In diesem Moment wurde ihm klar, dass die Warnungen und Belehrungen von Linda nicht nur reine Fürsorge waren.

Die ganzen Stellungen und Techniken, die ihm sein Lehrmeister zeigte, sollte der Junge je in solch eine Situation geraten, waren vergessen.

Die Person trat einen Schritt auf ihn zu. Rick schluckte nervös. Was war jetzt die richtige Handlung. Einen Überraschungsangriff ausführen, sich auf einen Angriff vorbereiten oder einfach nur schnell wegrennen?

„Pass auf… sie auf. Ihr Name… ist Tina.“ Zu Ricks Erstaunen war es eine weibliche Stimme gewesen, die im Gegensatz zu seinen Vorstellungen nicht die eines blutrünstigen Mörders war.

Er sah ihr Gesicht nicht, als sie vorbeilief. Das Blut auf ihrer Kleidung paralysierte ihn.

‚Wo… was…?‘ Kurz nicht aufgepasst und die Fremde war aus seinem Blickfeld verschwunden. Nervös schaute er um sich. Einige Sekunden ließ er verstreichen, um sicherzugehen, dass die Fremde fort war. Jedoch verging das Gefühl nicht, dass sie genau hinter ihm war, wenn er einer Richtung den Rücken zuwandte.

‚Ich hätte doch nicht hierherkommen sollen.‘ Seine Augen suchten im Wald nach der Fremden.

‚Das ist alles nur wegen Alina und wegen diesem verdammten Meteoriten,‘ Ihm wurde der Krater bewusst, in dem er immer noch halb stand. Er wischte sich den Schweiß mit seinem rechten Arm von der Stirn, daraufhin blickte der Junge auf die Mitte des Kraters. Die Staubwolke hatte sich inzwischen soweit gelegt, dass er die Mitte gut erkennen konnte.

‚Sie…‘ Nun verstand er, was die Fremde gemeint hatte.

In der Mitte des Kraters lag kein Meteorit oder dergleichen, sondern ein Mädchen.
 

‚Ein… Mensch?‘ Rick näherte sich dem menschlichen Wesen.

Sie wirkte ohnmächtig, aber unverletzt. Das jugendliche Mädchen lag auf der Seite, als hätte sie sich schlafengelegt. Rick schätzte, dass das Mädchen in seinem Alter war. Der Kleidung nach zu urteilen, stammte sie wohl aus einer reicheren Region oder zumindest trug sie einer dieser teuren Kollektionen, von denen seine Freundin ständig schwärmte. Zu Kaufen gab es diese in den Großstädten, wie in Festa.

Eine braune Handtasche lag unbeschadet neben ihr.

Der aufgewirbelte Staub hatte sich inzwischen gelegt und er war auf sie niedergerieselt. Er bedeckte ihre Kleidung, ihr rotbraun schulterlanges Haar und ihr Gesicht. Rick bekam dadurch ein schlechtes Gewissen untätig danebenzustehen. Irgendwie wollte er ihr helfen, aber im Moment war Rick planlos. Er streckte nervös seine rechte Hand nach ihr aus, um sie zu wecken, aber als hätte das Mädchen dies geahnt, begann sie zu reagieren.

Zuerst gab sie einen leisen gequälten Ton von sich, bevor das Mädchen anfing lautstark zu husten. Womöglich war der Staub in ihre Lungen gelangt. Ihre Augen öffneten sich und panisch zog das sie sich weiter zusammen, als wäre das Mädchen aus einem Albtraum erwacht.

„Alles… in Ordnung?“ Rick schreckte zuerst zurück. Er hatte damit nicht gerechnet.

Das Husten stoppte und ihr Blick ging ruckartig zu Rick.

„Hallo…, alles in Ordnung?“ Versuchte der Junge eine Konversation zu starten und dabei so freundlich wie möglich zu lächeln. Er streckte seine rechte Hand aus, um ihr aufhelfen zu wollen. Rick versuchte zu überlegen wie er am besten reagieren sollte, aber er wusste nicht einmal ob sie überhaupt dieselbe Sprache sprachen.

Das Erwachen III --- Der Krater

[Tina]
 

Der Boden fühlte sich leicht sandig, aber warm an und sie konnte mit ihrer linken Hand keine Kraft aufbringen sich irgendwie vom Boden wegzudrücken. Ihr müder Körper wollte ihr nicht die nötige Kraft aufbringen lassen.

Ein unangenehmes Brummen hallte ihr durch den Kopf. Sie konnte sich nicht konzentrieren oder an irgendetwas denken. Ihr Kopf war zudem wie leergefegt.

Sie fühlte sich ausgelaugt.
 

Ein Schleifen war zu hören, gefolgt von einem plumpen Geräusch. Sie konnte die Geräusche nicht zuordnen.

Es folgte ein weiteres plumpes Geräusch.

Sie atmete nervös ein. Der Staub, der sich in der Luft befand, atmete sie ein und die Lungen wehrten sich sofort. Der Drang zu Husten konnte sie sich nicht mehr erwehren. Es schmerzte. Ihr Körper krümmte sich.

„Alles in Ordnung?“

Das Mädchen öffnete ihre Augen und ihr wurde sofort schwindelig. Überrascht blickte sie zur Seite. Ihre Augen brauchten einen Moment, bis sie bemerkte, dass dort jemand stand. Jemand, den sie nicht zuordnen konnte. Kannte sie überhaupt wen? In ihren Gedanken erschien niemand.

„Hallo?...“

Ihr Ohren rauschten und sie nahm alles nur dumpf wahr.

Etwas pikste in ihren Arm. Es wurde unangenehm auf der Seite zu liegen. Sie wollte sich bewegen.
 

Als würde der Himmel über sie spotten, strahlte in diesem Moment das Licht der Abendsonne zwischen den rötlichen Tannen auf den Krater und ihr mitten auf das Gesicht. Sie wurde geblendet. Schnell hob das Mädchen ihre linke Hand, um ihr Gesicht zu verdecken.

Seltsamerweise hatten die Sonnenstrahlen etwas Erholsames. Trotz, dass es blendete, fühlte es sich gut an.

Langsam kehrte die Kraft in ihrem Körper zurück. Sie fand genug Kraft um sich aufzurichten. Der Schmerz in ihrem Körper ließ langsam nach.
 

Das Mädchen atmete langsam ein, um Kraft zu schöpfen, dann wieder aus. Der leichte Wind wehte vereinzelte ihre Haare vor das Gesicht.

Sie strich das Haar zurück. Der nervige Sand wurde ebenfalls aus dem Haar gestrichen, zumindest so gut sie es konnte.
 

„Sprichst du unsere Sprache? Kannst… du mich verstehen?“ Hallte an ihr drohendes Ohr. Sie erschrak innerlich.

„Soll ich dir helfen?“ Sie hatte die Person vor sich völlig vergessen.

‚Helfen?‘ Sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.

Das Mädchen erinnerte sich an nichts, nur noch an die einfachen Dinge, dass sie ein Mensch war, dass sie wohl auf Sand lag, um sie herum Bäume standen und etwas passiert sein musste, warum genau sie hier erwachte. Der Krater um sie herum musste damit zu tun haben.

Sie schaute sich die Person vor sich genauer an. Dunkelgrüne Pupillen, braunes kurzes Haar, sommerliche Klamotten, ein verunsicherter Gesichtsausdruck und Nervosität in seinen Augen.

‚Wer… ist das?‘ Kreiste ihr durch die Gedanken, dennoch machte er einen freundlichen Eindruck auf sie. Seine Hand, die er ihr reichte, stimmte sie positiv. Ihre rechte Hand erhob sich und sie griff nach seiner Hand.

Schneller als ihr bewusst wurde, stand sie auf zwei Beinen.

„Huch…“

„Verstehst du mich?“ Er zeigte mit seiner anderen Hand auf sich.

„Ja…“ Kam es vorsichtig von ihr. Ihr Gegenüber machte plötzlich einen erleichterten Eindruck. Beinahe so, als hätte sie ihm damit eine große Last abgenommen.
 

Ein plumpes Geräusch war hinter ich zu hören und erschrocken wich sie nach vorn.

„Ah, das war deine Tasche.“ Der Junge lächelte.

‚Meine Tasche!‘ Irgendetwas in ihr sagte, dass sie dieses Ding niemals loslassen sollte. Eilig schnappte sich das Mädchen die Tasche und umklammerte diese.

„Oh… alles in Ordnung? Ist… sie wichtig?“

Suchend nach einer Antwort und nach dem Verständnis, warum sie das eigentlich tat, umklammerte sie die Tasche weiter.

„Verstehe schon…, wenn du nicht darüber reden willst. Alina ist auch so, wenn es darum geht.“

„Alina?“

Der Junge fasste sich an den Kopf, als würde ihm etwas auffalen:

„Das klingt jetzt unhöflich von mir, aber wir müssen hier weg und erst einmal in die Stadt. Es wird Nacht und…“ Sein Blick wich durch den Wald, als würde er nach etwas Ausschau halten.

„Stadt?“

Der Junge verwies in die Richtung des Feldweges hinter ihm. In der Ferne waren größere Schatten zu erkennen, es könnten Gebäude sein, ansonsten ragten nur Bäume in die Höhe. Bedrohlich starrten diese auf die beiden nieder und sie war davon eingeschüchtert. Dem Mädchen fiel dabei auf, dass sie noch seine Hand hielt. Unsicher ließ sie los.

„Ähm… tut mir leid deswegen… und keine Sorge. Ich bin ein Mitglied der ‚Ranger Guild‘. Wir sind dafür da Personen zu helfen, die in Not sind. Ich bring dich zur Stadt und dann wird es dir viel besser gehen. Wir werden dann klären was passiert ist, aber wir müssen von hier weg. In Ordnung?“

„Ich… ja.“ Der Junge nickte zufrieden.

Ein seltsames Knarzen war zu hören und der Junge horchte plötzlich auf. In seinem Blick war plötzlich etwas Beunruhigendes, was das Mädchen nicht zuordnen konnte. Ein lautstarkes unangenehmes Knacken aus der Umgebung folgte.

Sie spürte plötzlich einen Zug an ihrem Arm. Es riss sie von den Füßen.

Der Junge zog sie mit. Er eilte zügig aus dem Krater. Hinter den beiden rauschte etwas zu Boden und ein ohrenbetäubender Knall folgte. Wieder wurde eine Unmenge von Staub aufgewirbelt. Das Mädchen begann zu Husten.

„Verdammt war das knapp. Wir sollten Abstand von dem Krater gewinnen.“ Der Junge zog sie mit. Unweigerlich mussten ihre Beine Schritt halten. Einige Meter vom Krater entfernt blieb er stehen.

Das Gezerre war ihr unangenehm.
 

„Der Einschlag muss ihn beschädigt haben. Er drohte schon die ganze Zeit umzufallen.“

Das Mädchen drehte sich erschrocken um. Im Krater lag nun eine ausgewachsene Tanne. Der Durchmesser des Stammes musste bei fast einen halben Meter liegen.

„Ah… ich sollte nicht… alles in Ordnung? Hat dich irgendetwas erwischt?“

„Mein Arm tut weh.“ Sie hielt sich das rechte Handgelenk. Es schmerzte und ein rötlicher Handabdruck war zu erkennen.

Der Junge wirkte unglücklich. Nervös kratzte er sich am Hinterkopf.

„Danke…“ Brachte sie leise hervor. Das Mädchen versuchte ihn anzusehen, aber die Sonne blendete sie von der Seite.
 

Wieder waren dumpfe Geräusche zu hören, aber dieses Mal gepaart mit einem lautstarken Rufen. Der Junge blickte konzentriert in Richtung der Stadt. Etwas näherte sich aus dieser Richtung. Eingeschüchtert wich das Mädchen zurück, als sie drei Männer in blauer Uniform auf sie zustürmen sah.

„Was ist hier los? Es herrscht nachts Ausgangssperre. Es ist gegen das Gesetz…“ Wild fuchtelte der Polizist mit seiner Taschenlampe vor sich herum. Sein Kollege hielt ihn an der rechten Schulter:

„Hey! Du weißt, dass der Boss zu dir gesagt hat...“ Der Mann mit der Taschenlampe brummte zornig und brach seine Standpauke ab.

„Es ist noch nicht 20 Uhr. Zu dieser Jahreszeit ist sie erst um Acht. Ich kenne die Regeln der Stadt gut.“ Der Junge hob seine rechte Hand. Er präsentierte das bräunliche Stoffarmband mit dem Symbol einem hilfsbereiten ausgestreckten Arm darauf.

„Und was suchst du dann hier? Hier ist abgesperrtes Gebiet. Du musst dich an die Absperrung vorbeigeschlichen haben.“ Der Gesichtsausdruck des Polizisten wurde grimmiger. Der Junge verwies auf das Mädchen:

„Heute Morgen war noch nicht abgesperrt, nicht?“ Das Mädchen wirkte verunsichert. Sie wusste nicht was sie antworten sollte.

„Ihr wart die ganze Zeit hier im Wald? Warum seid ihr Gören immer so unvernünftig? Dieser Wald ist kein Spielplatz!“ Sein nebenstehender Kollege erwiderte:

„Ja gut, dann können sie das nicht wissen und außerdem sind doch hier immer haufenweise Touristen unterwegs.“ Er blickte den Jungen freundlich an:

„Rick…, du bist doch ein vernünftiger Junge. Egal was ihr hier draußen gemacht habt, aber es ist zurzeit sehr gefährlich hier. Wir haben nicht umsonst abgesperrt, auch wenn ihr das nicht wusstet. Dieser Einschlag hast du bestimmt bemerkt oder den einen oder anderen Kollegen von uns im Wald. Wir suchen jemanden gefährliches. Ich bitte dich deswegen, dass ihr beide zurück in die Stadt geht.“

„Sei nicht so freundlich. Die beiden sind doch an die Absperrung vorbeigehuscht und haben sich bestimmt vor uns versteckt. So ein Vorfall zieht doch die Gören nur an, also war doch klar, dass…“

„Du hast jetzt Sendepause.“ Unterbrach ihn sein Kollege harsch.

„Ich wollte ihre Bitte nicht abschlagen, also ging ich in den Wald. Es wurde aber später als wir dachten. Diese Sache mit dem Einschlag da hinten, ja… es hat unsere Neugierde geweckt, aber das ist nur so ein dicker Baumstamm in den Krater gefallen. Wir hatten vor eigentlich zurückzugehen.“

„Ja ja… ist schon klar, du Möchtegernheld. Hier ist es gefährlich. Dieser verdammte Wald ist kein Spielplatz für Kinder und das nächste Mal rufe ich bei der Gildenleitung an. Es kann es ja nicht sein.“ Der Mann fuchtelte wieder zornig mit seiner Taschenlampe herum.

„Entschuldigt meinen Kollegen, aber er hatte heute einen schlechten Tag… wieder einmal. Aber versprichst du mir Rick, dass du wirklich zurückzukehrst und sie heil nach Hause zu bringst? Linda würde uns die Hölle heiß machen, wenn etwas passieren würde.“

„Versprochen. Wir machen uns sofort auf den Weg.“

Der Polizist nickte zufrieden.

Der Junge blickte das Mädchen an:

„Gut, dann gehen wir.“ Er ging los. Das Mädchen folgte ihm mit unsicheren Blicken. Sie musste die letzten fünfzehn Minuten erst verarbeiten.

Auf halben Weg sprach sie zu ihrem Begleiter:

„Du… hast nichts von mir und dem Krater erzählt?“

„Ich möchte niemanden anlügen, aber ich weiß wann was verschwiegen werden muss. Ich weiß, dass diese Stadt keine Fremden mag und ich weiß nicht wie sie auf Fremde aus dem Himmel reagieren würden. Ich denke… es ist nur ein Gefühl, aber ich vertraue meinem Gefühl.“

Das Mädchen dachte darüber eine Weile nach, während sie ihm zur Stadt folgte.
 

Kurz vor der Stadt stoppte er erneut.

„Wir sind da. Meine Heimatstadt. Nichts Besonderes, aber wirklich ein cooler Ort.“

Das Mädchen blickte die Straße entlang. Sie erhoffte sich an etwas zu erinnern, aber der Ort sagte ihr nichts. Im Inneren fühlte sie sich leer. Die Enttäuschung machte sie traurig.

Die Abendsonne, die sie bestrahlte, versank hinter den Bäumen am Horizont und es wurde dunkel. Ihr wurde plötzlich klar, dass es in der Abwesenheit der Sonne schnell kalt wurde.

Eine plötzliche Last erschwerte ihre Schultern und ihre Beine schienen sie nicht mehr tragen zu wollen. Ihr wurde schwummerig und das Atmen fiel ihr schwerer.

„Alles… in Ordnung? Du schwankst…“ Ihre Ohren dröhnten wieder und sie ließ die Tasche in ihren Armen los. Ihre Beine gaben nach und ihr wurde schwarz vor Augen.

Das Erwachen IV --- Die Stellungnahme

Walerij

 

‚Unfreundlich wie eh und je Punkt.‘ Zum Abschluss unterstrich er seinen Abschlusssatz. Den Kugelschreiber ließ er in seiner Tasche verschwinden, dann den Notizblock in der anderen Tasche.

Zwischen den Augen am Nasenrücken reibend dachte der Mann nach. In dem langen Mantel war es warm, aber ohne diesen Mantel hatte er keinen Plan wie er die ganzen Sachen mitschleppen sollte. Feuerzeug, Zigaretten, Geldbeutel, Handy, Stift und Notizblock. Eine Tasche wollte er nicht.

 

Das Gespräch mit den Polizisten brachte nichts. Immer wieder dieselben Aussagen. Alles würde bei der Stellungnahme des Bürgermeisters offenbart.

‚Da bleibt mir keine Wahl mir vorerst diese bescheuerte Stellungnahme anzuschauen.‘

 Also wartete er bei seinen Kollegen vor dem Rathaus. Im Vergleich auf Festa waren hier wesentlich weniger Leute. Eventuell waren hier ein Dutzend Journalisten. Vereinzelt war auch ein kräftiger Kerl dabei, der eine Kamera trug. Meistens waren es Journalisten von Sendern die Walerij nicht einmal kannte. Die großen Sender fehlten.

‚Anscheinend sind verschwundene Leute, ein Mord und heruntergefallene Meteoriten nicht so interessant.‘ Mit verschränkten Armen wartete er im hinteren Teil der Gruppe.

Vor dem Rathaus gab es einen kleinen Versammlungsplatz. Die Ordnungshüter, die am Eingang positioniert waren, baten die Journalisten nicht die wenigen Stufen hinauf zum Eingang zu steigen.

‚Bestimmt wird noch schnell irgendeine Geschichte zusammengeschustert. Ich verstehe nicht wie die anderen das nicht kapieren.‘ Walerij vermied es mit seinen Kollegen zu reden. Sie schienen alle schwer beschäftigt zu sein. Entweder waren sie panisch und übten irgendeinen Text oder hantierten an den Kameras herum.

‚Sind das etwa lauter Amateure hier?‘

 

Die nächste Stunde vertrieb Walerij die Zeit mit Surfen im Internet.

Über die sozialen Netzwerke kam noch nichts Interessantes über das Thema. Manch einer hatte eine Diskussion deswegen angefangen, aber es folgten kaum relevante Antworten. Nur ein Haufen Scherze und missmutige Kommentare. Die öffentlichen Kanäle dagegen behauptete nur, dass Splitter eines Meteoriten, der nahe dem Planeten vorbeiflog, auf die Oberfläche aufgeprallt seien.

Der Mord schien noch weniger interessant zu sein.

Tatsächlich war dies auch nicht der Grund warum Walerij auf dieser Insel war. Ihm ging es um die Vermissten der letzten Monate. Ein guter Bekannter war darunter und seine Leiche wurde noch nicht gefunden.

 

Die hölzerne Doppeltür zum Rathaus öffnete sich und ein älterer Mann mit weißgrauem Haar und einen längeren nach innen gekämmtem Kinnbart, stellte sich vor den Journalisten auf. Sie hörten auf zu reden und ihr Mikrophone schwangen sich in die Höhe. Der Mann blieb auf seiner erhöhten Position.

Allein aus dieser Tatsache konnte Walerij die Person schon gut einschätzen.

‚Arroganter Schnösel.‘

Es war nicht einmal Karstoll Lehm, der amtierende Bürgermeister, sondern nur einer seiner Stadträte. In einem maßgeschneiderten Anzug und einer stilvollen dunkelroten Krawatte präsentierte sich der Verwalter, ohne nahe an die Journalisten heranzutreten.

Walerij kannte das Gesicht, aber seinen Namen wusste er nicht. Das war ihm auch egal. Namen waren für ihn nur Schall und Rauch.

„Ich bedanke mich für eure Geduld und ich entschuldige mich, dass nicht der Bürgermeister heute vor euch tritt. Er steckt noch tief in wichtige Besprechungen und Planungen wegen den heutigen Ereignissen.“ Er blickte durch die Menge, dabei bemühte der Mann sich nicht einmal glaubhaft zu lächeln. Es wirkte eher wie herablassendes Schmunzeln.

„Ihr könnt gerne Fragen stellen. Eine halbe Stunde habe ich mir Zeit genommen.“

„Was ist mit dem Mord? Hat man den Mörder schon?“ Rief der erste Mann aus der Menge.

„Er ist nicht mehr auf der Insel. Die Marine ist ihm auf die Fersen. Die Bewohner und auch die Touristen sind wieder sicher auf Ranger Island.“

‚Also mit anderen Worten. Der Mörder ist noch auf der Flucht.‘

„Wieso hat man die Leiche so schnell gefunden, aber nicht den Mörder? Anscheinend war man der Person schon auf den Fersen. Hätte man also den Mord nicht verhindern können?“ Der Stadtrat sah Walerij finster an. In seinem geduldigen Blick war für einen Moment ein grimmiger Ausdruck zu erkennen, als hätte der Journalist in ein Wespennest gestochen.

„Die Person hatte unterwegs die Polizei attackiert. Zur Sicherheit verfolgten die übrigen Männer die Person, um dann auf Verstärkung zu warten. Als dieser wegen dem Opfer in den Wald flüchtete, warteten die Männer ab. Der Mörder hatte im Wald einen Vorteil, aber er war dort auch eingesperrt. So eine gefährliche Person muss mit einer Strategie eingefangen werden ohne dabei Verluste zu generieren. Unser Plan ging auf, denn er flüchtete zunächst ziellos. Wir haben keine weiteren Verletzte zu beklagen und auf dem Gewässer ist dieser der Marine schutzlos ausgeliefert. Das Boot war nämlich von uns präferiert. Es wird bald keinen Tank mehr haben.“

„Es war also bekannt wie gefährlich der Mörder war. War es ein Auftragskiller? Einer mit Namen? Welche Verbindung hatte das Opfer zum Mörder? Weiß man schon den Auftraggeber, falls es ein beauftragter Killer war?“ Der Stadtrat ignorierte die nächste Frage von Walerij. Er schaute fragend zu den anderen Journalisten, die sich teilweise verunsichert zu ihrem Kollegen umsahen.

„Ja… ähm… was weiß man über den Mörder? War es ein Raubmord?“ Der junge Mann, der die Frage stellte, zitterte ein wenig, als hätte er Angst.

‚Was ist denn das? Man muss da mit mehr Aggressivität rangehen!‘

„Die Polizei geht von einem Raubmord aus. Der Mörder hatte im Anschluss auf den Überfall der Polizei Wertgegenstände gestohlen. Das Opfer im Wald hatte ebenfalls keine Wertgegenstände bei sich.“

‚Ist das hier abgesprochen?‘ Ein anderer junger Journalist meldete sich zu Wort. Die Situation wirkte seltsam. Es hatte den Anschein, als hätte der junge Mann auf ein Stichwort gewartet.

„Ja! Was weiß man über das Opfer?“

„Die Untersuchungen laufen noch. Er war kein Bewohner dieser Stadt. Die Polizei vermutet ein reicher Tourist, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.“

„Entspricht das wirklich dem Umstand? Soweit ich gehört habe trug der Mann nur einfache Kleidung. Hieß es nicht zunächst, dass er anreiste und dem Wachmann am Hafen widersprüchliche Angaben machte. Zudem war außerdem bekannt, dass er komische Gerätschaften mit sich trug. In seiner rechten Hand soll sich die ganze Zeit so ein Radargerät befunden haben, wo ist das jetzt?“

„Was? Woher wissen sie das?“ Der Sprecher wirkte für einen Moment sprachlos, dann setzte er schnell wieder sein falsches Lächeln auf.

Walerij war kein Amateur. Er hatte sich mit über ein Dutzend Personen, inklusive der Hafenarbeiter, unterhalten, bevor er hierherkam.

„Was für ein Schwachsinn. Ich weiß nicht woher sie diese Fakten haben, aber das ist nicht das was die Polizei herausgefunden hat. Wenn sie hier also nur provozieren wollen, dann verlassen sie diesen Ort. Die Polizei stellt ausreichende Nachforschungen an und ist verknüpft mit andere Netzwerken weltweit. Zudem… nur weil ein Mann einfache Kleidung trägt, muss er nicht arm sein.“

„Das beantwortet meine Frage nicht. Ich hätte gerne…“

„Sie sind ruhig! Wenn sie nicht still bleiben, dann zwinge ich sie dazu den Ort zu verlassen.“

‚Jetzt schon Erpressung? Ich habe wohl keine Wahl.‘ Genervt verschränkte Walerij seine Arme ineinander. Nur widerwillig befolgte er der Anweisung. Er hoffte zumindest noch irgendwelche Informationen zu erhalten, die durch die Fragen der anderen Journalisten ans Licht kamen.

Die übrigen Fragen der anderen Journalisten richteten sich an trivialere Dinge. Welche Kleidung der Mörder trug. Welche Waffe es war. Ob wieder so ein Mord passieren könnte. Wie die Kriminalitätsrate hier war. Das Thema mit dem Meteorit wurde kurz angesprochen, aber nachdem der Stadtrat etwas in die Luft hielt und behauptete, dies wäre vom Himmel gefallen, schien es keinen mehr zu interessieren. Keiner der Journalisten fragte nach dem Thema, dass Personen auf dieser Insel verschwanden.

Am Ende platzte Walerij der Kragen und er beschwerte sich lautstark. Er wurde vom Platz verwiesen.

 

Am Abend hatte sich der Journalist vor einer Kneipe, nahe der Stadtmitte, auf die davorstehende Holzbank gesetzt. Verärgert über sein nicht funktionierendes Feuerzeug, versuchte er gestresst seine Zigarette anzumachen.

„Ha… leer? So geht es mir immer, wenn ich vergesse mein Handy zu laden.“ Es war eine raue tiefe männliche Stimme. Neben Walerij stand ein großer durchtrainierter Mann, der im Vergleich zu den Bewohnern einen dunkleren Farbton hatte. Seine Kleidung hingen war sehr sommerlich. Ein gelbfarbiges Hemd mit weißen Blüten darauf, dazu eine kurze schwarze Hose. Walerij vermutete dennoch, dass er nicht von dieser Insel stammte, nach einem Touristen sah er aber nicht aus.

Der Mann setzte sich neben ihm auf die Bank, dabei reichte er ihm ein Feuerzeug.

„Oh… ähm… vielen Dank.“ Walerij nutzte die Chance seine Zigarette anzuzünden, daraufhin tat er dies auch für den Fremden, bevor er ihm wieder das Feuerzeug gab.

„Ich schätze du bist wohl auch neu in dieser Stadt?“ Fragte der Fremde.

Der Journalist gab sich ein wenig erstaunt:

‚Aufmerksam ist er ja.‘

„Ja, das ist korrekt. Ich bin Journalist und ich recherchiere. Für heute mache ich aber eine Pause.“ Walerij zog an seiner Zigarette:

„Ich schätze mal, du bist kein Tourist. Bist du geschäftlich hier?“

„Oh… nein, weder noch. Ich bin auf der Suche nach jemanden, aber in dieser Stadt ist das nicht so einfach. Ich suche das Gildenhauptquartier der ortansässigen Gilde.“ Der Fremde hat einen leichten Akzent, den Walerij nur schwer zuordnen konnte. Der Mann stammte womöglich von den südlichen Kontinenten.

„Ich dachte es befindet sich hier… in der Stadtmitte, aber das ist es anscheinend nicht.“

Verwundert schaute Walerij den Fremden an, dann verwies mit seiner linken Hand in östliche Richtung.

„Nach der Ausschilderung müsste es sich im Osten der Stadt befinden. Vom Rathaus gerade aus nach Osten. Vielleicht stimmt die Beschilderung nicht mehr, aber die Ranger Guild steht da, wo noch früher die Gold Guild stand.“

„Ach die Gold Guild existiert nicht mehr? Mh… jetzt macht das alles Sinn.“ Der Fremde strich sich durch sein Haar, während er leer auf den Boden vor sich starrte, dann zog er lang an seine Zigarette.

‚Das wissen wohl noch nicht viele. War seltsamerweise auch nur einen kleinen Artikel in der FNN wert. Gold Guild…, ich frage mich warum die sich überhaupt aufgelöst haben. So schlecht ging es denen doch gar nicht, oder?‘ Walerij zog seinen Notizblock hervor. Auf einer neuen Seite schrieb er die Frage auf:

‚Warum löste sich die Gold Guild auf, unbedingt nachfassen! Womöglich mit der Gildenleitung reden. Wichtig!‘

„Etwas interessantes?“

„Nur Erinnerungen, damit ich das nicht vergesse.“

„Ah…, natürlich.“ Der Fremde lachte freudig.

„Weißt du darüber noch mehr?“

„Ich habe nur etwas in der FNN erfahren, dass es Streitereien gab. Finanzielle Aspekte spielten wohl eine Rolle. Die Gilde wurde aufgelöst, aber nicht einmal einen Tag später existierte schon die neue. Nahezu alle Mitglieder sind aber ausgewandert.“

„So? Und wer ist jetzt Gildenmeister?“ Das Lächeln des Fremden wurde schmaler.

„Linda Westallya.“

Der Fremde verschränkte seine Arme, und sein Blick wurde ernster, als hätte ihm etwas bei der Aussage nicht gepasst:

„Kennst du sie oder irgendjemand von der Gilde?“ Walerij wurde neugierig, ob sein Gesprächspartner nicht ein paar interessante Geheimnisse über die Gilde ausplaudern könnte.

„Nein, aber ich kannte jemand, der mit ihnen zu tun hatte. Ihn suche ich auch.“

‚Kannte? Könnte er zu den Verschwundenen gehören? Interessant. Ich sollte mir das notieren. Jetzt brauche ich nur noch Namen.‘

„Ach ich versteh. Du suchst sie auf, damit sie helfen können. Ich habe gehört, dass sie Ausnahmegenehmigungen beschaffen können, wenn es um den östlichen Teil der Insel geht. Mh… ich könnte auch helfen, wenn ich ein paar Namen hätte.“

Der eiskalte Blick des Fremden schüchterte Walerij ein. Sein Körper zitterte plötzlich und das Herz raste. Der Journalist verstand, dass seine letzte Frage unbeantwortet blieb. Dieser Mann war gefährlicher, als er zunächst wirkte.

Der Fremde drückte energisch seine Zigarette aus und ließ diese im nächsten Mülleimer verschwinden, dann stand er auf.

„Helfen ist das falsche Wort.“ Daraufhin zog er los.

Unzufrieden und immer noch ein wenig eingeschüchtert, notierte Walerij das neue Thema in seinen Notizblock:

‚Seltsamer Kerl. Mein Gefühl sagt mir, dass sich da irgendetwas zusammenbraut. Wenn es um die Vermissten geht, dann sollte ich da dranbleiben, aber meine Priorität ist zurzeit der Bürgermeister. Ich denke…, es wird Zeit, dass ich ernstmache.‘ Auch Walerij drückte seine Zigarette aus, dann ging er zurück in das Hotel. Es waren Vorbereitungen zu treffen.

Das Erwachen V --- Herzlich

[Tina]
 

Das wohlige Gefühl, welches sie bis jetzt umhüllte und sie zufrieden stimmte, verblasste. Die Erinnerungen daran verschwanden, als Tina realisierte das es ein Traum gewesen war. Was in diesem Traum geschah war schon vergessen und es stimmte sie ein wenig traurig.

Tina spürte einen weichen und warmen Untergrund, als sie sich rührte. Über ihr, an den Händen, spürte sie etwas Flauschiges.

„Es tut mir leid dich zu wecken. Aber es ist jetzt schon nach Mittag um und das tut Körper auch nicht gut, wenn du zulange liegst.“ Eine weibliche Stimme, die Tina fremd war, drang an ihr Ohr. Gegen Ende des Satzes klang sie ermahnend.

Langsam öffnete Tina ihre Augen. Sie drückte die weiße schwere Decke von sich weg. Es war tatsächlich ein Bett, in dem sie lag, jedoch in einem Zimmer, welches sie nicht kannte. Ein Fenster zu ihrer linken Seite, durch das die Sonnenstrahlen das Zimmer erhellten. Weiße Tapete, ein Parkettboden und schlichte Möbel zierten den Raum. Ihre Aufmerksamkeit erhaschte jedoch die junge Frau, die mit verschränkten Armen und einem durchdringenden Blick, das Mädchen ein wenig einschüchterte.

Als die junge Frau beim Sprechen ihren Kopf bewegte, fiel Tina das lange schwarze Haar auf, welches gekämmt nach hinten herabhing. Auf Schulterhöhe gerade abgeschnitten.

„Ich entschuldige mich dafür. Wir kennen uns ja auch nicht. Wahrscheinlich hättest du lieber länger geschlafen. Du sahst ziemlich geschafft aus, aber unser Hausarzt hat versichert, dass du gesund bist.“ Die Frau schaute zur Seite. Ihr Blick fiel auf einen Stuhl, der an der Wand stand. Sie nahm diesen im Anschluss und stellte ihn sanft vor Tina ans Bett. Die Sitzfläche ein letztes Mal betrachtet, setzte sich die junge Frau vor Tina auf den Stuhl.

‚Wahrscheinlich hat er mir geholfen und ich bin jetzt deswegen hier? Gehört sie dann zu ihm?‘

Die junge Frau schlug ihre Beine übereinander. Schwarze Pupillen fixierten das Mädchen weiter an.

„Mein Name ist Linda Westallya und ich freue mich mit dir nun persönlich sprechen zu können. Ich bin die Leiterin dieser Gilde, in der du dich gerade befindest.“ Die sanften Worte gaben nicht wieder, was Tina als Eindruck vermittelt wurde. Ihre Netten Worte wirkten ehrlich, aber ein mulmiges Gefühl begleitete das Gespräch.

Linda hob ihre rechte Hand und deutete auf ein bräunliches Stoffarmband an ihrem Handgelenk.

Das Mädchen setzte sich auf, um es deutlicher sehen zu können, zudem behagte es ihr nicht bei diesem Gespräch in einer liegenden Position zu sein. Tina empfand das als unhöflich.

‚Habe ich das nicht bei…‘

„Was ist das Letzte, an das du dich erinnerst.“ Die junge Frau schien nicht abzuwarten.

Tina war mit dieser Frage ein wenig überfordert, zudem rief sie wieder das beklemmte Gefühl zurück, welches sie mit der Leere in ihrem Kopf verband. Etwas was da sein sollte, aber nicht mehr da ist. Wie ein schmerzlicher Verlust.

Angestrengt versuchte Tina ihr Bestes. Für einen Moment schloss das Mädchen ihre Augen, aber nur an das Erwachen in dem Krater oder an den Jungen, der ihr half, konnte sie sich erinnern. Ihr ernüchterndes Ergebnis gab sie preis:

„Ich… also… nur an den Krater und an diesen Jungen, der mir geholfen hat.“ Ihr fiel ferner dazu ein:

„Und das mir plötzlich in der Stadt kalt wurde und mir wurde schwarz vor Augen.“

Die junge Frau zögerte, ihr Blick weichte einen Moment zur Seite, dann wieder auf Tina. Ihr durchdringender Blick unverändert. Tina legte ihre Hände aufeinander in die Decke hinein, sie fühlte sich nicht wohl.

„Ich verstehe. Rick hat mir so etwas Ähnliches schon erzählt.“

‚Rick ist also sein Name?‘

Tina bemerkte währenddessen ein warmes und angenehmes Gefühl auf ihren Händen. Die Sonne, die schräg durch das Fenster auf sie strahlte, erwärmte ihre Handrücken.

„Wie fühlst du dich jetzt? Hast du Schmerzen? Tut irgendetwas weh?“

Schmerzen hatte sie keine, auch ihre Müdigkeit war verschwunden. Ihren Körper schien es an nichts zu mangeln.

„Ich… denke nicht. Ich fühle mich gut.“ Tina wollte sich bedanken, dass Linda so nett zu ihr war, jedoch fühlte es für sie in diesem Moment nicht richtig an.

„Ich bin froh, wenn es dir gut, aber du kannst mir alles sagen, wenn etwas sein sollte.“ In ihren Worten lag nun mehr Nachdruck. Konnte es sein, dass sie vermutete Tina würde lügen.

„Ja… es ist wirklich nichts.“

„Mache dir keine Sorgen. Hier sind wir unter uns und wenn du etwas auf dem Herzen hast, kannst du mir davon erzählen. Ich will dir wirklich helfen.“ Tinas Befürchtung bestätigte sich.

‚Sie glaubt, dass ich lüge.‘ Um sicherzugehen, dass ihre Befürchtung doch nicht der Wahrheit entsprach, wiederholte Tina ihre Worte:

„Es ist wirklich nichts.“
 

„Ich vermute, dass du auch nicht weißt wer du bist? Oder woher du kommst?“

Tina zögerte und ihre Hände zogen sich zusammen. Das freundliche Gespräch entwickelte sich für Tina zu einem Verhör. Nicht nur, dass sie es nicht mochte missverstanden zu werden, die Tatsache, dass sie nicht einmal wusste wer sie war, brachte ein Gefühl der Hilflosigkeit. Ihr Blick fiel auf ihre Hände und ihr Kopf senkte sich.

„Hey… hey alles gut. Mein Ausfragen tut mir leid, ich brauche nur irgendwelche Informationen, um dir helfen zu könne. Etwas, um die Situation zu verstehen. Du bist vom Himmel im Wald eingeschlagen und du bist unverletzt.“ Tina spürte ein flaues Gefühl im Magen. Sie wusste von nichts. Ihre Erinnerungen begangen, als sie im Krater erwachte.

Es trat eine unangenehme Stille ein. Tina wurde nervös, während sie zu Linda blickte, die sie schweigend anschaute. Ihr durchdringender Blick war jedoch verschwunden, stattdessen beobachtete das Mädchen, dass Linda anfing an einem goldenen Ring, an ihrem rechten Zeigefinger, herumzudrehen.

„Mh… welche Farbe haben meine Augen?“

‚Schwarz.‘ Geisterte Tina sofort durch den Kopf. Zögernd, weil sie nicht verstand was der Sinn dahinter war, sprach Tina leise aus:

„Schwarz?“

„Ah… ja. Wie viele Personen sind jetzt hier in diesem Raum?“

Tina schaute an Linda vorbei. Durch den kleinen Raum, in der Hoffnung eine weitere Person zu erblicken, aber es schien niemand anderes anwesend zu sein.

„Zwei?“

„O.k und wenn du diese Anzahl verdreifachst, wie viele Personen wären dann hier in diesem Raum?“ Linda sprach langsamer und deutlicher.

Tinas Unsicherheit schwand, aber sie verstand immer noch nicht den Zweck der Fragen.

‚Dreifach? Zwei Personen und drei Mal mehr Personen? Sechs?‘

„Sechs Personen?“

„Wo hat dich Rick gefunden?“ Tina hatte auf eine Bestätigung gewartet, aber Linda forderte sie sofort mit einer weiteren Frage. Für einen Moment konzentrierte sich das Mädchen, in der Hoffnung eine passende Antwort zu finden.

„In einem Wald?“ Unsicher blickte sie Linda in den Augen.

Die Gildenmeisterin seufzte. Tinas Hände verkrampften sich weiter.

„Entschuldige meine Fragerei. Ich will nur überprüfen an was du dich erinnern kannst. Ich versuche… zu verstehen.“ Linda lächelte sanft. Tinas Anspannung lockerte sich. Ihr Lächeln hatte eine beruhigende Wirkung.

„Aber gut… lassen wir das.“ Linda griff währenddessen vor sich am Bett vorbei. Tina konnte zunächst nicht sehen, nach was Linda gegriffen hat:

„Ich habe etwas in deiner Tasche gefunden, was dich ausweist. Du stammst aus Festa, aber es ist kein Geburtsort angegeben, was eigentlich nicht sein kann. Ich dachte bisher, dass solche Ausweise…“ Während Linda anfing Tina über den Ausweis aufzuklären, kreiste in ihren Gedanken immer die Tasche. Ein plötzliches Bedürfnis zwang Tina die Tasche beschützen zu müssen, deshalb wurde sie unruhig.

„Meine Tasche… ja.“

Linda stoppte mit ihrer Erklärung und schaute Tina ruhig an. Einen Moment später hob die Gildenleiterin eine bräunliche Tasche hoch, die bis jetzt neben dem Bett stand und setzte diese auf ihren Schoß. Im Anschluss öffnete sie diese und ihre rechte Hand glitt hinein.

‚Nein diese Tasche gehört mir.‘ Die Worte lagen Tina auf der Zunge. Sie war kurz davor Linda die Tasche wegzunehmen, aber unsicher wegen den Konsequenzen hielt sich Tina zurück.

Tina fühlte sich unbehaglich, als Linda den Inhalt der Tasche durchsuchte, auch wenn sie selbst nicht einmal wusste, was sich darin befand. Der Zwang wurde stärker und das Mädchen streckte ihre rechte Hand aus.

Linda zog einen Ausweis hervor und Tina stoppte.

„Gehen wir davon aus, dass dieser Ausweis korrekt ist, dann haben wir deinen Namen.“ Linda betrachtete anschließend die ausgestreckte Hand von Tina, die sie in diesem Moment verlegen zurückzog. Das Mädchen schämte sich ein wenig dafür. Sie glaubte, dass sie ihren Körper nicht unter Kontrolle hatte.
 

Linda überreichte Tina den Ausweis.

„Dein Name, dein Geburtsdatum, deine Größe…, aber…“, sie drückte dem Mädchen das silberne Kärtchen, so groß wie eine Spielkarte, in die Hände. Ein kleines Bild eines Mädchens befand sich auf der Vorderseite links. Rechts daneben Namen, Geburtsdatum und Sprache. Auf der Rückseite weiterer Daten, unteranderem dem Geburtsort, dessen Feld jedoch leer war.

„…keine Informationen darüber woher zu stammst. Wir gehen auch die Vermisstenanzeigen durch und dann gibt es noch die anderen Krater im…“ Linda stoppte. Für einen Moment blickte die junge Frau nachdenklich zur Seite, dann wandte sie sich wieder Tina zu, ohne ihren Satz zu beenden.

Tinas Aufmerksamkeit gehörte dem Bild auf dem Ausweis und hatte der Gildenmeisterin für einen Moment nicht aufmerksam zugehört. Das Bild, das Mädchen, welche sie anlächelte, kannte sie nicht.

„Bin ich das?“ Es verunsicherte sie, dass das Gesicht, welches sie anlächelte, nicht erkannte.

„Ja, das Bild ist definitiv von dir. Sogar ziemlich aktuell.“ In Lindas Betonung schwang etwas Bedrückendes mit. Tina fühlte sich nicht wohl umso länger sie auf das Bild starrte. Eine Hilflosigkeit machte sich in ihr breit.

„Ich… ich erinnere mich nicht, aber ich danke dir.“

Linda lächelte ein weiteres Mal. Tinas Hände verkrampften sich und sie blickte der Gildenmeisterin entschlossener in die Augen:

„Ich möchte wissen wer ich bin.“ Linda legte ihre linke Hand auf Tinas rechten Unterarm.
 

„Ich verspreche dir, dass wir dieses Problem lösen werden. Falls irgendeine Blockade deine Erinnerungen unterbinden, kenne ich eine Freundin, die sich damit auskennt. Nur leider ist sie im Moment nicht hier und sie wird voraussichtlich erst in ein paar Tagen hier eintreffen.“
 

„Sie kann mir helfen… mich wieder zu erinnern?“ In Tina entsprang ein Funken Hoffnung. Die junge Frau gegenüber nickte ihr zustimmend. Das Mädchen lächelte.

„Rossya hat dieses Fachgebiet studiert und sie erkennt sofort was mit dem Gehirn los ist. Sie hat immer einen Tipp parat wie man seine Kopfschmerzen loswird.“ Linda wirkte offener und ihr Gesichtsausdruck, während sie über ihrer Freundin sprach, machte Tina Mut.
 

„Aber gut. Es gibt aber noch eine andere Sache, die ich dringend mit dir bereden muss.“ Tinas Lächeln schwand für einen Moment. Lindas Lächeln verschwand ebenfalls und ihre rechte Hand glitt in die braune Tasche. Sie zog eine orangefarbene Kugel hervor. Sie hatte die Größe eines Tennisballs. Die Oberfläche schien rau zu sein. Das Innere wirkte matt.

„Kennst du das hier?“ Ihre Stimme klang nun ernster. Tinas Herz schlug schneller und sie wurde unruhig. Sollte sie diese Kugel kennen? Angestrengt schaute Tina das Objekt an.

Umso länger sie sich auf die Kugel konzentrierte, umso mehr bekam Tina das Gefühl, dass aus diesem Objekt eine gewisse Wärme ausgestrahlt wurde.

„Ich verstehe nicht… ich erinnere mich nicht, aber diese Kugel.“ Ohne es selbst zu realisieren, streckte das Mädchen ihre Hand in Richtung der Kugel aus.

„Tina?“ Das Mädchen stoppte erschrocken, als Tina bemerkte, dass sie ihre Hand nach dieser Kugel ausgestreckt hatte. Schnell zog sie die Hand zurück und schaute verunsichert zur Seite.

„Dir sagt das etwas?“

„Es fühlt sich vertraut an, aber… ich weiß nicht warum.“

Zunächst mit skeptischen Blicken beäugte Linda das Mädchen, aber sie überreichte ihr die orangefarbene Kugel. Überrascht blickte Tina auf diese. Ihr Herz schlug schneller.

„Vielleicht, wenn du dir das aus der Nähe anschaust. Konzentriere dich, eventuell kannst du dich an etwas erinnern.“

„Ja… o.k.“ Ein wenig zögerlich versuchte Tina die Kugel mit beiden Händen zu berühren, um diese hochzuheben, aber in dem Moment, indem Tina die Kugel berührte, blitzte ein verschwommenes Bild in ihren Gedanken auf. Für wenige Sekunden wurde es deutlicher und Tina erkannte einen kleinen Hund mit hellbraunem Körper und verziert mit orangefarbenen Streifen. Er schien ein Welpe zu sein, in der Größe eines jungen Labradors. Das eigenartige war, dass sein Fell brannte, dies aber ihn nicht beeinträchtigte. Die Flammen loderten aus seinem Fell, während er fröhlich und wild umhersprang, als wäre dies normal. Laut bellte der Hund in Richtung Tina. Das Mädchen bekam das Gefühl, als würde er sie begrüßen. Sein Hecheln verursachte in ihr ein wohliges Gefühl.

„Hey… alles in Ordnung?“ Das Bild reiste ab und Tina kam wieder zu sich. Das Mädchen blickte die Kugel erschrocken an, während sie diese in den Händen hielt. Das warme wohlige Gefühl blieb, aber das Bild kam nicht wieder.

„Tina? Hörst du mich? Alles in Ordnung?“

„Ich kann mich an etwas erinnern, an einen Hund… da war ein Hund… sein Name war Sasons.“

„Sasons? Irgendwo habe ich den Namen schon einmal gehört.“ Nachdenklich legte die Frau ihre Hände ineinander.

„Aber ich…, ich weiß nicht woher ich ihn kenne. Ich weiß nicht was das ist.“ Tina wurde nervös, während sie Linda anschaute, die nachdenklich an ihr vorbeischaute. Für einen Moment wirkte Linda nicht anwesend. Es hatte etwas beunruhigendes.

„Ich verstehe.“ Gab sie wenige Sekunden später von sich. Linda legte ihre rechte Hand auf Tinas rechte Handoberfläche, die die orangefarbene Kugel bedeckte:

„Ich glaube dir, dass dir wirklich nicht bewusst ist, was du da in Händen hältst.“ Tina schüttelte langsam ihren Kopf. Es frustrierte sie ein wenig.

„Es bringt nichts dich zu fragen woher du das hast, aber ich muss dir erklären wie gefährlich dieses Artefakt ist.“

‚Gefährlich?‘ Erschrocken starrte sie auf die harmlos aussehende orangefarbene Kugel. Loslassen wollte Tina sie jedoch nicht. Im Inneren verstand sie, dass es nicht diese Art von Gefährlichkeit war.

„Du hältst ein Artefakt, ein sogenannten Elementkristall in deinen Händen. Diese mächtigen Artefakte sind begehrt auf dem Schwarzmarkt. Ihre Herkunft ist unklar, aber sie sind, soweit bekannt, einzigartig. Man munkelt, dass sie besondere Kräfte wecken können. Es ist wichtig, dass du das geheim hältst. Du darfst dieses Ding nie in der Öffentlichkeit…“

Laute dumpfe Schläge unterbrachen Linda und der Gesichtsausdruck der Gildenmeisterin verzog sich. Für einen Moment machte sie einen erzürnten Eindruck, der schnell wieder verschwand. Die lauten dumpfen Schläge wiederholten sich.

Es war ein wildes lautes Klopfen an der einzigen Zimmertür in diesem Raum. Tina fühlte sich unbehaglich. Das Klopfen hatte den Eindruck, dass gleich jemand in den Raum gestürmt kam.
 

„Alina! Ich sagte dir doch, dass NORMALES Klopfen auch reicht.“ Lindas kurzer Ausbruch erschrak Tina. Sie mochte es nicht, wenn jemand laut wurde.

Zunächst blieb es ruhig, bis ein leises Klopfen zu hören war. Im Anschluss drückte jemand die Türklinke hinunter und die Türe ging zügig nach Innen auf. Die hölzerne Türe knarrte beim Öffnen.

„So besser?“ Erklang eine trotzige Stimme und jemand trat mit schweren Schritten in den Raum. Linda schloss ihre Augen und ihre linke Hand bedeckte ihre Stirn.

„Das ist keine Bestrafung, Alina. Ich sagte nur, dass du nicht beim Klopfen die Türe öffnen solltest, sondern warten solltest bis dich jemand hereinbittet. Das ist nur Höflichkeit, Alina.“

„Aber sonst hörst du mich ja nicht. Das letzte Mal hat es ja auch nicht so funktioniert.“

Linda seufzte erneut, während sie aufstand.

Vor der Gildenmeisterin stand ein jugendliches Mädchen mit verschränkten Armen und in einer angespannten Haltung. Ihr blondes Haar war zu einem Zopf nach hinten gebunden und es reichte ihr bis zur Hüfte. Tina betrachtete sie zunächst neugierig, bis Alina ihren Kopf drehte und Tina anschaute. Es war eher wie ein Starren. Wie das Starren eines Hundes, welcher hinter dem Zaum im Vorgarten wartete, bis der Postbote diesen betrat. Es jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Ist sie das Kratermädchen?“

Demütig schaute Tina auf ihre Hände.

„Hey Alina! Sei freundlicher zu unseren Gästen. Kratermädchen ist eine sehr unhöfliche Bezeichnung. Entschuldige dich!“ Lindas Ton wurde harscher.

„Entschuldige, wenn jedes Wort von mir gleich auf die Goldwaage gelegt wird. Rick hat mir die ganze Zeit von einem Mädchen aus dem Krater erzählt, sorry, dass ich kein Name parat hatte.“

Wieder fasste sich Linda an die Stirn.

„Ich habe jetzt keine Lust darüber zu diskutieren. Es wäre schön, wenn du mal nicht einen Streit anfängst, vor allem nicht vor unseren Gästen.“

„Musst du auch nicht, du hast ja angefangen. Ich wollte nur mitteilen, dass der Auftrag mit der Gärtnerei erledigt ist.“

„Ja…, das ist gut. Dann kann ich nachher Herr Hopfshield anrufen.“

Mir egal…, ich gehe jetzt in die Stadt, ciao.“ Alina drehte sich um und lief durch die Tür nach Draußen. Linda schaute entnervt auf:

„Nein du bleibst hier. Du und Rick werdet Tina helfen. Ich… ach… schon weg. Dieses pubertierende Kind.“ Linda lief zur Tür, sie wollte diese schließen, bis eine junge männliche Stimme erklang:

„Warte warte Linda.“ Tina erinnerte sich. Es war die Stimme des Jungen, der ihr aus dem Krater geholfen hatte. Rick betrat den Raum.

„Na ja, vielleicht ist es auch besser, wenn sie zunächst nichts mit Alina zu tun hat.“

„Ich verstehe auch nicht, warum sie gerade so bockig ist.“ Rick schaute zu Tina und lächelte sie an. Das Mädchen wurde ein wenig nervös. Sie verkrampfte ihre Hände ein wenig. Die Kugel, die sie zuvor in den Händen hielt, hatte Tina unter der Bettdecke versteckt.

„Dein erster Instinkt sie hierher zu bringen war eine gute Entscheidung. Rossya kommt bald. Sie wird ihr sicherlich helfen können. Die Polizei hätte sie sicherlich nach Astera abgeschoben.“

Der Junge sah überrascht auf:

„Rossya, sie kommt bald! Ich dachte, ich hätte das schon erzählt.“ Er wirkte glücklich.

„Cool. Sie wird Tina definitiv helfen können.“
 

Ein lautes Quietschen drang in den Raum. Es war ein unangenehmes Geräusch, als würde Metall über Metall reiben.

„Jetzt geht sie doch weg.“ Seufzen schüttelnd Linda den Kopf. Sie blickte kurz nach unten, bevor die Gildenmeisterin ihre Arme verschränkte. Linda schaute auf:

„Gut, wenn sie heute nichts essen will.“

Rick kratzte sich am Hinterkopf, er machte einen gestressten Gesichtsausdruck.

„Soll ich dann heute die Küchenschicht übernehmen?“

Linda erhob schnell ihren rechten Zeigefinger und deutete auf ihn, dann auf die Tür. Sie formulierte ihre ersten Worte mit energischer Stimme:

„Nein, sonst wird das noch…“ Aber Linda stoppte und nach kurzem Schweigen, nahm sie ihren Finger wieder herunter. Ihr Ton war ruhiger:

„Mit ihrem Trotz wird das so nichts, daher mach‘ das ausnahmsweise, aber markiere dir das im Kalender. Ich möchte nicht, dass du ihre Schichten einfach so übernimmst.“ Der Junge nickte zustimmend, im Anschluss verließ er den Raum.

„Die Tür schließen!“

Ricks Hand erschien und sie zog die Tür hinter sich zu.
 

Die Gildenmeisterin löste ihre Arme, aber ihre Haltung blieb angespannt. Linda wandte sich Tina zu:

„Entschuldige, aber momentan ist es für mich sehr schwer mit ihr klarzukommen, jedoch ist Alina eigentlich ein sehr nettes Mädchen. Sie tut viel für die Gilde. Sie und Rick. Zu dritt halten wir momentan die Gilde irgendwie aufrecht.“

Linda versuchte zu Schmunzeln.
 

Nachdem Rick den Raum verließ zog Tina die orangefarbene Kugel vorsichtig hervor.

Im Moment fühlte sich diese Kugel wie ihr wichtigster Schatz an. Der kurze Moment sich an etwas zu erinnern, auch wenn es noch keinen Sinn machte, ließ sie Hoffnung schöpfen sich wieder erinnern zu können, zumindest irgendwann.

„Bevor Rick mit dem Essen fertig sein wird, haben wir noch Zeit zu reden oder…, wenn du vielleicht etwas wissen willst?“ Linda lockerte ihre verschränkten Arme, inzwischen spielte sie mit einem kleinen goldenen Ring am linken Zeigefinger.

„Ich… ich weiß noch gar nicht, was ich fragen soll. Darf ich aufstehen?“

Linda schaute überrascht auf:

„Aber natürlich und weiß du was, nicht nur, dass du nachher mitisst, sondern was hältst du von der Idee, dass ich dir das Gildenhauptquartier zeige. Ein wenig Bewegung schadet dir übrigens nichts. Wir können dann immer noch reden, falls dir etwas dann eingefallen ist.“

„Ja…, es würde mich freuen.“ Tina hatte auch keine Einwände. Sie war müde, aber ihr war auch bewusst, dass Bewegung helfen wird.

„Prima, dann zeige ich dir zuerst das Bad.“

Während Tina aus dem Bett stieg verwies Linda auf das Badezimmer, welches sich im Flur nur eine Tür weiter befand.
 

Für Tina war der Moment, in der sie sich im Bad frischmachen konnte, eine kleine Art der Befreiung. Das Gesicht im Spiegel verunsicherte sie. Für sie völlig fremd. Tina versuchte dies zu ignorieren, aber es schmerzte sie. Rick oder Linda weitere Sorgen zu bereiten, das wollte Tina aber nicht, deswegen verließ sie das Bad mit einem leichten Lächeln. Linda empfing sie freudig und zeigte ihr im Anschluss das dreistöckige Gebäude, außer das Dach, welches nur ein Lagerraum sein sollte.

Im ersten, zweiten und dritten Stockwerk waren kleinere Wohnräume. Im Erdgeschoss befand sich eine größere Halle. Sie vereinte über die Hälfte des Gebäudes Erdgeschoss und das erste Stockwerk. Eine breite Treppe führte nahe dem Eingang hinauf zu den Wohnräumen in den ersten Stock. Der halboffene Flur im ersten Stock bot einen Überblick über die Halle.

Die Türen nahe der Treppe im Erdgeschoss führten zum Waschraum, zu den Toiletten und zur Küche. In der Halle selbst standen ein längerer Tisch und einige Stühle. Sie wirkten jedoch nicht allzu bequem und nur wahllos in die Halle gestellt. Die Außenwand der Halle zur Straße bestand zum größten Teil aus Glas. Durch die Vielzahl an Pflanzen an den Seitenwänden und die erhellenden Sonnenstrahlen bekam die Halle eine angenehme Atmosphäre. Tina fühlte sich wohl, aber sie bekam das Gefühl nicht los, dass etwas nicht ins Bild passte.

Für die derzeitigen drei Mitglieder war dieses Gebäude viel zu groß. Es bot Platz für mindestens 30 Personen. Tina hatte vorsichtig gefragt, warum das Gebäude so groß war, wenn sie doch nur zu dritt waren, aber Linda war dieser Frage ausgewichen. Die einzige Antwort war, dass dieses Gebäude einer ehemaligen Gilde gehörte, die eine Vielzahl von Mitgliedern hatte.

Abschließend zeigte Linda, die in der Rolle der Touristenführerin aufging, ihr den größeren Garten im Hinterhof.

Liegestühle und Sonnenschirme waren dort aufgestellt. Rund herum waren mehrere Beete angelegt worden. Allerlei Gemüse wurde angepflanzt. Ein größerer Teich war im entfernteren Teil des Gartens zu erkennen.

„Wow…“ Gab Tina beeindruckt von sich. Ihr gefiel die bunte Vielfalt. Der Garten wirkte sehr gepflegt und geordnet.

„Darauf bin ich auch sehr stolz. Der Garten ist mein Revier. Alles hier habe ich selbst angepflanzt und ich kümmere mich auch darum.“

„Der ist wirklich schön und so groß. Bestimmt viel Arbeit?“

„Gurrrllb.“ Ein eigenartiges Geräusch schütterte Tina ein. Nervös sah das Mädchen zur Seite. Sie konnte das Geräusch nicht orten. Linda dagegen wirkte unverändert.

„Gurrrlb.“

Linda schien es nicht zu bemerken, deswegen versuchte Tina dies ebenfalls zu ignorieren.

„Gurrrlb.“ Dieses Mal war es lauter.

„Ist etwas? Du schaust so nervös.“

„Ich höre ein komisches Geräusch. Ich weiß nicht was es ist.“

„Gurrrlb.“

„Ach so…“ Linda lachte erfreut, dann verwies sie zum Teich.

„Du hast wahrscheinlich die hier gehört?“ Linda ging zum Teich. Etwas zögernd, aber dennoch neugierig, folgte Tina der Frau.

Auf dem Teich entdeckte sie ein paar Seerosen und blaue schwammige Objekte, die zwischen diesen in langsamen Bewegungen schwammen. Erst als Tina genauer hinsah, konnte sie diese Objekte als Lebewesen identifizieren. Blaue quallenartige Lebewesen dessen Körper zur Hälfte unter Wasser waren. Augen, Mund oder ähnliches konnte sie nicht wirklich erkennen. So etwas hatte sie noch nie gesehen.

„Ich weiß nicht wie die heißen, aber diese Wesen waren eines Tages hier. Ich beobachte sie zwar ständig, aber ich werde nicht schlau aus denen. Zumindest schaden sie niemanden und sie beleben den Garten irgendwie und das genügt mir, nicht so wie die Möwen.“ Linda blickte kurz in den Himmel. Tina war versucht dies auch zu tun, aber sie erkannte nichts, außer den blauen wolkenfreien Himmel und die wohlfühlenden Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Es gefiel ihr.

„Gurrrlb“ Eines der Kreaturen tauchte in dem Moment ab und wenige Sekunden später wieder auf. Tina konnte nicht feststellen, ob die Kreatur irgendwen beobachtet oder ziellos vor sich hintrieb.

Linda streckte ihre Hand aus und ihre Fingerspitzen berührten die Oberfläche des Wassers. Die quallenartige Kreaturen reagierten sofort. Sie näherten sich in kaulquappenähnlichen Bewegungen der Hand. Mit ihrer geleeartigen Oberfläche stupsten sie Lindas Hand an.

„Ich weiß nicht, ob das eine Abwehrreaktion ist oder eine Begrüßung. Bei Alina machen die das auch, aber bei Rick nicht immer. Wir haben noch nicht raus welche Faktoren dafür verantwortlich sind, aber sie tun niemanden weh. Ich mag sie, sie sehen niedlich aus.“ Linda zog ihre Hand heraus und sie streifte ihre nassen Finger an der Hose ab.

Unsicher, aber dennoch neugierig, streckte Tina ihre Hand aus. Mit ihrem rechten Zeigefinger berührte sie die kalte Oberfläche des Wassers.

Es passierte nichts. Die Kreaturen schwammen weiterhin ziellos durch den Teich oder für ein paar Sekunden unter. Sie schienen Tina gar nicht zu bemerken. Keinerlei Reaktion.

Ein wenig enttäuscht zog Tina ihre Hand zurück.

„Gurrrlb“ Wieder tauchte einer der Kreaturen ab.

„Ach… mach‘ dir nichts draus. Bei Rick kommt das ab und zu auch vor.“ Linda lächelte und sie legte ihre linke Hand kurz auf die rechte Schulter um Tina.

„Vielleicht wenn du öfters vorbeikommst, dann akzeptieren sie dich auch.“ Sie wandte sich dem Hauptquartier zu. Tina beobachtete noch einen Moment die quallenartigen Kreaturen.
 

„Gut…, dann lass uns reingehen. Rick ist bestimmt schon fertig.“

Linda trat zuerst zur Tür, durch den die beiden in den Garten gelangt waren. Rechts daneben war ein vergittertes Doppelfenster. Wegen den Vorhängen war die Sicht versperrt. Ein leichter Schemen war zu erkennen, wie dieser an einer Stelle stand und etwas mit seinen Händen machte.

Linda drehte sich um. Sie machte den Eindruck, als wäre ihr etwas eingefallen:

„Geh du schon mal rein, ich muss kurz telefonieren.“

Tina betrachtete die Tür hinter ihr und nickte zustimmend. Zögerlich streckte sie ihre Hand aus. Die Oberfläche der Klinke war eiskalt.
 

Die Klinke ließ sich nicht drücken. Auch nicht ziehen oder irgendwie bewegen. Tina betrachtete entmutigt ihre Handfläche. War sie so schwach geworden? Linda hatte die Tür zuvor problemlos geöffnet.

„Seltsam? Normalerweise…“ Linda wirkte überrascht.

Tina zog ihre Hand zurück:

„Es tut mir leid.“

„Ach…, es ist doch nicht deine Schuld. Vielleicht ist es kaputt?“ Linda legte ihre Hand auf die Klinke.
 

Es passierte nichts.

Der Gesichtsausdruck von Linda wurde ernster:

„Es ist weg.“ Sie klopfte energetisch an der metallischen Tür und ein paar Minuten später öffnete Rick diese von innen. Der Junge hatte einen verwunderten Gesichtsausdruck. Nachdenklich schaute er sich die Tür an.

„Die Tür…, die hat gerade nicht auf mich reagiert. Ich musste den Riegel von Hand verschieben.“

„Wir konnten sie auch nicht öffnen. Hat… da jemand herumgespielt? Hast du jemanden gesehen?“ Linda suchte die Tür ab.

„Nichts was mir bekannt wäre. Ich habe vorher die Pflanzen gegossen, da funktionierte das noch einwandfrei und ihr seid wenig später nach Draußen gegangen, aber ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung von so etwas. Kann gut sein, dass es kaputt ist.“ Der Junge kratzte sich am Hinterkopf.

„Und das Essen ist übrigens vorbereitet.“ Als Rick das Essen erwähnte, bemerkte Tina den Duft von warmem Essen in der Luft. Sie bekam Hunger.

„Ja…, lass uns das nachher klären. Ich kümmere mich darum.“ Linda wirkte skeptisch, als sie einen letzten Blick auf die Tür warf.

Die drei gingen anschließend in die Halle und dann in die Küche.
 

In der Küche war ein zwei auf zwei Meter großer Tisch gedeckt worden.

„Wow…“ Tina war überrascht, wie köstlich die Gerichte vor ihr aussahen. Vor ihr auf dem Tisch waren zwei Töpfe aufgestellt worden. In dem ersten befand sich gebratenes Gemüse. Geschnitten und gewürzt mit etwas, was sie nicht kannte. Eingelegt in einer durchsichtigen Soße. In dem anderen Topf befand sich eine Suppe, aus der Kartoffelstücke und Fleisch ragte. Die Namen von Gerichten, die ihr bei diesen Anblicken einfielen, überraschten sie. Der Duft des Essens wirkte vertraut und stimmte sie fröhlich.

„Komm setz dich.“ Bot Linda ihr den Platz vor sich an.

„Oh… vielen Dank.“ Überwältigt von der Freundlichkeit der beiden, setzte sie sich demütig an den Platz.

„Ja… ich verstehe. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Ess‘ so viel du willst. Du brauchst jetzt etwas im Magen, du warst völlig erschöpft.“ Wieder präsentierte die Gildenmeisterin ihr sympathisches Lächeln.

„Ja.“ Tina nickte zustimmend. Langsam überreichte sie den Teller Rick, der diesen mit Essen füllte.

„Du scheinst dich ja richtig zu freuen. Es freut mich, wenn meine gekochten Versuche, bei Leuten den Appetit anregt. Ich bin noch in der Übung.“

„Handle dich nicht unter Wert, Rick. Du hast doch sonst immer viel Selbstvertrauen. Bescheidenheit ist höflich, aber auch das Maß muss richtig angewandt werden.“ Linda füllte ebenfalls ihren Teller.

„Ja…, stimmt schon Linda.“ Rick blickte wieder zu Tina:

„Halte dich nicht zurück. Ich habe genügend gemacht und falls es dir nicht schmeckt, dass sag es ruhig.“

„Danke euch…, ihr seid wirklich nett zu mir.“ Tina versuchte sich zusammenzureißen, um das glückliche Gefühl in ihr, freien Lauf zu lassen. Es brachte ihr Tränen an den Augenwinkeln, die sie verlegen wegstrich.

„Tina! Ich verspreche dir, ich werde dir helfen dich wieder an alles zu erinnern. Die Ranger Guild löst jedes Problem und solange bist du herzlich willkommen. Ach was…, du bist danach noch herzlich Willkommen.“

„Große Worte, Rick. Also du weißt ja, Versprechen werden nicht gebrochen!“ Linda blickte Rick ermahnend an, bevor sie sich wieder ihrem Essen widmete.

„Habe ich schon je meine Versprechen gebrochen?“

„Nein, aber genug jetzt. Jetzt wird gegessen, bevor es kalt wird. Reden können wir danach zu genüge.“ Während dem Essen und der nachfolgenden Unterhaltung vergaß Tina all ihre negativen Gedanken und deprimierende Gefühle.

Das Erwachen VI --- Der Mann in Weiß

[Illan]
 

Ein lautes metallischen Scheppern hallte durch die Gasse. Die Ursache war die umgeworfene Mülltonne.

‚Er macht das schon wieder. Keine Selbstbeherrschung.‘ Illan wandte sich vom Geschehen ab. Ein wenig nervös blickte er zu den Enden der Gassen, um zu schauen, ob das jemand mitbekommen hatte. Mit Sicherheit hatte das jemand mitbekommen.

Ein lautes Ätzen folgte dem Krach hinter Illan. Die Ursache war ein breitgebauter kahlköpfiger Mann mit einer schwarzen Baseballkappe und eingehüllt in einer schweren schwarzen Jacke, der ein arroganter Idiot war und ein Arbeitskollege von Illan. Im Moment hatte er einen Junkie im Griff, den er an eine Ziegelwand drückte. Das Ätzen wurde lauter.

„Wir hatten einen Deal, klar?“

„Arr… aber… ich… doch“

„Verstehst du mich nicht? Ich hatte dir das deutlich erklärt!“

„Aber… arrrr“

Illan ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Zu gern würde er Grombar zeigen was er davon hielt hier eine Szene zu machen, nur weil der Junkie zu wenig Geld dabeihatte. Es war nur ein Machtspiel von Grombar um zu zeigen, dass er der Boss der Dealer war. Diese Spielchen nervten Illan, weil es die Aufträge gefährdete. Die Befürchtung war, dass es Leute anlockte, mit denen sie im Moment, nichts zu tun haben wollten.

„Arrghh…“

„DEUTLICH ERKLÄRT!“ Der Hüne drückte den Junkie stärker an die Wand.

‚Grombar hat mit Sicherheit dem Typen nichts erklärt gehabt, sondern wieder nur denselben Scheiß abgezogen. Wenn die Polizei mitbekommt, dass hier Tulbrip vertickt wird, dann wären die rechtlichen Konsequenzen das kleinere Problem.‘

„Mr. S killt uns beide, wenn du hier weiter für Aufsehen sorgst und wird deswegen entdeckt werden.“ Grombar schien die Warnung von Illan zu ignorieren. Grimmig starrte er weiter sein Opfer an.

Herr Kero Sozowanik oder wie er sich gerne vorstellt Mr. S, war Illans Boss. Für die beiden der mächtigste Mann der Insel und der Besitzer der östlichen Bereiche dieser Insel. Ein gefährlicher Zeitgenosse.

‚Klar, dass der Boss ihn zum Torbewachen abgestellt hatte. Zu mehr ist der sowieso nicht fähig.‘

„Argh…“ Mit Kraft drückte Illans Grombar den Junkie an die gegenüberliegende Häuserwand.

„Wo ist also das Geld, hä?“ Seine laute brummende Stimme hallte durch die Gasse.

In Illan stieg weiter Wut auf. Mr. S würde kein Pardon kennen, sollten die beiden nicht einmal fähig zu sein einfach nur zu warten, ohne aufzufallen.

„Verdammt nochmal, du siehst doch, dass er überfordert ist. Vielleicht lässt du ihn runter und fragst ihn dann, ohne zu brüllen.“

Vorbeilaufende Passanten hatten die Szenerie schon längst bemerkt, sie starrten einen Moment in die Gasse, bevor sie weitergingen. Grombar ließ los und der Mann sackte zu Boden. Röchelnd raffte sich dieser wieder auf.

„Arr… ich… habe… doch das Geld dabei.“

„Es ist dir doch klar, dass ich sagte, dass ich jedes Mal 10% mehr haben will. Das Zeug wächst schließlich nicht auf Bäumen.“

‚In gewisser Weise schon, aber Grombar dieser gierige Raffzahn.‘

„Ja… arr… bitte… ich… kann noch Geld...“

„Ja genau! NOCH MEHR GELD! Wenn du bis morgen das Geld nicht beschaffst, komme ich bei dir persönlich vorbei.“ Grombar zertrümmerte mit seiner rechten Faust einer der Ziegelsteine in der Häuserwand neben dem Junkie. Es hatte einen lauten dumpfen Knall verursacht, den Illan weiter erzürnen ließ.

„Woaaahhh.“ Der Junkie zuckte zusammen. Er zitterte.

‚Grombar kapiert das einfach nicht! Kein Respekt von Mr. S. Befehlen.‘

„Ah… ich…“

„Gut…, du hast wohl verstanden, dann sage ich dir, dass du genau einen Tag Zeit hast, sonst zertrümmere ich dich mit samt deinen ganzen Besitz…, du weißt ja als Exempel.“ Grinste Grombar überlegen, während er weiter auf den Junkie herabblickte. Mit Sicherheit war ihm dieses Mal auch nicht sicher, was er genau damit ausdrücken wollte. Der Hüne liebte es einfach große Töne zu spucken.

„Ah… alles klar.“

Panisch rannte der Mann aus der Gasse hinaus, dabei stieß er ein paar Mülltonnen um, die scheppernd auf den Boden aufkamen. Illan hatte schon längst aufgegeben, dass diese Warterei unbemerkt blieb.

Grombar fing an das erhaltene Geld zu zählen, daraufhin steckte er es zufrieden unter seine schwarze Lederjacke.

„Und du hältst nächstes Mal die Klappe, ja? Oder ich sorge dafür.“ Mürrisch blickte er zu Illan. Die beiden waren keine Freunde.
 

Mr. S hatte angekündigt sich heute mit dem Bürgermeister zu treffen. Er würde kurz nach Mittag von seiner Geschäftsreise zurückkehren und in der Hauptstraße vor dem Rathaus auftauchen. Grombar und Illan, zwei der sechs Angestellten sollten in der Nähe warten.

‚Es sollte bald soweit sein, die Dämmerung beginnt schon.‘ Es war die Lieblingstageszeit seines Bosses.

Teile, des zerbrochenen Ziegelsteins, fielen heraus und prallten auf die umgeworfene Tonne. Jeder Knall war für den Angestellten eine Qual. Sie waren der Beweis für die Unfähigkeit seines Kollegen.

„Musstest du eigentlich unbedingt heute wieder so eskalieren? Der Boss tötet uns beide, wenn die Polizei uns erwischt. Die haben bestimmte auch schon kapiert, dass das Zeug immer wieder von jemanden in der Stadt vertickt wird.“ Tulbrip war zumindest in dieser Gegend die meistverbreitete Droge. Eine Droge, die für wenige Minuten die Sinne erweitert und sämtliche deprimierende Gefühle von einen nimmt, aber so wie alle Drogen, zerstört es den Körper, zuerst jedoch den Verstand und lässt Leute wahnsinnig werden.

„Sag mir noch einmal was ich tun soll und ich töte dich“

Durch ignorante Drohung seines Kollegen wurde Illan zornig. Es hasste es mit Leuten zu reden, die überhaupt nicht fähig waren eine sinnvolle Konversation zu führen oder immer für Chaos sorgten.

„Bevor du nicht kapierst, wie man sich unterhält, wirst du…“ Grombar blickte ihn nicht an, aber er ließ seinen Nacken knacken. Er machte das immer, wenn er bereit war für einen Angriff. Illan interessierte das nicht, er hatte keine Angst vor dem Hünen:

„…das irgendwann mal am eigenen Leib spüren. Das letzte Mal wollte er dir schon die Kehle rausreißen, weil er das mit den Drogen herausgefunden hat. Er hatte deine Unachtsamkeit kritisiert und dir das letzte Mal Gnade erwiesen.“ Bedrohlich stellte sich Grombar vor dem zwei Kopf kleineren jungen Mann auf. Für einen Moment blieb er still, bis sich sein rechter muskulöser Arm erhob und seine rechte Hand Illan seitlich gegen den Kopf treffen sollte, aber der junge Mann wich rechtzeitig zurück.

„Wir sind die Könige auf dieser verdammten Insel. Was will denn hier jemand tun? Wenn unser Boss schnippt, dann verschwindet diese Stadt von der Wildfläche. Er braucht also keine Angst vor irgendeiner dummen Polizei haben.“

Illan seufzte energisch.

„Du bist so ein Idiot. Du checkst einfach nichts.“ Blitzschnell schnellte auf Illans‘ Gesicht eine große Faust zu. In letzter Sekunde wich dieser zur Seite aus. Durch den Schwung stolperte Grombar nach vorn. Der Zorn, der dabei in ihn aufflammte, ließ ihn lautstark knurren.

Bevor einer der beiden weiter auf den fehlgeschlagenen Angriff reagierte, durchzog eine eisige Atmosphäre die Gasse. Illan erkannte die Ursache sofort, die ihm im Moment einen Schauder über den Rücken jagte.

Nur eine Ursache, mit der er öfters zu tun hatte, strahlte unterbewusst eine so machtvolle und beängstigende Präsenz aus. Er musste dabei nicht einmal im Blickfeld sein, seine Nähe reichte dabei völlig aus.

‚Er ist da.‘
 

Grombar und Illan liefen aus der Gasse auf die Hauptstraße. Sie schauten in die gegenüberliegende Richtung vom Rathaus, nach Osten in Richtung des Waldes. In einige Metern entfernt, konnte der junge Mann seinen Boss erkennen.

Strahlend weiße Kleidung, ein weißer Hut, der ihn vor der Sonne schützte. Der Mantel so lang, dass dieser beinahe den Boden streifte. Die schwarzen Schuhe makellos, die Oberseite glänzte im Sonnenlicht. Die Hände verborgen unter dem Mantel. Seine Bewegungen waren langsam und bedacht. Der Gesichtsausdruck geheimnisvoll. Würde Illan nicht für ihn arbeiten, hätte er jetzt das Weite gesucht. Jeder, der mit dieser Art von Präsenz umzugehen weiß, würde sofort den Platz verlassen, denn seine Mordlust unterdrückte er nicht.

Schweißperlen liefen dem jungen Mann den Nacken hinab, auch wenn er das schon gewohnt war. Es war eine Eigenheit seines Körpers, die er nur schwer unterdrücke konnte. Sein Kollege dagegen wirkte unbeeindruckt, zwar ehrfürchtig, aber nicht eingeschüchtert. Für einen neutralen Betrachter wirkte Grombar gegenüber dieser einschüchterten Präsenz unbeeindruckt.

Die Stadtbewohner um Mr. S herum schienen diese aber nicht zu bemerken. Seelenruhig ignorierten sie den Mann in Weiß und setzten ihren Alltag fort. Vereinzelt warf ein Bewohner auf diese unnatürliche Bekleidung, aber mit einem kurzen mürrischen oder skeptischen Blick war dies wohl dann erledigt. Für Illan waren das glückliche Unwissende. Sie würden nicht neben diesem Mann spazieren gehen und ihn dabei nicht ein einziges Mal ehrfürchtig ansehen.
 

Die beiden Untergebenen machten ihrem Boss Platz, während er ohne anzuhalten an den beiden vorbeischritt.

„Hue Teweb.“ Die tiefe Stimme seines Chefs hallte Illan an das Ohr. In einer Sprache, die nicht mehr auf dieser Insel gesprochen wurde. Eine alte und kryptische Sprache. Jeder Angestellte musste sie verstehen lernen, denn der Boss sprach oft in dieser, ohne Rücksicht auf andere.

Für Illan hatte es mehrere Monate gedauert, bis er diese Sprache teilweise verstand. Er musste sie sich selbst beibringen oder von anderen Angestellten lernen.

Schweigend befolgten die beiden den Befehl. Sie schritten zu dritt zum Vorplatz des Rathauses.

Mr. S blieb stehen, als sie ihr Ziel erreichten. Seine Untergebenen taten dies auch.

Vor dem Eingang des Rathauses stand ein älterer Mann in einem gepflegten Anzug und einem zuversichtlichen Schmunzeln. Er schien die drei zu erwarten.

Illan erkannte ihn. In seiner Tätigkeit als Wachpersonal hatte er diesen Mann schon mehrmals unerlaubt im östlichen Teil der Insel herumstreunen sehen. Meistens aber am selben Fleck. Illan hatte das seinem Boss berichtet, aber dieser meinte, dass es in Ordnung sei.

‚Vermutlich, weil er eine wichtige Persönlichkeit in dieser Stadt ist.‘ Illan begutachtete den Kerl, aber an ihm war nichts besonders.

Mr. S unterhielt sich mit ihm, aber nur kurze knappe Sätze fielen. Illan war desinteressiert an dem Gespräch, deshalb beobachtete er die Umgebung. Es war nichts Auffälliges zu entdecken. Grombar starrte währenddessen die Stadtbewohner an, die den Platz kreuzten. Er verschränkte seine Arme und der Mann schnitt angsteinflößende Grimassen. Die Bewohner fingen an einen Bogen um die drei zu laufen. Grombar schien dabei seine einschüchternde Aura zu genießen.

‚Ein weiterer Grund warum er nicht mehr als das Tor bewachen darf.‘
 

Die Sonne strahle weiterhin unentwegt auf den Platz herab.

Illan bemerkte wie sein Kollege langsam anfing zu schwitzen und blasser zu werden. Er war nun mal nicht mehr so resistent wie Illan.

‚Selber schuld. Da hätte er daran denken können.‘

„Warm…, stehen wir hier noch eine Weile? Es ist ein bisschen nervig hier.“ Fragte Grombar ungeduldig, er strich sich mit seinem rechten Arm den Schweiß von der Stirn. Der Holzkopf merkte nicht einmal, dass ihn der Boss bestrafend anblickte. Die rote Pupillen fixierten den Hünen an. Illan spürte, dass die Aura von seinem Boss belastend wurde und ihn lieber davontreiben ließ. Nervös blieb er standhaft.

‚Grombar du Idiot! Niemals etwas vom Boss fordern…‘

Grombar hatte erst wenig später bemerkte, dass er Mr. S angestarrt wurde. In dem Moment, als sich die Blicke trafen, nahm die Schwere in der Luft zu. Plötzlich war es schwer zu atmen oder gar auf den Beinen zu bleiben. Der dürre Mann im Anzug nahe Mr. S ging ein paar Schritte zurück und ein nervöses Lächeln zierte sein Gesicht. Illan musste gegen den Druck ankämpfen, um nicht auf die Knie zu fallen.

„Ahhhh, tut mir leid Boss…, tut mir leid…, kommt nicht wieder vor, wirklich… versprochen!“ Der temperamentvolle und arrogante Hüne wirkte nicht mehr so selbstsicher. Nervös wich er nach hinten.

Die Aura verschwand und das beklemmende Gefühl löste sich. Illan schnaufte leise.

‚Deshalb… nie etwas tun was ihn erzürnt.‘ Hätte er gern Grombar an den Kopf geworfen.

„Verstanden, Boss.“ Grombar lief zur Hauswand des Rathauses und hielt sich dort im Schatten. Illan hatte nicht mitbekommen, was sein Boss noch zu ihm gesagt hatte. Jedoch wirkte der Hüne nun erleichtert. Seine Hände blieben jedoch noch verkrampft. Grombar hatte wohl deutlich gespürt, dass Mr. S kurz davor gewesen war zu töten. Selbst jetzt, selbst an diesem Ort.

„Herr Sozowanik, der Herr Bürgermeister erwartet Sie in seinem Büro.“ Der ältere Mann im Anzug sprach wieder lauter. Seine zitternde Stimme hatte der Mann schnell wieder im Griff. Erstaunlich ruhig blieb er für einen Außenstehenden, der diese gewaltige Mordlust zu spüren bekommen hatte, auch wenn er nicht das Ziel gewesen war. Das Lächeln wirkte dabei jedoch unecht.

„Folgt den Gang, nehmt die Treppe links und geht in den ersten Stock. Folgt dann den Gang nach rechts. Die letzte Türe ist die richtige.“ Der Mann verwies mit seiner linken Hand zur Eingangstüre. Mr. S trat wortlos an ihm vorbei. Sein Blick auf den Weg vor sich fixiert. Illan folgte ihm schweigend.

„Rei Tetraw Ud.“ Grombar nickte ehrfurchtsvoll und mit entschlossenem Blick beobachtete er den Platz. Die Schweißtropfen, die sich von ihm perlten, konnte er nicht überspielen.

Illan öffnete die Eingangstür und ließ seinen Chef eintreten. Wortlos zog dieser in den Gang.
 

Zwar entsprach das Rathaus der Größe des Anwesens von Mr. S, aber von dem Ambiente und der Darstellung von prachtvollen Gütern, wirkte dieses Gebäude langweilig und inspirationslos. Sowohl der lange schmale Gang im Erdgeschoss, der geradeaus bis zum anderen Ende des Gebäude führte und rechts und links Türen zu verschiedenen Ämter bot, als auch der darüberliegende Flur, der zur Versammlungsräume oder Büros führte, wurden nur schlicht gestaltet. Ein roter Teppich auf dem Boden, nichts an den Wänden, nicht einmal Pflanzen schmückten den Anblick. Es war durch und durch ein Arbeitsgebäude.

Zielstrebig bewegte Mr. S sich zum Büro des Bürgermeisters fort. Er tat dies auch in seinem Anwesen. Es erweckte immer den Eindruck, als hätte dieser Mann alles unter Kontrolle. Illan folgte ihm schweigend. Den beiden begegnete keine Person auf den Gängen. Das Rathaus wirkte geruhsam. Für Illan eine angenehme Atmosphäre.

Die Türen zum Büro des Bürgermeisters standen offen. Der Durchgang führte in einen größeren Raum dahinter. Zur rechten Seite stand ein großer hölzerner Schreibtisch vor einer größeren Fensterfront. Ein großer schlanker Mann erhob sich aus einem schwarzen Lederstuhl. Ebenfalls trug dieser einen schwarzen Anzug, jedoch kombiniert mit einer roten Krawatte und einer goldenen Kette um den Hals. Seine schwarze Frisur war nach hinten gekämpft und es glänzte im Licht der Abendsonne, die durch das Fenster hinter ihm den Raum erstrahlen ließ. Mit einem zufriedenen Schmunzeln schien dieser Mann die Gäste zu erwarten.

„Herr Karstoll Lehm, der Bürgermeister von dieser Stadt.“ Der ältere Mann von zuvor, war den beiden gefolgt und verneigte sich ehrfürchtig vor dem Bürgermeister. Anschließend schloss der ältere Mann die Doppeltür hinter sich, während er zurück auf den Gang lief.

Während Mr. S zum Bürgermeister schritt, begutachtete Illan den Raum.

An der Wand hingen verschiedene Portrait von Personen, die Illan teilweise schon einmal gesehen hatte. Das äußerte von rechts zeigte den aktuellen Bürgermeister. Das Bild glich dem Mann, der vor Sozowanik stand. Die nachfolgenden Portraits zeigte ältere Herrschaften, die teilweise seine Vorgänger waren. Es verwunderte den jungen Mann nicht, dass die letzten drei Bürgermeister den Nachnamen Lehm trugen.

‚Als würden sie ihre Macht an einen Fremden abgeben wollen. Die Stadt ist durch und durch schlecht.‘

Der Bürgermeister räusperte sich.

„Hoch erfreut Herr Sozowanik oder darf ich sie Mr. S nennen.“ Der Mann machte eine kurze Pause, aber er bemerkte wohl schnell, dass sein Gegenüber keine sehr gesprächige Person war:

„Vergessen Sie meine törichte Bitte. Es erfreut mich sehr, dass Sie heute Zeit gefunden haben vorbeizukommen und das sogar zu einer so frühen Stunde.“ Der Abend brach an und die Sonne verschwand am Horizont.

Der Bürgermeister schmunzelte. Der Mann schien keine Furcht zu zeigen, auch wenn dies seine Worte so kommunizieren sollten.

‚Diese Lügner sind alle gleich.‘
 

„Verschwendet nicht meine Zeit. Wo sind die Kristalle?“ Die tiefe bedrohliche Stimme fegte durch den Raum und ließ den Bürgermeister für wenige Sekunden verstummen.

Der Mann nickte anschließend, ohne demütig zu wirken, dann wandte er sich zu einem hölzernen Schrank, der neben seinem Bürotisch stand. Er öffnete diesen, dahinter war ein Safe zu erkennen. Er schien etwas auf einem Display einzutippen und die schwere metallische Tür, des zwei Meter hohen Safes, öffnete sich. Der Mann holte eine metallische Truhe heraus und stellte diese vorsichtig vor dem Schreibtisch auf dem Boden. Zwei Zahlenschlösser mussten geöffnet werden, dann konnte der Deckel aufgeklappt werden. Darin lag in Schaumstoff eingehüllt ein weißer und ein grauer Kristall. Vorsichtig hob der Bürgermeister die Kristalle mit seinen Händen in die Luft. Er überreichte diese Mr. S.

Illan konnte einen kurzen Blick darauf werfen. Von diesen Objekten hatte der junge Mann schon etwas gehört, aber nie welche gesehen. Wie sollte das auch passieren, wenn er doch nie die Insel verlassen durfte. Beide Kristalle hatten eine längliche zylindrische Form, an den Enden verliefen sie zu Spitzen, und besaßen dieselbe Beschaffenheit. Sie wirkten ein wenig matt, dennoch fiel das Licht zum Teil hindurch. Im Inneren der Kristalle schien etwas zu sein, jedoch konnte Illan nicht erkennen was es war.

„Bisher wurde noch kein Träger gefunden, aber ich versichere Ihnen, dass diese Exemplare echter Natur sind.“

‚Das zu versuchen wäre auch eine törichte Idee.‘ Illan wurde nervös. Er hoffte, dass dieser Mann die Wahrheit sagte. Er beobachtete den Bürgermeister genau. Er vertraute ihm nicht, denn Karstoll war ein boshafter Mensch, der von nachtragender Natur war. Auch wenn es schon Jahre her war, so würde dieser Mann mit Sicherheit nie verzeihen, was damals passierte.

„Dein Teil des Handels ist erfüllt.“ Illan atmete innerlich erleichtert auf. Scheinbar hatte Karstoll die Wahrheit gesagt.

Der Bürgermeister nickte zufrieden und er legte die Kristalle zurück in den Koffer und schloss diesen ab. Die Hände ineinandergelegt wandte er sich wieder seinem Geschäftspartner zu:

„Dann kommen wir zu meinem Wunsch. Es gibt da etwas in Ihrem Besitz, was ich gerne hätte. Ich möchte mit Ihnen die vertraglichen Angelegenheiten klären und zusätzlich biete ich Ihnen noch einen weiteren Vorteil an, sozusagen als Zeichnen unserer guten Geschäftsbeziehungen.“ Er verstummte und sein Blick harrte für einen Moment auf Illan.

„Suar Heg!“ Die tiefe Stimme von Illans Boss hallte durch den Raum. Der junge Mann verstand sofort. Er verließ zügig den Raum.

‚Alles nur für ein Stückchen Land? Ich schätze nicht, dass es hier einfach nur um Besitz an sich geht. Um was könnte es sich in Wirklichkeit handeln?‘ Illan blieb misstrauisch, er konnte seine Zweifel jedoch noch nicht begründen.
 

Als der junge Mann in den Gang getreten war, bemerkte er im Augenwinkel, bei den Treppen, dass der ältere Herr von zuvor mit einer anderen fremden Person diese hinunterstieg. Der ältere Mann hielt dabei der fremden Person, die vor ihm die Stufen der Treppe hinabstieg, eine Schusswaffe in den Rücken.

‚Also doch nicht alles so lupenrein, wie es hier den Anschein macht. Ich habe es doch gewusst!‘

Illans Interesse wurde geweckt.

Das Erwachen VII --- Die Neugierde

[Walerij]
 

Er blickte auf seine Armbanduhr.

‚Noch eine Stunde, dann machen die meisten Feierabend.‘ Der Journalist lief ziellos durch die Stadt. Er versuchte die Zeit bis zum Abend verstreichen zu lassen, aber die letzten Stunden fühlten sich zäh und unangenehm an. Ein wenig nervös war er schon, immerhin durfte bei seinem Plan nichts schief laufen.

Am Morgen hatte er Informationen gesammelt und das Rathaus ausgespäht. Sein Ziel war das Büro des Bürgermeisters. Er musste in das Büro kommen und dort nach Unterlagen suchen, die endlich bewiesen was sich auf dieser verdammten Insel abspielte. Eine Alternativmöglichkeit war das Anbringen einer Wanze, um mögliche geheimen Absprachen mitanzuhören und aufzunehmen.

Das Verschwinden der Leute musste endlich aufgeklärt werden. Kollegen, mit denen er zu tun hatte, seien das letzte Mal hier gesehen worden und dann für immer verschwunden sind. Niemand suchte nach ihnen. Alle Ermittlungen führten zu dem Ergebnis, dass diese angeblich abgereist waren.

‚Lüge!‘ Zornig verkrampfte er seine Hände, während er hasserfüllt das Rathaus in der Ferne anstarrte. Seine Behauptung stützte er auf ein Telefonat mit einer engvertrauten Kollegin. Vor knapp zwei Jahren erzählte sie ihm, dass es hier auf dieser Insel ein Geheimnis gibt, warum so viele Menschen in einem Zeitraum von ein paar Jahr vermehrt verschwanden. Sie hatte noch nichts genaueres, aber sie würde mit Sicherheit aufdecken, was auch immer dahintersteckte.

Schon damals wusste Walerij, dass das böse enden würde. Er wollte diese Gedanken nur nicht wahrhaben. Wochenlang hatte er auf den nächsten Anruf gewartet und auch er selbst hatte es mehrmals probiert. Da sie eine freie Journalistin war, gab es keine Firma die dahinterstand. Walerij machte sich Vorwürfe. Er hätte direkt zu ihr reisen sollen.

Walerij wurde zornig bei dem Gedanken, dass die Leute aus dem Rathaus nichts dagegen taten. Er war auch zornig auf die Bewohner, die dies wohl einfach hinnahmen. Mit Sicherheit wusste jeder auf der Insel Bescheid. Diese mafiösen Strukturen kotzten ihn an.

‚Konzentration.‘ Er versuchte sich zu konzentrieren, indem er sich eine Zigarette anmachte. Heute durfte nichts ablenken, sonst würde er mit Sicherheit genauso verschwinden. Er hatte das im Blut. Er befand sich in Feindessterritorium.

Walerijs Plan in das Rathaus zu kommen, war der Einstieg durch eines der Fenster. Auf der Nordseite des Rathauses war ein kleiner Garten mit einem großen Baum. Ein verschlossenes eisernes Gittertor bot einen guten Überblick über den Garten. Einer der Äste des Baumes ragte nah zur Wand, zudem erschwerte die dicht bewachsene Baumkrone die Sicht von außen. Die größte Schwierigkeit war in den Garten zu kommen. Eine hohe Mauer sperrte diese vor der Öffentlichkeit ab. Walerij hatte dafür auch schon eine Lösung, denn ein Teil der Mauer war nur durch eine schmale Gasse zwischen zwei Häuser erreichbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde dort keiner Walerij zuschauen, wie dieser versuchte darüber zu klettern. Nach Kameras musste er dennoch Ausschau halten, aber es schien nicht zu sein, als wären allzu viele in dieser Stadt installiert. Das Geld wurde mit Sicherheit eher in irgendwelche Taschen gesteckt.
 

„Hach… Kinderspiel.“ Hörte Walerij sagen. Es kam aus der Nähe eines Supermarkts. Er sah zur Seite. Drei Jugendliche saßen vor einem versperrten Tor. Der Platz davor wirkte wie die Einladezone des Supermarkts dahinter. Ein großes drehendes Schild auf dem Gebäude verwies auf den Supermarkt.

Einer der drei, ein etwas dickerer junger Mann, überreichte seinem Gegenüber, der kleiner war, einen Riegel. Sein Gegenüber fuchtelte wild mit seiner Faust in die Luft. Er schien sich übermäßig darüber zu freuen.

„Ey, du hast die Alte eiskalt über den Tisch gezogen. Klasse Mann.“

Der dritte, der abseits der beiden stand, ein großer schmaler Junge, blickte finster in Richtung Walerij. Der Junge kratzte sich nervös am Hinterkopf.

„Und was machen wir jetzt mit den Schulden? Rasgor wird doch sicherlich heute Abend wieder Stress machen?“ Der kleinere der drei fuchtelte dabei wild mit seinem Riegel umher, bevor er in den Riegel biss und große Teile auf einmal verschlang.

Der dickliche junge Mann vor ihm griff unter seine Jacke und zog ein paar wenige Scheine hervor:

„Der Laden hatte nicht viel, wir müssen uns noch was anderes überlegen, aber ich habe einen krassen Plan. Ihr kennt doch bestimmt diese Gilde nahe unserem Geheimversteck, die…“, sein größerer dürre Kollege stieß den dicklichen Mann leicht an, während er selbst nervös zu Walerij sah. Er sagte dabei kein Wort.

„Was soll das, du Depp?“ Der dickliche Mann verstummte jedoch, als er ebenfalls zu Walerij schaute. Auch der kleinste, der inzwischen den Riegel komplett gegessen hatte und Schokolade überall an seinen Finger klebte, hatte den Journalisten bemerkt. Überrascht zeigte er auf Walerij:

„Dieser Penner belauscht uns!“

Mit schnellen Schritten entfernte sich Walerij von dem Ort, bis er der Meinung war, dass die drei ihm nicht folgten.

‚Diebe…, die Stadt ist so heruntergekommen.‘ Walerij war ein wenig aus der Puste. Er strich sich den Schweiß von der Stirn.
 

„Der Allmächtige wird euch aus jeder Lebenslage helfen. Er hört euch zu und hat für alle eine Lösung, die nicht mehr weiter wissen. Sein Ohr steht jedem frei zur Verfügung und ihm es egal wer ihr seid. Es zählt nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft, die ihr ab nun bestreiten wollt.“ Walerij kamen die Worte bekannt vor. Er hatte diese Phrasen schon mehrmals gehört.

Der junge Mann schaute auf und er erkannte einen größeren Mann in einigen Meter Entfernung, elegant gekleidet in einer weißen Wolljacke und schwarzen Jeans. Er wirkte gepflegt und seine Haltung vornehm. Ein freundliches Lächeln und leicht zusammengekniffene Augen schauten die Bewohner an, die ihn teilweise beim Vorbeigehen ignorierten. Er stand auf dem Gehweg und überreichte den Bewohnern ein Flyer. Egal welche Reaktion ihm entgegengebracht wurde, redete er auf die Leute ein.

‚Ach diese Penner sind das. Versuchen die immer noch Mitglieder für ihren radikalen Vereinigung zu finden?‘ Walerij hatte schon ein paar Artikel über diese selbsternannte Kirchenvereinigung geschrieben. Offiziell sind sie nur ein Club aus Gläubigen, die sich über die alltäglichen Probleme der Menschen kümmern und das kostenlos. Keinerlei Gebühren oder irgendwelche undurchsichtige Spenden von Mitgliedern. Durch ihre hilfsbereite und freundliche Art erhalten sie anderweitig von größeren Gesellschaften größere Summen als Hilfestellung. Diese Gruppe steht aber in Verbindung mit einer radikalen Organisation, die immer wieder für Anschläge und Attentate verantwortlich sind. Ihr Ziel ist eine Revolution in Festa zu starten, um das jetzige System dort zu stürzen, dass angeblich nur noch von Lobbyismus und Bestechung lebt. Zahlreiche Menschen starben bei Anschlägen der letzten zehn Jahren. Die Polizei hatte schon ein paar Terrorzellen ausgehoben, aber Walerij war sich sicher, dass es nicht die letzten gewesen waren, solange diese religiöse Vereinigung nicht verboten wurde. Zudem hatte eine Klage dieser Vereinigung dazu geführt, dass Walerij wegen seinem Artikel kündigen musste. Der Druck von oben war zu stark gewesen.

‚Diese verdammten sind einfach überall. Warum verziehen sich die Leute nicht einfach?‘

Walerij hatte Mühe seinen jetzigen Zorn zu Unterdrücken. Grimmig biss er seine Zähne zusammen. Er konnte sein Verlangen nicht unterdrücken und er ging zu diesem Mann.

„Hilfe für jeden, der ein Ohr braucht? Freie Hilfe für jeden?“ Begann Walerij. Er wurde lauter, als der Mann sich zu ihm umdrehte:

„Aber ich muss danach nicht unterschreiben und mich verpflichten bei irgendwelchen Terrorakten Einkaufzentren in die Luft zu sprengen?“ Sein Gegenüber drehte sich wieder weg und ging weiter. Er schien Walerij zu ignorieren und wiederholte seine Phrasen bei anderen Personen auf der Straße.

‚Dieser elendige Penner. Er hat auf mich reagiert. Ich habe es in seinem Blick gesehen, dass ich Recht habe.‘ Am Liebsten würde er diesem Typen eine verpassen, aber seine spontanen Wutausbrüche führten bisher nie zu etwas Gutem. Irgendwann würde es ihm aber anders heimzahlen.

Langsam gewann Walerij wieder die Überhand über seine Wut und er ließ davon ab sich mit diesem Mann zu beschäftigen. Walerij schaute auf seine Armbanduhr:

„Noch eine halbe Stunde.“
 

Die nächste halbe Stunde verbrachte er auf einer Sitzbank, nahe dem Rathaus und konzentriert versucht er noch einmal alle Schritte zu durchdenken und mögliche Fluchtpläne zu konstruieren. Dabei rauchte er mehr, als sonst. Im Anschluss begab sich Walerij zu dem Mauerabschnitt in der Gasse, die in einem Hinterhof endete. Etwas überrascht, dass die Mauer doch höher war als gedacht, überlegte der Mann wie er diese nun überwinden konnte. Ein paar Mülltonnen in seiner Nähe konnten zur Lösung beitragen. Vorsichtig stellte er diese so auf, dass diese als Stütze dienten.

Vorsichtig kletterte er auf diese. Er überschätze ein wenig seine Ausdauer so wie seine Kraft und nur mit großer Mühe zog er sich die zweieinhalb Meter hohe Mauer hoch. Klimmzüge waren nie seine Stärke gewesen. Leise schnaufte er, als Walerij sich auf die Mauer hievte.

Ihn ärgerte es, dass er so viel Zeit damit verbrachte. Ihn könnte jemand auf der Mauer sehen. Er ließ sich in die Büsche fallen und geduckt lauschte er auf, ob jemand etwas mitbekommen hatte. Für ein paar Minuten verharrte er in den Büschen.

Eine beunruhigendes Stimmung machte sich breit. Er spürte plötzlich einen schweren Druck auf seinen Schultern. Mit diesem Absprung in den Garten machte er sich strafbar. Umso länger er darüber nachdachte, umso klarer wurde es ihm das. Es war aber nicht sein erstes Mal gewesen. Ein dutzend Mal hatte Walerij schon Hausfriedensbruch begannen.

Er rieb sich seine feuchten Finger nervös an der Jacke ab, weil der Staub der Mauer an seinen Finger klebten, während er durch den Garten schlich. Auf der Rückseite des Rathauses waren die meisten Fenster mit Vorhänge zugezogen, so konnte er nicht hineinsehen. Eine Tür, die offen stand, führte in das Gebäude hinein. Er konnte in einen langen Gang hineinsehen, aber das war nicht sein Ziel. Sein Ziel war das Fenster schräg darüber. Es besaß die doppelte Breite, als die anderen Fenster und es war nicht mit Vorhänge zugezogen. Für einen Moment erkannte Walerij Karstoll Lehm, den Bürgermeister, wie dieser am Fenster vorbeilief.

Walerij versteckte sich hinter dem einzigen Baum des Gartens. Die Baumkrone überdeckte den halben Garten mit Schatten. Einer seiner Äste reichte zu einem der Fenster im ersten Stockwerk.

‚Er ist also in seinem Büro, dann muss ich wohl auf die Wanze zurückgreifen.‘ Walerij wollte auf den Baum klettern, um das Fenster des Büros des Bürgermeisters zu erreichen.

Die umliegenden Gebäude um dem Rathaus waren zum Teil nur zwei Stockwerke hoch oder besaßen nicht einmal ein oberes Stockwerk, so war die Anzahl der Fenster gering, die überhaupt einen Einblick in diesen Garten ermöglichten. Walerij prüfte ob ihn niemand beobachtete.

Der Baum hatte ein paar abgeschnittene Äste auf Hüfthöhe, die Walerij als Trittstellen dienten und ihm somit das Heraufklettern erleichterten. Wieder hievte er sich mit letzter Kraft hoch.

Einer der größeren Äste, der von seiner jetzigen Position wegführte, führte zu einem kleinen Vorsprung, der schmal um das Haus führte und das Erdgeschoss vom ersten Stockwerk trennte. Mit bedachten Bewegungen lief er diesen entlang. Der letzte Schritt führte über einen Fußbreiten Spalt zwischen Astspitze und Vorsprung.

Nun stand er links von dem Fenster, welches einen Einblick in einen Flur ermöglichte. Sein Ziel war ein Fenster weiter. So entschloss sich Walerij einen kurzen Blick in den Flur zu werfen. Niemand schien sich dort zu befinden. Walerij bemerkte, dass das Flurfenster nicht verschlossen war, jemand hatte das Fenster nur zugeschoben, aber nicht verriegelt. Er kletterte am Fenster vorbei und näherte sich seinem Ziel. Schwach konnte er Stimmen aus dem Raum wahrnehmen.

Seine Hand war schon unter die Jacke geglitten, um die Wanze herauszuholen, da bemerkte er einen Sicherheitsbeamten, wie dieser in den Garten trat und sich eine Zigarette anzündete. Der Journalist wurde bleich und er begann zu zittern. Nervös blickte der Mann zur Seite, zum Flurfenster. Die einzige Möglichkeit nicht von diesem Sicherheitsbeamten erwischt zu werden.

Schnell schob sich Walerij zurück über den Vorsprung zum Flurfenster. Leise drückte er dieses auf und verschwand darin. Vorsichtig lugte er hervor und beobachtete den Beamten im Garten. Dieser blickte sich skeptisch um, als wäre ihm etwas aufgefallen, jedoch schien dieser Mann niemanden konkret bemerkt zu haben. Nachdenklich und mit genervtem Gesichtsausdruck nahm der Beamte einen weiteren Zug von seiner Zigarette und wandte sich dann einem Handy zu, das er aus seiner Jackentasche zog.

‚Hoffentlich ist der nicht zulange dort, sonst ist mein Fluchtweg dahin. Den ganze Zeit war doch keiner dort.‘

Nervös und mit einem starken Unbehagen versuchte Walerij sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er entschied sich zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückzukehren und das eventuelle Installieren der Wanze auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Karstoll befand sich in seinem Büro und es waren Stimmen zu hören, womöglich könnte Walerij sie belauschen.

Langsam schlich er den Flur entlang. Walerij stellte fest, dass im Flur ebenfalls wie im Garten keine Sicherheitskameras installiert waren. Nervös blickte er diesen entlang. Nicht dass jetzt irgendjemand auftauchte und ihn erwischte. Ihm kam dann der Gedanke auf, ob er sich nicht vielleicht raus reden könnte? Immerhin war das Rathaus ein öffentliches Gebäude. Walerij legte sich ein paar Ausreden parat. Irgendwie schaffte er es bestimmt sich herauszureden.

‚Aber zuerst muss ich das Büro finden.‘

Walerij kam bei seinen nächsten Überlegungen zu dem Entschluss, dass es sich bei der gesuchten Tür um die handelte, die zur seiner rechten war. Langsam näherte er sich dieser. Die Stimmen wurden deutlicher. Es waren wohl mehrere Personen im Raum. Walerij lauschte am Schlüsselloch und versuchte durch dieses etwas zu erkennen. Das Schlüsselloch war wie das Rathaus selbst alt und rustikal. Groß genug zum Hindurchschauen. Es ermöglichte Walerij eine gute Übersicht über den Raum dahinter, auch wenn ihm der rechte Teil des Raumes verborgen blieb.

Walerij erkannte drei Personen im Raum. Jemand stand links, nahe der Tür. Von hinten konnte Walerij nur erkennen, dass es sich womöglich um einen Jugendlichen handelte. Etwas auffällig an ihm war das dunkel braune, fast schon purpurfarbene Haar mit den vereinzelten weißen Strähnen darin. Neben dieser Person stand ein größerer Herr, völlig in weiß gekleidet. Das Gesicht konnte er nur von der Seite erkennen.

‚Wer ist das? Er macht einen mächtigen Eindruck.‘

„...heute Zeit gefunden haben vorbeizukommen und das sogar zu einer so frühen Stunde.“

Der Bürgermeister, der vor einem größeren Schreibtisch stand und zu dem älteren Herr redete, schien wie immer mit seinen schleimigen, aber geschmeidigen Worten einen positiven Eindruck zu erzeugen, aber so etwas kotzte Walerij inzwischen an. Er hatte schon oft hinter die Fassaden solcher Menschen geblickt. Alles nur korrupte Politiker.

„Verschwendet nicht meine Zeit. Wo sind die Kristalle?“ Die tiefe schallende Stimme, die plötzlich durch den Raum fegte, riss Walerij ein wenig aus dem Konzept. Für einen Moment dachte Walerij, dass dieser ältere Herr kurz zu Walerij geschaut hätte. Er bildete sich ein, dass die Pupillen dieses Mann für einen Moment auf ihn verharrt blieben. Walerijs Herz hätte dadurch fast ausgesetzt. Ein ähnliches Gefühl wie damals, als er im Zoo einen brüllenden Löwe beobachtet hatte, der ihn aus dem Gehege anstarrte. Nur trennten ihn hier nicht sichere Eisenstangen.

Die Schweißperlen liefen seine Wangen hinab, während Walerij ein wenig zurückwich.

‚Was ist das für ein Typ? Hat der mich gesehen?‘ Eine Angst machte sich in ihm breit, als müsste er gleich abhauen. Sein Körper wollte so dringend von diesem Ort weg.

Ein Räuspern von der Seite gab ihm den Rest. Walerijs verkrampfte seine Hände, um nicht lautstark aufzuschrecken. Die Schweißproduktion vervielfachte sich.

Nur wenige Meter von ihm entfernt stand derselbe Mann im Anzug, der letztes Mal die Stellungnahme leitete. Sein Gesichtsausdruck war derselbe, aber die Handfeuerwaffe in seiner Hand, die er im Moment auf Walerij richtete, zeichnete plötzlich ein anderes Bild vor ihm.

Mit gehobenen Händen und einem nervösen Lächeln stand Walerij auf.

„Ist das so Sitte? Einen unbewaffneten Mann direkt mit einer Waffe zu bedrohen? Sind Sie etwa ein Mafioso?“

Sein Gegenüber antwortete ihm nicht, stattdessen machte er mit seiner freien Hand klar, dass dieser zu ihm herkommen sollte.

„Ist schon gut, ich komme mit Ihnen mit.“

„Sie haben keine andere Wahl.“

„Weil was sonst? Sie wollen mich hier erschießen? Im Rathaus? Auf dem Flur? Wenn doch Gäste da sind? Wir sind ja nicht hier bei der Mafia, oder?“ Mit vorsichtigen Schritten und gehobenen Händen lief Walerij auf den Mann zu, der ihm mit seiner freien Hand zu der Treppe verwies.

Die Anspielung auf die Mafia war nur teilweise scherzhaft gemeint. Eigentlich wollte Walerij seinem Gegenüber eine Reaktion entlocken, die etwas verraten konnte, aber der Mann behielt seinen steinernen ernsten Gesichtsausdruck.

„Mit dem Rücken zu mir voran die Treppen hinunter und dann rechts. Machen Sie eine falsche Bewegung, dann werde ich schießen.“

Walerij kotzte es an, dass im Ton dieses Mannes eine Arroganz mitschwang, die sonst nur schlechte Gewinner hatten, wenn diese über ihre Verlierer dominierten. Walerij befolgte die Anweisungen und stieg langsam die Treppen hinab. Der Mann im Anzug drückte ihm inzwischen die Pistole in den Rücken.

„Die Hände runter und bleiben sie ruhig. Die letzte Tür am Flur, diese öffnen sie mit ihrer rechten Hand.“

‚Was hat er vor? Der Ausgang ist doch links?‘ Während Walerij die Treppen hinunterstieg, dachte er kurz über die Flucht nach links nach, aber dieser Mann würde wahrscheinlich wirklich schießen. Als Walerij in den Gang trat, erblickte er links in wenigen Meter Entfernung die Tür hinaus zur Straßen. Dort würden sich bestimmt viele Bewohner befinden, die als Zeuge fungieren könnten. Die Pistole in seinem Rücken ließ seinen Körper jedoch dem Befehl gehorchen und er trat in die entgegengesetzte Richtung.

Am Ende des Flurs erkannte er die offene Hintertür, die in den Garten hinausführte. Außen im Garten stand der Sicherheitsbeamte immernoch. Dieser rauchte seine Zigarette und das Handy befand sich in der anderen Hand. Dieser blickte die beiden schweigend und mit gleichgültigen Blicken an.

Walerij hoffte so sehr, dass dieser irgendwie reagieren würde, der Mann tat jedoch nichts. Er beobachtete die beiden nur.

Walerij erreichte die letzte Tür des Flurs, die sich zur seiner rechten befand.

„Öffnen!“ Kam der Befehl von hinten.

Zittrig öffnete Walerij die Tür. Dahinter erkannte er im Dunklen einige Stufen, die hinabführten. Es war offensichtlich ein Zugang zu einem Kellergewölbe.

„Diesen Schalter drücken und dann hinab!“ Der Schalter schaltete das Licht im Keller an.

Langsam trat Walerij die steinernen und ungleichmäßigen Stufen hinab. Die Atmosphäre wurde kälter mit jedem Schritt. Es ging einige Meter in die Tiefe.

Der Raum, der sich nach den Treppen vor ihm erstreckte, war breit und hoch. Der Raum war nur schwach beleuchtet.

Vereinzelt befanden sich Regale an den Wänden oder gestapelte Kisten im Eck. Sitzbänke waren an die Wand geschoben. Ein paar Sonnenschirme zusammengefaltet auf dem Boden.

Als Walerij den ersten Schritt in den Raum machte, wurde er plötzlich nach vorne gestoßen. Mit dem Gesicht voraus fiel er auf den gepflasterten Boden. Für einen Moment sah er nur schwarz. Es hallte in seinem Kopf und der Schmerz zog sich durch seinen Körper. Vor allem seine Nase schmerzte.

Ätzend rollte er sich auf den Rücken, weil ihm das Schwindelgefühl im Körper Übelkeit bereitete. Als er wieder klarsehen konnte und das Blut bemerkte, das aus seiner Nase tropfte, starrte er entsetzt auf den Mann im Anzug, der inzwischen einen Aufsatz auf seine Schusswaffe montiert hatte.

‚Ein Schalldämpfer! VERDAMMT! Er meint das wirklich ernst!‘ Panik machte sich in Walerij breit. Es hatte eigentlich schon begonnen, als er die steinernen Treppen betrat, nur hatte er bis dahin noch die Hoffnung gehabt, dass dieser Mann ihn nur hier einsperren wollte. Die jetzige Erkenntnis, dass dieser Mann gleich schießen würde, ließ Walerijs Körper erstarren.

Der Mann im Anzug zielte auf ihn und  Walerij erkannte wie dieser den Abzug betätigte.

Sein Herz blieb für einen Moment still, bis er bemerkte, dass nichts passierte. Walerij blickte in das zornige Gesicht seines Gegenübers, der seine Handfeuerwaffe untersuchte. Ein Schuss löste sich der knapp vor Walerij in den Boden geschossen wurde. Panisch rollte sich er zur Seite. Sein Herz raste und panisch blickte er sich um. Walerij entdeckte eine Schaufel unter den Sitzbänken vor denen er lag. Walerij versuchte nach dieser zu greifen, da stand der Mann im Anzug auf seinem ausgestreckten Arm. Es schmerzte sehr, als sich die dicke Sohle in die Haut drückte.

Walerij verharrte und wartete auf das Ende, aber es kam nichts, stattdessen hörte er eine männliche Stimme, die nicht von dem Schützen stammte.

„Angebot an Sie. Ich kümmere mich um ihn, ohne dass ihr etwas hier finden werdet. Keine Spuren, keine Hinweise. Das Übliche halt.“ Jemand Fremdes muss in den Raum getreten sein, denn die Stimme erkannte Walerij nicht. Der Fuß, der sich in seine rechte Hand drückte, erhob sich und der Mann im Anzug entfernte sich. Walerij zischte, als ein kurzer Schmerz durch seine Hand wanderte. Die Stelle an seiner Hand blutete und verfärbte sich leicht, dennoch konnte er seine Hand vorsichtig zur Schaufel bewegen.

„Das Übliche. Keine Spur, keine Hinweise, dein Problem.“

Jemand trat die steinernen Stufen hinauf. Walerij fiel auf, dass er die Schritte des Fremden gar nicht bemerkt hatte. Vermutlich war dies der Situation geschuldet gewesen. Seine Fingerspitze berührten inzwischen die Schaufel. Seine rechte Hand fühlte sich ein wenig taub an.

Jemand trat zu ihm heran. Sie müsste sich jetzt über ihn befinden.

„Kommen wir nun zu…“ Walerij unterbrach die fremde Person, indem er die Schaufel packte und versuchte durch eine Körperdrehung aus seiner jetzigen liegenden Position auf dem Bauch die Schaufel gegen die Person hinter ihm zu schlagen.

Sein Schwung wurde aufgehalten, als er die Schaufel 90 Grad um sich schlug. Seinen Kopf hatte er dabei nach rechts gedreht, sodass er nun die Person über sich erkennen konnte. Dunkelfarbenes Haar mit weißen Strähnen darin. Walerij erkannte die Person, nur jetzt konnte er sie von vorn sehen. Seine Pupillenfarbe hatte ein beängstigen dunkelroten Farbton. Die Größe und Statur deuteten auf einen Jugendlichen hin, seine Stimme ließ Walerij jedoch glauben, dass es älter sein musste. Im Gegensatz zum Stadtrat, trug dieser Jugendliche keinen Anzug oder war bewaffnet. Ein lockeres Hemd kombiniert mit einer kurzen Hose. Der Stil passte zu den Bewohnern der Insel.

Der hölzerne Griff der Schaufel befand sich im Griff des Jugendlichen. Die Muskeln seiner Hand spannten sich plötzlich an und mit einem lauten Bersten brach dieser die Schaufel entzwei.

Erschrocken versuchte Walerij mit dem Holzstiel zu zuschlagen, aber der Jugendliche stieß ihm den Stil mühelos aus der Hand. Walerij Hand schmerzte durch den Treffer.

„Steh auf!“

Verwundert starrte Walerij seinen Gegenüber an, der einen Schritt rückwärts machte.

Der Jugendliche seufzte und wirkte genervt:

„Jetzt bleib mal ruhig!“ Er blickte kurz den Treppenaufgang hinauf, dann wandte er sich wieder Walerij zu und verschränkte seine Arme:

„Ich möchte klarstellen, dass ich das Geld haben will, aber dafür lege ich keinen um.“ Er ging wieder auf Walerij zu, der bisher nur den Ausgang im Blick behielt. Er plante seine Flucht und ob er an diesem Jugendlichen vorbeikam.

„HEY!“ Wurde der Jugendliche lauter.

Walerijs Augen fixierten wieder seinen Gegenüber an. Er schluckte nervös.

‚Er scheint mich noch nicht überlegen zu wollen. Ich sollte wirklich versuchen mich zu beruhigen.‘ Sein Herz raste noch wie wild und sein Körper schrie danach, dass er nun fortrennen sollte.

„Du hörst was ich sage, ja? Ich verschaffe dir die Möglichkeit, dass du hier lebendig rauskommst. Ich brauche nur deine Schauspielkunst und dein Versprechen, dass du von dieser Insel fortbleibst!“

‚O.k…, klingt das glaubwürdig? Wenn ja, dann muss ich wohl erst einmal mitspielen.‘

Langsam richtete sich Walerij auf.

„Hast du einen gegen den Kopf bekommen? Du hast mich gehört oder?“ Sein Gegenüber wurde ungeduldig.

‚Aber so ganz kann ich ihm nicht glauben.‘

„Und wie willst du das anstellen? Die wollen doch bestimmt irgendeinen Beweis haben? Oder wenn sie mich das nächste Mal sehen...“

Plötzlich packte ihn eine Hand am Kragen und die beiden dunkelroten Pupillen starrten ihn aus nächster Nähe an, mühelos wurde Walerij nach oben gezogen:

„Du wirst dich hier nie wieder blickenlassen! Genau wegen euch Typen schaffe ich es nicht alle von ihm fernzuhalten! Ihr liefert ihm genau das was er will!“

Walerij schluckte und sein Herz machte ein kurzer Aussetzer, als der Jugendliche ihn wieder losgelassen hatte. Er hatte ihn einfach mühelos nach oben gezogen, ohne dass es den Jugendlichen wirklich angestrengte.

‚Er wird wohl die Wahrheit sagen, denn sonst hätte der andere ihm nie zugestimmt. Ich muss ihm wohl vertrauen.‘

Der Jugendliche schien sich wieder beruhigt zu haben, denn er ging wieder ein wenig auf Abstand. Ab und zu schaute er nervös die steinernen Treppen hinauf.

‚Wen hatte er gemeint? Den Bürgermeister etwa oder?‘ Walerij erinnerte sich, dass es noch diesen anderen älteren Herr gab.

‚Nein! Es ist dieser andere Typ, der im Raum war.‘

„Wer ist dieser ältere Herr im Büro im Bürgermeister. Hat der mit der Sache tun? Ist der hier verantwortlich für das Verschwinden der Leute?“

Der Blick des Jugendlichen wurde ernster. Seine Augen sahen strafend den Mann am Boden an, als würde er ihm sagen wollen, dass er jetzt besser schwieg.

„Ich habe Recht oder?!“ Walerij setzte sich langsam wieder auf, dann versuche er aufzustehen. Walerij wartete ab, ob sein Gegenüber irgendwie reagierte, aber er starrte Walerij die ganze Zeit nur zornig an, als würde er überlegen.

‚Ich kann nicht anders. Ich muss die Wahrheit wissen!‘ Walerij hoffte, dass ihm seine Neugier nicht alles zu Nichte machte.

„Du vergisst am besten alles schnell wieder. Es ist das beste für alle Beteiligte. Du kommst nicht wieder auf diese Insel zurück. Ich kann dir das nächste Mal nicht garantieren, dass du davonkommst. Geht das in deinen Schädel? Du bringst damit noch viel Menschen in Gefahr!“

Es machte Walerij ein wenig wütend. Es schien so, als würde der Jugendliche nicht kapieren, dass hier auf dieser Insel Menschen verschwanden oder es sogar billigen für irgendeine andere Sache. Walerij konnte nicht einfach verschwinden und alles vergessen.

„Es verschwinden Menschen auf dieser Insel! Ich kann nicht einfach…“, so schnell wie der Faustschlag seine blutige Nase traf, so schnell konnte Walerij nicht einmal mehr seinen nächsten Gedanken zu Ende zu fassen geschweige irgendwie zu reagieren. Er bekam nur noch mit wie eine kalte Finsternis ihn umfasste und ihn in ein leeres Nichts zog.

Beschreibung der Welt

Was wäre, wenn sich das Ordnungssystem, wie wir es heute kennen, nicht durchgesetzt hätte, sondern ein anderes System an seiner Stelle wäre? Ein System, welches in dieser Form noch nicht existiert hat, jedoch unserem sehr ähnlich ist?

In dieser anderen Welt gilt das Gesetz der Machtaufteilung zwischen Gilden und Regierungen. Während die Politiker in ihren jeweiligen Ländern die Oberhäupter sind, wird alles Andere von den Gilden entschieden. Ausnahmen sind möglich. Die Welt ist mit dieser Ordnung aufgewachsen. Ohne sie würde die Welt in pure Anarchie zerfallen, denn ihr ist eine Form wie die unsere nicht bekannt. Neben den normalen Strukturen wie der Polizei, Feuerwehr, Gericht, Ämter, Gefängnis, und Schulen gibt es gesetzliche und freie Gilden.
 

Gesetzliche Gilden sind zum Beispiel die Gilde der Ordnung, welche die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützt, oder die Gilde des Brandschutzes, die der Feuerwehr unter den Armen greift. Diese Arten von Gilden werden von der Regierung gefördert, jedoch auch gelenkt, da sie gesetzlichen Bestimmungen unterliegen.
 

Zu den freien Gilden zählen beispielsweise Kriegergilden, Jägergilden oder Magiergilden. Sie bestehen nur aus einer Gruppe stolzer Mitstreiter und gehen einer Tätigkeit nach, für die sie speziell gegründet wurden. Diese freien Gilden, auch Arbeitergilden oder Themengilden genannt, werden zwar nicht gefördert, unterliegen aber weniger gesetzlichen Bestimmungen und haben dadurch mehr Handlungsspielraum.
 

Eine freie Gilde ist in der Regel ärmer und kleiner, kann jedoch viel mehr Ansehen erlangen als es einer gesetzlichen Gilde je möglich wäre.

In den letzten fünfzig Jahren hatte die Anzahl freier Gilden stetig zugenommen, da sie wie Firmen agieren konnten und sich dies für Geschäftsleute als profitabel erwies. Es entstanden viele neue Arbeitsplätze, und freie Gilden genossen beim Volk Wohlwollen.

Natürlich gibt es auch Grauzonen wie Glückspielgilden, Wettgilden oder Kreditgilden, die das System ausnutzen, um nach Geld zu fischen.
 

Damit die Regierung nicht den Überblick, und damit ihre Macht, verlor, hatte sie einige wichtige Gesetze erlassen:
 

○Jede Gilde darf nur einen Gildenmeister haben.

○Jeder Gildenmeister darf nur einer Gilde vorsitzen.

○Es darf nicht jeder zu einem Gildenmeister ernannt werden oder eine Gilde gründen. Folgende Bedingungen müssen erfüllt werden:

- Jahrelange Schulungen und Training sowie eine Rangklasse S

- Der Gründer benötigt ein hohes Startkapital

- Der Gründer darf nicht auf der weltweiten Fahndungsliste stehen

- Eine Gilde muss aus mindestens vier Mitgliedern bestehen

- Wenn möglich sollte sich eine Gilde klar definieren und ihre Tätigkeiten offenlegen
 

○Ein Rangaufstieg innerhalb einer Gilde kann nur noch durch zwei Wege erreicht werden:

- Durch eine kurze, kostspielige schriftliche Prüfung

- Das Erreichen des Halbfinales der großen Spiele, die alle paar Jahre stattfinden

- Gilden, welche sich nach der gesetzlichen Regelung in der Grauzone befinden, werden von der Regierung strenger überwacht

- Gesetzliche Gilden erhalten einen jährlichen Zuschuss

- Freie Gilden unterliegen strengeren Auflagen bei Straftaten

- Freie Gilden können bei Missständen einfacher aufgelöst werden
 

Die feineren Strukturen sind bei jeder Gilde unterschiedlich. Sie werden von Regionalgildenämtern geregelt. Die sonstige Freiheit liegt bei den Gildenmeistern. Sie bestimmten auch die maximale Anzahl der Mitglieder, die von mindesten vier bis zu über 1.000.000 Mitgliedern reichen. Ein gesetzlicher Maximalwert existiert nicht.

Es gibt lediglich eine Sache, die in allen Strukturen gilt: Die Ränge sind überall gleich, somit verliert man seinen Rang auch nicht, wenn man seine Gilde wechselt. Die Rangaufteilung lautet folgendermaßen: C - B - A und S. Nur Menschen vom Rang S dürfen Gildenmeister werden und eine neue Gilde gründen.
 

Die Welt:
 

Die alternative Welt besteht aus fünf großen Kontinenten. Der nördlichste von ihnen ist der lange, aber nicht besonders breite Kontinent Nosmania, auch die lange Tundra genannt. Dort herrschen die weltweit kältesten Temperaturen.

Östlich von Nosmania liegt Dovado, ebenfalls ein sehr eisiger Kontinent. Dovado besitzt die höchsten Berge der Welt, aber dafür die kleinste Bevölkerungsdichte von allen Kontinenten.
 

Im Osten liegt der Kontinent Pestologa. Auf ihm herrscht ein durchschnittliches Klima. Er beherbergt den Großteil der Weltpopulation und die weltweit reichsten Länder.
 

Im Westen liegt Anomagon. Eigentlich ist dieser Kontinent eine endlose Steppe, die als Lebensraum für Menschen sehr ungeeignet ist. Die Städte liegen weit auseinander und sind nicht besonders groß.
 

Im Süden liegt der große Wüstenkontinent Berianzo. Auf ihm leben viele Menschen in vereinzelten Stämmen, die besonders magisch angelernt sind. Die Menschen aus diesem Bereich leben besonders gesund und sind meistens am besten gebaut, da es dort erstaunlich viel sauberes und heilendes Grundwasser gibt.
 

In der Mitte der fünf Kontinente liegen zwei große Inselreiche. Die nördlichen Inseln heißen zusammen die Sommerinseln und die südlichen Inseln heißen zusammen die Winterinseln. Das Klima auf diesen Inseln ist ein paradoxes Phänomen. Die nördlichen Kontinente Nosmania und Dovado werden die meiste Zeit über von bitterkalten Schneestürmen heimgesucht, während es den nördlichen Inselgruppen südlich der beiden Kontinente fast das ganze Jahr über ausschließlich sonnig ist. Das Gegenstück bildet die gegenüberliegende Inselgruppe weit im Süden, nördlich von Berianzo, wo es überwiegend warm ist.
 

Eine der Inseln in der Inselgruppe der Sommerinseln heißt Ranger Island und ist zu 80% in Privatbesitz einer wohlhabenden Familie der alten Reiche. Einige Meilen von der Westküste entfernt liegt eine freie Stadt. In dieser Stadt wohnen ungefähr 3000 Menschen. Südlich von dieser Stadt liegt ein kleiner Hafen mit knapp 100 Bewohnern. Der Hafen ist die einzige Verbindung zum Festland. Auf dieser Insel geschah in den letzten Jahren nichts Nennenswertes. Die Bewohner lebten sehr zurückgezogen. Auf dieser Insel gibt es zurzeit auch nur eine einzige Gilde. Sie nennt sich Ranger Guild und ihre Aufgabe ist es, die Probleme der Dorfbewohner zu lösen; das Suchen von verschwunden Objekten oder Personen. Das Unterstützen bei Veranstaltungen, Reparieren von kaputten Dingen und allerlei andere kleine Aufgaben, die die Bewohner gelegentlich haben. Dieser Gilde kam ein großes Recht zuteil: sie durfte in den Bereich des Privatbesitzes. Dies durften die Bewohner der Insel nicht. Eine Zeit lang blieb es ruhig in der Stadt und auf der Insel. Jeder lebte sein Leben- bis zu jenem Tag.

Die Entführung --- Die Botschaft

[Tina]
 

‚Blurrrrlb‘ Das quallenartige Wesen ohne Augen und Mund tauchte wieder ab. Es sank langsam zum Grund ab, um dann wieder auf zu tauchen.

Das Wasser fühlte sich kalt an. Es kribbelte an ihren Fingerspitzen. Sie zog ihre Hand wieder heraus. Die Wesen im Teich interessierten sich nicht für ihre Hand, nicht so wie bei Linda.

‚Was die wohl denken? Ob die auch einem Tagesablauf folgen?‘

Ein kühler Wind zog durch den Garten. Tina zog ihre Jacke weiter über die Schultern. Ihre nasse Hand kribbelte unangenehm im Wind.
 

Im Moment war sie allein im Hauptquartier. Linda musste plötzlich nach dem Essen telefonieren und ging dann in die Stadt. Rick musste zu seinem abendlichen Training.

Beide versprachen bald zurück zu sein. Rick entschuldigte sich dafür mehrmals, dass er ging. Er verwies, bevor er verschwand, auf einen Raum im Hauptquartier. Dort gab es eine Ansammlung an Büchern.

Tina hatte das interessiert, aber nachdem die beiden fort waren, wurde sie ein wenig einsam und verlor die Lust am Lesen.
 

Tina bewunderte lieber den Garten und sie genoss die Sonne am Himmel. Die gezüchteten Blumen am Rande des Teiches faszinierten Tina. Sie wusste von keiner Pflanze etwas, nicht einmal den Namen, aber dennoch war sie interessiert. Die hüfthohen Sträucher hatten ihre Blüten in die Richtung des aktuellen Sonnenstands offen.

‚Als würden sie sich absprechen.‘ Es schauderte sie ein wenig bei dem Gedanken, dass die Pflanzen sich absprechen würden.
 

„Ähm… hallo? Bist du neu hier?“ Kurz zitternd und mit nervösen Blicken sah das Mädchen auf. Ein dürrer großer Mann in einem dreckigen weißen Mantel und schwarzen Schuhen stand ein paar Meter vor dem einem Meter hohen Zaun entfernt, der den Garten umrahmte. Dort, wo der Mann stand, führte ein Weg am Zaun vorbei.

Er war mindestens einen Meter größer als Tina und seinen Blick konnte sie nicht einordnen.

Langsam schritt das Mädchen rückwärts zur Tür, die nur wenige Meter hinter ihr lag.

„Ahh… oh! Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich… ich kenne die Leute hier. Mein Name ist Will Zentaler. Ich… ich bin ein Freund von Linda. Ich dachte nur…, weil du hier in ihrem Garten bist und ich dich nicht…, mh…, bist du neu?“ Der Mann zog seine linke Hand aus seiner Manteltasche und fuhr durch sein unrasiertes Gesicht. Seine Augen verfolgten das Mädchen, während sie zur Tür trat. Seine Haltung war leicht gebückt.

„Ist schon in Ordnung. Ich wollte nicht… ich hatte mich nur erschreckt. Linda ist…“

‚Ich… sollte das lieber nicht sagen.‘

Tina blieb in der Nähe der Tür stehen. Ihr Körper fühlte sich schwerer an und ihr Herz schlug schneller. Sie mochte den Mann nicht.

Seine Hand wanderte weiter über sein Kinn. Seine Mundwinkel verzogen sich leicht nach unten.

„Also… ich wollte dich nicht stören im Garten. Ich… ich dachte nur… aber… egal.“

Der Mann hob seine rechte Hand und winkte, dann lief er in eiligen Schritten davon.

Von hinten erkannte Tina einen kleinen schwarzen Rucksack auf dem Rücken, zusätzlich fiel ihr die grünlichen Haarspitzen an ihm auf, die nach hinten zur Schulter hingen. Die Spitzen wirkten ihrer Meinung nach fehl am Platz.

‚Unheimlicher Mann.‘
 

Tina beschloss bis zur Rückkehr der beiden nicht mehr das Hauptquartier zu verlassen. Stattdessen begutachtete sie die Bilder, die Tina zufällig im ersten Stockwerk am Ende des Ganges in einem Regal gesehen hatte. Auf den Bildern waren wesentlich mehr Personen in diesem Hauptquartier zu sehen, die sie nicht kannte und trotzdem auf den Bildern teilweise die Abzeichen in Form von Armbändern der Gilde trugen. Ihr stach dabei das größte, der eingerahmten Bilder, ins Auge. Eine Gruppe von fünfzehn Personen hatten sich in der Halle versammelt und hielten einen goldenen Rahmen mit irgendeinem Dokument in die Höhe. Rick stand am Rand, aber er war auf dem Bild ein paar Jahre jünger. Neben ihm stand ein Mädchen, dass Tina noch nicht gesehen hatte. Dieses Mädchen hielt sich auf dem Bild an ihm fest, als wollte sie versuchen im nächsten Moment auf seine Schultern zu klettern. Alina war ebenfalls auf dem Bild, aber sie stand weiter rechts mit verschränkten Armen. Tina suchte Linda, aber sie fand sie nicht. Stattdessen erkannte das Mädchen eine junge Frau mit scharlachroten Haaren, die eine ähnliche Statur wie Linda hatte, aber älter wirkte. Die restlichen Personen waren hauptsächlich eine Mischung aus Jugendlichen in ihrem Alter und Erwachsenen, die sie nicht kannte.

Die anderen Bilder im Regal zeigten Linda, Rick und Tina, aber keine anderen Personen. Die anderen Bilder wirkten neuer und ihr Rahmen war schlicht und nicht verziert.
 

Ein Quietschen schallte durch die Halle. Es war nicht besonders laut, aber Tina erkannte es. Es war die Tür. Im darauffolgenden Moment plumpste etwas zu Boden. Ihr Blick wanderte schlagartig zur Quelle des Geräusches. Von ihrer jetzigen Position konnte sie niemand erkennen, nur ein runder weißer Gegenstand auf Boden der Halle. Aus dem Augenwinkel - links von ihr - erkannte sie einen Jungen, der auf einem Fahrrad eilig davonfuhr. Eine Kapuze über den Kopf und einen schwarzen Rucksack mit weißen Streifen auf dem Rücken.

Ihre linke Hand hatte sich beim Plumpsen um das Geländer geklammert. Langsam löste sich die Spannung wieder und sie schritt zur Treppe voran. Vorsichtig stieg Tina die Treppenstufen hinab. Nach dem Beschreiten der untersten Stufe der Treppe, begutachtete Tina das Objekt auf dem Boden vor ihr. Bei näherer Betrachtung entpuppte sich das Unbekannte als zusammengerollte Zeitung. Das Gummi wirkte etwas willkürlich um das zusammengerollte Papier geschoben. Sie seufzte und ihre Anspannung ließ nach.

‚Ich lege sie am besten auf den Tisch.‘

Trotz des Zustands er Zeitung, konnte Tina eine Überschrift deutlich erkennen.

[Die Stadt hat zur diesjährigen Zeremonie den bekannte Exorzisten Hughborg eingeladen. Wird er die Stadt endlich befreien?]

‚Die Stadt befreien?‘ Unsicher rollte sie die Zeitung nach hinten. Unter dem Titel folgte ein kleiner Textabschnitt. Es schien das Titelblatt der Zeitung zu sein.

‚Hughborg versicherte, dass er dem Geist ein Ende setzen wird, der die Stadt schon solange terrorisiert. Zwei seiner Kollegen waren bereits gescheitert. Kann er wieder die Hoffnung wecken? Den Fluch brechen? Erfahren Sie mehr in unserem spektakulären und ausführlichen Bericht auf Seite 3.‘

Wieder verkrampften ihre Finger.

‚Geist? Ein echter Geist? Hier… in der Stadt?‘

Umso länger Tina darüber nachdachte, umso unbehaglicher wurde ihr. Nervös blickte sie sich um.

Das Mädchen kannte keine einzige Blume im Garten, aber sie hatte eine Vorstellung wie grausig Geister waren, ohne zu wissen woher. Ihre rechte Hand fuhr über ihren linken Arm.

Wieder war ein lautes Plumpsen zu hören und Tina schreckte lautstark zurück. Ihr Herz klopfte.

Die Zeitung war auf den Boden gerollt. Zittrig legte sie die Zeitung zurück auf den Tisch.
 

‚Ich will nicht hier unten bleiben.‘

Ihr Blick fiel nun auf ihre Zimmertür, die sie von ihrer jetzigen Position aus sehen konnte. Ein inneres Bedürfnis zwang Tina dorthin.

Im Zimmer setzte sie sich auf das Bett. Ihr Körper fühlte sich ausgelaugt an und ihr Herz raste immer noch.

‚Warum verunsichert mich das so sehr? Ich… ich weiß nicht mal wieso.‘ Frustriert schaute sie zur Tür, dann zum Fenster hinter ihr. Die Sonne hatte sich inzwischen hinter Wolken verzogen. Das ganze Gebäude wirkte dadurch dunkler und kühler.
 

‚Oh…, jetzt bin ich doch eingeschlafen?‘ Sie lag gekleidet quer über ihrer Bettdecke. Wie sie eingeschlafen war, daran erinnerte sich Tina nicht.

Eine Abfolge von dumpfen Geräuschen folgte. Überrascht blickte sie in die Richtung der Quelle, zur Tür.

„Ja…?“

Die Türe öffnete sich und Rick trat herein. Tina erkannte, dass er jedoch einen sehr angestrengten Gesichtsausdruck machte.

‚Sein Blick… stimmt etwas nicht?‘

Rick trat näher heran. Seine Haltung war ein wenig verkrampft.

„Hast du etwas… nein warte…, die Zeitung auf dem Tisch…, hast du die da hingelegt oder kam jemand herein?“

„Die Zeitung.“ Für einen Moment bekam Tina das Gefühl, dass ihr Kopf den Begriff nicht zuordnen konnte, bis ihr ein Bild vor Augen kam. Die Zeitung auf dem Tisch. Die Überschrift mit dem Geist.

„Ja…, ich habe sie auf den Tisch gelegt.“

Rick schwieg für einen Moment. Tina konnte seine nachdenklichen Blicke nicht deuten.

„Äh ja…, weil… die Sache ist die…, da war etwas eingerollt in der Zeitung. Ein… eine Art von Erpresserbrief.“

‚Erpresserbrief?‘ Es schauderte Tina, selbst wenn sie mit diesem Begriff noch nicht vollkommen verstand was Rick meinte.

Mit besorgten und verunsicherten Blicken schaute Rick zur geöffneten Tür. Stimmen drangen aus der Halle in den Raum. Sie wirkten aufgebracht, aber die Stimmen waren noch zu unklar um zu erkennen wer sprach.

„Brief?“

„Ja…“ für einen Moment strich er sich den Schweiß von der Stirn. Seine Augen schienen etwas zu suchen.

„Da die mit ‚wir haben sie‘ den Brief beginnen, dachte ich zuerst an dich, aber ich vermute…“ Rick Miene verfinsterte sich und seine rechte Hand spannte sich an.

„Die meinen Alina damit.“

„Wer?“

„Keine Ahnung. Irgendwelche Verbrecher!“ Zornig ballte er immer wieder seine rechte Hand zur einer Faust.

„Das ist ja furchtbar!“ Es kribbelte ihr am ganzen Körper. Sie musste sich kurz die Augen reiben.

„Aber ich musste dich rufen, weil der Polizeichef mit dir sprechen will.“

‚Der Polizeichef?‘

Rick war inzwischen zur Tür gegangen und forderte mit seiner Handbewegung auf, dass sie ihm schnell folgen soll. Er wirkte im Moment unhöflich, aber Tina verstand, dass er ihm Moment zu sehr gestresst ist darüber nachzudenken.

Wackelig stieg sie von ihrem Bett auf und mit vorsichtigen Bewegungen trat sie heraus in den halboffenen Gang.

In der Halle befanden sich vier Polizisten und Linda, die mit einem der Polizisten redete.

Mit wilden Handbewegungen und einem zornigen Gesichtsausdruck diskutierte die Gildenleiterin mit einem jungen Mann in Uniform. Dieser junge Mann besaß eine große Statur und sehr breite Schultern. Im Gegensatz zu seinen Kollegen spannten die Oberarme in der bläulichen Uniform. Mit verschränkten Armen und mit einem grimmigen Gesichtsausdruck hörte er Linda an. Seine Kollegen schienen währenddessen etwas zu überprüfen oder zu suchen. Tina konnte das nicht genau einschätzen.

Das Mädchen bemerkte zudem erst jetzt, dass es inzwischen schon Nacht geworden war. Die Straßenlaternen strahlten ein weißes Licht in die Halle, es fühlte sich jedoch nicht so warm und wohlig an wie Sonnenstrahlen. Rick stand inzwischen an der Treppe und forderte mit leichten Handbewegungen erneut auf ihm zu folgen.
 

Der Mann, der mit Linda sprach und von Rick als Polizeichef betitelt wurde, trat sofort zu Tina heran, als er sie bemerkte. Der Mann war mindestens zweierhalb Köpfe größer als sie und sein starrer mürrischer Gesichtsausdruck schüchterte das Mädchen sofort ein.

„Wir dürfen keine Zeit verlieren!“ Auf seine schnellen Worte folgte eine Handbewegung die einen gelblichen Zettel hervorholte und ihn Tina entgegenhielt. Kurz perplex starrte sie den zerknitterten Zettel an. Sie erkannte, dass auf diesem mit einem schwarzen Stift Druckbuchstaben auf das Papier geschmiert wurden. Undeutlich, aber groß genug.

‚Wir haben sie! 100 000 Sya in den Briefkasten an der Schwertmühle! Keine Polizei!‘

„Hast du die Person gesehen, die diese Zeitung hier abgelegt hat oder hast du jemand gesehen, der hier in der Halle oder an der Zeitung war?“

Mit Blicken zur Seite schweifend und zittrigen Händen, die Tina an den Körper drückte, um es zu verbergen, versuchte sie sich zu erinnern. Ihr Kopf fühlte sich im Moment jedoch so an, als hätte ihr ein schwarzes Loch alle neue Erinnerungen entrissen.

Die Entführung II --- Der Egoist

[Rick]
 

3 Stunden vor dem Fund des Erpresserschreibens:
 

„Ach verdammt!“ Mit weit aufgerissenen Augen und den ersten Schweißtropfen, die begannen von seiner Stirn zu perlen, starrte Rick entsetzt auf sein Smartphone. Die Ankündigung, dass in 15 Minuten sein Kampfsporttraining beginnt, hatte er völlig vergessen.

„Heute ist ja der Trainingskampf… ach… hrmm. Nicht noch eine Verspätung. Herr Chupo wird wieder Linda anrufen…. verflucht!“ Sein Blick schweifte zu Tina, die ihn mit einem leichten mitledigen Blick ansah. Es erweckte ein wenig den Anschein, dass sie durch seinen plötzlichen Stress traurig wurde. Rick bekam ein schlechtes Gewissen.

‚Na ja…, aber ich kann doch jetzt nicht einfach abhauen, oder?‘ Er kratzte sich am Kopf. Sein Arm senkte sich und seine nervöse Blicke schweiften durch den Raum.

‚Ich kann aber auch nicht einfach absagen. Chupo wird wirklich sauer werden und petzt das wieder Linda. Dieser Feigling!‘ In Rick brodelte es, auch wenn sein kurzer Zorn schnell verflog. Am liebsten hätte er den Tisch vor ihm getreten, aber seine Vernunft obsiegte.

„Ist etwas passiert?“ In Tinas Blicken mischten sich neue Eindrücke, einerseits einer größer werdenden Besorgnis, aber auch eine gewisse Neugierde war zu erkennen.

„Ich habe heute Abend eigentlich noch Training, aber… na ja, ich habe nicht offiziell abgesagt und das… kann ich jetzt auch nicht mehr.“ Er kratzte sich stärker am Kopf. Rick bewegte sich zur Treppe, aber blieb stehen. Sein Körper wollte, dass er jetzt sofort zur Trainingshalle rannte, aber sein Kopf wollte nicht. Das Gewissen plagte ihn.

‚Ich kann doch nicht einfach gehen. Linda sagte, dass ich auf sie aufpassen soll. Aber der Wettkampf…, ich hab’s Chupo versprochen dieses Mal nicht zu fehlen.‘ Er sah angestrengt zu Tina. Nervös blickte sie zur Seite. Etwas ließ sie dieses Mal leicht erröten.

„Es tut mir furchtbar leid, aber ich habe heute Abend einen wirklich wichtigen Termin, den ich nicht absagen kann. Ich habe es jemanden versprochen. Das ist nur eine Stunde oder so, also nichts Langes denke ich. Ich wäre bald zurück. Das ist doch o.k, oder?“ Tina wirkte überrascht und mit hektischen Handbewegungen war ihr die Überforderung ins Gesicht geschrieben.

„Äh… ja… ja… wegen mir kein Problem…, immerhin bin ich ja Gast hier und ihr habt ja auch zu tun. Du musst da wirklich nicht auf mich Rücksicht nehmen.“

Rick bekam durch ihre demütigen Worte Mitleid und dadurch wuchs sein schlechtes Gewissen, jedoch verstärkten ihre Worte aber auch den Wunsch jetzt loszurennen, um rechtzeitig anzukommen.

‚Ich muss gehen…, vielleicht kann ich das doch noch irgendwie hinbiegen. Linda wird schon nicht sauer sein, wenn Tina sich selbst beschäftigt.‘

„Also… es gibt im zweiten Stock eine Art Bibliothek, die nutzen wir auch zum Lernen…, der auch abschließbar ist! Dort gibt es eine Vielzahl Bücher… vielleicht hilft es dir und du kannst irgendetwas über dich herausfinden. Es tut mir wirklich leid wegen den Termin, wirklich! Das Training darf ich einfach nicht absagen.“ Ein Blick auf die Uhr stresste Rick noch mehr. Er rieb seine Finger ungeduldig aneinander. Jetzt musste er wirklich los.

„Ja.., geht schon wirklich in Ordnung. Lass dich nicht von mir aufhalten.“ Sie klang vorsichtiger und unsicher. Ihre Stimme wurde leiser.

Mit einem zögerlichen Nicken machte sich Rick auf seine Trainingstasche zu packen, um dann in einem Höchstsprint zur Trainingshalle zu eilen. Sein Herz klopfte wie wild. Wie viele Minuten hatte er noch Zeit?
 

Nördlich in Orange, nahe der nördlichen Küsten, im Schul- und Trainingszentrum der Insel, ca. 30 Minuten Fußweg vom Hauptquartier entfernt:

Schwer atmend stützte er sich am Holzzaun ab, der den Weg von Wiesen abgrenzte. Er spürte den Druck in seinen Lungen, er spürte wie sein Körper sich gegen die plötzliche Anstrengung wehrte. So einen schnellen Sprint würde sich spätestens übermorgen rächen. Seine Arme und Beine zitterten schon. Rick hatte aber Glück im Unglück. Er kam zwar zu spät, aber weil sein Lehrmeister ebenfalls zu spät kam, würde es niemanden interessieren. Nur den hämischen Spott seiner Trainingskollegen musste er sich anhören.

„Da kommt der endlich! Heute wohl auch verschlafen?“ Der Kommentar einer seiner Kollegen ließ Rick aufschauen. In der Ferne des Weges, aus dem er hergerannt kam, lief eine dürre große Gestalt. Eingekleidet in einer dünnen Wolljacke und dunkelgrünen Trainingsklamotten aus hochwertigen Stoff. Sein Schuhwerk waren einfache weiße Turnschuhe. Für Rick ein unverkennbarer Klamottenstil.

Jedoch sah Rick heute etwas, was er nie geglaubt hätte zu sehen. Sein Lehrmeister tauchte mit einer leichten Kopfwunde auf und einem dunkelblauen linken Auge. Zielsicher wie immer schritt er zum Eingang und öffnete die Türen zur Halle, sodass alle hineintreten konnten. Keiner wagte es im ersten Moment nur ein Wort über das Auge zu verlieren, bevor Chupo nicht außer Reichweite war. Er verhielt sich so, als wäre nichts. Seine ermahnenden Worte, dass keine Zeit verlieren zu war, klangen wie immer. Seine Verletzung sah aus nächster Nähe sehr schmerzhaft aus.

‚Ist die von heute? Woher kommt die Verletzung? Hat er sich geprügelt? Kann ich mir aber nicht bei Herr Chupo vorstellen? Vielleicht ein Unfall? Autounfall oder sowas? Wobei so selten wie hier ein Fahrzeug herumfährt? Irgendwo dagegen gelaufen? Manchmal ist er so geistesabwesend?‘ Seine Trainingskollegen spekulierten in der Umkleide und brachten ihre Thesen in einer unvorsichtigen Lautstärke hervor:

„Round-House-Kick gegen so einen Hünen vom Hafen. Die prügeln sich doch so gerne.“ Ein anderer erwiderter mit lauter Stimme sofort:

„Also ob…, Lehrer machen so was nicht. Das war ein Überfall oder sowas.“

„Lehrer machen so was nicht. Äh äh äh…, halte einfach die Fresse. Du hast doch keine Ahnung von sowas!“ Nach jedem weiteren Kommentar verzog er weiter seine Mundwinkel. In seinen Augen war das sehr respektlos gegen über Chupo.

„Haltet doch einfach den Rand!“ Rick schaute dabei den Jungen im Mittelpunkt an. Ein dicklicher Junge, der keine hohe Motivation besaß. Er beschäftigte sich im Training mehr damit über andere herzuziehen, als wirklich selber sich zu beteiligen.

„Äh… haltet doch einfach den Rand! Was mischst du dich jetzt hier ein!“ Im Inneren kam der Wunsch auf seine Faust schnurgerade in das Gesicht seines Gegenübers zu rammen, aber noch hielt ihm die andere Stimme im Kopf im Griff.

‚Er ist es nicht wert, dieser Saftsack. Der kapiert doch eh nichts.‘

„Äh was ist? Ist jetzt was, hä?!“ Rick ignorierte den Jungen und trat in die Halle.
 

Als alle achtzehn Teilnehmer anwesend waren, erfolgte zuerst die Begrüßung, daraufhin 15 Minuten Aufwärmtraining. Im Anschluss 15 Minuten Synchronübungen der ganzen Truppe. In den letzten 60 Minuten wurde die Gruppe aufgeteilt. Die Neulinge übten mit vereinzelten Älteren, während die restlichen Älteren untereinander Trainingskämpfe durchführten. Bei Rick war das heute sogar ein besonderer Trainingskampf. Mit seiner Siegesserie von 13 Siegen und nur 4 Niederlagen in einem Jahr, führte er die Spitze der Junggruppe des Kampfsportvereins von Orange an. Heute musste er nochmal einmal ran, bevor er zu den Qualifikationskämpfen in Festa - übernächsten Monat - hinfahren durfte.

Sein heutiger Gegner war Worran Meckley, der Sohn von Gerron Meckley, ein alter Polizist im Ruhestand. Worran war sozusagen die Nummer Zwei des Vereins und für Rick die nervigste Person in ganz Orange, noch nerviger als der Saftsack. Nicht einmal seine Freundin konnte an ihren schlechten Tagen so nervig sein wie dieser Typ, aber Worran tat aber auch alles um seinen Ruf zu verteidigen. Es fing damit schon an, dass er seine Hand weit in die Hüfte presste und mit einem herablassenden Blick auf die Jüngeren der Gruppe schaute. Mit einer leicht erhobenen Stimme verwies er dann auf deren Fehler. Leider hatte er in den meisten Fällen sogar Recht.

‚Arroganter Trottel.‘ Fiel Rick immer wieder dazu ein.

‚Aber wenigstens ernst zunehmen im Kampf.‘

Chupo bat beide Teilnehmer zur Wettkampfmatte zu kommen. Sie befand sich ein wenig abseits in der Halle, weit weg von den anderen. Während der Lehrmeister mit den beiden zur Matte trat, beobachtete Ricks unabsichtlich die Verletzung. Ihm wurde das schon sehr unangenehm wie oft seine Augen dazu gezwungen waren das blaue Auge zu begutachten. Mit Sicherheit hatte das Chupo mitbekommen und das steigerte Ricks schlechtes Gewissen um ein Vielfaches.

‚Ach verdammt! Ich muss mich auf die heutige Sache konzentrieren!‘ Er war kurz davor mit beiden Händen auf die Backen zu schlagen, aber ihm wurde danach immer kurz schwindelig, deshalb ließ er es bleiben.

„Rick! Konzentriere dich! Lass dich nicht von unwichtigen Dingen ablenken!“ Die Worte seines Lehrmeisters bestätigten Ricks Befürchtung. Zusätzlich bestraften ihn die vorwurfsvollen Blicke. Das arrogante Lächeln von Worran, was dabei größer wurde, ließ Ricks Hände schlagartig zu Fäusten werden.

„Schieb dir dein Lächeln sonst wo hin!“

„RICK! Ich sag’s dir heute nur noch einmal! Noch einmal so ein Ausfall und ich verbanne dich zum Mattenschrubben!“ Nicht so voluminös und erschaudernd wie die zornige Stimme von Linda, aber ermahnend genug, dass Rick wieder zu Sinnen kam. Seine spontanen Wutausbrüche waren jetzt wirklich nicht zu gebrauchen.

„Hach.“ Schallte es von der Seite. Rick konnte es nicht unterdrücken und warf seinen Kontrahenten einen bösen Blick zu. Seine Hände ballten sich erneut zu Fäusten, aber genau das durfte jetzt nicht passieren. Unbedachte Aggressivität führten ihn sonst nur in schwerwiegende Probleme, wie es sonst immer so war.

„Rick! Hast du mir zugehört?“ Rick schaute selbstbewusst zu Chupo und nickte zustimmend.

„Gut.“ Chupo verwies auf die Wettkampfmatte.

„Ihr kennt die Regeln. Keine Angriffe auf kritische Zonen, keine übermäßige Gewalt, keine Beleidigungen, keine Drohungen!“ Das letzte Wort betonte er stark. Etwas müde setzte sich Chupo vor die Lehrmatte in Schneidersitzposition und wandte seinen Blick kurz vom Geschehen ab. Von oben herab sah seine Verletzung im Gesicht und das blaue Auge noch unangenehmer aus.

‚Was ist bloß passiert?‘

„Hey!“ Hörte er von der Seite rufen. Worran war inzwischen auf die Matte getreten und nahm seine typische Starthaltung ein. Rechter Fuß nach hinten. Linke Körperhälfte leicht nach vorn.

‚Depp. Jeder nach ein paar Trainingsstunden kann das.‘ Unbeeindruckt blickte er seinen Kontrahenten an.

„Kommst du heute noch? Wir sollen doch anfangen!“ Die leicht erhöhte Stimme verschlimmerte die unterschwellige Verachtung zwischen den Worten.

‚Der nervt mich jetzt aber wirklich. Zeit ihn zu Boden zu bringen.‘ Rick trat ebenfalls auf die Matte und nahm seine leicht abgewandelte Grundposition ein. Rechter Fuß leicht nach vorn, linker Fuß schräg nach hinten. Beine nicht angespannt. Rechter Arm angewinkelt nach vorn, linker Arm die Schulter leicht verdeckend. Die rechte Körperhälfte war leicht nach vorn gerichtet.

„Also Achtung! Bereit? Dann beginnt!“

Die Umgebung ausblendend, starrte Rick auf jede Zuckung, die sein Gegenüber machte.

‚Vermutlich eine Gerade zur Täuschung, um mir dann mit einem Tritt gegen das Schienbein das Gleichgewicht zu nehmen oder er versucht es mit einer Finte und einem Bodycheck.‘

Im linken Augenwinkel sah er es, die erste Bewegung seines Gegners. Worran ließ seinen rechten Arm von unten hochschnellen, während er sich leicht nach vorne neigte. Rick stand nur 1,5 Meter von ihm entfernt und die Matte endete einen Meter hinter ihm. Worran streckte bei der Vorwärtsbewegung seine Hand aus, aber Rick bemerkte, dass die Gewichtung auf seine Beine zu seinem Angriff nicht stimmte, sofern Worran versuchte mit seinem Angriff Rick von der Stelle zu stoßen.

‚Das ist sicherlich die Finte, dann wird er vermutlich gleich abspringen, um mich umzustoßen.‘

Worran verlagerte sein Gewicht nach vorn und stieß sich vom Boden ab. Da Rick damit rechnete, ignorierte er den Stoß mit der Handfläche auf seiner Brust, der sofort verpuffte, weil die Kraft dahinter fehlte und packte sein Gegenüber am Oberkörper, als sich dieser zu ihm bewegte. Rick packte Worran entsprechend so, sodass er ihn mit Leichtigkeit zurückdrängen könnte. Weil sein Gegenüber sich nach vorn gelehnt war, konnte Rick durch seine Abstützung mit dem linken Fuß nach hinten, so viel Kraft aufbauen, dass er Worran weit genug zurückstoßen konnte, sodass dieser außerhalb der Kampfmatte landet.

„Ein Punkt für Rick. Sauberer Konter. Worran…, gute Finte, aber du bist noch lesbar wie ein Buch. Du musst versuchen mit deinen ersten Bewegungen deine Folgebewegungen zu verschleiern.“

„Haarrr…, nur der Anfang.“ Worran drückte sich problemlos vom Boden wieder in die Hocke. Seine Laune war sichtlich dahin und er mit boshaften Blicken bestrafte er Rick, der für einen kurzen Moment ein schadenfreudiges Grinsen unterdrücken musste.

„Ich weiß, dass das viel Energie kostet, aber der erste Angriff ist immer entscheidend beim Kampf. Diese endlosen Kämpfe aus den Kampffilmen gibt es so nicht. Meistens reicht ein unerwarteter Schlag aus, um den Kampf sofort zu entscheiden. Berücksichtigt das immer!“ Er klatschte in die Hände und verwies mit seiner rechten Hand auf die Matte:

„Aufstellen und bereit machen für Runde 2! Es endet erst wenn elf Runden gekämpft wurde.“
 

Ca. 40 Minuten später:
 

Die Kraft fehlte inzwischen in seinen Oberarmen, sodass Rick Worran nur schwach zurückdrückte. Zähnefletschend brummte ihn sein Gegenüber an. Die Schweißperlen tropften ihm von der Stirn.

‚Ich muss mich mehr anstrengend, so komme ich bei den Qualifikationen nicht weit.‘

Rick registrierte eine Bewegung und sein Körper zitterte aus Reflex, aber Worran war nur kurz nach hinten gewichen. Langsam spielte Ricks Verstand ihm Streiche.

‚Sein rechtes Bein zuckt, dann geht ihm wohl die Kraft aus.‘ Rick verlagerte sein Gewicht auf die rechte Seite, sodass er Worran bei einem Angriff schnell packen konnte und ihn mit einem Wurf zur Seite an ihm vorbei zu Boden warf. Worran verlagerte sein Gewicht wieder nach vorn und stieß nach vorn, aber sein Stoß war schwach. Rick packte den Jungen und warf ihn zu Boden. Ein zorniges Grollen war die Antwort Ein Klatschen folgte. Chupo war inzwischen aufgestanden und schaute zuerst zu Rick:

„Gut! Damit ist das hier für heute zu Ende. Es steht neun zu zwei für Rick. Ich muss dich heute loben, du hast deine Fehler vom letzten Mal nicht wiederholt. Ich spürte jedoch ein wenig Zorn in deinen Handgriffen. Pass auf, dass du nicht dadurch deine Bewegungen verrätst. Ich bin mir sicher die Qualifikationsrunden werden gut. Und Worran… zu dir.“ Sein Blick schweifte zu Ricks Konkurrenten:

„Du hast die Bewegungen von Rick nicht gelesen. Du hast dich zwar gebessert, was deine Bewegungen angeht, sodass du in Runde 2 und 3 Rick das Leben schwergemacht hast, aber gegen Ende verlierst du die Geduld.“

Worran schaute während der Belehrung von Chupo angestrengt an ihm vorbei. Ein paar flüchtige Blicke verrieten jedoch, dass er sehr sauer auf Rick war.

‚Der Junge kann nicht verlieren.‘

Chupos Belehrungen nahmen mehrere Minuten ein. Rick wandte sich irgendwann gelangweilt ab. Er ging zu seinen anderen Kameraden, die entweder trainierten oder auf den Matten faullenzen. Viel Zeit verblieb nicht, denn das Training fand bald ein Ende. Chupo bat Rick jedoch noch einmal zu sich, nachdem die anderen die Halle verlassen hatten.

‚Die Abfahrt und das ganze Zeug nach Festa wird sicherlich anstrengend. Bestimmt muss ich wieder zum Amt.‘ Eine gewisse Vorfreude machte sich in ihm breit, die jedoch schlagartig verschwand und einem Unbehagen wich, als er den ernsten und vorwurfsvollen Blick von Chupo bemerkte. Verwirrt schwieg Rick ihn an, als Chupo mit verschränkten Armen vor ihm stand. Seine Haltung wurde angespannter und Rick spürte ein Kribbeln seinen Nacken hinunterkriechen.

„Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?“ Noch verwirrter starrte Rick Chupo an. Seine Anspannung in den Händen löste sich und mit ausgestreckten Händen hob Rick sie gestikulierend vor sich.

„Schwierigkeiten?“

„Steckst du in Schwierigkeiten?! Hast du irgendwie Ärger mit irgendwem?“

„Nein…, also nicht das ich wüsste.“ Angestrengt versuchte Rick sich zu erinnern, bis ihm die Sache mit dem Krater einfiel. Dort hatte er die Polizei umgangen bzw. belogen. Ricks Arme senkten sich und leicht nervös ließ er die Finger seiner rechten Hand aneinander reiben. Chupo schwieg und schaute ihn weiterhin an. Eine ungewisse schwere Last lag plötzlich auf seine Schultern. Der Krater ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

„Hast du dich mit irgendwelchen dubiösen Typen angelegt, hast du Geld geliehen von den Typen am Hafen oder nimmst dieses abscheuliche Zeug?“ Wieder schaute Rick völlig überrascht in das Gesicht seines Lehrmeisters.

„Abscheuliches Zeug?“

„JA DROGEN! Du scheinst mir etwas zu verheimlichen, Rick!“ Die Worte von Chupo klangen immer mehr nach einer Anschuldigung. Im Blick seines Lehrmeisters konnte er einen geringen Groll wahrnehmen. Etwas, was Rick bisher noch nie bei Chupo gesehen hatte.

„Nein…“ kam es erst schwach über die Lippen von Rick.

„Nein!“ Wurde er lauter. Es erzürnte ihn. Seit Monaten achtete er darauf sich gesund zu ernähren und Sport zu treiben, wieso sollte Chupo – der das vor allem wusste – auf solch eine Frage kommen? Drogen sind schädlich und extrem schädigend für Sportler. Linda war bei dieser Thematik sehr überzeugend gewesen. Es wäre Selbstmord, wenn Linda davon erfahren würde.

„Hast du sonst etwas angestellt, dass du deswegen von sehr dubiosen Typen verfolgt wirst? Die Typen lauern dir übrigens auf.“ Plötzlich fühlte es sich für Rick so an, als hätte ihn jemand zu Boden gezogen. Ein eiskalter Schauer lief es ihm den Rücken runter. Schweißperlen bildeten sich langsam auf seiner Stirn.

‚Verfolgt werden? Ich werde verfolgt? Von wem? Dubiosen Männern? Etwa… etwa wegen dem Krater und Tina?‘ Rick bekam den Wunsch sich umzusehen, aber wer sollte ihn hier in der Halle beobachten.

Chupo wandte sich zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs ab und fuhr über seinen rechten Arm, bevor er diese wieder verschränkte. Eine sehr untypische Haltung für Chupo. Schnell lösten sich die Arme wieder und er blickte erneut zu Rick:

„Dich hat in der Stadt ein großer muskulöser südländischer Typ beobachtet. Er hat das ziemlich professionell gemacht. Dieser Typ ist gefährlich und verdammt aggressiv!“

‚Klingt so, als kennt er ihn?‘ Rick brauchte einen Moment um ein paar Worte zu finden und wieder selbstsicher zu werden:

„Dann… dann rufen wir die Polizei und buchten den Deppen ein oder wir holen Linda und vermöbeln ihn, was auch immer der Penner von mir will. Ich habe keinen Stress mit irgendwelchen gefährlichen Typen. Ich nehme keine Drogen, und ich habe auch kein Geld geliehen. Keine Ahnung was der Typ will. Ich weiß es nicht verdammt!“

„Dann glaube ich dir, aber nicht destotrotz ist das eine ernste Sache. Wer weiß was die machen wollen und… ob sie eigentlich nur dich beschatten.“ Chupo wirkte abgelenkt. Sein Gesichtsausdruck wurde nervöser und er fasste sich an den Kopf.

„Vielleicht geht es auch nicht direkt um dich.“

„Etwa…, dass es etwas ist, mit dem ich zu tun habe?“

„Oder es geht um jemand anderes. Wir müssen sofort mit Linda sprechen. Weißt du wo sie ist? Ich erreiche sie nicht!“

Rick fiel in diesem Moment seine Freundin ein.

‚Alina! Warte…, was ist, wenn sie auch verfolgt wird? Ich bezweifle, dass sie von irgendjemand eingeschüchtert wird, aber…. Vermutlich hätte ich davon schon mitbekommen…, wobei ich schon eine Weile nichts mehr von ihr gehört habe. Ich muss sie anrufen!‘

„Rick!“ Die ermahnende Stimme seines Lehrmeisters ließ den Jungen wieder auf das Gespräch konzentrieren.

„Ich habe den Mann angesprochen und er hat gezielt nach dir und nach der Gilde gefragt. Die Situation ist zu ungewiss und zu gefährlich, sodass ich ihn nicht direkt bei der Polizei gemeldet habe. Ich weiß nicht wer dahintersteckt und was mit euch passiert. Ich muss wissen was der Grund dafür ist?“

Rick schüttelte zornig seinen Kopf. Es ärgerte ihn ein wenig, dass sein Lehrmeister sich so feige verhielt, auch wenn ihn die Tatsache beunruhigte, dass ein Lehrmeister sich so fürchtete.

„Ich werde Linda auch anrufen! Wir müssen das Linda sofort sagen. Sie weiß mit Sicherheit weiter.“

‚Und ich muss Alina dringend anrufen.‘ Rick wollte zur Umkleide, zu seinem Rucksack.

„Ich begleite dich zum Hauptquartier, dann reden wir mit Linda und dann mit der Polizei. Ich bin auch kurz in meiner Umkleide. Pass auf, ja?“ Die energische Betonung zum Schluss verunsicherte Rick. Wusste Chupo mehr als er zugab?
 

Ein paar Minuten später:
 

Die ersten Male blieb er noch ruhig, aber als nach den dritten Versuch Alina nicht erreichte, wurde er sehr nervös. Im Anschluss versuchte er Linda zu erreichen, aber bei ihr konnte er nur auf den Anrufbeantworter sprechen. In großer Eile stürmte Rick aus den Trainingshallen. Sein Lehrmeister wartete an der Tür. Ricks Blick fiel sofort auf die verschiedenen Wege, die zur Trainingshalle führten, aber niemand war zu sehen. Im Anschluss stürmte der Junge ohne Rücksicht auf Verluste geradeaus.

‚Die Typen müssen mich erst einmal einholen kommen. Wehe die haben Alina was angetan.‘ Chupo stresste es sehr, dass er dem Junge hinterhereilen musste. Die ermahnenden Worte nahm Rick nicht einmal wahr. Sein Ziel war das Hauptquartier. Sein Blick schweifte zwar immer wieder nach rechts oder nach links, wenn er um eine Ecke ging oder an einer Gasse vorbeitrat. Das Gefühl beobachtete zu werden in jeder neun Straße, die er betrat, stresste ihn.

‚Die haben Chupo das Auge verpasst und jetzt hat er Schiss…, wer sind die bloß?‘ Rick sah mehrere Leute in der Stadt und bei jedem zweiten bekam er das Gefühl, wenn er den Anforderungen eines Kämpfers entsprach, dass dieser ihn womöglich heimlich beobachtete. Ricks‘ innere Stimme, die immer wieder ermahnte, dass die vermeintlichen Beobachter nicht dem entsprachen, was Chupo zuvor erklärte, brachten den Jungen nicht davon ab unruhig durch die Stadt zu hetzen. Beinahe wäre er mit einem Fahrradfahrer zusammengestoßen, der sich darüber lautstark beschwerte.

‚Verdammt! Ich bin total abgelenkt! Aber auch so ein Schwachsinn, irgendwelche Typen die mich beschatten. Warum sollten sie.‘ Ihn machte es wütend, dass es ihn doch so sehr beeinflusst. Ricks Augen weiteten sich jedoch, als er in die Straße einbog, die am Hauptquartier endete. In der Ferne konnte er ein bekanntes Leuchten erkennen. Ein wiederkehrender schimmernder Blauton. Es wurde still und kalt, als er den Trupp Polizisten sah, die angestrengt und nach etwas suchend vor dem Hauptquartier streunten. In seinem Kopf zogen Vorstellungen von grausigen Taten durch den Kopf.

‚Das kann doch nicht deren Ernst sein?‘ Blitzschnell stürmte er vor. Er musste sichergehen, dass nichts was er befürchtete wahr ist. Als er näherkam, hielt ihn einer der Polizisten auf:

„Hey! Ja…, wer bist du und was willst du hier? Hier ist eine polizeiliche Untersuchung.“ Ein hochnäsiger Blick und heruntergezogene Mundwinkel starrten den Jungen an. Ein plötzlich aufkochender Zorn in Rick entfachte sich und veranlassten den Jungen zu an dem Polizisten vorbeizustürmen ins Hauptquartier, ohne ihm zu antworten.

„HEY!“ Brüllte der Polizist hinterher und eilte ihm nach, er wurde jedoch von Chupo aufgehalten, der ihn direkt mit lauter Stimme ansprach. Rick eilte in die Halle und dort sah er Linda mit einem muskulösen jungen Mann in Uniform reden. Ein paar weitere Polizisten standen vereinzelt in der Halle. Lindas Blick war eine Mischung aus Entsetzung und Nervosität, manchmal mischte sich das mit einem aufkeimenden Zorn, wenn sie ermahnenden ihren Finger heben will, es aber dann doch lässt. Ihr Gegenüber schien dies zu bemerken, aber nicht darauf zu reagieren. Weiter mit verschränkten Armen redete er in einer eigenartigen gelassenen Stimme auf Linda ein.

Als Rick zu den beiden trat wechselte die Gildenmeisterin sofort das Wort an ihn und erklärte ihm in einer ernsten teilweise traurig klingenden Tonlage, dass unbekannte Entführer Alina vermutlich in den Fingern haben. In dem Schreiben wird ihr Name nicht erwähnt, aber Tina befindet sich im Moment in ihrem Zimmer und weitere weibliche Gildenmitglieder gab es im Moment nicht. Als Linda erwähnte, dass Tina eventuell nach der Situation befragt werden könnte - denn möglicherweise wüsste sie etwas - stürmte Rick sofort die Stufen hoch. Beim Hochstürmen hörte er sich zwei Polizisten sich unterhalten, einer meinte, dass dies womöglich mit den Entführungen der Touristen zu tun haben könnte.

‚Nein…, sie darf nicht das nächste Opfer sein. Ich muss wissen wer es war. Tina muss was gesehen haben. Sie muss jemanden gesehen haben!‘ Zuerst öffnet er ohne zu klopfen die Tür und erschrak, als er Tina schlafend im Bett vorfand. Leicht errötet zog er sich zurück und schloss die Tür. Energetisch klopfte er anschließend an der Tür.
 

Tinas Worte, dass sie nichts wusste, machten den Jungen wütend, aber er wollte nicht seine schlechte Laune an ihr auslassen. Ein Teil von ihm wollte ihr vorwerfen, wieso sie nichts mitbekommen hatte, aber seine innere Stimme brachte ihn wieder zu Vernunft.

‚Was ist bloß mit mir los?‘

„Die Entführung ist eine ernste Sache. In fünf von zehn Fällen finden wir die Opfer nicht wieder. In diesem Fall ist aber ein Erpresserbrief dabei, vermutlich handelt es sich nicht um dieselben Täter.“ Der Polizeichef verwies mit seiner linken Hand auf den Brief, der sein Kollege in der Hand trug.

„Ach lassen sie die verdammte Farce. Wir wissen doch genau wer dahintersteckt.“ Ermahnte Linda mit lauter Stimme. Ihre boshaften Blicke zeigten jedoch keine sichtbare Wirkung beim Polizeichef.

„Nicht dieses Mal.“

‚Ja! Das muss jemand anderes sein!“ Mit verzweifelten Blicken starrte Rick zu Boden, während er seine Hände zu Fäusten ballte. Als der Polizist mit dem Erpresserbrief an ihm vorbeitrat, riss Rick ihm das Dokument aus den Händen und las sich ihn schnell durch. Der Polizist echauffierte sich erst lautstark darüber, bevor er nach dem Brief griff. Die Zeit reichte jedoch aus, sodass Rick die Worte sich verinnerlichen konnte. Etwas kam ihm bei der Wortwahl vertraut vor. Der genannte Ort hatte der Junge schon einmal gehört, aber er wusste im Moment nicht woher.

‚VERFLUCHT!‘ Innerlich schreite er. Die Lösung fühlte sich greifbar an.

„Also du bist… im Moment zu Gast hier bei Linda Westallya. Ferien oder so etwas und du warst heute hier allein?“

„Ja.“ Antwortete Tina mit einem zögerlichen Nicken. Sie wirkte stark von ihrem Gegenüber eingeschüchtert. Immer wieder lauschte Rick die Worte von Tina, wenn er nicht mit seinen Gedanken bei dem Erpresserbrief war.

„Du musst doch was gesehen haben, du warst doch hier.“

„Ich… also… ja… da… ein Junge! Ein Fahrrad! Jemand auf einem Fahrrad fuhr plötzlich davon. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er machte einen unfreundlichen Eindruck auf mich. Kurz darauf fand ich die Zeitung“ Tina zitterte. Alle um sie herum schienen sie jedoch nur anzustarren. Rick bekam für ein Moment Mitleid.

„Du meinst ein Unbekannter auf dem Fahrrad, der plötzlich davonfuhr, als er dich sah. Dieser Junge… war er womöglich hier in dieser Halle? Hat er zu dir was gesagt? Und was machte ihn so unsympathisch… ähm unfreundlich?“ Bei den Worten „Fahrrad“, „schnell“, „unsympathisch“ und „Junge“ fiel Rick eine ganz bestimmte Person ein, die öfters in Orange herumlungerte und wie ein Gestörter durch die Stadt heizte. Im Moment darauf fiel bei Rick der Groschen.

‚Diese BASTARDE!‘ Rick fühlte sich bei dem Gedanken bekräftigt. Sein Herz klopfte wie wild, dass er auf die Lösung kam.

‚Ja genau! Die sind zu allem fähig! Und nur die würden von so einem Ort reden. Dieser Ort… es muss es sein!‘ Sein Blick schweifte zur Eingangstüre.

‚Ich muss sie einholen!‘ Am liebsten wäre er auf der Stelle davongestürmt. In den Moment, als er Linda den Rücken zuwandte und sich zum Sprint in Richtung Eingangstür ansetzte, spürte er eine vertraute, dennoch angsterfüllende Schwere auf seiner rechten Schulter. Eine zärtlich aussehende Hand hatte sich kurz auf seiner Schulter abgelegt, bevor eine markante weibliche Stimme in sein Ohr hallte:

„RICK!“ Der Anfang machte deutlich, dass es eindeutig an ihn adressiert war:

„Ich sehe schon, dass du nach ihr suchen willst, aber das kann ich nicht erlauben! Wir können jetzt nicht unvorsichtig handeln. Hast du Alina schon angerufen?“ Die Worte machten ihn sehr zornig. Seine Hände verkrampften sich und ihm widerstrebte es hierzubleiben. Wieso würde Linda sich auf diese unfähigen Polizisten verlassen sollen?

„Ja habe ich! Und sie kennt nicht ran! Wir müssen sie sofort suchen gehen und nicht hier planlos herumstehen!“

‚Verdammt! Ich weiß wo sie sind! Sie sind im verlassenden Hauptquartier im Wald, dort muss ich jetzt suchen!‘ Hätte er gern als Ergänzung hinzugefügt, aber sein noch klarer Verstand ließ ihn diese Dummheit nicht sagen. Eine Überschreitung der Grenze wurden mit Strafen belegt und nach Ricks Meinung waren die Polizisten nicht mehr als die Kampfhunde dieses schleimigen Bürgermeisters, die das Gesetz liebten.

„Du bleibst hier! Ich werde das mit der Polizei regeln, du musst dich um Tina kümmern. Du kannst sie nicht wieder allein zurücklassen, sie ist unser Gast!“ Linda deutete mit einer leichten Kopfbewegung zu Tina und betonte ihr letztes Wort besonders.

‚Warum?!‘ Die Hände von sich schlagend drehte er sich nun zu Linda um und blickte die Gildenmeisterin zornig an:

„Was soll das?! Ich bin doch nicht ihr Kindermädchen! Sie ist doch bestimmt fähig auf sich selbst aufzupassen! Wie alt ist sie denn, drei?“ Im nächsten Moment fühlte er eine weitere Schwere, nur dieses Mal in seinem Herzen und das etwas in ihm eine Art Trockenheit verursachte, die ihm fast den Atem nahm. Der leichte Schweiß auf seinem Körper perlte von der Hand.

‚Oh, das war jetzt dumm.‘ Im Gegensatz zu seiner Freundin fürchtete er die Folgen, wenn er so in der Gegenwart von Linda sprach. Schnell plagte ihn das Gewissen. Schon wieder war er zu egoistisch gewesen.

Die Entführung III --- Die Schattenseite

[Tina]
 

Die durchdringenden Augen des Polizeichefs ließen jeden Muskel in ihrem Körper erstarren, bis eine energische Stimme den Polizeichef ablenkte und Tina aus seinem Bann freiließ. Sie atmete kurz ein und musste erst einmal die Konfrontation verdauen.
 

„Sie sehen doch, dass Sie nur das Mädchen einschüchtern. Sie kam erst nach einer langen Reise hierher und nun wird sie schon so einem Stress ausgesetzt, das kann ich nicht dulden, Herr Stahl.“ Der ruhige, aber machtvolle Blick, des Mannes ruhte nun auf Linda, die ihn unbeeindruckt anschaute. Sie hatte etwas ermahnendes im Blick. Im Grunde log Linda jedoch über die wahre Herkunft von Tina. Der Mann wandte sich ab und begutachtete wieder das Mädchen.
 

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Miss.“ Tina wusste nicht wen er genau ansprach, aber er blickte sie direkt an.
 

„Ich mache nur meine Arbeit.“
 

„Dann machen sie die richtig und schüchtern sie nicht meinen Gast ein.“ Tina war ein wenig beeindruckt von Lindas Talent. Der Polizeichef schien ihr zu glauben und dadurch fühlte sie sich jedoch auch ein wenig schuldig.
 

Im Augenwinkel nahm sie wahr, dass Linda nicht mehr beim Polizeichef stand. Plötzlich ging die Gildenmeisterin zielstrebig in Richtung des Ausgangs. In dieser Richtung stand Rick. Sie blieb vor ihm stehen und schien etwas zu sagen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte leicht angespannt. Der Anfang der Diskussion konnte Tina nicht gut verstehen, aber als die Gildenmeisterin lauter wurde und dadurch die anderen Personen im Raum stiller, hörte das Mädchen fast jedes einzelne Wort.
 

„Du bleibst hier! Ich werde das mit der Polizei regeln, du musst dich um Tina kümmern. Du kannst sie nicht wieder allein zurücklassen, sie ist unser Gast!“ Es ließ Tina innerlich anspannen. Peinlich berührt strich sie sich über den Oberarm.
 

‚Er hat mich nicht allein gelassen, aber jetzt bekommt er deswegen Ärger. Wegen mir.‘
 

„Was soll das?! Ich bin doch nicht ihr Kindermädchen! Sie ist doch bestimmt fähig auf sich selbst aufzupassen! Wie alt ist sie denn, drei?“ Die Worte von Rick stachen tief, auch wenn Tina sofort verstand, dass er es wahrscheinlich nicht so ernst gemeint hatte. In seinem anschließenden demütigen Blick, der sie im Anschluss anschaute, erkannte sie seine Reue. Nicht destotrotz steckte hinter allem ein wahrer Kern. Seine Freundin war entführt worden. Tina konnte Ricks Blick nicht weiter erwidern. Zu stark bedrängten sie die Schuldgefühle.
 

‚Hätte ich doch nur besser aufgepasst.‘
 

„Ist es das? Habe ich dich so gelehrt mit Gästen umzugehen? Sie als Ballast zu sehen? Sie in aller Öffentlichkeit so zu demütigen?“ Lindas Stimme erhob sich. Ricks Blick neigte sich zu Boden. Tina bekam mit ihm Mitleid. Eine innere Stimme ermahnte sie laut auszurufen, dass es doch nicht so schlimm für sie war, aber sie zögerte.
 

„Nein.“ Die Energie und Intensität in seiner Stimme hatten stark abgenommen.
 

„Nein, also! Ich werde mir überlegen, was ich mir als Ermahnung ausdenken werde, aber jetzt gehst du zu Tina, entschuldigst dich und gehst mit ihr hoch.“ Linda atmete kurz ein und wieder aus. Sie fuhr sich kurz über ihren linken Oberkörper, als hätte sie Schmerzen gehabt.
 

„Du verlässt nicht dieses Gebäude und suchst eigenständig nach ihr. Ich werde Alina finden, versprochen! Ich kehre nicht zurück, bis ich sie zurückgeholt habe.“ Der Junge nickte. Sein Blick weiter gesenkt zum Boden. Rick seufzte im Anschluss. Als er wieder aufschaute, blickte er zu Tina und ging langsam zu ihr. Ihr Herz klopfte schneller, denn die umliegenden Blicke der Polizisten ruhten nun auf ihr. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Umfeld etwas von ihr erwartete.
 

‚Warum schauen mich alle plötzlich so an?‘
 

„Tina.“ Sie horchte auf.
 

„Ich entschuldige mich bei dir. Ich sehe dich nicht als Ballast. Es ist mit mir durchgegangen. Ich…ähm… also ich… es ist so, dass…“
 

„Es ist schon o.k. Ich weiß es wegen all dem hier. Es ist eine furchtbare Situation. Du denkst an Alina.“ Tina lächelte. Sie versuchte währenddessen das peinliche Gefühl zu überspielen, das im Moment ihren Körper übernahm. Rick blickte für einen Moment überrascht auf, dann nickte er zustimmend. Ohne länger zu verweilen, ging er mit gesenktem Kopf, aber mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, die Treppen hinauf. Der Druck von ihren Schultern nahm nicht ab. Sie fühlte sich immer noch schwer. Tina folgte ihm zögerlich die Treppen hinauf.
 

„Sie haben die Gören ja gut im Griff, Frau Westallya. Respekt wie schnell sie dem Burschen gezeigt haben wie der höfliche Umgangston funktioniert.“ Hörte Tina den Polizeichef mit erhobenen Worten. In seinem Ausdruck schwang Arroganz mit, die Tina als sehr unangenehm empfand. Sie traute sich nicht zurück zu blicken.
 

„Ich höre das hier nicht gern, wenn jemand meine Schützlinge als Gören bezeichnet! Wenn sie Respekt von Ihnen einfordern, dann seinen sie gefälligst selbst respektvoll, Herr Polizeichef!“
 

‚Linda ist ein guter Mensch.‘ Ihre Worte hatten etwas ermutigendes, wodurch Tina kurz vor Freude die Tränen in den Augen stand. Der Polizeichef kommentierte die Aussage nicht.
 

Wenige Minuten später vor dem Zimmer des zweiten Stockwerk des Hauptquartiers:
 

„Der Typ ist ein Arsch und ein Lakai des Bürgermeisters. Die Leute reden zwar gut über ihn, aber ich mag ihn nicht besonders.“ Rick öffnete die Tür zu dem Raum, indem Tina sich zuletzt ein paar Bücher angesehen hatte. Rick hatte ihn als Lernraum bezeichnet. Er ging hinein und schloss die Türe, nachdem Tina hindurch gegangen war.
 

„Die werden niemals Alina finden. Erst müssen sie die bescheuerte Genehmigung organisieren.“
 

„Eine Genehmigung? Um Alina zu befreien?“ Schockiert blickte sie Rick an. Er ließ kurz seine linke Hand zu einer Faust werden und lockerte diese im Anschluss wieder. Sein Fuß stand bedrohlich vor dem Tischbein des Arbeitstisches, als würde er gleich ausholen und zutreten wollen.
 

„Im Grunde ja, aber nur weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit jenseits dieser bescheuerten Grenze liegt.“
 

‚Er weiß wo sie ist?‘ Tina blickte ihn überrascht an, aber sie traute sich nicht nachzufragen. Sie fand kein sinnvolle Fragestellung. Rick ging nach dem Moment des Schweigens zum Fenster und schaute hinaus. Er schien nach etwas zu suchen. Tina legte ihre Hände zusammen und amtete vorsichtig ein:
 

„Warum… hast du… das… nicht zuvor erwähnt? Also…, wenn du weißt wo sie ist.“ Sie blickte dabei zur Seite.
 

„Weil es hinter der Grenze liegt und wir alle von hier nicht dorthin dürfen. Dieser verdammte Bastard verhängt dafür immer so abartige Strafen. Diese Gebühren sind abartig und haben alles kaputt gemacht.“
 

‚Das klingt sehr belastend. Wie kann es nur solche Menschen geben?‘ Tinas Hände verkrampften ein wenig. Ihr Herz fühlte sich ein wenig schwerer an.
 

„Also würde… die Polizei Alina nicht retten wollen, wegen den Strafen?“ Tina brauchte keine Antwort, da sie in seinem Blick die Antwort schon erkannte.
 

‚Aber wieso kann die Polizei da nichts unternehmen? Ist sie nicht dafür da, oder?‘
 

„Ich sehe dir an, dass du dich fragst wieso die ach so tolle Polizei hier auf dieser Insel so nutzlos ist. Dieser elendige Haufen… mehr als herum zu nörgeln können die nicht. Vor einer echten Gefahr verkriechen die sich unter dem Schreibtisch vom Bürgermeister.“ Tina empfand seine Worte als hart formuliert, doch die Erkenntnis darüber, dass dies wohl wahr sein könnte, betrübte sie noch mehr.
 

„Dieser Mr. S und der Bürgermeister arbeiten zusammen. Die Polizei gehorcht dem Rathaus, also gehört alles diesem Bastard. Auf dieser Insel war das noch nie anders. Dafür hasse ich diese verdammte Insel.“
 

„Also das ist alles so furchtbar. Und ihr seid trotz des Stresses so gutherzig zu mir.“ Rick schmunzelte für einen Moment sehr müde und blickte traurig zu Tina.
 

„Ich finde es persönlich wirklich schade, dass du schon mit dieser Wahrheit der VERDAMMTEN Insel konfrontierst wirst. Am liebsten wäre ich auch schon längst fort, aber…“ Rick blickte ein weiteres Mal aus dem Fenster, dann ging er zu Tina. Ein wenig peinlich berührt, als sie bemerkte, dass Rick doch sehr nahe zur ihr heran kam.
 

„Es ist ein offenes Geheimnis, auch wenn mir Linda aus Angst nie etwas erzählen würde, aber Mr. S hat mit dem Verschwinden von Leuten zu tun, die in sein Gebiet gehen, ohne gefragt zu haben. Aber niemand interessiert das. Niemand interessiert es ein SCHEIß, wenn dort etwas passiert, jemand verschwindet oder stir…“ Rick stoppte abrupt und wandte sich wieder von Tina ab. Ihr Herz klopfte wild und sie hatte Gänsehaut bekommen, als sie seinen angestrengten Atem aus der Nähe gespürt hatte. Rick zitterte für einen Moment, dann hielt er sich am Tisch fest, der an die Seite des Raumes geschoben war. Sein Gesicht verzog sich kurz schmerzverzerrt. So kurz, dass Tina es für einen Wimperschlag wahrgenommen hatte.
 

‚Was ist mit ihm?‘ Geschockt ging Tina vorsichtig zu ihm. Zögerlich streckte sie ihre Hände langsam nach ihm aus, aber sie stoppte.
 

„Rick? Alles in Ordnung? Was ist passiert? Kann ich dir helfen?“
 

„Ist schon gut, Tina. Ich komm gerade vom Training. Ich bin ein wenig aus der Puste. Das ist alles.“ Der im Anschluss folgende Blick versicherte Tina, dass sie nicht nachhaken sollte, auch wenn sie das wollte. Das Gefühl nichts beizutragen zu können verstärkte sich. Unsicher strich sie sich mit ihrer ausgestreckten Hand wieder über ihren linken Oberarm.
 

Es verging einigen Minuten in dem sich beide anschwiegen. Rick blickte eine Zeitlang aus dem Fenster, dann starrte er immer wieder in verschiedene Richtungen, bis dieser plötzlich zur Tür ging und hinausschaute. Durch die offene Tür nahm Tina wahr, dass keine Stimmen mehr aus der Halle zu hören waren. Rick schlich sich hinaus. Schnell war er um die Ecke verschwunden. Überrascht eilte sie zur Tür. Mit nervöser Hand hielt sie sich am Türrahmen fest und blickte um die Ecke. Rick war schon die Treppen hinunter zum ersten Stockwerk gelaufen. Die mit Teppich belegten Stufen dämmten die Schritte. Tina bemerkte, dass er am unteren Ende der Treppe zielstrebig über das Geländer hinabschaute.
 

‚Er schaute schon wieder so angestrengt. Was soll ich tun? Hierbleiben? Hat er etwas vor?‘
 

Plötzlich winkte er Tina hinzu. Sie erschrak und ihr Herz klopfte schneller. Ihre Hand am Türrahmen verkrampfte sich ein wenig.
 

‚Ich…, aber…‘ Wie von einem magischen Bann angezogen schlich sie nervös die Stufen hinunter. Mit jedem Schritt kam sie dem Geländer näher. Von dieser Position aus konnte sie gut erkennen, dass die Halle inzwischen menschenleer war. Vor dem Hauptquartier stand jedoch noch ein Polizeifahrzeug. Da es inzwischen dunkel geworden war, konnte sie aber nicht erkennen ob sich jemand darin befand. In der Halle waren die Lichter ausgeschaltet worden.
 

‚Alle sind weg. Sie sind bestimmt bereits auf der Suche.‘ Sie hoffte, dass sie das taten, nachdem Tina sich an die Worte von Rick erinnerte.
 

Mit dem Finger an den Mund gelehnt, machte Rick deutlich, dass sie ihm leise folgen sollte.
 

‚Er wird nicht auf Linda hören.‘
 

Tinas Befürchtung bewahrheitete sich, er schlich sich weiter zur Treppe, die hinab in die große Eingangshalle führte.
 

‚Das Polizeiauto da draußen. Können die uns nicht sehen? Was ist, wenn sie uns sehen?‘ Immer wieder blickte sie nervös zu dem Auto. Als Tina wieder zur Rick schaute, stand dieser schon in der Küche und winkte energisch Tina herbei.
 

‚Entschuldige.‘ Sie eilte ihm hinterher.
 

„Also wenn ich gleich die Tür öffne, schleichst du dich hinaus und schaust ob jemand da ist. Ist niemand da, dann schleichst du vorsichtig zum Zauntor. Bleib in Deckung und stell dich nicht in irgendein Licht einer Straßenlaterne! Dann gehst du auf die andere Seite des Weges, hinein in den Wald. Verstecke dich dort hinter den Büschen.“
 

„Ich bin dir keine Hilfe, wenn ich mitkomme. Ich bin nicht gut in so etwas… ich bin doch hier nur ein…“
 

Ein leichtes Schmunzeln von Rick stoppte sie:
 

„Du bist mir bereits eine Hilfe, wenn Linda dich nicht ausfragen kann. Ich nehme das alles auf meine Kappe, falls es dazu kommt. Außerdem möchte ich dich nicht allein in diesem Gebäude lassen.“ Für einen Moment blickte sie verlegen zur Seite.
 

„Aber nun los, wir dürfen nicht auffallen.“ Schnell verflog das Gefühl der Ruhe. Rick trat nach ihr in den Garten und schloss die Tür.
 

Unsicher und nicht fest zu Fuß schlich sie sich zum Gartentor. Jede Unebenheit im Garten fühlte sich wie eine Tretmine an, die sie gleich zu Fall bringen wollte. Als sie mit ihrer rechten Hand das Gartentor öffnete, fühlte es sich zwar wie ein Halt an, aber auch zeitgleich wie ein petzender Wecker, der Tina an offener Stelle verraten wollte, denn er quietschte lautstark und eine unangenehme Stille folgte dem Geräusch. Eine bedrückende Atmosphäre reihte sich der Stille an, sodass Tina nervös leise ausamtete. Es war zwar dunkel und außerhalb der Wegbeleuchtung kaum etwas zu erkennen, jedoch beschlich Tina das Gefühl, dass sie deutlich gesehen werden konnte, außerdem fühlte sie ein komisches Stechen im Nacken. Ein merkwürdiges Summen nahm sie um sich wahr.
 

„Wahhhh…“ Tina schreckte auf, als eine sanfte Hand ihren linken Arm berührte. Es war Rick der an ihr vorbei auf den Feldweg trat.
 

„Beruhig dich und versuche dich zurückzuhalten. Ich bin es nur. Bitte… versuch dich nicht zu erschrecken. Es ist ganz wichtig, dass du leise bleibst.“ Seine Stimme klang immer fordernder. Der Junge tastete sich voran, während er zielstrebig in verschiedene Richtungen schaute. Sie erkannte, dass ein paar Schweißperlen ihm von der Stirn glitten.
 

‚Er ist genauso nervös wie ich, aber nicht so feige. Ich muss selbstsicherer werden, um ihm zu helfen.‘ Rick verwies auf einen kleinen Pfad vor den beiden, der zwischen ein paar Bäume führte.
 

„Der führt… dorthin. Da… Grenze… entlang.“ Er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand.
 

Einige Meter nach den Bäumen stand ein Maschendrahtzaun, der scheinbar den Weg versperrte.
 

‚Das ist die Grenze.‘
 

Als Rick vor ihr auf den Pfad schritt, eilte sie ihm sofort hinterher. Unsicher blickte Tina währenddessen zurück zum Hauptquartier, das sich in der Dunkelheit wie ein großes Monster vor ihr aufbaute. Nichts schien darauf hinzudeuten, dass jemand die beiden gesehen hatte.
 

Ein Schauder jagte es ihr jedoch plötzlich über den Rücken, als sie bemerkte, dass die Tür, durch die die beiden in den Garten gelangten, langsam zufiel.
 

‚Was…? Rick hatte die Tür doch geschlossen gehabt, oder?‘
 

„Die Tür.“ Mit leicht offenem Mund und einem nachdenklichen Blick starrte sie in die Dunkelheit. Nur ein schwaches Mondlicht erleuchtete die Stellen abseits der Straßenlaternen.
 

„Was ist mit der Tür?“ Rick stellte sich neben ihr und blickte ebenfalls zurück.
 

„Sie hat sich im Moment geschlossen. Ich… weiß nicht…, ich denke Linda…, sie hat uns gesehen.“
 

„Du hast wirklich gesehen, dass die Tür jetzt gerade zufiel? Du hast Linda gesehen?“ Rick wirkte nachdenklicher. Aus seinem Gesichtsausdruck konnte Tina ableiten, dass dies nichts Gutes bedeutete.
 

„Nein… nicht Linda… ich… ich habe niemanden gesehen.“
 

„Linda…, aber… müsste noch nicht zurückgekommen sein und wenn sie es ist, dann haben wir nicht mehr viel Zeit. Jemand anderes…, jedoch… könnte es auch nicht gewesen sein. Vielleicht die Polizisten. Ich kann jetzt nicht zurück. Ich werde sie… holen gehen.“ Sofort stürmte Rick in die andere Richtung. Tina blickte ein weiteres Mal zum Hauptquartier. Vermutlich würde der Ärger klein bleiben, wenn sie jetzt zurückkehrte.
 

„Ich komme mit.“ Sie versuchte jeden feigen Gedanken zu verdrängen.
 

Rick war schon einige Meter vorangeschritten und folgte dem Pfad. Mit einer eindeutigen Handbewegung machte er klar, dass sie ihm schnell folgten sollte. Tina nahm ihren Mut zusammen und sie eilte ihm hinterher. Er hatte dabei ein schnelles Tempo. Am Maschendrahtzaun angekommen, lief Rick diesen entlang, aber er überschritt ihn nicht. Als Tina zum Maschendrahtzaun trat, der ihr nur bis zur Hüfte reichte und nicht allzu stabil wirkte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen Mann, der im Schatten eines Baumes stand, nur schwach beleuchtet vom Mondlicht. Er harrte wenige Meter von ihr entfernt. Der Maschendrahtzaun war das einzige Hindernis zwischen den beiden. Leicht rote Pupillen fokussierten sie für einen Moment aus der Dunkelheit an. Kurz bevor sie angefangen hätte zu schreien, stolperte Tina nach hinten und stieß sich unsanft das Becken an den steinernen Boden. Schweißgebadet blickte sie wieder in die Dunkelheit, den Schmerz vom Fall hatte sie schon verdrängt. Nichts war mehr von diesen Augen zu sehen. Keine Person im Schatten des Baumes. Der Baum stand einsam wie die anderen um ihn herum. Wenige Sekunden vergingen in Stille. Das Mädchen war sich nicht mehr sicher. Hatte sie sich das gerade nur eingebildet?

Die Entführung IV --- Der Wachhund

[Illan]
 

Was war da geradeeben passiert? In seinen Gedanken kam er nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Verunsichert blickte er nervös hin und her. Seine Finger kribbelten und er atmete schneller ein und aus. So ein Gefühl hatte er schon seit mehreren Jahren nicht mehr gehabt. Sein Herz klopfte ungewöhnlich schnell. Die unangenehmen Impulse von seinem Herzen störten seine Konzentration. Seine Finger verkrampften sich leicht an und gruben sich minimal in die äußere Baumrinde. Das alles passierte, weil sie ihn entdeckt hatte. Diese Überraschung hatte er nicht kommen sehen.
 

Er blickte um den Baum in die Ferne. Das Mädchen, das vor Schreck zu Boden gefallen war, war inzwischen aufgestanden. Illan kannte sie nicht. Vermutlich wieder ein Tourist. Den Jungen aber kannte er, sowie sein stürmisches Gemüt. Rick Nerafal, ein Mitglied der ortsansässigen Gilde. Soweit Illan das wusste, leitete Linda diese im Moment. Normalerweise müsste diese Gilde die Regeln der Insel kennen. Wieso er jedoch heute Abend in den Wald zur Grenze schlich verstand Illan nicht. Ein gefährliches Unterfangen, vor allem nachts. Doch Rick hatte Glück. Heute hatte Illan Dienst und der nordwestliche Wald war sowieso sein Überwachungsgebiet.
 

‚Dieser Junge lernt es nie!‘ Illans Blick schweifte zu dem Mädchen:
 

‚Und wer ist sie?‘ Sein Blick ging wieder zu Rick.
 

‚Hat das auch was damit zu tun, dass die Polizei anwesend war?‘ Die Polizisten waren jedoch wieder in die Stadt gefahren.
 

Illans Blick ruhte erneut auf dem Mädchen, das nervös mit Rick redete und in die Richtung zeigte, indem Illan zuvor noch seelenruhig stand und die beiden beobachtet hatte. Normalerweise wirkte Illans Magie auf andere wie ein Schleier, der seine Anwesenheit verbarg. Er würde somit aus der Wahrnehmung von den meisten Menschen gestrichen werden. Vor allem wenn es dunkel war. Magieunbegabte Menschen würden ihn so niemals unter normalen Umständen zufällig entdecken können. Illan hatte das oft angewandt bei seiner Arbeit. Bei Touristen war das immer eine ideale Möglichkeit sich an diese heranzuschleichen und diese ohne Vorwarnung außer Gefecht zu setzen.
 

Bei Rick hatte die Verschleierung vorher wunderbar geklappt.
 

‚Ich war unvorsichtig.‘ Genervt strich Illan sich über das Kinn, dann durch das Haar. Fokussiert begutachtete er das Mädchen. Nervös schaute sie immer wieder in den Wald.
 

‚Sie ist vielleicht eine Magierin. Das wäre sehr schlecht. Ich hätte besser aufpassen sollen.‘ Eine neue Magierin auf dieser Insel war selten. Es gab hier nichts von Interesse, vor allem nicht für Magier.
 

‚Hat sie etwas mit dem Polizeiaufenthalt zu tun?‘
 

Rick erhob plötzlich seine rechte Hand und verwies in Richtung Norden der Insel. Das Mädchen nickte zögerlich. Beide gingen im Anschluss weiter, nachdem Rick noch einmal mit prüfenden Blicken in den Wald sah.
 

‚Was will er in dieser Richtung? Hoffentlich bleibt er fort von der Grenze.‘
 

Wieder verkrampften sich seine Finger und sein genervter Blick ging kurz zum Gebäude des Hauptquartiers. Illan ärgerte sich, denn eigentlich galt seine Aufmerksamkeit einer anderen Person, die zur heutigen Nacht im Schatten des Gebäudes verweilte und das Hauptquartier beobachtete. Diese Person war sehr gut in das was sie tat. Illan hatte es noch nicht geschafft die Identität festzustellen, zudem verlor er die Spur, als das Mädchen angefangen hatte zu schreien. Illan schaute überrascht auf. Er suchte nach den beiden Jugendlichen.
 

‚Verdammt!‘ Illan bewegte sich von seinem Baum fort und eilte in die Richtung, in der Rick zuvor gezeigt hatte. Nicht unweit von ihm entfernt entdeckte er Rick.
 

Rick eilte hektisch voran. Seine Begleitung hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen. Immer wieder schaute sie über ihre Schulter nach hinten. Illan hielt deshalb Abstand. Zur Verfolgung nutzte er sein Gehör. Nachdem sein eigener Herzschlag wieder ein normales Tempo erreicht hatte, konnte er seine Umgebung wahrnehmen. Ab und zu konnte er die Stimmen der beiden Jugendlichen verstehen:
 

„Keine Sorge Tina…, ich habe nichts gesehen. Da war wirklich niemand. Mir entgeht nichts. Wir bleiben auch fürs erste auf dieser Seite der Grenze. Ich glaube auch nicht, dass um diese Uhrzeit Wachleute unterwegs sein sollten.“
 

‚Dieser närrische Junge.‘
 

„Aber ich habe wirklich jemand gesehen…, glaube ich.“
 

„Ich habe noch niemand hier gesehen und ich kann jetzt keinen Rückzieher machen.“ Er klang zorniger und seine Stimme wurde lauter.
 

„Tut mir leid, ich wollte nicht.“ Rick nahm an Geschwindigkeit zu.
 

‚Wo zum Teufel will der hin? In dieser Richtung liegt auf deren Seite dieses Haus von diesem Wissenschaftler, aber… das halte ich für unwahrscheinlich… und auf unserer Seite nur das alte Schwimmbad und dieses riesige Gebäude.‘ Illan erinnerte sich an etwas anderem. Das alte riesige Gebäude, dass offiziell Mr. S gehörte, aber nicht von ihm bewohnt wurde, wurde im Moment von ein paar Jugendlichen aus der Stadt belagert. Illan hatte das mitbekommen und war kurz davor gewesen, den Typen einen Besuch abzustatten, aber Geschäftliches kam dazwischen. Er musste aber diese Angelegenheiten aus dem Weg schaffen bevor seine Kollegen davon Wind bekamen. Es würde zu viel Aufruhr in der Stadt verursachen.
 

‚Will er die Raudis aufsuchen?‘
 

Rick stoppte an einer alten gepflasterten Straße. Der Maschendrahtzaun war durch diese gezogen worden. Ohne großen Aufwand überwandte er die Grenze. Im Moment zeigte er auf seine Begleitung keine Rücksicht. Mit verängstigen Blicken folgte sie ihm zögerlich und sie brauchte zwei Anläufen der Maschendrahtzaun zu überwinden. Gestresst fuhr sich Illan noch einmal durch das Haar, als die beiden Jugendlichen weiter der verfallenen Straße folgten.
 

‚Anscheinend kennt er immer noch nicht die Konsequenzen.‘ Illan blieb stehen und schaute auf seine Hände.
 

‚Ich muss wohl ernst machen. Irgendwie muss ich die von dort verjagen.‘ Illan würde gern auf Gewalt verzichten und hoffte auf eine sich begrenzende Eskalation, wenn er auftauchte.
 

‚Linda würde das mir nie verzeihen.‘ Zornig schüttelte er seinen Kopf.
 

‚Sie hat ihm immer noch nichts gesagt.‘ Illan vermied die Straße und verblieb verborgen im Wald. Parallel folgte er der Straße und kam bald zu einer Lichtung. Auf dieser Lichtung stand ein großes Gebäude. Gebaut vor über mehreren Jahrzehnten. Es wirkte nicht zerfallen, aber seit der Grenzerweiterung hatte niemand mehr in diesem Gebäude gewohnt. Die letzte größere Sache an diesem Ort war die Gruppe von Sprayern, die von Ulya abgepasst wurde. Es hatte für viel Aufmerksamkeit in der Stadt gesorgt. Mr. S hatte sie dafür schwer bestraft, aber seit diesem Ereignis hatte sich lange niemand mehr hierher getraut. Von den Sprayern war nur noch der halbe Satz an der Hauswand übriggeblieben ‚Orange Slasher, wir sind…‘
 

‚Vergangenheit.‘ Geisterte Illan durch den Kopf.
 

Ein kalter Hauch fegte über den Waldboden. Er wirbelte ein wenig die heruntergefallenen Blätter auf. Die sich bewegenden Bäume sahen von der Lichtung aus wie ein Kreis aus Ungetümen, die sich erhoben und tanzend auf die Lichtung herabschauten. Das grelle Mondlicht verstärkte den Effekt, da es erst ermöglichte die Spitzen der Bäume von der Lichtung aus zu erkennen.
 

‚Vollmond, das hatte ich ganz vergessen.‘ Nervös blickte er sich um. Bisher war ihm noch nichts aufgefallen.
 

Bei Vollmond wurde die Stadt von einer Kreatur heimgesucht, die der Schatten genannt wurde. Illan hatte sie aus der Ferne schon mehrmals gesehen. Eine dämonische Kreatur, die manchmal die Form einer alten Frau annahm. Dieser Schatten wird auch als Fluch von Orange bezeichnet. Sie tauchte auf, wenn der Mond auf die Insel herabschien. Selbst wenn der Vollmond nicht vollendet war, tauchte sie auf. Vereinzelt griff sie Bewohner an und verletzte diese schwer. Der Wald war jedoch nicht ihr Revier, sondern nur die Stadt, jedoch beruhigte es Illan nicht.
 

‚Hoffentlich bleibt sie heute dort.‘
 

Illan folgte den beiden Jugendlichen bis zur Grundstücksgrenze des Gebäudes. Er wollte nah an sie herankommen, um sie zu überwältigen, aber weil das Mädchen immer wieder nervös um sich schaute, verblieb Illan unruhig im Schatten.
 

„Der Wald ist unheimlich. Ich… ich habe immer noch das Gefühl, dass er hier ist.“
 

‚Verdammtes Mädchen.‘
 

„Glaube ich nicht, sonst wären diese elendigen Dreckskerle nicht hier und Mr. S hätte die schon längst rausgeworfen.‘ Rick betrachtete das geöffnete Holztor, dann verwies er auf etwas auf den Boden. Im Anschluss ging er durch das Tor. Sein Blick blieb daraufhin bei einer anderen Stelle hängen. Er blickte in einen Krater.
 

„Da ist also… die zweite Einschlagsstelle.“
 

„Wieder ein Krater.“ Das Mädchen wirkte überrascht.
 

‚Was ist mit dem Krater?‘ Illan hatte sich die Stelle schon einmal genauer angesehen. Etwas schlug vor wenigen Tagen ein. Er hatte nichts gefunden.
 

Rick zog plötzlich weiter und eilte weiter zur Eingangstüre. Die etwas erhoben lag. Wenige Stufen führten zu ihr hinauf. Rick wies im Anschluss das Mädchen an sich neben dem Haupteingang nahe einem Gerätehaus zu verstecken.
 

„Wenn jemand kommen sollte, schreie laut oder eile zurück! Sollte was passieren, renn zu Linda sofort!“
 

‚Er lässt sie Draußen warten, das heißt er hält es zu gefährlich für sie drinnen zu sein als hier draußen. Dieser Idiot, wieso hat er sie hierher mitgenommen?‘
 

Ein plötzliches Rascheln und ein leises Ausatmen in der Ferne schockierte Illan. Sein Blick schweifte zur Seite und er blickte in die Tiefe des Waldes. Jemand kam mit langsamen Schritten auf ihn zugelaufen. Ungefähr zehn Meter von Illan entfernt.
 

‚Wieso ist er hier?‘ Seine Augen weiteten sich und sein Herz fing wieder an zu rasen. Langsam mischte sich Zorn in seinem Erstaunen.
 

‚Wieso!?‘ Die Person trat näher und das Mondlicht erhellte sein Gesicht.
 

„Verflucht Johann.“ Die Abneigung stieg mit jedem Schritt, der er auf Illan zutrat.
 

„Riechst du das denn nicht?“ Ein schmaler straffer Körper. Wildes Haar und lässige Klamotten. Die Hände waren in seinen Hosentaschen. Diese leicht angespannte Körperhaltung. Illan ahnte nichts Gutes.
 

„Wieso bist du hier? Das ist nicht dein Gebiet! Halte dich an die Regeln, sonst wirst du eine Lektion von Mr. S erhalten!“ Brummte Illan zornig.
 

‚Verflucht. Er ruiniert alles.‘ Illan blickte nervös zum verlassenden Gebäude.
 

„Riechst du das denn wirklich nicht? Es ist so frisch…, man riecht das meilenweit durch den Wald.“
 

‚Er wird sich die beiden schnappen, ärgerlich.‘ Johann trat näher an Illan heran. Johann war fast ein Kopf kleiner als Illan, aber er schaute nicht hinauf zu ihm.
 

„Widersetzt du dich den Befehlen von Mr. S? Dein heutiges Gebiet war der Osten der Insel, hier hast du nichts zu suchen.“ Illans unterdrückte den Drang lauter zu werden.
 

„Ich bezweifle, dass ich derjenige bin, der sich den Befehlen widersetzt, schwächlicher Wachhund.“ Die Augen des Jungen verfärbten sich leicht in einen roten Ton. Die Adern in seinem Gesicht schwollen an. Johann öffnete seinen Mund und sein Gebiss verformte sich. Illan nahm einen leichten Duft war. Ein Duft den er nur allzu gut kannte, aber mied.
 

‚Diese Verfärbung… er hat doch nicht vor kurzem…‘ Johann stieß Illan plötzlich zur Seite. Eine Wucht stieß Illan fast einen Meter zurück. Johann machte sich im Anschluss auf dem Weg zum Gebäude.
 

‚Nein!‘ Illan wandte sich kurz nach dem überraschenden Rückstoß Johann zu, eilte zu ihm, packte ihn am Nacken und setzte all seine Kraft darin ihn zurück in den Wald zu katapultieren. Illan schaffte es ihn tatsächlich zu ziehen und dann mit all seiner Kraft zu werfen, aber Johann schien dies erwartet zu haben. Er landete auf allen Vieren. Seine Hände hatten sich inzwischen zu Klauen verformt, die Adern stachen hervor und die Gelenke wurden massiv. Seine spitzen Finger gruben sie sich in den Boden. Die Augen verfärbten sich dunkelroter, die Haut schwärzer, die Zähne spitzer. Den Duft, den er aussendete, intensiver.
 

‚Er ist tatsächlich vollgepumpt, das wird unangenehm.‘ Johann sprang von der Stelle ab und stieß gegen Illan, der rückwärts gegen einen Baum geschleudert wurde. Beim Aufprall erfolge ein lauter Knall. Ein Hieb von Johann folgte, der versuchte mit seinem ausgestreckten Arm tiefe Furchen in Illan zu schlagen, aber Illan nutzte die sich durch den Angriff ergebene offene Deckung von Johann und stieß dem Jungen mit einer Handkante gegen die Halsregion. Ein normaler Mensch würde davon schwere Schäden tragen, aber Johann wich davon nur taumelnd zurück. Genug Zeit, sodass Illan sich nun vorbereiten konnte. Spitze scharfe Knochen fuhren aus seinen Fingern. Die Gelenke wurden massiver und auch die Adern stachen hervor, jedoch verfärbte sich die Haut nicht schwarz. Seine Augen verblieben normal. An jedem Finger war nun eine fast 10cm lange Klinge. Illan sprang aus dem Stand ab, um mit einem erneuten Handkantenschlagen gegen die Halsregion seines Gegenübers den Kampf zu beenden.

Die Entführung V --- Entkräftet

[Rick]
 

„Wieder ein Krater!“ Er hörte die Überraschung in ihren Worten.
 

Ihm stiegen bei diesen Worten für einen Moment die Erinnerungen von Tina in den Kopf, wie sie nicht vor allzu kurzer Zeit in einem solchem Krater stand.‚Noch so ein Krater! Ist der… auch von dem Einschlag? Von drei Objekten war die Rede gewesen. Ist also hier auch… so ein Einschlag gewesen?‘ Sein Blick schweifte zu dem verlassenden Gebäude.
 

‚Ist hier auch jemand gelandet?‘ Seine Augen suchten die Umgebung ab, aber er war sich sicher, dass sich dieser jemand nicht hier draußen aufhalten sollte.
 

‚Ist ja sein Gebiet, wahrscheinlich schon längst bei ihm.‘
 

Die Fußspuren neben dem Krater waren nun im Fokus. Rick folgte mit seinen Blicken den Fußspuren von seinen Füßen zum Eingang des Gebäudes. Er suchte die Fußspuren, die aus dem Krater führten, aber plötzlich schüttelte er seinen Kopf.
 

‚Darüber mache ich mir später Gedanken. Ich muss wissen ob… nein… Alina ist mit großer Sicherheit hier.‘ Zusätzlich verrieten ihm die Menge an Fußspuren, dass hier vor kurzem ein paar Personen unterwegs waren. Potenziell konnte er vier Schuhgrößen ausmachen. Der matschige Boden verriet jeden Schritt. Der gepflasterte Weg zum Gebäude war durch die Überwucherung von Wildpflanzen zum Teil auseinandergebrochen.
 

Auch wenn der Drang zu Handeln ihn fast schon magnetisch in das Gebäude zog, sträubte sich sein Körper dagegen. Sein Schädel brummte. Seine Knochen schmerzten. Ein kurzer Moment von anfliegender Müdigkeit störte seine Konzentration. Die anstrengende Woche zollte langsam ihren Tribut. Seine Schultern fühlten sich schwer an. Eine Art Trance versuchte ihn zu übermannen.
 

‚Verflucht.‘
 

‚Ausgerechnet jetzt!‘ Er presste seine Zähne zusammen. Das machte schlechte Laune.
 

Der Müdigkeit zuvorkommend, eilte er zum Haupteingang. Sein Körper reagierte als Antwort mit einem quälenden Stechen im Rücken. Die plötzlichen Bewegungen akzeptierte er nicht so, wie Rick sich das vorstellte.
 

Der Eingang in das Gebäude war ein paar Stufen aufwärts. Die steinernen Stufen waren zwei Meter breit und endeten in einem alten Eisengeländer.
 

Neben dem Eingang war ein alter Geräteschuppen. Hinter dem Schuppen war fast ein Meter Platz bis zur Hauswand.
 

‚Bevor ich Tina mit reinnehme, stelle ich erst einmal sicher was da drin los ist.‘ Er schaute kurz zurück und bemerkte, dass Tina schon hinter ihm stand. Er verwies mit seiner linken Hand zum Geräteschuppen.
 

„Wenn jemand kommen sollte, schreie laut oder eile zurück! Sollte was passieren, renn zu Linda sofort! Ich hole dich ab!“ Tina nickte zögerlich, im Anschluss sah sie ihn unsicher an. Bevor er auf eine Antwort wartete, eilte er zur Tür die Stufen hinauf.
 

Er hörte Schritte hinter sich, wie jemand durch matschigen Boden schlappte.
 

Rick stand nun vor der großen Eingangstür. Eine massive Holztür, die mit Eisenanker an der Wand befestigt war. Die Bauweise des Gebäudes war massiv und auch der Rost hatte noch nicht zugeschlagen. Dafür, dass das Gebäude schon seit einigen Jahr leer stand, wirkte es aus der Nähe nicht so heruntergekommen wie manch andere Gebäude auf der Insel. Vorsichtig drückte Rick die Klinke hinunter und stieß die massive Tür mit einem Ruck auf. Sie schob sich dadurch nur minimal in den Flur. Ein großer Widerstand negierte Ricks Krafteinwirkung auf die Tür. Genervt strich sich der Junge über die Stirn. Er probierte einen zweiten Anlauf. Wieder stieß er gegen die Tür. Ein Quietschen war zu hören und erneut bewegte sich die Tür minimal. Mit all seiner Kraft versuchte er die Tür aufzudrücken. Für ihren optischen Zustand war sie ziemlich schwerfällig. Als die Türe einen kleinen Spalt offenstand, trat er hinein und ein modriger Geruch begrüßte ihn. Während er den aufwirbelnden Staub in der Nase spürte, überkam ihn ein unwohles Gefühl. Es fühlte sich so an, als hätte ihm jemand mit eisigen Händen in das Gesicht gegriffen. Ein Schauder jagte es ihm über seinen Rücken. Erinnerungen kamen hoch. Ein blutender lebloser Körper lag vor ihm auf dem Teppich. Die Hand ausgestreckt in seine Richtung. Die bleichen leeren Pupillen der Leiche starrten ihn an. Panisch riss er die Augen auf und schreckte zurück. Auf dem zweiten Blick war jedoch kein lebloser Körper oder Blut mehr zu sehen.
 

‚Verdammte Scheiße.‘ Schweißperlen liefen ihm die Stirn hinunter. Mit der linken Hand tastete er sich an der Wand ab, bis das Beben in seinem Körper wieder nachließ. Er schaute wieder in die Ferne des Ganges. Bis auf den widerlichen modrigen Gestank und den Staub nahm er nichts mehr anderes wahr. Das Gebäude war nach seiner Einschätzung mindestens zwölf Meter lang und entsprechend breit. Der Gang vor ihm entsprach einer Breite von zwei Meter. Jeweils drei Türen führten zu jeder Seite zu Räumen. Am Ende des Flurs entdeckte er ein Treppenhaus. Die linke Seite führte nach oben und die rechte Seite nach unten. Das Gebäude war mindestens drei Stockwerke hoch, aber wie groß der Keller war, das wusste Rick nicht.
 

‚Da… da hinten!‘ Er brauchte einen Moment, aber er erkannte ein schwacher Lichtschimmer, der von unterhalb des Treppenhauses nach oben strahlte. Als Rick einige Schritte in die Richtung des Treppenhauses ging und seine Hand weiterhin an der Wand entlangführte, spürten seine Finger irgendwann eine Bewegung. Er bildete sich ein, ein Vibrieren zu spüren. Leise atmete er aus und versuchte zu lauschen. Sein Gehör vermittelte ihm ein unscheinbares Brummen, das von irgendwo unterhalb stammte.
 

‚Licht, Vibrieren, ein Brummen…, benutzen die einen Trafo… Bat… Motor? Kond… wie hieß das… ach egal…! Sind da unten!‘ Für einen Moment musste er wieder einen Anflug von Müdigkeit unterdrücken. Die Dunkelheit an diesem Ort verbesserte nicht diesen Zustand. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust. Er war enttäuscht von seinem Körper.
 

‚Verflucht! Nicht jetzt! Ich muss weiter!‘ Mit mutigen Schritten trat er voran in Richtung Treppenhaus. Sein Herz klopfte stark. Weiterer Schweiß perlte sich von seiner Stirn. Er trat plötzlich auf etwas und etwas knackte. Wieder ging ein Schauder über sein Rücken und kurz stockte sein Atmen. Sein Blick wanderte nach unten. Vorsichtig hob er seinen rechten Fuß zur Seite. Reste eines Stuhls befanden sich auf dem Boden. Er hatte mit seiner Bewegung ein kaputtes Holzbein weiter zerteilt. Ein Nagel am Ende des Holzbeines zeigte in seine Richtung. Ganz knapp war er nicht hineingetreten. Er wäre vermutlich durch das Schuhwerk gegangen. Genervt trat er das Holzbein zur Wand.
 

‚Verflucht… ich bin zu unvorsichtig.‘ Sein Körper fühlte sich träger an und seine linke Schulter begann zu Schmerzen. Ein Stechen im Nacken reihte sich mit ein.
 

‚Verdammt nochmal, jetzt nicht!‘ Ein eigenartiges Gefühl machte sich in seinem Körper breit. Es hatte etwas lähmendes.
 


 

Plötzlich war ein entsetzliches Kreischen hinter ihm zu hören. Es klang nicht menschlich, sondern bestialisch, aber aus größerer Entfernung. Zuerst war es leise und unverständlich gewesen, aber schnell hatte es ihn erreicht und war über ihn hinweggefegt. Es hatte einen markerschütternden Hall, der durch Flur fuhr wie ein Windhauch.
 

‚Was war das? Das… klang ja schrecklich!‘ Er atmete langsam aus. Seine Augen suchten den Flur ab, er fand nichts was darauf deutete. Leicht war er in eine Abwehrhaltung gegangen.
 

‚Wieder eine Einbildung? Lässt mich mein Körper so sehr in Stich?‘ Sein Blick galt nun der geöffneten Tür in einigen Meter Entfernung.
 

‚Dieses Geräusch kam doch von draußen?‘ Rick beobachtete das Mondlicht, das durch die offene Tür in den Flur strahlte. Ein eiskalter Hauch legte sich auf ihn. Seine Müdigkeit verflog schlagartig für den Moment, denn ein schrecklicher Gedanke offenbarte sich.
 

Er riss seine Augen weit auf und atmete schockiert ein:
 

‚Oh verdammt! Der Schatten! Dieses Geräusch! Es klang genauso!‘ Panik stieg in ihm auf. Er hatte Tina Draußen gelassen. Schnell stürmte er zum Eingang, aber kurz vor der Tür blieb er stehen.
 

‚Nein… der Schatten taucht nur in der Stadt auf und… es macht keinen Sinn… warum sollte er plötzlich woanders sein? Oder?‘ Mit seiner linken Hand strich er sich den Schweiß von der Stirn. Nervös blickte er zurück zum Treppenhaus. Der Flur war weiterhin leer.
 

‚Haben die das da unten auch gehört?‘ Seine Hand näherte sich dem Türrahmen vor sich.
 

‚Ich sollte nachsehen ob es Tina gutgeht.‘ Rick schob sich zwischen der Tür hindurch. Er blickte über das Treppengeländer hinter den Geräteschuppen. Tina kauerte vor der Wand. Erleichterte Blicke schauten zu ihm auf, aber auch ihre Angst war zu erkennen.
 

„Alles o.k? Komm rein… es ist drin sicherer.“ Es war deutlich zu sehen, dass sie froh war ihn zu sehen.
 

„Verstecke dich drin.“ Prüfend sah er in den dunklen Wald vor ihm. Durch seine Müdigkeit war er sich nicht mehr sicher, was er in der Ferne wahrnahm. Es wirkte alles ein wenig verschwommen. Die Schatten der Bäume schienen zu tänzeln. Sein Verstand ließ ihm glauben Bewegungen in der Ferne wahrzunehmen, die nicht von den Bäumen standen.
 

‚Ich muss… ruhig bleiben.‘
 

Tina war zu ihm die Stufen hochgeeilt.
 

„Das war gerade ein schrecklicher Schrei. Das… ich weiß nicht…, ich habe so was… noch nie gehört.“ Ihre Stimme zitterte.
 

‚Wenn sie das auch gehört hat…, dann… war…, aber…‘, er schüttelte energisch den Kopf.
 

‚Eins nach dem andere. Ich muss mir später darüber Gedanken machen.‘ Rick zeigte mit seiner Hand zur Tür. Tina eilte an ihm vorbei, während sie immer wieder nervös zurückblickte. Rick ließ sie durch den Eingang passieren, bevor er selbst wieder in das Gebäude trat.
 

„Bleib bei der zweiten Tür links stehen. Ich schaue aber erst ob dort selbst nach ob es sicher ist.“ Während Tina sich langsam im Flur an der Wand vorarbeitete und immer wieder zu Rick schaute, blieb der Junge vor dem offenen Spalt stehen. Er bemerkte erst jetzt, wie dunkel es in diesem Gebäude war, denn er erkannte Tina kaum noch in ein paar Meter Entfernung. Nur das schwache Licht in der Ferne ließ ihn überhaupt die Möglichkeit eine Entfernung abzuschätzen. Rick stand nun einen Meter im Flur und betrachtete die Eingangstüre.
 

‚Ich schließe sie nicht…, wer weiß ob wir anders rauskommen.‘ Er wandte sich im Anschluss dem Flur wieder zu. Wieder plagte ihn ein Anfall von Müdigkeit. Die Schwerkraft, die sich auf seinen Körper auswirkte, fühlte sich stärker an. Das Pochen in seinem Kopf wurde schlimmer.
 

‚So schlimm war das ja noch nie. Warum… ausgerechnet jetzt?‘ Die Schulterschmerzen nahmen zu und eine Art Übelkeit stellte sich ein. Er vermied es mit der Nase einzuatmen, um nicht den widerlichen Gestank wahrzunehmen, der im Flur wahrzunehmen war. Rick holte zu Tina auf, die bereits bei der ersten Tür auf der linken Seite angekommen war. Rick legte seinen rechten Zeigefinger an seine Lippen, dann verwies er in die Ferne. Tina schaute in diese Richtung. An ihrem Blick erkannte er, dass sie nicht verstand was er meinte. Rick positionierte sich anschließend neben ihr vor der Zimmertür.
 

„Nein eine Tür weiter sagte ich doch.“ Demütig blickte sie ihn an. Rick wandte sich ab und ging vor. An der zweiten Tür auf der linken Seite des Flurs angekommen, drückte er langsam die Klinke nach unten. Vorsichtig schob er die Tür auf. Sie ging wesentlich leichter auf, als die Eingangstüre und das Quietschen der Scharniere war fast nicht zu hören. Dennoch stieß wieder ein starker modriger Gestank in seine Nase und für einen Moment fühlte er sich von etwas eingehüllt. Unangenehme Erinnerungen kamen hoch. Einzelne Bilder, dessen Zuordnung er schon längst vergessen hatte, aber einen Ort präsentierten, die in ihm eine stärkere Übelkeit hervorrufen. Für einen Moment blickte er in einen endlos langen Flur, der in einer Dunkelheit endete. Eine schwache Stimme, die ihm vertraut vorkam, aber die er nicht zuordnen konnte, rief seinen Namen. Eine komische Mischung aus Sorge und Schmerz plagten ihn. Die Übelkeit wurde stärker.
 

‚Alles in Ordnung?‘ Ihre Stimme beendeten den Albtraum und Rick realisierte, dass ihn wieder nur eine Einbildung geplagt hatte. Der endlose Flur war verschwunden, sowie die Stimme. ‚Das ist nicht zum auszuhalten!‘ Wütend rammte er die Tür auf und erschrak selbst, als dies ein kurzen Knall verursachte.
 

„Verflucht.“ Seine Stimme senkte sich und er wurde ein wenig ruhiger. Das unangenehme Pochen in seinem Herzen verblieb. Die Übelkeit konnte er zurückdrängen.
 

„Alles… in Ordnung? Du wirkst… ein wenig… anders… und blass.“
 

„Ja… das war keine Absicht.“ Rick trat einen Schritt in den Raum. Angestrengt blickt er durch das Zimmer. Er sah nichts besonders. Veraltete Möbel am Rand, ein alter grauer Teppich auf dem Boden. Ein Doppelglasfenster auf der gegenüberliegenden Wand und ein halbes Dutzend Stühle waren zusammengeschoben an der rechten Wand. Das Mondlicht erstrahlte durch das Fenster den Raum ausreichend hell, sodass er grob alles im Raum erblicken konnte. Es gab keine dunkle Ecke, die er nicht einsehen konnte.
 

„Es sieht hier sicher aus.“ Rick trat auf den Teppich und eine kleine Staubwolke stieg hoch. Unangenehm juckte seine Nase. Sein Körper zitterte. Genervt wich er zurück:
 

„Diese verdammte…!“ Er unterdrückte seinen Ausbruch. Ein leichtes metallisches Geräusch war zu hören, wie das einrasten einer Tür. Rick drehte sich verwundert um. Tina hatte die Tür geschlossen.
 

„Äh… ich dachte… für den Moment.“
 

„Verstecke dich hier und renn nicht mehr zu Linda, wenn etwas passiert, solange wir nicht wissen was das da draußen war.“ Er atmete kurz aus. Seine Finger fühlten sich kalt an.
 

„Ja… ich werde mich nicht wegbewegen, aber was ist mit dir? Du machst einen sehr angeschlagenen Eindruck.“ Tina hatte ihre Hände ineinandergelegt und besorgt begutachtete sie Rick. Nervös strich sie ihre Finger übereinander. Er wandte sich ab und ging zur Tür.
 

‚Nicht jetzt.‘ Seine Hand näherte sich der Türklinke, aber er bemerkte sein Zittern, das unnatürlich stark war.
 

„Rick?“
 

Sein Körper zitterte ebenfalls und ihm wurde langsam schwindelig.
 

‚Ich muss… mich… ausruhen. Kurz.‘ Er stützte sich an der Wand ab und setzte sich langsam ab. Zugleich ging Tina zu ihm und versuchte ihn irgendwie zu stützen. Mit gehobener Hand versuchte er einen Abstand zwischen den beiden zu erreichen.
 

„Kannst du für mich die nächsten fünf Minuten auf die Tür aufpassen. Ich muss mich kurz sammeln. Kommt wer den Gang entlang oder etwas anderes passiert, dann weck mich sofort!“
 

„Äh… ja……, aber was… wecken? Ich… ich verstehe nicht ganz? Bist du verletzt? Was… was ist los?“ Rick hatte sich schon hingesetzt und lehnte sich an die Wand. Langsam atmete er ein- und aus. Mit jedem Atemzug wurde er ruhiger. Die Übelkeit nahm ab, das Schwindeln wurde schwächer.
 

‚Nur einen Moment. Ich muss nur kurz runterkommen.‘ Das waren seine letzten Gedanken, bevor er sich in eine angenehme Schwere begab, die ihn schlagartig ergriff und in eine wohlfühlende Atmosphäre zog.

Die Entführung VI --- Die Grenze

[Chupo]
 

Sein blaues Auge schmerze noch immer und sein Schädel brummte. Das Gespräch mit dem Polizisten verbesserte die Situation auch nicht. Das Gespräch war auch eher ein Verhör, weil der Mann vor ihm immer wieder bescheuerte Fragen stellte und unterschwellige andeutete, dass er Chupo verdächtigte.
 

„Wo waren Sie?“
 

Genervt neigte Chupo seinen Kopf nach links, dann wenig später nach rechts. Er suchte eine sinnvolle Antwort darauf. Ihm geisterten nur sarkastische Kommentare durch den Kopf.
 

„Also wo waren Sie nun?“
 

„In der örtlichen Turnhalle. Ich habe mit den Kids trainiert.“ Er verwies mit seinem rechten Daumen die Straße entlang, die sich hinter ihm zum Stadtzentrum erstreckt. Der Polizist schaute in die Richtung, als würde er etwas in der Ferne sehen, dass die Antwort bestätigte.
 

„Wie gut kennen Sie Alina Mintal?“
 

‚Ach…, jetzt fängt er so an.‘ Wieder bewegte Chupo seinen Nacken nach links und dann nach rechts.
 

„Sie ist die Freundin von einem meiner Schüler.“
 

„Wer?“
 

„Rick Nerafal.“
 

„Wie behandeln Sie ihren Schüler Rick Nerafal?“ Langsam stieg in Chupo Zorn auf.
 

„Entschuldige Garbor, aber was sollte diese Frage jetzt? Du weißt wie ich die Kids trainiere…“, der Polizist erwiderte mit lauter Stimme und verzogener Miene:
 

„HERR TATHOLZ! Ich bin für sie Herr Tatholz! Ich stelle hier die Fragen, klar? Sie müssen nicht gleich ausfallend werden. Ich habe eine einfache Frage gestellt. Wie behandeln Sie Ihre Schüler?“
 

‚Was für eine Flachzange. Der kommt wohl immer noch nicht über Jaqlin hinweg. Nachtragend dieser Mistkerl.‘
 

„Verweigern Sie etwa die Aussage?“ Der Polizist starrte Chupo böse an.
 

„Jetzt halten Sie mal still, Herr Polizist. Was wollen Sie von mir hören? Ich habe wie gesagt Rick und die anderen trainiert. Alina habe ich nicht gesehen, aber da war dieser Mann in dieser Stadt, der Rick hinterhergeschlichen ist. Dieser südländische Typ halt… keine Ahnung woher der kommt. Ich habe den hier noch nie gesehen, aber er hat definitiv Rick nachgestellt. Vielleicht sollten sie ihr Augenmerk darauf richten.“
 

„Diese Information von diesem Mann ist neu und Sie haben nicht vorgehabt, dass der Polizei zeitlich zu erzählen? Sie wollen Lehrmeister sein und schützen nicht Ihre Schüler vor so einer offensichtlichen Bedrohung? So langsam wirkt ihre Geschichte ein wenig erstunken. Also was ist die Wahrheit? Gab es wirklich diesen Mann? Haben Sie vielleicht nicht selbst etwas damit zu tun?“
 

‚Jetzt wird er persönlich, dieses Arschloch.‘ Chupo verbiss sich die Worte, die durch seinen Kopf geisterten.
 

„Herr Tadholz…“
 

„TATHOLZ!“ Chupo spürte die Spucke im Gesicht, die der Polizist von sich gab, wenn er brüllte.
 

„Sind Sie unfähig Namen auszusprechen?“
 

Chupo erhob sein Gesicht und atmete kurz ein. Er spürte ein Stechen an den Schläfen.
 

‚Dieser…, aber den Gefallen tu ich dem Typen nicht.‘
 

„Meiner Meinung nach wird das hier zu persönlich. Kann es sein, dass Sie noch irgendeinen Groll gegenüber mir hegen. Vielleicht irgendwelche ungelösten Probleme aus alten Schulzeiten? Irgendetwas was Sie in ihrer Nachschulzeit immer noch nicht erfolgreich bearbeitet habt?“ Eine dunkle Röte machte sich im Gesicht des Polizisten breit. Der Mann plusterte sich auf, reichte Chupo aber maximal bis zu den Schultern.
 

„Sie… Sie liegen sich hier mit der Polizei an! Achten Sie auf ihre Worte!“
 

‚Wusste ich es doch. Immer noch der alte Saftsack.‘ Zwar amüsierte es Chupo, wenn sein ehemaliger Mitschüler seine Inkompetenz weiter zur Schau stellte, dennoch war Chupo auch der Ernst der Lage bewusst:
 

„Jetzt aber mal Schluss mit den Faxen, Herr Polizist. Hier geht es um eine Entführung und ich habe nichts mit der Sache zu tun. Finden Sie den richtigen Täter. Haben Sie nicht von einem Erpresserbrief erzählt. Fangen sie damit doch mal an. Es steht mit dem Typen, den ich gesehen habe sicherlich in Verbindung.“
 

„Schon wieder dieser mysteriöse Mann! Sie versuchen mich doch nur von meinen Fragen abzulenken! Und bekanntlich kommen die Täter doch zurück an den Ort…“
 

„Übertreibe es nicht Garbor! Ich war den ganzen Tag mit ein Haufen Schüler unterwegs. Mach‘ dich also nicht lächerlich, wenn du mir das hier unterstellst, dass ich damit etwas zu tun habe. Ich sag‘s dir mal direkt, wenn du weiterhin mit solchen Anschuldigungen ums Eck kommst, dann verklage ich dich wegen Verleumdung. Halt deinen persönlichen Groll von dieser Sache hier fern. Ich rühre keinen meiner Schüler an, ist das klar!“
 

‚Und der kann sich ja gerne seine Blamage abholen vor Gericht, wenn ich ihm dann über ein Dutzend Zeugen vorstellen werde, aber das ist mir hier jetzt zu dumm. Wir haben wichtigeres zu tun.‘
 

Der Polizist brummte zornig und Krampfadern pulsierten an seiner Stirn.
 

„Passen Sie auf was sie sagen! Ich buchte Sie noch wegen…“
 

„Wegen was? Sie kommen doch mit Anschuldigungen.“
 

„Unterbrechen Sie mich nicht!“ In der Stimme des Polizisten klang ein wenig Verzweiflung mit.
 

‚Er will wirklich dieses kindische Spielchen spielen, dann muss ich wohl zu gleichen Mitteln greifen wie bei aufsässigen Schülern.‘
 

Chupo erhob seinen Finger und verwies auf den Polizeichef, der noch im Hauptquartier stand. Durch die gläserne Front des Gebäudes war er gut zu sehen. Die Sonne war soweit am Horizont verschwunden, dass ihre Sonnenstrahlen nicht mehr von der gläsernen Front reflektiert wurden.
 

„Wenn du mich nicht weiter ernstnimmst, dann geh ich zu ihm. Die Sache mit dem Fremden, der Rick verfolgt hat, war mein völliger ernst. Wir müssen diesen Kerl dringend suchen und wenn der einfache Polizist das nicht ernstnimmt, dann muss ich zum Chef gehen und ihm das erklären.“ Der Polizist brummte zornig, dann blickte er zum Polizeichef.
 

„Er hat keine Zeit für solche Kleinigkeiten.“
 

„Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich kenn Heon gut.“ Chupo schmunzelte zufrieden.
 

„Sie kennen den Polizeichef nicht persönlich.“
 

‚Er kann es einfach nicht lassen.
 

„Ich werde die Fahndung für den Kerl rausgeben.“ Chupo schaute erstaunt zum Polizisten. Diese plötzliche Einlenkung hatte er nicht erwartet. Der Polizist drehte sich um und verwies auf eine Polizistin, die am Eingang stand und die beiden anschaute:
 

„Sie wird die Person für Sie aufnehmen. Beschreiben Sie die Person so ausführlich wie möglich und nun verschwinden Sie endlich.“
 

‚Dann muss ich zum Glück mit dem nicht mehr reden. Unerträglich dieser Honk.‘ Chupo ging an dem Polizisten vorbei und näherte sich der Frau. Er setzte ein geschmeidiges Lächeln auf.
 

‚Die kenne ich noch gar nicht. Sieht aber ganz gut aus.‘ In gerader Haltung und in einem respektvollen Abstand zu ihr, schaute er sie an. Sie schwieg noch zunächst, aber mit ihrem Blicken machte sie klar, dass er seine Begutachtung in Grenzen halten sollte.
 

„Ich wurde von Ihrem Kollegen geschickt eine Beschreibung zu liefern von einer Person, die einer meiner Schüler verfolgt hat. Ich habe mit ihm schon darüber geredet. Dieser Mann hat…“
 

„…ich habe das Gespräch mit angehört. Bitte folgen Sie mir zum Fahrzeug. Ich hole die Ausrüstung.“ Schon trat die Polizistin an ihm vorbei. Ein wenig überrascht und ein wenig genervt, schaute er ihr nach.
 

‚Ich habe das Gefühl, die wird genauso unerträglich wie Garbor.‘ Er folgte ihr zum Fahrzeug.
 

„Ich brauche ihren Ausweis und ihre Anschrift.“ In ihrer Stimme schwang Routine mit. Ein wenig nachdenklich griff er in seine Tasche. Er zog sein Geldbeutel heraus und überreichte ihr den Ausweis.
 

„Wie gut kennen Sie die Gilde und ihre Mitglieder? Sind Sie öfters hier?“
 

Chupo legte kurz seinen Kopf in den Nacken.
 

‚Jetzt fängt die damit auch schon an. Die sollen mal anfangen zu suchen und nicht versuchen den Schuldigen am nächsten Straßenschild ausfindig zu machen.‘
 

„Ich kenne die Gilde gut, auch schon vor ihrer Umstrukturierung. Ich kenne Linda schon eine ganze Weile und ich unterrichte mit…“, er streckte beide Hände aus und verwies mit seinen Zeigefingern um sich:
 

„…allen Kindern in der Stadt… ähm… ich unterrichte alle Kinder in der Stadt in Kampfkunst und übernehme den Sportunterricht der örtlichen Schule.“ Die Polizistin blickte ihn für einen Moment skeptisch an, dann schien sie etwas in ein Formular einzutragen.
 

‚Wollte sie nicht zunächst meine Daten zu dem Fremden aufnehmen?‘
 

Sie gab den Ausweis ihm zurück und öffnete das Polizeiauto. Sie suchte etwas im Vorderraum und zog einen Block und einen Bleistift hervor.
 

‚Endlich.‘ Chupo machte sich bereit und versuchte die unangenehmen Erinnerungen wieder hervorzurufen. Er versuchte sich die Begegnung wieder in sein Gedächtnis zu rufen. Sein Gedächtnis ließ ihn jedoch dabei ein wenig im Stich. Am ausgeprägtesten in seinen Erinnerungen sah er noch die Faust, die auf sein Gesicht zuflog und der große Schmerz, der folgte.
 

„Fangen wir mit dem Geschlecht und der Größe an.“ Sie hielt ihren Bleistift bereit.
 

„Männlich… und größer als ich. Also mindestens eins neunzig. Er war auch breit…, also trainiert, nicht so wie ein Bodybuilder, eher wie jemand der… Kampfsport schon seit längerer Zeit betreibt.“ Er hörte das kratzen. Sie schien mit wilden Bewegungen gemischt mit feinen Zügen etwas auf dem Notizbuch zu zeichnen.
 

„Noch weitere Merkmale? Augenfarbe, Muttermale, Narben?“
 

„Er war südländisch, also so typisch… nun ja, also dunkel…, aber nicht ganz… wüstenbräune… wissen Sie was ich meine?“ Sie antwortete ihm nicht.
 

„Aus Berianzo?“ Sie schaute ihm tief in die Augen. In ihren Blicken lag weiterhin diese Skepsis. Aus irgendeinem Grund wurde Chupo nervös.
 

„Ja…, ich glaube irgendwo daher. Ich meine… ich kenne sonst nicht weitere Orte woher so jemand kommen sollte?“ Ihr Blick wurde fordernder.
 

„Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber es gibt in Pestologa auch Völker, die ihren Beschreibungen entsprechen.“
 

Chupo bekam ein sehr schlechtes Gefühl. Er fühlte sich plötzlich aus ihm nicht verständlichen Gründen schuldig.
 

„Also… ich meinte das nicht so…“
 

„Weiter… welche Merkmale hatte er?“
 

Chupo kratzte sich am Kopf. Er musste eine Weile nachdenken. Welche sonstigen Merkmale hatte er?
 

„Augenfarbe?“ Ihre Stimme klang genervter.
 

„Ich glaube hellblau?“ Das verschwommene Bild von dem Mann, der sich vor ihm aufgebaut hatte, als Chupo ihn angesprochen hatte, wurde deutlicher:
 

„Und er hatte schwarzes Haar, nicht allzu lang, ungefähr bis hier.“ Er verwies auf sein rechtes Ohr. Die Polizistin notierte weiter.
 

„Und…“
 

Die Eingangstüre zum Hauptquartier wurde aufgeschlagen und jemand trat mit wütender Stimme heraus. Wild fuhr sie einen Polizisten an, der sich ihr in den Weg stellte.
 

„Was denken sie sich!“
 

„Frau Westallya!“ Die erhobene, aber dennoch ruhige Stimme vom Polizeichef war zu hören, der hinter ihr aus dem Gebäude trat. Die Gildenmeisterin blieb nicht stehen, sie bahnte ihren Weg durch die Handvoll Polizisten, die näher gekommen waren. Sie waren alle sichtlich verwirrt von der Situation.
 

‚So wütend habe ich sie ja schon lange nicht mehr gesehen.‘ Der Polizeichef stand an der Eingangstüre. Er machte ein leicht genervten Eindruck.
 

„Wenn der Bürgermeister keine Zeit im Moment hat, müssen wir geduldig sein, er…“, der boshafte Blick der Gildenmeisterin traf den Polizeichef, der seinen Satz stoppte. Mit ermahnendem Zeigefinger verwies sie in seine Richtung:
 

„Sie halten mich auch nicht auf!“ Sie schob den Polizisten zur Seite, der sich auch in ihren Weg gestellt hat. Dieser Mann wollle aus Panik seine Waffe ziehen, aber der Polizeichef rief mit lauter Stimme:
 

„Folgt der Gildenmeisterin, aber schadet ihr nicht. Haltet sie davon ab Unfug zu begehen, aber geht dabei möglichst sanft vor. Keine Gewalt, das ist nicht nötig. Sie möchte zum Rathaus.“
 

‚Rathaus? Gibt es schon wieder Probleme mit ihm?‘ Überrascht eilte Chupo der Gildenmeisterin hinterher, während sich die Polizisten um ihn ebenfalls in Bewegung setzen.
 

‚Die ganze Polizei setzt sich in Bewegung…, das ist nicht gut.‘
 

„Hey Linda! Was geht hier ab?“ Chupo versuchte Linda zu erreichen, aber sie hat von einem schnellen Gehen, auf einen Sprint gewechselt. Chupo hatte Mühe ihr hinterherzurennen.
 

„Hey Linda! Lass mich helfen, wenn ich kann.“
 

„Pass auf die Kinder auf, ich muss zum Bürgermeister.“ Im letzten Teil des Satzes nahm Chupo eine unterschwellige Drohung war.
 

‚Oh…, ich ahne auf was das hinausläuft. Sie wird ihm wahrscheinlich… im schlimmsten Fall Vernunft einprügeln.‘
 

„Hey Linda…, wegen der Entführung können wir auf eine weniger problematisch Lösung zurückgreifen. Die Polizei hat sich auch schon wegen dir in Bewegung gesetzt. Ich weiß nicht, ob… das jetzt so günstig ist.“ Chupo riet, dass der Bürgermeister vermutlich ihre Anfrage bezüglich etwas zur Entführung ignoriert hatte. Aber so ganz konnte er noch nicht verstehen was ihren Ärger so entfacht hatte.
 

„Entschuldige… eigentlich weiß ich nicht was gesagt wurde, aber… hast du ihn angerufen und er hat aufgelegt?“ Er hatte Mühe ihr hinterherzurennen. Sie jedoch schien fast schon mühelos das hohe Tempo beibehalten zu können. Hinter ihm hörte er die Sirenen der Polizeifahrzeuge starten. Linda bog daraufhin wenig später in eine Gasse ein.
 

„Also…“, sie blickte kurz zurück zu ihm und er sah ihren Mund öffnen. Wie ein weiterer Faustschlag in sein Gesicht traf ihn etwas Unsichtbares. Es durchdrang ihn wie ein Schuss. Es war ihre Stimme. Eine unnatürliche tiefe Frequenz mischte sich in ihre Stimme, sodass ihre folgenden Worte durch Mark und Bein gingen.
 

„BLEIB BEI DEN KINDER SAGTE ICH!“ Chupo blieb kurz der Atem stehen, als es in seinen Ohren noch nachhallte. Linda rannte weiter. Schweiß perlte von seiner Stirn. So etwas hatte er noch nie von ihr gehört.
 

‚Was war das? In diesem zornigen Zustand habe ich sie ja noch nie erlebt. Ich mache mir da keine Sorgen um die Kinder. Die Polizei bekommt das schon hin. Ich… ich muss sie davon abhalten Mist zu bauen.‘ Er hatte sie zwar aus den Augen verloren, aber er wusste wo das Rathaus stand.
 

Ein wenig später erreichte er das Rathaus. Die Eingangstüren waren aufgestoßen worden. Die Polizeiautos erreichten im selben Moment den Platz vor dem Rathaus. Die ersten Stimmen der Polizei durch Freisprechanlage forderten Chupo stehen zu bleiben, aber er stürmte in das Gebäude. Im Erdgeschoss befand sich niemand, aber er hörte das Gebrüll von Linda aus dem oberen Stockwerk. Die Treppen fast hinaufgestolpert bog er nach rechts und erreichte das Büro des Bürgermeisters. Die Polizisten waren ihm dicht auf die Fersen und ergriffen ihn als er im Büro stand. Sie wollten ihn herauszerren. Chupo wehrte sich.
 

Linda stand im Büro sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und stand bedrohlich vor dem Arbeitstisch. Aus ihrer Haltung war herauszulesen, dass sie kurz davor stand dem Arbeitstisch vor sich irgendetwas an zu tun. Auf der anderen Seite des Tisches saß Karstoll Lehm in seinem Bürostuhl. Der Bürgermeister hielt einen Kugelschreiber in der rechten Hand und klappte im Moment mit seiner linken Hand das offene Buche zu, das vor ihm lag.
 

„Frau Westallya…, anscheinend haben sie aus ihren Fehlern immer noch nicht gelernt. Egal wie oft sie mir noch drohen, direkt oder indirekt…“, er schob seinen Bürostuhl zurück und stand auf:
 

„es wird sie nicht zum Ziel führen, denn sie… haben zu dem Thema nichts zu sagen.“
 

„Das wird mich nicht abhalten meine Gilde zu beschützen, selbst wenn ich am Ende selber über die Grenze gehe und sie holen werde. Unabhängig was das für Konsequenzen hat. Die Schulden sind mir egal.“ Karstoll Lehm schaute sie an. In seinem Blick erkannte Chupo keinerlei Ärger, Verachtung oder Missgunst. Karstoll machte den Eindruck, als hätte er die Situation unter Kontrolle bzw. als hätte er all das hier erwartet. Die Polizisten zerrten Chupo nicht mehr weg, aber sie wollte ihm Handschellen anlegen.
 

„Das ist mir bewusst. Sie sind eine ehrenvolle und selbstbewusste Frau, aber ob sie wirklich immer das Beste im Sinn für ihre Gilde haben, das bezweifle ich. Sie wissen doch was für Konsequenzen das letzte Mal mit sich gebracht hatte? Ist das nicht auch der Grund, warum sie jetzt hier sind, statt – wie sie bereits angekündigt hatten – direkt dorthin? Sie fürchten sich vor den Konsequenzen und aus diesem Grund zwingen Sie mich. Ich muss jedoch erst Mr. S erreichen.“
 

„Schicken Sie ihre Leute sofort über die Grenze! Sagen Sie Mr. S, dass ich sie holen werde, egal was er davon hält. Er macht mir keine Angst. Wenn Sie nicht so feige wären, hätte Mr. S nichts mehr zu sagen.“ Der Blick von Karstoll wurde ernster.
 

„Frau Westallya…, wenn wir jetzt ungefragt über die Grenze gehen, wird diese Stadt zu Grunde gehen, geschweige von ihrer Gilde. Noch einmal übernehme nicht ihre Schulden.“
 

Linda wandte sich von dem Mann ab und ging aus dem Raum. Linda stoppte nicht, als sich zwei Polizisten vor ihr aufbauten. Sie schob diese mühelos zur Seite.
 

„Überdenken Sie ihr handeln. Es war eine gute Entscheidung von Ihnen direkt zu mir zu kommen. Ich kann Sie vor größeren Schäden bewahren. Die Stadt wird Sie nicht mehr beschützen können, wenn sie jetzt gehen.“
 

„Mr. S hält sich von meiner Gilde fern, wenn er weiß was gut für ihn ist.“ Linda trat in den Gang. Sie stand nun neben Chupo, dem inzwischen Handschellen angelegt wurden. Karstoll Lehm stand in der Mitte des Raumes. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war er nun nicht mehr so gelassen wie zu Beginn.
 

„Gehen Sie nicht! Sie werden der Stadt unnötige Probleme verursachen.“
 

„Ist mir egal.“ Sie bahnte sich weiter ihren Weg durch die Polizisten, die im Flur standen. Der Bürgermeister trat ebenfalls in den Flur.
 

„Sie lassen mir keine Wahl, Frau Westallya. Ich werde Rick Nerafal wegen Mordes an Elysa Westallya anklagen, wenn sie dieses Gebäude verlassen.“ Diese Worte ließen Linda stoppen und Chupo erkannte in ihrem Blicken plötzlich aufkommende Verachtung, wie er sie noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Sie drehte sich um und schaute den Bürgermeister einige Sekunden sprachlos an. Ein eiskalter Schauer jagte es über Chupos Rücken. Ihr Ausdruck hatte etwas Mörderisches. Es machte ihm Angst.
 

Der Bürgermeister stand mit erhobenem Haupte im Flur, die Hände hinter seinem Rücken. Sein Gesichtsausdruck war angestrengter.
 

Chupo schaute wieder zu Linda, die nun umringt war von Polizisten, die jedoch einen gewissen Abstand zu ihr einhielten, als würden sie sich ebenfalls vor ihr fürchten.
 

‚Des Mordes also. War Rick etwa doch für ihren Tod verantwortlich?‘ Erinnerungen an den Vorfall wurden hervorgegraben und Chupo erinnerte sich an die Nachrichten, die sich damals in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet hatten. Die offizielle Auskunft seitens der Polizei war, dass ein Mädchen namens Elysa Westallya östlich der Grenze bei einem Ausflug tödlich verunglückt war. Rick Nerafal und Alina Mintal hatten sie damals begleitet, aus den Augen verloren und tot aufgefunden. Laut der Polizei hatten die drei keine Genehmigung gehabt die Grenze zu überschreiten. Aus diesem Grund wurden die Ermittlungen zu diesem Fall eingestellt.
 

‚Ich verstehe.‘ Chupo wurde zornig. Linda hatte ihm diesen Fakt verschwiegen, aber er verstand nun warum und das missfiel ihm. Elysa Westallya war eine Person gewesen, die ihm nahestand.

Die Entführung VII --- Die Begegnung

[Tina]
 

Entsetzt blickte sie Rick an, der zusammengesackt an der Wand gelehnt saß und eingeschlafen war. Seine verkrampften Hände lockerten sich. Schweiß perlte sich noch von seiner Haut ab, aber sein Körper wirkte ruhiger. Seine letzten Worte hallten ihr noch durch den Kopf, aber es wurde still um sie herum. Tina versuchte zu verstehen, warum er plötzlich so erschöpft war. Er wirkte schon den ganzen Abend müde, aber wieso war er nun so schnell außer Gefecht?
 

„Hey Rick! Du kannst nicht schlafen, bitte. Wir müssen doch Alina helfen… Rick? Was ist los? Soll ich… also… was… soll ich… tun?“ Vorsichtig berührte sie ihn an den Schultern, aber er reagierte nicht. Rick schlief weiter. Das leise ein- und ausatmen war zu hören. Sein Zustand schien sich nicht mehr zu ändern.
 

„Rick…“ sie wurde leiser.
 

Beunruhigt wich sie nach hinten. Sie blickte durch den Raum, als wäre die Lösung in den Ecken zu erblicken.
 

<Riiirrrsscchhhhhh>
 

Plötzlich zuckte ihr Körper. Sie nahm etwas wahr. Etwas Schrilles, als würde jemand etwas Metallisches über etwas nicht Metallisches ziehen. Sie dachte zuerst es wäre hinter ihr, aber das Geräusch kam von einem anderen Ort. Tina suchte für einen Moment den Ursprung des Geräusches, aber die Suche war vergeblich.
 

‚Was war das?‘ Nervös rieb sie ihre Finger aneinander.
 

<Riiirrrrsscchhhhhhh>
 

Das schrille Geräusch ertönte erneut. Dieses Mal erkannte sie den Ursprungsort. Es kam von außerhalb des Raumes. Aus Richtung des Flurs. Sie atmete nervös ein.
 

Ihr Herz klopfte schneller. Ihr Zittern an den Händen wurde stärker und sie blickte zur Türklinke.
 

‚Was ist da draußen?‘
 

Sie erinnerte sich an das grässliche Geräusch aus dem Wald. Dieses monströse Schreien. Ist es jetzt hier? Was auch immer es war? Das Monster? Sie konnte sich keine klaren Vorstellungen machen, wie so ein Monster aussehen konnte?
 

<Rirrrrrrsssscchhhhh>
 

„Ich höre hier doch jemanden?“ Hörte sie plötzlich eine fremde höhere männliche Stimme sagen. Es kam aus Richtung des Flurs. Ihr stockte der Atem. Starr schaute sie zur Türklinke. Die Stimme klang nicht monströs, aber ihr auch nicht bekannt
 

‚Hoffentlich… ist das kein böser… hoffentlich nicht… Rick?‘ Sie wich zurück und blickte dabei zu ihrem schlafenden Gildenmitglied.
 

„Ich war mir sicher, dass hier jemand ist. Ich habe es doch gehört!“ Kurz wurde es still.
 

„Ah ha! Spuren zu dieser Tür!“ Die Türklinke wurde niedergedrückt und die Türe aufgestoßen. Mit einem Rumps schlug die Tür gegen die Wand. Ein verdächtiges Knacken kam von der Tür. Die Türklinke stieß sich dabei in die Wand, sodass eine kleine Delle hinterlassen wurde. Viel Staub wurde aufgewirbelt, sodass Tina husten musste. Dieses Husten lenkte vom Schock ab, den sie erlitt, als die Tür aufgestoßen wurde. Bevor sie wieder die Umgebung realisierte, stand ein 1,50 Meter großer Junge vor ihr. Seine Haare standen ungepflegt nach hinten ab. Er trug ein dreckiges graues T-Shirt und eine kurze Jeans mit ausgefransten Enden. In seiner rechten Hand zog er einen Eisenstab hinter sich. Eine verrostete Stange, die einer Stütze aus einem Treppengelände ähnelte – den Tina am Hauseingang gesehen hatte.
 

Der Blick des Jungen fiel zuerst auf das Mädchen und ein verdächtiges Grinsen formte sich, das Tina unwohl fühlen ließ. Sein zweiter Blick fiel auf Rick.
 

„Ah ha!“ Er zeigte mit seiner Eisenstange auf den schlafenden Rick.
 

„Tja, es funktioniert also doch!“ Tina zuckte kurz, als der Fremde sich ruckartig auf Rick zu bewegte und wild mit der Eisenstange vor ihm herumwedelte.
 

„Es wirkt! Krasses Ding! Aber…“ Er blickte erneut zu Tina. Er neigte sein Kopf leicht zur Seite und mit seiner freien linken Hand deutete er auf sie. Ein goldener Armband kam zum Vorschein, das bis nach vorn zu seiner Hand rutschte, als wäre ihm das Ding zu groß. Es wirkte ledrig, aber dafür schien das Material viel zu starr zu sein.
 

„Das kann doch nicht sein? Wie machst du das?“
 

Verwirrt starrte Tina ihn an.
 

„Was…?“ Gab sie zögerlich von sich.
 

„Ne echt jetzt. Wie machst du das? Oder wirkt das Ding bei dir nicht?“ Sein Blick fiel kurz auf das Armband, das er durch Schütteln wieder zurückrutschen ließ. Er ging daraufhin einen Schritt auf Tina zu. Bedrohlich baute er sich auf, war jedoch selbst dann in seiner angespannten Pose nicht größer als Tina. Tina wich einen Schritt nach unten. Der fremde Junge deutete wieder mit seiner linken Hand auf sie und er machte einen verwunderten, aber selbstsicheren Eindruck.
 

„Der scheiß ist gar nicht so geil. Gibt es da ein Trick? Los sag schon!“ Immer noch verwirrt blickte sie ihn an.
 

„Was…?“
 

„Na… das eben. Wieso haut es ihn komplett um, dieser Kampfsport Heini und dich nicht. Du siehst nicht mal so sportlich aus wie die Tussi bei uns unten, aber die hats auch umgehauen. Wie machst du das? Also echt jetzt… nicht, dass der Scheiß nicht bei allen wirkt. Drecks Ding.“ Er blickte für einen Moment seinen Armband an.
 

‚Der Armband ist für Rick verantwortlich?‘ Tinas Blick fiel für einen Moment auf seinen Arm.
 

‚Macht er das mit Rick? Und sprach er gerade von Alina? Hoffentlich geht es ihr gut?‘
 

„Na ja… du siehst nicht so gefährlich aus.“
 

Der fremde Junge neigte wieder seinen Kopf zur Seite und grinste.
 

„Hast du Lust bei unserer Party unten dabei zu sein. Ich hätte gern eine Freundin dabei. Du kannst ein bisschen Spaß mit uns haben.“
 

Es schauderte sie plötzlich. Unwohl strich sie sich mit der linken Hand über den rechten Arm. Während sie sich über den Arm strich, drängte sich ein neuer Gedanke in den Kopf.
 

‚Rick wäre mutig.‘
 

Sie fasste Mut und ging einen Schritt auf ihn zu. Sie blickte dabei immer wieder auf seinen Arm.
 

„Nein danke… ich… ich bin wegen Alina hier… und wir werden sie hier rausholen! Ihr… Ganoven werdet sie freilassen!“
 

Das Grinsen des fremden Jungen verschwand und er kam schnell bedrohlich näher.
 

„Muck nicht so auf! Eindeutig sind wir hier der Boss! Also zeig‘ dich dankbar, dass wir dich zur Party einladen!“ Er stieß Tina unerwartet um, sodass sie unsanft nach hinten flog. Beide Handgelenke schmerzten sehr, als sie mit ihrem Hintern und beiden ausgestreckten Händen auf dem verstaubten Teppichboden aufkam. Wieder wurde Staub aufgewirbelt, der sie zum Husten brachte.
 

„Muckst du jetzt immer noch so?“ Er machte einen weiteren Schritt auf sie, jedoch musste er wegen dem aufgewirbelten Staub zurückweichen. Bei dem Tritt zur Seite auf eines der Holzbretter neben dem Teppich, gab dieser minimal nach und es war ein leichten Knacken z hören. Das geringe Nachgeben reichte aus, dass der aggressive Junge sein Gleichgewicht verlor und zur Seite flog. Unsanft prallte er gegen einen der zur Seite geschobenen Tische. Er ließ dabei seine Eisenstange fallen. Die lautstark zu Boden krachte und von ihm wegrollte.
 

Für einen Moment blickte Tina den abgelenkten Jungen an, der sich mit seiner rechten Hand die angeschlagene Stirn hielt. Daraufhin schaute sie wieder zum Armband.
 

‚Jetzt! Das Armband!‘ Das goldene Armband glänzte sie an. Für einen Moment überwandte sie ihre Angst vor dem Jungen und packte das Armband. Schnell zog sie es ihm ab, bevor er es realisierte. Sie stellte dabei fest, dass aus etwas Metallischen war, denn es war kalt und schwer. Sie fühlte sich nicht besonders, als sie es berührte. Tina erinnerte sich an das Fenster hinter ihr. Sie holte mit ihrer rechten Hand aus und schleuderte das Armband durch die Scheibe nach draußen. Mit einem lauten Knall schlug das Armband in die Scheibe und zerschlug diese dadurch. Die Scherben flogen mit dem Armband nach draußen. Es wurde kurz still im Raum.
 

„Alter was soll das denn, du bescheuerte Kuh! Dafür zahlst du!“ Der Junge stand auf, ein wenig Blut lief von seiner Stirn. Wütend stampfte er auf Tina zu und stieß sie wieder nach hinten, sodass sie von ihrer derzeit sitzenden Position auf den Rücken gestoßen wurde.
 

„Ahhh“ Der plötzliche Angriff schüchterte sie ein.
 

<Krrrrrrrchhh>
 

Plötzlich war mehrmals ein lautes Knarzen zu hören, wie als würde jemand über den Holzboden rennen.
 

„Nicht so gierig, Zwerg.“ Zwei Hände packten den fremden Jungen an den Schultern und warfen ihn zurück.
 

„Waahhhh…ssss…wer zum Teufel!“ Ein lautes Poltern folgte.
 

Tina blickte überrascht auf. Hinter dem umgeworfenen Jungen, der nun versuchte nach seiner Eisenstange zu greifen, die in diesem Moment weggetreten wurde, stand jemand, Es war nicht Rick. Rick saß immer noch an der Wand, aber er fing sich an zu regen, als käme er zu sich.
 

Über dem umgeworfenen aggressiven Jungen stand ein ebenfalls 1,50 Meter großer Fremde. Er müsste in ihrem Alter sein. Er hatte kurzes schwarzes Haar, ein etwas schmutziges Gesicht. Er trug ein schwarzes T-Shirt und blauen Jeans. Kurz hatte der neue Fremde zu Tina geblickt, dabei schaute er sehr ernst.
 

„Argghhh… du Hund!“ Der aggressive Junge auf dem Boden fing an wild um sich zu schlagen.
 

„Du Huso, dafür leidest du!“ Der umgeworfene Junge versuchte das Hosenbein seines derzeitigen Widersachers zu packen, aber dieser wich zurück, sodass der umgeworfene Junge Raum gewann zum Aufstehen.
 

„Wenn ihr weiter aufmuckt, dann sage ich meinem Bruder, dass er das Mädchen erledigen soll , also macht…“
 

„Ah… ja…“ Hörte Tina Rick sagen, der inzwischen aufgestanden war, aber noch ein wenig zitterte.
 

Ein wenig eingeschüchtert blickte der aggressive Junge um sich und immer wieder mal zu der weggestoßenen Eisenstange.
 

„Hey ich meins ernst! Ich brauche nur zu rufen!“
 

„Sei einfach ruhig!“ Erwiderte Rick lautstark.
 

„Grrrrr“
 

Plötzlich sprang der aggressive Junge zu seiner Eisenstange und versuchte diese zu ergreifen, aber Rick reagierte schnell.
 

„Ihr seid immer für solch einen Mist verantwortlich. Ihr habt das nie kapiert!“
 

„Fick dich, du aufgeblasener Gilden-Dummkopf.“ Sichtlich war das nicht die Antwort, die Rick hören wollte. Er packte den Jungen, bevor dieser die Eisenstange ergreifen konnte, zog ihn hoch und schlug ihn mit einem Faustschlag brutal zu Boden. Mit einem zornigen Blick und anschwellenden Adern an seinen Schläfen starrte er den niedergeschlagenen und inzwischen ohnmächtigen Kontrahenten an.
 

‚Oh… das war… erschreckend.‘ Trotz, dass Tina wusste, dass dies womöglich die beste Entscheidung war für den Moment, dennoch verursachte der Schlag von Rick ein unangenehmes Gefühl in ihrem Magen. Im Moment empfand sie ein wenig Mitleid mit dem Niedergeschlagenen.
 

„Hey!“ Ihr Gedankengang wurde unterbrochen.
 

„Alles in Ordnung, Tina?“ Rick half ihr auf. Mit dem ausgestreckten rechten Arm stand er vor ihr. Von seinem wütenden Gesichtsausdruck war nichts mehr zu sehen, aber er wirkte immer noch gestresst. Sie nahm seine Hilfe an.
 


 

„Also lag ich doch richtig, dass ihr die Guten seid.“ Rick blickte zum ersten Mal seit dem Kampf zu dem anderen fremden Jungen im Raum. Mit strengen Blicken begutachtete Rick den neuen Fremden.
 

„Wer bist du? Und sag mir warum du hier bist!“ Ein wenig nervös wich der Fremde vor Rick zurück, der sich in selbstbewusster Haltung vor ihm aufgebaut hatte.
 

„Ah… kein Stress. Ich bin hier nicht für Ärger, sondern bin ich auf eurer Seite. Und äh mein Name ist Max Maxxus und ich… na ja… habe mich nur in diesem Gebäude versteckt, weil ich dachte ich wäre hier allein, bis diese Verbrecher-Dudes da waren, also die, die hier irgendetwas finsteres vorhaben. Die haben jemand über die Schulter mit runter in den Keller gebracht.“ Rick blickte ihn immer noch kritisch an.
 

„Max Maxxus? Wirklich?“ Rick trat einen Schritt näher an ihn heran, sodass der Fremde wieder zurückwich.
 

„Willst du mich verarschen? Hier versteckt, im Bereich von Mr.S, einfach so ohne Grund, man weiß doch, dass…“ Rick stoppte plötzlich und er dachte für einen Moment nach. Er blickte kurz zu Tina, dann wieder zu dem Jungen. Der Junge wirkte im Moment sehr nervös. Er biss sich ein wenig auf die Unterlippe.
 

„Äh… also, das ist wirklich mein Name. Also wartet… er ist hier drauf…“ er suchte im Moment in seinen Jackentaschen nach etwas.
 

„Hey sag mal! Der Krater da draußen…, sagt der dir was?“ Plötzlich blickte der Fremde Rick überrascht an. Er stoppte seine Suche in den Jackentaschen.
 

„Ja! Der Krater! In diesem Ding bin ich vor Tagen zu mir gekommen.“
 

‚Er ist genau wie ich!‘ Sie verspürte ein wenig Freude im Herzen. Etwas Befreiendes durchströmte sie. Tina hatte im Moment eine Menge Fragen an ihn, aber wegen der derzeitigen Situation fühlte es für sie nicht richtig an dies zu fragen. Nachher wenn alles sicher ist, wird sie ihn fragen. Vielleicht weiß er mehr über sie und ihre Herkunft. Dieser Gedanke brachte sie kurz zum Lächeln.
 

„Ich verstehe. Das habe ich schon mal gehört und erinnerst du dich zufällig an etwas?“ Der Junge hob seine Hände und fing an seine Worte mit leichten Gesten zu untermalen.
 

„Nein, also… das klingt seltsam, aber das ist wirklich so. Ich erinnere mich an nichts. Ich bin da zu mir gekommen und dann sah ich das Haus. Ich bin hier rein, habe versucht zu verstehen, aber ich erinnere mich an nichts. Ich habe im Keller was zum Futtern gefunden, aber nicht gewusst, was hier abgeht. Ich dachte ich bleibe erst mal hier, weil diese finsteren Typen von da draußen herkamen und ich nicht wusste…“ Rick unterbrach ihn:
 

„Kurz fassen bitte!“ Er dachte wieder für einen Moment nach:
 

„Gut…, fürs Erste glaube ich dir, aber nichts für ungut… du gehst voran. Wir müssen hier noch jemanden retten.“ Rick verwies zur Tür und er blickte dabei den Fremden fordernd an. Dieser starrte nervös zur Tür und er verließ zögerlich den Raum. Rick schaute dann zu Tina. Sie erkannte in seinem Blick, dass er wieder felsenfest davon überzeugt ist, Alina zu retten.
 

„Und du bei dir ist alles in Ordnung? Bist du verletzt oder so? Wenn es dir soweit gut geht, dann reden wir später darüber, was hier los war.“ Tina schüttelte zuerst ihren Kopf, nickte aber dann am Ende des Satzes.
 

„Du bleibst hinter mir. Ich behalte den Typ vor mir im Auge.“ Rick verließ daraufhin ebenfalls den Raum. Bevor er den Flur betrat, blickte er ein letztes Mal auf den Niedergeschlagenen. Tina tat dies ebenfalls.
 

‚Hoffentlich war der Treffer nicht allzu schlimm.‘
 

Im Flur herrschte wieder Stille, bis auf die leichten Bewegungen der drei und das Atmen war kaum etwas zu hören. Der Flur war dunkel, nur in der Ferne erstrahlte etwas Schwaches. Es kam aus der Tiefe beim Treppenhaus. Die drei schlichen langsam voran. Zögerlich blickten sie in die zum Teil geöffneten Räume an den Seiten des Flurs, aber bis auf verstaubte Zimmer, war nichts zu sehen. Rick ließ zwischen ihm und dem Fremden fast über einen Meter Platz. Rick fordernde den Jungen vor ihm immer wieder weiter zu gehen, wenn dieser vor einer Tür stoppte und nervös zurückblickte. Tina bekam ein wenig Mitleid mit ihm. Ihre Vorfreude auf das Gespräch mit Max war wieder verflogen, denn sie hatte nun verstanden, dass er genauso ahnungslos war wie sie. Jedoch spürte Tina immer noch den Funken Hoffnung, der sie glauben ließ, dass sie herausfinden wird, was mit ihr geschehen war.
 

"Los weiter!" Brummte Rick erneut. Er blieb zwar leise, aber er betonnte deutlich seine Worte.
 

‚Ich verstehe Ricks Vorsicht, aber der Junge macht einen netten Eindruck, auch wenn er immer so streng schaut.‘
 

Immer wieder erwischte Tina sich, wie sie kurz Max anstarrte, bis dieser kurz zurückblickte. Sie erkannte ihn nicht. Er fühlte sich ihr nicht einmal vertraut an. Dieses Gefühl machte sie traurig.
 

In der Nähe des Treppenhauses wurde die Lichtquelle aus der Tiefe deutlicher, aber auch ein leichtes Brummen konnte wahrgenommen werden. Tina konnte das nicht zuordnen und es verursachte ein mulmiges Gefühl im Magen.
 

‚Dieses Geräusch. Es ist unheimlich.‘
 

Das Brummen aus dem Keller wurde lauter, umso näher die Gruppe sich dem Treppenhaus näherte.
 

„Du gehst vor.“ Befahl Rick leise.
 

„Ja aber…“ Rick blickte den Fremden bedrohlich an, sodass dieser genervt nach vorn schaute und die ersten Stufen nach unten stieg. Jeder Schritt verursachte ein verdächtiges Knarzen. Die Holztreppe schien nicht mehr in einem allzu guten Zustand zu sein.
 

„Pass auf…“ Rutschte es Tina heraus, aber keiner der beiden schien darauf zu reagieren. Rick folgte Max nach unten. Tina blieb zunächst zurück und starrte zuerst nach oben. Es schien noch ein paar Stockwerke nach oben zu gehen, aber dort herrschte auch Dunkelheit. Es verursachte ein Schaudern, umso länger sie nach oben schaute.
 

„Hey!“ Hörte sie von Rick leise rufen. Sie schloss schnell zu ihm auf. Sie wollte nicht allein im Flur stehen. Die Flur vermittelte ihr das Gefühl, dass irgendetwas sie sofort in das Dunkle ziehen wollte. Etwas, das plötzlich herauskam und sie packen wollte. Dieser Gedanke brachte das Mädchen langsam zum Schwitzen.
 

Als die drei die letzten Stufen der Treppe nach unten betreten hatten, blickte Tina vorsichtig an Rick vorbei. Ein langer grauer Flur war vor ihr zu erkennen. Ähnlich wie im Erdgeschoss, aber der unterirdische Flur war zum größten Teil aus Stein. Nicht einmal lag ein Teppich auf dem Boden. Die Luft roch sehr modrig. Tina hatte das Gefühl, dass es im Untergeschoss viel kälter als oben war. Eine einfache Glühbirne hing in der Mitte des Flurs an der Decke. Schwach strahlte sie unter sich eine eiserne Tür an. Das Ende des Flurs war wegen der Lichtquelle der Glühbirne von ihrer jetzigen Position aus nicht zu erkennen. Sie nahm zudem – neben dem Brummen - Musik wahr. Ganz leise kam irgendwoher Musik.
 

„Ich war hier nur unten wegen dem Proviant, aber seitdem die zurück sind, auch nicht mehr. Ich vermute die anderen beiden Kollegen sind dort drin…, also falls es nicht mehr Kollegen von denen gibt. Ich habe bisher nur die drei immer wieder gesehen und gehört. Vor allem als…“ Rick stoppte den flüsternden Redenfluss von Max und trat vorsichtig an ihm vorbei. Es schien so, als hätte etwas Ricks Interesse geweckt. Nervös lief Tina Rick hinterher, Max hingegen blieb an der Treppe stehen und beobachtete Rick.
 

Rick und Tina näherten sich der Eisentüre, die nicht viele Meter von der Treppe entfernt war. Das Brummen und auch die Musik kamen von hinter der Eisentür.
 

Plötzlich flackerte das Licht und auch die Musik endete, aber nicht das Brummen. Leise nahm Tina Stimmen war, als sie nahe der Eisentür stand. Die Stimmen wurden plötzlich viel lauter. Es klang so, als würde jemand lautstark Brüllen.
 

<Poong>
 

Plötzlich war ein lautstarker Knall an der Eisentür zu hören und Tina sprang erschrocken zurück. Auch Max wich zum Treppengeländer zurück. Nur Rick zeigte sich unbeeindruckt und er griff zur Türklinke. Mit einem Ruck öffnete er diese. Das lautstarke Brummen erfüllte den ganzen Flur.
 

Rick blickte plötzlich erstaunt in eine weiße Fußsohle, die nahe vor seinem Gesicht war, währenddessen fiel ein Oberkörper auf seine Füße. Tina schreckte auf.
 

„Vorsichtig Rick!“
 

„Fast hätte ich dich erwischt! Und warum hast du so lange gebraucht. Jetzt habe ich mich tatsächlich selbst gerettet. Nicht besonders heldenhaft.“ Tina erkannte die Stimme sofort. Es war Alina, die sofort Rick umarmte und sich stark an ihn schmiegte. Als sie Tina erblickte, verzogen sich ihre Mundwinkel jedoch nach unten. Tina verunsicherte das ein wenig.
 

„Äh ja, Alina. Darf ich kurz… ich muss meine Füße wegziehen. Da liegt mir etwas auf den Füßen.“ Rick klang plötzlich viel entspannter. Der angeschwollene Oberkörper und die starre Haltung waren schlagartig verschwunden und seine Hände ballte er nicht mehr zu Fäusten. Alina ließ ihn zwar los, aber dennoch umklammerte sie seinen Arm. Sie wirkte sehr glücklich und unversehrt. Dieser Umstand machte Tina sehr froh.
 

Auf Rick Füßen lag der Oberkörper eines großen dürren Mannes. Er war ohnmächtig und aus seiner Nase floss Blut. Bei näherer Betrachtung erkannte Tina, dass seine Nase blau anschwoll.
 

‚Oh je. Alina hat das bestimmt getan.‘ Geisterte ihr durch den Kopf.
 

„Hey! Ihr dummen Idioten! Glaubt ihr, dass ihr einfach so entkommt!“ Brüllte plötzlich eine männliche Stimme aus dem Raum. Rick und Alina blickten plötzlich nervös in den Raum.
 

„Eure Hände nach oben und stellt euch nebeneinander!“ Tatsächlich taten Rick und Alina dies. Beide wichen zur Wand hinter ihnen zurück. Tina traute sich nicht in den Raum zu blicken, aber das war auch nicht mehr notwendig, denn jemand trat durch die Eisentür heraus, nachdem Rick und Alina zurückgewichen waren.
 

„NEBENEINANDER HABE ICH GESAGT!“ Ein junger dicklicher Mann trat heraus. Sein Gesicht war knallrot und auch er trug einen deutlichen blauen Fleck auf der linken Gesichtshälfte. Bedrohlich zeigte er seine ungepflegten Zähne. In seiner rechten Hand trug er eine Pistole, die er nun auf Tina richtete.
 

„Hey du da! Keine Faxen! Ich schieße sonst!“ Wie als würde jemand sich langsam um Tina schlängeln und ihr die Luft zum Atmen nehmen, verlor sie das Fähigkeit normal zu atmen. Wild schlug ihr Herz und ihr Körper zitterte stark. In ihren Gedanken kreisten plötzlich die Worte:
 

‚Er hat eine Waffe! Er will schießen! Nein! Ich will nicht sterben!‘
 

„……IN DIE REIHE SAGTE ICH GERADE!“ Hörte Tina eine lautstark brüllende Stimme, die sie wieder zurück in die Realität brachte.
 

„Halt die Fresse du Monk! Du scheinst ja nicht viel in der Hose zu haben, wenn du Mädchen bedrohen musst!“ Fuhr Alina ihn von der Seite an. Er riss seine Pistole zur Seite. Nun hatte er diese auf Alina gerichtet.
 

„Schweig du…“ in dem Moment stürmte Rick vor und packte den dicklichen Mann. Er schaffte es zwar nicht diesen Mann umzuwerfen, aber beide kämpften für einen Moment mit einander. Rick versuchte sichtlich ihm die Waffe zu entreißen, während der junge Mann versuchte die Waffe auf Rick zu richten.
 

Plötzlich fiel ein Schuss.

Die Entführung VIII --- Das Monstrum in der Nacht

[Rick]
 

Der laute Knall hatte ihn kurz paralysiert. Für einen Moment fühlte sich sein Körper so an, als hätte ihn eine fremde Macht gepackt und ihn fest umklammert. Für einen Moment schnappte er nach Luft. So, als würde ihm die fremde Macht die Luft zum Atmen nehmen wollen. Plötzlich ließ ihn diese fremde Macht los und ein brennendes Gefühl kam in ihm auf. Zeitgleich zog er die Luft ein, als müsste er diese bevorraten.
 

Reflexartig hatte er sich an seine Hüfte gepackt und ein wenig später, als er seine rechte Hand von seinem Becken erhob, quoll ein wenig Blut hervor.
 

‚Woah…‘ kam ihm nur in den Sinn. Er wich leicht nach hinten. Ihm wurde ein wenig schwindelig. Schweiß perlte sich von seiner Stirn. Seine Brust fühlte sich eigenartig an. Er zitterte leicht.
 

‚Verflucht… brennt das.‘
 

Er schaute noch einmal zu seiner Hand. Die Handfläche war dunkelrot. Sie fühlte sich wässrig an. Auch an seinem Becken hinab spürte er eine warme Flüssigkeit. Sein Blut bahnte sich den Weg das Hosenbein hinunter.
 

‚Ahhh… blutet schon viel… ich… muss das schließen.‘
 

Ihm fiel der handgroße Einschlag im Boden hinter ihm auf. Ein kleines Stück des Bodens war aufgeschlagen, aber wegen dem schwachen Licht konnte er nicht erkennen, was sich in diesem kleinen Einschlag befand.
 

‚Ist das von dem Schuss? Also ging die Kugel durch? Ist das gut?‘ Sein Blick wurde ein wenig schwummerig. Er konnte sich nicht genug konzentrieren, um den Inhalt des Einschlags näher zu betrachten.
 

‚Aber ich stehe noch… also hatte ich zumindest ein bisschen Glück. Hätte wohl auch anders sein können.‘
 

Die Tatsache, dass er auch hätte sterben können, wischte er für den Moment aus seinen Gedanken. Langsam kochte Wut in ihm auf. Wut, die dadurch weiter entfacht wurde, dass dieser Dreckssack tatsächlich abgedrückt hatte.
 

‚Hätte der auch bei Alina abgedrückt? Dieser miese Sack.‘ Rick schaute hoch zum Schützen.
 

‚Das bekommt der zurück!‘ Aber Rick wurde es deutlich vor Augen geführt, dass er im Moment nicht in der Lage war sich körperlich zu wehren. Er wollte einen Schritt nach vorn machen, wäre jedoch fast zur Seite gekippt, während der Schütze zitternd seine Waffe immer noch auf Rick richtete.
 

„KEINEN MUCKS! HÖRST DU!“
 

„Huffff“ Ricks Körper zitterte.
 

‚Die Situation wieder… unter Kontrolle bringen.‘ Rick verdeckte wieder seine Wunde ab. Er versuchte sich aufzurichten, aber er konnte sich nicht aufrecht halten. Seine Konzentration schwand und sein Herz pochte unangenehm in seiner Brust. Es mischte Übelkeit mit. Eine Kombination von Gefühlen, die er so noch nie gespürt hatte.
 

‚Ich muss hier dringend raus.‘ Noch nie hatte er in dieser Fülle das Bedürfnis gehabt, nach Hause zu wollen. Er wollte zu Linda, denn sie wüsste jetzt was zu tun wäre. Auch trotz allem Ärger was die nächsten Tage auf ihn zukommen würde. Er musst es jedoch dazu zuerst lebendig zurückschaffen. Diese Sorgen drückten auf seine Stimmung.
 

Trotz dieser aufkommenden Fluchtgedanken, hatte Rick jedoch noch im Sinn, dass er die anderen nicht im Stich lassen durfte. Er musste den Schützen davon abhalten weiter dumme Dinge zu tun. Aus diesem Grund schaute Rick dem Schützen tief in die Augen, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen.
 

„ZURÜCK!“ Brüllte der Schütze lautstark und zitternd hielt er sie mit beiden Händen in Richtung Rick.
 

„Rick! Halt dich hinter mich! Versuch dich an mir festzuhalten.“ Alina stellte sich vor Rick und blockierte somit das Schussfeld.
 

„Jetzt… nichts unüberlegtes Alina…“
 

„Musst du gerade sagen. Versuch du dich auf den Beinen zu halten. Ich bringe uns hier raus.“ Erwiderte Alina lautstark.
 

„Ja…“ Rick hatte sowieso keine Energie mehr für eine Diskussion.
 

Alina war zwar auf einem sicheren Abstand zum Schützen, aber sie hatte in ihre Kampfhaltung gewechselt. Die Arme leicht angespannt. Der rechte Fuß wich leicht nach vorn. Bereit für den Absprung nach vorn, um mit einem zielgerichteten Schlag die Situation zu entschärfen.
 

„Du!“ Der Schütze nahm seine linke Hand von der Waffe weg und deutete zitternd auf das Mädchen.
 

„ZURÜCK! ICH SAGTE ZURÜCK! Du machst nichts! Ich schieße dich nieder! Ich schrecke nicht vor dir zurück! ES IST MIR EGAL!“
 

„Wenn du dich in deinen Raum verpisst und wir weg sind, dann lass ich dich in Zukunft in Ruhe und ich habe nicht mehr das dringende Bedürfnis dein Gesicht einzudrücken, wenn ich dich in der Stadt sehe.“ Sie richtete sich weiter auf:
 

„Aber solange du hier wie bescheuert mit deiner Waffe herumfuchtelst und es tatsächlich wagst meinen Freund erschießen zu wollen, wirst du mich nicht mehr los und das...“
 

„HALT DIE FRESSE! DU spielst dich nicht mehr so auf, vor allem wenn ich abdrücke!“
 

„Tja…“ Sie ging wieder zurück in ihre ursprüngliche Position.
 

Rick stützte sich an der kalten Betonwand ab. Er verlor langsam das Gespür in seinen Fingern. Seine Fingerspitzen fühlten sich eigenartig an.
 

Bevor seine Beine nachgaben, griff er nach der Schulter von Alina, die ihn überrascht packte.
 

„So schlimm schon? Verflucht…“ Sie grummelte.
 

„Hahaha… nicht mehr so dicke Backen! Ich sag doch, dass ich schieße, wenn ihr nicht die Fresse haltet!“ Alina wandte sich nicht von Rick ab, während sie versuchte ihren Freund zu stabilisieren.
 

„Hufff… oh… ich…“ Rick wich in seinen Gedanken für einen Moment ab, bis er sich für einen Moment wieder konzentrieren konnte und nach vorn blickte. Während er versuchte sich wieder auf den Beinen zu halten und nicht dem Schwindelgefühl nachzugeben, sah er an Alina und an den Schützen vorbei. Er entdeckte Tina, die er im ganzen Chaos vergessen hatte. Tina stand still ein wenig abseits vom Geschehen. Der Schütze hatte sie nicht im Blick. Das Mädchen stand zwar starr dar, aber sie wirkte nicht aufgeregt oder aufgelöst. In ihrem Gesicht erkannte er keine Regung.
 

„Hey Rick! Bitte versuch dich noch zu halten. Ich weiß nicht was der Wichser noch tut, wenn ich ihn weiter den Rücken zudrehe.“
 

„Dich erschießen du Schlampe!“
 

„Dazu brauchst du erst einmal Eier.“
 

„O.k! ES REICHT!“ Brüllte der Schütze lautstark. Alina sah ihn böse an.
 

„Rick hält sich gerade so auf den Beinen. Das hier bringt dir gar nichts! Mit einer Waffe zur Schlägerei kommen. Ihr Typen seid einfach nur bescheuert. Wie wär’s mit einem Faustkampf, du wirst sehen, dass du…“
 

„Alina!” Versuchte Rick lautstark zu rufen, aber das Brennen in seinem Körper machte sich auch nun präsent in seiner Brust bemerkbar.
 

‚Scheiße. Ich brauche… dringend…Hilfe…‘
 

„Ihr werdet hier nicht weggehen. Danach ist die Bude voll mit Polizisten oder den Freaks von Mr.S. und DARAUF habe ich kein Bock! IHR bleibt bis ich eine Lösung für euch habe.“
 

„DU HONK! Rick verblutet verdammt! Er muss schnell zu einem…“
 

„HALT DIE FRESSE VERDAMMT! Du verdammte Schlampe!“
 

<Dschrrr raaaasschh karrrrr>
 

Ein leichtes Poltern war plötzlich hören. Es klang wie ein kleines hartes Objekt, das mehrmals in kurzen Abständen auf den Boden aufkam. Die Enge des Flurs übertrug das Geräusch schnell voran. Rick konnte das Geräusch nicht zuordnen, bis er zur Treppe sah. Schreckhaft drehte sich der Schütze ebenfalls zum Treppenhaus und zielte dabei mit seiner Waffe in diese Richtung.
 

„Heyyy…!“
 

<Barrrffffff>
 

Plötzlich traf etwas den Schützen am Kopf und er stolperte nach hinten über den ohnmächtigen Jungen auf dem Boden. Er stürzte in den Raum hinter sich. Ein harter Aufschlag war zu hören.
 

Rick hatte es nicht deutlich gesehen, aber etwas war angeflogen und hatte den Schützen am Kopf erwischt. Das ‚Etwas‘ flog vor Alina zu Füßen. Auf dem zweiten Blick identifizierte er es als einen halben dunkelroten Ziegelstein. Rick blickte erneut zur Treppe und er erkannte Max auf den ersten Stufen. Ein wenig aufgeregt blickte er zu den dreien. Seine linke Hand senkte sich.
 

‚Er ist unten! Das ist unsere Chance!‘
 

„LOS NACH OBEN! Solange er noch liegt!“ Rief Alina. Sie zeigte in Richtung der Treppe.
 

Alina stützte Rick und half ihn in Richtung der Treppe zu gehen. Währenddessen blickte er in den Raum, in dem der Schütze über seinen Kumpanen gestolpert war. Der Schütze lag noch regungslos am Boden. Der andere Kumpan am Boden fing jedoch an sich zu regen.
 

„Hey du! Die kommen wieder zu sich! Wir müssen hier raus!“ Alina tippte Tina mehrmals an der Stirn an, als sie mit Rick an ihr vorbeiging. Sie schien wieder zu sich zu kommen.
 

„Äh… ah…“ In ihren Augen regte sich etwas und sie atmete nervös aus.
 

„Los Tina! Hoch mit dir!“ Alinas leichter Stoß gegen ihren Rücken ließ Tina reagieren. Sie eilte zur Treppe. Max stürmte zuerst die Treppe nach oben.
 

Oben im Gang angelangt, herrschte wieder die Dunkelheit. Vor ihnen war der lange verstaubte Flur. An den Seiten die Türen, die nun zum Teil offenstanden. Rick war sich aber nicht sicher, ob sie vorher schon offen waren.
 

‚Was soll denn sonst hier sein? Oder?‘ Er schüttelte genervt seinen Kopf. Durch den stechenden Schmerz wollte er hier nur raus. In seinem Kopf war kein Platz für einen anderen Gedanken.
 

„LOS!“ Alina Stimme trieb die anderen beiden voran. Die vier rannten den Flur entlang. Tina wirkte zunächst etwas zögerlich, als sie immer wieder in durch die offenen Türen in den Raum starrte. Max dagegen eilte zum Eingang voraus. Nur vor einem bestimmten Raum blieb er stehen. Max blickte in diesen Raum, murmelte etwas vor sich hin und im Anschluss wandte er sich nervös der Eingangstür.
 

‚Stimmt… der andere!‘
 

„Ah… passt auf! Es gibt hier noch einen Dritten. Wir müssen aufpassen, dass er nicht…“
 

„Ist schon klar, Rick. Bitte versuche ruhig zu bleiben. Mittlerweile kannst du nicht einmal richtig stehen. Ich mach das schon! Sollte der sich raustrauen, bekommt der von mir eine!“
 

„Ja…, aber…“ Das Brummen in seinem Kopf verbat ihm jede weitere energische Kommunikation. Er hatte seine Freundin nicht gebeten unvorsichtig zu werden, auch wenn sie sicherlich die Situation meistern würde. Er musste hier klein beigeben und ihr vertrauen. Seine Hände fühlten sich tauber an.
 

Alina hielt ihn inzwischen beim Laufen. Erstaunlich, wie gut sie ihn durch den Flur schleppte.
 

Plötzlich melde sich Alina zu Wort.
 

„Ah ja…- jetzt weiß ich - wen du meinst. Der kleine Giftzwerg von dem Trio. Der bekommt noch von mir wegen der Teaseraktion eine in die Fresse, garantiert!“
 

„Teaser?“ Rick hatte das kleine Handgerät im Kopf, das Blitze erzeugen konnte.
 

„Ist schon gut, Rick. Ich werde mich darum kümmern.“ Die Gruppe hatte inzwischen die Eingangstür erreicht. Die Eingangstür stand ein Stück weit offen. Weit genug, dass jeder hindurchpasste. Max blickte zuerst vorsichtig hinaus.
 

„Niemand da!“ Rief er zurück in den Flur. Alina machte genervt die Geste, dass er schnell durch die Tür huschen sollte, um Platz zu schaffen. Im Anschluss schaute sie zu Tina, die neben den beiden an der Tür wartete.
 

„Du bleibst hinten und schaust als Letztes in den Gang, ob jemand hochkommt, klar?.
 

„Äh… ah… ja.“
 

Max eilte durch die Tür nach draußen und er lief die Außenstufen hinunter. Alina half Rick durch die Tür. Tina durchtrat als letztes die Tür.
 

„Niemand hier draußen. Ist es noch da?“ Tina sprach sehr leise.
 

„Wir sollten sie schließen, falls sie doch hochkommen.“ Max deutete mit seiner linken Hand auf die Tür.
 

„Dann mach‘ doch und laber‘ nicht! Du siehst, dass ich das im Moment nicht kann!“ Alina trat mit Rick an ihm vorbei. Max sah sie für einen Moment unzufrieden an, daraufhin stieg er die Stufen wieder hinauf. Mit Mühe schaffte er die Tür zu schließen.
 

Die Vier standen nun wieder im Vorgarten des verlassenden Gebäudes. Im Garten war in der Ferne der Krater zu erkennen. Um den Garten türmten sich die mächtigen Schattengestalten der Bäume auf und der leichte Nebel in der Luft erschwerte die Sicht in die Ferne. Im Vergleich von zuvor, fühlte sich die Atmosphäre kühler an.
 

Ein unbehagliches Gefühl machte sich wieder in Rick breit. Ein schweres Gefühl legte sich langsam auf seine Schultern.
 

„Was meintest du eigentlich gerade mit, dass es vielleicht noch da ist?“ Max sprach Tina an. Er blickte dabei beunruhigt durch die Gegend.
 

„Nun ja… das Monster…, also vorher… Rick und ich haben ein Monster gehört. Es war hier draußen, aber wir haben nichts gesehen.“
 

„Der Schrei! Wie konnte ich das vergessen. Verdammt.“ Max blickte sich nun häufiger um.
 

‚Nein… dafür habe ich nicht mehr die Energie.‘ Die Erinnerungen von dem Monsterschrei kamen Rick wieder in das Gedächtnis. Er versuchte sie jedoch zu verdrängen.
 

„Monster? Welches Monster?“ Es schwang Unsicherheit und Angst in Alinas Worten mit. Sie blickte hoch in den Himmel. Durch die vielen Wolken drang das Mondlicht kaum noch auf den Platz.
 

„Ihr meint aber nicht den Schatten?“
 

„Schatten? Ihr wisst also von einem tatsächlichen Monster?“ Max blickte nun zu Boden auf seinen Schatten, der durch das schwache Mondlicht an die Wand projiziert wurde.
 

„Weiter… wir müssen weiter. Wir sollten nicht so offen auf den Platz stehen.“ Rick versuchte mit leichten Bewegungen zum Feldweg in die Ferne zu deuten.
 

„Was für ein Monster jetzt? Der Schatten kann es nicht sein! Der ist doch nur in der Stadt unterwegs? Und er greift nur die alten an? Dieses nervige Fluchdings, betrifft uns doch sowieso nicht.“ Alina wirkte für einen Moment sehr nachdenklich, dann wurde sie auch sichtlich nervöser:
 

„Oder die Gerüchte um Mr. S sind wahr. Wir müssen hier weg!“
 

„Ja, Alina! Wir sollten nicht hier mitten auf dem Platz stehen.“ Alina seufzte genervt, aber sie setzte sich wieder in Bewegung und schleppte Rick mit. Sein Körper zitterte immer noch und ihm wurde kälter. Alina verhielt sich jedoch merkwürdig, sie wirkte nicht mehr so kräftig.
 

‚Die Typen im Haus sind das reale Problem hier.‘
 

Rick versuchte den Gedanken von irgendwelchen Monstern zur Seite zu wischen, um sich zu konzentrieren. Sie mussten so schnell wie möglich Abstand zu den Kriminellen im Haus gewinnen.
 

„Der Weg…“ Alina deutete in die Ferne:
 

„Ja… genau.“ Das Schwindelgefühl in seinem Kopf wurde wieder stärker und seine Beine schwächer.
 

‚Wieso werde ich wieder so müde?‘ Ihm wurde schwummerig und er konnte kaum noch seine Augen aufhalten. Er versuchte der Kraft zu widerstehen, die ihn im Moment zu Boden ziehen wollte.
 

„Ach… was ist plötzlich los?“ Alina brummte plötzlich sehr angestrengt.
 

„Ähm… soll ich helfen…, du siehst ziemlich blass aus?“ Max hielt beide Arme vor sich, als würde er gleich nach Rick greifen wollen.
 

„Finger weg! Ich mach‘ das schon! Halt‘ du weiterhin nach irgendwelchen komischen Sachen Ausschau!“ Max sah Alina verständnislos an, bis er auf einmal zuckte und zurückwich.
 

Kurz bevor die Gruppe den Wald auf der gegenüberliegenden Seite des Vorgartens erreichten, spürte Rick einen Hauch, der kurz sein Gesicht berührt hatte. Etwas flog knapp vor seinen Augen vorbei und schlug in der Nähe in den maroden Holzzaun ein.
 

‚Was… ist da gerade vorbeigeflogen?‘
 

„Was zum?“ Alina stoppte. Sie schnaufte leise.
 

Das Objekt, das in den Holzzaun eingeschlagen war, verursachte einen Meter hohe Staubwolke, die sich schnell in der Atmosphäre verteilte und sich damit auflöste. In der Staubwolke erhob sich etwas in die Luft.
 

„Grrrrrrr.“ Leise war ein verzerrtes Grollen zu hören. Rick ging ein Schauder über den Rücken. Eine Kreatur erhob sich und trat aus der Einschlagsstelle hervor. Es ähnelte einem Menschen, aber es hatte sich soweit verformt, dass es nun einen grässlichen Buckel war, aus dem knochenähnliche Spitzen hervorstachen, während vorne am Buckel ein grässliches Maul zu sehen war aus dem Dampf hervorquoll. An beiden ausgestreckten Händen waren messerscharfe Klauen zu sehen und im Maul der Kreatur stachen spitze Zähne hervor, die länger waren, als die Handfläche eines ausgewachsenen Menschen.
 

Als es einen Schritt nach vorn machte, war die enorme Beinmuskulatur zu erkennen, die sehr aufgepumpt wirkte und sich anspannte. Die Haut war bleich und überzogen mit dick aufschwellenden Adern.
 

‚Diese Kreatur… sie… sie erinnert mich…‘
 

Plötzlich kamen Erinnerungen einer ähnlichen Kreatur bei Rick hervor. In einem dunklen langen Flur, auf einem roten verstaubten Teppich zwischen mehreren Bücherregalen stand eine ähnliche Kreatur. Das Maul weit aufgerissen und es tropfte Blut herunter. Diese Erinnerungen riefen Gefühle hervor, die Rick an verdrängte Gefühle erinnerte. Ein Gefühl des Schmerzens, ein Gefühl des Scheiterns. Sein Herz pochte stärker und etwas zwang ihn weiter in die Knie.
 

‚Nein… unmöglich…‘ Er sah in seinen Gedanken eine ausgestreckte Hand eines Kindes auf dem Boden liegen. Sie lag auf dem roten Teppich in dem dunklen langen Flur und er sah Blut. Viel Blut, wie dieses sich über den Boden langsam verbreitete. Die Pfütze aus Blut erreichte seine Füße. Er atmete schwer und er fiel daraufhin zurück. Rick ging zu Boden. Er spürte den unsanften Fall.
 

Etwas rüttelte an ihm und etwas traf sein Gesicht. Kurz benommen blickte er zur Seite. Seine Wange schmerzte.
 

„Komm zu dir, verdammt! Wir dürfen jetzt nicht…“
 

"Ah… das… sorry." Alina versuchte ihn hochzuziehen, aber sie schien keine Kraft mehr zu haben.
 

„Ah… ich…“ Rick bemerkte wie auch seine Freundin in die Knie ging und müde zu Boden blickte.
 

„Was ist los mit euch?“ Max versuchte immer wieder den beiden aufzuhelfen, aber er schien sich zu scheuen die beiden berühren zu wollen. Rick schaute währenddessen müde zu der Stelle, wo er zuvor noch das Monstrum gesehen hatte.
 

Es war verschwunden.
 

<Baarrrrfffff>
 

Rick hörte neben sich etwas einschlagen. Es war ein paar Meter entfernt. Der Knall schreckte ihn zwar auf, aber sein Körper war so schlapp, dass er nicht reagieren konnte.
 

„Verdammt! Jetzt sind es zwei! Wir müssen die beiden wegbringen“
 

„Nein sieh! Die kämpfen gegeneinander!“
 

„Tatsächlich! Du hast Recht. Das ist unsere Chance!“ Max kam daraufhin zu Rick gelaufen.
 

„Wie kann ich dir helfen?“ Maxs Worte klangen dumpf, als würde er die Hand vor seinem Mund halten.
 

„Was?“ Rick schaute Max angestrengt an. Er blickte in verständnislose Augen. Von der Seite hörte Rick ein Schnaufen. Ein monströses Schnaufen. Er fasste sich an den Kopf. Er sah wieder das Monster in dem Flur, auf dem roten Teppich.
 

‚Nicht schon wieder diese Erinnerungen!‘
 

„Kannst du mir helfen? Kannst du zumindest sie auf die Beine helfen. Sie reagieren nicht mehr auf Fragen?“ Hörte Rick Max sagen. Seine Stimme klang dumpfer. Kaum noch zu verstehen.
 

„Alina sieht auch so blass aus wie er. Das… das war vorher auch schon.“ Rick schaute zu Alina, als Tina das sagte. Alina lag inzwischen regungslos auf dem Boden. Das Entsetzen was er empfand, konnte er gar nicht zum Ausdruck bringen. Die Kraft, die ihn zu Boden bringen wollte, raubte ihm fast das Atmen.
 

„Ja genau!“ Tina stand vor Rick und schaute durch die Gegend. Sie schien etwas zu suchen. Max hatte sich inzwischen zu Rick gekniet und packte ihn an den Schultern.
 

„Also weißt du etwas? Was ist mit denen los?“
 

Mit letzter Kraft versuchte Rick sich ein letztes Mal aufzurichten, jedoch legte er sich auf die leicht feuchte Wiese. Ihm wurde plötzlich schwarz vor Augen.
 

„Das Armband! Es ist das Armband! Er hat das Armband wieder! Wir müssen…“ Hörte Rick Tina aufgeregt rufen, aber ihre Stimme klang immer dumpfer und entfernter, bis er ihre Stimme nicht mehr wahrnehmen konnte. Er konnte seine Augen nicht mehr öffnen. Der Boden fühlte sich plötzlich sehr weich an und daraufhin umschloss ihn wieder diese dunkle Leere.

Die Entführung IX --- Der orangefarbige Elementkristall

[Tina]
 

Wieder umklammerte sie das Gefühl der Hilflosigkeit. Wie eine Schlange wickelte sich diese um sie und nahm ihr die Luft zum Atmen. Die derzeitigen Ereignisse zwangen das Mädchen sich so klein wie möglich machen zu wollen – in der Hoffnung – dass alles bald besser wird.
 

‚Was soll ich tun?‘
 

Der Anblick von Rick und auch von Alina, wie sie regungslos in der Wiese lagen - als würden sie schlafen – verstärkten das Gefühl der Hilflosigkeit. Wäre sie nur so stark, dass sie die beiden nehmen könnte, um ihre neuen Freunde heil zurück zur Stadt zu bringen. Wäre bloß ihre Angst weg. Die Tatsache jedoch, dass Ricks Wunde am Körper selbst für ihr Laienwissen überhaupt nicht gut aussah, stresste sie so sehr, dass sie nicht klar denken konnte.
 

‚Nein…, ich muss was tun, irgendwas, sonst ist es zu spät.‘ Für einen kurzen Schockmoment dachte sie, dass er nicht atmete, aber sie täuschte sich glücklicherweise.
 

<Brrrrchhhhh>
 

Etwas zersplitterte in die Ferne und verteilte sich im Vorgarten. In einigen Meter Entfernung kämpften die beiden Kreaturen immer noch miteinander. Immer wieder erschallte ein zorniges Brüllen oder ein lauter Aufschrei. Es war für sie ein skurriles – noch nie gesehenes - Schauspiel. Etwas, was sie in ihrer Vorstellung, sich hätte nie erdenken können. Ein grausiges knochiges Monstrum – so groß wie ein ausgewachsener Mann - schlug wild schnaufend auf einen noch recht menschlich aussehenden jungen Mann ein, der jedoch Klauen statt Hände hatte. Besonders stachen seine purpurfarbenen Haare hervor und seine bleiche Haut. In beiden Gesichtern pulsierten dunkel die Adern hervor, bei dem jungen Mann mit den Krallen jedoch schwächer. Die Augen der Kämpfer leuchteten in einem roten Schimmern.
 

Der junge Mann mit den Krallen stieß plötzlich vor und erwischte das knochige Monstrum mit seinen Krallen über die Brust. Dieses heulte als Reaktion wütend auf.
 

Tina hatte den Eindruck, dass genau dieser junge Mann das Monstrum zuvor und auch jetzt davon abgehielt, die Gruppe zu attackieren. Sie war sich nicht sicher gewesen warum, aber etwas in ihrem Körper sagte, dass sie diesen jungen Mann vor kurzem erst gesehen hatte.
 

‚Aber woher?‘
 

„Welches Armband? Was ist denn jetzt damit? Können wir das damit aufhalten? Hallo? Wir sollten die beiden irgendwie in Sicherheit bringen. Weißt du wohin? Ich war hier noch nicht außerhalb? Zum Teufel ich weiß nicht einmal warum ich hier bin oder wo… Hallo, hörst du mich?“ Der schwarzhaarige Junge aus dem Gebäude, der ihnen geholfen hatte, machte einen besorgten Gesichtsausdruck. Wild gestikulierte er zwischen den beiden ohnmächtigen auf dem Boden und dem Gebäude.
 

„Entschuldige… ist wohl besser ein bisschen mehr nachzudenken.“ Kurz näherte er sich Rick, als wüsste er was zu tun war, jedoch machte er dann einen Rückzieher. Seine Hektik übertrug sich glücklicherweise nicht auf sie. Sie brauchte einen Moment seine Worte aufzunehmen.
 

‚Das Armband.‘
 

„Ich habe das Ding aus dem Fenster geworfen, als ich es einem der Entführer abgenommen habe… vielleicht hat er das wiedergeholt.“
 

Als Reaktion auf diese Antwort wirkte Max nachdenklich und er blickte nervös zum Gebäude.
 

„Deswegen war er vorher nicht mehr da.“ Max schaute sie daraufhin an:
 

„Weißt du wie das funktioniert? Was ist das überhaupt? Wie macht das… das?“ Er deutete auf Rick und Alina.
 

„Ich… ich… habe … keine Ahnung… es ist das Armband…, aber ich weiß nicht wie es funktioniert, nur… wenn man es abnimmt, dann hört es auf, denke ich… tut mir leid.“
 

Max wirkte nicht glücklich mit dieser Antwort.
 

<Purffffff>
 

Dreck wurde meterhoch geschleudert und regnete in kleineren Bestandteilen nieder. Es folgte ein grausiger Schrei des knochigen Monstrums. Jedes Mal, wenn es wütend aufschrie, schien es zu wachsen und die Knochen, die wie ein Schild aus ihn herausfuhren, verlängerten sich. Es war ein unangenehmes Geräusch. Für einen Moment ließ es Tina zusammenzucken. Ihr Körper fing an stärker zu zittern.
 

‚Bitte… hoffentlich hört das bald auf.‘ Es machte sie jedoch wütend, dass ihr Körper sich so schnell einschüchtern ließ, während ihre Freunde ihre Hilfe brauchten.
 

‚Nein…, ich muss mich zusammenreißen. Rick war die ganze Zeit so mutig gewesen und ich war nur der Klotz an seinem Bein.‘
 

Erneut schallte das Geräusch eines Einschlags über die Wiese. Das Monstrum hatte den jungen Mann gepackt und ihn gegen einen übrigen Teil des noch intakten Zauns geworfen. Nur scheinbar leichtverletzt, stand dieser auf und stürmte auf seinen Kontrahenten erneut zu. Der Kampf in der Ferne war wie ein Magnet, der ihre Blicke fing. Immer wieder schaute sie dorthin, aber sie wollte das gar nicht.
 

Sie beobachtete den Kampf in der Ferne wie das knochige Monstrum erneut auf den jungen Mann einschlagen wollte, aber der Schlag wurde pariert. Wild fuhren die Krallen über die Brust des zwei-Meter großen Monstrums. Tina musste bei dem Treffer wegschauen. Sie schaute zu Rick und dann zu Alina:
 

‚Wenn ich etwas tun muss…, was sollte ich denn jetzt tun? Was kann ich jetzt tun?‘ Wieder entfachte sich ein zorniger Puls in ihr. Ihr Körper wollte sich nicht von der Stelle rühren, stattdessen wurde das Zittern nur stärker und ihr wurde das unangenehm.
 

‚Nein! Ich werde nicht… ich werde nicht weiter so feige herumstehen. ICH WERDE…‘
 

„…sie vielleicht tragen? Schaffst du das?“ Sie schaute erschrocken zu Max auf. Hatte er gerade ihre Gedanken gehört oder war es Zufall gewesen. Aber bevor sie antwortete fing plötzlich etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Für einen Moment nahm sie ein pulsierendes Gefühl in ihrer Jackentasche wahr und instinktiv legte sie ihre rechte Handfläche auf diese. Etwas befand sich darin.
 

‚Der… Kristall! Ja stimmt… ja. Hat er sich etwa gerade bewegt?‘
 

„Hey bitte! Hilf mir die beiden hier fortzubewegen, solange die da drüben beschäftigt sind.“ Max unterbrach erneut ihre Gedanken und für einen Moment schaute sie ihn ratlos an.
 

„Alles o.k? Ich brauche jetzt wirklich deine Hilfe, bitte…“
 

<Purrffchhhh>
 

„Garrrrrrr!“ Ein lauter Aufschrei war zu hörten, gefolgt von einem tiefen markerschütternden Grollen. Das Monstrum hatte erneut eine klaffende Wunde auf der Brust, aus der eine dunkle Flüssigkeit quoll. Zeitgleich sah Tina wie sein Kontrahent aus mehreren Meter Höhe zu Boden stürzte. Die Landung ließ Tina erschaudern. Das Monstrum brüllte erneut zornig auf, aber nun wandte es seinen Blick von seinem Kontrahenten ab, stattdessen schaute es zu Tina. Wenige Sekunden später setzte es zum Sprint an und es stürmte vor. Es hinterließ tiefe Spuren in dem leicht feuchten Grasboden.
 

‚Oh nein!‘ Schoss es ihr durch den Kopf, als sie die Situation realisierte. Ihr Körper war jedoch für den Moment wie erstarrt. Für den Augenblick blieb ihr auch der Atem stehen.
 

Kurz erstarrte das Monstrum, als hätte es jemand in der Zeit eingefroren, dann griff es sich plötzlich ich an der Brust. Wütend schnaufte es. Es lief weiter vor, jedoch war es viel langsamer unterwegs. Wenige Sekunden später sank es auf die Knie. Das Schnaufen wurde schwächer. Es schien mit irgendetwas unsichtbaren zu kämpfen. Es fiel nach vorne auf seine Hände. Es brüllte ein weiteres Mal auf, während es versuchte sich vom Boden hochzudrücken. Seine Gestalt fing an sich zu verformen. Eigenartige Bewegungen durchzuckten den Körper, die Tina noch nie in ihrem Leben bei jemanden gesehen hatte. Dieses skurrile Schauspiel empfand Tina als widerlich. Als sie ihre Scheu überwand und ihren Körper langsam wieder bewegen konnte, war statt dem Monstrum, ein schlaksiger junger Mann mit zerzaustem Haar auf dem Boden zu erkennen. Sein Gesicht war leicht angeschwollen und immer wieder stach kurz eine Ader an seiner Schläfe hervor.
 

‚Jetzt ist er ein Mensch… was ist mit ihm passiert?‘ Sie verstand nicht wieso, aber dieser Umstand minderte ihre Angst vor der Kreatur.
 

Tina umgab plötzlich eine unangenehme Stille und sie fühlte eine aufkommende Gänsehaut.
 

‚Es ging genauso zu Boden wie Rick! Heißt das etwa, dass…‘
 

„Ah hahaha, klasse.“ Eine hohe männliche Stimme, dessen Schadenfreude nicht zu überhören war, unterbrach die angespannte Atmosphäre und lenkte den Fokus auf sich. Es war der grobe ungepflegte ca 1,50m große Junge, der Tina zuvor im Gebäude unsanft anpacken wollte. Er war neben der Eingangstreppe aufgetaucht. Er streckte seine rechte Hand aus und er präsentierte ein goldenes farbiges Armband. Tina erkannte es sofort wieder.
 

„Ha ha ha, aber schon seltsam.“ Breit grinsend starrte er interessiert Tina an. Ihr wurde es unangenehm bei seinen gierigen Blicken.
 

„Ich verstehe nicht wieso der Scheiß bei dir nicht klappt, selbst wenn es diese Monster umhaut.“ Er begutachtete seinen Armschmuck und immer wieder streckte er seinen rechten Arm aus und zeigte auf Tina. Es passierte jedoch nichts was Tina bemerkte. Er kratzte sich am Hinterkopf:
 

„Aber gut, es gibt auch Alternativen, hehe.“ Seine linke Hand hatte er hinter seinem Rücken versteckt und er zog jetzt etwas hervor. Es war ein kleiner schwarzer Apparat. Ein wenig später fing die Spitze an zu knistern und zu leuchten.
 

„Das meinte sie vorher mit Teaser.“ Max sah genauso angespannt aus wie sie selbst. Sein Blick war jedoch selbstbewusster, als der von Tina.
 

„Hey, Erik! Wieso stehen die beiden noch, ich dachte du wärst jetzt der Beste darin alle mit deiner bloßen Anwesenheit umzuwerfen?“ Sprach eine energische männliche Stimme durch die Eingangstüre nach Draußen. Wenige Sekunden später trat der Schütze, der Rick zuvor angeschossen hatte, hinaus. Er hatte seine Körper angespannt und er streckte ein wenig seine Brust hervor und seinen Bauch ein, jedoch war sein Übergewicht immer noch zu erkennen. In seiner rechten Hand hielt er seine Schusswaffe. Er schaute zunächst kontrollierend über den Vorgarten. Für einen Moment beobachtete er Tina und Max genau, dann ging sein Blick zu dem Monster, dann zu dem Armbandträger am Treppenende. Der korpulente junge Mann trat die Stufen langsam herab – sichtlich war er angeschlagen, aber er schien es zu überspielen - während hinter ihm ein großer schlanker junger Mann ihm folgte. Dieser hielt sich am Kopf, als würde ihm dieser schmerzen und im Gegensatz zu den anderen beiden, machte er einen müden demütigen Eindruck. Der Schütze stand nun vor dem Armbandträger. Der Schütze war mindestens anderthalb Kopf größer als er.
 

„Halt die Klappe! Oder ich leg‘ dich auch schlafen!“ Sichtlich erzürnt hielt der Armbandträger dem Schützen das Armband entgegen. Als Antwort erhielt er vom Schützen einen Tritt gegen das Schienbein, während er ihm den Armreif abzog. Schreiend ging der Gepeinigte zu Boden.
 

„Wag‘ es das Ding noch einmal gegen mich zu richten und ich schallere dir richtig eine, Idiot!“ Der Schütze betrachtete das Armband genauer, dann zog er sich diesen über und hielt diesen in Richtung Tina und Max. Einige Sekunden passierte nichts, während das Herz von Tina anfing schneller zu schlagen. Das konnte aber auch ihre Panik sein, die langsam wuchs. Daraufhin hielt der Schütze das Armband den schlanken jungen Mann gegenüber, der nah hinter ihm stand. Nach wenigen Sekunden hielt dieser sich am Geländer und brummte:
 

„Was… was machst du da, Bruder? Wieso? Ich… verdammt… ah…“ Er hielt sichtlich angestrengt am Geländer. Der Schütze hielt das Armband noch einige Sekunden lang aufrecht, bis er von seinem Bruder abließ und wieder zu den beiden in der Ferne blickte. Sein Bruder ging währenddessen in die Knie, er war ein wenig außer Atem.
 

„Bestimmt irgendein Scheiß, der das blockt. Dreck!“
 

„Bestimmt machst du das falsch.“ Brummte der kleinere vor ihm, der zudem Schützen rachsüchtig anstarrte. Der Schütze stieß ihn als Antwort einfach zur Seite in den leicht matschigen Boden und ging dann in schnellen Schritten auf Tina und Max zu. Als Reaktion erstarrte Tina wieder. Sie verfluchte sich deswegen innerlich.
 

„Ist mir auch egal. Ihr beide seid keine Bedrohung für mich. Ich habe das bessere Argument in der Hand.“ Bedrohlich hielt er immer wieder seine Pistole auf die beiden gerichtet. Tina bemerkte die enorme blaue Stelle am Kopf des Schützen, als dieser näherkam. Der halbe Ziegelstein hatte einen ordentlichen Abdruck hinterlassen. Der Schütze peilte auf einmal Max an, der deswegen zunächst nervöser wurde. Er wollte zurückweichen:
 

„Einen Schritt und ich ballere dir den Schädel weg!“ Als der Schütze vor ihm stand und auf ihn heruntersah, schlug er ihn mit der Pistole nieder. Max versuchte den Schlag zu parieren, aber er konnte diesem nichts entgegensetzen. Max wurde unsanft zu Boden geschlagen. Benommen lag dieser am Boden. Mit einem leichten Kopftreffer.
 

‚Nein!‘ Der Niederschlag löste in Tina das Verlangen aus sich zu wehren. Wütend verkrampften sich ihre Hände. Während die Angst sie weiter lähmte, pochte in ihr der Drang den Schützen es irgendwie heimzuzahlen. Der Schütze warf Tina einen schelmischen Blick zu, aber dann widmete er sich Rick, der hinter ihr auf dem Boden lag. Er ging auf Tina zu, die sich nicht regte. Der Schütze war mindestens einen Kopf größer als sie und vermutlich auch ein paar Jahre älter. Er lief einfach an ihr vorbei und für ein paar Sekunden sah der junge Mann Rick wortlos an. Plötzlich trat er mit Schwung auf ihn ein.
 

„Dieser Bastard! Was denkt der eigentlich wer er ist! Helden spielen und dann…“
 

„NEEEINNN!“ Als der Schütze zum zweiten Tritt ansetzte, überwandte sie ihre Blockade und sie stieß den Schützen ein wenig zur Seite. Viel Kraft konnte sie nicht aufbringen, aber sie hatte sein Vorhaben unterbrochen. Genervt, aber sich sichtlich zurückhaltend blickte er Tina böse an. Während der Schütze anfing mit seiner freien Hand auszuholen, spürte Tina ein immer wärmer werdendes Vibrieren von ihrer rechten Jackentasche. Der Kristall in ihrer Jackentasche fing an orange zu leuchten und ein Lichtschein schoss aus der Jacke hindurch, bogenförmig vor ihr auf den Boden. Der orangefarbige Lichtschein verformte sich und aus diesem bildete sich eine kleine Kreatur. Eine kleine flauschige Kreatur in der Größe eines jungen Labradors, nur dass sein Fell orangefarbige war und scheinbar brannte. Der Kreatur selbst schien dies zu stören. Wild und freudig, wie ein junger Welpe, sprang er vor Tina hin und her. Er hechelte sie neugierig an. Das kleine Feuer auf seinem Rücken wirkte so unnatürlich. Er erhellte damit die Umgebung.
 

Ein zufriedenes Gefühl umgab Tina, als sie in das Licht der kleinen Flammen sah. Trotz des ungewöhnlichen Aussehens und den Flammen, wollte sie die Kreatur berühren. Sie streckte ihre Hand aus und sie durchdrangen die Flammen, als wären sie nicht da. Sie spürte ein flauschiges Fell, das an ihren Fingern kitzelte. Als sie das Fell berührte, drängten sich ein paar Bilder in ihre Gedanken. Für einen Moment stand sie in einem sterilen weißen Raum, um sie herum waren Personen, die sie nur als Schemen wahrnahm. Vor ihr war aber ein flauschier flammender Hund. Sie kannte ihn. Sie erinnerte sich an ihn. Sein Name war Sasons.
 

„Ach du heilige Scheiße! Eine Beschwörerin wie selten!“ Die tiefe kratzige Stimme des Schützen brachte sie zurück. Er hatte seinen ausgeholten Arm zurückgezogen und er blickte für einen Moment irritiert auf die Kreatur. Sie erinnerte sich wieder warum das alles passiert war. Plötzlich wurde sie wieder wütend.
 

„Lass uns gehen! Und tu Rick nicht weiter weh… er… ihm muss geholfen werden. Bitte… bitte wir wollen doch nur zurück.“
 

Ein lautes hohes Bellen erschallte und der junge Welpe knurrte im Anschluss. Der Schütze begann zu lachen und zeigte auf die Kreatur:
 

„Fuck! Das habe ich schon mal gesehen! Das war eine verfickte Beschwörung!“ Sofort hielt er seine Pistole in Richtung der Kreatur.
 

„Du Magierin zündest mich nicht an!“
 

„Neiiinnnnn!“ Ein tiefer Impuls setzte ihren Körper plötzlich erneut in Bewegung und sie stieß den Schützen nach hinten. Beinahe hätte es ihn dieses Mal umgeworfen. Der Welpe sprang den Schützen an. Tief verbiss sich der Welpe im rechten Oberschenkel des Schützen. Dieser schrie entsetzt auf.
 

„FUCK! DAS BRENNT! WOHAAAHAHAHA! SCHEIßE!“ Das Schreien wurde immer lauter.
 

Max stand hinter dem Schützen wieder auf. Er packte sich einen längeren morschen Ast vom Boden und schlug diesen auf den rechten Arm des Schützen. Der morsche Ast wurde bei dem Treffer in mehrere Stücke zerschlagen, jedoch reichte der Treffer aus, dass der Schütze seine Waffe losließ, sodass Max diese schnappte und einige Meter in den Wald katapultierte. Dann schaute Max entsetzt in die Richtung, in dem er diese geworfen hatte.
 

„Ah verdammt... das war blöd!“
 

„Du Arsch!“ Brüllte der Schütze, aber er versuchte im Moment die Kreatur von seinem Bein zu schlagen, aber jedes Mal, wenn seine Hand sich der brennenden Haut der Kreatur näherte, zog er zügig diese wieder weg, als hätte er sich verbrannt.
 

„Haaaaaaaaa! Ihr Penner!“ Erik kam angerannt, mit dem Teaser in der linken Hand. Zielgerichtet stürmte er auf Max zu. Max wich dem ersten schwerfälligen Hieb des Angreifers nach hinten aus. Viele weitere Hiebe folgten, aber Erik schien nur wild um sich zu schlagen, statt zu zielen. Beim Gerangel kam der Teaser einmal Tina sehr nahe. Als sie deswegen erschrocken zurückwich, stieß sie ein weiteres Mal gegen den Schützen. Der Schütze versuchte sie daraufhin wegzustoßen, aber er bekam sie nicht zu greifen. Bei seinem Versuch schlug er mit seiner freien Hand an Tina vorbei, dabei bemerkte sie das golden farbige Armband an seinem Handgelenk.
 

‚Das Armband! Ich muss es ihm abnehmen!‘
 

Sie atmete kurz ein und schnappte nach dem goldenen Ding, während der Schütze immer noch versuchte sich von dem feurigen Biss zu befreien. Sie entriss es ihm. Perplex von diesem Diebstahl, starrte der Schütze Tina überrascht an.
 

„Gib das her!“ Tina hielt das Armband in der Hand. Wie zuvor spürte sie nichts. Erschrocken blickten sowohl der Schütze, als auch Erik sie an.
 

„Scheiße…, sie hat ihn.“
 

Tina erschrak, wie schnell Alina zu sich gekommen war. Im Moment erhob sie sich neben Tina. Ein wenig müde blickte sie zu Tina:
 

„Was ist gerade passiert?“ Langsam richtete sich Alina immer mehr auf.
 

'Ich muss ihr schnell alles sagen!'
 

„Alina…“ Begann Tina, doch der Schütze zeigte auf Tina und rief:
 

„Scheiße! Sie hat das Armband! Erik, Vladimir! NEHMT IHR DAS DING SOFORT AB! UND VERDAMMT VLADIMIR KOMM ENDLICH HIERHER!“ Das Gebrülle des Schützen ließ Alina auf ihn aufmerksam werden.
 

Erik ließ von Max ab und rannte auf Tina zu, aber Alina stellte sich dazwischen und blockierte somit seinen Vorstoß. Sie stieß ihn mit einem Handkantenstoß gegen die Schulter nach hinten. Für einen Moment schien er sein Gleichgewicht zu halten, damit er nicht zu Boden flog.
 

„Was für ein Armband? Was redet ihr da?“ Brummte Alina zornig. Tina präsentierte ihr das golden farbige Armband.
 

„Das Armband! Es… hat euch vermutlich umgehauen. Die haben das gemacht.“ Alina warf kurz einen Blick auf den Armschmuck, dann wandte sie sich wieder den beiden Entführern zu.
 

„Verstehe, jetzt wird mir einiges klar.“ Alina schaute kurz zu Rick, dann zu der feurigen Kreatur, die sich in das Bein des Schützen verbissen hatte. Sie wirkte für einen Moment perplex. Erik nutzte ihren Moment der Achtlosigkeit und er schlug mit seinem Teaser zu.
 

“Alina!“ Brüllte Tina. Alina schien dadurch den Angriff zu realisieren und sie wich mit ihrem Körper im letzten Moment soweit zur Seite, dass Erik verfehlte. Dieser war auch wegen dem rutschigen Boden leicht zur Seite gerutscht.
 

Die feurige Kreatur sprang vom Schützen ab, der daraufhin angeschlagen zu Boden fiel. Die Kreatur lief zu Tina. Sie stellte sich beschützend vor ihr und knurrte. Es wirkte jedoch ein wenig müde.
 

Erik setzte zu einem zweiten Angriff an, aber wieder reichte nur ein schneller Treffer gegen die Brust, sodass dieser das Gleichgewicht verlor und nach hinten zu Boden flog. Alina schien ihn gar nicht ernst zu nehmen, stattdessen ging sie zu dem Schützen.
 

„Ewald! Jetzt bist du zu weit gegangen! Du wirst dafür mit Sicherheit für dein Rest des Lebens eingebuchtet, sofern die dich noch wiedererkennen werden.“ Bedrohlich stand Alina vor dem Schützen.
 

Aus seiner Wunde am Bein lief Blut, aber weder seine Hand noch sein Bein waren verbrannt. Nur seine Hose war an der Bissstelle angebrannt.
 

„Haha…, große Töne spuckst du da. Du traust dich doch gar…“ So schnell konnte der Schütze nicht reagieren, wie er einen Fausttreffer abbekam. Er flog nach hinten zu Boden und er keuchte ein wenig.
 

„Du Schlampe!“ Brüllte eine hohe Stimme. Erik war wieder auf den Beinen und er stürmte auf Alina zu. Jedoch blieb er kurz vor ihr stehen und sein Gesicht wurde bleich. Er riss seine Augen weit auf:
 

„Fuck!“
 

„Guarrrr… hahahaha. Netter Trick.“ Eine tiefere Stimme erklang gefolgt von einem tiefen wütend klingenden Grollen.
 

„Wie auch immer ihr das vollbracht habt. Ich bin beeindruckt, aber nun muss ich meinem Job nachgehen.“ Ein paar Meter hinter Alina entfernt, war jemand wieder auf die Beine gekommen. Tina blickte erschrocken in diese Richtung, wie jeder andere – der bei Bewusstsein war. Es war der zurückverwandelte junge schlaksige Mann gewesen. Nun spannte er seinen Körper jedoch wieder an. Überall an seinem Körper stachen Adern hervor, seine Augen wurden rötlicher und sein Mund verformten sich zu einem Maul einer Bestie. Seine Zähne wurden spitzer und länger. Seine Hände und Füße wurden zu Klauen.
 

<Plarrrsschhhh>
 

Tina erschrak sich sehr, als plötzlich aus der Brust des jungen Mannes Klauenspitzen hervorstachen und im nächsten Moment sich zurück in den Körper verzogen. Ätzend ging der halbverwandelte junge Mann auf die Knie und sein Gesicht wurde bleicher. Die Augen rollten sich nach oben und im Anschluss kippte er zur Seite. Er blieb regungslos liegen, während sich eine schwarzrötliche Flüssigkeit auf dem Boden verteilte. Ein seltsamer Gestank durchzog die Luft. Tina musste sich fast übergeben. Hinter dem Erstochenen stand sein Peiniger. Dieser fuhr seine langen Krallen im Moment zurück in seinen Körper. Die Adern im Gesicht des Peinigers verzogen sich, aber die Bleiche blieb. Ein einschüchternder Blick starrte zunächst Erik an, dann Alina. Von der rechten Hand des Peinigers tropfte eine schwarze Flüssigkeit zu Boden.
 

„Euch ist bewusst, dass ihr euch auf dem Gelände von Mr. S befindet…, ach was rede ich da. Ihr wisst es sicherlich! Aber trotzdem seid ihr hier und missachtet das, dabei ist euch nicht einmal bewusst wie nah ihr dem Tod seid. Ihr wisst doch genau was auf dieser Seite der Insel mit unerwünschten Personen passiert.“
 

„Hey!“ Erik hielt dem jungen Mann seinen Teaser drohend entgegen, während er selbst anfing zu zittern.
 

„Laber nicht herum und verpiss dich! Ich mach‘ dich platt, wenn du näherkommst!“
 

Der junge Mann zeigte sich unbeeindruckt von der Drohung und er näherte sich Tina. Eingeschüchtert blickte sie ihn an. Ihr Körper zitterte und eine innere Stimme spornte sie an wegzulaufen, aber zeitgleich sagte in ihr eine andere Stimme, dass dies nicht notwendig war. Etwas kam an ihm vertraut vor. Der junge Mann trat an ihr wortlos vorbei und er näherte sich Rick, der sich zwar wieder regte, aber angefangen hatte extrem stark zu schwitzen und sich am Boden vor Schmerzen wandte. Alina ging dem jungen Mann hinterher, dabei lief sie an dem erstarrten Erik wortlos vorbei. Alina schaute dem jungen Mann ins Gesicht.
 

„Ich habe dich schon mal gesehen. Du bist doch von den Bildern aus dem Hauptquartier…, die… von der alten Gilde. Linda und du kennen sich doch, nicht wahr?“ Begann sie. Er schaute Alina schweigend an.
 

„Hilfst du uns Rick so schnell wie möglich zu einem Arzt zu bringen? Mit deiner Geschwindigkeit…“
 

„Schafft ihr die beiden Idioten?“
 

Alina ballte ihre linke Hand zu einer Faust:
 

„Die werden ordentlich Dreck fressen.“
 

„Verzieht euch schnell wie möglich von hier und womöglich wird Mr. S nichts von euch erfahren. ALSO verschwindet schleunigst von hier! SOFORT!“ Daraufhin packte der junge Mann Rick und hob ihn hoch, als wäre dieser ein leichtes Päckchen, jedoch so, dass es Rick nicht schadete.
 

Mit erstaunlich hoher Beschleunigung sprintete der junge Mann los. Alina sah den beiden einen Moment nach, bis sie sich nach einigen Sekunden wieder dem Geschehen zuwandte.
 

„Ein paar Sekunden reichen mir, um euch die Fresse zu polieren.“
 

Alina gab Tina mit einer Geste zu verstehen, dass sie zurückweichen sollte. Tina tat dies auch und Alina ging ein paar Schritte vor. Erik stellte sich Alina gegenüber und schlug nach ihr mit seinem Teaser. Sie wehrte den Schlag von ihm ab und verpasste ihm einen erneuten gezielten Schlag gegen die Brust, sodass dieser kurz ausschnappte und zurückwich. Als Nächstes folgte ein Faustschlag in sein Gesicht und Erik stolperte nach hinten. Er rutschte dabei aus. Alina packte seinen linken Arm dabei, entriss ihm den Teaser und verpasste ihm mit diesem einen Stromschlag, als er auf dem Boden lag. Er wirkte danach bewusstlos.
 

„Das ist für die Sache in der Stadt, du Dreckssack!“ Sie steckte daraufhin den Teaser ein. Nun wandte sie sich dem Schützen zu, der genervt ätzte:
 

„Tja… da hast du doch was du wolltest. Meine Brüder sind Idioten und feige.“ Er blickte bei den Worten zu dem großen schlanken jungen Mann, der sich bei der Eingangstür versteckt hielt. Daraufhin blickte er wieder Alina an:
 

„Dein Rick ist in Sicherheit und ihr seid frei, also könnt ihr euch ja verpissen. Ihr solltet euch die Warnung von diesem Psycho zu Herzen nehmen und euch jetzt wirklich verpissen!“
 

„Halt die Fresse oder ich trete dir ins Gesicht.“ Alina stand sichtlich vor der Entscheidung dies zu tun. Einige Sekunden starrte sie Ewald zornig an. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Alina wandte sich aber dann plötzlich von ihm ab und packte Tina am Arm. Sie zerrte das Mädchen plötzlich mit in Richtung Ausweg aus dem Wald.
 

„Die Drohung von dem Typen sollten wir ernstnehmen. In diesem Wald oder überall nachts hier auf dieser verfluchten Insel gibt es Monster, denen wir nicht begegnen wollen.“
 

'Ah… was..., weitere Monster?' Tina widersetzte sich Alina nicht, aber als sie nach hinten gezogen wurde, schaute sie nach ihrem neuen tierischen Begleiter. Dieser war jedoch verschwunden. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer freien Hand über den Kristall in ihrer Jackentasche. Der Kristall war noch da, aber er war wieder kalt.
 

Max schaute den beiden überrascht nach. Er sah Alina für einen Moment verständnislos an, daraufhin begann er den beiden hinterher zu sprinten.
 

Während Alina bei ihrem Sprint nicht nachließ und Tina zwang Schritt zu halten, vergaß Tina für einen Moment all den Schrecken, der passiert war. Im Moment beschwerte sich nur ihr Körper, dass sie nicht mithalten konnte. Aber wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann war das im Moment genau das richtige, um nach all dem Schrecken noch einen klaren Kopf zu behalten.

Orange --- Der Schatten

[Illan]
 

‚Immer diese störrischen jungen von der Gilde. Sie halten sich nie an das, was von denen gefordert wird. Immer müssen sie oppositionell drauf sein und sich dem widersetzen oder es als Mutprobe sehen. Nervig! Es kommt der Tag an dem ich da sein werde!‘ Bei diesen Worten erinnerte sich Illan an eine ganz bestimmte Szene aus der Vergangenheit. Ein Ereignis, das beinahe eine blutige Bürgerrevolte ausgelöst hätte. Ein Glück war Mr. S an dem Tag nicht auf der Insel gewesen. Illan versuchte diesen schrecklichen Tag zu verdrängen. Vor allem tat ihm der meist leidtragende von diesem Tag leid, Rick.
 

Bisher hatte Illan möglichst Tag und Nacht die Grenze vor zu neugierigen Personen freigehalten. Aufmerksam und schnell hatte er diese Person abgefangen und sie verjagt. Ab und zu musste er leider gewalttätig werden. Hatte ein anderer Mitarbeiter von Mr. S Schicht, dann konnte Illan nichts mehr für die Opfer tun. Grombar war noch der ‚menschlichste‘ und er erkannte, dass ihm die Opfer lebendig mehr nutzten, sodass er diesen seine ‚Droge‘ verkaufen konnte.
 

Illans gutherzige Taten riefen Missgunst bei den anderen Mitarbeitern aus – wenn sie davon mitbekamen und Mr. S schien dies wohl auch zu tolerieren. Illan konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann dies nicht mitbekam. Doch wusste Illan genau, dass Mr. S eines Tages dies mehr dulden würde. Genau vor diesem Tag hatte Illan Angst. Mr. S war ein unvorhersehbarer mächtiger Mann.
 

‚Verflucht und immer wieder Chaos wegen solchen Kleinigkeiten. Wieso kann das nicht einfach aufhören. Wieso können die nicht einfach die Regeln einhalten!‘ Das Ergebnis von solchem Leichtsinn trug er in den Händen. Der Jungen von der Gilde ging es schlecht. Illan hatte keine medizinischen Kenntnisse, aber diese Wunde sah nicht gut aus. Das Blut verteilte sich schon auf seine Kleidung.
 

‚Und sein Blut lockt nur die anderen an.‘
 

Illan empfand es schon als ironisch, wie es keiner offen aussprechen wollte. Er war sich sicher, dass die meisten inzwischen wissen sollten, wer bzw. was auf dieser Insel lebte. Entweder waren die Bewohner von Orange alle Idioten oder sie wollten es nicht kapieren, was auf ihrer Insel passierte. Wie viele Jahre lebte die Insel schon mit ihrem Schicksal?
 

‚Dabei hätte Rick beinahe alles geändert. Ahnungsloser Trottel.‘ Während Illan den schwer verletzten Rick durch den Wald trug, überlegte er ob die anderen am verlassenden Hauptquartier sicher waren.
 

‚Johann wird keine Bedrohung mehr sein… Grombar ist nicht hier. Ich schätze, sie werden vorerst sicher sein, insofern sie sich beeilen und sich schnell in Richtung Orange bewegen.‘ Aber Johann hatte er ursprünglich auch nicht erwartet, dass dieser von seiner Ostroute abwich und hier auftauchte.
 

‚Sicher kann ich mir nicht sein.‘ Grombar könnte auch von seinen Deals früher zurückkehren und die Jugendlichen zufällig erwischen.
 

‚Verflucht! Daran darf ich gar nicht denken.‘ Er musste sich beeilen und Rick rechtzeitig in das Krankenhaus der Stadt bringen.
 

Illan näherte sich den ersten Gebäuden von Orange. Die kalte nebelige Atmosphäre im Wald legte sich und wich der trockenen Kälte der kleineren Stadt in der Nacht. Illan nahm einen Umweg, um nicht am Gildenhauptquartier vorbeizulaufen, auch wenn dieses auf dem Weg zum örtlichen Krankenhaus direkt im Weg lag. Eine unerwünschte Konfrontation mit Linda würde nur Fragen aufwerfen und ihn wahrscheinlich verlangsamen. Schneller war für ihn der Umweg.
 

Illan betrat die Stadt über den nordöstlichsten Eingang. Das Krankenhaus befand sich südwestlich der Stadtmitte auf der Weststraße.
 

Auf den Straßen war bis auf ein paar Ausnahmen und der Nachtwache keiner unterwegs. Die einzelnen Polizisten, die ab und zu durch die Straße liefen, um illegalen Aktivitäten nachzugehen – wobei heute mehr unterwegs waren wie sonst - waren auch nicht besonders aufmerksam. Illan konnte an den ersten vorbeihuschen, bevor diese überhaupt etwas realisierten. Die Polizisten würden ihre Aufmerksamkeit, aber mit Sicherheit auf etwas anderes richten. Es gab eine Sache in Orange, die jedem das Weite suchen ließ, wenn sie auftauchte. Der Schatten oder auch der Fluch von Orange genannt.
 

Die ersten Anzeichen des Auftauchens des Schattens war eine kälter werdende Atmosphäre. Das zweite Anzeichen war ein Schwinden der Wahrnehmung. Ältere Männer würden dies als Trunkenheit abstempeln. Das dritte Anzeichen war ein Geflüster. Eine schreckliche ältere Stimme flüsterte dem Opfer zu, dass es schuld sei und dafür büßen müsste. Das vierte Anzeichen, bevor der Schatten einen heimsuchte, waren immer stärker werdende Kopfschmerzen.
 

Kannte jemand diese Anzeichen, dann konnte derjenige rechtzeitig das Weite suchen. Denn der Schatten versuchte sonst von jemanden Besitz zu ergreifen und diesen mit Albträumen zu quälen. Dies konnte zur Dehydrierung und dann zum Tod führen, aber weil das Opfer in der Regel anfängt laut zu schreien, konnte es gerettet werden. Eine größere Menge an Personen, sowie Licht- und Wärmequellen verjagten schnell den Schatten. Die örtliche Presse hatte die Kreatur diesen Namen gegeben. ‚Der Schatten‘.Illan kannte die tragische Hintergrundgeschichte dieser Kreatur und warum es womöglich deswegen die Stadt terrorisierte. Der Grund war ein Ereignis von vor über zehn Jahren.
 

Eine alleinerziehende Frau lebte mit ihrer Tochter etwas abseits in dieser Stadt. Damals war Orange nicht so stark ausgebaut wie heute. Der Tourismus nahm erst in den letzten Jahren stark zu – auch unter anderem wegen dem Fluch. Die alleinerziehende Frau war damals sehr abweisend und sehr unfreundlich gegenüber den anderen Bewohnern gewesen. Viele Leute betitelten die alte Dame als eine schwierige Persönlichkeit. Niemand wollte mit ihr etwas zu tun haben. Ihre Tochter hingegen war freundlich und deswegen beliebter, aber auch sie hielt sich zurück. Sie lebte hauptsächlich bei ihrer Mutter und pflegte diese.
 

Als eines Abends ihr Wohnhaus überfallen wurde und Einbrecher die Tochter dabei schwer verletzten, stürmte die alte Frau in die Stadt und sie schrie um Hilfe. Angeblich soll ihr dann keiner zur Hilfe geeilt sein und als die Polizei eintraf, war ihre Tochter tot. Es gab Kampfspuren im Haus und es wurden Fenster eingeworfen. Die wenigen Wertgegenstände der armen Familie fehlten und die Tochter war mit mehreren Messerstichen im Wohnzimmer niedergestochen worden. Die Einbrecher wurden nie geschnappt und der Fall wurde wenige Jahre später eingestellt. Die alte Frau verfiel daraufhin dem Wahnsinn. Immer wieder soll sie nachts auf den Marktplatz aufgetaucht sein und sie beschuldigte alle Bewohner der Mitschuld. Sie beschuldigte, dass die gesamte Stadt alles geplant hatte. Dass die Stadt wollte, dass sie so sehr litt.
 

Eines Winters starb die alte Frau an einer Grippe, seitdem tauchte die Kreatur – der Schatten – nachts in der Stadt auf. Tagsüber oder in Häuser tauchte er nicht auf, zudem ließ er sich mit Licht oder Wärme vertreiben. Am meisten tauchte diese Kreatur auf dem Friedhof von Orange auf.
 

Der Bürgermeister hatte schon vieles probiert um diese Kreatur loszuwerden. Es gab schon ein paar Geistliche, die versucht hatten die Kreatur zu exorzieren. In der Regel schien so etwas zu klappen, aber nicht in Orange. Der Fluch ließ sich nicht brechen. Die berühmten und erfolgreichen Geistlichen der Welt kamen nicht hierher, dafür war der Fall für sie zu medienungeeignet. Mehr als ein paar Schlagzeilen ließen sich nicht herausholen. Für die Medien gab es nicht einmal Todesfälle oder schwere traumatisierte Menschen, die sie auf den Titelbildern zeigen konnten. Diese kommentierte ein hochangesehener Exorzist in einem Interview, als er von einem Journalisten darauf angesprochen wurde. Tagelang stand dies hier in der örtlichen Zeitung. Der Bürgermeister hatte sich seitdem zur Aufgabe gemacht den Schatten bis zu seiner nächsten Amtsperiode zu vertreiben, aber bisher war er daran gescheitert.
 

‚Er versucht den Ruf der Insel zu retten, der schon längst verloren ist.‘
 

Illan näherte sich der Hauptstraße, auf der sich die meisten nachtaktiven Personen befanden. Vorzugsweise würde er diese heute umgehen. Dafür boten sich kleinere Seitengassen an.
 

‚Ich schätze durch den Schleierweg im Norden, kann ich…‘
 

„Argghhh, hurfff.“ Rick hustete, während er sich stärker werdend krümmte. Illan hatte Schwierigkeiten ihn still zu halten. Ein Lichtschein traf Illan plötzlich mitten ins Gesicht, sodass dieser sofort nach links wich und in eine kleine Seitenstraße verschwand. Männliche Rufe erschallten hinter ihm. Als Illan sich sicher war, dass er seinen neuen Verfolger abgeschüttelt hatte, bewegte sich Illan in weiteren Gassen fort. Kurz vor dem Ende seines Umwegs der Hauptstraße, fühlte er eine unangenehme Kälte auf seiner Haut. Kurz erstarrt horchte der junge Mann auf.
 

<Krrchhhhhh>
 

Er hörte es hinter sich krachen, als würde eine dünne Eisschicht brechen. Die Fensterscheiben, an denen er vorbeigelaufen war, froren langsam zu. Ein Stechen in seinem Kopf begann und Illan war der Meinung ein Flüstern zu hören.
 

„Schuld… schuld… schuld… schuld… schuld.“
 

<Krrrrchhhhhhh> Wieder war brechendes Eis zu hören, zudem vernahm er ein leises Schleifen hinter sich. Das leise mulmendes Stöhnen hinter sich wurde lauter.
 

‚Dieses verfluchte Ding.‘ Illan stürmte plötzlich vor und er sah nicht zurück. Er verließ die Gasse vorwärts in Richtung Straße.
 

„Huch?! Hey! Was machst du da?“ Hörte Illan sofort rufen. Neben ihm stand wieder ein Polizist, der ihn mit geweiteten Augen anstarrte. Wild fuchtelte er mit seiner Taschenlampe herum.
 

„Herr Polizist, da kommt gleich der Schatten raus.“ Illan deute auf die Gasse hinter sich, ohne hineinzusehen.
 

„Äh… was?“ Erschrocken blickte der Polizist in die Gasse aus dem Illan kam.
 

„Was… Schatten? Wo… ich sehe nicht…?“ Illan nutzte diese Unachtsamkeit aus und er stürmte erneut vor. Auch diesem Gesetzeshüter entkam er mit Leichtigkeit, weil Illan die Ecken und Winkel dieser Stadt gut kannte.
 

‚Wieso sind heute Nacht eigentlich so viele aktiv? Vielleicht wegen den Jugendlichen?‘
 

Erleichtert eilte Illan zur Zielstraße, die sich vor ihm auftat. Der übrige Abschnitt zum Krankenhaus dauerte nur noch zehn Minuten. Das Krankenhaus in Orange war versteckt zwischen den Ziegelgebäuden, die präsent auf beiden Straßenseiten verteilt waren. Das Krankenhaus war zwar das größte Gebäude der westlichen Straße von Orange, aber es hatte keine besonderen Baueinheiten, die es besonders hervorstachen lassen würde. Bis auf das deutliche Schild über dem Eingang, deutete nichts auf ein Krankenhaus hin.
 

Die gläserne Doppeltür schob sich vor Illan automatisiert auf und die junge Dame hinter dem Schalter schaute ihn überrascht an. Sie schreckte von ihrem Arbeitsplatz zurück. Reflexartig schnellte ihre Hand vor und sie tippte auf etwas.
 

„Oh... also…“ Die junge Dame zog ein Mikrophon vom Tisch zu sich, das mit etwas verbunden war:
 

„S-5, Einsatz im Eingangsbereich, schwer verletzte Junge, bitte kommen!“ Die Dame drehte sich um. Sie öffnete einen gläsernen Schrank. Sie zog einen orangefarbenen Koffer mit einem grünen Plus darauf hervor. Sie eilte zu Illan. Die Dame stellte den kleinen Koffer vor sich ab, dann zog sie eine fahrbare ein Meter hohe Liege aus einem Nachbarraum herbei. Mit einer deutlichen Handbewegung verwies sie auf die Liege.
 

„Rick Nerafal, Verletzt durch einen Angriff. Wahrscheinlich eine Schusswunde.“ Illan legte Rick auf diese Liege ab. Die junge Dame sah zu nächst Illans blutige Hände und dann seine blutverschmierte Kleidung an, dann widmete sie sich wieder dem Jungen.
 

„Rick? Was zum… was ist passiert? Was ist passiert? Wer hat ihn angegriffen? Weiß Linda schon Bescheid?“ Illan schwieg jedoch.
 

Aus dem hinteren Teil des Gebäudes stürmten drei Leute herbei. Ein großer schlanker Mann in weißer Arztuniform und deutlich mit aufgedruckten Namen auf seiner Brust ‚Chefarzt Dr. Drogan‘. Dieser schob die junge Dame leicht zur Seite. Mit schnellen gezielten Bewegungen schien er seine Untersuchungen zu beginnen, dabei sprach er in einem für Illan zum Teil schwer nachvollziehenden Vokabular zu seinen beiden Begleitern. Seine Begleiter waren völlig in grüner Stoffkleidung eingehüllt und sie mussten nach Illans Verständnis Pfleger des Krankenhauses sein. Schnell und prägnant gab der Chefarzt seine Anweisungen, während die anderen ihm kurze knappe Antworten entgegneten.
 

Umso länger Illan ihn betrachtete, um so seltsamer wurde sein Gefühl.
 

‚Ich habe den hier noch nie gesehen. Wer ist das? Ein neuer Chefarzt? Und er… sieht jung aus.‘
 

Durch Illans Alter kannte er fast jedes wichtige Gesicht in der Stadt, aber dieser relativ junge Mann mit ernstem Gesichtsausdruck und auffälliger ausdrucksstarker Haltung kannte er nicht. Illan gab zu, dass er nur noch selten hier war, daher tat er diesen Gedanken mit einem Schulterzucken ab. Illan drehte sich um und er wollte gehen, da umfasste ihn eine kräftige Hand an der linken Schulter, die daraufhin sofort ihren Druck nachließ:
 

„Schauen Sie mich noch einmal an.“
 

‚Was…?‘ Plötzlich kribbelte Illans Körper und er wurde nervös. Es fühlte sich plötzlich an, als würde ihn jemand bei irgendetwas entlarven wollen und damit Recht haben. Illan sah dem Chefarzt ungewollt in die Augen, bevor er sich genervt abwandte.
 

„Frau Redig, hat der junge Mann Verletzungen an seinem Hals?“
 

Das Kribbeln in Illans Körper wurde stärker und seine Fluchtinstinkte wurden geweckt.
 

„Nein, Dr. Drogan. Ausschließlich leichte Kampfspuren an Händen, Beinen und Unterkörper. Zusätzlich zur Wunde am Becken.“
 

„Gut, dann weiter. Operationssaal B. Blutgruppe feststellen und Angehörige kontaktieren. Ich komm gleich nach, ich muss noch was überprüfen.“ Das war für Illan das Zeichen zu verschwinden. Schnell verließ er das Krankenhaus. Immer schneller werdend rannte er zurück zu seinem derzeitigen einzigen Heimatort, Mr. S Villa.
 

‚Verflucht… was war das für ein Typ?‘ Aus irgendwelchen Gründen sagte ihm sein Instinkt, dass dieser Typ noch gefährlich wird. Illan eilte nun die Hauptstraße entlang. Ohne Ballast konnte er problemlos zur Höchstgeschwindigkeit ansetzen. Die ahnungslosen Polizisten, die ihn wahrscheinlich wegen seiner blutigen Kleidung angafften, ließ er schnell hinter sich.
 

„Hey warte mal, ich habe eine Frage an dich.“ Eine Gestalt stellte sich plötzlich Illan in den Weg und auch wenn Illan ihm auswich, packte er ihm am Arm. Jeder normale Bewohner – mit Ausnahme Linda – hätte Illan umgeworfen, aber diese Gestalt hielt ihn fest und brach ihm damit fast den Arm. Illan hielt sich zurück seine Krallen nicht zu zeigen. Der plötzlich Impakt, den ihn durchfuhr, als er aus dem Sprint plötzlich angehalten wurde, machte Illan zornig.
 

„Verflucht! Was willst du?!“
 

Wieder erschauderte Illan, denn der Blick des jungen Mannes war ähnlich dem des Chefarztes. Nur schaute dieser freundlicher. Sein Schmunzeln wirkte natürlich. Der Fremde war groß, aber nicht besonders breit gebaut. Nicht destotrotz erkannte Illan den gut durchtrainierten Körper. Dieser Mann musste in seiner Freizeit Marathons laufen, zudem machte Illan die pure Stärke des Fremden Angst. Der Handgriff des Fremden begann zu schmerzen.
 

„Ein neugieriger junger Mann, der wirklich nur kurz stören möchte, wenn dies keine Umstände macht?“ Das Schmunzeln des Fremden blieb.
 

„Doch macht es.“ Illan versuchte sich fortzureißen.
 

„Du hast den Jungen aber nicht so zugerichtet gehabt?“ Die Aura des Fremden begann bedrohlicher zu wirken.
 

‚Verflucht, wer ist das?‘
 

„Nein verdammt!“ Der Griff des Fremden wurde nicht lockerer.
 

„Dann mal anders gefragt, war es eine Person von der Gilde… - Ranger Guild – glaube ich.“
 

Illan schaute den Fremden überrascht an.
 

‚Was zum…? Wieso sollte er das denken? Was ist seine Absicht?‘
 

„Nein.“ Illan versuchte sich ein weiteres Mal fortzureißen. Dieses Mal ließ der junge Mann tatsächlich los.
 

„Ich äußere mich nicht zur Gilde.“
 

„Ich sehe… nun… ich bin auf der Suche nach einer Person namens Linda Westallya. Wissen Sie, wo sie sich im Moment aufhält?“
 

„Nein.“ Genervt wandte sich Illan ab und er stürmte wieder los.
 

Als Illan den Wald erreicht hatte, bemerkte er, dass sein linker Arm anfing zu schmerzen. Er zog seinen Jackenärmel hoch. Ein blauer Fleck hatte sich an der Stelle gebildet, an dem ihm der Fremde gepackt hatte.
 

‚Sind, dass die Leute vor denen Mr. S geredet hatte? Haben Sie jetzt angefangen Leute hierher zu schicken?‘ Im ersten Moment war der junge Mann gestresst, aber umso länger er darüber nachdachte, umso mehr musste er unweigerlich schmunzeln.
 

‚Das war auch nur eine Frage der Zeit, wann sie auf ihn aufmerksam werden. Hoffentlich wissen die, mit wem sie sich anlegen.‘ Ein wenig erleichtert blickte Illan voraus in die Dunkelheit des Waldes.

Orange II --- Projekt Zerfall

[Walerij]
 

Die Sonne strahlte ihm direkt auf das Gesicht. Er hoffte, dass sie ihm von den Kopfschmerzen befreite. Sein Kopf summte jedoch immer noch. Eine leichte Übelkeit brachte ihn zum Seufzen. Als er seine Augen öffnete, wollte er sie gleich wieder schließen.
 

‚Ich werde es nie lernen. Aber na ja…‘ Walerij stand von der Parkbank auf und er ließ seine Hände knacken. Für einen Moment verging dabei der Kopfschmerz, jedoch kam er schnell wieder.
 

Plötzlich vibrierte etwas in seiner Tasche. Schnell zog Walerij sein Smartphone hervor. Er schob den digitalen Hörer-Button nach rechts.
 

„Jaaaa? Skrolavsky am Apparat?“ Für einen Moment herrschte Stille, nur der alltägliche Lärm der Stadt Astera war in der näheren Umgebung zu hören. Zurzeit befand nur er sich in diesem Teil des Stadtparks. Gelegentlich fuhr ein Radfahrer an ihm vorbei.
 

„Ah ja… hallo…“ eine ältere männliche Stimme am Telefon erklang.
 

„Hier spricht Professor Kehrstein von der Magic Guild Akademie in Nordzellerstein. Sie hatten meine Sekretärin wegen einer Informationsanfrage in Bezug auf die Sommerinseln kontaktiert. Ich melde mich bezüglich dieses Themas.“ Etwas unbeholfen suchte Walerij in seinen Jackentaschen nach seinem Notizblock. Er tippte auf den Lautsprecher, legte das Smartphone auf einen nahegelegenen einsamen steinernen Pfosten, dann zog Walerij einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche.
 

„Sind sie noch dran, Herr Skroplabskiee?“
 

„Ja… ja, ich bin am Apparat.“ Walerij pausierte kurz.
 

„Das ist wunderbar, dass Sie sich melden, Herr Professor. Meine Anfrage war bezüglich Ranger Island. Die Thematik war Territoriums Ansprüche bzw. die derzeitigen Besitzerrechte der Insel.“ Mehrere Sekunden wartete Walerij gespannt auf die Antwort des Professors.
 

„Hören Sie Herr Skroblawskieee. Ich bin mir bewusst, dass Sie sicherlich auf die derzeitige Problematik der Zugehörigkeit der Insel ansprechen wollen. Die Stadtverwaltung von Orange kam auch schon auf mich zu. Ich bin zwar befugt gerichtliche Gutachten in Bezug auf Territoriums Ansprüche zu erstellen und entsprechende Stellen zu beraten, aber bei Ranger Island habe ich mich bereits öffentlich eindeutig dazu geäußert dies nicht zu tun. Die Faktenlage zur Insel sind nicht eindeutig für mich. Die Faktenlage spricht m Moment, dass die Insel zu 100% im privaten Besitz befindet von Mister Sozowanik ist. Also sollten Sie…“
 

„Also doch. Jedoch wird zurzeit öffentlich behauptet, dass die Stadtverwaltung Orange sich weiterhin mit diesem Herrn streitet. Angeblich hätte die Stadt niemals auf der Insel existieren dürfen, ist das korrekt, Herr Kehrstein?“
 

„Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich ausreden lassen, sonst können wir dieses Telefonat gleich beenden.“ Ein kurzes Räuspern des Echauffierens war zu hören, dann erklang die ältere Stimme erneut:
 

„Ja…, dies ist korrekt, Herr Skrovvlappskiee. Zu alle anderen Behauptungen existieren bis jetzt keine stichhaltigen Beweise. Die 100% Theorie ist am wahrscheinlisten. Jedoch um das schnell zu klären wäre eine Aussprache mit Herr Sozowanik notwendig, doch eine Kontaktaufnahme mit den Herren von der Insel ist zäh und sinnlos. Es ist nur eine Zeitverschwendung. Was aber auf jeden Fall feststeht, dass der Anspruch der Stadt Orange nicht rechtens ist und jederzeit geräumt werden darf.“ Walerij wartete ein paar Sekunden ab, bevor er antwortete:
 

„Ich verstehe, aber wieso ist dann dies so stark in der Öffentlichkeit vertreten – so auch hier in Festa, da wird das doch offen behauptet – also, dass die Insel nur zu einem gewissen prozentualen Anteil diesem Mister Sozovanik… Sozorvanik… ähm diesem Mr. S gehört und dass die Einmischungen seitens dieses Mannes in der Stadt Orange nicht zulässig wären?“
 

„Hören Sie mir eigentlich zu, Herr Skrowlanskiee, denn dann hätten Sie bereits verstanden, dass diese Behauptungen von seitens Orange nicht bewiesen werden. Die meisten Medien senden diese Behauptungen einfach weiter und das wird dann von der Öffentlichkeit nicht einmal hinterfragt. In der Öffentlichkeit hat der Recht, der lauter schreit. Es gelten aber Fakten und diese liegen im Moment nicht auf Seiten von Orange. Ich hoffe Sie arbeiten in ihrem Beruf nicht so schlampig, Herr Skrovvlandskiee.“ Walerij seufzte leise, aber wieder wartete er einen Moment ab, bevor er antwortete.
 

„Herr Professor Kehrstein, ich habe auch eine Frage bezüglich des Verschwindens von Personen auf der Insel. Es scheint der Fall zu sein, dass dies nicht…“
 

„Das ist nicht mein Fachgebiet, Herr Skromlansskiee. Dies hat nichts mit der Tatsache zu tun, wer den Anspruch auf der Insel hat. Bitte unterlassen Sie solche Fragen zu stellen, diese werde ich Ihnen nicht beantworten.“
 

‚So leicht wird der mich nicht los, dieser arrogante Stiefel.‘
 

„Verstehe, Herr Professor Kehrstein. Dann formuliere ich meine Frage entsprechend um. Ist der Besitzer der Insel – also in diesem Fall wohl dieser Mr. S - in der Verantwortung dieses Mysterium der verschwundenen Leute aufzuklären? Also hat er eine Bringschuld? Meine Frage bezieht sich darauf, dass bisher nichts unternommen wird gegen diese erhöhte Anzahl an verschwindenden Leuten. Finden Sie das nicht auch, dass das näher untersucht werden sollte?“
 

„Versuchen Sie mich nicht in eine Falle zu locken, Herr Skroolagskie. Diese Fragen sind auch außerhalb meines Fachgebiets, aber ich gebe Ihnen in einem Punkt eine Antwort. Rechtlich gesehen ist das der Fall, zumindest was international vereinbart wurde. Ich sage Ihnen aber auch - wie jedem anderen Journalisten, der mich deswegen belästigt – dieses Mysterium wird bereits von mehreren Seiten untersucht und ich werde Ihnen nicht mehr bekannt geben, was öffentlich bekannt ist. Alles andere was Sie darüber herausfinden wollen, das müssen Sie durch andere Quellen erfahren. Fragen Sie zum Beispiel Historiker unserer Akademie. Wer die Vergangenheit der Insel kennt, der wird sich denken können was womöglich im Spiel ist.“ Der Professor pausierte kurz und er schien sich kurz zu räuspern:
 

„Gehen Sie einfach in irgendeine Bibliothek und schlagen Sie die Geschichte der Sommerinseln nach, dort werden Sie fündig. Rufen Sie mich deswegen nicht noch einmal an. Ich habe keine Zeit Vorlesungen über das Telefon zu halten. Besuchen Sie den Kurs der Akademie oder schreiben Sie sich ein, wenn Sie sich fortbilden möchten. Wäre das dann alles, Herr Skroolamskieem?“ Walerij seufzte erneut.
 

„Ja…, vielen Dank für Ihre Auskunft, Herr…“ Walerij stoppte, weil er bemerkte, dass der Anruf schon längst beendet war.
 

‚Na ja…, besser als nichts.‘ Walerij betrachtete seinen Notizblock, während er ein paar Stichworte aus dem Gespräch notierte.
 

‚Ich weiß jetzt nur, dass dieser Mr. S in der Bringschuld ist das Verschwinden aufzuklären und, dass die Stadt Orange vermutlich in irgendeinem Verhältnis zu diesem Typen steht, sonst wäre sie schon längst weg. Dieser juristische Quatsch, der ab und zu von der Stadt behauptet wird, ist also nur Fassade. Das würde auch das Treffen erklären zwischen den beiden Parteien. Ich schätze mal die Stadt bezahlt den Typen und dieser nutzt die Stadt als Einnahmequelle, aber warum dann dieser öffentliche Quatsch mit dem Besitzanspruch? Würden beide Seiten nicht eher davon profitieren, wenn in der Hinsicht Funkstille wäre? Vielleicht bröckelt schon seit ein paar Jahren diese Zusammenarbeit oder ist dieser Rechtstreit genau die Quelle, die Leute wie uns anziehen soll?‘ Walerij dachte mehr über das Gesagte nach, während er weitere Notizen auf seinem Block machte. Bevor er jedoch weiter darüber nachdachte, fing sein Kopf wieder an, stärker zu brummen.
 

‚So kann ich mich nicht wirklich konzentrieren.‘ Angestrengt blickte er wieder auf seinen Block.
 

‚Bevor die Gedanken verblassen. Die Geschichte von den Sommerinseln ist mir ein bisschen bekannt, aber das hilft mir jetzt auch nur bedingt. Auf eine Vorlesung von diesem Zausel habe ich aber auch keine große Lust.‘ Walerij ließ genervt sein Nacken knacken, in der Hoffnung, dass seine Kopfschmerzen verschwanden.
 

‚Immer diese arroganten Magier. Fühlen sich was besonders. Besuchen sie den Kurs, ja klar.‘
 

Nachdenklich tippte er mit dem Kugelschreiber gegen den steinernen Pfosten.
 

‚Orange war früher ein Lagerdepot eines Handelsmannes, danach wurde es nach dessen Verschwinden zu einer Stadt. Die Stadt hielt sich irgendwie mit Tourismus über Wasser bis jetzt. Aber das glaube ich nicht. Die Stadt muss noch von etwas… anderes am Leben erhalten worden sein. So viel Geld kann nicht durch den Tourismus reinkommen. Die Preise dort waren fast schon normal teuer.‘ Walerij setzte seinen Kugelschreiber neu auf dem Notizblock an. Er fügte neue Sätze hinzu:
 

‚Ich kann davon ausgehen, dass dieser Mr. S die Insel irgendwann erworben hat bzw. evtl. von einem Vorfahren oder von einer fremden Person. Eine Person hatte es zumindest vom Handelskaufmann irgendwie erworben oder der Handelskaufmann war ein Vorfahre von Mr. S. Dieser Mr. S scheint aber schon etwas länger auf der Insel eine Rolle zu spielen. Sein Alter ist öffentlich nicht bekannt, aber er sah auch nicht besonders alt aus – insofern er das war. Das Verschwinden der Leute hat vor ein paar Jahren erst begonnen, zumindest in dieser leicht auffälligen Höhe. In diesem Fall kann ich davon ausgehen, dass er wahrscheinlich dafür verantwortlich ist und nicht der Bringschuld nachkommen wird.‘ Walerij zog einen dicken Strich unter seinem letzten Satz.
 

‚Es kann sogar sein, dass die Stadt in der Absprache mit Mr. S etwas für ihn tut und zwar genau das Verschwinden der Leute. Wäre das aber der Fall, dann hätte sicherlich irgendeine Regierung schon reagiert auf diese erhöhte Anzahl von verschwindenden Touristen, aber das wird öffentlich wie ein Gerücht behandelt. Was ist der Grund? Es kann ja nicht sein, dass Mr. S in Ruhe dort leben kann und Leute verschwinden lässt. Was nutzt er, dass der Rest der Welt sich anscheinend nicht um die Sache kümmert? Was hat er in seinem Besitz? Was macht ihn so besonders? Was ist auf dieser verdammten Insel nur los?‘ Ein Schauder ging Walerij über den Rücken. Er drehte sich um, aber niemand war in näherer Umgebung zu sehen. Sein Kopf begann wieder stärker zu pochen. Es wurde langsam Zeit, dass er einer Apotheke einen Besuch abstattete.
 

Walerij verbrachte den Nachmittag in der Bar ‚Zur Wassereule‘. Eine eher schlichte Kaffeebar an der Hauptstraße von Astera. Die Ströme an Touristen, die hierherkamen, um vom größten Hafen in Festa in die ganze Welt zu fahren, ließen etliche Bars, Lounges oder Kneipen wie Pilze aus dem Boden schießen. Eine Zeitlang war das so extrem, dass der Statthalter von Astera ein Gesetz zur Regelung des Marktes erlassen hatte - trotz der Kritiken zur Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit. Bis heute wurde er dafür von den meisten Bewohnern abgestraft. Dennoch stimmte Walerij zu, dass dieses Gesetz die Vielfalt der Geschäfte belebte. Nicht mehr die ewig gleichen ‚einfachen‘ Geschäfte, die im Moment einen Erfolg eines Vorreiters nachahmten. Jetzt standen allerlei Geschäfte am Straßenrand der Hauptstraße und sie verkauften die wundersamsten Dinge. Auch entdeckte Walerij immer wieder ein Restaurant, dessen Essenskultur von weither stammen musste. Trotz der Vielfalt ging Walerij heute in eine stinknormale Kaffeebar. Der Absturz letzte Nacht peinigte ihn immer noch mit leichten Folgen.
 

Er hatte sich an einen freien Vierertisch ans Fenster gesetzt, abseits vom Eingang, jedoch mit einer guten Sicht auf den Eingangsbereich. Auf einem ledrigen Sofa, das schon ein wenig mitgenommen aussah, hatte er sich niedergelassen. Die etwas mürrische Kassiererin forderte ihn auf seinen Kaffee selbst abzuholen. Nachdem Walerij sich zur Kasse schleppte und sich seinen großen Becher Kaffee genommen hatte, setzte er sich wieder hin und er legte seinen Kopf für einen Moment in den Nacken. Wieder strahlte ihm Sonne ins Gesicht. Dieses Mal jedoch durch die großen Fenster, die einen guten Blick auf die Straße ermöglichten. Wenn die Sonne durch den leicht wolkigen Himmel strahlte, dann waren leichte Schlieren am Fenster zu erkennen. Zudem war der Boden ein wenig verdreckt durch die Schuhe der Kunden und das Personal hinter Theke zeigte sich heute nicht von seiner besten Seite. Trotz dieser kleineren Unannehmlichkeiten fand Walerij den Kaffee sehr genussvoll. Er hatte seinen Block vor sich gelegt, den Kugelschreiber daneben und auf einem neuen Blatt Papier die wichtigsten Informationen zu Ranger Island zusammengetragen. Fein säuberlich hatte er die wichtigsten Begriffe oben rechts sortiert. Er nummerierte diese von eins bis zehn. Immer wieder schaute Walerij auf und er blickte die verschiedensten Gäste an, wenn er in seinen Gedanken nicht weiterkam.
 

Nach einigen Minuten hatte er seine Aufschriebe pausiert, denn da war ihm etwas Anderes in der Bar aufgefallen. Er hatte einen Rempler einer blondhaarigen Dame mitbekommen, die in auffälligen schönen Kleidern in dieser schlichten Bar einen normalen Kaffee getrunken hatte. Ihr Augenfang waren die ungewöhnlichen glänzenden dunkelgrünen Strähnen in ihrem Haar gewesen – geschmückt mit goldenen Haarklammern. Zudem hatte sie sich plötzlich in Richtung Ausgang bewegt, als eine weitere elegant gekleidete Dame in Schwarzweiß diese Bar betrat. Beim Hinausgehen hatte die blondhaarige Frau den neuen Gast angerempelt und sich daraufhin mit wenigen Worten entschuldigt. Im Anschluss war sie gegangen. Die angerempelte Dame hatte nur genickt und sie ging anschließend zur Theke. Walerij schmunzelte.
 

‚Nicht gerade subtil. Die beiden Damen haben sich sicherlich gekannt, wenn sie ihr – schon so – etwas heimlich in die Hand drückt… na ja. Was wohl die Geschichte dazu ist? Ein heimlicher Deal, vielleicht sogar Drogenhandel? Ach… ich darf mich nicht ablenken…‘
 

„Euch Spanner gibt es jetzt hier auch in der Bar? Habt ihr keine halboffenen Strandumkleiden mehr?“ Erklang plötzlich eine tiefere weibliche Stimme und eine junge Frau setzte sich ungefragt neben Walerij. Sie brachte ihn indirekt dazu weiter zum Fenster zu rücken, als sie sich schnell und brachial neben ihm niedergelassen hatte. Vom Kleidungsstil ähnlich wie er mit T-Shirt und leichter Wolljacke sowie einer Jeans. Sie trug eine Vielzahl Armbänder am linken Handgelenk und als sie sprach, erkannte Walerij ihr Piercing auf der Zunge sowie ihre pechschwarzen Lippen. Sie legte ihre Hände gestreckt auf die Sitzlehnen hinter ihr, sodass ihre Hand sich fast hinter Walerij schob. Ein wenig verdutzt sowie mit eingeschüchterten Blick, beobachtete er die Fremde einen Moment lang. Seine rechte Hand umklammerte fester seinen Kaffee und er lehnte sich ein wenig vor.
 

‚Sehr mutig von der Dame sich hier einfach herzusetzen. Was ist ihr Ziel? Ein spontanes Date wird das schon nicht sein.‘ Ihr Blick wich von ihm ab und er fiel auf den Notizblick vor ihm. Sie schaute plötzlich erstaunt auf, dann griff sie mit ihrer linken Hand nach dem Block, aber Walerij ließ seine linke Hand auf den Notizblock fallen und er zog ihn an sich.
 

„Das ist nichts für…“
 

„Ja ja… und dann noch FREIZÜGIGE Zeichnungen hier offen in der Bar machen. Wirklich unverschämt von euch Spannern.“
 

„Bitte was?“ Walerij schreckte kurz zurück. Ein Teil der Kunden im Raum warfen Walerij einen entsetzten Blick zu, bevor sie sich abwandten und anfingen zu tuscheln.
 

‚Sie erpresst mich! Was will sie…, die Notizen? Von wem wurde sie geschickt? FNN?‘
 

„Ach… jetzt sei nicht so verkrampft. Zeig mir einfach, dass du nicht so etwas Schändliches machst.“ Walerij ließ langsam seine Deckung fallen und die Frau zog ihm den Notizblock aus der Hand. Seine Hände verkrampften sich im Anschluss.
 

„Ah doch nichts Unanständiges, sah nur so aus, aber sehr interessant was ich hier so lese. Ranger Guild. Was hast du denn zu tun mit Linda’chen? Ein heimlicher Fan? Ich kann verstehen, wenn ihre Art Feuer im Herzen entfacht.“
 

Verwirrt blickte Walerij auf seinen Notizblock, den sie wieder auf den Tisch vor sich hingelegt hatte.
 

‚Was will sie von mir? Sie meint jetzt diese Gildenmeisterin von der Insel? Scheint die sich etwa bewusst hierher gesetzt zu haben?‘ Skeptisch begutachtete die junge Frau.
 

‚Ich darf mir die Butte nicht so vom Brot schmieren lassen.‘
 

„Du kennst also…“ seine neue Nachbarin wandte sich von ihm ab und sie winkte einer Person im Raum zu. Es war die elegante Dame von zuvor, die angerempelt wurde. Sie schien die beiden beobachtet zu haben.
 

„Lirana, hier! Ich habe einen Spanner gefunden!“ Noch mehr der Anwesenden – inklusive der Kassiererin – blickten Walerij für einen Moment nur wenig wohlwollend an. Walerij vermied weiter durch den Raum zu schauen.
 

‚Die bringt mich nur in Schwierigkeiten!‘ Die Frau, die angesprochen wurde, stand auf und näherte sich dem Vierertisch. Im Gegensatz zu der sehr extrovertierten und ausstrahlungsstraken Dame am Tisch, war sie femininer gekleidet. Ein weißer offener Mantel, darunter eine schlichte Bluse. Dies in Kombination mit einem schwarzen Rock, der ihr bis zu den Knien reichte. Sie setzte sich langsam und mit Bedacht an den Tisch. Sie blickte im Anschluss ihr Gegenüber an. Sie wirkte ein wenig unzufrieden und beim Reden erhob sie leicht ihr Haupt.
 

„Sein Blick wirkt eher eingeschüchtert als spannend, meine Liebe. Du solltest ihn nicht so quälen. Mehr als nur Worte erkenne ich dort nicht. Machst du dir wieder einen Spaß? Das wäre heute nicht so praktisch und du solltest dir das dringend abgewöhnen.“ Als sie kurz zu Walerij schaute, erschauderte er kurz. Ihre Worte klangen freundlich, aber ihre Blicke bestraften ihn.
 

‚Was ist denn das für eine Situation hier? Ich komme hier nicht einmal weg.‘
 

„Ähm… normalerweise werde ich wegen meinem Beruf häufig von Männern belagert, also was verschafft mir diese Ehre von so schönen Freuen umzingelt zu sein? Habe ich irgendwo ein bisschen zu tief recherchiert?“ Es erschallte kurz Gelächter der extrovertierten Dame neben ihm. Selbstsicher grinsend schaute sie ihn an.
 

„Ja ja… gleich am Flirten- sehr typisch - aber damit entkommst du uns nicht. Also…“ Sie lehnte sich vor und stützte sich nun auf ihren rechten Arm, den sie auf den Tisch gelegt hatte. Sie beobachtete ihn genau.
 

„Warum hast du meine Begleiterin so konzentriert angegafft, mehr angegafft als es die Männer sonst tun und… warum steht da so einiges Interessantes auf dem Block? Und… bist du ein heimlicher Fan von Linda? Würde ich dir nicht einmal übelnehmen.“ Walerij zog für einen Moment seine Augenbrauen nach oben. Sein Herz klopfte ungewöhnlich schneller und er schluckte nervös. Seine rechte Hand umklammerte wieder den inzwischen leicht abgekühlten Kaffeebecher.
 

‚Wird schwer hier vernünftig voranzukommen. Die scheinen es nicht so mit Männer zu haben.‘
 

„Nun…, dieser Block…“
 

„Warum hast du da Linda unterstrichen? Warum ist der Strich so fett und warum steht da eine 8 darüber? Etwa ihre Einordnung in deiner Skala und dann nur eine 8? Eine 10 mindestens… komm schon, meinst du nicht?“ Während Walerij von den Augen seiner Sitznachbarin fast schon hypnotisiert wurde, bemerkte er erst zu spät, dass sein Block bereits unter Beschlag genommen war. Die andere Dame hatte sich inzwischen den Block angeeignet und sie blätterte ihn in einem schnelleren Lesetempo durch die Seiten. Sie verzog dabei keine Miene.
 

‚Verflucht! Wieso ausgerechnet passiert das mir? Allein schon diese Situation hier wäre eine Story wert, wenn sich das… irgendwie… nicht so absurd anfühlen würde.‘ Seine Nervosität nahm zu. Walerij wandte sich der schweigsamen Frau zu:
 

„Dieser Block…, der ist eigentlich meiner und ich bin jetzt nicht so ein Fan davon, wenn…“
 

„Hier spielt die Musik! Ich stelle die Fragen, also antwortest du m..i..r!“ Die extrovertierte Frau lehnte sich immer weiter nach vorne, sodass sie den Blick auf ihre Begleiterin behinderte und das Walerij noch weiter zurückrutschen musste.
 

„Scheint gegen unseren guten Bekannten zu arbeiten, Mira.“ Lirana – so wie sie von ihrer scheinbaren Begleitung genannt wurde – ließ den Block auf den Tisch fallen, daraufhin rieb sie ihre Hände am Sitzpolster des Sofas ab.
 

„Mira, du hast ein erstaunliches Talent Zufälle heraufzubeschwören.“ Fügte sie anschließend hinzu. Mira schaute ihre Begleiterin im Anschluss ein wenig enttäuscht an.
 

„Warum klingst du jetzt so negativ, während du so was Positives sagst?“ Ihre Lippen verzogen sich nach unten.
 

„Ich dachte, dass das gut wäre! Ich meine wir haben jetzt hier ein Tisch und wir haben einen dubiosen Typen, der vielleicht mehr über die Insel weiß. Ist doch perfekt geeignet für Rossya. Außerdem… der Typ kommt hier nicht weg, also ein perfektes Opfer für sie.“
 

‚Von was zum Teufel reden die? Ist das hier so ein Ding… wo ich nachher erpresst werde?‘
 

„Wenn sie nachher sagt, dass er o.k ist, dann ist doch gut. Er scheint ja was zu wissen und wenn er das doch nicht ist, dann nun ja… verfahren wir normal wie immer mit solchen Spannern.“
 

„Warte mal was? Also bitte… wir können ja vernünftig über die Thematik reden. Ihr wollt Informationen von mir - wie ich sehe, aber ganz so gratis mache ich das nicht. Es ist schließlich meine Arbeit und ich brauche auch…“
 

„Tssss, du darfst gleich reden.“ Unterbrach Mira, während sie ihm ermahnend senkrecht nach oben ausgestreckt den Zeigefinger entgegenstreckte. Walerij stoppte, während er sein Seufzen unterdrückte.
 

‚Ha… ja… was mache ich hier eigentlich? Als würde ich irgendetwas erreichen wollen. Aber heiß ist sie schon. Das macht es so viel schwerer sich zu widersetzen.‘
 

„Ist bestimmt nützlich für uns, aber leider nun mal müssen wir darauf achten mit wem wir darüber reden. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich vertraue ihm nicht und du solltest nicht so unvorsichtig sein.“ Wieder warf Lirana Walerij abwertende Blicke zu.
 

‚Bei ihr läuft mir nur ein Schauder über den Rücken. Sehr unsympathisch.‘
 

„Ich bin Journalist und mein Name ist Walerij Skrolavsky. Meine Reputationen sind übrigens gut. Ich arbeite nur für seriöse Quellen und ich veröffentliche keinen Schmutz. Gerne tausche ich Informationen auch außerhalb meiner Tätigkeit, aber es muss sich für mich lohnen. Es ist immerhin meine Arbeit und sie kostet etwas, aber sie ist es wert.“ Walerij sprach energischer, als er es sonst tat. Erwartungsvoll blickte er die beiden Damen an, jedoch schaute keiner der beiden Frauen ihn an.
 

„Ah sie ist da!“ Mira fing erneut an zu winken. Sie schien einer Person zuzuwinken, die im Moment die Bar betrat. Walerijs neugierige Blicke fielen auf den Eingangsbereich der Bar. Eine großgewachsene langhaarige junge Frau mit weißen Haar schaute ernst zum Vierertisch. Etwas in ihrem Ausdruck erinnerte Walerij stark an unschöne vergangene Zeiten. Sie trug einen langen weißen Mantel, stark zugezogen, sodass dieser dennoch ihren Körper betonte. Unter ihrem Haar, glänzte etwas an ihren Ohren. Ihre Hände hatte sie in den Manteltaschen versteckt. Zudem schauten unter ihrem Mantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, schwarze Reiterstiefel hervor.
 

‚Oh je. Die schaut mich so finster an wie meine alte Mathelehrerin.‘ Ein Schauder über seinen Rücken ereilte ihn. Plötzlich wollte sein Körper nur so schnell wie möglich weg von hier.
 

„Rossya! Hier! Wir haben dir Platz gelassen!“ Mira grinste. Langsam näherte sich die Frau dem Tisch. Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie Walerij. Sie schwieg. Lirana rutschte zum Rand und saß nun Walerij gegenüber.
 

„Der da hat womöglich Informationen für uns, aber du solltest ihn mal checken. Ich bin zuversichtlich, dass er etwas für uns hat, aber er könnte auch einfach nur ein Spanner sein.“
 

„Woher kennt ihr ihn?“ Die neuste Sitznachbarin hatte eine relativ tiefe Stimme für eine Frau. Ein Aspekt mehr, der Walerij glauben ließ, dass sie vielleicht die Reinkarnation seiner Mathelehrerin war. Seine Mathelehrerin war vor ein paar Jahren verstorben, mit stolzen 104 Jahren. Die neue Sitznachbarin zog ihre Hände aus dem Manteltaschen und legte diese übereinander auf den Tisch. Ihr Blick wurde dabei noch ernster.
 

„Ich sah den, wie er Lirana angegafft hatte, da dachte ich, dann schnappe ich mir seinen Tisch… und ihn.“ Walerij meinte wahrzunehmen, dass sich Mira dabei kurz auf die Unterlippe gebissen hatte.
 

„Wieder mal sehr nachlässig von dir.“
 

Wütend schlug Mira mit beiden Händen flach auf den Tisch, sodass für einen Moment viele Kunden im Raum den Vierertisch anstarrte:
 

„Hey! Bevor du dich wieder beschwerst, kannst du ihn ja mal überprüfen. Er weiß was…, da ist sein Block. Da steht ein Haufen interessantes Zeug drauf. Mein Gespür täuscht mich übrigens auch nie!“ Sie deutete auf den Block vor Rossya. Zugleich - und ohne zu Fragen - packte Miras Gegenüber Walerij Arm. Zu seinem Erstaunen griff die Dame mit ihrem langen Arm so schnell über den Tisch, dass er nicht einmal schnell genug realisierte, was sie vorhatte. Plötzlich befand sich sein linker Arm in ihrem Griff.
 

‚Was zum…?!‘ Ihr Griff war unangenehm, weil sie mit ihren Fingern sein Handgelenk ein wenig eindrückten. Walerij spürte plötzlich das Gefühl in seinem Körper, dass ihn etwas benebelte, als wäre er wieder so betrunken wie gestern Nacht. Er tat sich schwer konzentriert die Augen offen zu halten.
 

„Kein nennenswerter Widerstand… sehr gut. Dann lass uns das mal beschleunigen. In welcher Beziehung stehst du zu Ranger Island.“ Ein wohliges Gefühl durchstreifte ihn und etwas in ihm erzählte ihm, dass er gerne doch darauf antworten sollte. Es wäre auch kein Problem, wenn er einfach alles erzählte, ohne etwas verschweigen zu müssen.
 

„Also… ich bin aus journalistischen Zwecken dorthin gereist, um vor allem Informationen gegen diesen Mister Sozovanik… Sozorwanik… diesen Typen in der Villa zu bekommen. Wegen ihm ist eine gute Freundin von mir spurlos verschwunden und niemand will was dagegen unternehmen. Niemand traut sich, weil der Typ die ganze Insel besitzt. Die Stadtverwaltung von Orange und dieser Typ hängen zusammen und die Leute die dort verschwinden werden absichtlich verschleiert. Der Typ… nein die ganze verdammte Insel muss aufgehalten werden, denn es kann nicht sein, dass Leute verschwinden und niemand kümmert es. Niemand denkt an die, die es schmerzt, dass jemand verschwindet, den man kennt. Das ist furchtbar. Und ich will verdammt nochmal wissen warum sich noch kein Staat offen darüber ausgesprochen hat! Außerdem wollte mich ein Typ aus dem Rathaus sogar töten, weil ich gelauscht habe. Was auch immer, die…“
 

„Das reicht…, mehr Informationen sind hier nicht notwendig. Also bisher ist der Typ scheinbar... brauchbar.“ Rossya ließ daraufhin sein Handgelenk los und plötzlich durchströmten Walerij ein Haufen negativer Gefühle, die er nicht vermisst hatte. Zusätzlich begann er sich zu fragen, warum er gerade so redselig gewesen war.
 

„Was hast du mit mir gemacht? Wieso habe ich…“
 

„Tssss, du hast im Moment Funkstille.“ Unterbrach Mira, während sie ihn wieder so hypnotisierend anstarrte.
 

„Nein, ich…, also…!“
 

„Rossya hat dich als brauchbar bezeichnet. Das zeigt, dass ich wusste, dass du nicht nur ein Spanner bist. Aber entlassen bist du deswegen noch nicht.“
 

„Aber…“
 

„Ja genau, also ruhe. Du darfst nachher wieder plaudern.“ Mira drehte sich daraufhin zu Rossya und zufrieden grinste sie Rossya an:
 

„Also? Ich tu auch meinen Teil, siehst du?“ Rossya schwieg für ein paar Sekunden. Sie blickte kurz zu Walerij, dann zu Mira:
 

„Dennoch sehr unüberlegt von dir.“ Mira schien ein wenig zu schmollen.
 

„Erst einmal klären wir hier nur den weiteren Treffpunkt und dann sehen wir weiter. Hier bereden wir gar nichts. Ich gebe euch einen Ort mit, dort treffen wir uns, klar?“
 

„Immer also so komplex von dir.“ Mira seufzte. Rossya wandte sich wieder Walerij zu.
 

„Du sagtest journalistische Arbeit? Wie sieht deine Vernetzung mit Kontakten aus?“ Walerij horchte interessant auf:
 

‚Oh… jetzt wird es interessant. Womöglich komme ich doch noch an die Möglichkeit hier etwas zu verdienen.‘
 

„Ausgezeichnet, aus mehreren Jahren aktiver Arbeit bei allermöglichen Verlagen, Professoren und mehr. Selbst bis in Rektorat der Magic Guild Akademie habe ich die Kontakte und ich pflege diese.“
 

„Dann können wir ins Geschäft kommen. Ich gebe dir einen Ort, dort hole ich dich ab. Du bist dann alleine dort. Ach… und ich schätze du kannst dir sicherlich denken um was es hier geht, also hältst du dich solange bedeckt.“
 

„Aber sicher, ich bin eine zuver…“ Rossya packte wieder seinen Arm und wieder begann das eigenartige Gefühl in seinem Körper.
 

„Was sind deine Gedanken zu dem Geschäft mit uns und Ich will wissen, ob du im Auftrag von irgendwem handelst?“ Wieder entstand der Zwang in ihm ihr alles erzählen zu wollen.
 

„Ich bin interessiert an ein Geschäft, weil ich langsam ein wenig knapp bei Kasse bin. Ich will nicht auf der Straße leben müssen, also greife ich nach dem Strohhalm, der mir geboten wird. Ich bin sicherlich nicht dumm genug, diese Chance zu verschenken. Ich werde allein zu dem genannten Ort kommen und ich arbeite für niemanden.“ Ihr Griff wurde fester:
 

„Vertraust du uns?“
 

„Ich weiß noch nicht was ich von euch halten soll. Aber das potenzielle Geschäft klingt echt genug für mich, aber vor allem würde ich verstehen was du mit mir machst, dass ich dir alles offenbare. Ich mag Magier nicht so besonders, ich finde sie arrogant.“
 

„Interessant. Hältst du uns für vertrauenswürdige Personen oder hast du ein Problem damit, dass wir Frauen sind?“
 

„Ich bin verwirrt, woher diese Frage kommt. Was soll das Geschlecht hier einen Unterschied machen? Ihr wirkt nicht wie Lügner auf mich, aber ihr seid harsch, unfreundlich und lasst mich nicht ausreden. Das mag ich nicht besonders und ich finde das uncharmant. Nicht destotrotz hat das nicht mit euch als Frauen zu tun. Ich bin überzeugt, dass sich hier eine gute Story verbirgt und es mir vielleicht persönlich weiterhilft.“
 

„Was tust du nach diesem Besuch hier, wenn ich dir sage, dass ein Treffen nicht vor 18 Uhr stattfinden wird?“ Für einen Moment war jede Art von Zweifel wie weggefegt. So einen Mut wir jetzt hatte er noch nie gespürt. Es lag ihm auf der Zunge seine Gedanken zu offenbaren, er hielt das für eine gute Idee.
 

„Ich werde meine Zeit weiterhin in solche Bars verbringen und mir meine Gedanken machen. Ich muss noch ein paar Ungereimtheiten lösen. Alles ist in meinem Block notiert.“
 

„Letzte Frage. Gibt es Geheimnisse, die du uns sagen musst?“
 

„Bevor ich zu dem genannten Ort gehe, würde ich die charmante Dame neben mir auf ein Rendezvous einladen, sofern sie Zeit für mich hat.“ Rossya ließ seinen Arm wieder los und mit ernsten Blicken lehnte sie sich zurück, währenddessen kicherte Mira.
 

Als würde ein Sog in seinem Körper entstehen, füllte sich sein Körper plötzlich mit vielen negativen Emotionen wie Zweifel und Skepsis. Für einen Moment begann sein Körper an zu zittern und er verlor seine Konzentration.
 

„Ein normaler, aber nützlicher Idiot. Ich denke wir können ihm zu einem gewissen Maß vertrauen, dementsprechend werden wir weiter wie geplant verfahren. Projekt Zerfall beginnt heute Abend.“ Rossya zog daraufhin den Block zu sich, forderte den Kugelschreiber von Walerij – den er ihr langsam und etwas benommen überreichte – und sie fing an etwas auf seinen Block zu schreiben. Währenddessen fühlte sich Walerij so, als hätte man tief in sein Herz geblickt. Aus irgendwelchen Gründen fühlte er sich im Moment so, als wäre er seelisch blankgezogen worden und als würden diese Gefühle die nächsten Minuten nur noch schlimmer werden. So hatte er sich das letzte Mal gefühlt, als er von seiner Mathelehrerin wegen einer Strafarbeit vor der Klasse bloßgestellt wurde.

Orange III --- Negative Emotionen

[Chupo]
 

Früh morgens im Eingangsbereich des örtlichen Krankenhauses von Orange:
 

Nervös tippte der Polizist vor ihm mit dem Fuß auf dem Boden. Seine Hände umschlangen verkrampft seine Oberarme. Genervt blickte der Polizist immer wieder zur Seite. Öfters schaute dieser zu seinem Vorgesetzten, der etwas entfernt im Raum stand. Laut seufzte der Polizist, daraufhin starrte er Chupo kurz finster an. Chupo saß ungefähr einen Meter von ihm entfernt auf einem Stuhl an der Wand. Er vermied den direkten Augenkontakt mit dem Polizisten.
 

‚Tja die Sucht kickt mal wieder. Selber schuld. Aber lass deine Wut nicht an mir aus.‘
 

Neben Chupo saß im Moment Linda Westallya. Zuvor war sie noch nervös auf und ab gegangen, als ihr der Zugang zum Operationssaal verwehrt wurde. Die Polizisten baten dann die Gildenmeisterin sich zu setzen.
 

Das Tippen des Fußes vom Polizisten wurde energischer. Genervt begutachtete Chupo die Füße des Polizisten, dann schaute er vorsichtig hoch. Durch die halboffene Uniform erkannte Chupo die Zigaretten in der Hemdtasche. Immer wieder griff der Polizist zu seiner Krawatte und strich dieser entlang, nahe an den Zigaretten vorbei. Chupo seufzte und er wandte sich ab.
 

„Ich hätte nicht gehen sollen.“ Murmelte Linda plötzlich und Chupo schaute sie daraufhin leicht überrascht an. Etwas war seltsam an ihr – abgesehen von ihrer sehr starken untypischen melancholischen Stimmung im Moment. Sie saß mit verschränkten Armen auf dem Stuhl, mit dem Blick nach unten gerichtet. Ihre hervorstehenden Adern an den Händen und zum Teil im Gesicht schienen dunkler zu sein, als dies normalerweise bei einem Mensch sein sollte.
 

‚Nimmt sie irgendwas? Vielleicht Anti-Depressiva? Kann aber auch das beschissene Licht hier sein. Die sollten hier mal danach schauen, denn das flackert die ganze Zeit schon so bescheuert.‘ Chupo seufzte erneut.
 

„Ich hätte gehen sollen, dann wäre er nicht verletzt worden.“ Lindas Hände verkrampften sich kurz. Sie zitterte leicht.
 

Etwas traurig schaute Chupo sie an. Er kämpfte im Moment mit sich selbst etwas sagen zu wollen. Er wollte sie beruhigen, aber zurzeit war er zugleich auch noch sauer auf sie, gemischt mit Enttäuschung. Chupo vermied etwas zu sagen. Er blickte betrübt zu Boden.
 

‚Alina ist doch wohl wieder wohlauf und Rick wird sicherlich auch durchkommen… vielleicht. Im Gegensatz zu anderen, die im Wald entschwunden sind…, kam er wieder. Ich verstehe nicht wieso sie mir nie die Wahrheit gesagt hat. Sie weiß doch, dass Elysa… ah… was mache ich hier… im Moment wird sie mir das auch nicht sagen.‘ Grimmig unterdrückte Chupo den aufkommenden Zorn. Der Polizist vor ihm räusperte ihn an. Zornig blickte Chupo auf.
 

‚Dieser verdammte Bastard… das nächste Mal werde ich…‘ Linda stand plötzlich auf und Chupo drehte sich überrascht zu ihr. Sofort reagierte der unruhige Polizist. Er stellte sich vor ihr hin.
 

„Sie werden was?“ Brummte der Polizist, aber er erntete sofort böse Blicke von ihr, sodass der Polizist ein paar Schritte zurückwich. Er drehte sich zu seinem Vorgesetzten, der im Moment mit einem Pfleger sprach. Linda stand für ein paar Sekunden da. Ihr Gesichtsausdruck angespannt und wütend. Dann setzte sie sich wieder hin. Ihr Blick ruhte weiterhin auf dem Polizisten, der sie aber nicht weiter beachtete. Chupo kratzte sich leicht am Kopf.
 

‚Es hat keinen Sinn, wenn ich weiterhin bei dieser beschissenen Atmosphäre bleibe. Hier kann ich nicht mehr behilflich sein. Im Moment sollte ich einfach gehen, oder?‘ Das Aufgehen der Eingangstüre unterbrach Chupos Gedankengang und Heon Stahl – der Polizeichef von Orange – betrat das Krankenhaus. Mit schweren Schritten ging er zielgerichtet auf zu Linda. Er schickte den unruhigen Polizisten fort, der zugleich mit erfreutem Gesicht salutiert und nach Draußen entschwand. Ganz zum verdutzten Gesichtsausdruck des Vorgesetzten. Dieser blickte jedoch daraufhin nur kurz zu Heon, dann wandte er sich wieder dem Pfleger zu.
 

„Frau Westallya. Ich habe davon gehört und ich fühle mit Ihnen. Der Junge ist hier in richtigen Händen. Ich habe auch gehört, dass der neue Chefarzt eine Koryphäe in seinem Gebiet ist und er sicherlich alles tut das Leben des Jungen zu retten.“ Linda schaute nicht auf. Sie blickte weiterhin zum Boden. Ihr Blick war dabei so konzentriert, als wäre sie geistig nicht anwesend.
 

„Ich bin aber neben den Besserungswünschen vor allem hier wegen dem Punkt, dass wir herausgefunden haben, dass seine Verletzung von einer Konfrontation jenseits der Grenze entstammen. Auch wenn das gegen unseren Willen ist, so müssen wir diesen Bruch des Gesetzes näher betrachteten und mit Mister Sozowanik über diese Tatsache sprechen. Rick Nerafal hat die Grenze übertreten, bevor die Erlaubnis offiziell erteilt wurde. Als Vormund und Gildenanführerin sind Sie im doppelten Sinne verantwortlich für seine Aktionen. Der Bürgermeister hat sich dazu schon geäußert. Sie werden dieses Mal allein dafür aufkommen müssen. Es tut mir leid Frau Westallya. Die Stadt kann da dieses Mal keine Ausnahme machen.“ Linda sah dieses Mal auf. Chupo meinte für einen Moment den Anflug von Trauer in ihrem Gesichtsausdruck erkannt zu haben, aber es folgte ein solch erzürnter Gesichtsausdruck, dass Chupo für einige Sekunden Gänsehaupt bekam. Ähnlich wie bei einem Horrorfilm, wenn ein Monstrum aus einem Schrank steigt und sich dem Opfer näherte.
 

‚Was war das? Mein Körper zittert noch! Wenn Blicke töten können. Sie hätte alle Anwesenden damit umgelegt. So habe ich sie noch nie gesehen.‘ Für einen Moment zog ein stechender Schmerz durch seinen Kopf und das blaue Auge meldete sich wieder zu Wort.
 

‚Ich brauche bald wieder eine Tablette.‘
 

„Frau Westallya, haben Sie ein paar Minuten für mich. Ich muss Ihre Aussagen zu dem Fall aufnehmen. Diese sind für das Protokoll, nähere Besprechungen erfolgen die Tage. Rick Nerafal werden wir erst befragen, wenn wir die Genehmigung vom Chefarzt bekommen…“ Linda stand wieder auf. Sie stand nun so nah an Heon Stahl, dass sie sich fast berührten. Heon war eine große Person, jedoch war Linda ihm fast ebenwürdig, sodass ihr Blickduell unentschieden endete. Heon bewegte sich keinen Millimeter und sein ruhiger, aber machtvolle Blick ruhte weiterhin auf Linda. Linda ballte ihre Hände kurz zu Fäusten, während sie ausatmete. Ihre Hände lockerten sich wieder, als sie einatmete, dann schaute sie Heon weniger bedrohlich an.
 

„Sie werden nicht mit Rick Nerafal reden! Das Leben des Jungen scheint Ihnen völlig egal zu sein, mir aber nicht und ich werde nicht zulassen, dass Sie ihm jetzt in diesem Zustand noch irgendwelche Vorträge über Regeln halten. Es war das Leben von seiner Freundin auf dem Spiel und sie denken nur an irgendwelche finanziellen Konsequenzen.“ Heon betrachtete Linda einige Sekunden schweigend an.
 

‚Die stehen wirklich nah beieinander. Das……, das sieht nach einer anbahnenden Katastrophe aus…‘
 

„Frau Westallya, ich verstehe Ihre…“ In dem Moment als Heon begann mit ruhiger Stimme einen neuen Satz zu beginnen, betrat ein Mann mit weißer Arztkleidung die Eingangshalle. Mit stolz geschwellter Brust und einem ernsten Blick näherte er sich mit ehrfürchtigen Bewegungen Linda. Er schien dabei den Polizeichef nicht zu beachten. Auf seiner weißen Arztkleidung hing links ein Namensschild mit der Aufschrift ‚Chefarzt Dr. Drogan‘. Ein Mann den Chupo bisher noch nie gesehen hatte, er ihn jedoch gleich als sehr unsympathisch empfand.
 

‚Was für ein arroganter Blick… oh ja… ich sehe das gleich an seiner selbstzufriedenen Visage.‘ Linda wandte sich sofort von Heon ab und sie lief ein paar Schritte auf den Chefarzt zu, der daraufhin sofort stoppte.
 

„Frau Westallya. Der Patient – Rick Nerafal – hat jetzt einen stabilen Zustand erreicht. Eine Infektion konnte noch rechtzeitig unterbunden werden. Das Fieber ist noch vorhanden und auch der Blutverlust war nicht wenig, jedoch sind keine kritischen Verletzungen verblieben, die nachträgliche Folgen haben werden für den Patienten. Es wurden keine Organe verletzt. Dieser Streifschuss hat – um es verständlich auszudrücken – eine Fleischwunde verursacht, die genäht werden konnte. Morgen kann er auf die normale Station verlegt werden und übermorgen kann er das Krankenhaus verlassen, insofern seine Werte stabil bleiben. Die nächsten drei Wochen sollte er dann mindestens jeden zweiten Tag hierherkommen, um seine Blutwerte nach einer möglichen nachträglichen Infektion zu untersuchen und weiteren kleineren Untersuchungen. In vier Wochen darf er dann sich wieder körperlich betätigen, in Maßen. Jedoch sind dies – Stand jetzt - nur alles Eventualitäten, wenn sein Zustand nicht wieder kritisch wird. Das wäre alles. Sie können ihn morgen besuchen, Frau Westallya.“ Dr. Drogan wollte sich darauf abwenden.
 

„Vielen Dank, Herr Chefarzt. Ich bin froh zu hören, dass es ihm gut geht.“ Dr. Drogan stoppte und ohne sich umzudrehen, sprach er:
 

„Ich muss mit Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt reden. Es gibt bezüglich zu diesem Vorfall ein paar Fragen, die ich in medizinischer Hinsicht Ihnen stellen muss. Ich werde mich nach Dienstschluss telefonisch bei der Meldeadresse der Gilde melden. Bitte halten Sie sich bereit.“ Daraufhin ging er zurück durch eine Doppeltür in einen Flur, aus dem er gekommen war.
 

„Das ist schön zu hören, dass es dem Jungen gutgeht und er keine schwerwiegenden Folgeschäden davontragen wird. Nicht destotrotz müssen wir jetzt über den Vorfall reden, Frau Westallya. Das Gespräch mit dem Jungen kann entfallen, aber mit Ihnen muss ich reden. Ich will Ihnen nichts Böses. Ich will Ihnen eigentlich helfen. Sie müssen das verstehen, Frau Westallya.“
 

Chupo konnte beobachten wie Lindas Schultern sich wieder anzogen und sie sich langsam zu Heon umdrehte. Ihr Blick blieb bedrohlich wie zuvor im Gespräch mit Heon. Für einen Moment wanderte ihr Blick zu Chupo, sodass dieser kurz erschauderte.
 

„Chupo! Danke, dass du hier warst, aber kannst du bitte gehen.“ Sie wirkte jetzt nicht mehr so zornig, aber ihr Ausdruck und ihre Haltung waren ernst genug sodass Chupo ein mulmiges Gefühl im Magen bekam. Zögerlich nickte er und ein wenig widerwillig stand er daraufhin auf.
 

‚Ärgerlich, ich komme so nicht weiter!‘ Träge schleppte er sich zur Tür hinaus, vorbei an den Polizisten, der im Moment erfreut an seiner Zigarette zog. Aus irgendeinem Grund bekam Chupo das Bedürfnis dem Polizisten die Zigarette zu entreißen, aber er ließ den Gedanken bleiben und er bewegte sich fort.
 

Mehrmals sah Chupo zurück zum Krankenhaus. Umso länger er die Eingangstüren betrachtete, um so unbehaglicher fühlte er sich. Er wandte sich genervt ab. Chupo bewegte sich zunächst ein wenig ziellos in Richtung seiner Wohnung, die im nördlichen Bereich der Stadt lag. Ab und zu fegte ein leichter kühler Wind über die Straße, der einen leichten salzigen Nachgeschmack auf den Lippen hinterließ. Die ersten Anzeichen für meist ein etwas windigeren Tag.
 

‚Scheißdreck… der heutige Tag war nur reinstes Chaos.‘ Unzufrieden starrte er die Straße vor sich an. Dabei bemerkte er die ersten Sonnenstrahlen, die am Horizont über die Bäume zu erblicken waren. Auch in den Häusern an der Straße gingen vereinzelt die ersten Lichter an. Diese Tatsache ließ ihn bewusst machen, dass er diese Nacht nicht geschlafen hatte. Als hätte sich sein Körper plötzlich daran erinnert, dass dieser Schlaf benötigte, fing eine unsichtbare Kraft an ihm zu zerren. Sein Körper fühlte sich schwerer an. Gähnend starrte er kurz auf den Boden. Plötzlich erschauderte er.
 

„Schuld.“ Geisterte ihm durch den Kopf, als hätte es ihm jemand gerade ins Ohr geflüstert. Verwundert schaute er sich um. Nervös rieb er seine Finger aneinander.
 

‚Es ist doch hell? Und mitten auf der Hauptstraße…, es kann doch nicht sein, dass der blöde Schatten jetzt noch aktiv ist, oder?‘ Chupo seufzte unruhig. Er vergrub seine Hände in den Jackentaschen. Für einen Moment horchte er auf. Schnell blickte er um sich. Die Straße war leer.
 

‚Mein Verstand spielt nur verrückt. Ich bin übermüdet, also… na ja. Da drüben sind ja noch Polizisten und so…, so hoffentlich wird das schon.‘ Der innerliche Drang nach Hause zurückzukehren wurde stärker, so setzte er sich zügig in Bewegung.
 

Ein paar Minuten später in der Nähe der Hauptkreuzung.
 

Chupo Erblickte in der Ferne einen Jugendlichen, der auf der Kreuzung stand. Der Jugendliche kratzte sich am Kopf und er schaute nachdenklich in alle möglichen Richtungen, die die Kreuzung als Abzweig bot. Chupo erkannte den Jugendlichen nicht. Dieser war noch nie in seinem Sportunterricht oder Kampfkunstkurs aufgetaucht.
 

Chupo schaute nach links die Hauptstraße zum Rathaus entlang. Das Rathaus wurde im Moment von der aufgehenden Sonne angestrahlt. Es war ungefähr kurz nach sechs Uhr für Chupos Empfinden. Die Schule begann in der Regel nicht vor Acht. Der Hafenbetrieb mit Fähren macht unter der Woche auch nicht vor halb neun auf.
 

‚Mh… vielleicht ist er ja zu Besuch von irgendwo anders? Von Festa vielleicht?‘ Ein wenig empfand Chupo es schon als seltsam, dass ein Junge in seinem Alter zu dieser Uhrzeit hier so offensichtlich ziellos auf der Straße stand. Er wirkte nicht betrunken.
 

‚Na ja geht mich auch nichts an.‘ Der Jugendliche strahlte keinerlei Aggressionspotenzial aus, auch sah er nicht bedrohlich aus.
 

Plötzlich hob der Jugendlich seinen rechten Zeigefinger in die Luft. Für ein paar Sekunden betrachtete er seinen in die Luft gehobenen Zeigefinger.
 

‚Was zum Teufel macht der da?‘ Chupo ging ein paar Schritte auf den Jugendlichen zu.
 

„Hey…“, begann Chupo widerwillig das Gespräch. Der Jugendliche schaute Chupo zunächst nachdenklich an, dann zog er seine Augenbrauen hoch und sagte:
 

„Ah… hallo… wissen Sie wo das Gildenhauptquartier ist? Es sollte immer in Windrichtung sein.“
 

‚Scheinbar nicht von hier? Mh… na ja ich weiß ja nicht.‘ Chupo zeigte in die entgegengesetzte Richtung, aus die er gekommen war.
 

„Dort hinten. Am Ende der Straße links steht ein gläsernes Gebäude, aber… um diese Uhrzeit wirst du da niemand antreffen bzw. wird dir da wahrscheinlich keiner behilflich sein. Wer bist du eigentlich?“
 

Als Chupo ihm fast gegenüberstand, bemerkte Chupo, dass der Jugendliche Chupo fast bis zum Kinn reichte. Damit wirkte er für sein junges Alter sehr groß. Seine Klamotten waren aus näherer Betrachtung unordentlich und sie sahen eher zweckmäßig aus, als dass sie sorgsam gewählt wurden. Sein wuscheliges Haar hing ihm vereinzelt über die rechteckige Brille. Die Brille musste eine hohe Stärke besitzen, denn die Augen des Jugendlichen wirkten von Chupos Position stark vergrößert.
 

Wieder blickte der Jugendliche Chupo nachdenklich an, bis dieser sichtbar nach Worten suchte:
 

„Also… ich… ähm… wurde von einem Herrn Sheepsheck vom Hafen hierhergeschickt, nachdem dieser mich aus dem Meer nahe dieser Insel gefischt hatte. Weil ich deswegen eine Unterkühlung erlitten hatte, durfte ich bei diesem Herrn bleiben. Heute Morgen… - also bevor er losfuhr - schickte er mich diese Straße hier entlang. Er sagte immer der Windrichtung nach… direkt zum Gildenhauptquartier.“ Der Jugendliche verwies in Richtung der Straße, die östlich von Chupo in den Wald führte. In der Ferne waren schwach Lichter zu erkennen – abseits des immer stärker werdenden Sonnenlichts. Die Lichter in der Ferne waren Straßenlaternen.
 

„Aus dem Meer gefischt? Bist du irgendwie illegal… äh… irgendwie von Zuhause abgehauen? Außerdem… warte mal… ich habe dich nach deinem Namen gefragt, nicht nach irgendeiner Geschichte.“ Chupo redete ein wenig schneller und seine Betonung wurde härter. Er schaute den Jugendlichen nun mit Nachdruck an. Der Jugendliche wirkte dadurch eingeschüchtert.
 

„Ah… haben Sie? Ich dachte Sie hätten… na ja… ich… äh… weiß das nicht so genau. Ich erinnere mich nicht was passiert ist. Als Herr Sheepsheck meinte, ich wäre vom Himmel herabgestürzt… in das Meer. Ich hatte ein paar Sachen bei mir, die jedoch durch das Wasser zum Teil zerstört wurden. Aber… ich habe noch eine Art Ausweis…“ Der Jugendlichen griff in seine Jackentasche und er zog einen leicht durchnässten Ausweis hervor. Er wollte diesen Chupo überreichen, dieser lehnte jedoch ab.
 

‚Vom Himmel herabgestürzt? Was für eine lächerliche Lüge…, mh? Oder hat das wo möglich mit den Meteoriten zu tun? Das wäre aber absurd. Der Junge redet nur irgendeinen Käse. Soll sich Linda mit dem Lügner herumschlagen.‘ Chupo verwies wieder in die Ferne, in Richtung Gildenhauptquartier.
 

„Dort, da… die können dir helfen.“ Dieses Mal schaute der Jugendliche in die gezeigte Richtung, während er weiterhin seinen Ausweis in der linken Hand vor sich hob.
 

„Ah… vielen Dank, Herr… Fremder.“
 

„Ja ja…, vielleicht hast du doch Glück und sie sind schon wach.“ Der Jugendliche nickte zögerlich. Sein Gesichtsausdruck zeigte jedoch noch eine gewisse Ratlosigkeit.
 

„Ja… nun dann… alles klar.“ Chupo ging daraufhin weiter und er bog nach links in die Hauptstraße ab, die in Richtung Rathaus führte. Er musste dort vorbei, wenn er nach Hause wollte.
 

Ohne zurückblickend ließ er den Jugendlichen hinter sich.
 

Wegen der Morgenfrische steckte Chupo seine Hände wieder in die Jackentaschen. Unzufrieden und nervös schaute er beim Gehen immer wieder nach links und nach rechts. Ein paar vereinzelte Polizisten machten ihre Streife. Sie wirkten aufgebrachter als sonst, aber sie ließen Chupo in Ruhe. Er unterdrückte ab und zu ein Gähnen. Er lief um den Rathausplatz in die nordwestliche Region der Stadt, nahe dem Aufgang zum Hügelfriedhof.
 

Der Anblick der ersten Grabsteine auf der leichten Anhöhe in der Ferne, verursachten negative Gefühle in Chupo, die sich vor allem dadurch äußerten, dass sein Magen sich wieder verkrampfte.
 

‚Verflucht. Ich muss ja wieder gießen.‘ Chupo ging ein paar Schritte weiter, kratzte sich dann am Kopf, gähnte und er drehte sich um:
 

‚Wenn ich jetzt pennen gehe, mache ich das sicherlich nicht mehr.‘ Widerwillig bewegte er sich in Richtung Friedhof.
 

„Schuld.“ Leise drang wieder eine geisterhafte Stimme an sein Ohr und er spürte eine leichte Kühle an seinen Backen. Die Schulter angespannt schaute er wild um sich. Nervös in alle Richtungen schauend. Wieder fand er nicht heraus, woher das kam.
 

‚Das kann nicht sein. Es ist doch schon Tag und… eigentlich… der Friedhof… auch am Tag.‘ Schnauffend beobachtete er die sich erhellende Wiese neben sich. Umso heller sie wurde, um so mutiger war seine Bewegung nach vorn.
 

‚Nur ganz schnell gießen und schnell weg. Da wird schon kein Schatten sein! Es ist hell. Es ist Tag!‘ Er betrat bald die ersten Stufen, die auf die leichte Erhöhung führten. Oben angekommen, blickte er auf ein weites Feld an kleineren Wegen und einer Mischung aus alten Steingräbern und modernen Marmorgräbern. Abseits dieser waren magere Holzgräber, die durch die Verwitterung zum Teil auseinanderfielen. Weit und breit sah Chupo nichts Ungewöhnliches. Die Schweißperlen liefen an seinen Wangen hinunter.
 

‚Also wie gesagt, hier ist nichts. Ich mache das jetzt ganz schnell.‘
 

Chupo lief zielgerichtet, jedoch in einem vorsichtigen Tempo voran. Er näherte sich einem bestimmten Grab in der Ferne. Mit jedem Schritt wurde er unachtsamer und nach ein paar Minuten erinnerte er sich an unschöne vergangene Situationen. Eine davon war der Tag, als er fuhr, dass Elysa tot aufgefunden wurde. Er durfte damals nicht einmal ihre Leiche anschauen, weil angeblich – laut Polizei - der Verwesungszustand zu weit fortgeschritten war. Chupo hatte auch indirekt mitbekommen, dass sie angeblich bei dem Fund fast nicht wieder zu erkennen gewesen war. Die örtliche Zeitung schrieb von Mord eines Unbekannten, aber der Mörder wurde nie geschnappt.
 

‚Und Rick hat es angeblich mitbekommen und ist irgendwie verantwortlich. Was zum Teufel ist damals geschehen? Was hat er getan, was hat er gesehen! Warum sollte der Bürgermeister so etwas zu Linda sagen! Und warum hat sie mir nie etwas gesagt!‘ Wütend kickte er einen Stein vor sich weg.
 

‚Wem mache ich hier was vor. Es hat doch sicherlich mit Mr. S zu tun.‘ Stillschweigend starrte er für ein paar Sekunden den Grabstein vor sich an.
 

‚Und die ganze verfickte Stadt schweigt! Jeder hat Angst vor diesem Hund. Wie auch immer Rick mit dieser Sache zu tun hat. Ich werde das herausfinden und dann… und dann… knöpfe ich mir Mr. S vor!‘ Seine Hände ballte er zu Fäusten. In ihm kochte ein Gefühl hoch, das ihm fast dazu zwang loszuschreien. Sein Körper begann zu zittern.
 

‚Aber… wie soll ich vorgehen? Rick ist im Krankenhaus… vermutlich… fuck… was ist, wenn er doch stirbt? Dann… erfahre ich nie etwas!‘ Zornig blickte er den Grabstein vor sich an. Als er ein weiteres Mal die Aufschrift des Grabsteins betrachtete, wurde er trauriger. Auf dem Grabstein stand ‚Elysa Westallya‘.
 

‚Verflucht! Ich sollte nicht so viel darüber nachdenken.‘ Die negativen Gedanken verharrten weiter in seinem Kopf. Egal wie stark er sich anstrengte diese Gedanken zu verdrängen, so kamen sie immer wieder zurück.
 

‚Scheißdreck!‘ Chupo schaute nach rechts – vom Grabstein weg -, dann schnappte er sich einer der rostigen Blechgießkannen, die verstreut auf dem Friedhof zu finden waren.
 

„Schuld.“ Wieder geisterte ihm das Wort durch den Kopf. Kurz fuchtelte er mit seiner freien Hand vor sich herum, bis die geisterhafte Stimme in seinem Kopf wieder verschwunden war. Auch dieses Mal entdeckte er nichts. Dafür wurden seine Kopfschmerzen schlimmer.
 

‚Hier ist nichts! Das ist alles nur mein übermüdeter Verstand. Dieser fucking Schatten ist im Moment nicht hier. Er ist nicht hier! Es ist Tag verdammt! Tagsüber gibt es ihn nicht!‘ Zornig brummend näherte er sich dem Brunnen, der sich im hinteren Teil des Friedhofs befand. Dort füllte Chupo seine Gießkanne auf. Er musste dazu nur mehrmals an einem eisernen Hebel ziehen. Der Mechanismus fühlte sich dabei sehr träge und widerstandsfähig an. Während das Wasser langsam über einen Ablauf in die Gießkanne floss, rieb sich Chupo durch das Gesicht. Seine Augen fielen ihm immer wieder zu. Ihm wurde kalt an seine Fingerspitzen und sein Schädel brummte.
 

„Schuld!“ Wieder geisterte die Stimme in seinem Kopf. Er schaute ein weiteres Mal müde um sich. Er nahm nichts ungewöhnliches wahr, außer der sehr kühle Wind, trotz der starken Sonnenstrahlen, die ihm direkt ins Gesicht strahlten. Die Atmosphäre fühlte sich für ihn äußert merkwürdig an. Als würde sich jemand die ganze Zeit auf seine Schultern stützen. Zittrig wischte er sich über die Schultern.
 

‚Diese Müdigkeit macht mich noch wahnsinnig.‘ Chupo spürte wie das kalte Wasser sein Fuß erreichte. Genervt schreckte er zurück.
 

‚Verflucht! Das blöde Ding!‘ Das Wasser kam über den Rand der Gießkanne gelaufen. Schnell zog Chupo die schwere Gießkanne weg. Er leerte ungefähr die Hälfte des Inhalts weg in das benachbarte Beet. Im Anschluss brachte er die halbvolle Gießkanne zurück zu Elysas Grabstein. Sie hatte einen halbrunden steinernen Grabstein bekommen. Davor war in einem halben Meter Länge und fast einem halben Meter Breite ein paar bunte Blumen gepflanzt worden. Ein bisschen Unkraut hatte sich dazwischen geschummelt. Etwas unkoordiniert ließ Chupo das Wasser Gießkanne auf die Blumen regnen. Als die Gießkanne fast leer war, stellte er diese neben dem Grab ab. Die meisten Blumen waren von ihm. Wer die restlichen Blumen eingepflanzt hatte, das wusste er nicht, aber er vermutete, dass es Linda war.
 

Plötzlich spürte er einen kalten Hauch an seinem Nacken und erschrocken wich Chupo zur Seite. Für einen Moment wirkte es so, als würde ihn jemand würgen, aber Niemand war zu sehen. Seine Sicht verschwamm leicht.
 

‚Waa zuuu…‘ Er spürte eine enorme Kälte an seinem Körper, während die Sonne ihm am Horizont direkt ins Gesicht strahlte. Aus seinem linken Augenwinkel erkannte er einen schwarzen Umriss.
 

‚Was…?! Wie kann das sein?!‘
 

Aber plötzlich war der Umriss weg und das Gefühl an seinem Hals war fort. Die Kälte nahm ab und ein wenig entkräftet wich Chupo zu. Wenig später sah er panisch auf, dabei entdeckte er plötzlich jemand, der ihn anstarrte.
 

‚Zum Teufel! Was war hier gerade los? Habe ich mir das eingebildet und… und ist das nicht dieser Typ von… doch… das ist ja!‘ Wutentbrannt zeigte er auf den Fremden:
 

„DU schon wieder! Halt dich von mir fern! Du solltest am liebsten das Weite suchen, denn… die Polizei sucht dich bereits und wenn du dich mir näherst…!“ Der Fremde zeigte sich unbeeindruckt und er kam näher. Der Fremde war der großgewachsene südländische Mann, der Chupo gestern beim Spionieren erwischt hatte. Mit einem recht auffälligen gelbfarbigen Blütenhemd und kurzer schwarzer Hose schien es wohl den Fremden auch nicht zu interessieren, dass es hier auf dem Hügel unangenehm kühl war. Mit einer tiefen rauchigen Stimme antwortete der Fremde:
 

„Halt den Rand, im Moment hast du nichts zu melden. Das Ganze hast du selbst verschuldet und ich bin nicht wegen dir hier. Ich suche einen Kapuzenmann. Wo ist der hin? Er stand gerade noch bei den Stufen.“
 

„Bitte was? Hier war kein Typ… oder?“ Etwas zusammengezuckt zeigte Chupo immer noch auf den Fremden:
 

„Hast du etwas mit diesen seltsamen Umständen zu tun?! Hier war irgendwas! Irgendwas war hier, verdammt!“ Wieder kam der Fremde ein paar Schritte näher. Zitternd wich Chupo zurück:
 

„Ich meine das ernst, verdammt!“ Der Fremde schaute ihn inzwischen nicht einmal mehr an.
 

„Redest du immer so einen Schwachsinn? Aber ist auch egal. Du scheinst es eh nicht mitbekommen zu haben.“ Aufmerksam schaute sich der Fremde um.
 

„Oder… eigentlich ist das sogar besser für dich. Am besten verziehst du dich nach Hause.“ Der Fremde ging an Chupo vorbei. Er rempelte dabei Chupo unsanft zur Seite. In Chupo kochten plötzlich eine Menge zornige Gefühle hoch und er begann zu Brüllen:
 

„Was soll das denn? Mich verziehen? Denkst du damit ist die Geschichte gegessen? Du hast mir ins Gesicht geboxt und dafür zeige ich dich an. Solche gewalttätigen Typen haben hier nichts zu suchen. Stattdessen solltest du dich von dieser Insel verpissen!“ Der Fremde stoppte und er drehte sich zu Chupo um. Sein Blick wurde ernster und seine Schultermuskeln spannten sich an, sodass dieser noch massiver wirkte. Wütend stapfte er auf Chupo zu, der plötzlich erschrocken zurückwich. Chupo hatte aber die Griffreichweite - des ein Kopf größeren Fremden – unterschätzt. Leicht in die Luft gehoben, zog der Fremde ihn nah zu sich heran, sodass er sogar dessen rauchigen Atem spürte:
 

„Neben solche Rassisten wie dich, kann ich naive Idioten noch weniger ausstehen. Ihr lebt auf dieser Scheißinsel mit einem Haufen Verbrecher und du erzählst mir hier was von gewalttätigen Typen? Ich sag dir mal was! Sag das nächste Mal Danke, wenn dir jemand das Leben rettet! Ein Wunder, dass so viele von euch so ahnungslos hier ihre Zeit verbringen, ohne zu wissen, was hier abläuft! Also reiß du dich zusammen, verpisst du dich nach Hause und ich will deine Visage hier nicht wieder sehen!“
 

Für einen Moment erstarrte Chupo, dann ließ der Fremde ihn los. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Fremde ab und er begann etwas zu suchen. Chupo fuhr sich über sein Gesicht. Das blaue Auge pochte und sein Körper zitterte stark. Noch nie hatte er diesen Drang verspürt laut schreien zu wollen. Er ging einige Schritte auf die Stufen zu, aber bevor er die ersten Stufen hinabsteigen wollte, stoppte sein Körper. Eine innere Stimme hielt ihn auf.
 

‚Nein! Ich… werde das nicht so stehen lassen!‘ Chupo ballte beide Hände zu Fäusten, plusterte sich auf und er starrte den Fremden in der Ferne zornig an. Dieser hatte sich inzwischen dem Brunnen in der Mitte des Friedhofs genähert.
 

„Du mieses Arschloch! Ich werde mich nicht von dir…!“
 

„Schuld!“ Hallte es Chupo plötzlich durch den Kopf und schlagartig wurde es Chupo schwummerig. Eine Übelkeit stieg in ihm hoch und es wurde ihm kalt. Der Fremde in der Ferne drehte sich plötzlich um. Erstaunt riss er seine Augen auf, daraufhin stürmte er zurück auf Chupo.
 

„Hey! Ich sagte verdammt…!“
 

„Diese Emotionen… dieser Hass… diese Trauer!“ Diese Worte drangen in Chupos Ohr. Er spürte plötzlich etwas gegen seine Ohren drücken. Als befände er sich weit Unterwasser. Die leisen Umgebungsgeräusche verschwanden sowie auch seine Sicht und scheinbar auch die Atemluft. Er rang nach Luft. Sein Körper zitterte immer stärker werdend und wie als würde er in Eiswasser baden, verkrampfte sein Körper wegen der aufkommenden Kälte. Seine Sicht verschwand völlig und er nahm wahr, dass er auf dem Boden aufgekommen war und ihn nun völlige Dunkelheit umhüllte.

Orange IV --- Willkommen in der Gilde

[Tina]
 

„Ich meine sie ist schon eine Last. Sie stand nur da und musste beschützt werden.“ Die Worte drangen in ihr Gehör, als hätte sie jemand ihr direkt ins Ohr geflüstert. Sie versuchte sich aufzurichten, aber sie fühlte sich so, als würde sie eine unsichtbare Kraft zu Boden drücken. Der Boden fühlte sich kalt an. Sie fror am Rücken, während ein Schauder über ihren Rücken ihren Nacken hinauf zum Kopf kroch. Vor ihr stand - in einem leichten Nebel eingehüllt - eine Gestalt. Sie hatte die Form von Rick, aber sie blickte bösartiger. Neben ihr stand eine weitere Person. Sie hatte die Gestalt von Alina. Ihre missgünstigen Blicke verharrten bei Tina. Tina begann zu zittern.
 

„Wegen ihr wurdest du angeschossen. Das ganze Blut… überall verteilt und was hat sie dazu zu sagen. Sie weiß ja nicht einmal wer sie ist. Was glaubt sie wer sie ist? Soll sie doch verschwinden.“ Tina atmete schwerer. Etwas schien in ihren Lungen zu sein. Das Etwas verschlug ihr die Sprache. Sie begann zu schwitzen.
 

„Ja! So nervig! Sie soll am besten verschwinden. Was hast du dazu sagen, Tina?“ Diese harschen Worte brachten sie immer weiter zum Schwitzen und das erdrückende Gefühl wurde stärker. Tina schüttelte ihren Kopf. Schwer versuchte sie einen weiteren Atemzug zu vollziehen.
 


 

„Huh…“ Tina schlug die Augen auf. Sie starrte an eine weiße Decke und sie spürte ein warmes weiches Gefühl unter ihrem Körper. Ihre Hände tasteten die Umgebung ab. Auf ihr lag etwas Schweres, aber weiches. Eine Decke. Ein wenig zittrig legte sie ihre Finger aufeinander. Das Gefühl ihrer eigenen Haut brachte ihr wieder ein wenig Klarheit. Die dunklen Erinnerungen von geradeeben verblassten im Nichts.
 

Sie erhob sich langsam in ihrem Bett.
 

Sie war in einem Zimmer.
 

‚Ah… ja genau. Jetzt erinnere mich.‘ Es war ein Zimmer im Hauptquartier der Gilde. Ihr Zimmer, zumindest solange sie Gast dieser Gilde war. Nachdenklich blickte sie sich um. An einem Stuhl, der nicht unweit vom Bett entfernt stand, hing ihre Tasche und eine Jacke über die Lehne geworfen.
 

„Was ist gestern Abend passiert?“ Nur bruchhaft erschienen Erinnerungsfragmente, als sie kurz ihre Augen schloss. Sie war gestern Abend mit Alina hierher gerannt. Jemand hatte vor dem Eingang gewartet, war aber wegerannt, als sie die beiden erblickte. Linda kam auch dazu, aber später. Sie war völlig entsetzt, als sie das mit Rick erfuhr, daraufhin war sie fortgegangen. Alina hatte Tina gesagt, sie soll aufs Zimmer gehen. Sie war schwer erschöpft zu ihrem Bett gegangen und dann wohl direkt eingeschlafen.
 

Reflexartig griff Tina nach ihrer Jacke. Sie fühlte nach dem Kristall. Er befand sich noch dort. Ein seltsames wohliges breitete sich in ihr aus, als sie an die feurige Kreatur von gestern dachte.
 

‚Sasons… ist sein Name. Er ist mir so vertraut.‘ Erinnerungen die zurückkamen und es fühlte sich so an, als wären sie nie fortgewesen.
 

Ein paar Sekunden vergingen, bis sie erschrocken aufschaute:
 

‚Rick! Hoffentlich geht es ihm gut.‘ Weitere Erinnerungen – jedoch unschöne - kamen in ihr hoch. Sie sah in ihren Gedanken ihn am Boden liegen, wie schwer verwundet er war. Tina stand auf und sie richtete sich kurz im Bad. Mit der Ersatzkleidung, die ihr Linda am ersten Tag zur Verfügung gestellt hatte - und den Mantel umgezogen - verließ sie das Zimmer. Sie lief die Treppen hinab zum ersten Stockwerk, sodass sie über das Gelände in die Eingangshalle hinabschauen konnte. Jemand saß an einem der Tische und er schien eine Art Zeitung zu lesen. Zum Lesen erhellte die Sonne durch den gläsernen Eingang den Raum. Tina brauchte einen Moment den Jungen am Tisch zuzuordnen.
 

‚Ah… ja… der Junge von gestern! Wie war sein Name?‘ Vorsichtig stieg Tina die breiten halbrunden Treppen in die Eingangshalle hinab. Sie suchte zeitgleich nach Alina, aber sie war nicht zu sehen.
 

„Alina?“ Fragte Tina vorsichtig in den Raum. Gerade so deutlich, dass sie sich selbst verstand.
 

„Ah… guten Morgen… ähm… falls du das andere Mädchen suchen solltest, die ist… äh gegangen… ich vermute um den Jungen zu besuchen.“ Der schwarzhaarige Junge blickte nachdenklich zur Seite. Er kratzte sich kurz am Kopf. Vor ihm lag eine Zeitung ausgebreitet, die die Überschrift trug - die regionale Tageszeitung. In seiner linken Hand ein Glas Wasser fest umschlungen.
 

„Ah… danke… dir.“ Tina fühlte sich unbehaglich den Jungen anzustarren. Sie schaute durch den Raum.
 

‚Meinte er Rick? Aber wo genau ist Alina hingegangen?‘
 

„Äh…“ begann sie zögerlich. Sofort sah der schwarzhaarige Junge nervös auf.
 

„Ist… ähm… weißt du wo Rick ist? Wie geht es ihm?“ Sie legte beide Hände aufeinander und sie betrat die letzte Stufe der Treppe. Sie stand nun einige Meter vom Tisch entfernt. Der Junge sah sie zuerst schweigend an, dann erhob er seine rechte Hand und er zeigte zur Tür:
 

„Also ich meinte… sie ist zu… Rick gegangen. Er liegt wohl im Krankenhaus, zumindest habe ich das gehört. Ich weiß aber nicht welches oder eher gesagt wo. Ich… ich kenne mich hier nicht… so aus.“ Er schmunzelte nervös, dann blickte er auf seine Zeitung. Er kratzte sich wieder am Kopf.
 

‚Ich weiß es auch nicht… aber… ich sollte ihn auch besuchen. Aber wen soll ich fragen? Ist Linda hier?‘ Tina blickte sich um. Sie schaute zur Küche, aber sie entdeckte niemanden.
 

„Weißt du, ob…“
 

„Äh… entschuldige…“ begann der schwarzhaarige Junge und er stand plötzlich auf. Tina war davon ein wenig eingeschüchtert und sie schreckte innerlich ein wenig zurück. Seine plötzliche Bewegung hatte sie nicht erwartet.
 

„Ich bin übrigens Max… Max Maxxus… also… nach meinem Auswies zumindest. Nun… klingt seltsam, aber ich... ähm… weiß nur bzw., dass ich mich nur ab dem Krater erinnern kann.“
 

‚Krater? Ah! Ich erinnere mich… er hat auch vorher was von einem Krater gesagt gehabt. Ja…‘
 

„Ähm… du sagtest auch, dass du in einem Krater aufgewacht bist. Hast du… dann auch keine Erinnerungen?“
 

Max schaute Tina einen Moment lang verwundert an. Sie erkannte Regungen in seinem Gesicht, jedoch konnte sie nicht deuten was sie bedeuteten. Kurz deutete er auf die Zeitung, dann nahm er jedoch schnell seine Hand wieder zurück.
 

„Also bin ich nicht der einzige…, es gibt also mehr die - die im Krater aufgewacht sind? Du auch? Was weißt du darüber?“
 

‚Er redet so durcheinander.‘
 

„Nein… ich weiß nichts mehr. Ich… ich erinnere mich ansonsten an nichts.“
 

„Oh ja… stimmt.“ Max blickte ein wenig enttäuscht zur Seite, während er sich wieder am Kopf kratzte.
 

‚Habe ich was Falsches gesagt? Mh…‘Tina legte ihre Hände ineinander.
 

„Ja. Ich bin vor ein paar Tagen auf der anderen Seite der Stadt in einem Wald in einem Krater aufgewacht. Rick hat mir geholfen und Linda auch und auch Alina. Ich weiß aber nichts mehr. Ich hoffte…“ Tina schwieg. Sie wollte Max nicht erzählen, dass sie enttäuscht war, dass er ihr auch nicht helfen konnte.
 

„Ähm… du hoffst was?“
 

Tina drückte ihre Hände stärker ineinander.
 


 

Ein Quietschen war zu hören und Tina spürte einen leichten Luftzug an ihrer Backe. Ein leichter Pfeifton war zu hören. Sie blickte zum Eingang und eine große schwarzhaarige Frau mit ausdrucksstarker Präsenz trat mit schnellen Schritten in die Halle. Es war Linda. Sie lief zielgerichtet auf Tina zu. Linda zog etwas aus ihrer Tasche hervor. Es sah aus wie ein durchsichtiger Beutel aus Plastik. Aus diesem zog sie aus einer Menge brauner Armbänder, ein einzelnes Exemplar hervor. Als sie vor Tina stand, drückte sie ihr dieses entgegen:
 

„Wenn der Polizeichef dich fragt woher du kommst, dann sagst du ihm, dass du von einer alten Bekanntschaft hierhergezogen bist und jetzt ein wenig Taschengeld als Mitglied dieser Gilde verdienst, verstehst du das Tina?“
 

Tina brauchte einen Moment um auf die plötzliche Aufforderung zu reagieren. Zuerst betrachtete sie das braune Armband in ihren Händen.
 

„Das ist ein offizielles Gildenabzeichen dieser Gilde. Wenn du Fragen hast, können wir das später gerne bereden, aber im Moment nicht.“
 

„Äh ja, danke Linda.“ Linda nickte zufrieden. Jedoch hatte die Gildenmeisterin immer noch einen gestressten Gesichtsausdruck. Sie schaute mehrmals nach hinten. Tina war versucht ebenfalls in die Richtung zu schauen, aber sie wurde durch Lindas nächsten Worte abgelenkt:
 

„Mach dir heute einen schönen Tag. Aber bitte versuche noch nicht allein in die Stadt zu gehen. Im Moment…“ Linda stoppte.
 

„Einfach nicht. Bitte.“
 

Tina nickte vorsichtig.
 

Linda schaute im Anschluss nach rechts. Sie begutachtete Max für einen Moment.
 

„Und du bist?“
 

„Äh… Max… Maxxus! Ich hatte gestern… ich war gestern mit dabei bei der Sache… Rick hat mir geholfen und…“
 

„Ich hatte… dich gestern gar nicht realisiert. Entschuldige. Mein Name ist Linda Westallya. Ich bin die Gildenmeisterin der Ranger Guild auf dieser Insel. Wir sind eine Gilde für die Hilfe allerlei Probleme der Stadtbewohner. Ich kann mich erinnern, dass Alina erwähnte, dass du bei dem Ereignis gestern dabei gewesen warst. Wer bist du? Und wieso warst du dort?“ Die letzten beiden Fragen betonte sie harsch. Viel ungemütlicher als ihre Einleitung zunächst klang. Bei Max perlte plötzlich Schweiß von der Stirn.
 

„Ah… ich… also… ich bin dort gewesen, weil ich… als ich aufgewacht bin… ähm keine Ahnung hatte wo ich bin. Ich hatte mich dort versteckt, auch vor den Typen dort. Äh… ich bin Max Maxxus, aber das denke ich, weil das auf dem Ausweis steht, der bei mir war. Äh… ich weißt sonst nicht, weil…“
 

„Du bist also der zweite von den Dreien. Ich verstehe. Ich vermute, du hast auch keine Erinnerungen?“
 

Maxs Augen weiteten sich und er gab zunächst klare betonte Worte von sich:
 

„Ja! Ich kann mich an nichts erinnern…, also vor dem Krater… war.“ In Maxs Augen war ein Strahlen zu erkennen, jedoch wirkte er immer noch sehr nervös.
 

„Und du kennst dieses Mädchen neben mir nicht?“ Sie verwies auf Tina. Max schaute sie noch einmal an und Tina wurde ein wenig nervös. Tina konnte es nicht richtig deuten, aber Linda verhielt sich heute unangenehm gegenüber anderen.
 

‚Vermutlich ist es wegen Rick.‘
 

„Nein…, ich kenne sie nicht, aber wir haben gerade schon geredet.“
 

Linda wirkte nachdenklich. Sie griff in ihre Jackentasche und sie zog ein weiteres braunes Armband aus der Plastiktüte hervor.
 

„Bleiben wir mal bei dem Punkt so stehen. Ich gebe dir auch das Gildenarmband und du antwortest ebenfalls so, dass du von einer Bekanntschaft hierhergeschickt wurdest. Klar?“
 

Max nickte und er bekam das Armband überreicht. Linda seufzte.
 

„Es tut mir leid, dass die Aufnahmezeremonie so unschön verläuft, aber im Moment… es tut mir leid… ich hole das nach.“ Linda blickte nach hinten zum Eingang, dann eilte sie zur Treppe. Wenige Sekunden später war sie bei der obersten Stufe angekommen. Zugleich verschwand sie durch die Tür, die zu ihrem Büro führte.
 


 

Ein wenig perplex begutachtete Tina das weiche braune Armband in ihrer Hand. Sie tastete mit ihren Fingerspitzen die Oberfläche ab, auf der ein Wappen der Ranger Guild eingenäht war.
 

‚Was heißt das jetzt? Mitglied? Ich? So schnell?‘ Beim Reiben mit ihren Fingerspitzen fiel ihr plötzlich das Armband aus der Hand. Schreckhaft versuchte sie es zu greifen, aber sie griff daneben. Es landete auf dem Boden.
 

‚Oh nein! Nicht doch! Es wird schmutzig!‘ Entsetzt starrte sie nur das Armband auf dem Boden an, bevor ihr Körper reagierte und sie sich nach dem Armband bückte. Ihre Hand schnellte im Anschluss zum Armband. Sie prallte jedoch mit ihrer rechten Hand gegen den linken Arm von Max, der zeitgleich nach ihrem Armband gegriffen hatte.
 

Als hätte sie einen Stromschlag abbekommen, zitterte ihr Körper und paralysierte ihn. Durch ihre Gedanken schossen vereinzelte nicht genau identifizierbare Bilder. Ihr wurde ein wenig schwindelig. Ihr Umfeld vibrierte und vernebelte sich.
 

„Hey du… du… ähm… hast auch so ein Leuchtding… was hast du… ähm… darin?“ Eine leicht kindliche männliche Stimme hallte ihr durch den Kopf. Sie war klar und deutlich zu hören, aber dennoch nicht nahbar. Sie konnte den Ursprung der Stimme nicht zuordnen. Für den Moment sah sie einen weißen kalten harten Tisch vor sich in einem dunklen kahlen Raum. Sie selbst saß auf einen harten Stuhl und vor ihr lag etwas Orangefarbenes. Ein ihr bekannter Kristall. Neben ihr saß jemand. Ein Junge mit schwarzem Haar, der verlegen wegschaute, als sie ihn anblickte. Der Junge hatte etwas in seiner linken Hand. Dieser hatte seine linke Hand so auf den Tisch gelegt, dass Tina nicht erkennen konnte, was er darunter versteckte. Ein Bedürfnis in ihr wollte aber wissen was sich darunter befand.
 

„Komm sag schon! Was ist das?“ Dieses Mal konnte sie die Stimme zuordnen. Sie kam von dem Jungen neben ihr. Sie erkannte den Jungen, es war Max.
 

So schnell wie diese Erinnerung kam, so schnell war sie auch wieder fort und sie verblieb nur als halbblasses Bild im Kopf, wie all die anderen Erinnerungen, die sie seit dem Erwachen gesammelt hatte.
 

Tina bemerkte den harten Untergrund unter ihrem Gesäß und auch ihre Handgelenke taten weh. Sie saß auf dem kalten steinernen Boden der Eingangshalle.
 

‚Oh…‘
 

Max saß inzwischen am Tisch, aber er hielt sich den Kopf, als würde es ihn schmerzen. Als Tina ihn eine Weile betrachtete, realisierte sie plötzlich, dass sie ein Gefühl der Vertrautheit spürte. Ein Gefühl, dass vorher noch nicht bei ihm gewesen war. Sie kannte ihn. Er war ihr vertraut. Sie wusste, dass er Max Maxxus hieß. Es war wie bei Sasons gewesen. Sie konnte nicht nachvollziehen, wieso sie ihn nicht erkannt hatte. Im Moment wusste sie jedoch nicht mit dieser Erkenntnis umzugehen. Sie fühlte sich schlecht. Ihr Körper kribbelte und dieser Moment der wohlherzigen Gefühle in ihrem Bauch verpufften, als sie die Kälte des Bodens an ihren Fingern spürte.
 

Diese plötzliche negative Änderung ihrer Gefühle, lenkte sie ab. Sie schaute ziellos vor sich durch den Raum, bis sie das Armband auf dem Boden an ihren ursprünglichen Gedankengang erinnerte. Sie griff danach.
 

„Das ist verrückt.“ Murmelte Max plötzlich, ohne aufzuschauen. Seine Hand, die er an die Stirn hielte, verkrampfte.
 

‚Aber was ist gerade passiert?‘ Ein Schauder ging ihr plötzlich über den Rücken.
 


 

Einen kurzen Moment darauf nahm Tina einen Schatten in ihrem rechten Augenwinkel wahr und sie zuckte kurz zusammen. Eine etwas größere jugendliche Person war auf der anderen Seite des gläsernen Eingangs aufgetaucht und stierte ab und zu in die Halle. Sie schien nervös zu sein.
 

‚Wer ist das? Was macht er da?‘
 

Zuerst wirkte der große dürre Jugendliche unsicher. Immer wieder schaute er nach links oder nach rechts. Im Anschluss klopfte er vorsichtig mit seiner rechten Hand an der gläsernen Eingangstüre, während er hindurchblickte. Max schaute auf. Er schien den Fremden auch bemerkt zu haben, denn er blickte nachdenklich zur Tür.
 

„Mh…? Ähm… jemand den du kennst?“ Tina schüttelte langsam ihren Kopf.
 

„Nein…, den kenne ich nicht.“
 

Max stand auf. Er kratzte sich am Kopf.
 

„Vielleicht dann zur… äh… der schwarzhaarigen Dame?“ Max verwies mit seinem Zeigefinger irgendwo nach oben.
 

‚Ach so ein Kunde… ja… soll ich nach Linda rufen?‘ Der Fremde am Eingang drückte im Moment die gläserne Schwingtüre auf. Er wartete für ein paar Sekunden auf der Schwele. Mit fragenden Blicken schaute er die beiden an.
 

„Alles in Ordnung? Ich habe gesehen, dass irgendwas passiert ist und sie ist hingefallen? Ich möchte aber nicht unhöflich sein.“ Wieder wartete er einen Moment ab.
 

„Bist du… ähm… hier… wegen der Gilde?“ Max schaute ihn weiterhin skeptisch an.
 

„Ich bin… hier bei… der örtlichen Gilde, richtig? Als ich vorher das blondhaarige Mädchen gefragt habe, hat sie mich nur böse angesehen, aber auf dem Schild neben Tür steht deutlich, dass das die Gilde ist. Ich bin da schon eine Weile am Überlegen da draußen.“
 

‚Von was redet er?‘
 

„Also… äh… die Gildenmeisterin ist oben.“ Max verwies wieder nach oben.
 

„Ah ja… zum Verständnis. Ich wurde hierhergeschickt, dass ich mich hier melden soll. Herr Sheepsheck vom Hafen hat mich zur Stadt geschickt. Ihr habt gerade offen oder?“
 

‚Von wem redet er?‘
 

Auf den ersten Blick machte der Fremde für Tina keinen bedrohlichen Eindruck. Sie versuchte ihn einzuordnen, da er eine ähnliche Statur hatte, wie der große dürre Typ von den drei Entführern. Er war groß, schlaksig, er wirkte ungepflegt und sein Gesichtsausdruck zeigte seine Angespanntheit. Nur sein braunes Haar war voluminöser, außerdem trug der Fremde eine recht große Brille.
 

Ein paar Sekunden vergingen, während sich alle anschwiegen und der Wind durch die offene Tür hineingefegt kam. Er fegte beinahe die Zeitung vom Tisch, die Max reflexartig noch auffing und diese wieder auf den Tisch legte.
 

„Also…, wenn du jemanden von hier suchst… ähm… ich glaube die… ist da oben.“ Wieder verwies Max mit seinem Zeigefinge zu den verschiedenen Türen im ersten Stock. Der Fremde schaute auf, aber sein fragender Blick blieb. Er kam ein paar wenige Schritte näher, sodass die gläserne Türe sich wieder von selbst schloss und der Wind aufhörte in den Raum zu fegen.
 

„Ja schon verstehe. Bevor ich aber hier reinplatze, wollte ich nur wissen, ob ich hier mit solchen Problemen kommen kann.“
 

„Ich weiß es… ähm… wirklich nicht.“ Max zuckte unsicher mit den Schultern.
 

„Ich habe ein Problem, dass ich nicht weiß… wer ich bin.“
 

‚Was hat er gesagt?‘ Tina horchte interessiert auf. Ihr Eindruck von ihm änderte sich. Er ähnelte aus näherer Betrachtung nicht mehr den Entführern.
 

‚Ist er etwa auch in einem Krater aufgewacht?‘ Ihr Herz schlug plötzlich schneller.
 

„Jetzt wirklich?“ Max blickte überrascht.
 

„Und… du hast zufälligerweise keine Erinnerungen mehr oder bist… in einem Krater aufgewacht?“ Als Max die Worte aussprach, schlug Tinas Herz noch schneller.
 

Der Fremde schüttelte seinen Kopf zunächst.
 

„Also… ich bin in keinem… Krater aufgewacht? Ich bin eigentlich im Wasser aufgewa… nein… ich bin in einem Haus aufgewacht und dort hat mir Herr Sheepsheck erklärt, dass er mich im Wasser aufgefunden hat. Ich bin vom Himmel gestürzt... also angeblich. Aber! Das mit den Erinnerungen stimmt! Ich erinnere mich ansonsten an nichts. Ich weiß nur was auf diesem Ausweis steht UND was seit meinem Erwachen passiert ist. Ich verstehe das aber bisher nicht, ALSO wie das alles zusammenhängt.“ Der Fremde schob seine rechte Hand in seine Jackentasche, dann fummelte er einen Ausweis hervor. Er präsentierte diesen Max.
 

Zunächst zeigte sich Max distanziert. Er betrachtete den leicht verwässerten Ausweis aus einem gewissen Abstand, dann nahm er diesen vorsichtig in die Hand. Er betrachtete diesen ein paar Sekunden, dann hielt er diesen in Richtung Tina. Tina streckte nur zögerlich ihre Hand aus. Beim Abnehmen des Ausweises, berührte sie Max Hand. Dieses Mal passierte jedoch nichts. Sie wurde ein wenig verlegen, als ihr auffiel, dass sie für ein paar Sekunden das Handgelenk von Max angestarrt hatte. Sie umklammerte den Ausweis fest, während sie ihre Hand zu sich zurückzog.
 

Max stand einen Moment lang still vor ihr.
 

„Stimmt.“ Murmelte er plötzlich. Währenddessen machte er einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und seine Statur wirkte selbstbewusster. Er wandte sich dem Fremden zu. Langsam streckte Max seine rechte Hand aus. Die Handfläche seitlich nach vorn gestreckt.
 

„Entschuldige… ich bin Max Maxxus…, ich bin… hier… auch nur Gast oder also... trotz… also… es ist kompliziert.“
 

„Ach so, ja klar… ja.“ Der Fremde streckte auch seine Hand aus, auch wenn er zunächst sehr perplex wirkte.
 

Tina konnte den nächsten Moment nicht beschreiben. Nachdem die beiden sich die Hand gaben, war zunächst äußerlich nichts zu sehen. Aber die beiden zitterten schlagartig. Zunächst wichen beide fast zeitgleich zurück. Sie schwankten auf der Stelle. Max setzte sich schnell hin, während der Fremde sich gerade noch so am Tisch festhalten konnte.
 

Einige Sekunden vergingen, bis Max wieder einen klaren Blick hatte. Sein bleiches Gesicht nahm wieder Farbe an.
 

„Ach… da war es schon wieder.“ Max sah zu Tina. Sein Blick war zunächst sehr ernst. Für einen kurzen Augenblick blieb er konzentriert. Tina wurde es ein wenig unangenehm, dass er sie so anstarrte.
 

„Ähm… eine Frage… kannst du dich an mich erinnern? Also… ich meine… hattest du…“
 

„Ja!“ Tina fühlte sich ein wenig erleichtert, dass er fragte.
 

Max stoppte und er lächelte.
 

„Also doch…“ Schmunzelnd sah er leicht verlegen zur Seite.
 

‚Also erging es nicht nur mir so.‘
 

„Ähm… dann habe ich… einen interessanten Gedanken… also ich ähm meine… hast du auch sicherlich diese Erinnerungen gehabt… als... unsere Hände sich berührt hatten. Das Gleiche war jetzt auch bei ihm und… ich wollte dich fragen… ähm… weil du vorher meintest du kennst ihn nicht… dass du… ihm auch die Hand gibst, weil… also… ähm wir uns kennen. Ich will… ähm… das nur testen.“ Max schaffte es während seiner Frage nicht Tina konzentriert anzusehen.
 

Bevor Tina auf Max Frage reagierte, bemerkte sie, dass sich der Fremde wieder bewegte.
 

„Oh… was zum… was ist passiert? Ich kenne dich!“ Der Fremde hatte sich wohl wieder erholt, denn er begutachtete Max. Perplex starrte er zwischen seinen Händen und Max hin und her.
 

„Was ist denn jetzt gerade nach dem Handgeben passiert? Kannst du mir das erklären?“
 

„Also ähm… es hat – denke ich – mit dem Kontakt zu tun. Es löst vielleicht was aus?“ Max hob seine linke Hand empor, als würde er den beiden etwas zeigen, was in seiner Hand lag.
 

‚Meint er die Berührung? Hat die Berührung die Erinnerungen hervorgeholt?‘
 

Der Fremde zeigte auf Tina:
 

„Und du hast gerade gemeint, dass wenn ich ihr auch die Hand gebe, dass das nochmal passiert?“
 

„Nur zum Test… also… ähm… ich vermute das nur.“
 

Der Fremde schien darüber nachzudenken, dann sah er zu Tina. Sein Blick war ihr ein wenig unangenehm.
 

‚Hoffentlich hat er Recht und es verrät mehr von mir.‘
 

„Also wenn sich das so wiederholen lässt. Ich würde mich gern an mehr erinnern.“
 

‚An mehr erinnern.‘ Tina verstand seinen Wunsch nur allzu gut. Sie spürte plötzlich wieder ein Kribbeln in ihrem Körper.
 

Für einen Moment betrachtete Sie ihre rechte Hand.
 

„Ähm… die Hand! Reicht euch die Hände!“ Drängte Max, während er auf die Hand des Fremden verwies.
 

‚Also gut.‘ Tina streckte langsam ihre rechte Hand hervor. Sie fühlte sich ein wenig unwohl. Die Berührung von zuvor hatte einen unangenehmen Schock verursacht, der ihr schwindelig werden ließ. Ihre Neugierde überwog jedoch.
 

Der Fremde zögerte auch zunächst.
 

„Also gut.“ Dann griff er nach ihrer Hand. Unsanfter und kräftiger als Tina das erwartet hatte, packte der Fremde ihre Hand. Sie hatte jedoch keine Zeit darüber nachzudenken, denn es passierte genau das, was sie erwartete. Wieder durchzog sie ein eigenartiges paralysierendes Gefühl, dass ihre Sinne benebelte und bei ihr ein Schwindelgefühl verursachte. Zeitgleich durchstreifte sie erneut realanfühlende klare Erinnerungen. Dieses Mal war der weiße sterile Raum um sie deutlicher zu erkennen. Die vier Wände befanden sich fast im gleichen Abstand zu ihr, jedoch nicht das was zwischen ihr und den Wänden befand. Als wären die Wände hinter einer nebeligen Wand aus Schatten verborgen. Über ihr war schwaches gelbes Licht und unter ihr ein harter Fliesenboden. Sie bemerkte ebenfalls, dass sie selbst weiße reine Klamotten trug und etwas um ihrem Hals. Eine Art Kette. Links von ihr stand Max, der gerade noch etwas unverständliches zu ihr sagte und dann an ihr vorbei auf jemanden verwies. Er zeigte auf einen anderen Jungen im Raum. Sie erkannte ihn. Es war der Fremde von zuvor. Ein wenig Abseits im Raum saß er an einer Wand. Er las ein Buch. Der Junge schien sehr interessiert in seine Lektüre zu sein. Bei näherer Betrachtung erkannte Tina, dass auch dieser Junge in weiße Klamotten gehüllt war, ebenso Max, der mit weiteren Handbewegungen deutlicher machte, dass sie zu dem fremden Jungen gehen sollte.
 

„Vielleicht… ähm… hat er Lust mitzumachen? Fragen wir ihn doch?“ Max Stimme drang in ihr Ohr und sie spürte ein Kribbeln in ihrem Körper. Sie trat ein paar Schritte auf den Jungen an der Wand zu. Dieser schaute plötzlich auf, dann richtete er zunächst seine Brille.
 

„Ja? Was willst du?“ Die Stimme des Jungen kam ihr bekannt vor und sie erkannte ihn. Es war Daniel.
 

Im nächsten Moment verblassten die Erinnerungen und Tina kam wieder zu sich. Sie spürte unter ihren Handflächen wieder den kalten Boden. Ihre Finger schmerzten ein wenig.
 

‚Schon wieder.‘ Jedoch auch dieses Mal verflogen die euphorischen Gefühle schnell und sie wurden unter der präsenten Erkenntnis vergraben, dass auch diese neuen Erinnerungen ihr nicht viel weiterhalfen zu wissen wer sie nun war. Es zeigte ihr lediglich nur, dass sie nicht mehr allein war, aber dennoch fühlte sie sich immer noch allein. Ihre Hände verkrampften sich und traurig blickte sie hinab zum Boden.
 

Tina brauchte einen Moment, bis sie sich wieder aufrichtete. Dann blickte sie den großen schlaksigen Jungen vor sich an. Der ehemalige fremde Junge, kam ihr nun vertraut vor, ebenso wie Max. Der Junge hieß Daniel Surnax. Ebenso wie dies auf seinem Ausweis stand, den Tina beim Sturz wohl verloren hatte. Er lag nun ein wenig von ihr entfernt. Daniel selbst hatte sich nun auch hingesetzt und seine Augen waren noch geschlossen.
 

„Ahhh… alles in Ordnung bei euch?“ Max wirkte aufgeregt.
 

„Ja!“ Reagierte Daniel sofort und er öffnete langsam seine Augen. Daniel blickte Tina an, dann sah er zu Max.
 

„Versteht ihr das? Erst kannte ich euch nicht und jetzt erinnere ich mich an euch, aber… es erklärt rein gar nichts. Ich berühre jemanden, der ebenfalls von diesem Problem betroffen ist und ich weiß plötzlich was, was ich vorher nicht wusste.“ Daniel schaute nun wieder zu Tina:
 

„Gibt es noch mehr, hier? Wem muss ich noch die Hand reichen?“
 

Max schien kurz darüber nachzudenken, dann blickte er zu Tina:
 

„Stimmt. Gibt es noch mehr? Aber… die schwarzhaarige Frau hatte vorher von Drei geredet. Ich denke daher…“
 

„Also… ähm… hier gibt es niemand weiteres, oder? Also aus einem Krater… ich weiß nichts von mehr Leuten, die auch in Kratern erwacht sind, leider.“ Traurig stellte Tina fest, dass sie von dieser Tatsache enttäuscht war. Bis von gerade eben hatte sie eine Hoffnung gehabt eine Lösung zu finden, aber im Grunde standen sie jetzt nur zu dritt vor dem Problem.
 

‚Gibt es noch mehr von uns? Und was ist der Grund dafür? Wieso fühle ich mich jetzt nicht besser?‘ Der Mantel der Einsamkeit legte sich wieder um sie.
 

Sie schaute nach oben in die Gesichter von Max und Daniel. Sie spürte einen kleinen Funken der Freude in ihr, der versuchte gegen die Schwärze in ihr anzukämpfen. Max war auch plötzlich zu ihr geeilt und er reichte ihr die Hand zum Aufstehen. Manchmal empfand sie seine Bewegungen doch ein wenig unvorhersehbar, aber wenn sie darüber nachdachte, so kannte sie Max schon immer. Dieser Gedanke brachte sie zum Schmunzeln.
 


 

Wieder nahm Tina etwas aus ihrem Augenwinkel war. Jemand drückte die gläserne Eingangstüre mit Schwung auf. Eine erwachsene uniformierte Person trat mit schnellen Schritten in die Halle. Seine schweren Schuhe knallten auf den Fliesenboden und sie verursachten dadurch ein unangenehmes Klacken. Tina kannte die Person. Es war Heon Stahl. Der Polizeichef. Sein ernster Gesichtsausdruck war auch dieses Mal sehr einschüchternd.
 

Sein Blick schweifte kurz zwischen den drei hin und her.
 

„Ist die Gildenmeisterin Linda Westallya im Haus?“ Die laute betonende Stimme des Mannes setzte Tina sofort unter Druck, sodass sie ihn ein wenig perplex anstarrte.
 

„Oben…, denke ich.“ Antwortete Max nervös. Heon betrachtete Max für einen Moment. Sein ernster Blick analysierte den schwarzhaarigen Jungen. Daraufhin schaute der Polizeichef auch zu Daniel.
 

„Woher kommt ihr eigentlich? Ich habe euch noch nicht auf dieser Insel gesehen. Seid ihr Touristen?“
 

„Äh… nein… wir sind zu Besuch bei dieser Gilde… ähm… für… äh als Gildenmitglieder… für einen Nebenverdienst.“ Max verwies auf das braune Gildenarmband.
 

Der Polizeichef starrte das braune Armband einen Moment lang an:
 

„Wann kamt ihr auf diese Insel? Mit welcher Fähre genau?“
 

Max wurde unsicherer und in seinem Gesicht war zunächst große Nervosität zu erkennen. Sichtlich versuchte er neue Worte zu formulieren, aber auch Tina fühlte sich hilflos. Sie schaffte es nicht ihren Körper zu überreden zu antworten.
 

„Sie sind neue Gildenmitglieder von einer fernen Bekanntschaft. Sie kamen mit der Fähre vorkurzem. Und in ihrem Alter dürfen Sie befristete Auszeiten nehmen, um praktische Erfahrungen in der Gilde machen. Sind damit alle Punkte geklärt? Sicherlich wollen sie das Alter auch kontrollieren, nicht wahr, aber sie sind doch wegen etwas anderem hier, Herr Polizeichef?“ Heon blickte gleichgültig nach oben:
 

„Wenn Sie das sagen, Miss Westallya.“
 

Linda ging zur ersten obersten Stufe und sie verwies auf ihr Büro.
 

„Herr Stahl, besprechen wir den juristischen Kram in meinem Büro.“
 

„Wie sie wollen, Miss Westallya.“ Daraufhin warf Heon noch einen letzten prüfenden Blick zu den drei Jugendlichen in der Halle, die ihn immer noch schweigend anstarrten. Heon wandte sich daraufhin den Treppen zu. Bevor er die ersten Stufen nach oben betrat, richtete sich der Polizeichef auf. Mit deutlicher Betonung formulierte er:
 

„Es gibt noch einen Warnhinweis für alle Bewohner des Dorfes. Heute Morgen hat sich ein Überfall am Friedhof ereignet. Es gibt einen Schwerverletzten. Der Täter ist noch auf der Flucht und es scheint wohl sehr gewalttätig zu sein. Bitte haltet euch deswegen im Innenraum auf, bis die Polizei Entwarnung gibt. Ihr erfährt weiteres im Radio.“ Daraufhin ging Heon Stahl in gleichschweren Schritten die Treppe nach oben. Seine schweren Schritte entlockten der Treppe Geräusche empor, die sie sonst nicht hervorbrachte. Die Worte des Polizeichefs verursachten eine unangenehme Atmosphäre, die ein langes zähes Schweigen zwischen den drei in der Gildenhalle zur Folge hatte.

Orange V --- Dubios

[Linda]
 

Schnell landete der kleine hölzerne Stempel mit dem Gildensymbol neben dem Unterschriftsfeld. Ein paar Sekunden lang drückte sie den kleinen Stempel auf das Papier. Sie hob den Stempel im Anschluss wenige Zentimeter vom Papier in die Luft und hängte diesen zurück in seine Halterung. Sie nahm daraufhin das Dokument und legte es in eines der Schubladen an ihrem Schreibtisch. Zur Entspannung lehnte sie sich zurück in ihren Bürostuhl, während sie nun zur anderen Seite ihres Bürotisches sah. Auf der anderen Seite saß der Polizeichef von Orange, sehr akkurat aufgerichtet, auf einem einfachen Lederstuhl. Er saß in seinem bläulichen karierten Hemd, das zusammengeknöpft war. Heon hatte seine Uniformjacke an einen Haken neben Tür aufgehangen. In seiner rechten Hand hatte er einen Block, dieser war in einem Ledereinband eingewickelt. Mithilfe einer stabilen Spirale um die einzelnen Blätter des Blocks, konnte er diesen problemlos umblättern, ohne dass die Seiten sich zurückdrückten. Aktuell blickte er auf eine Art Smartphone, das er wieder in seine Hemdtasche verschwinden ließ, als er zur Linda schaute.
 

„Sind Sie nun so weit, Frau Westallya? Ich habe einen strengen Terminplan, außerdem…“ Linda hob ihren rechten Finger in die Luft. Zeitgleich legte sie ihr linkes Bein über ihr rechtes Bein:
 

„Also wie viel kostet mich das dieses Mal? Wie viel muss ich dem Bürgermeister in seinen Allerwertesten schieben, damit er Ruhe gibt?“ Eine leichte Wut kam in ihr wieder hoch, als sie das aussprach. Währenddessen brummte ihr Kopf und eine innere Stimme sprach sie aus dem Dunklen ihrer Gedanken an:
 

‚Warum verhandeln? Geh hin und zeig es ihm! Einfach jetzt gehen und räche dich für die Schmach!‘ Linda strich sich mit der Hand über das Gesicht. Ein paar frischgebildete Schweißtropfen wischte sie damit weg. Zu allem Übel beschwerte sich ihr Rücken. Etwas schien an ihrer Wirbelsäule zu zehren.
 

Der Polizeichef beugte sich nach vorn, dann rückte er ein wenig mit dem Stuhl näher zum Schreibtisch, sodass er den Block vor sich auf den Tisch legen konnte. Auf diesem konnte Linda kopfüber erkennen, dass eine siebenstellige Zahl unter einigen aufgelisteten Punkten zu sehen war. Die aufgeführten Punkte waren irgendwelche Paragraphen, die am Gesetzeswerk von Festa orientiert waren.
 

„1.780.000 Sya sind es insgesamt. Der Bürgermeister selbst stellt Ihnen aber weder den Einsatz noch sonst eine andere Tätigkeit in Rechnung. Das sind nur die Strafgebühren von Mr. S für das unerlaubte Übertreten. Innerhalb von…“
 

„So viel habe ich nicht.“ In ihr brodelte es. Von der Brust aufwärts die Speiseröhre hoch spürte sie ein Kribbeln. Es schien auch parallel ihren Geist zu vernebeln. Linda legte ihren Kopf zurück, während sie ihren Blick durch den Raum steifen ließ.
 

‚Über 1,5 Millionen? Damit könnte ich die Eingangshalle Grundsanieren lassen. Dieser elendige Penner.‘ Ihr Blick schweifte vorbei an der Vielzahl an Bildern von verschiedenen Personen aus ihrer Vergangenheit oder der ehemaligen Gilde, die dieses Hauptquartier vor einiger Zeit noch bewohnten. Auf einem Regal standen ein paar Auszeichnungen – als Pokal oder als eingerahmtes Dokument hinter Glas. Die Auszeichnungen waren jedoch inzwischen sehr matt geworden und auch schon ein wenig verstaubt.
 

„Frau Westallya.“ Begann Heon vorsichtig. Er wartete ein paar Sekunden ab, dann richtete er seinen Kopf auf und sein Blick wurde ernster. Selbst mit seinem derzeitigen ruhigen Verhalten strahlte er eine ernstzunehmende Autorität aus. Sein rechter Zeigefinger drückte stärker auf den Block.
 

„Alternativ müssen sie in Haft und zwar genaugenommen in einem Staatsgefängnis von Festa, wie Sie sicherlich wissen, sobald Orange Ihnen das Geld auslegen muss. In dem Fall würde diese Gilde aufgelöst werden, da sie keinen Stellvertreter zurzeit haben.“ Sie lauschte seinen Worten noch ein wenig teilnahmslos. Sie wollte sie eigentlich gar nicht hören. Das Brodeln hatte ihre Schilddrüse erreicht und die Stimme aus Dunklen hallte nun vermehrt durch ihren Kopf.
 

‚Warum tust du dir das an? Steh doch einfach auf und schmeiß den verfickten Bürgermeister aus seinem Amt und erledige dann Mr. S. Er hat das schon längst verdient und du kannst das! DU KANNST SIE ALLE FERTIG MACHEN!‘ Ihr schmerzte die linke Kopfhälfte enorm. Ein Pulsieren, das sich so anfühlte, als würde etwas aus ihrem Kopf ausbrechen wollen. Grummelig legte sie ihren Kopf leicht in den Nacken, in der Hoffnung den Schmerz damit loszuwerden.
 

„Wie lange habe ich noch Zeit?“ Der Blick von Heon verfinsterte sich, seine Mundwinkel verzogen sich nach unten.
 

„Frau Westallya! Ich will Ihnen nur helfen! Das hier ist eine ernste Angelegenheit, die dringend besprochen werden muss… und zwar so bald wie möglich, aber ich komme nicht unvorbereitet.“ Heon blätterte ein wenig in seinem Block, bis er diesen wieder auf den Tisch legte. Linda linste kurz auf sein Gekritzel, jedoch konnte sie nicht viel erkennen, außer ein paar Namen. Vor allem ein Name fiel ihr sofort auf.
 

‚Hilda Westallya.‘ Linda setzte sich unzufrieden auf. Ihr Blick wurde unduldsamer.
 

‚Wieso steht DAS auf seinem verdammten Block!‘
 

„Sie haben ab jetzt ungefähr noch 90 Tage Zeit Ihre Schuld zu begleichen, bis Sie in Haft… müssten. Entweder Sie haben bis dahin das Geld und oder Sie haben einen Stellvertreter, dann haben ihre Mitglieder weiterhin ein Zuhause. Ich möchte auch nicht, dass vor allem die Kinder darunter leiden.“ Das Wort ‚Kinder‘ brachte sie innerlich in Rage.
 

„Ja klar, deswegen bückt ihr euch vor Mr. S, wenn der wieder seinen Gürtel lockert. Ihr widert mich an. Und du kommst hier mit ‚Kinder‘. Wie wäre es, wenn ihr uns stattdessen unterstützt. Ich biete hier ein Zuhause für die, die keines haben!“ Die innere Stimme schien zu wehren, das Brummen in ihrem Kopf wurde stärker:
 

‚Warum das mitleidige Gejaule? Steh jetzt auf und reiß diesem Mr. S seine Eingeweide raus! Reiß allem die Eingeweide aus, die dich nicht ernstnehmen!‘ Linda fasste sich an den Nacken. Sie fühlte sich im Moment schrecklich. Ihr ganzer Körper schmerzte und ihr Kopf pochte unaufhörlich, außerdem verließ sie langsam die Konzentration dem Polizeichef weiter zuzuhören.
 

Heon hatte kurz pausiert, als Linda sich äußerte. Er positionierte sich auf dem Stuhl neu, dann spannten sich seine Schultern wieder an. Erneut drückte er mit seinem rechten Zeigefinger auf den Block.
 

„Frau Westallya. Werten Sie nicht alles als Angriff. Das hier soll Ihnen helfen. Vertrauen Sie mir.“ Er wartete einen weiteren Moment. Linda hatte sich wieder zurückgelehnt und sie starrte den Polizeichef ungeduldig an. Ich habe recherchiert und ein paar Namen gefunden, die als Stellvertreter aufgestellt werden können. Alternativ versuche ich jemanden zu kontaktieren, der das ohne Bezahlung macht und ja… ich werde möglichst jemanden weit entfernt suchen, der nicht gerade Beziehungen mit unserem Rathausherren sucht. Außerdem gibt es noch die Alternative, dass Sie ihre Gilde an den Bürgermeister verkaufen.“
 

„Lassen Sie mich raten. Am Ende ist der zufällig der Cousin und dann gehört diese Gilde dem verfickten Bürgermeister so oder so? Die Kinder interessieren ihn doch gar nicht, das haben…“ Langsam zeichnete sich im Gesicht des Polizeichefs zorniger Stress ab. Entlang seiner Augen nach unten, bildeten sich Falten, als der Polizeichef seinen Satz pausierte und anfing zu überlegen. Seine Stimme blieb ruhig, aber betonend:
 

„Frau Westallya! Ich verstehe Ihnen Unmut, aber der hilft uns im Moment nicht weiter. Ich bin hier, weil ich mit Ihnen dieses Problem lösen möchte. Ich möchte Ihnen nicht schaden.“ Linda ließ ihre Hand flach auf den Tisch knallen und sie blickte Heon gereizt an.
 

‚Immer wieder dasselbe. Immer versteckt er sich feige hinter seinen Worten, während die Wahrheit so offensichtlich ist. Rick wird schwerverletzt im Krankenhaus eingeliefert und der hier macht das nächstbeste und kommt zu mir wegen der Strafgebühr!?‘ Sie presste ihre Zähne aufeinander, als ihre Schneidezähne anfingen zu schmerzen. In Kombination mit den Kopfschmerzen verlor sie die Konzentration dem Gespräch weiter zu folgen. Wie ein Paukenschlag schrie ihr die Stimme in den Kopf plötzlich aus der Dunkelheit, sodass ihr Körper kurz erstarrte:
 

‚Zeig es ihm! Zeig es ihm, dass er dich nicht verarschen sollte! Steh auf! Reiß IHN AUSEINANDER!‘ Lindas Hände verkrampften und ihr Hals fühlte sich verengter an. Ihr Herz pochte wie wild.
 

„Kommen Sie zum Punkt! Welche Namen haben Sie denn herausgefunden?“ Ihre Stimme wurde tiefer, zudem verlieh Sie ihren Worten etwas Schärfe.
 

‚Er soll mir einfach die Mahnung ausstellen und wieder verschwinden!‘
 

Heon sah stillschweigend auf seinen Block. Bevor er wieder anfing zu reden, schaute er Linda zielbewusst an:
 

„Einer Ihrer besten Optionen ist die ehemalige Gildenmeisterin der ehemaligen Gold Guild von diesem Ort. Hilda Westallya. Ich denke die Bürokratie würde uns da am Wen…“ Als er den Namen aussprach, ging ihr ein Schauder über den Rücken. Das Bild dieser autoritären rothaarigen Frau wischte Linda sofort aus ihren Gedanken.
 

„Nein! Sie nicht! Nicht nur, dass sie verschwunden ist, sie ist auch mit großen Mengen Geld abgehauen. Wegen dem dieser ganzen Scheiße ist doch…“ Ein stechender Schmerz durchstieß ihren Kopf, der ihr kurz den Atem raubte. Kurz schweratmend hielt sich Linda an der Brust. Ihr Kopf senkte sich. Eine schreiendlaute Stimme hallte durch ihren ganzen Körper und brachte diesen zum Zittern:
 

‚WAS SOLL DAS HIER? WARUM HÄLTST DU DICH ZURÜCK? Erzähl doch die Wahrheit! Versteck dich vor niemanden mehr! VOR NIEMANDEN! ZEIG ES ENDLICH DEINEN PEINIGERN! BRING SIE ZUM SCHWEIGEN!‘ Linda ätzte vor Schmerz, während Sie sich langsam wieder zurücklehnte.
 

„Frau Westallya. Ich bemerke schon seit längerem, dass sie anscheinend unter schweren körperlichen Schmerzen leiden. Ich empfehle einen dringenden Arztbesuch, lassen Sie sich am besten gleich untersuchen. In Ihrer Familie scheint dies aber auch genetisch…“ Heon pausierte, als Linda ihn plötzlich ansah. Für einen Augenblick wirkte Heon schockiert, bis dieser wieder seinen bedachtsamen Ausdruck annahm. Wenige Sekunden später verschwamm ihre Sicht sowie ihre Konzentration. Sie sackte ein wenig zusammen.
 

„Frau Westallya! Soll ich einen Arzt anrufen? Sie wirken enorm angeschlagen!“
 

‚Wenn es keinen anderen Ausweg gibt.‘ Linda riss eine Schublade an ihrem Schreibtisch auf, daraus holte sie ein Gläschen mit Tabletten auf den Tisch. Das Gläschen donnerte sie auf die Tischoberfläche. Scheinbar der Physik trotzend, blieb das Behältnis unbeschadet. Die Tabletten darin machten einen kurzen Ausflug in die Luft, sie wurden jedoch durch den Deckel aufgehalten. Sie schraubte den Deckel ab und sie nahm zwei von den weißen unbeschrifteten Tabletten heraus, die sie gleich ohne Wasser zu sich nahm. Die Stimme aus der Dunkelheit begann abzuklingen und langsam zu verstummen. Ihr Körper hörte auf zu zittern und der stechende Schmerz in ihren Kopf ließ nach. Sie blickte einen gewissen Moment zu Heon:
 

„Mir wird es gleich wieder besser gehen. Das Problem ist erledigt.“
 

Der Polizeichef positionierte sich ein weiteres Mal in seine Ursprungshaltung und er atmete ein wenig abgespannt aus.
 

„Ich möchte mich da eigentlich nicht zu sehr einmischen, daher bitte ich Sie – insofern Sie sich im Moment fit genug fühlen – weiter mit dem Thema fortzufahren.“ Heon formulierte scheinbar seine Worte mit Vorsichtig. Er wirkte inzwischen unstet. Er tippte mit seinem Finger mehrmals auf den Block. Immer wieder auf einen bestimmten Namen.
 

„Hilda Westallya ist also nicht auffindbar? Das ist ein interessanter Fakt. Aber gut, wenn Sie meinen, dass sie Geld veruntreut hat, dann fällt sie logischerweise für ihre Position raus.“ Heon fuhr mit seinem Finger zum nächsten Namen, der sich eine Zeile darunter befand.
 

„Was ist mit Ronin Blackstar?“
 

Linda sah auf, während sie von einem leichten stechenden Schmerz in ihrer linken Gesichtshälfte begleitet wurde.
 

‚Na ja… er wäre tatsächlich eine Option. Wenn er nur an das verdammte Telefon gehen würde.‘
 

„Er war doch früher häufig Gast hier? Er scheint gute Verbindungen zu ihrer Familie zu pflegen? Er hat den S-Rang und er wird sicherlich ohne Bezahlung den Posten der Gilde übernehmen und… das wird Sie sicherlich erfreuen. Er ist bekanntlich kein Freund des Bürgermeisters.“
 

‚Oder von Ihnen.‘ Linda versuchte ihre Arme zu verschränken, aber ihre Wirbelsäule schmerzte noch, sodass sie ihre Hände auf ihre Oberschenkel legte. Zeitgleich dachte sie an ihren Jugendfreund, der sie in ihrer Erinnerung immer oft geneckt hatte. Ihre Mundwinkel verzogen sich für einen Moment nach unten, als sie sich an etwas Spezifisches erinnerte:
 

„Aber er ist schon Gildenmeister einer Gilde.“ Während der Polizeichef scheinbar die neue Information auf seinen Block verewigte, nutzte Linda den Moment der Ruhe und sie versuchte sich zu entspannen. Langsam senkte sie ihre Schultern. Die Stimme in ihren Kopf schien nur noch schwach vereinzelt Wörter in ihre Gedanken zu streuen. Leise genug, um diese zu ignorieren. Sie versuchte wieder an Ronin Blackstar zu denken. Ein selbstverliebter Trottel, der jedoch mit Worten umzugehen wusste. Sehr erfolgreich in seinem Beruf, aber ein Idiot, wenn es um Management ging. Ein Wunder wie er überhaupt Gildenmeister werden konnte. Linda war sich jedoch bei einer Sache sicher:
 

‚Überreden werde ich ihn bestimmt.‘ Sie schmunzelte, bis sie Heon müde anblickte. Der Polizeichef sah nachdenklich auf seinen Block:
 

„Wenn das so ist, dann fällt er raus. Ich habe als Alternativ noch zwei Namen, die ich auch versucht habe zu kontaktieren. Rose Pfeilwild und Marris Herrwald…“
 

‚Ronin Blackstar war schon ein guter Treffer. Er soll jetzt mir die Mahnung ausstellen und mit seinem bescheuerten Block verschwinden.‘ Linda erhob wieder ihren rechten Zeigefinger:
 

„Kommen wir zum Ende des ganzen Unsinns. Ich werde mich darum selbst kümmern und Sie mischen sich nicht weiter in meine Privatsphäre ein! Stellen Sie mir die Mahnung aus und dann können Sie gehen.“
 

Die Stimme in ihren Gedanken war verstummt, so auch der brodelnde Zorn in ihrem Körper. Leicht spürte sie noch das Brennen in ihrer Speiseröhre.
 

‚Endlich ist es besser.‘
 

„Wen werden Sie kontaktieren? Können Sie mir…“
 

„Ich werde mich SELBST darum kümmern.“
 

Der Polizeichef seufzte und seine starre Haltung ließ nach. Er zog sein Smartphone aus der Hemdtasche.
 

„Wenn Sie meinen, Frau Westallya. Die Mahnung wurde per E-Mail verschickt.“ Heon klang bei dem Satz ein wenig unzufrieden. Der Mann sah bedenkend auf:
 

„Sie gehen das zu chaotisch an, Frau Westallya. Ich empfehle Ihnen dringend…“ Wieder schlug Linda ihre Handfläche auf den Tisch. Das kurze Aufkommen von Zorn in ihrer Brust ließ schnell nach.
 

„Wie wär‘s, wenn Sie endlich die Entführer aufspüren und Sie für ihre Taten bestrafen. Rick liegt im Krankenhaus wegen diesem verbrecherischen Ausreißer-Trupp. Wie konnte es überhaupt sein, dass die da drüben herumtummeln und die ach so wichtigen Gesetze von Mr. S dann nicht zählen?“ Heon stand augenblicklich auf. Ausdrucksvoll gestikulierte er mit seiner derzeit freien linken Hand.
 

„Frau Westallya! Ich muss Ihnen nicht erklären, dass wir keine situative Gesetzesausnahmen machen können. Gesetze sind einzuhalten! Und nur weil jemand sich am Gesetz vorbeischleicht und sich zum Zeitpunkt der Ausführung immer noch versteckt hält, können wir nicht haltlos handeln! Seien Sie Gewiss, dass die Position dieser Halunken im Moment meilenweit schlechter ist, als Ihre. Die Zukunft dieser Verbrecher ist besiegelt und es bietet keinerlei Optionen mehr für Freiheit. Sobald die Verbrecher in diese Stadt getrieben werden, dann wird denen…“
 

‚Leere Worte, nichts als nur großes Drumherum-Gerede!‘
 

„Wenn, dann, falls…! Ach seien Sie ruhig! Ihr fürchtet euch vor diesem Tyrannen und wartet schön ab wie Hunde, dass die Leine gelockert wird. Ich hoffe euer Halsband ist fest genug, damit euch irgendwann mal klar wird, wie knapp die Luft in dieser Stadt wirklich ist!“ Heon zeigte sich unbeeindruckt. Sein eindringlicher Ausdruck blieb, jedoch wartete er einen Moment ab, bis der Polizeichef wieder anfing zu gestikulieren.
 

„Recht schützt uns vor unseren barbarischen Instinkten. Ordnung schützt uns vor Chaos. Ihr Verhalten ist sehr infantil, sie sollten als Führungsposition verstehen, dass das Versagen hier bei…“
 

„Verschwinden Sie sofort aus meinem Büro!“ Linda verwies mit ihrer rechten Hand zu ihrer Tür.
 

‚Rick ist hier sicherlich nicht der Schuldtragende!‘
 

Heon schaute die Gildenmeisterin bedauernd an, dann wandte er sich ab. In einem bedächtigen Tempo ging er zu seiner Jacke neben der Tür. Er nahm seine Uniformjacke, legte diese an, dann entspannte er seine Schultern. Das Smartphone und den Block ließ er in der Jacke verschwinden.
 

„Lassen Sie nicht zu viel Zeit vergehen, Frau Westallya. Ich stehe Ihnen zur Seite. Ich bin ihr Verbündeter. Melden Sie sich, wenn es Ihnen bessergeht. Vielleicht können wir dann das Problem strukturiert lösen?“ Heon öffnete die Tür, dann verließ er ihr Büro.
 

Er zog die Tür hinter sich zu.
 

Linda lehnte sich zurück. Genervt streife sie mit ihrer Hand über ihre Stirn. Diese halbseitigen Kopfschmerzen ließen nur sehr langsam nach.
 

Für die nächsten 15 Minuten versuchte sie sich zu entspannen, bis die Tabletten endgültig wirkten. Sie schloss ihre Augen. Nach einem kurzen Aus- und Einatmen nahm sie eine angenehme Stille wahr.
 

Verschwommen drängten sich Bilder vor ihr geistiges Auge. Zerstörte Gebäude um sie herum bildeten sich ab. Sie versuchte diese Gedanken wegzuschieben und an etwas erfreuliches zu denken. Sie dachte an Ronin, der sich jedoch schnell in eine Schattenhand verwandelte, die sie versuchte zu ergreifen. Die Hand packte Sie und rüttelte an ihr. Wieder versuchte Sie diese grausigen Gedanken abzuschütteln. Sie versuchte an eine andere Situation zu denken. Daran, dass Rick im Moment im Krankenhaus lag und er sich erholte. Alina war sicherlich im Moment bei ihm. Irgendwann war aber auch diese Erinnerung plötzlich verschwunden und sie stand in einem gigantischen Raum, der scheinbar keine Decke hatte. Am Ende des Raumes stand ihr Schreibtisch vor dem Fenster, dazwischen ihr Stuhl und jemand saß auf diesem Stuhl. Dieser winkte sie herbei. Ihr Körper rührte sich aber nicht. Sie verspürte plötzliche eine große Angst. Auch diese ungewollte Situation versuchte sie abzuwehren. Linda drehte sich um, sodass sie den Schreibtisch hinter sich ließ. Plötzlich stand sie vor einen Grabstein und eine Hand legte sich auf ihre rechte Schulter. Diese Hand wurde schlagartig viel schwerer und zwang sie auf die Knie. Ein immer lauter werdendes Poltern folgte. Ihr Herz schlug schneller und sie wurde nervös. Ihr Körper begann zu zittern und sie versuchte sich zu bewegen, aber es passierte nichts und das Poltern wurde immer lauter.
 

Sie schlug ihre Augen auf. Für einen Augenblick versuchte sie zu verstehen was passiert war. Sie hörte ein Klopfen. Es kam aus Richtung der Tür.
 


 

Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl. Sie bemerkte, dass ihre Kopfschmerzen fast vollständig aufgehört hatten. Ein leichtes Ziehen war noch am Hinterkopf zu spüren. Sie schritt flott zur Tür, als das Klopfen erneut erklang. Hastig öffnete sie die Tür zum Flur. Tina stand dahinter, die sie unentschieden ansah. Die Schultern zusammengezogen und die Hände ineinandergelegt.
 

„Ah hallo Linda. Also ich störe, weil da unten ist jemand, der dringend mit dir reden möchte.“
 

‚Ist es vielleicht Heon?‘ Linda sah an Tina vorbei, über das Gelände in die Halle. Tina schritt ein wenig zur Seite, sodass Linda an ihr vorbei auf den Flur treten konnte. Unten in der Eingangshalle, nahe dem Eingang, stand ein durchschnittlich großer erwachsener sportlicher Mann, der auf Linda einen ungeduldigen Eindruck machte.
 

‚Kenne ich nicht, noch nie gesehen. Ist das einer dieser Fremde von denen ich gehört habe? Er sieht so aus, als könnte er aus Festa stammen.‘ Der Mann sah plötzlich zu Linda hoch. Er machte einen erwartungsvollen Ausdruck.
 


 

Als Linda einen weiteren Schritt nach vorne trat, um direkt am Geländer zu sein, bemerkte sie, dass die Blicke dieses Mannes sich änderten. Sie wurden intensiver, als würde er etwas begutachten. Seine Haltung war angespannt. Wie vor einem Kampf. Der junge Mann versuchte jedoch seine Haltung zu überspielen, indem er lächelte.
 

‚Der könnte Schwierigkeiten bedeuten. Ist er allein hier? Ich muss Tina aus der Reichweite bringen.‘
 

„Kannst du… bitte auf dein Zimmer gehen? Ich erkläre dir das nachher. Bitte mach das jetzt.“ Tina wirkte im ersten Moment überrascht, dann nachdenklich und zum Schluss zustimmend. Sie zog ihren Körper noch ein wenig zusammen, als wäre ihr ein Schauder über den Rücken gejagt.
 

„Ja Linda, das mache ich.“ Sie schien jedoch zu zögern. Tina blickte über das Gelände hinab.
 

„Da unten sind aber noch zwei Freunde.“
 

Linda fielen daraufhin zwei weitere Personen an einem der Tische auf. Ein schlaksiger Jugendlicher mit ungepflegtem Haar, der eine relativ große Brille auf der Nase trug. Neben ihm saß ein etwas kleinerer ebenfalls schmächtigerer schwarzhaarige Jugendlicher. Die beiden schienen sich im Moment zu unterhalten. Linda erinnerte sich, dass der schwarzhaarige Jugendliche gestern mit Rick und Alina dabei war.
 

‚Mh… darum muss ich mich auch noch kümmern. Aber sie erwähnte etwas interessantes.‘ Linda schaute zu Tina:
 

„Du sagtest Freunde? Kennst du die beiden denn?“
 

Tina nickte und sie lächelte kurz. In ihren Augen war ein ungewöhnlicher Glanz wahrzunehmen:
 

„Es ist schwer zu erklären, aber ich konnte mich erinnern… ich kenne die beiden und die kennen mich. Wir leiden unter demselben Problem. Sie kommen auch aus Kratern, aber leider… können wir uns immer noch nicht daran erinnern wieso das alles passiert ist.“ Linda schaute daraufhin wieder zu den beiden Jugendlichen und dann zu dem jungen Mann am Eingang, der nun ein wenig ungeduldig wirkte.
 

‚Da ist sehr interessant! Sie sind dann wohl vermutlich die anderen aus dem Himmel? Aber eins nach dem anderen. Ich muss mich nachher damit beschäftigen.‘
 

„Ich schick die beiden zu dir hoch. Bitte bleibt erst einmal oben, bis ich euch rufe.“ Tina nickte erneut, dann lief sie vorsichtig die Treppen hinauf in das nächste Stockwerk. Linda kundschaftete die Halle nach weiteren Fremden aus, während sie die Treppe langsam hinuntertrat.
 

„Hey ihr beiden da am Tisch!“ Linda deute mit ihrer rechten Hand zu den beiden Jugendlichen, die sie überrascht ansahen.
 

„Geht bitte nach oben zu Tina. Ich werde aber nachher mit euch reden. Benehmt euch!“ Linda deute nach oben zu den Treppen in das zweite Stockwerk.
 

Zunächst etwas zögerlich, standen die beiden Jungs auf. Sie wurden schneller, als Linda ihren Ausdruck verfinsterte.
 

Kurz bevor die beiden an ihr vorbeitraten, um die Treppen zum ersten Stockwerk hinaufgehen zu können, schaute Linda die beiden ermahnend an:
 

„Ich vertraue Tina, daher habt ihr mein Vertrauen. Also benehmt euch!“
 

Nervös nickten die beiden, dann eilten sie die Treppen hinauf.
 

Linda spürte von den beiden keine böse Absichten.
 


 

Linda schaute im Anschluss zu dem fremden jungen Mann, der sie immer noch anlächelte. Jedoch hatte seine Ausstrahlung nicht den Charme wie Ronin.
 

Sie winkte den fremden jungen Mann zu sich.
 

Während er sich zu ihr bewegte, ruhte ihr Blick konzentriert auf dem Fremden.
 

In einer lockeren scheinbar unachtsamen Bewegungsart lief der Fremde auf Linda zu. Er hielt beide Hände sichtbar vor sich. Seine lässige Kleidung bot ihm auch nicht viele Möglichkeiten etwas zu verstecken. Linda legte ihre Hände aneinander und sie richtete sich mehr auf. Fast auf Augenhöhe standen die beiden sich – in knapper zwei Meter Entfernung – gegenüber. Der Fremde streckte seine linke Hand vor sich, mit der flache Hand offen nach oben, dabei rutschte der Ärmel seines Hemdes herunter. Dies legte seinen muskulösen Unterarm offen.
 

‚Sieht so aus, als wäre dieser Kerl im Fitnessbereich sehr aktiv. Übt er vielleicht auch Kampfsport aus? Zumindest ist er achtsamer, als er mir glauben machen will. Ich sollte mich lieber bereithalten.‘
 

Der Fremde verbeugte sich minimal vor ihr, dann begann er zu reden:
 

„Ich hoffe ich mache keine Umstände. Ich bin hier wegen einer Bitte, da ich gehört habe, dass die Gilde dieses Ortes jedem aushilft.“ Linda hob ihre rechte Hand ermahnend in die Luft, mit den Fingerspitzen senkrecht nach oben, aber nah aneinandergelegt.
 

„Da ist korrekt, aber erst einmal möchte ich wissen mit wem ich es zu tun habe, bevor ich auf die Aufträge eingehe.“
 

Der Fremde schaute unzufrieden. An seinem rechten Mundwinkel war ein kurzes Zucken zu erkennen.
 

„Ich verstehe, hier in dieser Gilde ist keine Anonymität erlaubt?“
 

„Nein. Für mich ist eine Vertrauensbasis notwendig.“
 

„Na gut. Das ist kein allzu großes Problem. Ich hoffe jedoch, dass es für Sie ausreicht, wenn ich mich nur als Noju vorstellen werde. Sehen Sie dies als Künstlername.“
 

Linda antwortete nicht darauf. Für Sie war das kein kooperatives Entgegenkommen, aber sie wollte ihn deswegen nicht gleich fortschicken. Der junge Mann fuhr fort:
 

„Ich bin mit Kollegen hierhergereist, weil ich hier etwas Geschäftliches zu erledigen habe. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht auf Einzelheiten eingehen kann, aber bei unserer Aufgabe - hier auf dieser Insel - ist ein Kollege von uns unter falschen Verdacht geraten und jetzt bräuchten wir die Hilfe der Gilde. Vorrangig wegen Auskünfte, aber eventuell auch für weitere Unterstützung. Es scheint meines Wissens keine Kanzlei auf dieser Insel zu geben, daher meine Wahl. Außerdem kennen wir uns hier nicht aus. Ihr Gilde scheint die perfekte Anlaufstelle für uns zu sein.“
 

Linda begutachtete den Mann schweigend, während er sich erklärte.
 

‚Ein Lakai des Bürgermeisters? Nein, das macht keinen Sinn? Ein Lakai von Mr. S? Das glaube ich auch nicht, dazu hat dieser Kerl viel zu viel Farbe im Gesicht. Vielleicht hat er was mit Will zu tun? Der hat doch immer diese dubiösen Typen vor seiner Tür. Was gibt es noch für Möglichkeiten?‘ Der fremde Mann ließ seine linke Handfläche um das Handgelenk kreisen, während er seinen Ton leicht verstärkte:
 

„Entschuldige meinen Nachdruck, Frau Westallya, aber es ist zeitlich wirklich…“ Wieder erhob Linda ihre Hand, aber dieses Mal senkte sie alle Finger bis auf ihren Zeigefinger. Noju verstummte, jedoch zog er unzufrieden seine Augenbrauen nach oben.
 

‚Unter falschen Verdacht? Ein Kollegium aus mysteriösen Typen hier auf der Insel? Das hat doch alles mit dem zu tun, was Heon vorher erwähnt hat?‘
 

Linda senkte langsam ihre Hand, während sie sprach.
 

„Dafür, dass sie hier neu sind, kennen sie ja schon meinen Namen. Sie sind wohl gut informiert? Missverstehen Sie mich nicht, aber es gab vor kurzem einen Überfall mit einem Unbekannten. Ist ihr Kollege zufällig dieser Verdächtige?“ Die Augenbrauen des Fremden senkten sich. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Freude und Nervosität. Seine Haltung immer noch leicht angespannt.
 

„Das ist korrekt und Sie liegen mit Ihrer Annahme völlig richtig. Tatsächlich ist dieses Missverständnis genau das Problem. Mein Kollege hatte nichts mit dem Überfall auf dem Friedhof zu tun, aber er war anwesend. Als mein Kollege Hilfe organisieren wollte, wurde er von der Polizei festgesetzt. Und ihr Name, denn habe ich in der Stadt zufällig erfahren.“ Er schmunzelte.
 

‚Schwierig ihn zu durchschauen. Seine Mimik wirkt fast echt, aber er scheint etwas zu überspielen. Das könnte eventuell aufrichtige Nervosität sein oder er lügt mich hier nur an. Er weiß zumindest gut über den Überfall Bescheid.‘
 

Linda trat einen Schritt auf ihn zu, in der Hoffnung er wich zurück. Ihr Blick wurde entschlossener und ihr Tonfall rauer. Der fremde Mann rührte sich kein Stück, aber in seiner Gestik war zu erkennen, dass er ein wenig unruhig wurde. Auch seine Schultern verspannten sich mehr. Seine Hände hielt er nah an seinem Körper.
 

‚Aus dieser Nähe wäre ich schnell genug im Fall der Fälle.‘
 

„Also Herr Noju. Erklären Sie zunächst in kurzen Worten was passiert ist und warum ihr Kollege unschuldig ist. Dann erklären Sie mir, warum Sie nicht zur Polizei gehen und das als Zeuge aussagen? Außerdem erklären Sie mir, was Sie von uns genau wollen. Es wird ja nicht nur eine Auskunft sein, nicht wahr?“ Der fremde Mann nickte zustimmend. Er wirkte erfreut:
 

„Die erste Frage ist schnell beantwortet. Ein Mann war zum Friedhof gegangen und er wurde dort von eurem Dorffluch heimgesucht, am helllichten Tag. Anders wie es bisher hieß. Mein Kollege ist aufgefallen, dass das Opfer bereits im Vorfeld von dem Dorffluch heimgesucht wurde und er wollte den Mann rechtzeitig warnen. Er hat zudem einen ummantelten Mann beobachtet, der in der Nähe des Friedhofs eine Art Ritual ausgeführt hatte. Dies muss nach seiner Meinung den Geist bestärkt haben, sodass dieser außerhalb der bekannten Phänomene eures Dorffluches nun wohl zu jeder Zeit Leute attackieren kann. Dieser Dorffluch hat das Opfer gepackt und ihn scheinbar Energie entzogen. Zumindest brach der Mann zusammen und bevor mein Kollege eingreifen konnte, verschwand der Dorffluch. Nachdem er Hilfe kontaktierte, griff die Polizei ihn auf. Sie war schnell Vorort.“
 

‚Er scheint auch gut über den Fluch Bescheid zu wissen. Ist er vielleicht ein weiterer Exorzist? Aber warum tut er dann so geheimnisvoll? Künstlername…, vermutlich wieder einer dieser hochtrabenden Akteure, die mehr Show als Können zeigen und ja… jetzt ist sein Kollege vermutlich fälschlicherweise einkassiert worden. Verstehe.‘
 

Linda ließ ihre angespannte Haltung ein wenig nach. Mit jedem seiner Worte erwartete sie weniger einen plötzlichen Angriff. Noju schaute Linda wieder erwartungsvoll an.
 

„Also sind eure geheimen Aktivitäten die Untersuchung unseres Fluches? Warum dann die Geheimhaltung? Hat die Stadt nicht offen bekanntgegeben, dass es ein ‚Kopfgeld‘ für die Auflösung des Fluches gibt? Oder handelt es sich hier um ein Konkurrenzkram?“
 

Während Linda über ihre eigenen Worte nachdachte, erinnerte sie sich an seine Worte.
 

‚Warte Mal, er erwähnte gerade einen unbekannten Mann, der ein Ritual ausführte? Und der Schatten war tagsüber aktiv? Das ist mir neu… und ist sehr bedenklich.‘ Bevor der Fremde mit seinem nächsten Satz begann, unterbrach Linda ihn mit einer schnellen Handbewegung, indem sie ihre Hand wieder nach oben zog:
 

„Sie erwähnten einen Unbekannten mit einem Ritual? Was heißt das genau? Was für ein Ritual und wie sah der Mann aus? Wieso glauben Sie, dass das mit dem Fluch bestärken zu tun hat?“
 

Noju hob beide Hände leicht schräg nach vorn und langsam begab er diese nach unten.
 

„Sie greifen schon die richtige Spur auf, aber bevor ich Ihnen dazu Antworten geben kann, möchte ich auf den ursprünglichen Auftrag eingehen, dann erzähle ich Ihnen gerne alles Nötige über den Vorfall. Ich brauche Ihre Hilfe und dafür helfe ich Ihnen den Dorffluch loszuwerden. Ich möchte aber zuerst sichergehen, dass Sie uns helfen werden.“
 

Linda verschränkte ihre Arme. Ihre Augen schmälerten sich.
 

‚Versucht er mich gerade zu locken mithilfe von Informationen? Kann auch sein, dass er mich hier knallhart anlügt, aber wenn das alles wahr wäre, muss jetzt dringend etwas unternommen werden. Wie konnte das denn so plötzlich ausarten?‘
 

„Also erst wenn ich zustimme?“
 

Noju nickte.
 

Linda seufzte entnervt.
 

„Bevor ich aber den Auftrag offiziell annehme. Erklären Sie mir erst einmal was Sie genau von der Gilde wollen? Das müssen Sie mir liefern.“
 

Noju erhob seine linke Hand, streckte sie flach nach oben, aber er formte seine Hand wie eine Tasse, während er seinen Zeigefinger nach vorn streckte.
 

„Die Unschuld meines Kollegen zu beweisen. Egal ob mit direkter Hilfe oder indirekter Hilfe, indem Sie jemanden dazu bringen uns zu helfen.“
 

‚Hoffentlich ist das alles wahr, was er mir erzählt. Ich muss mir das Vorort anschauen, dann kann ich ein Urteil fällen.‘
 

Sie nickte langsam, zeitgleich verschränkte sie ihre Arme stärker ineinander.
 

„Nun gut. Aber erst einmal muss ich mir die Seite der Polizei anhören.“
 

Noju drehte seine linke Hand, sodass seine Handfläche unten zeige, dann bewegte er seine Hand leicht auf und ab.
 

„Selbstverständlich, das können wir gleich erledigen. Ich habe auch schon jemanden, den wir daraufhin besuchen können. Also für eine weitere mögliche Spur.“
 

Linda betrachtete den jungen Mann weiterhin mit Skepsis.
 

„Ich denke, dass es Sie interessiert wie viel ich bezahlen möchte.“
 

Für einen Moment lockerte Linda ihre verschränkten Arme. Das Stichwort Bezahlung brachte sie auf andere Gedanken.
 

‚Das Ganze ist mir zwar ein wenig zu dubios. Also werde ich einfach eine gewisse Gefahrenzulage verlangen.‘
 

„Hunderttausend Sya.“
 

Noju sah sie erschrocken an. Nach wenigen Sekunden senkte er seine Augenbrauen wieder:
 

„Das scheint mir doch ein wenig viel zu sein? Für den Betrag bekomme ich fast einen Kleinwagen.“
 

Linda starrte den Mann unverändert an. Ihr Arme verschränkten sich wieder stärker ineinander. Sie baute sich zudem erneut größer vor ihm auf.
 

„Es muss doch eine andere Lösung geben? Einen Rabatt vielleicht? Ich kann Ihnen im Moment maximal 20.000 Sya für den Auftrag versprechen. Ich schätze das ist wesentlich mehr, als die Vergütungsbasis für Gilden vorschreibt.“
 

Unrecht hatte er nicht. Normalerweise würde für so einen Auftrag auf Basis der Vergütungsvorschrift von Festa ungefähr 1000 ~ 5000 Sya fällig werden.
 

Linda lockerte ein wenig ihre Haltung.
 

‚Rick und Alina brauchen auch wieder neue Klamotten und ein paar Lebensmittel mehr im Kühlschrank wären auch nicht schlecht.‘
 

Linda begutachtete den jungen Mann ein weiteres Mal.
 

‘Ich sehe es schon kommen, dass dieser Auftrag stressig werden wird.‘
 

„Also gut. Aber bevor wir das Formale besprechen, möchte ich, dass Sie mit mir zuerst zur Polizei und dann zu ihrem Kollegen gehen. Sollte die Sache konkret werden, schließen wir den Vertrag und sie legen mir das Geld zu diesem Zeitpunkt aus. UND DANN erzählen Sie mir alles über den Fluch, über das Ritual und über diesen maskierten Mann!“
 

‚Sollte er mich belügen oder hintergehen wollen, dann lernt er mich kennen.‘
 

Der fremde Mann schien einen Moment zu überlegen. Er wirkte nervös, dennoch nickte er.
 

„Das sollte keine Umstände machen. Dann können wir gleich losgehen. Die Polizei scheint hier nämlich - ehrlich gesagt - ein wenig zu schnell zu agieren.“ Der junge Mann schien über etwas nachzudenken, als er pausierte.
 

„Müssen Sie hier noch etwas vorbereiten oder können Sie jetzt gleich mitkommen?“
 

Linda sah den jungen Mann einen Moment schweigend an, während Sie ihre verschränkten Hände leicht in ihre Oberarme greifen ließ. Sie fühlte sich unsicher bei den Gedanken den Auftrag jetzt sofort anzunehmen, aber das Angebot war verlockend.
 

‚Es ist besser, wenn ich der Sache schneller auf den Grund gehe.‘
 

„Umso früher wir beginnen, umso schneller und besser können wir noch agieren. Also Herr Noju, gehen Sie doch schon einmal hinaus. Ich komme gleich nach.“ Im Anschluss ging der junge Mann voraus zum Vordereingang der Gildenhauptquartierhalle. Er verließ das Gebäude. Linda war noch in ihr Büro gegangen, um ihre Ausgehkleidung zu holen und einen Standardvertrag zu organisieren. Sie warf noch einen Blick zu den Treppen im zweiten Stockwerk, als sie ihr Büro verließ.
 

‚Ich denke, dass sie zurechtkommen werden. Ich hoffe, dass es heute Abend ruhig bleibt. Hoffentlich.‘ Daraufhin verließ Linda ebenfalls das Gildenhauptquartier.

Orange VI --- Mein Zuhause?

[Tina]
 

Der Stress und die Unruhe stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Hand rechts gegen die Hüfte gepresst und mit der linken Hand den Türrahmen der offenen Zimmertür festumschlungen, als würde sie im nächsten Moment diesen herausreißen wollen. Tiefblaue Augenringe und tiefe Mundwinkel, die nach jedem Satz noch tiefer wirkten. Ihre Augen wirkten matt und ihre Reaktionen verzögert. Ihre Stimme begann trocken, jedoch nahm diese im Laufe jeden Satzes schubartig zu. Angestrengt wurde jeder Satz deutlich betont und dabei keine Rücksicht auf die Lautstärke genommen.
 

„Und damit du Bescheid weißt. Linda wird sich noch mit dir genauer auseinandersetzen. Vor allem wegen der Gildenmitgliedschaft. Sei dankbar für das Geschenk.“ Alina starrte Tina mürrisch an. Ihre bedrohliche Haltung war zum Davonlaufen, aber als Alina fast vom Rand der Türe abrutschte und sich noch im letzten Moment fing, bekam Tina Mitleid. Alinas Gesichtsfarbe hatte einen unnatürlichen blassen Farbton.
 

„Das ist kein Problem. Ich kann helfen… und ich bin hier, wenn Linda zurückkommt.“
 

Alina seufzte. Sie holte daraufhin kurz Luft. Für einen Moment schweiften ihre müden matten Augen scheinbar ziellos durch den Raum.
 

„Ah ja.“ begann sie bissig. Sie starrte Max plötzlich an. Sie schien ihre ersten Worte zu formulieren, da schweifte ihr Blick wieder schlagartig zu Tina.
 

„Du kommst gleich mit mir mit!“ Dann erhob Alina bedrohlich ihren rechten Zeigefinger und sie deutete jedoch auf Max und Daniel, die dadurch weiter zur Wand rückten. Im Moment befanden sie sich ebenfalls in Tinas Zimmer, aber ganz von ihr weggerückt an der Wand.
 

„Und ihr verschwindet von hier! Linda scheint euch einen Vorschuss an Vertrauen zu gewähren, aber ich nicht. Wehe ich sehe euch in irgendeinem Zimmer, wo ihr nicht sein dürft. Runter mit euch!“
 

Max rührte sich. Er stand vom Boden auf. Inzwischen wirkte er stark genervt und sein Körper war stark angespannt. Seine lockere und schüchterne Art von vorhin war verschwunden. Immer wieder rieb er seine Zähne aufeinander, während er seinen Kopf leicht senkte, jedoch seinen Blick weiterhin auf Alina behielt. Plötzlich erhob sich seine linke Hand und er deutete auf Alina:
 

„Was soll der Scheiß eigentlich? Ich mach doch hier… äh keinen Scheiß… ähm… hier! Was soll das denn? Du kommst hier… ähm… einfach rein!“ An seiner linken Hand war das Gildenarmband zu sehen. Alina schien dies bemerkt zu haben, denn ihr Blick blieb darauf beharren und ihre Mundwinkel verzogen sich weiter nach unten. Grimmig stampfend ging sie zwei Schritte nach vorn:
 

„Wieso hast du dir das angezogen? Woher hast du das? Zieh das sofort wieder aus!“ Ihre Augen sowie ihre Tränensäcke zuckten bei ihrem kurzen Wutausbruch. Leicht zittrig hielt sie sich nach ihrem Wutausbruch an dem nahestehenden Schreibtisch.
 

Max schien sich zu verkrampfen. Für einen Moment hatte er seinen rechten Fuß angehoben, aber diesen wieder schnell gesenkt. Inzwischen hatte er beide Hände zu Fäusten geballt und nah an seinen Körper gedrückt.
 

„DAS HABE ICH… ähm… von der Gilden… äh… Frau… bekommen!“
 

Alinas Augen verengten sich weiter. Sie baute sich groß vor Max auf:
 

„SIE HEIßT LINDA UND ERZÄHL MIR KEINEN SCHEIß, DU KNILCH!“ Wenn sie vor ihm stand, war sie mindestens einen Kopf größer als er.
 

‚Oh nein! Hoffentlich wird der Streit nicht schlimmer. Ich muss was tun!‘ Tina hob beide Hände leicht in die Luft mit den Handflächen nach unten gerichtet.
 

„Äh! Das stimmt was er sagt. Linda hat uns das Gildenarmband vorher gegeben, als sie gekommen war.“ Alina drehte ihren Kopf. Sie schien für einen Moment Tina nicht konzentriert ansehen zu können. Alina unterdrückte sichtlich ein Gähnen.
 

„Das klär ich noch mit Linda ab!“ Sie schaute im Anschluss kontrollierend zu Max und Daniel:
 

„Aber raus mit euch beiden! Ihr habt in diesem Zimmer nichts zu suchen!“ Mit ihrem rechten Zeigefinger deutete sie auf die Tür.
 

Daniel nickte und er verschwand blitzschnell aus dem Raum. Mit schnellen gebückten Schritten war er mit der möglichst weitesten Reichweite an Alina vorbeigetreten. Schneller als Alina ihm überhaupt nachschauen konnte. Max dagegen bewegte sich langsamer heraus. Er machte ebenfalls einen größeren Bogen um sie, ab er lieferte mit Alina einen Blickwettstreit. Diesen beendete er aber, als er den Raum verließ.
 

„Was für Pfosten. Linda soll mal nützliche Leute einstellen, die auch was leisten können.“ Sie seufzte angestrengt.
 

„Komm jetzt Tina! Ich muss Rick die Sachen dringend bringen.“
 

„Geht es ihm gut? Also Rick.“ Alins schaute Tina für einen Moment überrascht an, dann verengten sich ihre Augen.
 

„Ja! Er ist wieder bei Bewusstsein und ansprechbar, aber jetzt genug geredet! In zwanzig Minuten gehen wir los!“ Ihre Stimme war zu Beginn des Satzes noch klar, aber sie wurde mit dem Laufe des Satzes ernster und rauer. Daraufhin schaute sie Tina noch eine Weile misstrauisch an, dann wandte sie sich ab und sie verließ das Zimmer. Mit einem unangenehmen Gefühl auf der Schulter rieb sich Tina den linken Arm.
 

‚Es freut mich, dass es Rick besser geht. Hoffentlich geht es ihm schnell besser. Aber… warum schaut mich Alina so böse an?‘
 

Tina stand auf und sie begann sich vorzubereiten.
 

Fast zwanzig Minuten später verließ Tina ihr Zimmer. Alina stand schon unten am Eingang. Sie hatte sich einen Rucksack umgeschnallt sowie eine vollgepackte Tüte in der linken Hand, zudem nahm Tina aus der Nähe war – nachdem sie nach unten zum Eingang ging - dass Alina wohl geduscht hatte, zumindest war ihr Haar nicht mehr so durcheinander, außerdem trug sie einen angenehmen Duft. Ihre Kleidung hatte sie getauscht. Sie trug nun längere Kleidung und keinen Rock mehr. Eine lange blaue Jeans. Tina war ein wenig erschrocken, dass sie in demselben Zeitraum nicht so viel erreicht hatte. Sie hatte sich gerade einmal im Bad ihre Haare gekämmt und ihre Kleidung ebenfalls gewechselt. Linda hatte netterweise ihr Ersatzkleidung zur Verfügung gestellt. Wem sie aber gehörte, das konnte Tina nicht sagen. Alina war einen Kopf größer als sie, so würde es wahrscheinlich nicht ihre Kleidung sein.
 

Tina schaute Alina eine Weile begutachtend an.
 

‚Seltsam. In ihrer jetzigen Kleidung wirkt sie sportlicher und sie wirkt fitter. Aber ihre Augenringe… oh je die Arme… sie hat sicherlich kaum geschlafen.‘ Alina tippte im Moment energisch auf ihrem Smartphone etwas ein. Grummelnd fluchte sie leise vor sich hin. Plötzlich schaute Alina auf:
 

„Ist was oder warum starrst du mich an?“ Brummte Alina. Tina schaute erschrocken verlegen zur Seite.
 

„Ah… ähm… nichts.“
 

Alina schritt daraufhin an Tina vorbei auf die Straße, während sie ihr Smartphone in der Jackentasche verschwinden ließ. Die mitgenommene Tüte fest im Griff der linken Hand, wurde diese vom aufgenommenen Wind immer wieder leicht zerknittert.
 

„Komm!“ Tina warf einen Blick zurück in die Eingangshalle, nachdem sie ebenfalls das Gebäude verlassen hatte. In der Eingangshalle saßen die beiden Jungs an einem der Tische. Die beiden wirkten wie auf verlorenem Posten. Während Daniel scheinbar beschäftigt im Moment eine Zeitung durchlas, starrte Max den beiden hinterher. Er wirkte immer noch grimmig.
 

Alina setzte sich schnell in Bewegung. Sie bewegte sich in Richtung Stadtmitte. Tina hatte Mühe Schritt zu halten.
 

Schweigsam eilten die beiden voran, dabei bemerkte Tina - als sie in den Himmel blickte - wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Die Sonne begann ihre Reise des heutigen Abschieds. Wieder war ein Tag vorbei. Ein Tag der sich eigenartig und leer anfühlte. Sie hatte zwei Freunde wiedergefunden. Es war ein schöner Moment gewesen. Aber aus nicht erklärlichen Gründen stimmte es sie nicht glücklicher. Als wäre es nur ein kleiner Teil gewesen, der für sich allein ihr nicht viel half.
 

Während sie an den Tag dachte, hatte sie ihre Hände ineinandergelegt und immer wieder rieb sie ihre Finger aneinander. In Gedanken versunken wäre Tina fast in eine Person hineingelaufen. Es war ein Polizist gewesen. Dieser sprach die beiden an – wohin sie jetzt gingen, aber Alina antwortete diesem in einem unfreundlichen Ton, dass sie für einen Gildenkollegen im Krankenhaus Dinge brachten und ihren notwendigen Einkauf erledigen mussten. Der Polizist verwies auf die aktuellen Ereignisse – ein Überfall und dem angeblichen Sichten des örtlichen Fluches - und er bat sich vorzusehen und schnell ein Haus aufzusuchen. Es herrschte zwar keine Ausgangssperre, aber es existierte eine Empfehlung des Rathauses nicht auf offener Straße unterwegs zu sein bis die Polizei die Situation wieder entschärfte. Der Polizist schien zwar nicht erfreut über Alinas Art zu sein, aber er ließ die beiden weitergehen.
 

Alina hatte sich von der Warnung nicht beirren lassen. Weiter zielstrebig verfolgte sie scheinbar ihr Ziel. Bei Tina hatten die Worte ein unangenehmes Gefühl verursacht. Sie hatte das Bedürfnis mehrmals um sich zu schauen.
 

‚Ein Überfall? Ein Monster? Das ist alles so beängstigend.‘
 

Alina stoppte mehrere Meter vor der Kreuzung. Sie blieb dabei auf der Straße stehen. Mit der rechten Hand strich sie sich ihr langes Haar aus dem Gesicht - weil der Wind im Moment seine Spielchen trieb. Mit einer leichten Kopfbewegung nach rechts deutete Alina eine Richtung an. Sie deutete damit in eine östliche Richtung.
 

Die Kreuzung hinter Alina führte in drei Richtungen. Geradeaus ging es zum Krankenhaus. Nach Osten zum Rathaus. Nach Westen war Tina noch nicht gewesen, aber die Straße führte aus der Stadt hinaus.
 

Alina verwies erneut nach rechts. Neben der Kreuzung befand sich ein größeres Eckgebäude mit einem großen Firmenschild über ihre doppelseitige Glaseingangstür. ‚Orange Großmarkt‘ stand auf dem Schild.
 

„Dort gehst du jetzt rein und kaufst das hier.“ Alina drückte Tina ein zusammengefaltetes DIN4 Blatt in die Hand. Unter diesem Blatt war ein Briefkuvert. Bei der Übergabe musste Tina aufpassen, dass der aggressive Wind ihr den Zettel nicht aus der Hand riss. Daraufhin zeigte Alina an Tina vorbei zurück in Richtung Hauptquartier.
 

„Danach gehst du zurück.“ Im Anschluss zeigte Alina auf dem Briefkuvert.
 

„In dem Briefkuvert ist das Geld, abgezählt. Es sollte für den Einkauf reichen. Das restliche Geld einfach morgen wieder zurückgeben.“ Alina atmete kurz angestrengt ein.
 

„Und du hast verstanden? Dann, wenn du fertig bist, GEHST DU ZURÜCK und sortierst alles entsprechend in der Küche. Einfach da SCHNELL ZURÜCKGEHEN und nicht wegen irgendetwas halten, klar?! Von keinem Typen anquatschen lassen und wenn du irgendetwas gruselig siehst oder hörst, rennen. Einfach rennen. Das sind aber nur ein paar Meter, das solltest du hinbekommen.“
 

Tina nickte nervös.
 

‚Etwas gruseliges sehen und hören? Hoffentlich sehe ich so etwas nicht.‘ Tina schluckte. An ihren Armen hatte sie schon Gänsehaut bekommen.
 

Alina wandte sich daraufhin ab und sie lief in zügigen Schritten in Richtung Krankenhaus. Ein wenig verdutzt blieb Tina vor dem Eingang stehen, während der kühle Wind von Westen über die Kreuzung fegte. Es versuchte immer noch energisch Tina den Zettel aus der Hand zu ziehen, aber vergeblich. Tina öffnete den Zettel und sie erkannte einige Produktnamen mit Mengenangaben darauf. Auch schaute Tina neugierig in dem erhaltenen Briefkuvert hinein. Sie erkannte eine kleinere Anzahl an grünlichen Scheinen. Sie traute sich nicht den Briefumschlag weiter zu öffnen, sonst könnte der Inhalt vom Wind hinausgetragen werden. Daraufhin betrachtete Tina wieder den Einkaufsladen.
 

‚O.k… ich sollte das hinbekommen.‘ Tina begab sich zur Eingangstür, die sie im Anschluss leicht nach Innen aufdrückte. Die Glastüren schienen in beide Richtungen öffenbar zu sein. Sie gaben ein unangenehmes Quietschen von sich und eine leichte Glocke läutete. In dem Laden - der einige Meter in die Tiefe ging und einige Reihen an unterschiedlichen Waren bot - war zusätzlich gefüllt mit ein paar weiteren Personen. Zwei Polizisten unterhielten sich nahe dem Eingang. Sie saßen auf einem Hocker an einem Stehtisch. Die beiden blickten Tina für einen Moment stillschweigend an, dann unterhielten sich die beiden weiter. An der Kasse, die sich rechts vom Eingang befand, stand ein leicht ungepflegter Mann im mittleren Alter, der Tina nur halbherzig anschaute. Er machte einen sehr gelangweilten Anblick. Er trug eine Art Uniform, die das Logo des Einkaufsladen aufgedruckt hatte. Von Lautsprechern an den Wänden tönte eine monotone Hintergrundmusik und von überall an der Decke waren verschiedene Schilder aufgehängt worden. Eine gigantische Menge an Informationen prasselte auf Tina ein. Unsicher betrachtete sie ihren Zettel, während sie den Briefumschlag in ihre Jackentasche versteckte. Die aufgelisteten Produkte waren verständlich beschrieben, aber wo sie sich im Laden befanden, das stand nicht darauf. Etwas orientierungslos schaute sich Tina um.
 


 

Der Einkauf nahm einige Minuten in Anspruch, aber danach hatte Tina alle aufgelisteten Waren in einem Einkaufskorb gepackt. Diesen inzwischen schweren Einkaufskorb schleppte sie zur Kasse. In einer erschreckenden langsamen Geschwindigkeit scannte der Kassierer mit einem Gerät die Waren. Als ein Betrag auf einem Display in grün aufleuchtete, durchsuchte Tina ihren Briefumschlag nach dem benötigten Betrag. Sie überreichte dem Kassierer das Geld. Als Rückgeld gab es goldbraunfarbigen ringgroßen Münzen, die sich in ihren Händen fremdartig anfühlten.
 

„Ihnen noch einen schönen Tag.“ Der Kassierer schaute sie dabei nicht einmal an. Gelangweilt blickte er an ihr vorbei. Tina musste selbst im Anschluss die Waren in eine braune Einkaufstüte packen, die nicht einmal Henkel zum Tragen hatte. Etwas unbeholfen hob sie die inzwischen gut gefüllte Stofftüte mit beiden Händen. Der Weg zum Ausgang des Ladens strengte sie schon an.
 

„Ah… ja…danke, Ihnen auch einen schönen Tag.“ Mit Mühe schleppte sie die Stofftüte nach Draußen. Mit der Schulter drückte sie die Eingangstüre auf. Sie wurde zugleich von einem kalten Windzug begrüßt, zudem war er schon dunkel geworden. Es fühlte sich für sie schrecklich an von der kalten nächtlichen Atmosphäre der Stadt begrüßt zu werden.
 


 

Nach wenigen Metern auf der Straße, begannen ihre Arme zu zittern. Ihre Finger schmerzten. Tina schaute in die Ferne zum Gildenhauptquartier. Der Weg wirkte noch weit.
 

Sie atmete kurz ein.
 

‚Ich bekomme das hin.‘
 

„Soll ich dir helfen, Mädchen? Das wirkt sehr schwer. Ich kann dir was abnehmen. Wo musst du hin?“ Sprach sie plötzlich eine sanfte männliche Stimme von der Seite an. Sie war ein wenig erschrocken wegen der plötzlichen Frage von der Seite, die ein großer schlanker wohlgekleideter Mann - ein paar Meter entfernt von ihr - aussprach. Als sie sein Schmunzeln betrachtete, war der plötzliche Schock verflogen. Ein wenig mulmig war ihr jedoch, als sie ihn eine Weile anschaute. Er war ihr beim Hinausgehen nicht aufgefallen. Der Mann wirkte nicht bedrohlich und er schien einen Abstand zu ihr zu pflegen. Nur seine rechte Hand hatte er mit der Handfläche nach oben leicht entgegengestreckt.
 

„Ah… danke. Das muss nicht sein. Ich muss damit nur zum Gildenhauptquartier. Ich bekomme das hin.“ Das Schmunzeln des Mannes wurde ein wenig größer.
 

„Das ist doch kein Problem. Ich kann einfach die obersten Waren aus deiner Tüte nehmen, sodass du sie besser tragen kannst. So wirst du nur stolpern, dich verletzten und dabei wohl auch deine gekauften Sachen kaputt machen.“
 

Umso länger Tina darüber nachdachte, umso mehr stimmte sie seinem Argument zu. Ihre Arme beschwerten sich auch schon.
 

„Mh…, wenn Ihnen das nichts ausmacht.“
 

„Du brauchst mich nicht Siezen. Ich bin Malverious Mizzar. Ich bin Prediger der gläubigen Zusammenkunft. Vielleicht hast du auch schon von uns gehört. Wir werden oft auch nur Gläzu genannt. Unsere Tür ist offen für jeden, der Hilfe benötigt – auch egal ob er gläubig ist. Wir differenzieren nicht.“
 

Tina konnte mit seinen Worten nicht viel anfangen. Das er ihr helfen wollte, war für sie das Einzige was im Moment interessant war.
 

„Wie darf ich dich ansprechen, Mädchen?“
 

„Ah… äh… es freut mich Sie kennen zu lernen. Ich bin Tina Break“ Sie fühlte sich ein wenig unwohl. Sie schaute auf den Boden.
 

„Ah du brauchst dir keinen Kopf deswegen zu machen. Es freut mich Tina. Bist du ein Gildenmitglied der örtlichen Gilde hier?“ Er deutete mit seinem Blick auf ihr Armband.
 

Wegen der schweren Einkaufstüte hatte sie Schwierigkeiten auf ihr Armband zu schauen, aber es schauderte sie für einen Moment, als sie über seine Worte länger nachdachte.
 

‚Mitglied? Ich bin Mitglied? Bin ich das? Linda hat das gesagt, aber… bin ich das wirklich?‘
 

„Du wirkst sehr traurig, Tina. Ist alles in Ordnung? Ich wollte nicht irgendetwas falsches sagen.“ Tina schaute erschrocken zu dem Mann auf. In seinem Blick war etwas Trauriges, aber auch etwas Sanftes zu erkennen. Seine Gesichtszüge waren weich, die Mundwinkel leicht nach unten. Seine Augen klar, aber er schien sie nicht zu fokussieren.
 

„Nein… es ist alles in Ordnung. Ich… ähm… es ist alles in Ordnung.“
 

Der Mann erhob seinen Kopf und er bot seine rechte Hand erneut an.
 

„Lass mich dir helfen deinen Einkauf zu tragen, Tina.“ Er lächelte sie an. Ihr Körper wollte ein wenig zurückweichen, als er näherkam, aber wegen der schweren Einkaufstüte blieb sie an ihrer Position. Er griff in die Tüte und nahm ein paar der etwas schweren Waren heraus. Ein Teil der Schwere verschwand und sie spürte in ihren Oberarmen eine Entkrampfung.
 

„Zum Gildenhauptquartier, richtig?“ Tina nickte langsam, während sie die Stofftüte näher zu sich zog, sodass sie diese ein wenig gegen sich drückte. Dann begann sie in Richtung Hauptquartier zu laufen. Der Mann begleitete sie. Er blieb dabei aufrichtig. Sein Blick nach vorn gerichtet.
 

Er grüßte ein vorbeikommendes Wachmannduo, welches im Moment von einer Seitenstraße mit leuchteten Taschenlampen auf die Straße traten. Einer der Polizisten verdrehte die Augen, als er Tinas Begleitung sah und er zog den anderen Polizisten schnell mit sich.
 

‚Kennen Sie den Mann?‘
 

„Kommst du von hier? Du hast einen anderen Akzent, als die Bewohner hier, aber du sprichst die Sprache von Festa sehr gut. Entschuldige meine Neugier, aber was treibt dich hierher?“ Tina erstarrte schlagartig. Für einen Moment starrte sie ihn überrascht an, bevor ihr Gesichtsausdruck sich wieder lockerte.
 

‚Akzent? Ich habe einen Akzent von Festa? Heißt das etwa, dass…? Bin ich womöglich von dort?‘ Ihr Herz begann schneller zu klopfen. Sie atmete schneller ein und aus.
 

„Oh… habe ich wieder etwas Falsches gesagt? Entschuldige, falls ich zu direkt war. Ich bin von Festa. Ich bin dort aufgewachsen. Ich bin Moment bin ich auf Reisen durch die Sommerinseln, um auch hier alle mit unserer Botschaft zu erreichen. Ich will so viele wie möglich zeigen, dass sie nicht allein sind und immer eine Hand gereicht bekommen, wenn sie eine benötigen.“ Umso länger er redete, umso mehr erhob sich seine Stimme und es schwang eine immer größer werdende Freude mit.
 

„Festa.“ Begann Tina und der Mann stoppte abrupt.
 

„Sie sagen, dass ich von Festa stammen könnte?“ Tina stoppte für einen Moment. Sie hatten inzwischen die Hälfte des Weges zum Hauptquartier erreicht. Die Miene des Mannes veränderte sich. Seine Augen zogen sich ein wenig zusammen und sein Blick wurde ernster. Er wirkte nachdenklicher.
 

„Entschuldige meine nächste Frage, aber entnehme ich deiner Frage die Möglichkeit, dass du nicht weißt woher du kommst?“
 

Tina sah nervös auf. Die Situation fühlte sich für sie noch viel unangenehmer an, während ihr Herz wie wild klopfte.
 

‚Oh je…, dabei habe ich Linda versprochen das zu verschweigen.‘
 

Der Gesichtsausdruck des Mannes normalisierte sich wieder. Ein leichtes Lächeln war zu sehen.
 

„Alles gut. Ob es nun so ist oder nicht, mach‘ dir keinen Kopf daüber. Ich verstehe das, das man nicht mit Fremden über so etwas reden möchte. Du scheinst ja im Gildenhauptquartier ein Zuhause gefunden zu haben.“ Während er das Wort ‚Zuhause‘ aussprach, wurde ihr kalt und ihr Herz schwer. Eine schwere schmerzhafte Leere wirbelte an der Position, an dem ihr Herz war und dies betrübte ihre Gedanken.
 

„Ich meiner Zeit als reisender Priester habe ich schon über ein halbes Dutzend Kinder oder Jugendliche getroffen, die entweder ihr Zuhause verloren haben, Ausreißer waren oder aus noch viel dramatischen Gründen nicht mal wussten was ein Zuhause war. Wir können nicht ihr Zuhause ersetzen, aber wir können ihnen helfen diese Sache selbst in die Hand zu nehmen und das gemeinsam mit Ihresgleichen. Ich denke, dass solch ein Problem nicht einfach mit einem schnellen lieblosen Ersatz gelöst werden kann.“
 

Sie hörte ihm nur halb zu, als er jedoch „helfen diese Sache selbst in die Hand zu nehmen“ aussprach, begann sie ihm interessiert zuzuhören.
 

„Sie helfen Ihnen es selbst zu lösen? Wie…“
 

Das Schmunzeln des Mannes wurde größer, bis es zu einem herzlichen kurzen Lachen wurde:
 

„Ja! Die meisten, die eine lange Zeit allein auf sich gestellt waren, entwickeln häufig eine von zwei Extremen, die jedoch dasselbe Grundgefühl teilen. Die einen wollen nicht, dass man denen hilft und die anderen wollen den Umstehenden nicht zur Last fallen. Sie haben Angst etwas verlieren zu können aus möglicher Unvorsichtigkeit. Um denen auf die Beine zu helfen, versuchen wir deren Selbstvertrauen zu stärken. Und in eine Gruppe aus Leuten, die das Gefühl nachvollziehen können, können sich viel besser weiterentwickeln, als es je jemand könnte, der das nie persönlich erlebt hat.“
 

‚Niemanden zur Last fallen?‘ Tina dachte für einen Moment an Rick und dann an Alina. Auch der Albtraum von heute Morgen wollte ihr immer noch nicht aus dem Kopf.
 

„Ah entschuldige. Jetzt habe ich dich mit diesem Thema behelligt, wo doch du nur deinen Einkauf erledigen wolltest. Lass uns schnell die Sachen zum Hauptquartier bringen. Dann störe ich dich nicht weiter.“ Der Mann verwies mit einer leichten Schulterbewegung nach rechts. Tina schaute zum Gildenhauptquartier. Der Weg bis dorthin war nicht mehr weit.
 

‚Mein Zuhause selbst finden?‘
 

Der Mann begann vorzulaufen, sodass Tina automatisch mitzog. Sie spürte aus irgendeinem Grund einen leichten Widerstand in ihrem Körper.
 

Den restlichen Weg liefen die beiden nebeneinander. Der Mann erzählte vereinzelt warum er auf seiner Reise war und was ihn bewegt hatte. Immer wieder war eine Phrase mit Bezug zu seinem Glauben zu hören. Tina erwischte sich jedoch jedes Mal dabei, dass sie sich mit den Gedanken an ein Zuhause ablenkte, sodass sie ihm nicht aktiv zuhörte. Als er jedoch vor dem Eingang stand und er das Wort ‚Kontakt‘ aussprach, hörte sie ihm wieder interessierte zu.
 

„…die Möglichkeit hast anzurufen, dann erreichst du die ‚Heimsuchgemeinschaft‘ in Astera. Natürlich nur wenn du Lust hast. Dann kannst du dich bei Ameliama melden und vorstellen. Sie ist super nett und sie ist quasi die große Schwester der Gruppe. Ich bin jedes Mal begeistert, wenn sie von ihrem doch sehr tragischen Leben erzählt und wie sie jedoch jetzt anderen helfen möchte. Ich bewundere ihre Selbstlosigkeit.“ Der Mann drückte ihr eine Visitenkarte zu. Sie war leicht hellblau, dort ging eine Sonne auf. Am Rand waren vereinzelt Blumen dargestellt und in schwarzer Schrift war ‚Heimsuchgemeinschaft aus Astera Zentrale für alle Heimsuchende, Ausreißer, Verlorenen und Einsamen‘ abgebildet. Auf der Rückseite eine Adresse und eine Telefonnummer.
 

‚Die Vorderseite sieht sehr schön aus.‘
 

„Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend. Und lass mir dir noch einen schönen Rat zum Abschluss geben.“ Er lächelte sie an.
 

„Lächele ein wenig mehr deinem Alltag entgegen. Denn wer versucht mehr Positivität in sein Leben zu bringen und es versucht auch auszustrahlen, der wird selbst zum positiven Pol seiner Umgebung. Ignoriere und vermeide die negativen Pole um dich herum. Denk an dich und nimm es selbst in die Hand. Also Tina.“
 

Zum Abschluss seines Satzes nickte er sanft, während er die Waren vorsichtig zurück in ihre Einkaufstüte legte. Er öffnete ihr die Gildeneingangstür und als sie in die Halle verschwunden war und sie sich ein paar Sekunden später umdrehte, war er bereits verschwunden. Es stimmte sie ein wenig traurig. Vor allem als sie die große leere Eingangshalle um sie herum wahrnahm.
 

Die Last auf ihren Händen wurde gefühlt schwerer, sodass sie sich entschied schnell in Richtung Küche zu gehen. Ihr fiel dabei auf, dass sich Max und Daniel nicht mehr in der Eingangshalle befanden. Auch in der Küche waren sie nicht aufzufinden.
 

Als Tina ihren Einkauf in der Küche verstaute – in der Hoffnung alles nach ihrem logischen Verständnis platziert zu haben – ging sie auf ihr Zimmer. Sie traf in der Zeit niemanden an. Allein saß sie einige Minuten später in ihrem Zimmer, während sie den wärmenden orangefarbigen Kristall in ihren Händen hielt. Er strahlte ein Gefühl der Vertrautheit aus, jedoch war dieses Gefühl im Moment sehr viel schwächer, als er es vor kurzem noch gewesen war. Selbst als sie ihre Hände geschlossen über den gesamten Kristall legte, kam nicht das erhoffende wohlfühlende Gefühl in ihrem Körper auf. So entschloss sie sich hinzulegen und die kahle Decke anzustarren.
 

‚Ein Zuhause. Mein Zuhause?‘
 

Sie schloss ihre Augen.

Orange VII --- Regeneration

[Rick]
 

Der Chefarzt horchte ihr geduldig zu, jedoch verzogen sich seine Augenbrauen näher zu den Augen, umso länger er ihr zuhörte. Sein Blick zeugte von seinem eisernen Willen. Von seinem starren Gesichtsausdruck waren seine unausgesprochenen Worte abzulesen und zwar, dass er das – was Linda gerade sagte – stark verneinte. Wenn der junge Chefarzt einatmete, während er seine verschränkten Arme anspannte, stellte Rick jedes Mal fest, dass dieser einen gutgebauten Körper besaß, der nur unter dem weißen Chefarztmantel versteckt war. Rick vermutete sogar, dass der Chefarzt wohl in seiner Freizeit Kampfsport ausüben musste.
 

‚Karate, Jiu Jutsu, Kickboxen, Muan Thai? Sein Körperbau ist wie das eines Wrestlers, aber… ich habe ihn noch nie bei einem Event gesehen. Na ja… zumindest nicht in Festa. Jedoch… er sieht so aus, als wäre er von Festa? Ist er das?‘
 

Rick ging in Gedanken das gesamte Wrestling-Franchise durch.
 

„Frau Westallya! Er bleibt in Behandlung, bis wir ausschließen können, dass seine Wunde sich verschlimmert. Der Heilungsprozess sieht im Moment gut aus.“
 

Lindas ließ ihren rechten Zeigefinger weiterhin vor sich durch die Luft kreisen, aber sie wurde langsamer. Rick empfand sie heute als sehr gestresst.
 

„In seiner jetzigen Situation ist es jetzt überhaupt nicht gut, dass er hier liegenbleibt. Er muss die Schule wieder besuchen und es ist nicht gut, wenn er hier… belästigt wird.“
 

‚Belästigt? Was meint Linda?‘ Verunsichert schaute Rick die Gildenmeisterin an, die ihn jedoch im Moment nicht beachtete.
 

‚Was könnte sie damit meinen? Ach…wahrscheinlich die Polizei. Die werden mich sicherlich wegen der Waldsache ausfragen. Darauf habe ich keinen Bock. Ich bin noch verletzt, die sollen mich in Ruhe lassen und… verstehen werden die das sicherlich auch nicht.‘ Er stellte sich Heon vor, der ihn einfach nur wieder mit ernsten zurechtweisen wird. Ein Mann mit keinerlei Empfinden für Spaß.
 

‚Die Polizisten verstehen immer eh keinen Spaß.‘ Rick verzog leicht seine Mundwinkel nach unten.
 

Kurz abgelenkt durch ein leichtes Jucken an der Hüfte schaute er zu seinem Verband an der Hüfte. Im Moment trug er Krankenhauskleidung und durch sein halb geöffnetes Hemd, konnte er den weißen Verband gut erkennen.
 

‚Und glücklicherweise verlief es am Ende doch gut. Hach… das war eine scheiß Erfahrung.‘ Seine Gedanken wurden von Lindas lauter Stimme unterbrochen:
 

„…wieso auf der langen Bank? Hat dieses Krankenhaus nicht so gar ein Magier, der sich damit auskennt?“ Ihrem gestressten Gesicht war anzusehen, dass es ihr im Moment nicht gutging. Rick bemerkte ein leichtes Zucken unter ihrem rechten Auge.
 

Sie wollte wohl zum nächsten Satz ansetzen, da fiel der Chefarzt ihr ins Wort:
 

„Frau Westallya. Bitte nehmen Sie Rücksicht auf meine mangelnde Zeit mit Ihnen darüber zu diskutieren was für den Patienten das richtige wäre. Auch bezüglich ihrer Anfrage wegen dem Einsatz von Heilmagie, werde ich weiterhin verneinen. Ich werde keinerlei Heilmagie als Heilmethode dulden. Wenn der Junge wegen so etwas abhängig wird oder andere Nebenwirkungen ausprägt sowie seine natürliche Regenerationsfähigkeit deswegen abnimmt, dann stehe ich nicht nur vor rechtlichen Konsequenzen auch die Reputation dieses Krankenhauses ist in Gefahr. Heilmagie ist kein Mittel um Regenerationszeit von Patienten zu sparen. Punkt. Aus diesem Grund bekommt der Junge auch von mir keinerlei Medikamente, die nicht zwingend notwendig sind für seine Genesung. Er ist noch jung, er wird sich gut von selbst regenerieren. Und… nach seinen Werten ist dies auch der Fall… wie bereits von mir schon erwähnt. Aber… nun gut. Entschuldigen Sie mich.“ Der Arzt drehte sich um und er wollte das Krankenzimmer verlassen, da verharrte sein Blick auf den anderen jungen Mann, der mit Linda in das Zimmer gekommen war. Dieser hatte sich bisher halb hinter der Tür aufgehalten oder stand für ein paar Sekunden im Gang. Sichtlich schien er sich nicht allzu präsent zu halten, zudem schaute er immer wieder nervös zu Linda. Wuscheliges schwarzes Haar, einen steifen schlanken Körper, normale unauffällige Kleidung und eine nervöse Haltung.
 

‚Wer ist das eigentlich? Der scheint irgendwie was von Linda zu wollen, oder?‘
 

Rick spürte wir seine Rücken noch immer leicht versteifte, wenn er versuchte sich im Krankenbett zu bewegen. Er konnte von seiner jetzigen Position nur schwer in den Gang sehen. Aktuell saß er aufrecht im Krankenbett. Es waren noch nicht allzu viele Stunden vergangen, seitdem er wieder voll bei Bewusstsein war.
 

Seine letzten Erinnerungen an den schicksalhaften Abend waren noch halb verschwommen. Er erinnerte sich, dass er draußen zusammengebrochen war. Er hatte keine Ahnung was danach mit ihm passiert war. Zum Glück waren aber scheinbar alle anderen sicher zurückgekehrt, zumindest laut seiner Freundin.
 

Alina saß neben ihm auf einem hölzernen Stuhl nahe seinem Bett. Sie kam vor einige Minuten zu ihm und sie hatte ihm auch gleich einen neuen Satz Klamotten gebracht.
 

Sie sah ebenfalls so entkräftet aus wie Linda. Alina war im Moment nicht wirklich ansprechbar. Sie grummelte nur vor sich hin, wenn Rick sie etwas fragte. Manchmal erhielt er aber auch eine brauchbare Antwort. Im Moment wollte er sie aber nicht weiter nerven. Eine gestresste Alina konnte sehr anstrengend werden.
 

„Was stehst du eigentlich so im Gang herum?“ Fuhr der Arzt den fremden jungen Mann an. Dieser blickte ihn unwirsch an, dabei verkrampften immer wieder seine Finger.
 

„Ja… ähm Drogy…“ so schnell konnte Rick nicht reagieren, wie der Chefarzt dem jungen fremden Mann in der Tür einen schnellen gezielten Stoß gegen die Brust verpasste. Der junge Mann wich ätzend zurück, kam aber wieder einen Schritt nach vorn. Sein Gesicht war für einen kurzen Moment leicht verzerrt, bis es sich wieder normalisierte.
 

„Ach… so unentspannt wie immer, hä? Ah… ich bin Ich hier wegen der Sache mit Angel. Ich habe sie eingeweiht.“ Er deutete vorsichtig auf Linda. Der Chefarzt betrachtete daraufhin Linda ein wenig überrascht. Die Gildenmeisterin reagierte scheinbar entnervt darauf. Sie seufzte lautstark. Für einen kurzen Moment schaute sie Rick an, sodass dieser erschauderte. Zugleich erhob sie erneut ihren rechten Zeigefinger und verwies auf die Wand hinter Rick.
 

„Meine Güte! Kommt! Reden wir da drüben!“ Sie drängte mit ihren Handbewegungen die beiden aus den Raum. Mit verengten Augen folgte Dr. Drogan den Anweisungen.
 

‚Hä? Das war jetzt ein wenig seltsam.‘ Rick tat das Ereignis mit einem Schulterzucken ab.
 


 

Die drei hatten den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Während Stille eintrat, verharrten die Worte des Arztes dem Jungen noch im Kopf.
 

‚Also stimmt das doch, dass Heilmagie eher dem Körper schadet? Das klingt nicht so cool.‘
 

Ihm fiel beim Nachdenken die Uhr an der Wand neben der Tür auf, die im Moment aufzeigte, dass es schon sehr spät geworden war. Rick fühlte sich aber noch nicht müde genug. Ein Glück hatte er aber eine Lösung für das Problem. Zu dieser späten Uhrzeit gab es eine Sache, die er machen konnte.
 

Er schnappte sich die Kopfhörer, die neben einem Radio auf einem Tisch lagen – nahegenug, dass eine Bewegung nicht allzu anstrengend und schmerzhaft war. Er steckte sich diese in die Ohren, dann stellte er das Radio an. Es war sein Radio, dass ihm Linda oder Alina wohl mitgebracht hatten.
 

‚So mal sehen wer diese Woche sein Match Up hat… soweit ich das noch weiß… ist der Kampf noch zwischen Goodwin und Treufeld ausstehend oder Goodwin muss sich noch mit Bluewind… oder… war es Blueworld? Na ja… diese Affäre halt… naja. Goodwin wird dem Typen schon erledigen.‘
 

Rick hatte den Sender im Moment eines bekannten Liedes eingeschaltet. Danach begann – eine für Rick bekannte und erwartete – Titelmelodie. Im Anschluss sprach ein Sprecher das folgende Programm an. Die heutigen Ringkämpfe der FWW. Der Festa-Worldchampionschip-Wrestlingfights. Eine Veranstaltung, die mehrmals im Jahr eine Vielzahl Kämpfe zwischen einigen Kämpfer-Persönlichkeiten stattfinden ließ, die alle den goldenen Gürtel haben wollten. Dieser goldene Gürtel erlaubte nicht nur den Titel zu tragen, der stärkste Kämpfer der Wrestling-Welt zu sein, sondern auch Vorsitzender der FWW-Vereinigung zu werden. Angeblich war die Bezahlung so utopisch hoch, sodass jeder - der nur einen Monat diesen Gürtel trug - angeblich danach mehrfacher Multimillionär war.
 

Rick blickte vorsichtig zu Alina, aber im Moment lag sie mit ihrem Oberkörper auf seinem Krankenbett und schlief anscheinend.
 

‚Nun gut… dann mal sehen was heute kommt.‘
 

Daraufhin leitete der Radiosprecher zu den heutigen Match Ups der FWW über, nachdem dieser von uninteressanten aktuellen Ereignissen gesprochen hatte. Ereignisse über Prominente, die Rick nicht interessierte und er deswegen immer halb weghörte.
 

„JA! Ihr habt richtig gehört! HEUTE stehen ganze drei Matches an! Und das krasse ist, dass bei allen drei Matches unser Titelverteidiger der Blutige Gladiator und Frauenheld Goodwin sich nicht nur gegen seinen dauerhaften Konkurrenten Ex-Spezialeinheitmeister Goradeo Treufeld der Teufel zur Wehr setzen muss, sondern er auch noch den Exmann von Varolin von Streußen in einem Faustkampf bezwingen muss, nachdem Goodwin – so wie wir ihn kennen – mal wieder eine Frau ausgespannt hat. Aber mal unter such – wir wissen das doch alle – aber Varolin von Streußen wechselt ihre Ehemänner wie andere ihre Handtücher. Aber das ist nun mal das Leben als reichste Frau von ganz FESTA. Sie wird auch heute unser berühmtester VIP sein. Aber das GRÖßTE des heutigen Abends ist unser drittes Match! Ein TOTGELAUBTER kehrt zurück. Das Monster der Mafia, der grüne Unhold, der Ork, der Schlächter von Dorna, der Berserker oder wie er jetzt genannt werden sollte, der unsterbliche Zomberserker.“
 

‚Ob er wirklich tot war? Vermutlich haben die nur wieder heimlich Experimente mit ihm gemacht, damit er noch monströser wird. Goodwin wird ihn plattmachen.‘
 

Rick hörte ein Rauschen in seinem Kopfhörer, sodass die Stimme des Sprechers unverständlicher wurde. Rick fummelte daraufhin am Anschluss des Radios herum und er untersuchte das Kabel nach Bruchstellen, aber er fand nichts.
 

Rick steckte die Kopfhörer wieder in die Ohren.
 

Kurz bevor Rick das Radio lauter stellte, nahm er drei lautere Stimmen wahr, die von über ihm zu kommen schien. Über ihm war ein Lüftungsgitter. Die Herkunft der drei Stimmen schien sich auf der anderen Seite des Gitters zu befinden. Vielleicht aus dem anliegenden Raum.
 

Rick lauschte den Stimmen ein paar Sekunden, bis er feststellt, dass es sich um Linda und den anderen beiden Männern handelte, die wohl im Moment ein wenig energischer miteinander sprachen.
 

‚Ob Linda Probleme mit denen hat? Na ja… wahrscheinlich geht es wohl wieder um Geld?‘
 

Er nahm die Kopfhörer aus seinen Ohren und er versuchte konzentriert zuzuhören.
 

„… erklären … die eigentliche Aufgabe ist … bereuen.“ Rick versuchte sich mehr aufzurichten, aber sein Rücken streikte bei dem Versuch. Vor allem seine Wunde bestrafte ihn bei jeder Bewegung. Er atmete genervt aus.
 

Eine männliche Stimme antwortete Linda:
 

„… schon gesagt … Sorge … Beweis, dass er unschuldig ist. … untersuchen … Opfer … sicherlich … finden.“ Die männliche Stimme war schwerer zu verstehen. Er sprach ein wenig leiser.
 

Rick nahm daraufhin eine dritte tiefere Stimme war. Sie ähnelte stark dem Chefarzt. Sie war besser zu verstehen.
 

„… wollen helfen? Dann kann … Informationen liefern, die Sie benötigen. Aber bevor … wissen wie es dazu kam, dass … helfen möchten und… wissen sie darüber?“ Linda sprach daraufhin für einen Moment ruhiger, sodass Rick sie kaum verstand.
 

„… Sicherheit … Schatten ein ernsthaftes Problem, in dieser … nicht blöd.“ Daraufhin wurde es für ein paar Sekunden still.
 

‚Schatten? Reden die über den Schatten?‘ Rick fühlte sich plötzlich ein wenig unruhig. Er bekam eine Gänsehaut. Der Schatten war eine unangenehme Sache, an die bestimmt keiner gern dachte.
 

„Verstehe, also … Gildenauftrag? Wie viel würde … kosten?“ Sprach die tiefere männliche Stimme. Linda sprach daraufhin eine Zahl aus, die Rick irgendwo bei 10000 einordnen würde.
 

‚So viel? Linda hat einen guten Auftrag… endlich.‘
 

„Verstehe. Also Noju … zahlen möchtest. Soweit … nicht genügend Sya bei dir, nicht wahr?“ Daraufhin schien Linda plötzlich wieder energischer zu sprechen.
 

„Ah… so ist das also? … mir … gedacht. Also … jetzt machen? Wie… zahlen wollen?“
 

Eine unsichere männliche Stimme folgte:
 

„Oh ähm… warten Sie … ich … habe das Geld … noch nicht.“
 

Rick dachte für einen Moment ein tückisches Lachen von Linda wahrzunehmen. Ein kurzes Lachen, das ihn kurz erschaudern ließ. Es war jedoch so kurz, dass Rick sich nicht mehr sicher war.
 

„Es gibt … das Problem eine gute Lösung, … habe…einen Vorschlag. Wenn Sie…mir jetzt zuhören, dafür… hinters Licht führen wollten.“
 

Es herrschte für einen Moment eine seltsame Stille, bis die junge männliche Stimme nervös antwortete:
 

„Ah ja, das wäre?“
 


 

Plötzlich spürte Rick einen kräftigen Druck auf seinem linken Unterschenkel, der ihn sofort ablenkte, weil ein Schmerz von seiner Hüfte aus folgte.
 

„RICK! Hat der Arzt-Heini dir zufällig Kopfschmerztabletten gegeben, die Scheiß Kopfschmerzen sind übelst kacke.“ Alinas Griff um seinen Unterschenkel wurde fester, sodass Rick kurz zuckte und seine Wunde dadurch noch mehr schmerzte.
 

„Ah… aufpassen Alina, aber nein… zumindest rückt der bisher keine raus. Der will mir doch so was wegen Reputanz oder so nicht geben.“ Rick forschte in seinen Gedanken nach dem richtigen Wort.
 

Für einen kurzen Moment spürte Rick ihre Unzufriedenheit durch einen festeren Griff um seinen Unterschenkel, dann ließ sie los. Jedoch setzte sie sich daraufhin auf sein Krankenbett, sodass er mit den Beinen nach rechts ausweichen musste und er durch die plötzliche Bewegung wieder ein Stechen bei seiner Wunde spürte.
 

‚Sie ist wieder so rücksichtsvoll wie immer.‘ Unglücklich starrte er Alina an, wie sie ihren Nacken kreisen ließ und sie versuchte ihre Nackenmuskeln zu entspannen. Als sie daraufhin ihn uneinsichtig ansah, klopfte sein Herz für einen Moment ein wenig stärker. Er errötete für einen Moment.
 

‚Na gut… kann ich verkrampfen.‘
 

Während Rick seine Freundin begutachtete und er froh war, dass es ihr doch gutging nach dem Tumult im Wald. Alina streckte sich und machte sich ein wenig mehr Platz auf dem Krankenbett, sodass er seine Beine noch weiter nach rechts fast bis aus dem Bett schieben musste, begleitet immer von einem stechenden Schmerz in seiner Hüfte.
 

‚Die Verletzung nervt. Sie hat ja keine.‘ Bei dem Gedanken fiel ihm eine Frage ein:
 

„Wie ist das eigentlich ausgegangen? Wie seid ihr diesen Pennern entkommen? Da ist ja sonst nichts passiert…, oder? Hast du ja - vorher - gesagt. Und… ah ja! Was ist eigentlich aus diesem anderen Kerl geworden? Diesem Schwarzhaar-Jungen. Ich bin mir sicher, aber der hat nicht zu den Entführern gehört, oder?“
 

Alina sah Rick entnervt an. Sie seufzte lautstark.
 

„Ah… ich hab‘ jetzt kein Bock darüber zu reden. Ich bin müde, aber das war dieser Heini da… dieser Typ von Mr. S oder so. Also der mit dem Gemetzel da darußen. Ah und der andere Holzkopf hockt noch im Hauptquartier rum… sind jetzt übrigens zwei Holzköpfe. Keine Ahnung wo die herkommen, der war einfach da.“ Sie wandte sich ab. Gelegentlich massierte sie ihre Stirn, während sie grummelte.
 

‚O.k… scheint wohl ein wenig komplizierter zu sein, aber gut… vielleicht frage ich sie morgen einfach noch einmal… vielleicht.‘
 

Als Rick wieder zur Uhr schaute, nachdem für einen Moment erneut Stille eintrat, bemerkte er, dass schon fast zwanzig Minuten vergangen war.
 

Er versuchte wieder den Stimmen vom Lüftungsgitter zu lauschen, aber es schien still geworden zu sein. Ein wenig enttäuscht darüber, steckte er sich die Kopfhörer wieder ein. Zugleich hörte er wieder die laute Stimme des Sprechers:
 

„Er scheint ihm nicht gewachsen zu sein! Goodwin hat noch nicht mal seine linke Hand benutzt. Wie wir ihn kennen, macht er sich mal wieder über seinen Gegner lustig. Aber ich sage das mal so – wobei ja ich als Beobachter dazu verpflichtet neutral zu bleiben – aber… dieser Trottel wollte Goodwin – den mehrfachen Champion – unbedingt hier im Ring besiegen. Goodwin spielt … woahhh! WAS SEHEN WIR HIER! Goodwin hat einen schweren Treffer abbekommen… oh ooh oooh! Da ist der böse Blick! Jetzt gibt Rache! OHHHH DA wir sehen seine typische Haltung. DA IST SIE! GOODWINS SIGNATURE MOVE! Die NOR GOOD OR EVIL FIST!” Rick hörte ein lautes Raunen im Hintergrund, viele Jubelschreie und Pfiffe. Rick kannte diesen Move und er hatte diesen schon einmal im Fernsehen gesehen. Mit diesem Angriff beendete Goodwin in der Regel seine Kämpfe. Auf jedem Plakat der FWW – auf die Goodwin abgebildet war – war er mit diesem Angriff dargestellt.
 

„Da steht der nicht mehr auf! GOODWIN hat mit Bluewyld kurzen Prozess gemacht. Die Ringhelfer tragen den Schwächling fort. Nicht einmal 10 Minuten hat der Kampf gedauert. Kein Wunder, dass Varolin von Streußen diesen Verlierer so schnell abgestempelt hat. Er hat sich ziemlich profiliert für nichts. Für Goodwin war das nur eine Aufwärmübung UND DA flirtet scheinbar Varolin mit unserem Gewinner. Tja so kennen wir ihn, aber erst sollte Goodwin seine nächsten Kämpfe noch überstehen. Als Nächstes muss er sich mal wieder gegen seinen stetigen Widersacher behaupten.“
 

‚Irgendwann werde ich ihn live sehen. Die Kämpfe zwischen den beiden sind immer der Hammer. Irgendwann wenn ich mein eigenes Geld verdiene.‘ Voller Vorfreude horchte Rick dem Sprecher weiter zu, der jedoch im Moment eine Pause ankündigte. Nach dieser Pause sollte das zweite Match-Up beginnen. Der Sprecher wollte jedoch zwischenzeitlich Goodwin interviewen.
 

„Herr Goodwin ist heute gnädig mit uns und er ist bereit für ein kurzes Interview. Ich geh mal zum Ring heran.“ Es war Poltern, Gerede und ab und zu lauter Gejubel im Hintergrund zu hören.
 

„Also Goodwin… wir haben gesehen, dass Sie jetzt aufgewärmt sind. Wie schätzen Sie heute Ihren ewigen Kampf gegen Ihren Widersacher an. Gestern hatte er ja wieder mal großspurig angegeben für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Er scheint wohl immer noch sauer auf Sie zu sein. Was sagen Sie dazu?“ Es war ein lautes Schmatzen zu hören, dann ein leichtes leises überhebliches Lachen.
 

„Yeah… Teufel-Boy ist mal wieder sauer…, aber ich sag’s jetzt mal wieder.“ Er unterbrach sein Reden immer wieder mit einem leichten Schmatzen.
 

„Teufel-Boy muss mal wieder klarkommen, dass das Leben nicht einfach so in schwarz und weiß entschieden werden kann. Das er nicht verstehen kann, dass sein ehemaliger Chef ein Arsch war. Na ja dann braucht Teufel-Boy mal wieder seine Lektion von mir, yeah.“
 

„Verstehe! Und wie sehen Sie heute den Kampf gegen Zomberserker? Waren Sie auch wie wir überrascht, dass dieser grüne Riese doch noch lebt. Megafist hatte ihn ja das letzte Mal angeblich so fertig gemacht, dass er gestorben ist.“ Es herrschte eine kurze Stille, dann war ein kurzes dumpfes Geräusch zu hören. Im Anschluss folgte ein Schmatzen.
 

„Nicht meine Welt, Kumpel. Ich lasse diese Good or Evil Scheiße Teufel-Boy. Ich interessiere mich nur für Selfcare und ich bin heute um meinen Gürtel zu behalten. Yeah. Wenn Zombeserker seine Lektion von mir will, dann kann er die gerne abholen. Megafist kann sich weiter um dem Mafia-Scheiß kümmern.“
 

„Ah ja verstehe, dann hätte ich da noch….“
 

„Also Kumpel, ich muss wieder in den Ring, yeah.“
 

„Alles klar- Ich danke Ihnen für das aufklärende Gespräch. Viel Erfolg und viel Power Goodwin. Lassen Sie heute was von Ihrem Widersacher übrig.“ Im Anschluss waren schweren Schritte zu hören und der Jubel und die Pfiffe im Hintergrund nahmen zu.
 

Rick schweifte bei der eintretenden Stille für einen Moment ab.
 

‚Ich kanns gar nicht abwarten. So cool der Typ. Nicht so korrekt wie Megafist, der… und Stahl könnten Brüder sein. Oh je… Megafist als Polizist, der passt nicht mal in ein Auto… ha ha… na ja. Wo ist der eigentlich heute? Goodwin wird diesen Zomberserker in den Boden stampfen.‘
 

Rick lauschte dem Ereignis den ganzen Abend noch. Irgendwann später übermannte ihn dann doch der Schlaf.

Orange VIII --- Einfach Licht

[Max]
 

‚Was ist mit ihr eigentlich los? Die geht mir einfach so auf die Nerven, die Kuh.‘ Max starrte weiterhin auf die gläsernen Eingangstüren in der Ferne. Während er sich selbst auf den Holztisch gelehnt hatte und immer wieder versucht war mithilfe seiner Hüfte den Stuhl zu kippen. Da der Stuhl jedoch zu instabil wirkte und keine Lehne besaß, vermied Max es zu übertreiben.
 

Seit die beiden Mädchen das Gebäude verlassen hatten und die Zeit voranschritt, blieb es ruhig in der gläsernen Haupthalle. Inzwischen machte sich ein unangenehmes ziehendes Gefühl in ihm breit.
 

„Nervig. Was mache ich hier jetzt?“ Max murmelte darauffolgend immer wieder Laute von sich.
 

„Anscheinend sind wir nicht die einzigen.“ Daniel legte die Zeitung auf den Tisch ab – nur einige Zentimeter von Max entfernt - dabei verwies er leicht mit seinem rechten Zeigefinger auf eine Textpassage weit unten rechts in der Zeitung.
 

Max schaute ein wenig verwundert auf. Drehte sich zu Daniel – der neben ihm am runden Tisch saß - und blickte dann gelangweilt auf die Zeitung.
 

Ein paar Sekunden vergingen. Er erblickte nur einige Blöcke an Texten und vereinzelt Bilder von Personen oder Dingen an, die er nicht kannte.
 

„Und? Auf was willst du hinaus? Von was sind wir nicht die einzigen?“
 

Daniel nickte zustimmend. Max erhob seine Augenbrauen und machte dazu einen verständnislosen Eindruck.
 

„Nun… hier in der Zeitung steht, dass es… ebenfalls Vorfälle von herabgestürzten Objekten vom Himmel auch nicht nur hier, sondern auch…“ Daniel schaute noch einmal auf die Zeitung, während er seine Brille davon abhielt von der Nase zu rutschen:
 

„In… Festa gab?“ Daniel kratzte sich am Kopf.
 

„Insofern das ein Ort sein soll, dann wohl da?“
 

„Sagt mir nichts.“ Antwortete Max sofort. Er seufzte.
 

‚Jetzt echt keinen Bock die Zeitung zu lesen. Soll er mir doch sagen was er genau will.‘
 

„Mir auch nicht.“ Daniel klang dabei sehr trocken.
 

Max ließ seinen Kopf ein wenig kreisen. Sein Nacken fühlte sich inzwischen sehr verspannt an.
 

„Mh…“ kam von Daniel. Max schaute ihn gelangweilt an.
 

„Hier steht, dass sie die Leser daran erinnern möchten möglichst das Licht anzulassen, um den Schatten zu vertreiben. Draußen stets nicht allein und mit ausreichend Geschwindigkeit gehen.“ Daniel kratzte sich an der Stirn.
 

Max fand auf dieser Aussage nicht wirklich eine Antwort, so ließ er das Gesagte unkommentiert stehen. Er tat das mit einem Zucken der Schultern ab.
 

‚Hat er einfach das Thema gewechselt.‘
 

Ungeduldig sah Max Daniel an, der die Zeitung stillschweigend begutachtete.
 

Es vergingen einige Sekunden bis Max anfing zu grummeln.
 

‚Echt keinen Plan was das hier jetzt wird? Will er mir jetzt noch sagen was er dachte oder…‘ Max blickte zum Eingang.
 

‚Oder… ach was solls.‘ Max versuchte durch den gläsernen Eingang nach Draußen zu sehen, aber bis auf einen Wald im Westen und ein paar Häuser im Osten erkannte er nichts für ihn Nennenswertes. Im Anschluss ließ er seinen Blick hinter sich kreisen zur Treppe, dann die Treppe hinauf und anschließend auf sein Armband an seiner linken Hand. In Gedanken versunken starrte er für einige Sekunden das Gildensymbol an. Zeitgleich erinnerte er sich vage an das, was ihm die Gildenmeisterin gesagt hatte. Ein wenig unzufrieden senkte er seinen linken Arm.
 

‚Und was mache ich jetzt mit dem Armband? Gildenmitglied? Was soll das heißen?‘ Sein Rücken verspannte sich für einen Moment mehr, sodass sich Max aufrichtete. Er versuchte seinen Rücken zu Strecken, um die Verspannungen zu lösen.
 

„Also der Artikel beschreibt Einschläge, aber es schien bisher nichts gefunden zu sein? Ich verstehe aber nicht… wie man so etwas überleben sollte?“ Begann Daniel zu erzählen, ohne aufzuschauen.
 

‚Ah ja… endlich.‘ Max grummelte immer noch ein wenig.
 

„Nicht nur das. Die ganze Situation ist sowieso schon verrückt genug.“ Max verwies auf seinen Kopf:
 

„Es fühlt sich so beschissen leer an im Kopf und hier.“ Er hielt sich die Hand auf der Brust. Daniel schaute weiterhin auf die Zeitung.
 

„Als ich Tina be… ange… berührt… ähm habe, da habe ich mich plötzlich erinnert, ABER nichts… also ich ähm… es hilft nicht weiter. Warum ist das so?“ Daniel wirkte so, als hätte er ihm nicht zugehört.
 

Plötzlich tippte er wieder auf die Zeitung. Er tippte mehrmals deutlich auf eine bestimmte Textpassage – die nach Max‘ Empfinden nach die gleiche war wie zuvor.
 

„Wir wissen zumindest, dass wir uns untereinander kennen und… ist es dir auch aufgefallen?“ Max sah Daniel unzufrieden an, während dieser weiterhin die Zeitung anstarrte
 

‚Kann der mal eine Frage beantworten? Aber ich weiß was er meint.‘
 

„Zwischen der… ähm… Tina und dir gab es Unterschiede. Die Erinnerungen waren andere.“
 

„Ja.“ Hakte Daniel sofort ein.
 

„Wir müssen vielleicht weitere berühren, um mehr zu verstehen.“ Max schüttelte ein wenig den Kopf:
 

‚Als wäre das so einfach. Sieht nicht so aus, als wären hier noch weiteren, zumindest… nicht hier, aber bei diesem tollen Ort den er meinte.‘ Max legte seine rechte Hand flach auf den Tisch, um sich darauf ein wenig abzustützen, damit er seinen Körper leicht in Richtung Daniel neigen konnte, auch wenn dieser ihn immer noch nicht anschaute:
 

„Wir wissen gerade einmal, dass die Namen auf den Ausweisen echt sind, vielleicht. Und dann das mit diesem Raum… in der Erinnerung, also… ähm… wieso… ich in diesem Zimmer war… in diesem weißen Zimmer mit euch.“
 

‚Verflucht, ich bring schon wieder keinen geraden Satz heraus.‘
 

„Ja… wir sollten aber erst einmal schauen wie es weitergeht. Die Leute hier scheinen doch ganz in Ordnung zu sein? Zumindest sagte man mir das.“ Daniel kratzte sich am Kopf, dann legte er seinen Finger wieder auf die Zeitung.
 

Max verschränkte seine Arme. Er hätte sich gerne nach hinten angelehnt, aber sein Hocker hatte immer noch keine Lehne. Die Verspannung in seinem Körper ließ nicht nach.
 

Max legte seinen Kopf in den Nacken.
 

„Und was meinst du, wann die zurückkommen? Es fühlt sich… nun ja… nicht so gut an jetzt.“ Daniel kratzte sich am Kopf.
 

„Das wir hier warten sollen?“
 

„Ja genau. Ich meine…, nachher kommen die noch und schmeißen uns raus.“ Daniel schüttelte leicht seinen Kopf, aber er stoppte als sich seine Lippen bewegten:
 

„Denke ich nicht. Wieso sollten sie? Das würde dem widersprechen, was ich gehört habe.“
 

„Tss.“ Max stand auf.
 

‚Ach keine Ahnung. Wenn er glaubt, was er gehört hat. Was auch immer.‘
 

Daniel schaute auf. Eine Weile antwortete er nicht.
 

‚Ist er jetzt beleidigt oder warum starrt er so?‘
 

Daniel sah ein paar Sekunden schweigend zu Max. Als Max näher hinsah, bemerkte er, dass Daniel ihn gar nicht anschaute.
 

Max ließ wieder sein Kopf kreisen, denn er fühlte sich schwer an, außerdem spürte Max die Trockenheit in seiner Kehle. Er blickte hinter sich, an der Treppe vorbei.
 

‚Da hinten soll doch die Küche sein, nicht?‘
 

„Ich bin kurz in der Küche.“ Daniel antwortete nicht, inzwischen betrachtete er wieder auf die Zeitung. Max lief zielstrebig vom Tisch zur Tür, die er für den Küchenzugang hielt. Es war die weiß hölzerne Tür, die sich am nächsten zum halbrunden Treppenaufgang befand.
 

Es war zwar noch hell draußen, jedoch schaltete Max das Licht in der Küche an. Eine etwas älter aussehende Glühbirne begann zu leuchten, sie brauchte jedoch einen Moment und sie wirkte auch nicht mehr allzu langlebig.
 


 

Seine Vermutung war korrekt gewesen, denn Max betrat einen kleinen Raum mit allerlei Möbel und Objekten, die für eine Küche notwendig waren. Eine Spüle zu seiner linken, daneben eine längliche Arbeitsplatte. Darüber ein paar Schränke an die Wand montiert. Ein kleiner Tisch zu seiner rechten. Am Ende der Küche war eine massive stählerne Tür. Durch ein Fenster konnte er ein paar großgewachsene Blumen erkennen. Leider war das Fenster höher als er, sodass er gerade auf Zehenspitzen hindurchschauen konnte. Er erkannte dahinter einen Garten.
 

Max teste den Wasserhahn an der Spüle aus und zugleich strömte kaltes Wasser heraus, während ein Brummen unter der Spüle begann. Zugleich drehte Max das Wasser ab. Er blickte hinauf zu den Schränken. Er öffnete nacheinander die Schränke oberhalb der Spüle und die Schubladen vor sich, während er das jeweilige vorherige wieder schloss.
 


 

Ein gewaltiges dumpfes Geräusch schreckte ihn plötzlich auf.
 

‚Was zum? Was hat Daniel gemacht?‘ Dabei bemerkte Max, dass das Geräusch zu seiner rechten kam und nicht zu seiner linken. Sein Kopf drehte sich nach rechts, dann starrte er zuerst zu der metallischen Tür. Vorsichtig auf Zehenspitzen stehend blickte Max nur knapp durch das linke Fenster. Mit Mühe konnte er einen Garten erkennen, in diesem standen verstreut an den Rändern die großgewachsenen Blumen. Im hinteren Teil des Gartens war ein Teich zu erkennen und etwas schien sich dort zu bewegen. Seine Zehenspitzen begannen zu schmerzen.
 

‚Ah das wird mir zu schmerzhaft! Aber da hinten! Da habe ich doch was gesehen, oder?‘‘
 

Ein paar Sekunden beobachtete er den Teich, bis seine Zehen ihn nicht mehr hochdrücken konnten.
 

‚Mist…, aber was war das denn jetzt?‘
 

Max schaute erneut zu der metallischen Tür neben sich. Zögernd legte Max seine rechte Hand auf die Tür und langsam drückte er diese mit Kraft auf. Sie fühlte sich massiv und kalt in seinen Händen an.
 

‚Die ist ja gar nicht so schwer!‘ Max starrte überrascht die geöffnete Tür an, dann seine rechte Hand. So stark hatte er doch gar nicht gedrückt?
 

Ein unangenehmes Gefühl machte sich plötzlich in ihm breit und er spürte eine aufkommende Gänsehaut über sein Rücken wandern. Nervös schaute er durch die geöffnete Tür auf den Garten. Er bemerkte einen Zaun, der den Garten abgrenzte. Östlich ging ein breiterer Pfad vorbei, der in die Ferne verlief. Östlich und nördlich in der Ferne erkannte er Bäume. Nördlich direkt hinter dem Teich, hinter dem dahinterliegenden Zaun, breitete sich eine nebelige Wiese aus. Es herrschte eine kühle und stille Atmosphäre. Die Sonne begann langsam in Richtung Horizont zu wandern, der von einer Linie an dunklen Tannenbäumen abgedeckt war.
 


 

„Hey Daniel!“ Rief Max zurück durch die offene Tür. Max hörte ein leises Kratzen und dann Schritte, die aus der Halle kamen. Daniel tauchte wenige Sekunden später in der Küche auf. Er wirkte überrascht und er begutachtete die Tür:
 

„Ach… kam das von dir?“
 

„Wie… was? Nein… das kam von draußen. Das war irgendwas…da…da draußen! Aber ich weiß nicht was genau. Vielleicht vom Teich?“ Max zeigte in den Garten in Richtung des Teichs. Daniel musterte den Garten hinter Max:
 

„Ich verstehe nicht ganz? Was war das? Es klang so, als wäre etwas Schweres heruntergefallen.“ Max drehte seinen Kopf zu Daniel und seine Lippen begannen sich zu bewegen, da erklang eine männliche Stimme hinter ihm aus dem Garten. Max erschauderte und nervös schaute er sich im Garten um. Aus dem Augenwinkel erkannte er Bewegungen. Zwischen den Grasbüscheln am östlichen Rand des Gartens stand ein weißummantelter Mann auf. Auf seinem Mantel waren einige Dreckspuren zu erkennen.
 

‚Was zum?!‘ Max stutzte für einen Moment. Der Mann in weißer Kleidung hatte sich nun vollständig erhoben. Schweiß lief an seinem Gesicht herunter. Sein Blick unklar und seine Stimme ein wenig zittrig. Er lief ein wenig torkelnd über die Grasbüschel auf die beiden Jungs zu, dabei winkte er scheinbar den beiden zu.
 

‚Uff… was soll ich tun?‘
 

„Ja? Wollen Sie etwas?“ Rief Daniel.
 

„Warum antwortest du ihm? Wir wissen nicht einmal… äh also… ach.“ Max versperrte Daniel den Weg, als dieser an ihm vorbeilaufen wollte. Daniel schaute ihn verwundert an.
 

„Wir laufen jetzt nicht zu diesem… ähm… offensichtlich zwielichtigen Typen.“ Die männliche etwas rauchige Stimme drang Max wieder ans Ohr. Der Mann war inzwischen ein paar Schritte nähergekommen:
 

„Ah… ich wollte nur fragen, ob Linda jetzt hier ist? Ich würde sie gern sprechen. Es geht… es ist dringend! Und! Ich… darf ich kurz rein!“ Er schaute nervös hinter sich. Im Anschluss strich der Mann sich den Schweiß von der Stirn, dann wischte er sich den Schweiß auf seinen verdreckten Mantel ab.
 

‚Er will wissen, ob diese Gildenmeisterin da ist und er möchte hinein? Warum von hier aus und nicht vom vorderen Eingang? Mh… warum? Was soll ich ihm antworten?‘
 

Daniel entgegnete sofort:
 

„Nein. Sie ist im Moment nicht da, aber sie sollte gleich wieder zurück sein. Wir sind derzeit allein da drin. Du kannst aber gern…“ Max packte kurz Daniel an der Seite und stieß ihn damit ein wenig zurück:
 

„Was zum… Daniel!“ Vorwurfsvoll blickte Max den mindestens einen Kopf größeren Jungen an. Daniel schien dabei Max zu ignorieren. Er wirkte stark fokussiert, aber auch nervös.
 

Wieder spürte Max ein komisches Gefühl auf seiner Haut. Unsicher begutachtete er den fremden Mann an, der sich plötzlich am Kopf hielt. Seine Adern an der Stirn stießen leicht empor. Auch bewegte er leicht seinen Kiefer.
 

„Ach verdammt. Nicht schon wieder! Jungs! Rein! Kurz!“ Der Mann ging einen schweren Schritt auf die beiden zu, dabei stieß er beinahe Daniel um, der deswegen zur Seite wich.
 

Der fremde Mann schien schwer zu atmen.
 

„Kann ich rein… bitte schnell!“ Er ging noch einen Schritt auf die geöffnete Tür zu, dann stoppte er plötzlich.
 

Ein Wind zog auf und er fegte über den Garten. Der Mann im Mantel hielt sich stärker am Kopf.
 

„Fuh… der Wind ist aber kalt geworden.“ Daniel wich ein wenig nach hinten in die Küche, aber er machte dem Fremden Platz.
 

„Wirklich?“ Max versuchte den Wind an seinen Fingerspitzen zu fühlen. Als er diesen wieder wahrnahm empfand er ihn als nicht besonders kühl.
 

„Diese Stimmen!“ Brüllte der Mann plötzlich.
 

„Es…! ES IST… AHHH!“ Der Mann sank auf den Boden.
 

‚Was geht jetzt hier ab? Welche Stimmen?‘ Max hörte nur das Gejammere des Mannes und sein eigenes Herz pochen. Der Schrei hatte den Jungen stark aufgeschreckt. Nervös blickte Max sich um.
 

„Daniel, hörst du was?“ Daniel schüttelte seinen Kopf, aber auch er sah den Mann nun verunsichert an. Seine Hände hielt der Junge leicht schützend vor sich.
 

Aus der Ferne war ein lautes unangenehmes Knacken zu hören. Als hätte jemand einen Knochen eingerenkt. Max starrte sofort in diese Richtung. Es kam aus der Richtung des Waldes.
 


 

Nahe dem Wald, nahen den Büschen, unter ein paar Bäumen, entdeckte er eine weitere ummantelte Gestalt. Unter dem Mantel erhob sie im Moment eine nackte rechte Hand und etwas schien in dieser Hand aufzuleuchten. Das Leuchten wurde kurz so grell, dass Max das Gesicht eines mittelalten bartlosen Mannes erkennen konnte. Ein Gesicht, das er noch nie gesehen hatte. Dieser Fremde blickte Max für einen Zeitpunkt mit aufgerissenen Augen an, die jedoch zugleich schmaler und dann zu einem kühlen konzentrierten Blick wurden. Boshaft starrten ihn die Pupillen aus der Ferne an. Ein eiskalter Schauder jagte über Maxs Rücken. Sein Herz wurde schwerer. Er amtete nervös aus.
 

Das Leuchten verschwand und der Mann verzog sich ins Dunkle des Waldes. Max brauchte eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber er erblickte niemanden mehr in der Ferne. Nervös schluckte er.
 

„Ah es wird lauter! Lasst mich… da die Tür.“ Max schreckte leicht zur Seite. Schon hatte er den anderen Fremden im Garten vergessen. Dieser hielt sich nun mit seinen Händen den halben Kopf verdeckt. Schweiß strömte in größeren Mengen von seiner Stirn und inzwischen krümmte er sich schwer. Wild streckte er seine rechte Hand nach vorn aus, um irgendetwas in der Luft zu ergreifen. Max wich zur Seite aus. Er wollte von ihm nicht berührt werden.
 

Plötzlich fiel der Mann auf die Knie. Daniel begann sich zu bewegen. Verunsichert hob er seine Hand leicht über die Schulter des Mannes.
 

„Äh… ah… wollen Sie ins Gebäude?“ Der Mann schien nicht zu antworten. Er hielt sich weiterhin der Kopf und er brummte lautstark. Daniel wich nervös zurück und er strich sich über seine Stirn. Als er aufsah, erblasste Daniel. Für einen Moment zuckte er und er wischte sich panisch über seine geschlossenen Augen.
 

‚Was ist mir ihm? Ah! Hat er auch den…‘ Max drehte sich um und er blickte in Richtung des Waldes, aber dort erkannte er niemanden mehr. Aber als er nach Westen in Richtung der großen langen Wiese hinter dem Garten des Hauptquartiers blickte, entdeckte Max eine menschenförmige schwarze Gestalt in einem leichten Nebel.
 

Eine ungeheuerliche menschliche Gestalt mit einem schmerzverzerrten leicht verrotteten Gesichtsausdruck. Ihre Bewegungen waren nicht greifbar, sie schien sich ruckartig über das Feld zu bewegen. Sie kam dem Zaun näher, den die Wiese vom Garten abtrennte. In Max wurden plötzlich Fluchtinstinkte geweckt.
 

Seine Beine zitterten, ohne dass er überhaupt anfing Angst zu empfinden. Fast schon surreal glitt diese monströse Kreatur durch den Zaun, als wäre dieser physisch nicht vorhanden.
 

„Scheiße! Was ist das?!“ Max wich ein paar Schritte zur Tür zurück. Sein Blick aber immer wieder auf diese Kreatur gerichtet, die nun im Garten stand und dort schwebend über den Teich verweilte. In seiner Panik griff er an seine Hüfte, dabei bemerkte er, dass er seine Jacke nicht angezogen hatte.
 

‚Verflucht, die ist noch drin!‘
 

„Verdammt! Schnell rein! Daniel, hey…!“ Max blickte zu seinem Kollegen, der wie angewurzelt dastand. Sein Gesicht war schweiß überströmt.
 

„Ist das Eis?“ Mit offenem Mund starrte er Daniel an, denn die Brille von Daniel begann zu vereisen sowie die Fenster hinter den beiden.
 

„DIESE STIMME! AHHH! SIE IST SO LAUT!“ Brüllte der Mann, der auf dem leicht feuchten Boden des Gartens lag. Wieder wurde Max an ihn erinnert. Maxs Blick wechselte zwischen ihm, der Tür und der Kreatur schnell hin und her.
 

‚Was geht hier ab? Was soll ich tun?‘ Der Blick des sich krümmenden Mannes wirkte immer leerer und er gab nun unverständliche Sätze von sich. Sein Herz blieb fast stehen, als die monströse Kreatur ihre Bewegung ruckartig fortgesetzt hatte.
 

Aus der Nähe wirkte das Monstrum unheimlicher. Sie wirkte aus der Nähe wie eine ältere Frau, die aber weder Augen noch eine Zunge besaß. Schwarze Augenhöhlen sowie ein offener schattenerfüllter Mund starrten alle Anwesenden an. Er hörte von ihr ein leises dunkles und raues Stöhnen. Es schien aus ihrer Kehle zu entspringen, als würde sie ohne Stimmbänder versuchen zu sprechen. Max sprang einen weiteren Satz zurück, dabei stieß er fast gegen die geöffnete Tür. Sein Körper wollte ihn in das Gebäude zerren, aber er versuchte dennoch nach dem – auf dem Boden liegenden – Mann zu greifen.
 

„Heilige Scheiße!“ Er schnappte sich stattdessen einen Stein vom Boden und er warf ihn in Richtung der Kreatur. Der Stein hätte die Kreatur getroffen, jedoch ging dieser durch die Kreatur durch wie zuvor der Zaun, der dieses Monstrum physisch nicht berühren konnte.
 

‚Habe ich genug Kraft den Typen da rein zu zerren oder… verdammt!‘ Max schob sich an der Tür vorbei, ein wenig näher in die Küche. Als er jedoch das Licht aus der Küche strahlen sah, geisterte ihm ein heutiger Satz von Daniel durch den Kopf. Der Satz, dass Licht den Schatten vertreiben sollte.
 

„DANIEL! ICH HAB‘S!“ Brüllte Max plötzlich. Er gab seinem Kumpel einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. Durch Daniel ging ein Ruck, und er rührte sich wieder. Er riss die vereiste Brille von sich. Entsetzt starrte er die Kreatur vor sich an.
 

„DANIEL! WIR BRAUCHEN LICHT! Hast du irgendwas bei dir, das Licht erzeugen kann?“ Daniel starrte Max verwundert an, dann holte er kurz Luft und murmelte leise:
 

„Ne…ein.“
 

Max meinte sich zu erinnern, dass er eine Taschenlampe in den Schubladen der Küche gesehen hatte.
 

„In der Küche ist Licht… ähm… eine Taschenlampe!“ Rief Max und er zeigte in die Küche.
 

„Schublade! Wir brauchen Licht! DANIEL, LICHT! Die Zeitung! Das Licht und der Schatten da… du weißt schon! Dass was du vorher gesagt äh… vorgelesen hast!“
 

Die monströse Kreatur schien die beiden Jungs gar nicht mehr zu beachten, stattdessen stand sie nun über dem – auf dem Boden kauernden - Mann. Sie beugte sich über diesem. Langsam senkten sich ihre Hände auf seinen Rücken.
 

Max und Daniel rannten zurück ins Hauptquartier, zugleich durchsuchten sie alle möglichen Schubladen und Schränke.
 

„JA!“ Rief Daniel erfreut, dann stürmte er zuerst heraus. Zittrig hielt Daniel in seiner rechten Hand eine silberne Taschenlampe, dessen Lichtschein nun wild hin und her wackelte. Er richtete sie wenig später auf die Kreatur, die dadurch kurz aufzuckte. Max schnappte sich aus derselben Schublade eine zweite Taschenlampe, dann rannte ebenfalls wieder hinaus. Seine Euphorie schwand jedoch mit jedem Schritt, den er auf die Kreatur zuging. Mutig knipste er die Taschenlampe an und sein Strahl traf ebenfalls das Monstrum. Es zuckte dadurch stärker auf.
 

„Ah!“ Max zeigte auf die Taschenlampe.
 

„Gibt es noch mehr davon? Kannst du was schauen?“ Daniel nickte. Er übergab die Taschenlampe Max, der sie zwar in einem weiteren Abstand zur Kreatur, aber sicherer in den Händen hielt. Daniel eilte zurück zur Küche. Es waren laute Geräusche aus der Küche zu hören. Währenddessen hielt Max scheinbar die Kreatur in einem Bann, denn sie hatte sich aufgehört zu bewegen. Sie reagierte gar nicht mehr.
 

‚Ist es so einfach?‘ Für Max war das im Moment ein seltsam befriedigendes, aber unsichereres Gefühl.
 

Max hörte ein Klicken und zwei weitere Lichtkegel erschienen, kurzdarauf ein fünfter. Daniel hatte drei weitere Taschenlampe eingeschalten und alle auf die Kreatur gerichtet. Nun bewegte sich die Kreatur zurück, dabei versuchte sie ihr monströses Gesicht vor den Lichtkegeln verdecken zu wollen.
 

Max ging mutig ein paar kleine Schritte weiter nach vorn. Die Kreatur wich dieses Mal einen größeren Schritt nach hinten. Die kratzenden Geräusche, die diese Kreatur bisher von sich gab, klangen immer mehr nach einem Klagen.
 

„Daniel!“ Max winkte Daniel näher zu sich. Zögerlich ging dieser ein paar Schritte nach vorn. Die Kreatur wich weiter nach hinten. Sie schwebte nun wieder über den Teich, dann schwebte sie erneut berührungslos durch den Zaun und wenige Sekunden später löste sie sich langsam im Nebel auf. Irgendwann war sie auf der nebeligen Wiese nicht mehr zu erkennen.
 

Es vergingen einige Sekunden der Stille, auch der Mann am Boden hatte aufgehört zu jammern. Wenige Minuten später richtete dieser sich langsam wieder auf.
 

Die monströse Gestalt schien nicht wiederzukehren.
 

‚Ist es wirklich weg? War es das?‘ Nervös schaute Max sich um.
 

„Ah endlich! Es hat aufgehört! Das ist jedes Mal so eine Qual.“ Der fremde Mann, der sich zuvor noch auf dem Boden gekrümmt hatte, schien nun verhältnismäßig munter auf den Beinen zu sein. Er hatte wieder einen klaren Blick bekommen. Nur der Schweiß perlte noch von seiner Stirn.
 

„Daniel, du hältst nach der Kreatur Ausschau, o.k?“ Max steckte eine Taschenlampe angeschaltet in seine Hosentasche, während er sich dem fremden Mann zuwandte.
 

„Uh… ist die Kreatur endlich fort? Habt ihr das geschafft? Wow! Wie von der Ranger Guild zu erwarten. Ja… Licht… ähm… könnte ich mir eine Taschenlampe ausleihen?“ Der Fremde verwies auf die Taschenlampe, die in Maxs Hosentasche war.
 

„Eigentlich… ich weiß nicht…“ Plötzlich unterbrach ein lautes Klingen Max, der dadurch fast erneut erstarrte. Der fremde Mann griff in seine Jackentasche. Daraus holte er ein Smartphone empor.
 

„Ah je! Hat‘ ich ganz vergessen!“ Er wischte mit seinem Daumen mehrmals über die Oberfläche, dann hielt er sich das Smartphone an sein Ohr, während er ein paar Schritte von Max fortging. Wenig Später begann der Fremde an zu sprechen:
 

„Ja ja… hallo, ja ja… hier Will Zentaler… ich melde mich, weil Sie angerufen haben… ja genau… ich…“ Der Mann begann zu schweigen. Ernst blickte er in die Ferne.
 

„Ja… also ich… ich kann das erklären… ich… ja… ja… auf jeden Fall! Also ich… JA! Gerne! Ich… ja… gleich! Ja… ich würde gern mit Ihnen jetzt gleich…!“ Überrascht starrte er sein Smartphone an, dann steckte er es weg. Er machte nun einen nachdenklicheren Gesichtsausdruck. Er wandte sich den beiden Jungs zu, dann erhob er kurz seine Hand zum Gruß. Im Anschluss eilte er zum Zauntor.
 

„Ich muss schon weiter! Ich… ich danke für eure schnelle Hilfe, Jungs.“ Er öffnete das Tor, dann ging er hindurch. Er blieb einen Moment vertieft am Zaun stehen und er rief den beiden Jungs zu:
 

„Wegen der Taschenlampe komme ich später noch einmal, wenn ich zurück bin. Und…“ der Mann hob seinen rechten Zeigefinger für einen Moment in die Luft:
 

„Hey Jungs! Sollte Linda zurückkehren, dann sagt ihr, dass das Tor nun öffenbar ist ohne so ´nen Tribut-Scheiß. Jedoch soll sie mir… das Zeug überweisen, wenn sie das haben will, bevor ich bei… gewissem Herr Lehm vorbeischaue. Meine Nummer hat sie ja. Wirklich schade…, dass sie nicht da war… jetzt.“ Dann bewegte er sich fort in einem zügigen Tempo, ohne aber das Tor hinter sich zu schließen.
 

Etwas verdutzt schaute Max ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte. Er hatte sich entlang dem Hauptquartier in Richtung Stadt bewegt.
 

‚Was zum…das gerade… er war wieder so schnell fit? Aber vielleicht auch besser so, dass dieser komische Typ endlich weg ist.‘
 

„Ähm Max… ich würde jetzt reingehen.“ Max blickte zurück zu Daniel. Er wirkte ziemlich angeschlagen. Müde betrachtete er Max. Ein wenig zittrig war er auch.
 

Max drehte sich nun komplett zu Daniel und er nickte ihm zu:
 

„Ich habe jetzt auch nicht mehr vor hier länger draußen zu sein.“ Max warf einen letzten Blick zum Teich – die seltsamen Bewegungen haben dort wieder begonnen, dann betrachtete Max die neblige Wiese in der Ferne und dann begutachtete er das geöffneten Zauntor. Er hatte den Drang das Tor wieder zu schließen. Im Anschluss eilten die beiden zurück in das Gebäude. Sie schlossen alle Türen hinter sich zu. Sie ließen das Licht in der Küche brennen, dann eilten sie die Treppen hinauf ins zweite Stockwerk. Sie suchten sich irgendein Zimmer, das nicht beschriftet war und unbenutzt wirkte, aber dennoch räumlich eingerichtet war. Die beiden Jungs versteckten sich dort. Max versank in Gedanken, als er sich immer wieder an das Monstrum erinnerte. Beide Taschenlampen hielt er fest in seiner rechten Hand. Er würde diese für die nächste Zeit sicherlich nicht mehr abschalten. Hoffentlich hielten diese lange genug hell.

Orange IX --- Schuld

[Rick]
 

„Und wenn es Probleme gibt. Anrufen oder Schreiben! Klar? Keine Alleingänge UND…“ Linda stockte, als sie ihre Stimme erhob. Für einen Moment schien die Gildenmeisterin keine Worte zu finden, zudem wirkte sie unruhig. Sie klang den ganzen Vormittag schon gestresst. Ihre Haut war blasser als sonst und ihre Augen machten den Anschein, als würden sie zusammenfallen wollen. Tränensäcke unter ihren Augen bestärkten Ricks Vermutung. Ihr Haar wirkte ein wenig durcheinander. Einzelne Haarsträhne folgten nicht der Masse nach hinten, sondern hingen zur Seite heraus. Sie atmete nach jedem laut betonten Satz angestrengt aus. Ihre Handbewegungen wirkten unkoordiniert.
 

„Ja…“ Gelangweilt posierte Alina am Gelände und schaute durch die Halle. Sie richtete sich leicht auf, während sie ihre langen blonden Haare vom Geländer wegwischte, als diese darüber hingen.
 

„Ja… nur durch die Stadt, ist klar. Und… deinen Anruf kriegst du… vielleicht.“
 

‚Ah je… hört vermutlich nie auf mit den beiden.‘ Rick atmete entkräftet aus. Ein wenig stach seine Hüfte dabei. Der Verband war frisch gewechselt und die Wunde genäht, aber eine Mischung aus Jucken und Stechen bestraften ihn scheinbar willkürlich bei Bewegungen.
 

‚Herumliegen ist schlimmer als das.‘
 

Er war froh nun - zumindest für heute - nicht nur im Bett liegen zu müssen oder die Schulaufgaben nachzuholen. Linda hatte da wohl ein Wort eingelegt und irgendwie den Oberarzt überzeugt. Dr. Drogan stand eines Morgens bei ihm im Zimmer und verkündete seine begrenzte Freizeit. Am Abend sollte er zurück sein. Seine Wunde heilte wohl gut, aber übertreiben durfte er es nicht. Keine Kämpfe, keine abenteuerlichen sportlichen Tätigkeiten, nicht einmal Klettern oder Rennen sollte er.
 

Alina hatte daraufhin gleich angekündigt, dass sie Rick mit zur großen Runde durch die Stadt mitnehmen werde. Heute war es Rick egal, dass er wahrscheinlich nur wieder mal als Träger eingesetzt werden wird.
 

Es gab aber Dinge und Ereignisse, die ihm mehr Sorgen bereiteten, als seine Wunde. Linda hatte die angehäuften Sichtungen des Schattens angesprochen und das angeblich schon eine Person erwischt wurde. Es war sogar zu einer sehr frühen Tageszeit passiert.
 

‚Es wird also doch schlimmer?‘ War es Rick durch den Kopf gegangen.
 

Der Bürgermeister hatte bereits eine nächtliche Ausgangssperre angekündigt, die ab dem heutigen Abend in Kraft tritt. Nach 18:00 Uhr sollte keiner mehr die Nachtlang Draußen sein und es wurde gefordert genügend Licht im Raum zu lassen. Es sollte keiner allein in einem Raum schlafen, zudem für ausreichend Wärme sorgen. Bei einer Sichtung war die Polizei sofort zu informieren.
 

‚Jahrelang wurde nichts getan und jetzt als es ernst wird, dann… dann macht die Polizei was?‘
 

„Uns sind die Regeln doch alle klar. Wer sich nicht dran hält, der wird vom Schatten erwischt.“ Alina zuckte mit den Schultern. Mit einem gemischten Ausdruck von Langeweile und Genervtheit schaute sie Linda an. Rick erkannte aber in ihrem Blick noch etwas anderes. Eine Art Sorge.
 

Linda schloss kurz die Augen, während ihr Körper sich kurz verkrampfte. Dann ließ ihre Anspannung nach, während sie langsam ihre Lippen öffnete.
 

„Es ist nicht so… es ist anders! Halte dich an das was dir gesagt wird! Die Ausgangssperre gilt auch für dich und denke nicht nur an dich, junge Dame!“
 

„Tsss…“
 

„Alina! Ich meine das ernst. Die Polizei wird sich schon darum kümmern.“
 

In Rick breitete sich plötzlich ein zorniger Impuls aus:
 

„Und jetzt fällt denen ein was zu unternehmen? Was war denn die letzten Jahre?“ Rick schüttelte brummend seinen Kopf, während er seinen Drang versuchte zu ignorieren mit seiner linken Hand auf das Gelände zu schlagen. Linda sah ihn nicht an, sie atmete nur müde ein.
 

„Weil jetzt jemand erwischt wurde. Ein armer Tropf hat es nun erwischt. Erst dann passiert etwas. Ist es nicht so immer? Man muss sich schon selbst darum kümmern.“ Alina klopfte dabei zweimal auf ihre Jackentasche. Etwas schien sich darin zu befinden. Linda zischte, ein kurzes Rascheln entkam dabei ihren Lippen, dabei sah sie die beiden bedrohlich an. Etwas war an ihrem Blick beunruhigend. Er war unheimlicher als sonst. Es schien Besitz von ihm zu ergreifen und sein Herz zu umschließen. Es schüttelte ihn ein wenig.
 

‚Ihre Augen… dieses Gefühl… wo habe ich das schon mal gespürt?‘ Linda blinzelte, dann brach das Gefühl ab.
 

„Alina!“ Begann Linda leise zu sprechen.
 

„Tu einfach was dir gesagt wird.“
 

Rick spürte ein Tippen an seiner linken Schulter.
 

„Rick! Jetzt gehen wir aber, sonst verbringen wir die ganze Zeit hier nur mit dem dummen Gelaber.“ Alina verwies mit ihrer rechten Hand nach unten. Sie setzte dabei zeitgleich einen Schritt nach vorn.
 

Eine unsichtbare Welle aus Kälte erwischte Rick. Es kam so plötzlich wie ein kühler Windzug durch ein geöffnetes Fenster. Dieses Ereignis startete ein Kribbeln in seinem Körper, welches eine unverständliche Angst von seinem Herzen erzeugte, sodass er sich kurz aufrichtete und erstarrte. Es stellten sich seine Nackenhaare auf. Ein luftabweisender Schleier legte sich auf seine Schultern.
 

„ALINA!“ Eine tiefe schallernde Stimme erreichte sein Ohr. Sie löste seinen Bann und ließ ihn näher zum Geländer weichen.
 

„DU bist heute die Verantwortliche für die beiden! Ein wenig mehr Verstand von dir, junge Dame!“ Lindas laute Stimme erklang in einem ungewohnten unangenehmen schepperten Ton, der für einen Moment kratzig und schrill im Ohr widerklang.
 

Rick atmete erschrecken aus, da schien Linda sich kurz zu verschlucken. Ihr Gesicht verzog sich und Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Eine schwarze Haarsträhne huschte vor ihr Gesicht, den sie zugleich mit ihren Fingern zurückstrich.
 

„Entschuldige… ich…“ Sie wandte sich ab. Zeitgleich brach das merkwürdige angsterfüllende Gefühl in Rick ab. Der Widerstand in seinen Bewegungen hörte auf.
 

‚Was war das gerade? Wieso… will ich hier sofort weg? Ist etwas mit Linda? Was ist mit ihr?‘
 

„Linda? Was war… ist… ist alles in Ordnung mit dir?“
 

Schnell winkte die Gildenmeisterin mit ihrer rechten Hand ab, ohne Rick dabei anzusehen.
 

„Es ist Schlaf… nur Schlaf.“ Sie stoppte für einen Moment.
 

„Derzeit… derzeit ist viel los. Bitte… bitte passt auf euch auf und kommt sofort zurück, wenn etwas ist.“ Sie atmete angestrengt aus.
 

„Ja… ja“ Alina rollte mit den Augen.
 

„Ja, das werden wir.“ Rick verkrampfte seine Hände.
 

‚Sie so entkräftet aus. Wir sollten sie für heute in Ruhe lassen.‘
 

„Na ja… lass uns gehen, Rick!“ Alina packte Rick am Arm, den er im Moment nutzte um sich am Geländer abzustützen, um nicht seine Hüfte zu belasten. Die aufkommende Kraft hatte er nicht erwartet, zudem wurde die plötzliche Bewegung mit einem tiefen Stechen in seiner Hüfte bestraft. Die Zähne zusammenbeißend ließ er sich von seiner Freundin mitziehen.
 


 

Ein lautes plumpes Geräusch aus der Halle erregte Ricks Aufmerksamkeit. Er schaute über das Gelände hinab in die Halle, während er von Alina zur Treppe gezogen wurde. Im Augenblick stellte ein gebräunter muskulöser Mann mit halbfreiem Oberkörper, bekleidet durch ein weißes Muskelshirt, eine größere Tischplatte ab. Eine zweite Person – dünner und mehr sportlicher Natur - kam durch den Eingang. Diese zweite Person hob einen größeren Schrank vor sich, den – nach Ricks Einschätzung - zwei Erwachsene zu zweit tragen müssten.
 

Beide Personen waren mehr als einen Kopf größer als Rick zurzeit.
 

Die zweite Person – die durch die Tür kam – erkannte Rick nach einigen Sekunden.
 

‚Ist das nicht der Typ aus dem Krankenhaus? Dieser… dieser komische Kollege?‘
 

Er stellte den größeren Schrank in der Mitte der Eingangshalle ab, dann schaute er sich im Raum um.
 

‚Was macht der hier?‘
 

„Bringt das hier vor!“ Begann Linda laut zu sprechen. Ihre typische autoritäre Stimmlage war wieder zu hören. Sie klang wacher. Jedoch schwitzte sie inzwischen stärker. Nach ihrem Ruf war ein leises angestrengtes Ausatmen zu hören.
 

„Hä? Neue Möbel oder was?“ Kam es enttäuscht von Alina.
 

„Unsere neusten Mitglieder, Rick, Alina…  Tina. Ihre Bänder verteile ich noch, wenn sie fertig sind. Ich… stelle euch noch vor, aber jetzt nicht.“
 

‚Davon hat sie nie etwas erzählt. Aber… na ja…, dass es wieder mehr werden, das ist gut für die Gilde.‘ Rick schaute für einen Moment nach hinten über die Galerie. Hinten zu den Bildern der alten Gilde.
 

‚Vielleicht kommen die anderen dadurch wieder zurück?‘
 

Der Mann, der zuerst die Gildenhalle betreten hatte, nahm seine Sonnenbrille ab und steckte diese eingehängt in sein Muskelshirt. Breit grinsend schaute er stolz und doch zugleich hochmütig zu Linda hoch. Etwas mochte Rick an ihm nicht, auch wenn er zunächst hilfsbereit und beeindruckend sportlich wirkte.
 

‚Ob er Kampfsport ausübt? Er… hat ziemlich starke Oberarme. Vielleicht Boxen? Vielleicht sogar… Wrestling?‘  Interessiert begutachtete er die Muskeln des Mannes. Alina zog ihn ein weiteres Mal nach vorn die Treppen hinunter, dabei hätte er beinahe die letzte Stufe der Treppen vergessen. Im letzten Moment fing er sich mithilfe des Geländers und dabei spürte er auch die beiden Hände von Tina, die ihn von hinten hatten versucht zu halten. Seine Wunde bestrafte ihn für diese Bewegung trotzdem.
 

Tina. Er hatte sie für einen Moment vergessen.
 

„Alles o.k?“ Drang ihre Stimme an sein Ohr.
 

„Und ihr seid bestimmt die erwähnten Gildenmitglieder?“ Der muskulöse Mann im Muskelshirt stellte sich stolz vor den beiden auf. Alina schien ihn zu begutachten. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in Rick breit.
 

„Hey!“ Unterbrach Linda mit ihrer lauten Stimme.
 

„Baut die Theke auf und dann den Schrank dahinter.“
 

Der Fremde sah grinsend zu Linda auf, dann packte er die größere Tischplatte und legte sie in die Ecke neben der Treppe. Er ließ kurz seine Muskeln spielen, während er seine Sonnenbrille neu positionierte. Mit einem breiten selbstgefälligen Schmunzeln schaute er auf Tina herab. Sie schien sich ein wenig hinter Rick zurückzuziehen.
 

„Ich würde mich gern mal mit euch unterhalten. Habt ihr später Zeit?“
 

„Und wer fragt das?“ Alina trat ein Schritt an Rick vorbei. Sie verschränkte ihre Arme, dabei streckte sie ihren Körper, jedoch reichte sie nicht einmal bis zum Kinn des Mannes. Das Grinsen des muskulösen Mannes wurde breiter.
 

„Ha ha… na klar. Ich bin Ängel… geschrieben E N G L. Ich bin seit heute Mitglied dieser Gilde sowie mein dürrer Kollege hier. Übrigens heißt der da Noju.“
 

„Ha! Dürr. Dafür hab‘ ich mein Morgentraining bereits abgeschlossen, wenn du noch versuchst beim Training deine Zehenspitzen zu berühren.“ Erwiderte der andere junge Mann, der sich inzwischen neben seinen Kollegen gestellt hatte.
 

Linda kam ein paar Treppenstufen hinab und sie begann sofort mit weiteren Anweisungen.
 

Bevor Rick überhaupt zu etwas reagieren konnte, wurde er von Alina mitgezogen. Sie bewegte sich zielstrebig in Richtung Ausgang.
 

‚Ich muss Linda nachher danach fragen wer diese Typen eigentlich sind. Das sie plötzlich so viele wildfremde Leute aufnimmt… schon ein wenig seltsam.‘ Er dachte einen Moment lang darüber nach.
 

‚Geht es vielleicht mal wieder um… Geld?‘
 


 

Die Nachmittagssonne brannte sich sofort auf Ricks Stirn, als er einen Schritt nach Draußen setzte. Sie fühlte sich zwar heiß aber wohlfühlend an. Jedoch setzte sich dazu ein merkwürdiges schweres Gefühl in seine Brust ab. Kurz tastete er seine linke Brust ab. Es gab kein physischer Schmerz, als seine Finger die Brust berührte.
 

‚Mh… nervig.‘
 

Tina folgte den beiden schweigsam.
 

Alina blickte in die Ferne der Hauptstraße. Sie streckte ihren Oberkörper und ihre linke Hand zeigte die Straße entlang.
 

„Zuerst zu Cauty, dann vielleicht noch einen Abstecher zu Banary Backery. Oh ja… und dann…“ sie stoppte ihren Satz abrupt. Für einige Sekunden sagte sie nichts.
 

‚Will sie jetzt eine Antwort von mir? Wäre doch sowieso egal.‘ Rick zuckte kurz mit den Achseln.
 

Plötzlich erhob sie ihren rechten Zeigefinger.
 

„Ja… gut. Das ist der Plan! Also… Beeilung!“ Alina schritt zielstrebig voran.
 

‚Was auch immer sie jetzt genau vorhat.‘
 


 

Einige Minuten später mitten in der Stadt:
 


 

Gähnend lehnte sich der Junge zurück. Er ließ seinen Kopf in den Nacken fallen und seine Augen drohten zuzufallen. Ein unangenehmes Stechen in der Seite zwang ihn wieder nach vorn zu schauen.
 

Trotz, dass er die meiste Zeit des Nachmittags damit verbrachte auf einer Bank zu verweilen und inzwischen zwei gefüllte Taschen zu bewachen, fühlte er sich entspannt. Die vereinzelten Sonnenstrahlen, die sich unter der Wolkendecke trauten auf die Insel zu scheinen, brachten ein warmes Gefühl mit, die ihn positiv stimmten.
 

<Zisssschhh> Eine der Taschen mit Klamotten war auf der Bank umgefallen. Verzögert griff er danach und stellte diese wieder auf, dabei spürte er ein kurzes Vibrieren seines Smartphones fest. Langsam zog er es empor.
 

Es war die Nachricht eines Klassenkameraden. Sein Name war Cedro Willigton.
 

‚Mh? Er schreibt wieder?‘ Rick starrte auf den digitalen Text. Gefüllt von Abkürzungen und vermutlichen Rechtschreibfehler.
 

‚Whoa geht’s dit?‘
 

Rick tippte die ersten Buchstaben als Antwort. Einige Sekunden später erschien eine Reaktion in Form eines Daumens.
 

‚Was soll der Daumen?‘
 

Bevor aber Rick ihm die Frage schreiben konnte, folgte ein weiterer Satz seines Schulkameraden. Leise ging Rick den Text in seinen Gedanken durch:
 

‚Schot krass das… Herr Chupo im Krankenhaus… angebbich ohne Seele sagen die anderen. Der Hatten hat ihn geschnappt. Dat hast du auch bestimmt gehört? Hat du noch wat gehört?‘ Rick zog seine Augenbrauen hoch. Die Anzahl der Tippfehler war absurd, dann realisierte er erst den Inhalt des Satzes.
 

‚Was? Herr Chupo ist im Krankenhaus?‘ Davon hatte er nichts mitbekommen. Plötzlich lief Rick ein kleiner Schauer über den Rücken. Er schaute nervös um sich, aber bis auf wenige Dorfbewohner und viele Polizisten sah er nichts Ungewöhnliches. Abgelenkt von dem Gedanken tippte er seine Antwort in sein Handy. Er war genervt sich dreimal vertippt zu haben.
 

„Verflucht!“
 

‚Schuld!‘ Wie ein eisiger Hauch erreichte etwas seinen Nacken und es ließ ihn erstarren. Seine Sicht verschwamm und eine Art Dunkelheit breitete sich in seinem Blickfeld aus. In dieser Dunkelheit, die wie ein schwarzer Nebel schien, streckte eine blutige Hand sich aus dem Nebel empor und eine leise weinerliche Stimme drang an sein Ohr.
 

‚SCHULD!‘ Schrillte es plötzlich in sein Ohr und die Hand aus dem Nebel packte sein Hosenbein, während ein blutiges Gesicht eines Mädchens sich im Nebel abzeichnete. Es öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen. Etwas schien ihn aber plötzlich nach hinten zu ziehen. Es wirkte so, als hätte sein Körper nicht mehr genug Kraft sich aufrechtzuhalten.
 

Eine warme Hand aus dem Nichts berührte seine linke Schulter. Plötzlich waren die Kälte und die Dunkelheit fort. Er realisierte, dass er wieder auf der Bank in der Stadtmitte saß. Sein Körper schwankte noch und ihm war schwindelig, zudem fror er ein wenig.
 

„Alles o.k Rick? Du hast geschwankt! Und dein Blick… dein Blick war… war seltsam? Alles o.k? Brauchst… brauchst du was?“ Vor ihm stand Tina. Leicht zu ihm herabgebückt. Ihre rechte Hand lag auf seiner linken Schulter, während sie mit ihrer linken Hand inzwischen seinen Oberkörper stützte.
 

„Ich… ich… mir… das…“ Schlagartig fiel ihm ein was ihm widerfahren war. Panisch riss er seine Augen auf und er stand mit all seiner Kraft auf.
 

„Wir müssen hier weg! Der Schatten! Es waren die Zeichen des Schattens!“ Er spürte einen seltsamen Schmerz in seinem Herzen, zudem fühlte er sich schwach.
 

„Schatten! Was?“ Tina blickte sich panisch um, während sie ihn losließ.
 

„Eine bösartige Kreatur… hier… in Orange… der Schatten… wir müssen weg… er ist gerade hier. Wir müssen sofort in Sicherheit!“ Aus dem rechten Augenwinkel sah er zwischen zwei Häuser eine dunkle Gestalt stehen, die das Gesicht einer älteren Frau trug. Es verformte sich und aus der Öffnung des Mundes sah er einen schwarzen Nebel austreten. Ein Gefühl der Panik befiel ihn plötzlich. Die Kälte umhüllte ihn erneut und ein leises Flüstern drang an sein Ohr.
 

‚Schuld!‘
 

Dieses schreckliche Gefühl verschwand sofort, als Tina seinen Arm berührte.
 

„Hach! Verdammt! Wir müssen hier weg! Schnell!“
 

„Was ist hier los?“ Hörte er Alina sagen. Als er aufschaute, starrte er in Alinas verdutzten Gesichtsausdruck. Sie schaute nicht ihn an, sondern die Straße entlang. Zwei Personen lagen einige Meter von denen beiden entfernt auf dem Boden und sie krümmten sich auf dem Boden.
 

In der Luft war plötzlich ein seltsamer Gestank. Es roch verbrannt. Rick erinnerte sich an diesen Geruch. Es roch nach verbranntem Holz wie bei einem größeren Lagerfeuer.
 

„Arrrgghhhh!“ Schallte ein Schrei an Ricks Gehör. Er blickte nach Norden. Ein Mann begann im Moment sich vor Schmerzen zu krümmen. Tina wich erschrocken zurück. Sie ließ Rick dabei los.
 

Auch in Richtung der Kreuzung, südlich von den dreien, krümmte sich jemand nahe dem Gehsteig. Diesem wurde bereits von zwei Fremden geholfen.
 

„Was ist hier gerade los?“ In der Stimme seiner Freundin hörte eine ungewohnte Panik.
 

„Der Schatten. Der Schatten ist hier! Wir müssen zurück!“ Rick keuchte ein wenig. Seine Sicht verschwamm erneut. Alina drängte sich an Tina vorbei und stieß sie damit zur Seite. Alina begutachtete ihren Freund.
 

„Du bist eiskalt und… du zitterst. Verflucht Rick! Bleib‘ bei Bewusstsein du Idiot!“ Sie packte Rick fest an seinen Schultern. Seine Beine begannen zu zittern.
 

„TINA! Du nimmst die Taschen! Los!“
 

Rick erschauderte. Er spürte wieder eine eiskalte Hand auf seinem Nacken. Sein Körper verkrampfte sich, während Alina ihn versuchte zu ziehen.
 

„Rick! Jetzt beweg dich!“ Ihre Panik wurde lauter. Alina stoppte jedoch ihren Ausruf, als sie ihn anschaute.
 

Plötzlich gaben seine Füße nach. Er spürte keinen Aufprall.
 

„Ich… es… wird… kalt… und… ich…“ eine laute Stimme schrillte durch seinen Kopf.
 

‚SCHULD!‘
 

Etwas zog ihn in irgendeine Richtung. Erneut umkreiste ihn ein pechschwarzer Nebel, aber dieses Mal lag er auf einem unbekannten Boden. Auf einem kalten fusseligen und verstaubten roten Teppich. Der einen langen metallischen Gang schmückte. Im nächsten Augenblick standen links und rechts von ihm zwei gigantische Bücherregale.
 

Wieder fasste ihn etwas an seiner Hose und etwas schob sich auf dem Boden langsam auf dem Nebel auf ihn zu. Ein blutiges entstelltes Gesicht eines Mädchens kam näher. Sein Herz begann stärker schmerzen und er keuchte schwer. Die schrillende Stimme, die immer wieder dasselbe ihm ins Ohr schrie, wurde lauter und unerträglicher. Das Atmen fiel ihm schwerer.
 

Die Hand, die aus dem Nebel gekommen war und inzwischen seinem Bein nach oben bis zur Brust gestrichen war, krallte sich nun in seine Brust. Die Finger bohrten sich durch seine Haut. Während er in das entstellte Gesicht starrte. Dieser Schock ließ seine Stimme verstummen. Er konnte nicht einmal mehr schreien.
 


 

Ein Wimpernschlag später starrte er gen Himmel. Völlig entkräftigt, zitternd und schwer keuchend.
 

„Tina jetzt Hände weg und VORSICHTIG seinen Kopf ablegen.“ Hörte er die Stimme seiner Freundin. Für einen Moment klang sie leicht zittrig.
 

Er fand kaum noch Kraft für Worte, aber bevor Tina ihre Hände von seinem Kopf entfernte hatte, packte er ihren linken Arm sanft. Seine Finger verkrampften sich dabei.
 

„Nicht…“
 

‚Warum auch immer das hilft, aber…‘ Er verstand langsam, dass es ihn besser ging, wenn Tina ihn berührt hatte. Er verstand nur nicht wieso.

Orange X --- Der Exorzist

[Daniel]
 

Ein lautes Poltern hatte ihn geweckt. Mit Mühe öffnete er seine Augen. Sein Kopf brummte noch. Sein Nacken war ein wenig steif. Sonnenstrahlen berührten seine Wangen.
 

Demotiviert rappelte er sich auf. Mit einem Seufzen stand er vom Bett auf. Er zog sich seine Kleidung von gestern an, dann besuchte er das kleine Bad im Raum. Es war eine kleine Kammer mit einem Waschbecken, einem Spiegel, einer Duschzelle und einer Toilette.
 

Ein wenig später in Daniels Zimmer:
 

Mit leicht erkennbarer dunkelblauer Haut unter seinen Augen begutachtete der Junge sich im Spiegel. Der Zustand seines Körpers war aber nicht das, was ihn im Moment beschäftigte. Die Erinnerungen von der schrecklichen Kreatur geisterten ihm noch im Kopf herum. Je länger er darüber nachdachte, desto weniger wollte er länger in den Spiegel schauen. Die Kreatur könnte im nächsten Moment hinter ihm im Spiegel auftauchen.
 

‚Nein… das macht keinen Sinn.‘
 

Kurz schloss er seine Augen, atmete tief durch und fasste sich Mut. Wieder schaute er in den Spiegel. Er fühlte sich nun ein klein wenig besser.
 

Mit seinem Finger fuhr er vorsichtig seine Tränensäcke ab.
 

‚Ob das schädlich ist? Muss ich da zum Arzt?‘ Vorsichtig tippte er die Haut an.
 

‚Vielleicht Kalzium… oder doch… eine Creme?‘ Während er halb weggedreht seine Augenringe untersuchte, fiel sein Blick auf die Tür – die auf den Gang führte – und auf die Haken daneben.
 

‚Habe ich da nicht meine Jacke hingehängt?‘ Verwundert schaute er zu Boden.
 

Er griff nach seiner Jacke, die nicht am Haken geblieben war, sondern nun auf dem Boden lag.
 

‚Oh.‘
 

Er fühlte sich ein wenig unbeholfen, als er versuchte seine Jacke anzuziehen. Ihn ließ dieses Gefühl unzufrieden zurück. Durch den wenigen Schlaf fühlte er sich nicht wohl. Sein Körper ließ ihn das spüren.
 

Er versuchte noch sein wuscheliges Haar zu glätten, bevor er das Zimmer verließ, aber Daniel gab nach wenigen Minuten auf.
 

Mit dem Festziehen des Gürtels fühlte sich Daniel bereit das Zimmer zu verlassen.
 

Er trat nach Draußen, auf einen etwas älteren Teppich.
 

Er blickte daraufhin in einen dunklen Gang, der im Moment von Sonnenlicht in Form von Vorhängen an einem Fenster – am Ende des Ganges - abgeschirmt wurde. Rechts von ihm führten Treppen um eine Ecke hinab zur Galerie in der Eingangshalle. Von unten hörte er Lärm und Stimmen. Auch strahlte ihm Tageslicht von dort entgegen.
 

Langsam trat der Junge die Treppenstufen hinab.
 

‚16 Stufen waren das jetzt oder?‘ Er blickte zurück auf die hölzerne Treppe, die jedes Mal ein leichtes Knarzen von sich gab, wenn er sein Gewicht verlagerte.
 

Beim Voranschreiten kam er dabei an ein paar aufgestellten Bildern auf Regalen vorbei. Einfache gerade Holzbretter, die waagrecht an die Wand montiert waren. Interessiert begutachtete er die Fotografien. Sie schienen schon ein bisschen älter zu sein, zumindest nahm er dies an, als er sich den Staub auf den Glasoberflächen anschaute.
 

‚Sind das... andere Leute von hier?‘ Er ging näher mit seinem Körper heran, um sich die Details der Bilder anzuschauen. Diese Bilder wirkten wie Portraits oder wie Gruppenbilder. Eines der Rahmen - welches umgefallen war und dadurch das Bild verbarg - stellte Daniel wieder auf. Er konnte den umgefallenen Rahmen nur sehen, weil er zum Glück so groß war wie die Höhe des angebrachten Regals.
 

Er richtete die Bilder mehrmals aus, bis sie synchron zueinander auf den anderen Regalen standen. Etwas angeekelt betrachtete er den Staub zwischen seinen Fingern. Er strich den Staub an seiner Kleidung ab.
 

Auf dem aufgestellten Bild waren zwei sportliche jugendliche Mädchen mit schulterlangem Haar zu erkennen, die vor einem älteren kräftigeren und glatzköpfigen Mann im schwarzen Anzug standen. Alle Personen schienen auf dem Bild mit ernster Haltung zu posieren. Der ältere Mann trug unter seinen schwarzen Anzug ein weißes Hemd und mehrere Ringe an den Fingern. Sein Blick war autoritär. Eines der Mädchen hatte langes schwarzes Haar, einen ungewöhnlichen militärischen Kleidungsstil – als ginge sie zugleich zu einem Einsatz - und keinerlei Schmuck am Körper. Ihr Blick war leer. Daniel konnte es nicht richtig beschreiben. Das Mädchen wirkte so, als wäre sie nicht anwesend. Das andere Mädchen auf dem Bild hatte langes rotes Haar, einen nicht aufreizenden Kleidungsstil und einen strengen selbstbewussten Blick. Beide wirkten ähnlich, als wären sie verwandt. Die rothaarige Jugendliche starrte in die Kamera, während die schwarzhaarige Jugendliche ihre Arme verschränkte und ihren leeren Blick leicht zur Seite neigte. Sie schien etwas anzuschauen. Der ältere kräftige Mann im Hintergrund des Bildes – Daniel schätze ihn um die Mitte 40 ein – schien dem rothaarigen Mädchen etwas zu überreichen, ohne dabei seinen Blick von der Kamera zu lassen. Seine Haltung wirkte bewusst und konzentriert. Daniel konnte das Überreichte nicht genau erkennen, denn eine Spiegelung im Bild verdeckte das Innere des gläsernen Rechtecks, welches überreicht wurde. Es könnte jedoch - nach der Form zu urteilen - eine Auszeichnung sein.
 

Daniels Blick ging wieder zum dem älteren Mann im Hintergrund.
 

‚Moment mal. Wo habe ich diesen Mann schon einmal gesehen?‘ In seinem Gedächtnis, das noch leer und aufgeräumt war, fand er schnell die Quelle dieser gesuchten Erinnerung.
 

‚Genau die Zeitung von gestern! Der war doch einer der genannten Politiker von Festa, oder? Mh… ich muss da noch einmal reinschauen.‘ Daniels Blick wanderte weiter zu einem benachbarten Bild. Auf diesem waren ein Haufen Jugendliche unterschiedlichem Alter zu erkennen. Das Bild ähnelte einer Schulklasse.
 

‚15 Personen.‘ Auch auf diesem Gruppenbild schienen alle für das Bild zu posieren. Daniel erkannte sofort dieselbe rothaarige junge Frau mit ernster Miene, jedoch ein wenig älter. Sie stand links auf dem Gruppenfoto. Es herrschte ein bisschen Abstand zwischen ihr und den Jugendlichen auf dem Bild. Daniel suchte die Gesichter ab, aber niemand schien ihm bekannt vorzukommen. Daniel erkannte jedoch den Hintergrund. Es war die Eingangshalle von diesem Gebäude gewesen.
 

‚Sehr viele Leute sind hier in der Gilde, oder? Wohnen die zum Teil hier?‘ Daniel schaute zurück, die Treppen hinauf. Bisher hatte er hier nicht allzu viele Leute getroffen und kennengelernt.
 

Die einzigen Personen, die er hier in diesem Dorf in der kurzen Zeit kennengelernt hatte – außer seinen Bekannten Max und Tina – war der komische Fischer, der ihn das Leben rettete, seine Frau und Linda. Daniel hatte Linda erst gestern Abend nach dem ganzen Chaos mit dem Monstrum kennengelernt. Sie hatte gestern Abend die beiden Jungs noch aufgesucht. Aber sowohl Max als auch er waren zu müde gewesen, um ein langes Gespräch zu führen. Linda hatte den beiden dann jeweils ein Zimmer zugewiesen. Am nächsten Morgen sollten die beiden Jungs sie aufsuchen. Daniel würde jetzt diesem Wunsch nachkommen.
 

Er wandte sich nun von den Bildern ab und er ging die letzten Stufen zur Galerie herab. Das grelle Tageslicht – zum Teil reflektiert durch die gläserne Eingangshalle – begrüßte ihn.
 

Seine Hände nah bei sich lief der Junge zum Geländer. Er blickte hinab in die Eingangshalle. Lärm von Klopfen, Sägen und Maschinen drang ihm an sein Ohr. Er schien sich zu erinnern dies auch schon zuvor wahrgenommen zu haben.
 

Er konnte vier Personen nahe der halbrunden Treppe erkennen. Max, Linda und zwei sportliche Männer. Einer davon gut gebräunt, in einem weißen Muskelshirt gekleidet mit einer eingehängten Sonnenbrille darin. Der andere war etwas dünner, dennoch genauso sportlich und in einem normalen schwarzen T-Shirt mit dunkelblauer Jeans gekleidet. Die beiden Männer arbeiteten derzeit an einer Art hölzerner Theke. Im Eck neben der halbrunden Treppe und in Richtung zu einer Tür waren ein paar Holzbauten bereits aufgebaut worden. Maschinen und Werkzeug standen verstreut herum.
 

Max stand links von der Treppe.
 

Linda stand neben ihm.
 

Plötzlich schaute sie nach oben, als Daniel sich in Richtung Treppe bewegt hatte. Daniel hatte diesen schnellen Blick nicht erwartet. Es fröstelte ihn ein wenig.
 

„Gut, dass du nun auch endlich hier bist!“ Sie streckte ihre rechte Hand aus und sie forderte ihn zu sich. Die rechte Handfläche in seine Richtung gestreckt, bewegte sie ihren ausgestreckten Zeigefinger in ihre Richtung. Daniel bekam den Drang sie nicht warten lassen zu wollen.
 

Ein paar Minuten später in der Eingangshalle:
 

Nachdem Linda Daniel und Max offiziell in der Gilde willkommen hieß sowie die wichtigsten Grundlagen erläutert hatte, verschränkte sie ihre Arme ineinander. In ihrem Ausdruck war etwas Forderndes.
 

„Noch irgendwelche Fragen?“ Flüchtig schaute sie die beiden Jungs an, aber als sich keiner rührte, betrachtete die Gildenmeisterin die neuaufgebaute Theke – an dem die beiden jungen Männer mit Maschinen arbeiteten und so immer wieder für ein wenig Lärm sorgten. Linda formulierte in knappen Sätzen neue Anweisungen – darunter bezüglich auch das Thema Lautstärke - die die jungen Männer mit einem beiläufigen Ja beantworteten.
 

Die beiden jungen Männer wurden von Linda als Engl und Noju vorgestellt.
 

‚Scheinen mir alle recht freundlich zu sein.‘ Daniel beobachtete bei dem Gedanken eines der Holzbretter, welches nur mit einem Nagel senkrecht an der Tischplatte befestigt war. Die benachbarten Holzbretter rund um die Theke waren jeweils mit zwei Nägeln befestigt.
 

‚Mh… 21 Holzbretter…, aber nur eines mit einem Nagel… das beeinflusst die Stabilität.‘ Ein innerlicher Drang zwang ihn seine rechte Hand zu heben.
 

Bevor Daniel zu Wort kam, sprach Max – der neben ihm stand:
 

„Ja… dann… ähm…“ Linda betrachtete ihn mit schmalen Blicken. Sie öffnete kurz ihren Mund, schloss ihn aber dann wieder. Sie zog ihre Augen daraufhin marginal näher zusammen.
 

„Also ich weiß nicht was… ähm das Monstrum wollte, aber er kam nah heran. Mit… ähm Licht äh… aus den Taschenlampen war es wieder weg. Ähm… da kam ähm… dieses äh. Dieser Typ und beobachtete uns einfach. Der verrückte Typ starrte wie verrückt… uns… äh aus dem Busch an.“
 

Linda schwieg ein paar Sekunden, dann wechselte sie ihre Arme aufeinander.
 

„Solange ihr hierbleibt…, dann wird nichts passieren. Also heute nicht rausgehen. Die Polizei kümmert sich schon um diese Geschichte mit dem Schatten. Sie melden sich dann, wenn alles geklärt ist.“ Die Gildenmeisterin hatte einen zornigen Ausdruck, als sie diese Worte formulierte. Daniel bekam beim Zuhören kein sicheres Gefühl.
 

Max schaute Linda unzufrieden an.
 

Er begann mit seinen Händen zu gestikulieren. Er formte mit seinen Händen eine imaginäre Person, während er immer wieder an Linda vorbeischaute. Erwirkte nervös.
 

„Und dieser Mantelträger… äh… Typ aus dem Busch. Ich meine nicht den Wissenschaftler… äh oder so, sondern den anderen… ähm… den anderen Mantelträger aus dem Wald. Der eine Weile uns anstarrte und er hat dann … äh mich schockiert angeschaut, als ich ihn sah. Äh… er wirkte so überrascht, dass ich ihn gesehen habe. Äh…, dass das gehört alles zusammen, glaube ich.“ Max wurde beim Reden schneller, sodass es Daniel am Ende schwerfiel ihm gut folgen zu können.
 

Für einen Moment schweifte Daniel ab, während die beiden weiterredeten. Er versuchte sich an den Abend zu erinnern. Diese genannte Person hatte er nicht wirklich wahrgenommen. Max hatte ihn mehrmals erwähnt. Ihn versucht zu beschreiben.
 

„…ja! Da war jemand noch. Nicht der Wissenschaftler… ähm…, sondern noch einer. Da war noch einer!“ Max klang inzwischen sehr energisch und gestresst.
 

Linda verzog langsam ihre Miene. Ihr Blick ging leicht zur Seite. Ihre Zähne knirschten für einen Moment lang aufeinander.
 

„Da war also wirklich jemand?“ Max sah Linda mit einem enttäuschten Ausdruck an. Kurz schaute sie zu Daniel. Dieser nickte aus Reflex. Linda wurde daraufhin noch nachdenklicher:
 

„Neben Will war… also noch jemand da? Er war also wirklich nicht allein dort? Das ist…“ Linda schaute für einen Moment zur Seite. Ihr Körper spannte sich an und die Adern an ihren Handoberflächen bogen sich unter ihrer Haut empor, sodass sie sich leicht herausdrückten. Ihre Adern wurden für einen Moment dunkler. Als wäre ihr Blut pechschwarz geworden.
 

Ein kleiner Schauder ging Daniel über den Rücken bei diesem Anblick. Nach einem kurzen Blinzeln wirkten ihre Handoberflächen wieder entspannter und hautfarbener. Sie erhob ihre rechte Hand und sie deutete mit ihrem Zeigefinger in Richtung Boden.
 

„Den komischen Manteltypen aus dem Wald einfach ignorieren – auch den Wissenschaftler - Jungs und auch das Monstrum… nicht aufsuchen! Ihr ruft bei irgendeinem weiteren Zwischenfall die Polizei mit dem Telefon aus der Küche. Nicht rausgehen, klar? Ich werde nachher mit euch auch noch einmal reden, deswegen bleibt ihr für heute hier.“ Sie ging im Anschluss zu den beiden Männern an der Theke.
 

„Tsss. Die anderen dürfen gehen, aber wir nicht.“ Begann Max genervt. Ein wenig Wut widerspiegelte sich in seinen Augen.
 

‚Die anderen?‘ Daniel dachte kurz an Tina, bis Max anfing zu grummeln:
 

„Das habe ich mir… äh… nicht eingebildet. Der Typ war wirklich im Busch äh… Wald. Wirklich!“
 

‚Und das Monstrum da draußen auch. Linda hat Recht. Es ist besser hier drin zu bleiben. Es ist zu gefährlich.‘ Daniel ließ seine Gedanken unausgesprochen.
 

„Ha…, wenn der Junge jemand gesehen hat, dann wäre es doch bestimmt interessant herauszufinden, wer es war?“ Noju stellte einen eisernen Werkzeugkoffer auf die Tischplatte. Es gab einen kurzen Knall und die Tischplatte gab ein lautes Knarzen von sich.
 

„Keine Kratzer in die Tischplatte!“ Ein kurzes Zischen kam Linda über die Lippen. Noju gab ein nervöses Lächeln von sich.
 

„Nun…, wenn der erwähnte Kollege durch ihn wiedererkannt werden kann, dann knöpfe ich mir gern vor. Der wird schon reden. Ich bin da gut drin.“ Engl kletterte unter der Tischplatte hervor. Er hatte zuvor mit einer Tischsäge ein rechteckiges Loch in die Platte gesägt. Als er fertig war, hatte er mit einem Schleifpapier die Späne entfernt.
 

Nachdem er aufstand, schlug Engl mit seiner rechten Rückhand gegen die Schulter von Noju. Engl gab Noju etwas mit einem kurzen bösen Blick zu verstehen, während er mit seiner anderen Hand auf den Werkzeugkasten deutete.
 

„Niemand wird hier vorgeknöpft. Ihr beide baut hier nur die Theke auf. Ist das klar!?“ Linda wurde lauter beim Reden. Ihre Stimme klang leicht kratzig. Kurz darauf stachen Adern an ihrer Schläfe empor. Sie atmete im Anschluss aus.
 

Engl legte seine Tischsäge ab. Kurz darauf schnellte seine rechte Hand nach oben. Geradeaus zeigte er an Linda vorbei.
 

Noju schaute ebenfalls an Linda vorbei:
 

„Ah… ein Kunde?“
 

In dem Moment, in dem sich Linda umdrehte, öffnete jemand die gläserne Eingangstüre. Er betrat daraufhin die Halle. Die Miene von Linda verzog sich schnell.
 

Ein junger bartloser Mann mit einem pechschwarzen Zylinder und einem dunkelblauen - mit goldenen Sternen verzierten Umhang - setzte seinen Gang in Richtung des Halleninneren fort. Er trug unter dem Mantel einen schwarzen Anzug mit passender Anzugshose. Seine schwarzen Schuhe wirkten so, als wären sie erst heute Morgen poliert worden.
 

„Hey Linda…“ Erklang eine hohe männliche Stimme.
 

„Schnauze! Jetzt drehst du dich gleich wieder um und verschwindest sofort!“ Linda zeigte zurück zum Eingang. Es lag eine Menge Energie in ihrer Stimme. Der junge Mann stoppte. Engl und Noju richteten sich auf. Engl ließ seine Finger knacken und Noju fuhr sich über seinen leicht erkennbaren Dreitagebart am Kinn und murmelte:
 

„Den kennt man doch von irgendwoher!“
 

„Kai Blitz mein Alias. Erfolgreicher Mentalist, Illusionist und Exorzist aus Festa, vielleicht sogar weltweit.“ Er macht eine leichte Verbeugung, während er seinen Zylinder festhielt. Er lächelte die Anwesenden verschmitzt an.
 

‚Er sieht aus wie ein Zauberer, aber er meinte… Exorzist? Also… das mit den Geistern?‘ Daniel schauderte es bei dem Gedanken. Zudem begann er die goldenen Sterne auf dem Mantel zu zählen.
 

Linda trat ein Schritt näher an ihn heran und etwas panisch wich der Zylinderträger zurück:
 

„Ah warte! Ronin schickt mich! Ich bin auf Wunsch von ihm hier. Nicht wegen das was du denkst.“ Linda stoppte langsam. Ihre Hand in Reichweite seines Kragens.
 

Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und zudem drehte er sich leicht zur Seite.
 

„Ja…“ Begann er vorsichtig.
 

„Ich komme zum Punkt. Ich bin hier um mich dem Monstrum von Orange anzunehmen… unentgeltlich versteht sich. Alles abgeklärt mit Ronin.“ Kai Lächeln wurde wieder stabiler.
 

„Ist das der, den du gesehen hast… im Wald?“ Engl stellte sich zwischen Daniel Max. Der Mann war mindestens zwei Köpfe größer als Max und mindestens einen Kopf größer als Daniel.
 

„Nein… der Mann hatte äh… glaube ich… ähm einen Schnauzer? Nein… er hatte keinen Bart, aber er wirkte älter… und…“
 

„Nun gut.“ Unterbrach Engl Max. Daniel hörte von Max ein leises Grollen.
 

„Dann geh‘ doch zum Bürgermeister. Der sucht doch Lakaien für sein neustes außer Kontrolle geratenes Problem.“ Linda verschränkte ihre Arme. Sie baute sich vor Kai so auf, als würde sie ihn nicht vorbeilaufen lassen oder ihn zusammenfalten, falls er es tun sollte.
 

Kai zeigte erfreut auf Max.
 

„Das ist gut. Genau deswegen bin ich hier. Also… nicht wegen der Bürgermeister, sondern wegen der Wahrheit.“ Linda lachte kurz zynisch.
 

„Ja… wirklich! Ich bin hier, weil ich auch mit Ronin darüber geredet habe. Ich wollte nämlich nur mit euch reden und nicht unbedingt mit den… ganzen Politikern. Ihr versteht.“ Kai räusperte sich. Er hatte während seiner Ansprache seine beiden Hände gehoben und seinen Zeigefinger sowie Mittelfinger gleichzeitig nach vorn gebogen. Es wirkte so, als würde er seine Worte zynisch mit Gestiken unterstreichen wollen.
 

„Kann man dem trauen, Chefin? Oder soll der jetzt mal dringend frische Luft schnappen?“ Engl ging ein paar Schritte nach vorn. Er ließ dabei seine Finger immer wieder knacken.
 

„Nein!“
 

Wieder trat Engl einen Schritt nach vorn. Kai wich geschockt zurück.
 

„Nicht destotrotz darf er reden und ihr kümmert euch um das Ganze. Er ist aber nur ein guter Schwätzer und…“
 

„Exorzist!“ Kai fuhr mit seiner Hand leicht vor sich durch die Luft. Er lächelte dabei.
 

„Hatte er dich nicht kontaktiert? Er hat mich geschickt. Hat er dir wirklich nichts davon gesagt?“
 

Linda machte plötzlich eine Kehrtwende und sie ging an Engl, Daniel und Max vorbei. In einer erhöhten Geschwindigkeit eilte sie die halbe Treppe hinauf zur Galerie.
 

„Eure Sache. Ich habe ab jetzt nichts mehr damit zu tun. Meine Anweisungen kennt ihr ja, aber wenn der Schatten dennoch verschwindet, dann…“ Sie verschwand in ihrem Büro.
 

‚Äh… was? Ich verstehe das jetzt nicht? Was meinte sie?‘ Daniel schaute verwirrt um sich. Noju schloss zu Engl auf. Beide standen nun bedrohlich vor dem Zylinderträger, als würden sie ihn gleich packen und ihn aus dem Gildenhauptquartier zerren wollen.
 

Kai wich weiter nervöser zurück. Seine Hände blieben beide in die Luft. Seine Handflächen den beiden jungen Männern entgegengestreckt.
 

„Also… war das jetzt ein Ja? Kann ich hier ein paar Fragen stellen und mein Anliegen näher erläutern? Es geht wirklich nur um einen Informationsaustausch und ein klitzekleines Hilfeangebot an euch. Am Ende wird euer Monstrum weg sein.“
 

Noju trat nah an ihm heran. Seine rechte Hand wanderte hoch zu seinem Zylinder und nahm ihm diesen weg. Wenig später drückte er ihm den Zylinder in die offenen Hände, ohne den Zylinder zu zerdrücken.
 

„Du bist doch Mentalist, dann hast du das bestimmt verstanden, nicht wahr?“
 

Kai nickte nervös.
 

„Ja…, aber… äh…“ Er räusperte sich erneut. Dies schien ihn zu entspannen. In Sekunden war seine Anspannung verschwunden. Sein Lächeln wurde erneut stabiler.
 

„Nun… ich meine das alles hier sehr ernst. Ronin meinte, dass dieses Monstrum – der Schatten wie ihr ihn nennt – Probleme macht. Ernsthafte Probleme und das steigend. Angeblich ließe er sich bisher nicht wirklich exorzieren, aber das macht keinen Sinn. Hier stimmt etwas nicht, aber ich brauche Informationen und… ich weiß, dass eure Gilde bei allem Möglichen helfen kann, auch hier. Also gut im Sinne von ehrlich. Ich kenne zwar euch beide nicht, aber Linda… und Ronin. Beides super Leute, denen man ihr Leben anvertrauen kann.“
 

Engl brummte genervt. Noju ließ seinen Kopf erst nach links dann nach rechts in den Nacken fallen.
 

„Linda schien aber dich nicht ausstehen zu können.“ Er stoppte seine Bewegungen.
 

„Aber nicht destotrotz würde ich gern wissen was du zum Schatten zu sagen hast. Du bekommst zwanzig Minuten von uns, dann möchte ich von dir eine vernünftige Lösung haben.“
 

Kais Lächeln wurde wieder unruhiger.
 

Einige Minuten später in der Eingangshalle an einem großen runden Tisch:
 

Engl hatte Max und Daniel verdonnerte Bier zu holen und heißes Wasser für einen Tee aufzusetzen. Die drei jungen Männer sahen an einem der großen runden Tische in der Eingangshalle. Als die beiden Jungs aus der Küche kamen, hatten die drei schon mit einem Gespräch begonnen.
 

Kai war ein sehr lauter Redner, zudem sprach er sehr deutlich. Daniel war ein wenig fasziniert wie eloquent er manchmal sprach.
 

„Genau… das ist an sich nicht schwer. Es sind aber zwei Bedingungen notwendig, die erfüllt werden müssen. Auch!“ Kai lehnte sich nach vorne, während sein rechter Zeigefinger über die Tischplatte fuhr.
 

„Mit der neuen Info von euch. Ich kann erst arbeiten, wenn das alles geklärt ist.“
 

Engl saß mit verschränkten Armen auf dem Stuhl gegenüber. Er riss Max sofort das Bier aus der Hand. Öffnete das Bier an der Tischplatte, während er dabei eine Kerbe in der Platte hinterließ. Der Bierdeckel rollte über den Boden.
 

„Das klingt eher so, als tun wir am Ende die Arbeit.“ Noju saß auf einem Stuhl neben Engl. Er forderte mit einer Handbewegung ein Bier zu sich. Max stellte genervt das zweite Bier nahe Noju auf der Tischplatte ab. Daniel stellte die Thermoskanne mit dem heißen Wasser neben Kai ab. Daneben eine Tasse mit Untersetzer.
 

Kai erhob seinen Zeigefinger vom Tisch:
 

„Ich bin allein hier… ohne Team. Ich mache das hier ganz… in meiner Freizeit. Ich brauche nun die Unterstützung von euch. Es ist zwar eine größere Bitte, aber ihr müsstet nur…“
 

Engl ließ seine linke freie Hand flach auf den Tisch fallen:
 

„Also was ist der Auftrag? Du weißt…, wenn du uns bezahlst, können wir darüber reden.“
 

Kai verzog ein wenig sein Gesicht, aber schnell huschte wieder ein Lächeln herbei. Zeitgleich holte er unter seinem Anzug einen Stoffbeutel empor. Aus dem Stoffbeutel ließ er ein unbekanntes getrocknetes Kraut in das Tasse rollen. Im Anschluss goss er das heiße Wasser hinein. Sein Zeigefinger ging im Anschluss wieder nach oben. Dieses Mal fuhr er über den schwarzen Zylinder, der im Moment auf der Tischplatte stand.
 

„Das Unentgeltliche ist quasi mein Entgegenkommen. Ich verlange kein Geld für meine Arbeit. Aber wenn ihr was haben wollt, dann geht zum Bürgermeister oder verlangt Gebühr im Nachhinein von Ihnen. Der Bürgermeister hängt doch eine Belohnung dafür aus.“ Engl grummelte. Kai setzte jedoch sofort einen weiteren Satz hinterher:
 

„Nun Eins. Wo wird der Schatten garantiert auftauchen? Wo ist seine Quelle. Eine Art Regenerationspunkt. Das was ihn an diese Realität bindet. Dazu habe ich leider nichts bisher gefunden.“ Die Augenbrauen von Engl zogen sich zusammen, während er einen großen Schluck von seinem Bier nahm. Er wollte wohl gerade zu weiteren Worten ansetzen, aber Kai übernahm wieder die Führung des Gesprächs:
 

„Ein Beispiel… meistens ist es immer der Friedhof oder der Keller eines verrückten Spiritualisten, aber… das habe ich schon überprüft. Ihr habt hier keinen bekannten oder gesuchten Spiritualisten oder etwas in dieser Art.“
 

„Willst du uns verarschen? Du hast es doch schon selbst gesagt, … vor ein paar Tagen wurde erst jemand auf dem Friedhof von dem Geist angegriffen… am Tag. Ihm quasi das Leben ausgesaugt. Er liegt seitdem ohnmächtig auf der Krankenstation.“ Kai hatte gestoppt, als Noju ihn unterbrach. Interessiert blickte er ihn an.
 

„Ja! Das kannte ich noch nicht. Kam das nicht in der Zeitung?“
 

„Keine Ahnung. Ich habe die letzte Ausgabe nicht gelesen.“ Noju nahm nun auch einen Schluck von seinem Bier.
 

Daniel bekam plötzlich den Drang etwas mitzuteilen:
 

„Nein! In der letzten Ausgabe von gestern stand dazu nichts! Ich habe alle acht Seiten der Zeitung durchgelesen“ Kai hob seine beiden Hände in die Luft und er ließ jeweils zwei Finger senken beim nächsten Wort:
 

„Seltsam, nicht?“ Er senkte seine Hände wieder.
 

„In der heutigen sowie vorgestern auch nicht. Wäre aber so etwas nicht Erwähnenswert? Ich meine… der Friedhof ist doch ein gängiger Ort für die Bewohner von Orange?“
 

Noju stellte sein Bier ab:
 

„Nicht unbedingt. Wenn sie einfach keine Panik verbreiten wollen.“
 

Kai lehnte sich vorn, während er mit seiner linken Hand den Henkel der Tasse berührte.
 

„Hier in dieser kleinen Stadt? Und… jetzt ist bestimmt der Friedhof doch als Ersatz abgesperrt? Nein… und so wie ich diesen kleinen verfluchten Ort kenne, so verbreiten sich Gerüchte wie ein Lauffeuer. Ich glaube wir könnten hier von einem bewussten Schweigen ausgehen.“
 

Noju runzelte ein wenig mit der Stirn.
 

„Manipulation? Meinst du die sollten das bewusst nicht drucken?“ Kai sah Noju prüfend an. Während er seine rechte Hand hob und zwei Finger beim nächsten Satz leicht senkte:
 

„Wegen einem Geheimnis. Also… eher gesagt wegen dem Verantwortlichen, der irgendetwas mit diesem Monstrum… Schatten zu tun hat Und das auf dem Friedhof.“ Er lehnte sich daraufhin zurück.Noju schaute nachdenklich zur Seite. Wieder strich er über sein Kinn.
 

Noju und Engl tauschten Blicke aus. Mit bestimmten Gestiken schienen sie sich zu unterhalten, was Daniel jedoch nicht verstand. Im Anschluss nickte Engl. Engl widmete sich wieder Kai:
 

„Ich habe einen Typen beobachtet wie dieser gezielt zum Friedhof ging. Der Schatten tauchte wenig später dort auf und attackierte einen Zivilisten. Es wird wohl Zeit dem Ort einen Besuch abzustatten.“ Engl nahm im Anschluss einen kräftigen Schluck aus seinem Bier.
 

„Und da kommen wir zu der zweiten Bedingung, die meisten notwendig ist für eine Exorzismus.“ Kai sah zu allen Anwesenden.
 

„Den Verantwortlichen. Wer auch immer dafür verantwortlich ist, der wird diesen Ort häufig aufsuchen und bewachen. Wir müssen aber wissen wer das ist, um böse Überraschungen zu vermeiden.“ Er nahm daraufhin vorsichtig einen Schluck von seiner Tasse. Er stellte jedoch die Tasse schnell wieder ab. Kai hatte sein Gesicht leicht verzogen und seine Lippen abgewischt.
 

Es herrschte einen Moment lang Stille.
 

„Verantwortlich? Sollen wir das etwa für dich herausfinden?“ Noju schaute zu Max, der ihm nervös entgegenschaute.
 

Wieder probierte Kai einen Schluck aus seiner Tasse Tee zu trinken, aber er wurde unterbrochen als Noju seine flache Hand auf den Tisch niederknallen ließ.
 

„Dann Mister Exorzist. Du kannst sicher dieses Ding exorzieren, wenn wir den Verantwortlichen identifizieren können?“
 

„Die Quelle und keinen Störenfried mehr, dann hab‘ ich das Monstrum in weniger als einer halben Stunde zurückgeschickt, wo es hingehört.“ Kai schmunzelte genügsam.Noju dagegen wirkte skeptisch:
 

„Dann kennst du ja schon die Hintergrundgeschichte vom Schatten?“
 

Kai setzte sich seinen Zylinder auf und richtete ihn aus, nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse und er schaute selbstbewusst auf.
 

„Nun das!“ Der rechte Zeigefinger von Kai ging wieder in die Luft.
 

„Tja… das habe ich schon erfahren, aber…“ Er lächelte wieder verschmitzt.
 

„…das ist ein Informanten-Geheimnis. Ich wurde darum gebeten.“
 

Im nächsten Augenblick schwiegen sowohl Engl, als auch Noju.
 

„Mhhh.“ Engl ließ seinen Nacken knacken.
 

„Also zusammengefasst begleiten wir dich jetzt zum Friedhof und wenn da dein Störenfried auftaucht, sind wir zuständig das Problem zu lösen?“
 

Kai nickte.
 

„Im Idealfall finden wir den Störenfried, bevor er… stört.  Aber Zeit spielt eine Rolle, daher müssen wir uns damit vergnügen direkt zur Quelle zu gehen. Wir locken den Verantwortlichen schon an, wenn wir uns an seiner Quelle bedienen.“ Kai nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse, dann stand er auf.
 

Noju zeigte plötzlich auf Max und dann auf Daniel.
 

„Nun… wir haben hier jetzt den Vorteil, dass wir das Gesicht des Typen kennen. Ihr beide kommt mit und sobald wer zum Friedhof kommt, dann identifiziert ihr ihn, klar!“ Ein wenig einschüchternd wirkte die Stimme von Noju auf Daniel.
 

Max und Daniel nickten vorsichtig.
 

‚Ich soll mit? Wuahh… raus zu dem Monster? Haaa…‘
 

„Und die Sicherheit der Jungs? Das Monster ist nicht zu unterschätzen.“ Kai begutachtete die beiden Jungs. Sein Lächeln war verschwunden. Es wirkte unangenehm ihn so ernst zu sehen.
 

„Ich habe das dann im Griff.“ Engl stellte sich hinter die beiden Jungs. Mit der großen schweren Hand von Engl auf der rechten Schulter von Daniel, fühlte Daniel sich wie im Boden verankert.
 

„Das Risiko müssen wir eingehen, aber denen wird schon nichts passieren.“ Auch Noju begutachtete nun die beiden Jungs.
 

Unsicher legte Daniel seine Hände auf seine Oberschenkel. Sein Körper wollte unbedingt, dass er zurück in sein Zimmer ging und zeitgleich geisterte ihm die Warnung von Linda durch den Kopf. Aber die Chance einen Exorzismus hautnah mitanzusehen, schien ihn irgendwie zu reizen.

Orange XI --- Sasons

[Tina]
 

Als ihr die derzeitige Situation wieder bewusst wurde und ihr dieser stinkende beißende Geruch in die Nase kroch, erzitterte sie. Sie konnte diesen Gestank nicht zuordnen, während ihre Augen die Umgebung scannten.
 

Rick lag vor ihr auf dem Boden, jedoch bei Bewusstsein. Er hatte ein blasses Gesicht. Angestrengt atmete er aus. Seine Augen waren geschlossen. Er hatte von Schwindel geredet.
 

Rick lag mit dem Rücken auf dem Boden. Alina hatte Tina aufgefordert, dass sie ihre Jacke darunterlegen sollte, vor allem für seinen Kopf. Alina stand mit verschränkten Armen vor den beiden. Ihr Blick war angestrengt. Suchend in der Ferne huschte ihre Pupillen hin und her.
 

Immer wieder – wenn Tina ihre Position leicht änderte und ihre Hände über Rick wanderten, um die Verkrampfungen in ihren Fingern loszuwerden - warf Alina Tina böse Blicke zu.
 

Im Moment hielt Tina Ricks Arm, so wie Rick darum gebeten hatte. Ihr war das ein wenig peinlich, aber sie verstand, dass es damit zu tun hatte, dass er nicht von dieser Kreatur heimgesucht wurde. Sein Körper hatte sich entspannt, jedoch wirkte er entkräftet. Seine Haut war bleicher geworden.
 

‚Es ist schrecklich was das Monster hier den Menschen antut.‘
 

Besorgt sah Tina um sich. Die Polizei versuchte gerade im Moment verschiedenen Passanten auf der Straße zu helfen, die teilweise umgekippt waren oder sich im Moment an Wände, Laternen oder Bänke lehnten. Insgesamt wurden es immer mehr, die umkippten, weil mehr Bewohner zur Hilfe eilten. Die Polizisten schickten sie panisch weg, aber es brachte nichts. Selbst vor Kinder machte es nicht halt.
 

‚Das ist alles so schrecklich.‘
 

Tina spürte in sich ein seltsames Drücken, was ihre Muskeln leicht verkrampfen ließ.
 

„Wir müssen ihn selbst zum Krankenhaus packen, die Penner kommen nicht hierher!“ Wild wedelte sie mit ihren Händen in Richtung der Polizisten. In Alinas zorniger Stimme war ein Kratzen zu hören, als hätte sie sich verschluckt. Angestrengt blickte sie Tina an. Die Blondine machte eine komische Bewegung zur Seite, als wäre ihr kurz schwindelig geworden.
 

„Alina! Alles in Ordnung? Setz dich besser hin, du siehst…“
 

„NEIN! RUHE!“
 

Tina stockte es kurz das Atmen. Schweißperlen begannen von Alinas Gesicht zu rollen.
 

Alina hatte in ihrer rechten Hand ihr Smartphone umklammert. Es war seit einiger Zeit dunkel.
 

Auch hatte Alina ein paar Leute von der Straße aufgefordert ihnen zu helfen, aber sie rannten teilweise mit Verletzten in Richtung Krankenhaus oder versuchten zu fliehen, bevor sie es selbst erwischte.
 

Der beißende Gestank wurde stärker. Es roch nach etwas Verbranntem. Wie bei einem Lagerfeuer.
 

„Los!“ Alina stellte sich vor Rick und versuchte ihn hochzuziehen. Ein wenig überrascht stand Tina reflexartig auf, ohne Rick loszulassen. Sie versuchte anschließend irgendwie Rick vorsichtig zu nehmen, um ihn – wie Alina es tat – auf die Beine zu bringen.
 

„Ah… bitte… mir ist schwindelig. Auf den Beinen bin ich nicht hilfreich.“
 

Plötzlich gab es ein Ruck und Tina flog auf Rick drauf.
 

„AH entschuldige!“ Rief Tina, während Rick brummte. Tina drückte sich sofort nach oben von Rick weg.
 

Aus dem Augenwinkel erkannte Tina Alina, wie sie auf dem Boden lag.
 

‚Oh nein!‘ Tina ließ Rick los und sie lief um ihn herum zu Alina. Wenige Sekunden später begann Rick zu schwitzen und wieder Schmerzenslaute von sich zu geben.
 

Panisch griff Tina nach Rick und Alina. Fast zeitgleich hörten beide auf zu zittern.
 

‚Wieso funktioniert das? Ich verstehe nicht? Wie kann ich das…?‘ Neben der Hilflosigkeit mischte sich ein anderes Gefühl in den Vordergrund. Ein beengendes Gefühl im Herzen, welches sich ausbreitete und sie somit langsam verzweifeln ließ. Ihre Hände verkrampften sich stärker.
 

Ein seltsames Gefühl von Wut kann in ihr auf. Ihre Hilflosigkeit kotzte sie an. Sie wollte endlich die beiden hier rausbringen. Sie war aber zu schwach.
 


 

Ein leises Bellen ließ sie wieder zu sich kommen.
 

‚Sasons?‘ Schoss ihr durch den Kopf. Ihr Blick schweifte um sich, aber sie entdeckte ihn nicht.
 

Aus ihrer Umhängetasche leuchtete ein orangefarbenes Licht. Als Tina ihre Umhängetasche mit ihrer Hüfte berührte und diese dadurch zur Seite kippte, brach ein Licht empor und flog geradeaus aus der Tasche auf den Boden. Aus diesem orangefarbenen Licht formte sich ein kleiner flauschiger rotfarbener Welpe, dessen Fell in Flammen stand. Sein ganzes Fell leuchtete leicht wie ein gedimmtes Licht. Kurz bellte er Tina vergnügt an, dann begutachtete er seine Umgebung. Er stupste mit seiner Schnauze Rick an, der seinen Kopf leicht zur Seite bewegte und den feurigen Hund mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er zuckte kurz zusammen, sodass es auch Sasons erstreckte und dieser dadurch einen Satz zurückmachte. Sasons gab ein lautes hohes Bellen von sich.
 

„Ein Bellen? Ein Hund? Wie… ein Hund?“ Murmelte Alina. Ihre Augen wurden langsam klarer und sie versuchte sich aufzurichten.
 

Sasons sprang um die beiden herum. Er wirkte neugierig, aber auch ein wenig unsicher.
 

„Alles gute Sasons.“ Tina musste lächeln, als sie ihn ansah.
 

Ein vertrautes Gefühl kam in ihr auf. Es stimmte sie zufrieden, wenn sie ihm in die Knopfaugen schaute und er dadurch anfing zu hecheln. Sein brennender Schweif wedelte wild hin und her. Es sah aus wie eine tanzende Flamme.
 

Ein seltsames Gefühl mischte sich jedoch in ihr mit. Sie konnte es nicht beschreiben, aber neben ihrer Freude stieg ein Drang in ihr auf den Verursacher – dieses Monster – dafür zu bestrafen, dass es ihren Freunden so viel Schmerzen zufügte.
 

„Ist… das… diese Kreatur… von der Linda… ich meine Linda mit dir gesprochen hat?“ Rick folgte mit seinen Augen dem feurigen Hund, der sich in das gemähte Gras gelegt hatte.
 

„Ha? Ich dachte die wären viel krasser?“ Alina klang enttäuscht. Seufzend drückte sie sich weiter vom Boden auf, sodass sie sich aufsetzte. Sie schlug sanft die Hand von Tina weg, die Alina immer noch an der Hüfte berührt hatte.
 

Als hätte sie etwas erwischt, riss sie ihre Augen auf. Sie biss ihre Zähne zusammen und die Adern stachen an ihren Schläfen empor.
 

„Ahhh… nein… diese Stimme!“
 

„Alina?“ Rick drückte sich vom Boden weg und seine rechte Hand streckte in Richtung seiner Freundin, da fing Sasons plötzlich an laut zu bellen. Er hüpfte wild hin und her.
 

Bevor Tina auf irgendein Ereignis reagieren konnte, nahm sie einige Meter hinter Alina eine Silhouette wahr. Wenige Sekunden später riss sie ihre Augen schreckhaft auf.
 

Eine dicke Gänsehaut fuhr über ihren Körper. Wie eine kräftige Hand wollte etwas sie wegziehen.
 

‚Der Schatten.‘ Geisterte ihr durch den Kopf.
 

Aus einer kleinen Gasse zwischen zwei naheliegenden Häusern entwich ein dicker weißer Nebel kniehoch. Das Gras, welches es berührte, begann bläulich zu glitzern. Der Nebel breitete sich rasch aus, stieg jedoch nicht höher. Aus der Gasse selbst drangen zwei schwarze Klauen, die sich um die Häuserecke klammerten, anschließend streckte sich eine monströse Visage empor.
 

Alina begann schwer zu keuchen. Schweiß strömte von ihrem Gesicht.
 

„SCHNELL TINA! HALTE ALINA SOFORT!“ Der harsche Befehlston von Rick ließ Tina zusammenzucken, aber sie streckte ihre linke Hand aus und berührte Alina erneut an der Hüfte, sodass schlagartig ihr Keuchen endete und sie müde zu Boden sank.
 

„Ich weiß nicht wie Tina, aber die Kreatur hat keine Auswirkung auf dich und scheinbar auch nicht auf alles was du berührst.“ Rick kroch zu Alina und nahm sie schützen in die Arme.
 

„Und… und was soll ich… tun?“ Zitternd saß Alina vor den beiden, während die pechschwarze Kreatur aus der Gasse kam. Sie schien über den Boden zu schweben, jedoch war wegen dem Nebel nicht zu erkennen, ob sie überhaupt den Boden berührte.
 

Rick warf Tina einen ernsten Blick zu:
 

„Das weiß ich nicht.“ Seine Stimme klang scharf, aber nicht verängstigt.
 

Tinas Herz wurde schwer. Eine immer größer werdende Last schien auf ihren Schultern zu liegen.
 

‚Was soll ich tun? Ich weiß es nicht! Ich kann nichts tun.‘
 

Erneut steigerte dies ihre Wut. Die Tatsache ihrer Nutzlosigkeit machte sie zornig.
 

Wieder erklang das laute Bellen von Sasons. Tina sah auf. Sie sah wie der feurige Vierbeiner auf die Kreatur zu sprintete.
 

Eine grässliche pechschwarze Gestalt bewegte sich zickzackförmig dem feurigen Welpe entgegen. Sie hatte die Form eine ältere Frau, jedoch mit einem verzerrten Gesicht und einen scheinbar endlosen Schlund. Der Nebel schien aus ihrer Kleidung und aus ihrem offenen Mund zu kommen. Dunkelrote Augen fixierten Tina an.
 

Tina stockte es den Atem.
 

‚Ich will hier weg!‘ Tränen bildeten sich an ihren Augenwinkeln.
 


 

Das Monstrum schrie wild auf. Der Schrei ähnelte dem einer älteren Frau, jedoch verzog sich der Schrei immer mehr in eine tiefere unmenschliche Stimmlage, umso länger der Schrei andauerte. Dieser Schrei ließ Tina zwar weiterhin erstarren, jedoch hatte Sasons im Moment ihre Aufmerksamkeit. Der feurige Welpe hatte sich in den rechten Oberschenkel der monströsen Kreatur verbissen. Die Flammen, die den kleinen Hund umhüllten, griffen auch auf die schwarze Kreatur über.
 

Die Kreatur holte mit der rechten Klaue aus, dessen Finger immer länger und spitzer wurde. Mit einem hässlichen schleifenden Geräusch, schleuderte sie Sasons von ihrem Oberschenkel fort. Sasons rollte durch das Gras. Einzelne Funken verteilten sich dabei auf der Wiese, als hätte die Kreatur kein Blut, sondern nur Feuer in sich.
 

„SASONS!“ Große Besorgnis ging durch Tina durch. Sie wollte so sehr zu ihm rennen, aber Tina wollte Rick oder Alina nicht loslassen. Als Folge ging ein erneuter zorniger Impuls durch ihren ganzen Körper. Dieser Impuls stieg in Tina auf bis zu ihrem Kopf. Ein Schrei konnte sie nicht länger unterdrücken.
 

„Ahhhhh! DU… MO… MONSTER! LASS UNS IN RUHE!“
 

Sie stockte. Tina war kurz von sich selbst überrascht.
 

Ein Leuchten in Ferne bekam ihre Aufmerksamkeit. Sasons stand wieder. Das Leuchten kam von seinen Flammen, welche in Moment wild loderten. Er war noch kaum zu erkennen in den eingehüllten Flammen, die jedoch nicht auf die Umgebung übergingen.
 

Die pechschwarze Kreatur bewegte sich auf die drei fort. Sasons stürmte sofort los. Der Welpe sprang und stieß seinen Kopf in die Seite der Kreatur, sodass diese ihr Gleichgewicht verlor und zur Seite flog.
 

Sie lag nun auf dem Boden, nur noch wenige Meter von dreien entfernt.
 

Im Anschluss sprang Sasons auf die Kreatur, sodass sie auf dem Brustkorb der Kreatur saß und seine Flammen somit erneut auf die schwarze Kreatur übertrug.
 

Wild schreiend zappelte das Monstrum, sodass sich Sasons in dessen Brustkorb verbiss.
 

Die Kreatur erhob sich dennoch vom Boden, als würden sie Seile wieder auf die Beine ziehen. Sasons hing an ihrem Brustkorb, fest verbissen. Das Monstrum war für einen Moment komplett eingehüllt in hellleuchtenden Flammen.
 

Vor Schmerzen schreiend packte die Kreatur Sasons und riss diesen aus ihrer Brust. Schwarze Lumpen flogen zu Boden und lösten sich auf. Die monströse Kreatur warf das feurige Hündchen einige Meter in die Ferne.
 

„Sasons!“ Tinas Blicke folgte schockierend dem fliegenden Sasons, der anschließend wieder durch das Gras rollte.
 

Der Nebel kroch langsam auf Rick und Alina zu. Rick hielt sich schützend zwischen den Nebel und Alina. Die pechschwarze Kreatur bäumte sich auf, während es mit seinen Krallen ausholte.
 


 

Ein pfeifendes Geräusch nahm Tina von der Seite wahr. Etwas traf die Kreatur in die Brust – etwas Silbernes blitzte kurz beim Treffer auf - sodass es für einen kurzen Moment zurückschreckte. Ein großer Lichtschein traf die Kreatur. Es kam aus der Ferne, als wäre ein Scheinwerfer angeschaltet wurde. Wenige Sekunden später folgten drei weitere. Die pechschwarze Kreatur krümmte sich und schrie. Zickzackförmig schwebte sie schnell zurück in die Gasse und verschwand. Stück für Stück verflüchtigte sich der Nebel. Zurückblieb gefrorenes Gras.
 

Tinas Blick folgte dem Ursprung des Lichtscheins. Neben dem grellen Licht tauchte eine Vielzahl an Gestalten auf. Die Schatten formten sich zu Menschen.
 

Es war ein Trupp verschiedener Leute zum Teil bewaffnet mit Taschenlampen. Der Trupp bestand aus Bewohnern von Orange, ein Dutzend Polizisten und ein paar Mitglieder des Krankenhauses. Gefolgt von einem Mann in weißer Arztkleidung und mit einem unverkennbaren Namensschild ‚Dr. Drogan‘. Neben dem Arzt einem schwergewichtigen älteren Mann im Anzug. Er hatte einen auffälligen verschnörkelten Oberlippenbart. Tina mochte seinen Ausdruck nicht. Er wirkte unsympathisch.
 

Zwei Polizisten eilten zu Rick und Alina. Sie halfen den beiden auf die Beine, während ein dürrer Arzt begann Rick zu begutachten. Zwischen den beiden und Tina drängten sich eine Menge Leute. Unsanft wurde sie zurückgedrängt.
 

„Schnell! Bringt alle Verletzten sofort weg ins Krankenhaus. Bleibt in 6er Truppen und holt alle Bewohner zusammen. Allgemein ist es in Häuser ohne Vorkehrungen nicht mehr sicher.“
 

Tina nahm die strenge Stimme von Heon war. Ein Mann in Uniform und mit guter strammer Figur bahnte sich seinen Weg an den Polizisten vorbei. Der Kommissar erteilte fast allein nur mit seiner Gestik und seinen Bewegungen den Anwesenden die Befehle zu. Der Arzt neben ihn, strahlte beinahe die gleiche Autorität aus, als er diesem streng zunickte. Mit prüfenden Blicken und wohlüberlegten Handbewegungen begutachtete er der Chefarzt Rick und Alina, die im Anschluss von den Bewohnern in Richtung Krankenhaus geführt wurden. Nur einen Augenblick später stand der Arzt vor Tina und verdeckte somit die Sicht auf Rick und Alina. Seine Größe, seine Autorität und sein strenger Blick – ähnlich dem von Heon - schüchterte sie ein wenig an.
 

„Keinerlei Symptome. Das ist seltsam.“ Murmelte der Mann mit grummelnder Stimme, bis er von einem lauten Bellen unterbrochen wurde. Kurz blickte er zur Quelle der Unterbrechung. Sasons kam angerannt. Panisch eilte Tina an dem Chefarzt vorbei und beugte sich zu dem Welpen, der sich zugleich gegen ihre Hand streifte und sich streicheln ließ. Die Flammen gingen durch ihre Hand, als wären sie nicht existent. Es war warm, aber nicht zu heiß. Durch ihre Hände fühlte sie eine angenehme Strömung fließen, dessen Ursprung Sasons war.‚Er ist so vertraut. Seine Flammen sind so vertraut.‘ Sie hatte den Drang ihn vor allen anderen Personen um sie herum zu schützen.
 

Ein Schauder ging ihr plötzlich über den Rücken.
 

„Eine Beschwörerin… also.“ Hörte Tina hinter sich die grummelnde Stimme sagen. Verunsichert sah Tina zur Seite, während sie den hechelnden warmen Sasons schützend in ihren Armen hielt.‚Haben die alle Sasons gesehen? Was passiert jetzt? Ich muss…‘
 

Tina versuchte nach ihrer Tasche zu greifen, um diese heranzuziehen, ohne Sasons allzu sehr preiszugeben, jedoch war er selbst nicht besonders hilfreich dabei, weil er bei jeder Bewegung von Tina vergnügt zappelte.
 

„Bitte Sasons.“ Tina versuchte zu flüstern, aber sie verstummte, als neben ihr plötzlich ein kleines Gedränge stattfand. Ein erwachsener Mann schob sich aus der Menge aus Bewohnern, Ärzten und Polizisten empor, während ein Polizist von hinten dieser Person hinterhereilte.
 

„Hey… hey… Herr Bürgermeister! Bleiben sie hier… wir können so nicht…“
 

Tina nahm daraufhin einige Schritte in ihrer näheren Umgebung wahr.
 

„Der Bürgermeister ist hier?!“ Viele Leute begannen zu murmeln. Ein Wirrwarr aus Stimmen folgte.
 

Das aufkommende Gedränge, die vielen Stimmen, die grellen Lichtkegel in der Umgebung und die Tatsache, dass Rick und Alina nicht mehr in ihrer Nähe waren, ließ sie ihren Körper ein wenig zusammenziehen. Sie wollte gerade nicht hier sein.
 

Während Tina ihre Tasche zu sich gezogen hatte und nach ihrem orangefarbigen Elementkristall griff, versammelten sich immer mehr Menschen um sie herum. Schweiß lief ihr die Stirn hinunter. Sie wusste nicht, ob jemand gerade einen Blick auf Sasons geworfen hatte. Ein inneres Gefühl warnte sie davor, dass jemand ihr Sasons wegnehmen könnte.
 

„Erklärt mir einer was hier los ist?“ Eine harsche Stimme erschallte und die Umgebung verstummte. Tina atmete langsam aus. Einzelne Stimmen begannen zu murmeln, bis die harsche Stimme erneut erklang:
 

„Also? Wie kann das sein, Herr Hughborg? Wieso artet diese Kreatur immer mehr aus?“
 

Ein kurzes Räuspern war zu hören, dann schritt jemand mit schwerem Schritt heran. Tinas Hand erzitterte und Sasons leuchtete auf. Der brennende Welpe verformte sich in orangefarbenes Licht und im Anschluss verzog sich dieses in den Kristall. Schnell steckte Tina den orangefarbenen Elementkristall zurück in ihre Tasche.
 

„Hm? Was war das denn? Gab es hier gerade einen Kurzschluss?“ Brummte die harsche Stimme. Tina umklammerte fest ihre Tasche, während sie wieder aufstand.Sie suchte im Anschluss nach dem Ursprung der harschen Stimme.
 

Ein großer schlanker Mann im Anzug mit roter Krawatte und einer goldenen Halskette schaute in Richtung der Gasse. Neben ihm stand ein älterer bartloser Mann – im gleichem noblen Stil - mit weißen Haar und einem Smartphone in der Hand. Im Moment begutachtete er Tina kritisch. Etwas unangenehmes lag in seinem Blick.
 

„Mhhhh. Eine sehr gute… eine sehr gute Frage.“ Begann eine ältere rauchige Stimme. Der korpulente ältere Mann mit dem verschnörkelten Schnauzbart – der sich neben Heon gestellt hatte und auch in die Gasse blickte - rieb seine Hände ineinander. Er leckte sich kurz die Lippen, bis seine ältere rauchige lautstarke Stimme mit einem nervösen Unterton erklang:
 

„Ja… Herr Lehm. Wie es scheint…, da hat sich unser Rachegeist entwickelt zu einem noch mächtigeren Wesen. Eventuell nach meinen bisherigen Erfahrungen… ein Albtraumschatten. Wir müssen so schnell wie möglich die Insel evakuieren.“
 

Tina hörte noch mehr Bewegung um sich herum, mehr als sie zuordnen konnte. Sie hörte aus der Ferne Rufe. Rufe eines Mannes, die lauter wurden. Sie drehte sich um und sie erkannte aus der Ferne aus der Richtung der Dorfkreuzung eine weitere Gruppe näherkommen. Sie dachte Daniel und Max darin zu erkennen. Der Mann, der am schnellsten aus dieser Gruppe voranlief, erhob sofort das Wort. Dabei begann er mit seinem rechten Finger zu gestikulieren.
 

„Ich denke, das ist nicht notwendig. Wir können einfach direkt zum Quell gehen und den ganzen Spuk beenden. Jetzt sofort, Herr Lehm.“
 

Der Bürgermeister drehte sich um, während Hughborg beleidigt seine Nase rümpfte:
 

„Hä? Wer redet da so einen unqualifizierten Unsinn?“
 

„Und Sie sind?“ Die harsche Stimme des Bürgermeisters beeindruckte den fremden Mann nicht. Tina bemerkte wie sonderbar der fremde Mann gekleidet war. Er trug einen Zylinder und einen purpurfarbenen Manteln mit Sternen darauf. Er stoppte einige Meter vor dem Bürgermeister. Der Fremde deutete eine Verbeugung an. Mit einem schmalen Lächeln sah er durch die Menge. Für einen Moment blieben seine Augen bei Tina hängen.
 

„Das ist er!“ Es war Max, der aus der Gruppe hervortrat und seinen linken Zeigefinger erhoben hatte.
 

„Das ist… das ist der Typ… äh… den ich am Abend mit dem Geist… äh… Monster gesehen habe… definitiv! Ich… ich bin mir sicher! Er… äh… war bei dem Geist.“ Fest entschlossen hielt Max seinen linken Zeigefinger nach vorn gerichtet.
 

Die plötzlich aufkommende Stille verunsicherte Tina. Im ersten Moment verstand sie nicht was passierte, aber sie bemerkte wie alle aus der Gruppe um Max plötzlich in die gleiche Richtung starrten. Neugierig versuchte Tina der Richtung des Fingers zu folgen, um herauszufinden wen Max mit seinem Ruf gemeint hatte.

Orange XII --- Unbarmherzig

[Illan]
 

Eine seltsame Stille herrschte in dem Vorgarten der prachtvollen Villa von Mr. S. Höchstens war das Blätterrauschen durch die vielen Bäume und Sträucher zu hören, die die Villa umringten. Die Villa lag günstig auf der Insel, sodass es der Wind vom Meer nicht schaffte gänzlich zu diesem Ort hindurch zu dringen.
 

‚Nicht ablenken lassen! Konzentration. Zeit. Ich habe noch Zeit.‘
 

Zeit. Ein Gut, welches ihn in seinem jetzigen Leben eigentlich nicht mehr stresste, aber heute war es anders. Heute fühlte er die Zeit durch seine Finger ringen. Eine Schweißperle strömte seine Wange herab.
 

‚Heute ist etwas anders.‘
 

Illan konnte einen erhöhten unnatürlichen atmosphärischen Druck auf seinen Schultern spüren. Eine Auswirkung der Laune seines Chefs. Selbst hier vor dem Eingang seiner Arbeits- und Wohnstätte spürte er die unangenehmen Schwingungen.
 

‚Er hat… aber… sicherlich nichts damit zu tun.‘ Seit er den Vorgarten betreten hatte, spürte er etwas in seinem Körper. Als würde eine unsichtbare Macht in ihm eindringen und an sein Inneres vorbeiströmen mit der Absicht jeden Moment zuzuschlagen.
 

Unruhig ließ Illan seine Hände leicht verkrampfen. Ein schwer zu unterdrückender Impuls zwang ihn seine Krallen ausfahren zu lassen und die opulente Statue neben ihm einreißen zu wollen. Die Statue seines Chefs. Mr. S. Aus Marmor gefertigt, aber dennoch kein Hindernis für seine Krallen. ‚Nein… er ist…‘ die Adern wölbten sich auf seiner Haut. Die Krallen fuhren langsam wieder zurück, ohne ihre Tat zu vollbringen.
 

Nicht, dass Illan sich für so eine Tat zu schade war, aber die Konsequenzen waren zu brutal. Regeln waren absolut hier.
 

‚Unbarmherzig. Wie alles hier in dieser verdammten ‚Firma‘.‘ Er atmete unruhig aus.
 

‚Ich darf jetzt nur nicht zu nervös werden. Ich muss das wie immer machen‘
 

Er atmete wieder ein und langsam versuchte Illan seine Gedanken zu ordnen.
 

Hinter ihm hörte er plötzlich Wasser plätschern. Fein goss etwas Wasser in unmittelbare Nähe zu Boden. Sein Kopf drehte sich leicht zur Seite. Seine Augen fixierten eine Person im Garten an. Es war Ulya. Ihr weißes bleiches Gesicht zierten verschiedensten Schmuck. Eine Vielzahl an Ohrringen, Haarschmuck, einen Zungenpiercing bis hin zu einem Stachelhalsband. Im Stile einer Gothic-Anhängerin geschminkt, starrten ihn zwei dunkelrote Pupillen für wenige Sekunden an. Desinteressiert blickte sie wieder auf ihre Pflanzen vor ihr.
 

Illan würde lügen, wenn sie nicht einen gewissen Reiz ausstrahlte, jedoch distanzierte er sich von ihr. Sie war in letzter Zeit anders geworden. Außerdem würde es Mr. S sowieso mitbekommen sollte es jemand wagen.
 

„Ulya? Die Besucher, die doch bald…“ Begann Illan, aber sie zeigte keinerlei Reaktion auf seinen Zuruf.
 

‚Sie ist völlig in seinem Bann.‘
 

Als Illan seinen Blick nach unten streichen ließ, entdeckte er Kopfhörer und eine Art Walkman.
 

‚Ah…, deswegen.‘
 

Sie drehte sich auf der Stelle, während ihre schwarzen Stiefel auf dem Steinplatten quietschten. Sie lief tänzelnd zu den schwarzen Rosen.
 


 

Der junge Mann strich sich durch sein Haar. Er seufzte leise.Beim nächsten Atemzug hörte Illan einen metallischen Mechanismus und die hölzerne Tür am oberen Ende der Eingangstreppe öffnete sich nach außen. Ein Mann in schwarzen lässigen Klamotten, einer Kurzhaarfrisur, einem Gürtel mit allerlei Kampfwerkzeug und metallischen Knieschützer über seiner Hose sowie gewaltigen Springerstiefel begrüßten Illan mit einer Schwelle an Abneigung. Auch er hatte diese dunkelroten Pupillen.
 

„Hey Purpurkopf! Der Boss will dich sprechen. Jaaa.“
 

‚Keine Unsicherheit zeigen. Ich muss konsequent mein Tuen untermauern und auf die Regeln bauen. Die Regeln. Ich argumentiere mit den Regeln, ja.‘ Erst zögerlich, dann mit mehr Selbstsicherheit trat Illan die Stufen hinauf, an dem unhöflichen Mann vorbei in das Gebäude. Ein Schmatzen kam ihm entgegen. Fast schon provokant kaute der Mann seinen Kaugummi. Unbeeindruckt trat Illan an ihm vorbei.
 

Dieser Unsympath nannte sich Cherry.
 

‚Die nächsten Besucher werden ihn massakrieren.‘
 

Illan trat in einem gleichbleibenden Tempo über den roten Teppich den Flur entlang, dabei sämtlich imposante Ausstattung im Raum ignorierend, fokussierte sich Illan auf die hölzerne Doppeltüre am Ende des Flures, der einen leichten Bogen nach links machte.
 

‚Konzentration…‘ geisterte Illan immer wieder durch den Kopf.
 

Als seine Hand sich erhob und er die Türklinke berühren wollte, erschallte eine tiefe Stimme von hinter der Tür durch diese durch. Sie traf Illan wie ein Messer in der Brust.
 

„Nie tri!“
 

Schwer ausatmend wich Illan nach hinten. Er hielt sich an der Brust. Er hatte deutlich gespürt wie etwas in seinen Körper drang und ihn aufspießte. Er wartete nur auf den Moment, dass das Blut durch seine Hand quoll, aber es kam nichts. Illan hob seine Hand von der Brust, aber es war nichts zu erkennen.
 

‚Er ist wirklich nicht gut gelaunt, ja?‘ Schweiß perlte sich von seiner Stirn ab. Illan versuchte wieder seine normale Mimik beizubehalten. Seinen ernsten höflichen Blick.Das Schmatzen hinter ihm begann ihn zu stören. Langsam einatmend ging er einen Schritt nach vorn.
 

Wieder näherte Illan seine Hand der Klinke und betätigte diese.
 

Ein schwerer Luftzug kam ihm entgegen und mit einem großen mutigen Schritt trat er in den großen dunklen Raum.
 


 

Der Raum war das Herzstück der Villa. Er war der größte und beeindruckendste Raum des gesamten Gebäudes. Von der Türschwelle weg führte eine mit einem roten Teppich bedeckte Abstufung zweimal mit je vier Stufen hinauf über mehrere Meter zu einem großen rotbraunen Schreibtisch, dahinter stand ein großer roter Sessel, der mit dem Rücken zu einem eingemauerten Kamin gedreht war. Der Kamin war jedoch zurzeit nicht in Benutzung.
 

Im Raum selbst standen allerlei nobel aussehende Möbel, Kunstwerke, Statuen oder andere imposante Dinge, die Illan im Moment genauso wenig interessierten.Die vier großen Fenstern waren mit schweren roten Vorhängen zugezogen. Ein paar schwache Lampen leuchteten im dunklen goldenen Schein.Für Illan war es jedoch nicht schwer alle Anwesenden in diesem Raum zu erkennen. Nerslo. Ein Koloss wie Grombar. Fast zwei Meter groß. Trug eine schwarze Lederjacke und eine kurze Jeans. Seine Lederjacke war offen, sodass seine haarige Brust zu erkennen war. Eine Halbglatze glänzte in dem schwachen Licht sowie seine dunkelroten Pupillen. Dazu glänzten seine schweren schwarzen Stiefel, die eine metallische Beschichtung hatten. Seine Fäuste waren größer als der Kopf eines Jugendlichen. Er stand an der Seite des Raumes. Sein Blick ruhte auf Illan. Er hatte etwas Selbstsicheres und Arrogantes in seinen Augen.
 

Nahe dem Schreibtisch stand ein dürrer großer Mann. Seine Pupillen besaßen das dunkelste rot, welches Illan je gesehen hatte. Er trug ein graues Jackett mit grauer Hose. Unter seinem Jackett war ein weißes Unterhemd zu erkennen. Sein Name war Lesrom. Ein rachsüchtiger intelligenter Mann, der keine Rücksicht auf Verluste nahm. Er hatte seine Hände ineinandergelegt. In seinem Gesicht waren Zuckungen zu erkennen, außerdem präsentierte er grimmig seine Zähne.
 

Auf dem roten Sessel selbst und auch die Quelle der atemberaubenden und einschüchterten Energie von diesem Raum saß der Hausherr und Besitzer der Insel. Mr. S. Illan brauchte ein paar Sekunden bis er die große schwarze Gestalt in der Wolke der Dunkelheit, um dem Stuhl erkannte. Der Schatten formte sich zu einem zwei metergroßen Mann, dessen Kopf über den Tisch geneigt war. Illan konnte nicht lange hinsehen, es war so als würde ihn etwas blenden.‚Mein Verstand… wieso…‘ Still und fast schon bewegungslos huschten die Pupillen des Hausherrn über den Tisch. Er schien etwas zu lesen.
 

Als seine Pupillen für einen Bruchteil nach oben wanderten, türmte sich die Gestalt meterhoch zur Decke und schien wie eine Welle auf Illan hereinzubrechen. Wenige Sekunden später realisierte der junge Mann, dass nichts geschehen war und er nur erstarrt auf den Boden vor dem Schreibtisch starrte. Gerade noch so hielt Illan sich davon ab zusammenzuzucken. Sein Instinkt sagte ihm, dass er rennen sollte. Und das so schnell wie möglich.
 

‚Er ist wütend! Ist er… ist er wegen der Sache wütend? Nein… oder… aber keine Schwäche zeigen! Keine Schwäche zeigen! Ich muss auf die Regeln bauen!‘
 

Mehr Schweiß perlte sich von seiner Stirn.
 

Mit schweren Schritten trat Illan die ersten beiden Stufen hinauf. Mit jedem Schritt musste er gegen einen stärkeren unsichtbaren Widerstand ankämpfen.
 

Lesrom setzte sich in Bewegung. Der dürre Mann trat die obersten Stufen vor dem Schreibtisch hinab und er positionierte sich nahe Illan, sodass Illan die Blicke des Mannes in seinem Nacken spürte.
 

„Johann wurde tot im Wald aufgefunden. Sichtlich nach einem Kampf um die Beute aufgespießt. Warum lebt die Beute noch?“ Lesrom hohe Stimme kratzte in Illans Ohren.
 

‚Haben sie Johann gefunden? Wie das? Wieso scheint er so viel darüber zu wissen?‘
 

„CIRPS!“ Es erschallte die tiefe brummende Stimme, die auf Illan einschlug, als wäre sie ein physisches Objekt.
 

Für einen Moment setzte bei Illan wieder der Atem aus und er fasste sich an die Kehle. Bevor seine Sinne anfingen zu schwinden, konnte Illan wieder Luft holen.
 

„Jämmerlich… du bist immer noch so schwach.“ Brummte der Hüne von der Seite.
 

„Es… es…es war ein Regelbruch, den Johann begannen hatte. Ich habe nur meine Beute beschützt.“
 

Für einen Augenblick herrschte eine unangenehme Stille.
 

„Ha… zu einfach. Wahrscheinlich ein Putsch, nicht wahr?“
 

Illan vermied es zu reagieren.
 

‚Keine Schwäche zeigen!‘ Grummelnd atmete er gestresst aus.
 

„Und weiter? Er hat die Regel des Jagdreviers verletzt. Eine angemessene Strafe ist denkbar, aber das erklärt nicht das Entlaufen der Beute. Das ist einer wesentlichen größeren Strafe wert!“ Illan hörte die Schritte von Lesrom hinter sich.
 

‚Warum interessiert sie das? Warum dieses Mal? Was ist der Grund? Was ist hier los?‘
 

„Er hatte es auf meine Beute abgesehen und sie bestritten. Die Schuld des Entkommens liegt bei Johann. Er hätte nicht Eingreifen sollen! Zudem war eine seltsame mächtige Magie Vorort. Scheinbar von einem Objekt. Es lähmte wohl gezielt vollständig. Die Beute hatte es genutzt.“
 

„LEFUET RED!“ Dieses Mal war die dunkle mächtige Stimme nicht wie ein Vorschlaghammer, sondern wie eine Wolke, die sich um Illan und Lesrom formte. Die Atmosphäre fühlte sich kälter an und Illan spürte auf seiner Haut wie der dunkle Nebel um ihn langsam etwas Unsichtbares aus der Haut zog. Seine Hände verkrampften leicht.
 

„Nur Ausreden eines Schwächlings.“ Brummte der Hüne erneut. Gefolgt von einem tiefen Lachen. Zusätzlich ertönte wieder die hohe raue Stimme von Lesrom:
 

„Eine leichte schnelle Ausrede für denjenigen, der doch so lange schon seinen Job hier macht… und es bisher nicht versteht wie die Dinge hier laufen. Dein Überleben ist bisher nur ein Wunder und… Gnade. Vielleicht solltest du deine Strategie überdenken und endlich das…“
 

„Tgiewh!“ Wie eine Explosion machte es Illan taub und der Nebel um ihn herum verflüchtigte sich. Nervös blickte er hoch zum Schreibtisch. Es brauchte einigen Sekunden bis das Klingen in seinen Ohren nachließ. Illan hatte bemerkt, dass Lesrom einige Worte zu Mr. S gesagt hatte, aber Illan bekam nur die letzten Worte des Satzes mit:
 

„Ich habe verstanden.“ Lesrom trat damit einen Schritt nach hinten.
 

Illan schaute nervös auf. Der Kopf von Mr. S hatte sich vom Schreibtisch erhoben. Seine Silhouette blieb nicht standhaft, es sah so aus, als wäre er physisch nicht in dieser Welt vorhanden. Illans Augen schafften es nicht seine Form zu erkennen. Jedoch zwei kleinere Formen, die wie Augen aussahen, schwebten klar erkennbar über den Schreibtisch langsam auf ihn zu.
 

„UD TADOL! Bringe mir den orangenen Kristall und das Mädchen, TROFOS!“Illan hatte nicht einmal Zeit seinen Mund zu öffnen und eine Antwort darauf zu formulieren, als er in einem völlig dunklen Raum stand. Ein Blinzeln später spürte Illan die schattenhafte Hand von Mr. S auf seinem Gesicht, die sich gegen ihn drückte und sich in sein Gesicht brannte. Diese Hand brannte ihm all die Bilder in den Kopf, die er in dieser Villa bereits miterleben musste. Besucher, Opfer, Blut, Körperteile und Diener, die Mr. S enttäuscht hatten. Massakriert hier in diesem Raum. Die Schreie der Opfer. Die lauten verängstigten Schreie hallten durch seinen Kopf.
 

Sein Hals trocknete aus und er musste all seine Kraft aufbringen um zu atmen, während sich schmerzerfüllt die Hand weiter auf sein Gesicht brannte.
 


 

Als Illan es schaffte seinen nächsten Atemzug zu vollziehen, realisierte er, dass er nicht mehr in dem großen dunklen Raum stand, sondern vor der Doppelholztür im Flur. Hinter ihm war wieder ein lautes Schmatzen zu hören.
 

„Lebst noch, ah?“ Cherry klang enttäuscht.
 

Vorsichtig strich sich Illan durch sein Gesicht. Er spürte nichts Ungewöhnliches. Die Schmerzen waren verschwunden und die gezeigten Bilder begannen zu verschwimmen.
 

‚Es ist… schlimmer geworden.‘
 

„Tja… kommt davon, dass du so schwach bleibst. Jaaaa.“ Cherry lachte kurz, dann schob sich der junge Mann einen weiteren Kaugummi in den Mund.
 

„Selber schuld, Schwächling. Kapierst halt nichts, jaaa.“ Beim nächsten Schmatzgeräusch packte Illan den jungen Mann mit der vollen Breite seiner Hand im Gesicht und schleuderte ihn nach hinten zu Boden, sodass ein lautes Knacken zu hören war. Mit aller Macht drückte Illan seine Hand weiter auf das Gesicht von Cherry.
 

Während ein lauter Schmerzenschrei von Cherry kam, brummte Illan:
 

„Fühl dich nicht so besonders, weil du hier schon ein paar Tage überlebt hast, aber das nächste Mal, wenn du mich von der Seite anquatschst, sei sicher, dass du auch das Echo verträgst!“ Illan nahm seine Hand weg, beugte sich hoch und ging mit schnellen Schritten in Richtung des Ausgangs.
 

‚Ich muss erst einmal hier raus.‘
 

Er war kurz davor gewesen seine Krallen zu verwenden.
 

Zielstrebig und mit einem aufkommenden Fluchtinstinkt lief er schnell die Treppen hinab in den Vorgarten. Vorbei an meterhohen Hecken zum ersten Gartenzaun. Die Erleichterung mit jedem Meter sich von diesem Gebäude zu entfernen war groß.
 

Mit jedem Meter fühlte sich sein Körper leichter an.
 

‚Was hat ihn so wütend gemacht? Es kann nicht… es kann nicht sein, dass es…‘
 

„Oh… da haben wir eines dieser Bleichgesichter… wobei… der wirkt mir noch sehr lebendig.“ Illan stoppte und er entdeckte in wenigen Meter Entfernung drei Gestalten. Drei Männer, alle fast ähnlich strukturiert. Einer von den drei war besonders groß und breit. Scheinbar drei gutausgerüstete Abenteurer. Sie hatten nicht nur schnitt- und schussfeste Lederklamotten an, sondern auch geschärfte Messer, Pistolen und einen Zauberstab - der einen blauen Edelstein integriert hatte - bei sich.
 

„Besucher also… na ja…er ist da drin.“ Nach einer kurzen Handbewegung nach hinten in Richtung der Villa, setzte Illan seinen Gang unbeeindruckt fort.
 

„Wenn ich mal dann vorbei… dürfte.“ Ungebremst lief er auf die drei Gestalten zu, die ihn zum Teil mit hochgezogenen Augenbrauen ansahen.
 

„He Freundchen!“ Brummte einer der drei Männer. Eine große Handfläche näherte sich ihm.
 

Illan würdigte dieser keines Blickes.
 

„Macht was ihr wollt, aber ich muss in Richtung Stadt. Wäre sicherlich für eure Bezahlung nicht hilfreich, wenn der Bürgermeister erfahren müsste, dass Jäger Bewohner der Stadt belästigt haben.“
 

Die Hand, die ihn greifen wollte, stoppte.
 

Mit Ende des Satzes trat Illan an den drei Männern vorbei.
 

„Mhhh…“ brummte einer der drei Männer. Illan schaute nicht nach hinten, jedoch war er sich sicher, dass er die Besucher überzeugt hatte. Sie werden sicherlich ein viel größeres Interesse an seinem Chef haben. So wie eigentlich jeder Besucher, der bisher hier todesmutig aufgekreuzt war.
 

Illan hatte mit diesen Typen kein Mitleid.

Orange XIV --- Die Erlösung

*Derzeit befindet sich zwischen dem vorherigen Kapitel und diesem eine größere Überarbeitungsphase, sodass zwischen dem vorherigen und diesem Kapitel größere Logiklücken existieren. Diese Logiklücken werden mit einem Kapitelupdate behoben.
 


 

[Max]
 

Engl, Noju, Max und Daniel waren zu dem alten Friedhof gegangen.

Er befand sich auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt. Man musste knapp einen zwanzig Minuten Marsch vom Hauptquartier aus hinlegen, um ihn zu erreichen. Er war wegen unerklärlichen Ereignissen geschlossen worden.

Der neue Friedhof befand sich auf der Wegstrecke zwischen dieser Stadt und der Hafenstadt.

Dadurch, dass schon seit Monaten niemand mehr hier war, zumindest offiziell, wirkte alles sehr zerfallen. Der Weg brach auf und die Grabsteine wurden langsam überwuchert. Eine ungemütliche Stimmung konnte man auf dem Friedhof wahrnehmen.


 

Zuerst hatte Noju gemeint, dass es vielleicht keine kluge Idee war dorthin zu gehen. Einen Friedhof zu besuchen, während ein Fluch die Stadt heimsuchte, war vielleicht sogar sehr gefährlich, jedoch hatten sie auch keine Alternative gefunden.

Man kam während dem zwanzigminütigen Gang ins Gespräch.

Max erfuhr, dass die Beiden wohl früher für jemand anderen gearbeitet hatten, aber nun nicht mehr. Das war auch alles was die beiden von sich verrieten.

Daniel, der Junge von zuvor, war mit ihnen einfach mitgegangen.

Max hielt es zudem auch ratsam mit möglichst vielen Personen zu gehen.

Daniel kannte er aus seinen wenigen Erinnerungen und vertraute ihm deswegen, außerdem hatte der schwarzhaarige junge vorgeschlagen, dass er Linda später überreden wird, Daniel in die Gilde aufzunehmen.


 

Max war das gar nicht aufgefallen, aber zuvor in der Halle, hatten sich noch ein paar Glasscherben, auf dem Boden verteilt, befunden. Daniel hatte gefragt, aber er konnte nichts erkennen was dafür verantwortlich hätte sein können.

Engl erklärte daraufhin, dass sie die zerbrochene Fensterscheibe, wegen einem Ereignis von heute morgen, sofort ersetzt hatten. Max hakte nicht weiter nach. Es würde schon seine Gründe haben, warum dies so war. Daniel dagegen sah so aus, als würde es ihn interessieren, aber er fragte nicht nach.

Während sich die vier auf dem alten Friedhof verteilten, fragte Daniel bei Max nach:

„Wie ist eigentlich das Leben als Mitglied in der Gilde?“, Max hielt sein Armband hoch und meinte :

„Schon irgendwie interessant. Mir gefällt dieses Gruppengefühl, also endlich im Team zusammen zuarbeiten. Ein geiles Gefühl irgendwie damit angeben zu können.“

„Warum?“, hakte der große Junge nach. Max sah ihn erstaunt an:

„Schwierig zu erklären, aber das machen wir lieber später, in Ordnung?“, Daniel gab sich mit der Antwort zufrieden.

Nach ein paar Minuten folgte die nächste Frage von ihm:

„Glaubst du....... es gibt noch mehr von uns? Also bisher bin ich, du und Tina hier, richtig? Glaubst du, dass es woanders noch mehr von uns gibt?“,

"Daran hatte ich zwar schon gedacht, aber bisher habe ich nur von drei Kratern gehört. Ich könnte mich nicht erinnern von einem vierten Krater gehört zu haben, aber möglich ist alles.", überlegte Max. Er sah dabei zu seinem großen Kumpel. Es nervte ihn immer hoch sehen zu müssen, weil Daniel zurzeit so stand, dass man beinahe in die Sonne sah.

„Kannst du dir auch vorstellen, warum das mit uns passiert ist?“

„Der stellt aber viele Fragen.“

Max dachte weiter nach. Er hatte null Erinnerungen, also konnte er die Frage leider nicht beantworten:

"Nicht wirklich, ich habe genauso wenig Erinnerungen wie du. Vielleicht finden wir irgendwann die Lösung? Wir dürfen uns aber jetzt nicht deswegen so verzweifeln. Immerhin geht es uns momentan nicht schlecht.", Daniel gab ein zufriedenes Schmunzeln von sich:

"Wahrscheinlich hast du Recht. Dennoch will ich irgendwann die Lösung erfahren. Es ist so schwer zu verstehen.", meinte er und sah um sich.

„Nicht nur du.“

„Ja, aber lass uns wirklich später darüber reden, wir sollten zuerst den Auftrag beenden.“, meinte Max und Daniel nickte daraufhin, als Bestätigung auf seine Aussage.

Es war für Max so ein seltsames Gefühl. Einerseits kannte er Daniel, anderseits fühlte sich das Gesamte auch so fremd an, weil ihm so viele Erinnerungen fehlten.


 

Die Suche blieb vergeblich. Man verlor langsam die Hoffnung und es wurde auch kühler.

Allgemein war es auf dem Friedhof kühler, als außerhalb oder war das Ganze einfach nur eine Einbildung?

Die pralle Sonne strahlte auf den Platz. Man könnte denken die Wärme würde die Haut erreichen.

Umso weiter man auf dem Friedhof voran drang, umso mehr eroberten die Pflanzen den Platz.

Hier stimmte etwas definitiv nicht, denn die Natur allein schaffte das nicht in dem kurzen Zeitraum.

Ungefähr in der Mitte des alten Friedhofes stand eine große Statue. Sie war großartig aus dem Stein geschlagen worden. Sie war detailreich und die Statue erinnerte an ein junges Mädchen. Davor war ein größeres Steinkreuz angefertigt und im Boden verankert worden.

„Hey Leute!“, rief Engl und winkte die anderen drei herbei.

Ein Grabstein stach aus der Menge hervor. Die anderen Gräber waren verwildert und zugewuchert, aber ein Grabstein stand frei. Es sah zu auffällig aus. Mit diesem Grabstein schien etwas besonders zu sein.

Entweder jemand kümmerte sich um das Grab oder die Pflanzen hielten sich davon fern, was wiederum nichts Gutes bedeuten würde, wenn Max länger darüber nachdachte. Ein Schauder kam ihm plötzlich über den Rücken.

Die vier traten vorsichtig näher heran.

„Zum Friedhof zu gehen und die Mutter zu beschwichtigen? Am Anfang klang der Plan sehr vielversprechend, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher?“, meinte Max und sah sich nervös um.

„Geister sollte man nicht stören.“, meinte Noju. Er stand weit abseits von diesem Grabstein.

„Du und Geister. Ich weiß, dass es da schlechte Erfahrungen gibt.“, meinte Engl und zündete sich eine Zigarette mit seinem Feuerzeug an. Er schien sich ganz und gar für seine Umgebung nicht zu interessieren.

„Du solltest mal darüber hinwegkommen.“, meinte der Raucher anschließend.

„Du weißt, dass das Zeit braucht.“, meinte Noju. Er trat nicht näher heran. Engl erwiderte nichts darauf, sondern genoss den Zug an der Zigarette.

„Ich verstehe nicht, warum du unbedingt rauchen musst?“, meinte Noju zu ihm.

„Das ist meine Aufgabe, an der ich arbeiten muss. Werde du erst einmal mit deiner Sache fertig.“, Engl zuckte mit den Schultern.

„Dr. Drogan hat es auch geschafft. Immerhin hat er mit dem Rauchen aufhören können.“, meinte Noju und klang dabei ein wenig beleidigt.

„Müssen wir jetzt hier unbedingt darüber reden? Du bist doch nur genervt, weil es dir peinlich ist, dass du ein Problem mit Geister hast.“, meinte Engl und raucht genüsslich weiter.

"Müssen die jetzt über so etwas unbedingt diskutieren?", dachte Max verwundert.

Daniel trat noch näher an den Grabstein heran. Er versuchte sogar die Inschrift zu lesen. Der Name war nicht mehr lesbar.

„Mh...., es ist nicht lesbar. Wie wissen wir, ob wir überhaupt richtig sind? Wir wissen nichts oder?“, fragte Daniel vorsichtig nach.

„Mein Gefühl sagt mir, dass wir richtig sein müssten.“, Max hatte es im Blut, dass das wohl der richtige Grabstein war.

„Aber sicher bin ich mir da auch nicht.“, meinte Max unzufrieden.

Engl trat ebenfalls näher heran. Die Beiden betrachteten das Grabmal und erkannte wohl nichts besonderes daran:

„Und jetzt? Ich sehe hier nichts, was auf einen aufgebrachten Geist schließen würde. Es fehlen die Vorzeichen. Diese typischen Vorzeichen, du verstehst?“, fragte Engl. Es klang so als wäre ihm langweilig.

Dann stieg plötzlich wie aus Zauberhand seine Zigarette in die Luft und flog davon. Engl starrte entsetzt seiner Zigarette nach.

„IHR SCHÄDIGER! IHR VERDAMMTEN SCHÄDIGER! IHR WAGT ES SO AUF DER EHRE MEINER TOCHTER HERUMZUTRAMPELN!“, rief eine geisterhafte Stimme plötzlich von irgendwoher. Sie klang, als wäre sie überall und gleichzeitig nirgendwo, dann materialisierte sich hinter dem Grab eine ältere Dame, die jedoch relativ normal aussah, bis auf die unnatürlich vielen Falten in ihrem Gesicht und das sie durchsichtig war. Sie wirkte ein wenig wie ein Hologramm, aber man spürte deutlich die Kälte, die der Geist ausstrahlte. Ein Wind kam auf, während sie redete. Der Wind brachte das Gefühl mit sich, als würde er die Lebensenergie der Anwesenden entziehen wollen.

Sie sprach mit hallender Stimme, auch wenn sie zurzeit mitten in der freien Natur waren:

„SEID IHR HIER, DAMIT ICH EUCH AUSLÖSCHEN KANN!“, fragte sie und ihre Drohung hauchte wie ein kleiner Wirbelsturm über den Platz. Engl schaute um sich, als er bemerkte, dass Noju plötzlich verschwunden war. Er stand jetzt ziemlich weit entfernt und rief:

„Mach dir keine Sorgen. Mir geht es wirklich gut, ehrlich!“, er winkte ihm zu und Engl wandte sich von ihm ab. Es sah so aus, als würde er seinen Kollegen nicht mehr kennen.

Engl musterte den Geist:

„Auslöschen? Deswegen sind wir nicht hier.“, klärte der Raucher auf. Der Geist wirkte sehr betrübt und man konnte förmlich in der Luft die angesammelte Trauer spüren.

„MAN SAGTE MIR! IRGENDWANN KOMMT DER TÄTER UND STELLT SICH, DANN DARF ICH IHN MIT MEINEN EIGENEN HÄNDEN AUSLÖSCHEN!“, zischte die ältere Frau. Ihre Erscheinung wurde immer dunkler und ihre Augen glühten immer roter.

Engl seufzte:

"Ein Rachegeist also? Ich verstehe nicht wieso dann angeblich die Zeremonien nicht funktioniert haben. Hatte man nicht erwähnt, dass man schon alles versucht hatte?", fragte der Raucher die beiden Jungs.

Im Gegensatz zu Engl wirkten die beiden Jungs ziemlich angespannt. Ein echter Geist stand vor ihnen und man konnte die Gier nach dem Morden in der Luft spüren. Die Gestalt der alten Frau verwandelte sich mit jeder Sekunde immer mehr zu einem Monster. Was machte der Geist da, materialisierte er sich etwa?

"Es gibt da was mich in der Geschichte gestört hat.", ließ Max kundtun.

„Und was?“, fragte Daniel.

„Die alte Dame soll spurlos verschwunden sein und wenig später fand man sie tot. Sie hängte in einer alten Hütte. Wieso wusste man dann, dass es Selbstmord war? Wenn sie verschwunden war, dann........“, wollte der schwarzhaarige Junge erklären, da fauchte der Geist mit hallender Stimme über den Platz:

„LOS! SAGT MIR! WER HAT MEINE TOCHTER UMGEBRACHT! WER IST DER SCHULDIGE?! WER?!“, Engl wirkte genervt und meldete sich wieder zu Wort. Mit harscher Stimme brüllte er den Geist an:

„Du terrorisiert die ganze Stadt. Du jagst jedem Angst ein und besetzt ihre Körper für eine kurze Zeit, sowie ich es erfahren habe. Du hast die Stadt verflucht. Du tust das alles um den Mörder hervorzulocken. Deine Rache ist so nur sinnlos, denn..........“, in diesem Moment wurde Engl von einem starken Windhauch erfasst, als der Geist seine Hände ausstreckte. Wie von einem schweren Faustschlag getroffen, flog Engl einige Meter über ein Grabsteine hinweg.

„VERFLUCHT!“, hörte man Noju sagen. Er kam angerannt und beobachtete das Ganze nun nicht mehr so weit entfernt. Dennoch traute er sich nicht näher heran.


 

Die Gestalt der Dame verwandelte sich in ein schwarzen Schatten mit glühenden roten Augen und einer tiefen grollenden Stimme:

„TOD DEN SCHULDIGEN!“, brüllte die Dame über den ganzen alten Friedhof.

„Sollten wir wegrennen?“, fragte Daniel. Er wirkte wie angewurzelt. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, dennoch wirkte er nicht allzu panisch.

Ebenfalls nervös sah Max den schwarzen Schatten an:

„Was sollen wir jetzt tun?“, überlegte der schwarzhaarige Junge.

„Können wir den Geist durch Reden eventuell beschwichtigen? Eine Flucht würden wir wahrscheinlich nicht überleben.“

„IHR HABT MEINE TOCHTER STERBEN LASSEN!“, das Brüllen des Geist schallte durch Mark und Bein. Der Schatten nahm an Größe zu und seine Hände verwandelten sich immer mehr zu gigantischen Klauen.

„Deine Idee wirkt langsam ziemlich beschissen. Du hättest dir etwas Besseres einfallen lassen sollen.“, meinte Daniel zu Max. Der schwarzhaarige Junge schaute ihn unzufrieden an und fluchte innerlich.

„Immerhin hatte ich mir etwas eingefallen lassen.“, verteidigte sich Max.

Noju trat vor die Beiden und meinte mit nervöser Stimme. Sein Gesicht war am Meisten von Schweißperlen übersät:

„Ich kann euch beide nicht diesem Schicksal überlassen. Egal wie viel Angst ich habe.“, erklärte er.

„MEINE GELIEBTE TOCHTER IST WEGEN EUCH TOD!“, brüllte der Schatten. Seine Stimme wurde mit jedem Wort tiefer und dämonischer.

"Der Geist ist völlig außer sich. Hatten wir ein schlechten Zeitpunkt erwischt?", überlegte Max.

Die roten Augen des Schatten wurden dunkler und bedrohlicher.


 

Plötzlich schoss etwas Glänzendes in den Schatten und ein Wirbel erstand. Es sog den Schatten in sich auf und ließ ihn in einem großen Schrei ins Nichts verschwinden. Das silberne glänzende Teil flog auf den Boden und der Grabstein vor den drei zerbrach in mehrere Stücke.

„Was ist gerade passiert?“, fragte Daniel völlig verwundert.

Jemand war auf dem Platz gekommen.

Es war Kerrad Tormal. Er trug eine schwarze Armbrust mit einem roten heiligen Kreuzsymbol darauf:

„Danke. Endlich konnte man ihn in seiner Ursprungsform einfangen.“, erklärte der alte Mann. Er sicherte seine schwarze Armbrust und steckte sie weg. Anschließend zog er eine Desert Eagle herbei und zielte auf Engl, welcher in diesem Moment aufgestanden war.

Der böse Blick von Engl traf den alten Mann:

„Ach das wird hier gespielt?“, erklärte der Raucher, als hätte er die Lösung herausgefunden.

„Die Banditen waren brutal, hat man mir gesagt.“, begann Kerrad. Er winkte Engl zu den anderen drei. Der Raucher tat, was man von ihm verlangte.

„Es sollen wahre Bestien gewesen sein, die entkommen waren. Woher......., das musste man zu der Zeit noch nicht, aber man wusste, dass es keine normale Menschen gewesen waren. Zumindest waren sie einmal Menschen gewesen.“, erklärte Kerrad weiter.

Die vier blickten den Stadtrat stumm an. Er war nur noch ein paar Schritte entfernt. Er würde sich wahrscheinlich auch nicht mehr nähern. Der ältere Mann zielte weiter mit sicherer Hand auf die vier:

„Man fand später heraus, dass sie aus einem geheimen Untergrundgefängnis ausgebrochen waren. Man hatte verbotene Experimenten an ihnen ausgeführt. Das durfte die Gesellschaft nie erfahren, dass solche Leute auf Ranger Island existiert hatten.“

„Und die alte Dame fand das heraus.“, stellte Engl fest. Kerrad schmunzelte.

Er wirkte nicht verrückt, er wirkte wie ein vernünftiger alter Mann, der aus anderen Gründen die vier bedrohte:

„Richtig. Sie hatte wie auch immer von einem Vielschwätzer wohl erfahren was genau abgelaufen war. Es war wirklich unnötig diese alte Dame entsorgen zu müssen. Ein reiner Selbstmord hätte in dieser Stadt unnötige Fragen aufgeworfen.“

„Aber war es denn nicht Selbstmord?“, fragte Noju.

„Da ihr ja jetzt schon ein Teil wisst......., kann ich euch zumindest sagen, dass das Mädchen, welches als Opfer der Banditen galt, nicht die Tochter der alten Frau gewesen war.“, erklärte Kerrad.

Engl und Noju schauten in diesem Moment angewidert auf:

„Die Tochter der alten Dame ist aber verstorben........, ich verstehe.“, meinte Engl.

„Diese Stadt ist so verdorben.“, stellte er anschließend fest.

Daniel zeigte sich ahnungslos und schaute verwundert um sich. Max versuchte die Situation zu verstehen:

„Wenn die Tote nicht die Tochter war..............“, es hakte bei seinen Überlegungen.

„Ihr habt die Tochter der alten Dame umbringen lassen, um den Selbstmord der alten Dame zu rechtfertigen. Das ursprüngliche Opfer habt ihr einfach verschwinden lassen.“, erklärte Engl.

„Bitte was.“, kam es von Daniel.

„Diese Bastarde!“

Kerrad wirkte unzufrieden und meinte:

„Es war wichtig für den Ruf der Stadt. Was hätte wohl passiert, wenn das hier alles ans Licht gekommen wäre. Unerlaubte Experimente und Menschen, die keine Menschen mehr sind, sondern Monster? Wo auch immer das Untergrundlabor hin jetzt gewandert ist. Ich musste den ganzen Dreck aufräumen. Es war verdammt schwer dem unruhigen Geist einzureden, dass es irgendwann passieren würde. Irgendwann würden ihre geliebten Bösewichte auftauchen.“

„Deswegen hat der Geist nachts in der Stadt gewütet? Weil ihr dachtet, dass irgendwann Verbrecher auftauchen würden, die so etwas schwerwiegendes tun würden, dass man sie für immer den Knast stecken würde. Ihr hättet diese Kerle, dann auf den Friedhof gebracht und geopfert. Weil aber nichts passiert ist, wurde der Geist immer ungeduldiger. Er wäre bald außer Kontrolle geraten. Der Geist ließ sich auch nicht bezwingen, man musste ihn erst vollkommen eskalieren lassen, bevor man seinen Kern vernichten kann. Du wolltest uns opfern, zumindest glaube ich das jetzt.“, erklärte Engl mit eisiger Miene.

„Wow......, da haben wir ein klugen Kopf in der Menge. Wer auch immer ihr beiden seid. Es tut mir Leid. Ehrlich Jungs. Ich wollte eigentlich gar nicht, dass es soweit kommt. Ich wollte zuerst Schwerverbrecher opfern, aber nun.............“, Kerrad zielte auf Engl:

„Und nun seid ihr es.“, in diesem Moment warf Max das glänzende silberne Teil in Richtung von Kerrad. Kerrad zielte sofort auf das Teil und traf es tatsächlich.

Erst anschließend realisierte der ältere Mann, was er getan hatte und blass schreckte er zurück, als sich der Schatten ausbreitete. Der Schatten krallte sich zugleich Kerrad Tormal und brüllte mit tiefer Stimme:

„DU WARST ES! DU HAST SIE GETÖTET! DU HAST MEINE TOCHTER UMRBINGEN LASSEN!“, bevor Kerrad auch nur irgendeine Bewegung machen konnte, brach der Geist ihm beide Arme und der ältere Mann brüllte auf.

„LEIDE!“, die tiefe zornige Stimme hallte über den alten Mann und zeitgleich zerquetschten die riesigen Klauen des Schatten den Körper des Mannes.

Ein lautes Knacken war zu hören und der Schrei des älteren Mannes stoppte, anschließend flog der leblose Körper zu Boden.

Der Schatten drehte sich um und starrte die vier an.


 

Ein leichter Wind kam auf und die Gegend fühlte sich kühler an. Der Geist hatte sich zurückverwandelt. Die alte Dame schwebte höher in die Luft und rief mit hallender Stimme :

„Alles so verdorben. Alles ist so verdorben!“, sie brüllte weiter mit kräftiger Stimme. Wolken zogen plötzlich auf und verdichteten den Himmel. Es wurde sehr kühl und der Boden fing an zu beben. Frost bildete sich schon langsam auf den Pflanzen.

„Alles muss seine gerechte Strafe erhalten.“, verkündete der Geist.

„Mist, der Geist hat nicht genug.“, fluchte Engl.

„Was würde deine Tochter dazu sagen?“, meinte Max schlagartig aus dem Nichts heraus und plötzlich stoppte der Geist. Er starrte den schwarzhaarigen Jungen direkt an.

„Wäre sie damit einverstanden unschuldige Menschen zu bestrafen? Hat sie jetzt nicht ihre Gerechtigkeit bekommen? Wer sagt denn, dass alle Menschen in dieser Stadt daran Schuld haben? Viele fühlten den Schmerz mit.“, Max probierte es einfach, auch wenn ihm klar war, dass dies auch nicht funktionieren könnte. Die geisterhafte Frau blickte ihn zornig an und ließ den Boden leicht beben. Ihre Hände formten sich zu kleineren Krallen.

„Was machst du da?“, fragte Engl nervös und schaute sich um. Wahrscheinlich wollte er zur Leiche und die schwarze Armbrust holen. Selbst er wurde langsam nervös.

„Sie war ein gutes Kind! Sie hätte jedem geholfen!“, begann die alte Frau. Ihre Stimme wurde menschlicher.

„Hätte sie auch die Menschen bestraft, wenn sie ihnen nicht geholfen hätte?“, hakte Max nach.

Die alte Frau verstummte und starrte ihn an. Sie ließ die Wolken wieder verschwinden und die Sonne strahlte wieder auf den Hügel. Der Boden bebte nicht mehr. Ihre Klauen hatten sich zurückverwandelt.

„Nein.“, fing der Geist anschließend an.

„Sie hätte niemanden auch nur irgendetwas getan.“,

"Es funktioniert!", stellte Max zufrieden fest. Er durfte nur jetzt kein Fehler mehr machen.

Engl schien es wohl ebenfalls zu kapieren und mischte sich anschließend ein:

„Gehe zu deiner Tochter und finde mit ihr deinen Frieden. Die Gerechtigkeit hat gesiegt. Der Schuldige hat gelitten. Lass uns, den Lebenden, das Urteil über das Übrige fällen. Du musst dich damit nicht mehr auseinandersetzen. Deine Tochter wäre bestimmt sehr glücklich darüber, wenn du ihr zur Seite stehen würdest. Du musst die restlichen Verantwortlichen nicht leiden lassen, ihr Gewissen übernimmt das schon. Sie leiden seit dem Tag, an dem es passiert war. Ihr Gewissen frisst sie langsam auf und das ist Schmerz genug, vertrau mir.“, Noju trat langsam heran und beendete den Satz von seinem Kollegen :

„Ich habe gesehen, dass sie sogar ein Denkmal für euch errichtet haben. Die Statue da hinten.“, er zeigte auf die kleine Erhöhung mitten auf dem Friedhof. Darauf stand die ausgearbeitete Statue des jungen Mädchen. Auf einem kleinen Kreuz davor stand eine Aufschrift:
 

Unsere Herzen und Gedanken liegen bei den Mutigen, die uns daran erinnern, für was wir leben. Wir gedenken an die Toten, die gütig waren und uns das Leben gezeigt haben. Wir erinnern uns an die, die leider zu früh gegangen sind und uns noch vieles hätten lehren können.
 

Die Frau wandte sich von der Gruppe ab und starrte zu diesem Denkmal. Es herrschte windstille. Der Geist wirkte sehr traurig.

„Ich verstehe die Menschen nicht. Wieso errichten sie ein Denkmal und richten das Wort nicht an mich. Ich konnte hier nur eine Wüste aus Hass sehen.“, meinte die alte Frau, dann schwebte sie noch weiter in die Höhe und schaute auf die Gruppe herab:

„Ich habe es gesehen! Ich habe es in euch gesehen, dass es wohl doch noch Menschen gibt, mit denen sich die Schuld gleicht. Sagt den Menschen der Stadt, dass ich es dennoch nicht vergessen werde und dass sie alle zu feige waren. Ich werde jetzt zu meiner Tochter zurückkehren und mich nie wieder in dieser schrecklichen Welt blicken lassen. Ihr werdet sehen, was ihr von dieser Welt habt. Auf dieser Insel lebt das pure Böse. Ich steige empor....... auf nimmer wiedersehen!“, sie stieg so schnell auf, dass sie nach wenigen Sekunden nicht mehr zu sehen war und dann ließ auch plötzlich die Anspannung in der Atmosphäre auf dem Friedhof nach. Das Grab, das sich noch vor kurzem vor den drei befand, zerfiel endgültig in sich zusammen, sowie die anderen Gräber in dessen Nähe. Der Frost perlte von den Pflanzen ab.

Engl meinte, nachdem er sich eine neue Zigarette aus seiner Schachtel gezogen hatte:

„Ich denke......., damit wäre der Auftrag wohl erledigt?“, er zündete sich die Zigarette an und nahm ein Zug.

„Und wir erklären wir jetzt den toten Stadtrat?“, meinte Daniel nervös. Er sah mit verunsicherten Blicken den Toten an.

„Das wird schwierig, denke ich.“, überlegte Max. Er bekam ein unbehagliches Gefühl, als er die Leichte anstarrte. Der schwarzhaarige Junge hatte keinen Plan.

„Lass das unsere Sorge sein.“, erklärte Engl.

„Ist nicht das erste Mal.“, meinte Noju anschließend. Es schien so, als würde er schmunzeln. Max wollte eigentlich gar nicht wissen, was er damit genau gemeint hatte.

"Was stand eigentlich auf dem Denkmal direkt? Ich sehe von hier aus, dass da noch viel mehr steht.", fragte Marvin Noju, bevor sie den Rückweg antraten. Der Mann erklärte daraufhin:

"Im Gedenken an das grauenhafte Schicksal, möchten wir unsere Schuld nie verlieren, die arme verlorene Seele und ihre Mutter im Stich gelassen zuhaben."

"Und stand auch ein Name dabei?", fragte Max.

"Ja, die Namen waren darunter erwähnt worden. Die Mutter hieß Karma Silberklee.", antwortete Noju.

„Und? Und wie hieß die Tochter?“, hakte Max nach. Der Kollege von Engl seufzte.

"Ganz genau, wie? Der Vorname der Tochter war Orange.", erklärte Noju.

Mr. S --- Im Gespräch

[Linda]
 

Drei Tage waren vergangen seitdem Engl und Noju der Gilde beigetreten waren.

Sie hatten in Abwesenheit von Linda einen Auftrag angenommen und erledigt. Sie hatten den Fluch der Stadt aufgehoben und dafür waren viele Dorfbewohner sehr dankbar gewesen.

Sie erklärten, dass man eine ganz spezielle Zeremonie veranstaltet hatte, um den Geist zu besänftigen. Der Geist soll angeblich anschließend friedlich in den Himmel eingewandert sein.

Ob dies nun die Wahrheit war, konnte Linda nicht wirklich glauben, aber sie mischte sich nicht ein, weil man viele kleine Spenden von der Stadt bekam.

Der Ruhm wuchs, wenn auch nur mit kleinen Schritten, aber zumindest stand man schon in der Tageszeitung.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin las die heutige Morgenzeitung besonders gerne.


 

Leider hatte dies auch eine Schattenseite. Tragischerweise fand man die Leiche des Stadtrats Kerrad Tormal. Beim Absteigen von seinen Treppen vom Erdgeschoss in den Keller sei er abgestürzt und hätte sich viele Knochen gebrochen. Er hatte dazu sein Weinlager umgeworfen und wäre an den Scherben verblutet.

Der jetzige Bürgermeister ließ schnell eine Trauerfeier organisieren und den Toten beerdigen. Es fand keine nähere Untersuchung statt, was Linda mysteriös vorkam. Der Mann war wohl sicherlich froh, dass nun einer seiner größten Konkurrenten verstorben war.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin vermutete, dass dieser wohl seine Finger im Spiel gehabt haben könnte.


 

Engl und Noju hatten nicht alleine gehandelt. Sie hatten Max und noch jemand mitgenommen. Wie es sich herausstellte war es ein weitere Person, welche an Amnesie litt. Sein Name war Daniel Surnax. Nach einer näheren Befragung hatte Linda zugestimmt ihn ebenfalls aufzunehmen.

Sie fand auch, dass es vielleicht sinnvoller war die Jugendlicher der Amnesie unter sich zu lassen. Tina hatte aufgeregt mit den beiden geredet.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin hatte die beiden Jungs anschließend nach dem Ereignis auf dem Friedhof befragt. Beide wirkten sehr überzeugt davon was dort geschehen war.

Sie war nur so genau, weil sie zuerst gedacht hatte, dass dort eventuell ein Kampf stattgefunden hätte. Zeugenberichte berichteten angeblich von seltsamen Geräuschen, die nach Schreien klangen.

Doch mit der Zeit verstrich die Neugierde und Linda widmete sich wichtigeren Dingen zu.


 

Es kamen durch den kleinen Ruhm mehrere Aufträge ins Haus. Durch die größere Zahl an Mitgliedern, konnten auch mehr Dinge gleichzeitig erledigt werden. Die Einnahmen wuchsen und auch die Ausgaben waren nicht sonderlich groß, da die Mitglieder ein Haus und Verpflegung bekamen, dadurch bekamen sie auch nicht allzu viel.

Sie bekamen ein Teil des Geldes von Aufträgen, an denen sie selber teilgenommen hatten, der Rest war der Monatslohn. Bei Engl und Noju gab es eine andere Regelung.


 

Der interessanteste Neuzugang war dieser Dr. Drogan. Er war dieser dritte Kollege von Engl und Noju. Genau wie seine Kollegen war er sehr schweigsam, wenn es um seine Vergangenheit ging, außer zu den Dingen, die was mit einem seiner ehemaligen Berufen zu tun hatten. Der Mann hatte seinen Doktor in der Allgemeinmedizin gemacht, deswegen wurde er von Linda auch gleich als Arzt eingestellt, jedenfalls so lange wie er und seine Kollegen in dieser Gilde aktiv waren.


 

Zwei erfolgreiche Aufträge gab es heute zu verbuchen und es waren auch keine kleinen Aufträge gewesen. Ein besonderer Erfolg hatten wieder einmal die beiden Kampfsportler. Sie hatten ein Trupp Schläger auseinandergenommen, die als radikale Truppe vom Festland kamen, um wohl hier Stress zu machen.

Die heutigen Einnahmen reichten dann schließlich sogar aus, um die Zimmer der Mitglieder neu auszustatten. Die Renovierungen dauerten zwar ein paar Tage an, aber Linda war froh, dass es langsam wieder bergauf ging, was die Gilde anbelangte.


 

Im Verlauf der nächsten fünf Tage passierte nicht sehr viel. Da die Stadt nicht allzu groß war, waren sie schnell in allen Ecken wieder ein Gesprächsthema und sehr beliebt. Jedoch brachte das der Gilde nur bedingt etwas, denn Linda verspürte wieder das Gefühl des Erfolgs und sie wollte wieder mehr, aber um das zu erreichen, musste sie auch wieder außerhalb der Insel eine Bekanntheit erreichen. Sie besaß schon einmal eine Gilde, da sie diese aber vor nicht allzu langer Zeit auflösen musste, war ihre alte Bekanntheit im Nu verfolgen.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin wollte aber nicht mehr über diese traurigen Zeiten nachdenken. Sie hatte jetzt wieder andere Ziele im Kopf. Eventuell das Ausbauen und das Verbessern der Mitglieder ihrer Gilde.

Zu allem Glück soll sogar nächste Woche ein Konzert auf der Insel stattfinden, das war die Gelegenheit um ihre Bekanntheit wieder stark zu erhöhen. Sie würde die Veranstalter fragen, ob ihre Gilde nicht aushelfen konnte. Sie könnte auch die guten Beziehungen zum Veranstalter spielen lassen, der seit der Aktion auf dem alten Friedhof gut auf die Gilde zu sprechen war.

Nur leider überschattete eine weitere schlechte Nachricht die Insel.

Der Besitzer und Eigentümer des Privatbesitz kehrte aus dem Urlaub zurück. Mr. S wurde er genannt, sein wahrer Name war Mr. Redo Sozowanik und immer wenn er zurückkam, passierte etwas Schlechtes, wenn nicht gar etwas Schreckliches.

Letztes Mal verlor die Insel 30% ihres Bereiches an ihn, es war das Versagen der Gesetze, die auf der Insel gegolten hatten. Keiner wusste genau, wie das genau passieren konnte, aber jedem war klar, wenn man nun auch noch die letzten 20% verlor, dann würde er die Stadt platt machen und alle verscheuchen oder hohe Steuern verlangen.

Man munkelte viel über ihn, aber alle waren sich einig. Er war ein schlechter Mensch. Er lebte sehr verschlossen. Er schickte nur seine Lakaien, die ebenfalls keine gute Menschen waren. Man sagte ihnen nach, sie wären nicht mal menschlich.

Seit der neusten Ankunft war aber noch nichts Schlechtes passiert und die Stadt lebte bisher fröhlich ihren Alltag.


 

Die Woche verging wie im Flug. Die Band reiste an und mit ihr, eine große Anzahl an Fans. Es war wohl eine beliebte Band in der Welt gewesen, die zurzeit ein Hit nach dem Anderen landete.

Die Band bevorzugte Orte für ihre Konzerte, die geheimnisvoll und mysteriös waren. Dieses Jahr hatten sie sich Ranger Island ausgesucht. Ihr Name war: 'Hotelbewohner'. So nannten sie sich.

Sie hatten ein Hotel gemietet und die Fans, sowie die Presse hatten sich wie wild darum versammelt und warteten sogar tagelang.

Die Stadt verfiel in einem fröhlichen Chaos. Die Bühne wurde auf dem großen Platz in der Stadtmitte errichtet und die Leute tummelten sich schon oft vor der aufgebauten Bühne.

Die Fans murmelten wie toll das letzte Konzert von der Band war oder wie toll dieses sein werden wird. Natürlich erlebte die Stadt dadurch für eine Woche ein gigantischen Boom an Zuwachs. Leute strömten auf diese Insel, aber dank dem Schifffahrtsverkehr, konnte man die Anzahl der Zuschauer gut begrenzen.

Leider war das Mr. S wohl ein Dorn im Auge. Anscheinend hasste er es, wenn jemand seine Insel entweihte. Er hatte seit Tagen gedroht und geflucht. Er schickte unterbrochen Botschaften ins Rathaus, vermutlich hasste er es, wenn er nichts dagegen unternehmen konnte. Es war nach seiner Aussage ein Unding, sollte ein Festival auf der Insel stattfinden. Vor allem während er auf dieser Insel anwesend war.

Früher hatte Mr. S versucht auf rechtlichen Wegen wegen Lärmbelästigung die Stadt zu verklagen und hatte sogar ein paar Mal Recht bekommen, jedoch klappte dieses Mal dieses Unterfangen nicht, die Band war einfach zu beliebt. Er kam nicht mit seinem Geld und seiner Macht dagegen an. Das Konzert würde stattfinden, egal was er tun würde, aber das hielt ihn nicht davon ab und er tat das, was ein paar bestimmte Leute befürchtet hatten. Er ließ die Band über Nacht entführen, als sie im Hotel schlief. Zeugen hatten angeblich gesehen, wie ein Trupp unheimlicher Männer in das Hotel gestürmt war, alle Wachen ausgeschaltet, zum Glück nicht getötet und die Bandmitglieder gewaltsam mitgenommen hatten.

Das Ganze sei so schnell passiert, dass die Gerüchte von Monster sprachen. Mit roter Schrift war im Hotelzimmer groß an die Wand das Wappen von Mr. S gezeichnet worden, was ihn eindeutig als Täter beschuldigte, seitdem reagierte er auf keine Kontaktaufnahme mehr.

Die Zuschauer durften das ja nicht erfahren und man entschied sich für eine Ersatzlösung.

In den nächsten Tagen sollten Vorbands spielen, die auserwählt worden waren um Zeit zu schinden. Man entwickelte schnell eine Bewertungsshow, indem die Zuschauer die Vorbands bewerten konnten und damit die Zuschauer keinen Verdacht schöpften, versprach man ihnen, dass fünf zufällige Personen ausgewählt werden und ein Tag mit der Band verbringen durften.

Somit hatte man jetzt ein bisschen Zeit gewonnen, die Band zurückzuholen. Linda hatte auf dieses Chance gewartet und nahm den Auftrag sofort an. Die Stadt akzeptierte ihre Anfrage und versorgte die schwarzhaarige Gildenmeisterin mit allen Informationen, welche die Stadt ihr dazu geben konnten.

Linda und ihre Gilde würden dafür sorgen die Bandmitglieder lebendig und unbeschadet zurück zu holen, damit das Konzert noch rechtzeitig stattfinden konnte und kein Skandal an die Öffentlichkeit gelangte. "Vielleicht gelingt dieses Mal auch endlich ein essentieller Schlag gegen Mr. S?", hoffe die Gildenmeisterin.

Mr. S II --- Durcheinander

[Linda]
 

„Wir gehen rein, zerlegen seine Bude und holen uns die entführte Band wieder, fertig.“, meinte Engl. Er sah nicht so aus, als würde er da auf irgendwelche Kompromisse eingehen wollen. Der Mann zeigte auf einen bestimmten Punkt, auf der ausgelegten Karte, welche auf dem Holztisch lag.

Die Karte zeigte Ranger Island von oben, darauf war schwach die Villa zu erkennen, die weit östlich von der Stadt lag und die wohl immer noch der Rückzugsort von Mr. S sein müsste, doch Linda schüttelte den Kopf:

„So einfach wird das nicht.“, meinte sie und deutete auf den Kommissar, der die ganze Zeit schon grimmig neben den Beiden stand.

Engl zog seine Augenbrauen hoch:

„So hat das bisher bei uns immer funktioniert?“, Linda blickte schweigend den Raucher an. Engl wandte sich daraufhin zur Seite und meinte:

„Herr Kommissar, wir sind Profis. Machen sie sich keine Sorgen.“

"Ihr seid eine Gilde, die Ranger Guild. Außerdem kenne ich euch beiden gar nicht, wie soll ich euch da vertrauen können. Dieser Mann ist eine andere Liga und ich rate euch, dass wir auf die richtige Verstärkung warten. Vielleicht dauern die Verhandlungen gar nicht so lange. Wobei wir wissen, dass Mr. S nicht gerne verhandelt.", erklärte der Kommissar. Heon wollte wieder gehen, aber die schwarzhaarige Gildenmeisterin meldete sich zu Wort:

„Zuerst versuchen wir erst einmal mit Vernunft. Wir sind keine Barbarengilde, sowie die Knüppelschwinger von Festa, die immer dem Steinzeittrend nachjagen. Wir machen das strukturiert, Herr Kommissar.“, verdeutlichte Linda und versuchte die Stimmung mit einem eingebauten Witz aufzulockern, aber sie starrte anschließend nur in schlechtgelaunte Gesichter.

"Die verstehen auch kein Spaß, na gut, aber irgendwie muss ich den Kommissar umstimmen. Die Gilde braucht diese Möglichkeit. Wir müssen unbedingt dabei sein.", dachte Linda entschlossen und sah dabei den grimmigen Kommissar nachdenklich an.

Heon schien das aufzufallen und er fühlte sich daraufhin wohl ein klein wenig unwohl, denn er räusperte sich.


 

Eine Faust schlug plötzlich auf den Tisch ein, dadurch knarrte dieser bedrohlich auf und drohte zusammen zu brechen. Engl, der Kommissar und Linda starrten leicht verwundert auf. Die Faust gehörte einer Fremden.

Diese Fremde stand schon eine Weile am Tisch.

Das achtzehnjährigen fremde Mädchen, welches vor drei Tagen in die Stadt kam, um dem Konzert beizuwohnen, traf zufällig auf Max und Daniel.

Das fremde Mädchen war der felsenfesten Meinung gewesen, dass sie die beiden von irgendwoher kannte.

Jedoch die beiden Jungs erinnerten sich zunächst nicht an sie. Das Mädchen nannte schließlich unbedeutende Fakten, also Kleinigkeiten, die kaum ein Fremder über die beiden wusste, dennoch konnte sie nur sagen, dass sie die beiden früher für nur ein paar Tage kennengelernt hatte.

Daniel und Max erklärten nach einer Weile, dass so ein Gefühl da war, welches die Behauptungen des fremden Mädchen bestätigten. Es waren keine Erinnerungen, aber ein bestätigendes Bauchgefühl.

Ihr Name war Jessica Blütenfeld.

Tina kannte sie aber nicht und andersherum auch nicht, also hatte das fremde Mädchen wahrscheinlich nichts mit den Kratern zu tun. Selbst eine Berührung brachte nichts.

Jessica selbst hatte ansonsten noch ihr Gedächtnis und kein Schimmer von Kratern, zudem hatte sie keine Ahnung warum die drei in einem Krater aufgewacht waren. Sie erzählte, dass sie die beiden Jungs zuletzt vor Jahren gesehen hatte und das auch nur kurz, aber diese kurze Begegnung war ihr in Erinnerung geblieben, denn es sei damals etwas Abenteuerliches passiert. Jessica führte aber niemals aus, was genau damals geschehen war.

Daniel und Max wirkten die ganze Zeit ziemlich verunsichert und blieben unruhig, als würde ihnen Stück für Stück dämmern, wer diese Person war.


 

Das Mädchen hatte dunkelbraunes langes Haar, welches ihr bis zur Brust reichte, dafür waren ihre Haare besonders glatt. Sie trug ein goldenes Stirnreif, auf dem Stirnreif war das Symbol der entführten Band zu sehen. Ihre Pupillenfarbe war braun und sie hatte eine ovale Gesichtsform. Das fremde Mädchen hatte stets ein Lächeln im Gesicht. Sie trug einen Kombination aus weißen Klamotten in Verbindung mit schwarz. Das Mädchen trug dazu eine schwarze Umhängetasche.

Sie erzählte, dass sie schon damals auf den Konzerten mit dabei gewesen war, deswegen kannte sie die Mitglieder gut, aber die Mitglieder kannten diesen Fan wohl nicht besonders. Man könnte Jessica als Stalker bezeichnen, aber das hörte sie wohl nicht gerne, auch wenn das Mädchen selbst davon erzählt hatte.

Sie ging auch gar nicht näher auf das Thema ein, als Engl skeptisch nachgehakt hatte.

Sie wollte nur eines! Sie wollte die Band wieder haben und dafür musste dieser Mr. S schwer leiden, nach ihren Worten nach.

Linda spürte ihre Entschlossenheit und fragte vorsichtig nach, als das fremde Mädchen wieder ihre Faust vom Tisch hob, sie hatte die Karte dabei zerknittert:

„Gibt es ein Problem, Süße? Ich dachte ich hätte mich zuvor klar ausgedrückt, als ich gesagt hatte, dass du gelassen wieder ins Hotel gehen kannst. Wir kümmern uns schon um alles. Wie hast du eigentlich davon erfahren? Du hast mir diese Frage immer noch nicht beantwortet.“

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin hatte schon zuvor knapp eine Stunde mit dem Mädchen geredet, welches einfach urplötzlich vor dem Hauptquartier aufgekreuzt war.

Ihre aufbrausende Art und Weise schreckte wohl die Meisten ab.

Daniel und Max hielten Abstand zu ihr, zudem wirkten sie immer nervöser in ihrer Gegenwart.

Die beiden Jungs hatten sich zuvor ebenfalls mit Jessica unterhalten.

Tina hingegen fand Jessica eigentlich sehr nett und teilweise sogar sympathisch. Alina hielt sich von ihr fern und sorgte dafür, dass Rick dies auch tat.

Niemand konnte sich erklären, wieso die Fremde so viel wusste, aber Jessica hatte von der ganzen Sache irgendwie Wind bekommen, wahrscheinlich als sie der Band wieder nachgegangen war.

Wahrscheinlich war sie so vermutlich dem Plan auf die Schliche gekommen, deswegen stand Jessica jetzt hier und sie würde wahrscheinlich auch bis zum Ende bleiben.

Das entschlossene Mädchen ließ sich auch nicht beirren. Linda konnte sie nicht verscheuchen.

„Wir zerlegen nicht nur seine Bude, wir zerstören sie! Wir löschen sie aus, wir tilgen deren Existenz von diesem Planeten. Wie kann dieser Wichtigtuer das tun?! Nur jemand, der dem Leben müde ist, würde sich mit mir anlegen! Mit der Band! Er weiß doch ganz genau, was die Fans mit ihm anrichten, wenn sie das rausbekommen werden!“, drohte Jessica und ließ ihre Hände knacksen.

"Die bräuchte ich in meinem Team, wenn sie ein bisschen älter wäre, dann würde sie bestimmt in den Turnieren groß aufräumen. Nur ihre überhebliche Art könnte noch ein Hindernis werden.", überlegte Linda und grinste, dann kam sie wieder zu Sinnen:

„Und deswegen werden die Fans es auch nicht herausfinden, Süße!“, meinte Linda und versuchte wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen.


 

Die Situation stockte, da keiner der anderen sich ernsthaft am Thema zu beteiligen schien, nur dem Kommissar platzte fast der Kragen :

"Hier wird nichts zerstört! Meine Männer sind dafür gut ausgebildet.", erklärte der ältere Mann. Engl und Noju traten hervor:

"Wollen wir eine Wette abschließen, Herr Kommissar?", fragte Engl und der Kommissar wirkte eher noch verärgerter, aber Engl ließ ihn nicht zu Wort kommen

"Eure Männer werden alle nicht gleichzeitig gegen mich oder Noju ankommen. Wenn ich sie überwältige, dann gehen wir sofort los zu Mr. S.", meinte Engl mit überzeugten Blicken.

"Du überschätzt dich, Jungchen. Du scheinst zwar stark auszusehen, aber gegen 10 Leute kommst du niemals gleichzeitig an.", stieg der Kommissar darauf ein. Engl schnippte und Noju zog eine Augenbinde herbei und verband Engl die Augen. Der Kommissar blickte misstrauisch:

"Du meinst das ernst?", fragte er unsicher und Engl nickte. Es herrschte einen kurzen Moment Stille in der Halle.

"Dafür haben wir echt keine Zeit.", meinte Linda genervt und zog Engl die Augenbinde wieder weg.

"Wir sollten uns lieber einen richtigen Plan ausdenken.", beschwerte sich die schwarzhaarige Gildenmeisterin anschließend und seufzte lautstark.

Sie sah zu jedem ihrer Gildenmitglieder. Alina klammerte sich an Rick und streichelte ihm über den Rücken. Tina stand abseits und sah ein wenig allein aus. Max und Daniel saßen am runden Tisch und wirkten gelangweilt, abgesehen von ihrer Nervosität.

Sehr interessierte sie das Thema wohl auch nicht.

Jedoch waren die beiden Jungs der gleichen Meinung wie der Rest der Gilde und zwar, dass man Mr. S eine Abreibung verpassen sollte.

Wegen ihm gab es auch kein Freibad mehr auf der Insel, das hatte Linda den beiden Jungs heute Morgen erst erzählt und dies hatte ihre jetzige Meinung verstärkt.

Durch die aufbrausende Art des Mädchens war die Gruppe ein wenig durcheinandergeraten.

Dr. Drogan stand nun neben dem hölzernen Tisch und betrachteten die zerknitterte Karte. Jessica stand neben Linda, neben Linda stand der Kommissar und blickte immer noch misstrauisch zu Engl und Noju.

"Ruhe, wir sollten unsere Kräfte aufsparen, ansonsten werfe ich euch drei aus meiner Eingangshalle.", drohte Linda. Sie hatte genug von der Zankerei. Engl, Noju und Heon schauten mit ernsten Blicken zu ihr. Linda gefiel ein wenig ihre jetzige Machtposition.

„Los geht es!“, motivierte das aufbrausende Mädchen.

Jessica war ebenfalls schon sichtlich voller Eifer und Ungeduld, aber sie war kein Mitglied der Gilde und sie hatte auch klargestellt, dass sie nur solange da war, wie die Band auf dieser Insel. Linda hätte zu gern ein weiteres Mitglied, wie sie, gehabt. Es ärgerte die schwarzhaarige Gildenmeisterin schon ein wenig.

„Nur Engl, Noju und Dr. Drogan kommen mit mir mit. Wir besuchen Mr. S direkt und sorgen dafür, dass er die Band freilässt. Wir befreien sie auf jeden Fall, auch wenn die Verhandlungen scheitern sollten.“, meinte sie kompromisslos.

"Warte warte, ich habe hier das sagen.............", meinte der Kommissar, aber er kassierte sofort ein bösen Blick von Linda und er verstummte dadurch, dann seufzte er nach einer Weile und meinte kleinlaut:

"Nun gut............., aber.............. nur ihr Vier, die Kinder dürfen nicht mit. Ich warne sie Gildenmeisterin Westallya!", Linda nickte, sie würde ihre Schützlinge nie in Gefahr bringen. Sie würde nur mit den Stärksten der Gilde gehen.

Die Schwarzhaarige hielt Engl, Noju und Dr. Drogan für sehr fähig. Sie hatte sich eines Abend mit ihnen zusammengesetzt, um wenigstens zu erfahren in welche Kampfsportarten die drei unterrichtet sind. Sie waren in fast alle Kampfsportarten unterrichtet worden, stellte Linda damals entrüstet fest.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin hatte auch eine Weile gebraucht, bis sie die drei Männer mit ihren Codenamen ansprach, ohne sich blöd vorzukommen.

„Der Rest sorgt für Ruhe in der Stadt oder bewacht das Hauptquartier. Die drei verstörten Jugendlichen sind immer noch nicht gefasst worden, so wie ich das mitbekommen habe, aber darum werde ich mich auch noch kümmern, sobald ich das hier erledigt habe.“, erklärte Linda.


 

„Bitte passt auf euch auf!“, sprudelte es plötzlich aus Tina heraus, sie wurde plötzlich knallrot im Gesicht. Anscheinend war ihr diese kleine Sache sehr peinlich, aber keiner schaute sie wirklich an. Linda war die Einzige und lächelte sie an:

„Danke Schätzchen, es wird schon alles gut werden, wenn etwas Unvorhersehbares passiert, dann geben wir euch per Anruf Bescheid!“

Linda sagte das nur, um Tina zu beruhigen, sie selber war sich sicher, dass so etwas nicht passieren würde. Die Gildenmeisterin war sich aber sicher, dass die Verhandlungen scheitern werden, aber Linda ging trotzdem, denn sie brauchte mal wieder einen richtigen anspruchsvollen Auftrag, der alles von ihr abverlangte.

Es wurde sowieso langsam Zeit, dass man Mr. S einen Dämpfer verpasste. Dies stand mehr als je fest, als Mr. S meinte, er müsste die Band entführen. Damit war das Fass nun endgültig übergelaufen.

Sie war somit ebenfalls voller Eifer, sodass man es fast förmlich in der Luft spüren konnte.

„Lasst uns keine Sekunde mehr verlieren! Wir haben nicht ewig Zeit.“, meinte Jessica und schlug erneut auf den Tisch, Linda ging das langsam wirklich auf die Nerven:

„Du bleibst schön hier!“, meinte die schwarzhaarige Gildenmeisterin streng und sah das Mädchen finster an, aber Jessica blickte ebenfalls nicht eingeschüchtert finster zurück.

Beide Blicke waren sehr dominant, sodass eine gewisse Spannung in der Luft schwebte.

Es endete in einem Unentschieden.

„Ich werde gehen! Du wirst mich nicht aufhalten!“, drohte Jessica. Linda seufzte. Sie hatte nicht vor eine Diskussion anzufangen und wandte sich den beiden Jugendlichen zu:

„Sorgt ihr dafür, dass sie hier bleibt.“, die beiden Jungs fielen fast von den Stühlen und starrten erschrocken auf:

„Bitte was?“, sagte Daniel und dachte wohl er hätte sich verhört. Die Beiden sahen so aus, als hätte man ihn befohlen aus einem Flugzeug zu springen und das ohne Fallschirm. Sie blickten nervös um sich, ob nicht ihnen jemand zur Hilfe kam, aber es blieb allgemein still.

„So? Ihr wollt mich aufhalten?“, meinte Jessica und grinste, sie ließ ihre Hände knacksen.

Max meinte plötzlich:

„Ach....., das kann was werden.“, er stand auf und ging in Richtung der Toiletten.

„Eigentlich muss ich auch.“, meldete sich Daniel zu Wort und verschwand auch dorthin.

„Weicheier.“, meinte Jessica leise und war sich anschließend wohl sicher, dass sie von niemanden mehr anderes aufgehalten werden würde.

Linda seufzte erneut.

"Die könnte aber auch echt zum Problem werden.", dachte die schwarzhaarige Gildenmeisterin genervt.


 

Als es nichts mehr zu Bereden gab, machten sich die Vier auf den Weg zur Villa von Mr. S, welche weit im Osten der Insel lag. Würde man zu Fuß gehen, dann wären es bestimmt über 15 Kilometer. Die Insel war noch ein enormes Stück breiter. Man könnte theoretisch in 3 Stunden das andere Ende der Insel erreichen, wenn man ein Fahrrad dabei hatte und damit im Schnitt über 15 Kilometer pro Stunde fuhr.

Die vier sagten, dass sie morgen Abend spätestens zurück wären. Linda hatte die drei jedoch schon vorgeschickt, denn sie selber versteckte sich und wollte schauen, was die anderen Gildenmitglieder trieben. Sie wollte ihre Schützlinge in Sicherheit wissen.

Jessica wartete einige Minuten, bevor sie sich entschloss einfach loszugehen. Niemand hielt sie auf, so wie Jessica sich das auch wohl vermutlich vorgestellt hatte, aber sie ging dann doch nicht allein. Max und Daniel folgten ihr unfreiwillig. Linda beobachtete sie weiter:

"Sie halten sich nicht an meine Regeln, dafür bekommen die noch von mir eine saftige Strafe.", dachte sie nur und seufzte ein weiteres Mal versteckt hinter den Bäumen.

Linda sah ein, dass sie die drei vielleicht gar nicht aufhalten sollte, sie musste einfach schneller mit den Verhandlungen sein, als die drei brauchten die Villa zu erreichen. Linda beobachtete die Gruppe noch eine Weile und folgte ihnen weiter in die Wälder hinein.

Irgendwann schüttelte Linda ihren Kopf, denn nach einigen Minuten standen Max und Daniel irgendwo hinter der Grenze im Wald allein ohne Jessica.

„Na klasse.“, sagte Max genervt und fluchte sichtlich innerlich.

„Ich schätze, dass wir sie verloren haben? Sollen wir jetzt hier warten?“, meinte Daniel, mit einem sehr unmotivierten Gesichtsausdruck..

"Man............, ich hoffe dieses Mädchen Jessica kann auf sich selbst aufpassen und die Beiden bleiben jetzt endlich hier oder hoffentlich kehren sie um.", dachte Linda.

„Nun gut......, ich habe jetzt den drei genug Vorsprung gelassen. Es wird Zeit, dass ich sie einhole.“

Linda sprintete los, sie musste den anderen drei schnell hinterher, die schon weit voraus waren.

Sie hatte schon zu viel Zeit verloren. Linda konnte einfach nur hoffen, dass nichts Schlimmes passieren würde.

Die beiden Jungs machten jedenfalls den Anschein, dass sie nicht mehr weitersuchten und zurück gehen wollten. Vielleicht bestand ja die Hoffnung, dass am Ende doch noch alles gut werden würde.

Mr. S III --- Geplänkel

[Rick]
 

Die späte Mittagssonne strahlte über die roten Dächer des Hauptquartiers. Die Vorbereitungen für das große Konzert waren im vollen Gange, währenddessen wurde die Vorshow organisiert, um die Gäste bei Laune zu halten. Die Fans ahnten noch nichts und die Presse hatte ebenfalls noch nichts mitbekommen. Die Polizei und der Kommissar leisteten gute Arbeit, um die Sache zu vertuschen, aber wie lange konnte dieses Spiel noch andauern? Konnte man das überhaupt Spiel nennen? Oder war das zu zynisch?


 

Der Kommissar musste wieder weg. Er gab schließlich zu, dass er Ranger Guild vertraute. Er vertraute Linda. Sie hatte ihm damals sehr geholfen.

Heon wandte sich einem anderen Ziel zu und zwar die Verfolgung der drei jugendlichen Verbrechern.

In der gläsernen Halle saßen dann schließlich nur noch Rick, Alina und Tina. Sie nahmen immer noch am großen Holztisch.

Rick war sichtlich gelangweilt. Er hätte sich heute Aufregenderes vorgestellt.

"Wir sollen hier sitzen bleiben, während sich Linda so sich dafür einsetzt? Wieso dürfen wir nichts tun? Die anderen hat es auch nicht interessiert, vor allem dieses fremde nervige Mädchen ist dann doch einfach verschwunden.", dachte Rick unzufrieden.

Nach mehreren Überlegungen sah er schließlich auf. Er fasste ein Entschluss:

"Diese Warterei und diese Ungewissheit nerven mich gewaltig. Ich will was tun. Ich will was erleben, wenigstens eine kleine Unterstützung sein. Linda weiß das. Sie will uns nur beschützen. Das kleine Abenteuer im verlassenden Hauptquartier vor ein paar Tage war ja auch irgendwie besonders gewesen. Es war gefährlich, aber wir sind keine kleinen Kinder mehr.“, Rick sah zur Eingangstüre. Das Sonnenlicht strahlte durch die gläserne Front.

„Linda war nicht einmal allzu böse gewesen. Ich muss mich einfach nur ein bisschen besser beweisen, ich bin stark. Jetzt bin ich mal dran die Gilde zu beschützen. Ich will Linda unterstützen.", er bemerkte dabei nicht, dass er von Alina die ganze Zeit angestarrt wurde.

"Ist etwas?", fragte er dann schließlich, als er dies bemerkte.

Das blonde Mädchen lächelte ihn an und meinte:

"Nein..... nein.......... du wirkst nur wieder so............ wie immer halt. Du willst bestimmt hinterher, nicht wahr? Du willst was tun, was erleben? Ich kenne dich, Rick.", erklärte Alina mit erfreuter Stimme. Sie schien nicht sonderlich abgeneigt zu sein.

"Linda würde wahrscheinlich wieder sauer werden.", meinte Rick.

"Als ob dich das wirklich stört. Du willst doch auch nicht nur einfach herumsitzen, nicht wahr?", meinte Alina und klammerte sich fest an seinen Arm. Das tat sie immer wenn sie aufgeregt war.

Alina wollte wohl auch wieder spannende Dinge erleben, das letzte Abenteuer war für sie wohl nicht genug, auch wenn sie am Ende ziemlich panisch gewesen war:

„Das letzte Mal war ziemlich knapp.“, meinte Rick. Er wollte sie testen. Alina lächelte immer noch:

„War es aber nicht aufregend?“, sie schmiegte sich an ihm und schaute ihm fest in die Augen.

Für einen Moment pochte sein Herz und Rick musste sich kurz beherrschen. Er räusperte sich:

"Aber hast du eine Idee wie wir anfangen sollen?", lenkte er auf ein anderes Thema.

"Ich kenne die Karte der Insel, ich weiß wo die Villa ist.", erklärte das blonde Mädchen stolz.

Rick schmunzelte zufrieden. Seine Freundin war eben etwas Besonderes.

"Nun ja........... ein kurzer Besuch könnte nicht schaden. Wir unterstützen damit Linda. Wir zeigen was wir können. Wir müssen irgendwann auch unser Bestes demonstrieren.", erklärte der Junge. Selbstsicher und überzeugt stand er auf. Alina stand ebenfalls auf.

Tina sprang als Resultat ebenfalls erschrocken auf.


 

Wahrscheinlich hatte sie bisher verträumt durch die Fenster nach Draußen in Richtung Nachmittagssonne gestarrt.

"Lassen wir Tina einfach hier! Sie stört uns nur. Sie kann nichts. Wir müssen stark sein. Eine Behinderung können wir nicht gebrauchen.", erklärte das blonde Mädchen.

"Ach stimmt......... Tina ist ja auch noch hier............. wir können sie nicht hier lassen, wenn irgendetwas passiert bin ich der Dumme, außerdem würde sie mir ansonsten nur Leid tun. Zwar hat Alina Recht, aber ihre Worte sind zu hart.", dachte Rick.

Tina sah schweigend zu Boden. Rick bekam Mitleid.

"Nehmen wir sie mit, ich kann auf sie aufpassen und besser ein Auge auf sie werfen, wenn sie dabei ist.", erklärte er und Alinas Gesichtszüge entgleisten:

"Ernsthaft? Ernsthaft?!", sie schnippte ihm an die Stirn. Rick wich vom Stuhl zurück, er verstand ihre Reaktion nicht.

Tina schaute schließlich traurig zur Seite und Alina sah beleidigt an die Decke.

„Ich warne dich!“, murmelte Alina wütend vor sich hin.

„Wir können sie nicht allein lassen.“, erklärte Rick. Er war nachdenklich geworden.


 

Eine kurze Zeit später stand Rick mit Alina und Tina allein vor dem Eingang des Hauptquartiers. Tina unterbrach mit schwacher Stimme die Stille:

„Werdet ihr wirklich gehen? Ich will mich nicht da einmischen, falls es euch stört.“, fragte sie, mit zittriger Stimme. Sie fühlte sich anscheinend nicht wohl, ihr war die ganze Situation sichtlich unangenehm:

"Ihr könnt gehen wenn ihr wollt, ich bleibe einfach hier. Ich passe auf das Hauptquartier auf.", erklärte das Mädchen mit einem traurigen Lächeln. Sie wirkte sehr niedergeschlagen.

Rick bekam immer mehr Mitleid mit ihr.

"Ich kann dich nicht hier allein lassen. Du kannst gern mitkommen, dann kann ich besser auf dich aufpassen. Dir passiert schon nichts, dafür sorge ich. Mit Garantie!", erklärte Rick stolz. Er musste wieder lächeln.

Wenn der Junge ehrlich war hatte er sie inzwischen in sein Herz geschlossen, aber für ihn war sie in gewisser Hinsicht eine Art jüngere Schwester.

Alina zickte erneut:

"So so so ist das also................? Gefühle, nicht wahr? Ich weiß nicht was die Göre treibt, wenn wir sie aus den Augen lassen. Besser wir nehmen sie mit, als das sie hier noch irgendetwas Dummes anstellt. Sie wäre mehr im Weg, wenn du sie außer Acht lassen würdest. Die Göre ist allgemein nur im Weg. Vielleicht will sie nichts Gutes?", Tina sah daraufhin erneut traurig zu Boden.

"Alina benimm dich! Sie ist ein Gildenmitglied!“, meinte Rick unzufrieden. Alina sah daraufhin beleidigt weg. Sie ließ ihn aber nicht los.

„Wir sollten uns aber nicht in Gefahr bringen, Linda vertraut uns und ich möchte euch nicht zur Last fallen. Wirklich nicht.", meinte Tina. Ihr Stimme klang sehr traurig.

Rick verstand, dass Tina wirklich nur das Beste wollte. Alina war einfach zu voreilig.

"Das Alina immer so böse zur ihr sein muss? Ich muss nachher noch dringend mir ihr darüber reden. Das kann so auf Dauer nicht funktionieren.", dachte Rick.


 

Der Junge beschloss spontan ein paar Schritte auf Tina zuzugehen, sodass sie erschrocken zu ihm hoch starrte. Ihre Augen trafen sein, dadurch erstarrte Tina förmlich zu Eis:

"Wir helfen Linda und du wirst ein Teil dieser Hilfe sein. Ich brauche deine Hilfe. Zu Dritt sind wir stärker und sechs Augen sehen mehr als Vier.", erklärte er mit entschlossenem Blick.

Tina fand wohl zunächst keine Worte und sah verlegen nach unten, jedoch spürte Rick, dass seine Worte das Richtige bewirkt hatten.

„Nein! NEIN! NEEEEIIINN!“, rief Alina plötzlich lautstark.

„Nein! Du wirst nicht meinen armen Rick ein Klotz am Bein sein, Tina! Du benimmst dich und ziehst hier keine solche Nummer ab. Ich behalte dich im Auge, klar?!“

„Klotz am Bein?“, wiederholte Rick erstaunt und schaute seiner Freundin verwundert und zornig in die Augen.

"Sie ist kein Klotz am Bein, sie hat uns damals geholfen. Sie hat dieses Wesen beschworen und uns die drei Typen vom Hals gehalten.", erklärte er und das blonde Mädchen blieb daraufhin ruhig. Sie hatte wohl tatsächlich keine Widerworte.

"Eigentlich war.............", wollte Alina anschließend beginnen, aber sie stoppte plötzlich und das blonde Mädchen sah beleidigt weg.

„Tut mir sehr Leid. Tut mir wirklich sehr Leid.“, meinte Tina, mit trauriger Stimme.

Tina wollte voraus gehen.

„Wo willst du hin?“, fragte Rick plötzlich und machte sich langsam Sorgen um sie. Alina war zu gemein.

Der Junge meinte:

„Warte, niemand geht hier allein! Ich lasse dich doch nicht alleine gehen!“, er wollte Tina folgen, aber Alina hielt ihn fest:

„Was? Du willst mich allein zurücklassen? Ich will nicht alleine auf das Hauptquartier aufpassen müssen. Was wäre, wenn die drei bescheuerten Jugendlichen wieder auftauchen?“, sie blickte Rick beleidigt an und Rick seufzte.

„Was zum Teufel ist mit den Mädchen los? Ich blicke es nicht mehr! Verdammter Mist! Wieso sind die Mädchen gerade so kompliziert und unverständlich?!“, Er verstand die beiden einfach nicht mehr.

Wollte Alina denn jetzt nicht mehr mitkommen? Wieso fragte sie so etwas?

„Willst du jetzt mitkommen oder nicht?“, fragte er schließlich verwirrt und entnervt.

Alina verpasste ihm ein leichten Stoß gegen die linke Schulter:

„Und wer passt dann auf das Hauptquartier auf? Ich bleibe definitiv nicht hier.“, fragte Alina grinsend und sah zu Tina. Sie schien wohl etwas zu Planen.

Rick durchschaute sie und meinte gelassen:

„Wir schließen einfach ab?“, und war sich wohl sicher, dass damit das Problem erledigt war.

Alina sah als Resultat wieder genervt zu ihm, anscheinend war sie wohl nicht mit dieser Antwort zufrieden gewesen.

"Und hast du überhaupt den Schlüssel dafür?", fragte Alina trotzig.

Rick wollte selbstsicher losgehen, aber er bemerkte dann, dass er den Schlüssel nicht mehr in der Tasche hatte:

"Ach Mist. Er ist nicht mehr da.", fluchte er leise. Diese Situation war sehr schlecht.

Alina hob die Schultern und wollte den Schlüssel wohl suchen gehen.

Aber sie würde dort kein Schlüssel mehr finden, denn er befand sich zurzeit woanders, dies erkannte Rick, als er zu Tina schaute.

"Alina.", meinte Rick anschließend mit leichter Stimme und seine Freundin drehte sich mit erhobener Stimme um:

"Ja...... Rick?", sie klang ziemlich gereizt.

Ihre Stimme schien mit jedem Buchstaben höher zu werden.

"Was ist denn los, Rick?" fragte Alina mit zusammengebissenen Zähnen.

Tina hob den Beiden den Schlüssel entgehen, sie klang dabei sehr zurückhaltend:

"Ich habe ihn zuvor auf dem Boden gefunden, ich wusste nicht zu wem er gehörte.", meinte das Mädchen leise.

Alina sah Rick, mit kritischen Blicken, an:

"Du hattest ihn tatsächlich verloren?! Ist das wirklich dein Ernst?!"

"Dafür habe ich jetzt echt kein Nerv.", meinte Rick und seufzte.

Am Liebsten würde der Junge jetzt alles hinschmeißen wollen. Er wollte am Liebsten einfach woanders sein.

"Lass uns jetzt endlich gehen.", gab er anschließend gereizt von sich. Er wusste nicht wie lange er dieses Geplänkel noch durchhalten würde.

Rick überließ Alina den Schlüssel und ging einfach voraus.

Alina nahm den Schlüssel und schloss den Haupteingang des Gildenhauptquartiers ab.

Mr. S IV --- Langeweile

[Max]
 

Dass Daniel und er dann doch einfach losgezogen waren, nagte ziemlich an den beiden. Zumindest nahm das Max an. Er war auf jeden Fall innerlich am überlegen, ob Linda dies nicht sehr schlecht aufnehmen würde.

Zudem hatten sie Jessica aus den Augen verloren. Mit Garantie würde die schwarzhaarige Gildenmeisterin toben, wenn sie das erfuhr.

So grübelten die beiden auf einer Lichtung was nun der beste Weg sei.

Jessica würden sie niemals einholen. Das Mädchen war nicht zu bändigen. Ihre harschen Drohungen und ihre grobe Art hatte die beide Jungs schon sehr eingeschüchtert.

Aber was würde jetzt eigentlich nun folgen?


 

Max würde Linda zutrauen, dass sie wartete und das Mädchen schon längst abgefangen hatte. Der schwarzhaarige Junge schätzte die Gildenmeisterin so ein.

Sie war eine Person, der es wichtig war, dass man auf sie hörte. Natürlich würde sie alles tun, um die Gilde zu beschützen.

Max hatte dieses Pflichtgefühl noch nicht wirklich bekommen. Von Daniel ganz zu schweigen.

„Was glaubst du, wird sie uns erst aufhängen und dann vierteilen oder andersherum?“, fragte Max seinen Begleiter. Sein Sarkasmus klang heraus.

Daniel dachte aber anscheinend wirklich darüber nach und meinte beunruhigt:

„War das ein Witz, oder? Vielleicht schickt sie uns gleich zu den Sternen?“, Max zuckte mit den Schultern.

"Wir haben es sowieso nicht geschafft Jessica aufzuhalten, sie hat uns einfach billig ausgetrickst. Wir haben nur ein Moment nicht aufgepasst. Ein kleinen Moment, verflucht. Wir können auch einfach nur Nieten in Aufpassen sein.", erklärte Max. Er seufzte lautstark.


 

Die Beiden liefen irgendwann ziellos in irgendeine Richtung, in der sie vermuteten, dass sie richtig waren.

Sie waren sich nicht mal sicher, ob sie überhaupt nach Osten wanderten. Die Wege waren alle zugewuchert gewesen und es gab keine Schilder mehr, jedenfalls waren die übrigen Schilder ziemlich kaputt und zerkratzt gewesen. Max konnte sich nicht vorstellen wer die Schilder so zerkratzt haben sollte.

Die beiden hatten versucht die Texte zu entziffern, aber sie gaben schließlich auf.

Vermutlich würden sie nicht dort landen, wohin sie wollten.

„Wahrscheinlich sind wir schneller zurück, als wir denken, denn wir laufen bestimmt wieder nach Westen.“, vermutete Max und Daniel nickte leicht zur Bestätigung. Er könnte auch nur halb zugehört haben. An was dachte der Junge momentan eigentlich?

Plötzlich zeigte Daniel auf eine Straße vor den Beiden.

„Ich habe ein Straße gefunden!“, meinte er freudig. Max sah ihn verwundert an:

"Ach was du nicht sagst?", gab er sarkastisch von sich.

Max folgte ihm dicht, als Daniel auf den großen breiten Weg lief. Den beiden fiel schließlich auf, dass es eigentlich der Weg zum Hafen war.

Beide sahen geknickt zum Boden. Sie waren tatsächlich nicht nach Osten gelaufen. Sie waren nach Süden gelaufen. Sie hatten total versagt.

„Ach....... lass uns doch einfach zurück zum Hauptquartier gehen. Wenigstens wissen wir wieder wo wir lang müssen.“, meinte Max.

Doch als die beide den Rückweg antreten wollte, rief jemand den Jungs zu:

"HEY IHR BEIDEN! SEID IHR VON DER STADT? KENNT IHR DEN WEG DORTHIN?", brüllte jemand Fremdes aus der Ferne.

Die beiden Jungs drehten sich um und betrachteten den angerannten Jungen mit den braunen Haaren, die in der Sonne heller wirkten, als sie wahrscheinlich waren. Seine Haare waren durcheinander und bis zu seinem Nacken lang.

Er war ebenfalls so groß wie Daniel. Der Junge wirkte jedoch kräftiger und breiter gebaut. Seine Augenfarbe war smaragdgrün und seine Gesichtsform war oval. Er trug ein weißes T-Shirt und darüber ein weißes Hemd, dazu eine blaue Jeans und schwarze Turnschuhe.

Es war ein Fremder. Max kannte ihn nicht und Daniel wirkte auch nicht so.

„Sagt mal........ warum starrt ihr mich eigentlich so an?“, meinte der Junge anschließend. Sein Blick zeigte seine Skepsis.

"Nun ja, ich war nur ein bisschen überrascht hier plötzlich angesprochen zu werden.", meinte der schwarzhaarige Junge:

"Wir sind nicht von hier, deswegen kennen wir uns nur bedingt aus.", fügte er hinzu.

"Ach........", meinte der große Junge plötzlich erstaunt.

"Ihr seid auch Touristen? Nun......... eigentlich bin ich kein wirklicher Tourist. Ich bin mit dem Schiff von Festa aus hierher gefahren, weil mir gesagt worden ist, es gäbe hier Antworten. Außerdem habe ich in eine Zeitung über die Sache mit den Kratern gelesen."

"Die Sache mit den Kratern?", wiederholte Max gedanklich.

"Also bist du nicht wegen dem Konzert hier?", fragte Daniel.

"Nein........... niemals. Die Musik der Band ist schrecklich. Ich bin eher wegen etwas anderes hier. Es klingt seltsam, aber ich habe keine Erinnerungen mehr an einen bestimmten Zeitraum."

"Weil du in einem Krater aufgewacht bist, stimmt das?", fragte Max.

Er hielt sein Erstaunen bzw. seine Begeisterung zurück. Im Inneren hatte er gewusst, dass Tina, Daniel und er nicht die Einzigen waren.

"Also doch noch einer von uns!", dachte er zufrieden und war schließlich neugierig geworden.

Max hatte überlegt sich bald ein wenig zu informieren, ob nicht weltweit weitere Krater aufgetaucht sind. Vielleicht würde man dann eine Antwort finden?

„Und du hast bestimmt keine Erinnerungen?“, setzte Max fort.

Der große Junge nickte zögerlich. Er wirkte nervös und skeptisch. Erst nach wenigen Minuten fragte er:

„Dann wisst ihr Bescheid? Wer seid ihr?“

„Gleichgesinnte.“, ließ Max kundtun.

„Dann seid ihr ebenfalls in einem Krater aufgewacht?“, Max und Daniel nickten.

"Dann bin ich doch nicht der einzige Betroffene?“, Max und Daniel nickten erneut.

„Es gibt hier auf der Insel noch jemand. Wir sind alle drei in verschiedenen Kratern aufgewacht. Völlig ohne Erinnerungen, aber ohne Kratzer und Weiteres. Wir sind aller genauso ahnungslos wie du.“, erklärte der schwarzhaarige Junge.

Der große Junge überlegte zunächst und meinte anschließend:

„Ich bin mitten in einem Feld aufgewacht. Es war nicht weit weg von einem Dorf gewesen, welches mich dann in die nächst größere Stadt geschickt hat.", erklärte er.

„Und bisher hatte mir niemand geglaubt und man schickte mich dann zu dieser Insel, da angeblich dort ebenfalls Krater gefunden wurden. Ich war inzwischen der Überzeugung, dass ich der Einzige wäre.“


 

Max wandte sich Daniel zu und meinte:

„Daniel, du hattest Recht. Es gibt außerhalb noch mehr von uns, wahrscheinlich noch viel mehr als wir bisher dachten.“

Der schwarzhaarige Junge drehte sich dann wieder zum Fremden und streckte seine rechte Hand aus:

"Mein Name ist Max Maxxus.........", stellte sich der Junge vor, als ihm einfiel, dass nur eine Berührung ausreichte, um möglicherweise Erinnerungen zu wecken. Der große Junge erwiderte den Handschlag und wieder passierte dieser Schub im Kopf. Neue Erinnerungen platzierten sich, aber insgesamt ergab sich noch kein Bild. Nur wusste Max jetzt Bescheid, wer vor ihm stand.

Daniel nutzte die Chance und  tippte den großen Jungen am rechten Handrücken an.

Der große Junge sah seine Hände an und dann die beiden Jungs. Er brauchte ein paar Minuten und nickte anschließend. Nervös fragte er:

„Habt ihr auch plötzlich eine Ahnung, also ich meine..............“, Max unterbrach ihn:

„Du meinst, dass ich plötzlich weiß wer du bist?“, fragte der schwarzhaarige Junge. Der große Junge nickte erneut:

„Wow.........., aber nun gut. Ich denke, ich habe es verstanden.“, er stoppte kurz und setzte dann seinen Satz fort:

„Du hast dich gerade vorgestellt, also...........“, begann der Fremde.

Er stellte sich wieder vor den beiden auf und verkündete:

„Ich bin Julius Mantax und eure Namen sind mir jetzt bekannt. Dein Name kenne ich schon und sein Name ist Daniel Surnax.“, wieder sah er seine Hände an:

„Also durch eine bloße Berührung mit weiteren Personen aus Kratern werden wieder Erinnerungen verursacht?“, er schien wieder zu grübeln, dabei kratzte er sich am Hinterkopf.

„An was erinnert ihr euch so? Ich komme auf kein gemeinsamen Nenner.“, erklärte Julius.

Daniel meldete sich zu Wort und meinte:

„Ich habe langsam schwache Strukturen im Kopf. Wir waren auf jeden Fall früher in einer Gruppe unterwegs. Ich weiß aber nicht wie viele und wer bzw. wo und warum. Erinnert ihr euch auch plötzlich an so etwas Dunkles?“, Max musste daraufhin nachdenken.

Daniel hatte Recht, auch Max erinnerte sich auch so etwas.

Nur Julius schüttelte seinen Kopf.

„Vielleicht musst du noch Tina berühren. Vielleicht brauchen wir einfach noch mehr von uns?“, überlegte Max.

Ihm fiel plötzlich auf, dass das was er gerade gesagt irgendwie missverständlich war. Max schwieg darüber.

Eine Weile standen die drei da und dachten nach.

„Nun ja............, ich habe jetzt Hunger bekommen und keine Lust mehr darüber nachzudenken. Mich würde etwas anderes interessieren.“, begann Julius:

„Was macht ihr hier eigentlich auf dieser Insel? Ich sehe Armbänder an euren Armen. Seid ihr Mitglieder dieser Gilde?“

"Du hast es erfasst.", fing Max an, aber der große Junge wartete wohl gar nicht die weitere Antwort ab:

„Als ich ein paar Leute vom Festland gefragt habe, murmelten die Meisten von einer ehemaligen Gilde, die hier nicht mehr existierten. Die Ranger Guild, sowie sie in der Zeitung erwähnt wurde, kannte kaum jemand. Wie ist denn diese Gilde so? Ist es aufregend?“, Daniel schwieg und Max musste überlegen was er darauf antwortete:

„Es ist zumindest aufregend. Ich würde vorschlagen, dass du jetzt einfach mitkommst.“, erklärte der schwarzhaarige Junge.

„Dort ist es wärmer und vielleicht finden wir dort etwas zum Essen.“, erklärte Max.

„Das wäre echt cool.“, meinte Julius mit begeisterter Stimme.

„In Ordnung.“, meinte Max ebenfalls erfreut.

„Es gibt noch einiges was man so erzählen kann.“, erklärte der schwarzhaarige Junge.

„Meinst du die Sache mit dem Geist?“, fragte Daniel und Max nickte.

„Geist?“, fragte Julius neugierig.


 

Die Zeit verstrich und sie wanderten zur Stadt. Sie erreichten schließlich bald das Hauptquartier.

"Linda wird sich bestimmt sehr freuen und gnädig mit uns sein, wenn wir ihr ein neues Mitglied präsentieren können. Ich denke Julius wird ebenfalls sehr erfreut sein, wenn er Mitglied wird.", überlegte Max. Dieser Gedanke ließ ihn besser fühlen.

Leider endete ihr Rückweg vor der verschlossenen Tür des Hauptquartiers und leider hatten weder Max noch Daniel ein Schlüssel bekommen.

„Die Tür ist verschlossen. Meine Ahnung sagt mir, dass die drei mit Sicherheit losgezogen sind.“, vermutete Max, aber er war davon schon überzeugt, als er niemand in der Eingangshalle sah.

Julius schaute ihn verwundert an :

„Wohin losgezogen? Und mit den drei meist du auch Tina Break, von der du mir gerade eben erzählt hast? Ich kann mich gar nicht an sie erinnern, wenn ich ehrlich bin. Aber du sagtest ja, ich muss sie nur berühren, oder?“

"Ja.", antwortete Max und drehte sich dann zu den beiden. Er fing an Julius die allgemeine Situation zu erklären.


 

„Die drei sind wahrscheinlich zu einem üblen Kerl, der uns das große Event versaut hat, gegangen. Soweit ich das richtig verstanden habe, wollen viele ihm jetzt an den Kragen gehen. Die Meisten, die ich hier kenne, wollen den Typen zusammenfalten und sind jetzt auf dem Weg zu ihm.“, erklärte Max und Daniel fügte anschließend hinzu:

„Er hat die Band entführen lassen, die hier auftreten soll und wenn das die Fans herausbekommen, dann ist hier die Hölle los und die Stadt wird wahrscheinlich ein sehr schlechten Ruf bekommen. Ein Skandal wäre losgetreten.“, er versuchte das Gesagte mit Gesten zu beschreiben, aber es sah eher albern aus.

Julius überlegte erneut und meinte dann:

„Die Band, von denen ihr so erzählt, mag ich nicht so. Zumindest die Musik nicht. Als ich sie zum ersten Mal gehört habe, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich sie absolut scheiße finde, aber sie zu entführen ist natürlich keine Lösung und wenn der Typ wirklich so übel ist, dann sollten wir ihn doch auch einfach mal besuchen? Wenn das so ein alter seniler Sack ist, der nichts besseres zu tun hat, dann gehört dem mal die Meinung gezeigt.“, erklärte Julius mit überzeugten Blicken.

„Nicht dass ich irgendetwas wüsste, aber wenn sich schon viele auf den Weg machen, klingt das doch in einer Gruppe besser, nicht? Es wäre hier sowieso allein ganz langweilig. Ihr habt ja kein Schlüssel, sowie ich das verstanden habe?“, fragte Julius.

„Der Kommissar ist auch nicht mehr hier. Ich bin nicht so scharf darauf zu warten. Diese Insel steckt sowieso voller interessante Dinge. Der Geist war nun ein Anfang gewesen, denke ich.“, meinte Max. Hoffentlich würden sie dieses Mal die richtige Himmelsrichtung finden.

Sie kamen ja jetzt nicht mal ins Hauptquartier hinein und ein bisschen Frust musste auch abgelassen werden, deswegen stimmte Max dem Vorschlag immer mehr zu, anschließend meinte er schließlich dazu:

„Wir kommen jetzt sowieso nicht mehr ins Hauptquartier, solange alle weg sind, die einen Schlüssel besitzen. Ehrlich gesagt habe ich auch keinen Schimmer wie lange das insgesamt dauern würde. Der Vorschlag klingt interessanter, als hier zu warten und die meisten Läden in der Stadt haben sowieso schon geschlossen.“

Julius grinste plötzlich sehr begeistert:

„Dann mal los.“, da meldete sich Daniel zu Wort:

„Hat Linda denn nicht gesagt, dass dort Leute verschwinden, also auf seinem Grundstück?“

"Ein Grundstück, auf dem Leute verschwinden? Sehr interessant! Lass uns gleich losgehen!", ermutigte Julius. Daniel hatte zwar noch Einwände gezeigt, aber er brach mittendrin ab und stimmte am Ende schließlich doch zu.

Julius fand ein abgebrochenes Ast auf der Straße liegen und hob ihn in die Luft:

„Dieser Mr. S kann kommen! Auch wenn ich ehrlich gesagt gar kein Plan von der ganzen Sache habe.“

„Ich denke, das wird schon..........., hoffe ich.“, meinte Max. Die drei Jungs zeigten sich am Ende dann doch sehr optimistisch, als sie schließlich einfach los wanderten.

Max hoffte dieses Mal den richtigen Weg zu finden und zwar wirklich, außerdem durften sie Jenes nicht vergessen, Linda hatte Max und Daniel aufgetragen, dass sie Jessica finden und aufhalten sollen.

Sie hatten aber in dieser Sache total versagt, also mussten die beiden das Mädchen irgendwie noch schnell einholen und zurückbringen, sollten sie jemals dem Mädchen wieder begegnen.

Das konnten sie später bei Linda als Argument vorlegen, warum sie jetzt nach Osten gingen, so glaubten zumindest Daniel und Max.

Aber Jessica hatte deutlich gezeigt, dass sie eine Klasse für sich war.

Nach weiteren Überlegungen stellte sich sowieso die Frage, was eigentlich schwerer war. Die Sache mit Jessica oder die Sache mit Mr. S.

Mit Jessica war definitiv nicht zu Spaßen, so viel konnten die beiden Jungs in diesem kurzen Zeitraum schon feststellen.

Konnte dieser Mr. S eigentlich überhaupt erahnen mit wem er sich nun alles angelegt hatte?

Mr. S V --- Die Wahrheit

[Linda]
 

Linda, Engl, Noju und Dr. Drogan erreichten ohne Probleme die Pforten der schicken Villa auf dem Hügel im Osten der Insel. Kein Tor, kein Hindernis bzw. irgendein Feind hatte sie aufgehalten. Wahrscheinlich wollte das der Gastherr so.


 

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin hatte die drei noch einholen können. Engl, Noju und Dr. Drogan hatten sich aber auch absichtlich Zeit gelassen. Linda erreichte die drei, bevor sie die Anhöhe zur Villa betreten hatten.

Die Villa war prachtvoll und geheimnisvoll zugleich. Ein schillerndes rotes Dach, eine reine weiße Außenwandfarbe, ovale Fenster mit glänzendes klares Glas, goldenen Rahmen und weißen Säulen, die das Vordach stützten, schmückten das Anwesen.

Das Vordach war langgezogen worden, quer über den ganzen Weg, welcher durch den Garten führte. Man konnte also von der Außenmauer durch das goldene Tor geschützt durch den Regen bis zur Haustür gelangen.

Die hohe weiße massive Mauer umringte die Villa und schützte den Garten und das Haus von der Außenwelt.

Die Torwachen hielten sie nicht auf, stattdessen öffneten sie sogar ohne Worte das Tor.

Zwei große Männer in Freizeitklamotten standen vor dem goldenen Tor. Sie starrten grimmig die Besucher an. Es bestanden keine Zweifel, dass den beiden nicht zu trauen war, jedoch trugen sie keine Waffen bei sich.

Die Ranger Guild Gruppe lief den steinernen Weg entlang.

Man vermutete erst eine Falle im Gebäude.


 

Der Garten war geschmückt mit vielen sonderbaren Pflanzen und Skulpturen. Einige Figuren waren detailreich gestaltet worden.

Der Mann hatte wohl viel Geld, denn ein großen Teich offenbarte sich im Garten. Große Fischarten von roter Erscheinung schwammen darin.

Die Skulptur, die das Wasser in den Teich fließen ließ, war aus reinem Gold, zumindest die Oberfläche.

Mr. S war sichtlich sehr vermögen und man wusste nicht genau, woher er das Geld überhaupt hernahm.

Seine Familie war schon seit langer Zeit reich gewesen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit waren es zum Teil durch Geschäfte illegal erworbene Einkommen.

Bisher hatte es nur niemand bemerkt.


 

Die Truppe lief die Marmortreppen hinauf und betraten die Villa durch die massive Holztüren aus edlem Mammutholz. Sie ließ sich nur langsam öffnen und knarrten in einem schönen gleichmäßigen Klang, als wäre dies beabsichtigt.

Die weißen Fliesen auf den Boden und die Kunstwerken von den Wänden strahlten ihren hohen Wert aus. Ein schöner sauberer roter Teppich führte direkt in ein großen Saal.

Von Außen sah die Villa gar nicht so groß aus, aber sie bestand tatsächlich aus vier Stockwerke.

Die Gruppe folgte dem offensichtlichen Weg und sie gelangten somit in einen größeren Saal.

Ein großer weißer Holztisch war in diesem platziert worden und am Ende des Tisches gegenüberliegend zum Eingang, war ein großer prächtiger Stuhl aus edlem Holz. Auf dem Stuhl saß niemand, aber neben ihm stand eine größere Person.

Die Person trug eine Rüstung, die Rüstung war an die alten Samurai angelehnt worden. Sie war rot.

Linda hatte das ganz vergessen. Der Mann war ganz vernarrt in der Geschichte der Samurai und trug sogar deswegen ein sehr gefährliches und edles Katana bei sich, wenn Mr. S unterwegs war.

Seine Waffensammlung musste riesig sein, denn er kaufte gelegentlich die wertvollsten Katanas ein, man hörte von Auktionen davon. Die Prachtstücke hängte er in diesem Raum auf.

Diese lange dünnen Schwerter mit ihren wunderschönen silbernen Glanz waren eine große Vorliebe von Mr. S.

Sie waren nicht so breit und schwer wie normale Schwerter, aber sie schnitten dennoch tief und sauber, wenn man sie richtig schwang.


 

Vier weitere Wachen standen ebenfalls in diesem Raum. Jeder stand neben einem der großen Fenster, die den Saal erhellen ließen.

Der Mann in der Rüstung drehte sich um und begrüßte die Gruppe:

„Willkommen in meinen Reich. Setzte euch doch? Macht es euch gemütlich, wollt ihr etwas Trinken?“, fragte er höflich, aber alle wussten, dass das sowieso nur eine Farce war.

"Große Sprüche wie immer? Der Dreckskerl hat sich noch nie geändert.", dachte Linda angewidert.

„Ach, ich bin so unhöflich! Ich sollte mich vorstellen als Gastherr. Nennt mich Mr. S, sowie jeder andere auf dieser Insel. Ich habe mir diesen Namen zu eigen gemacht. Er widerspiegelt das Nötigste, was ihr von mir wissen müsst. Mir gehört sowieso diese Insel, zumindest bald.“, Linda unterbrach ihn mit einem zornigen Zischen:

„Dir gehört diese Insel nicht! Sie gehört niemanden! Nur weil du sie beanspruchst, ist sie nicht in deinem Besitz, hier leben noch andere Menschen. Egal ob sie früher in der Hand deiner Vorfahren war!“, der Mann lachte jedoch als Antwort selbstgefällig.

Die Wachen wollten sich daraufhin bewegen, aber der Mann hielt sie mit einer Handbewegung zurück. Er trat langsam auf die Gruppe zu.

"Wie schnell er wohl sein Katana ziehen kann?", überlegte Linda und hielt sich bereit.

„Mein Schätzchen......“, Linda unterbrach ihn erneut, doch dieses Mal noch etwas zorniger:

„......nenne mich nicht Schätzchen!“, brummte sie.

„......die Insel gehört mir, so steht es auf dem Papier. Ich habe es schwarz auf weiß und du kannst nichts dagegen tun? Ich bin der rechtmäßige Besitzer dieser Insel. Seid ihr deswegen hier oder wollt ihr noch etwas anderes von mir?“, fragte er und der Mann lächelte immer noch.

Linda machte der Anblick von Mr. S wütend. Er machte sich wohl über sie lustig, das konnte sie deutlich spüren.

"Sein verdammtes selbstgefälliges Grinsen! Es wird Zeit, dass wir ihm das langsam aus dem Gesicht streichen."

"Ich kann seine Visage jetzt schon nicht mehr leiden.", meinte Engl. Mr. S zeigte sich auf die Provokation unbeeindruckt.

„Wir können dir die Regierung auf den Hals hetzen. Du hast berühmte Leute entführt. Die Band ist ziemlich bekannt in der Welt. Es dauert nicht lange und die Fans werden es herausbekommen, dann rupft dich fast jeder auf dieser Welt auseinander, da hilft dein Status und deine Rüstung auch nicht mehr weiter.“, sie ballte beide Fäuste gegeneinander und entspannte ihren Nacken.

„Davor werde ich dich aber grün und blau schlagen. Glaub mir, du hast das verdient!“, provozierte sie weiter.

„Du hast sehr großes Verhandlungsgeschick.“, lobte Engl sarkastisch.

„Wir hätten dieses Gespräch gleich überspringen können und........“, wollte Noju etwas sagen, aber Linda unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Noju stoppte unzufrieden.

Mr. S übernahm wieder das Wort:

„Vielleicht wird die Band ein kleinen Unfall haben und niemand wird erfahren was ich getan habe. Glaubt ihr wirklich, ich lasse euch nun wieder gehen?“, plötzlich öffnete er seinen Mund und spitze Zähne präsentierten sich. Seine Augen wurden finsterer und seine Aura fühlte sich schrecklich an. Die Augen glänzten leicht rötlich. Seine Wachen taten dies ebenfalls.

„Oh scheiße! Linda hatte also doch Recht! Das war also doch kein schlechter Witz von dir gewesen?“, meinte Noju nervös. Er wirkte aber nicht allzu erschrocken.

„Ach stimmt, du hast es auch nicht so mit Vampiren? Aber Linda hatte uns ja schließlich deutlich davor gewarnt. Aber es ändert nichts.“, meinte Engl und zuckte mit den Schultern.

„Ich mag nichts was nicht menschlich ist.“, meinte Noju abwertend.

„Bitte konzentriert euch! Das hier ist kein Training! Ihr kennt diese Biester und dessen Methoden.“, erklärte Dr. Drogan und er zog ein paar kleine Nadeln aus seiner Jackentasche. Er schwang seine Arme und verpasste Linda jeweils eine Nadel in einem ihrer Oberarme. Linda sah ihn schockiert an. Dr. Drogan beschwichtigte sie:

„Ich weiß, wir hatten das gerade eben schon. Die Dosis habe ich nur sicherheitshalber erhöht. Keine Sorge, du kannst keine Überdosis davon bekommen. Ich habe das Mittel selbst hergestellt und es funktioniert garantiert. Ich wurde auch schon sieben Mal gebissen.......... so ungefähr.“, erklärte Dr. Drogan stolz, danach verabreichte er sich selbst ein paar Nadeln, jedoch waren diese wohl mit einem anderen Mittel getränkt worden. Seine Adern an seinen Armen wurden kräftiger, sowie seine Pupillen, diese wurden größer.

"Du lebst nicht lang, wenn du das Zeug zu oft nimmst.", meinte Noju. Aber er erntete nur ein bösen Blick des Arztes:

"Du hast doch auch reichlich Zeug intus, sowie Engl?", bekam Noju als Antwort.

"Was ist in diesem Mittel, was die Verwandlung verhindert?", fragte Linda skeptisch.

„Es ist eine Mischung aus verschiedenem Knoblauch vermutlich.“, meinte Engl sarkastisch und als Dank trat ihm Dr. Drogan kräftig in die Seite:

„Aufpassen.“, sagte er.

Ein Dolch flog knapp an Engl vorbei und blieb in der Wand stecken. Einer der vier Handlanger musste es geworfen haben, aber man konnte nicht sagen woher, denn sie hatten alle ihre Hände auf dem Rücken.

"Pass wirklich besser auf.", ermahnte der Arzt den Gestoßenen.

Engl stand genervt auf.

„Das Messer hätte ich schon bemerkt.“, meinte der Raucher.


 

Mr. S grinste immer noch selbstgefällig:

„Egal wie oft ihr ausweicht. Irgendwann seid ihr tot. Ich zerreiße euch einfach, auch mit eurem bescheuerten Schutzmittel! Als würde ich euch beißen wollen. Ich habe schon nützliche Diener. Ihr werdet nur als Blutfleck meinen schönen Rasen düngen.“, drohte er und statt Krallen auszufahren, wie seine Wachen es taten, zog er sein Katana und richtete es elegant gegen Linda.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin sah ihn nur finster an. Sie meinte unbeeindruckt:

„Danke, dass du mir ein Grund lieferst, dich zu verdreschen! Denkst du jetzt, ich hätte Angst? Ich habe jetzt so richtig Lust euch auseinander zu nehmen. Zumindest dafür das ihr der Insel schadet oder was noch schlimmer ist............“, sie trat ein Schritt näher zum Gastgeber heran und ihr Blick wurde bedrohlicher:

"Ihr stellt eine große Bedrohung für meine Schützlinge dar.", Linda meinte es dieses Mal todernst.

Mr. S VI --- Selbstsicherheit

[Engl]
 

Der erfahrene Boxer beobachtete die Situation. Er analysierte seine Feinde und konstruierte sich einen Plan, dabei versuchte Engl die Schwachstellen zu finden.

In dieser Welt lebte manch seltsame Kreatur, zwar war der Mensch die Häufigste und auch nur noch fast die Einzige, aber wenige Hexen, Werwölfe, Vampire oder Dämonen existierten weiterhin im Untergrund.

Vampire waren nicht seine Lieblingsfeinde, deswegen versuchte er sich zunächst zurückzuhalten.

Er überließ den ersten Schritt Dr. Drogan. Er war der große Denker der Gruppe.

Linda schien ebenfalls zu planen.


 

Mr. S meinte mit ausdrucksloser Miene:

„Männer, empfangt unsere Gäste.“, die vier Lakaien im Raum gingen in eine Angriffsstellung über. Entweder zogen sie ihre Waffen oder sie ließen ihre Hände knacken. Manche setzten auch eine Verwandlungsphase ein, jedoch ging diese nur langsam voran.

Sie warteten wohl alle auf direkte Befehle.

„Illan kümmere dich um das andere Problem. Da sind noch Störenfriede im Wald.“, fügte der Villenbesitzer mit herablassender Stimme.

„Ja, Boss.“, stimmte der Angesprochene zu.

Es sah von den vier am jüngsten aus, zudem war er auch noch der Kleinste von ihnen.

Sein Haar war purpurfarben. Er verbeugte sich und setzte sich in Bewegung.

„Sein Name ist dann wohl Illan? Er sieht zwar schwach aus, aber den Fehler darf ich nicht machen. Aber warum starrt der so..................?“

Engl könnte schwören, dass er für einen kurzen Moment ein Blickkontakt zwischen Illan und Linda gesehen hatte. Der Blick dieses Vampirs, welcher als Einziger noch in keiner Verwandlungsphase übergegangen war, war solide und unberechenbar. Illan wirkte so, als würde ihn die Situation gar nicht interessieren.

„Wir dürfen den Jungen nicht gehen lassen. Die Störenfriede sind mit Garantie...........“, meinte Engl, da hatte sich Illan schon entschieden zu fliehen. Er sprang durch das offene Fenster blitzschnell nach Draußen.

„Verflucht! Wir müssen...........!“

Daraufhin folgte sofort der nächste Befehl des Herr des Hauses.

"Nerslo, kümmere dich um diese Schlägertypen. Es sind nur normale Menschen."

Der angesprochene Lakai schaute unzufrieden auf. Sein Körperbau war der Kräftigste. Unter den vier Wachen, nahm er am meisten Raum ein. Grimmig und brummend schnaufte er vor sich hin. Er biss sich auf die Zähne. Seine Adern spannten sich an und seine Haut verfärbte sich leicht in einen Grauton. Die Augen wurden rötlicher und seine Zähne spitzer. Er wollte wohl unbedingt kämpfen.  

"Ulya! Du behältst den Nadelschwinger im Auge.", befahl Mr.S.

Der weibliche Vampir verbeugte sich leicht und erklärte:

„Wird erledigt, Boss. Dieser Mann wird nicht mehr lange atmen können.“

Sie trug langes grünes Haar und ihre Pupillenfarbe war blutrot. Sie trug eine weiße Kette um ihre linke Hand und schwarze Armschützer.

Elegant und provozierend lief sie langsam nach vorn.

Engl musste eines eingestehen, denn sie hatte eine attraktive Figur, sodass sie den Blick von ihm kurz fing. Eine Schelte von Noju brachte ihn wieder zurück zur Vernunft.

Der vierte Vampir, welcher seine Brille nun abnahm, nachdem sich seine Pupillen ebenfalls rötlich färbten, ließ sein Blick durch den Raum schweifen.

Er faltete beide Hände aneinander und schien etwas zu murmeln. Die Muskeln bauten sich plötzlich auf und er wurde ein Stück größer.

"Lesrom, du behältst die Umgebung im Blick. Ich möchte nicht, dass sich unerwünschte Gäste einmischen."

Er trug kurzes schwarzes Haar, ein weißes Muskelshirt und eine schwarze Jogginghose. Als Muskelpaket wirkte er sehr kräftig.

Eines hatten die drei verbliebenen Wächter jedoch gemeinsam. Sie strahlten eine enorme Mordlust aus.

„Sie sind stärker, schneller und agiler als ein normaler Mensch.“, Engl grinste:

„Aber zum Glück sind wir auch keine normale Menschen.“


 

„Versucht dabei die Schäden an der Villa in Grenzen zu halten. Ich kümmere mich solange um die nette Dame vor mir.“, Mr. S blickte zu Linda und schmunzelte zufrieden. Linda sah ihn bedrohlich an.

„Die sind ja sehr überzeugt. Da bin ich mal gespannt.“, dachte Engl unbeeindruckt.

„Was machen wir jetzt eigentlich mit dem Geflohenen? Wenn die anderen jetzt doch in den Wald gegangen sind, dann...........“, fragte Engl Linda. Sie unterbrach ihn jedoch mit harscher Stimme:

„Mach dir kein Kopf. Es wird schon alles gut werden.“, erklärte sie. Die schwarzhaarige Gildenmeisterin ging nicht näher darauf ein.

Engl verstand ihre Sicherheit nicht.

Die Jugendlichen konnten doch nie und nimmer gegen ein Vampir ankommen oder hatte Linda ein Plan parat?

„Illan wird sehr gründlich sein. Auf ihn konnte ich mich schon immer verlassen.“, erklärte Mr.S zufrieden. Er war sich seiner Sache wohl ebenfalls sehr sicher. Engl sah ihn grimmig an.

„Nerslo, Lesrom und Ulya. Ich habe noch etwas für euch organisiert. Testet es bitte aus. Ich möchte sehen, ob es wirksam ist.“, erklärte der Gastgeber. Er hob die Hand und der weibliche Vampir bewegte sich in die andere Richtung. Sie lief zu einer Tür hinter Mr. S.

„Ulya. Ich möchte sie den Gästen präsentieren.“, Ulya verbeugte sich und verschwand blitzschnell in dem Raum, aber sie war genauso schnell wieder anwesend und hielt ein Korb vor sich. Es lagen vier farbige Steine darin.

Es waren aber nicht nur einfache Steine. Es waren Kristalle. Elementkristalle.

Engl erkannte sie sofort, denn er hatte in seinem Leben schon ein paar wenige Kristalle gesehen.

„Sind das..........“, meinte Noju erstaunt.

„Ja.“, bestätigte der Boxer sofort.

„Jeder Kristall ist einem Element zugeordnet. Sie sind gefährlich und werden von vielen Regierungen verboten, da sie geheimnisvolle Kräfte besitzen, die man mit starker Magie gleichstellen könnte.“, so viel wusste der Raucher.

"Woher hat er die? Die sind nur höchstens auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Wie kann er gleich vier haben? Er hat wohl wirklich keine Mühen gescheut. Das wird extrem gefährlich werden, wenn wir nicht aufpassen. Wir müssen die Dinger irgendwie in unseren Besitz bekommen.", überlegte Engl nervös.

„Es war nicht leicht diese Errungenschaft heranzuschaffen. Der Handel war lang zu zäh, aber nun kann der Spaß ja beginnen.“, verkündete Mr. S und Ulya griff sich einen roten Elementkristall, den gab sie dann an Lesrom weiter.

"Verflucht! Wenn jeder einen bekommt, kann das hier sehr ungemütlich werden!", dachte Engl beunruhigt. Er ließ sich aber nichts anmerken.

Lindas Blick war dagegen seltsamerweise ruhig. Sie hatte wirklich die Ruhe weg. War ihr die Situation eigentlich bewusst?

"Da stimmt was nicht. Ich habe natürlich kein Beweis, aber ich bin mir sicher, dass unsere Gegner gerade kein so großen Vorteil haben, wie sie glauben. Wir werden das gleich schon sehen, vertrau mir Engl.", erklärte sie. Ihr Blick zeugte weiterhin von ihrer Sicherheit.

„Hat sie denn etwas geplant? Ich verstehe es nicht.“, überlegte Engl. Wieso war sie denn nur so ruhig?

„Wieso bist du dir dabei so sicher.“, fragte dieses Mal Noju. Linda deutete mit ihren Blick auf den orangefarbenen Stein, welcher Ulya ebenfalls in den Händen hielt.

„Ich lag richtig.“, meinte Linda nur.

"Woher nimmst du deine Selbstsicherheit.............?", fragte Engl verständnislos. Langsam nervte ihn diese Ungewissheit. Es ging hier um die verdammten Elementkristalle, die in den falschen Händen enorm viel Schaden anrichten konnten, aber er unterbrach seine Frage, als er mit seinen Gedanken mögliche Interpretationen weiter spann.

„Es sind Fälschungen.“, murmelte er überrascht. Linda nickte ihm zu.

„Woher wusste sie denn das jetzt? Hatte sie wirklich so viel Ahnung darüber? Wusste sie etwas wichtiges, was wir hätten auch wissen sollen?“, sein Blick wurde misstrauischer:

„Welche Informationen verbirgt sie denn noch?“


 

Mr. S verkündete, nachdem die Kristalle verteilt waren:

„Hast du etwa Angst, Schätzchen? Denn ich bin mir sicher, ihr wisst, was die schönen Kristalle können?“, er selber hob jetzt mit seiner freien linken Hand ein gelben Elementkristall in die Luft. Engl sah einen weißen Kristall im Korb liegen.

„Es gibt keine doppelten Elementkristalle.“, erklärte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Mr. S hob seinen Kristall in die Luft. Er legte ihn zurück in den Korb und rief:

„Los Ulya! Benutze den Kristall und erstaune unsere Gäste!“, einen Moment später konzentrierte sich Ulya und schloss ihre Augen, dann baute sich eine sichtbare Aura um sie auf. Der Kristall leuchtete auf, aber es passierte aber zunächst nichts.

Sie öffnete ihre Augen und Engl erkannte sofort, was gleich passieren würde.

„Was ist los, Ulya?“, fragte Mr. S verwundert. Er wirkte selber sehr überrascht.

Die übrigen zwei Wächter wichen zurück, als ob sie ahnten was passieren würden. Der Kristall zersprang plötzlich und eine Druckwelle schoss aus dem zersprungenen Kristall, anschließend schoss kleinere Blitze verteilt durch den Raum und an Mr. S vorbei. Einer schoss frontal in die Wand und verursachte ein tiefes Brandloch. Ein kleiner Riss zog sich die Wand hoch zur Decke und ein weiterer Riss zum Boden. Man konnte locker seinen Arm hindurch stecken.

Die Grünhaarige fiel plötzlich zur Seite auf den Boden, sie rührte sich nicht mehr. Ihre verbrannten Hände qualmten und es roch nach verbrannten Fleisch. Vor lauter Schreck ließ Lesrom den Kristall fallen.

Als dieser auf den Boden aufkam, leuchtete er ebenfalls auf und zersprang mit einem Knall. Eine Druckwelle wurde entfacht und ebenfalls schoss ein heller Blitz in irgendeine Richtung.

Dieses Mal direkt auf den Korb, der auf einen kleinen Holztisch stand. Der Korb wurde zerstört. Die zwei übrigen Kristalle zerplatzten ebenfalls und ließen zugleich auch Druckwellen und Blitze frei. Der Innenraum des Saals wurde zum Teil schwer zerstört. Ein kleines Feuer brach aus.

Lesrom wurde durch die Druckwelle umgeworfen. Seine Verletzungen waren nicht so schwer, aber er hatte Brandverletzungen an beiden Beinen. Seine Verletzungen heilten langsam, jedoch hatte er ein schmerzhaften Gesichtsausdruck.

„Sie explodieren!“, meinte Noju erstaunt.

„Linda, du lagst richtig.“, gab Engl bekannt. Er würde jedoch nur allzu gern wissen, woher die schwarzhaarige Gildenmeisterin die Informationen herhatte.

„Die Dinger fungieren nun als Bomben. Die Fälschungen sind wohl sehr instabil.“, vermutete Dr. Drogan.

Die zerstörten Kristalle hatten sich komplett aufgelöst. Sie hinterließen nur eine große Zerstörung.

Mr. S sah fassungslos den Schaden an und dann zum zerstörten Korb.

Im nächsten Blick fiel sein Blick wutentbrannt auf Linda.

Im Anschluss war er auch schon im Ansturm. Sein Katana zum Schwingen im Anschlag.

Mr. S VII --- Klischee

[Max]
 

Sie wanderten durch die Wälder. Direkt durch die Büsche.

Natürlich mit Absicht, denn sie folgten der angenommenen Richtung bewusst nicht auf den Feldwegen nach Osten.

Sie waren der Meinung, so könnten die drei unerkannt zur Villa kommen.

Während der Wanderung hatten Max und Daniel, Julius von den letzten Tagen erzählt.

Vom Erwachen in den Kratern, bis zum Entfernen des Fluches von der Stadt.

Julius zeigte sich begeistert, denn er hatte in den letzten Tagen nichts interessantes erlebt.


 

Die drei Jungs waren am verlassenden Hauptquartier vorbeigekommen. Zumindest wussten die Jungs jetzt, dass sie in die richtige Himmelsrichtung gingen.

Bald erreichte man eine unbekannte riesige Lichtung.

Sie bestand aus großen freien Fläche, die umringt von Bäumen war. Es wuchsen viele Blumensorten dort. Im Gesamten ergab sich ein schönes Bild. Selbst in der Nacht waren die Farben gut zu erkennen. Die Blumen standen noch offen, als würden sie nicht schlafen gehen. Normalerweise verschlossen sie sich, wenn keine Sonne schien.

Die größten Blüten besaßen einen starken Gelbton. Es war ein schönes helles Gelb und im Licht der wenigen Glühwürmchen sah die Kombination sehr gut aus. Die Atmosphäre war toll.

Man könnte bestimmte hier seine Zeit verbringen und sich nicht satt sehen, aber dafür waren die drei jetzt nicht hier.

Sie mussten weiter.

Die Lichtung endete in einem kleinen Anstieg.

Zugleich kletterten die drei Jungs hinauf. Von dort oben hatte man eine Einsicht auf einen größeren Feldweg. Die Bäume wurden entlang des Feldweges gerodet. Die restlichen Bäume am Rand verdeckten jedoch die Sicht in die entsprechenden Richtungen. Am Horizont sah man noch nichts.

Ein merkwürdiger Nebel lag in der Luft, um so weiter man in Richtung des Feldweges starrte.


 

„Ich vermute, wir liegen richtig. Da hinten kommt schon der klischeehafte Nebel.“, stellte Max fest. "Wahrscheinlich voll mit Monstern. So etwas wie Untote und so weiter.“, fügte der Schwarzhaarige hinzu.

„Sollen wir umkehren? Auf Untote habe ich jetzt keine Lust.“, meinte Daniel.

„Jedenfalls sind wir ja schon weit gekommen.", erklärte er.

„Habt ihr zu viele Romane lesen? Als ob da jetzt wirklich Monster im Nebel auftauchen.“, gab Julius von sich. Er zeigte sich unbeeindruckt.

„Wir haben doch diese coole Lichtung gefunden, das reicht doch?“, meinte Daniel und schaute sich um.

„Nur gewinnen wir damit nichts. Wir bekommen doch schon Ärger, also sollten wir zumindest von Nutzen sein.“, erklärte Max.

„Soll das wirklich der ganze Vorgarten von diesem Typen sein? Wie will der das denn in einem vernünftigen Rahmen pflegen?“, fragte Julius.

„Pflegen? Sieh dich doch mal um?“, antwortete Max und zeigte auf die Umgebung.

Die Natur machte hier, was sie wollte und nicht andersherum. Man konnte das verlassende Hauptquartier oder das verlassende Freibad als Beispiel nehmen. Bestimmt gab es hier mehr von solchen Orten.

„Man ist aber nicht sicher, ob ihm alles rechtmäßig gehört. Ich meine, der hat doch bestimmt seine Finger in irgendwelche dreckigen Geschäfte. Linda hat da ja mal etwas erwähnt.“, sagte Daniel.

„Ist doch ist immer so. Solche Typen sind doch nie sauber.“, behauptete Julius:

„Wer so ein großen Garten hat oder Bands entführt, die einem nicht passen, auch wenn es für große Probleme sorgt, der kann keine legale Sachen machen.“, fügte der große Junge hinzu.

„Ich frage mich wieso der Mann bisher noch nicht eingebuchtet wurde.“, überlegte Daniel.

"Geld, alles nur Geld. Wohin man schaut, lassen sich alle Leute mit einem großen Vermögen bestechen.", antwortete Max und betrachtete den Nebel in der Ferne kritisch.

Es verursachte eine seltsames Gefühl im Körper, wenn man dorthin starrte, als würde der Nebel jeden warnen wollen.

Nach den ganzen gelesenen Romanen war die Nacht sowieso der Freund des Ungeheuers.


 

„Es wird plötzlich kühler?“, stellte Daniel fest.

„Es ist Nacht.“, antwortete Julius.

„Ob es wirklich daran liegt?“, zweifelte Max. Den ganzen Abend lang war es noch nicht so kühl gewesen.

"Diese Dunkelheit. Dieses Gefühl. Diese plötzliche Kälte. Es ist eigentlich viel unheimlicher, um so näher man dran ist. Linda hatte womöglich Recht.......... wir hätten im Hauptquartier bleiben sollen.", überlegte Max.

„Ich wäre jetzt wirklich für den Rückzug.“, meinte Daniel. Er klang nervös.

„Wird schon nichts passieren.“, gab Julius entschlossen bekannt.

„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte Daniel skeptisch.

„Was bist du? Ein Feigling? Bisher ist nichts passiert, also was soll denn schon passieren?“

„Monster?“, meinte Daniel.

„Wenn es wirklich welche gibt, dann kommt es auf die Monster an.“, meinte Julius.

Er drehte sich um und überlegte kurz:

„Sollte es wirklich hier in diesem Nebel Monster geben, dann muss es ja nicht gleich ein großes Ungeheuer sein.“

„Was macht dich da so sicher?“, hakte Daniel nach. Julius ging nicht darauf ein.

„Wenn es nur Goblins sind, dann sind sie keine große Gefahr, aber wenn es riesige Trolle wären, dann schon, aber seien wir mal ehrlich........, man hätte von Trollen schon gehört. Es gibt ja hier nicht mal Spuren von Monstern.“, Daniel schien tatsächlich darüber nachzudenken.

„Goblins? Trolle? Klingt unrealistisch? Ich habe bisher noch keine gesehen und es wäre seltsam hier welche anzutreffen, man hätte sicherlich in der Stadt davon erzählt.“, erklärte Max, aber er schloss es nicht ganz aus.

„Auf dieser Insel weiß man nie. Ein Geist bzw. Schatten haben wir ja schon getroffen.“

Er hatte zwar keine eigenen Erinnerungen mehr, also wusste er nicht, ob er schon anderen Monstern begegnet war, jedoch sprach hier eher sein Gefühl. Außerdem hatten die drei ja nur ihre eigenen Erinnerungen verloren, aber nicht ihr Wissen. Das durfte man nicht verwechseln.

Der schwarzhaarige Junge wurde außerdem das Gefühl nicht los, dass die beiden Jungs neben ihm, die Situation nicht ganz so ernst nahmen, wie sie sollten. Denn langsam bildete sich Tau auf den Blüten und es wirkte so, als hätte die Umgebungstemperatur um über 10 Grad abgenommen.

„Vielleicht könnten es auch Gnome mit Waffen sein?“, meinte Julius. Wohl eher aus Spaß.

„Oder riesige Spinnenwesen, die Laser aus ihren Augen schossen?“, vermutete Daniel und gestikulierte mit seinen Hände. Julius blickte ihn daraufhin skeptisch an:

„Das klingt jetzt aber sehr unrealistisch.“

„Und Gnome mit Waffen etwa nicht? Ich habe bisher noch keine gesehen? Ich habe nicht einmal darüber gelesen.“, antwortete Daniel darauf. Er klang genervt.

„Wir erinnern uns ja auch an nichts. Also wer weiß? Vielleicht haben wir ja schon welche gesehen, aber wir können uns nicht daran erinnern.“, konterte Julius.

„Und es gibt so viele kleine Leute, die Waffen tragen können.“, fügte der große Junge hinzu.

„Da sind trotzdem keine Gnome. Das sind dann einfach nur kleine Menschen. Gnome sind einfach nicht die Art von Monster, die Verrückte in ihrem riesigen Vorgarten halten.“, erklärte Daniel.

„Sie sind keine Haustiere oder so etwas.“

„Warum Haustiere? Vielleicht ist dieser Typ einfach nur ein Fan von kleinen Leuten und deswegen dürfen die hier leben.“, meinte Julius.

„Und das klingt jetzt nicht unrealistisch?“, fragte Daniel mit hochgezogenen Augen.

Ein leichter Wind fing an zu wehen und dieser brachte noch mehr Kälte mit sich.

„Na toll.“, meinte Max genervt.

„Wenn wir rennen, sind wir bestimmt bald da, außerdem wird uns dann schnell wieder warm.“, erklärte Julius und die beiden anderen Jungs schauten ihn skeptisch an. Julius zuckte dann nur mit den Schultern, als er die beiden verwundert anschaute. Er fand sein Vorschlag wohl selber gut.


 

Die drei Jungs bemerkten erst zu spät, dass sie nicht mehr alleine waren. Eine fremde Person war aufgetaucht. Ein älterer Junge stand plötzlich einige Meter von den drei entfernt. Sein Gesichtsausdruck wirkte nicht gefährlich, aber seine Aura sorgte dafür, dass die drei Jungs eine Gänsehaut bekamen, die sie erschaudern ließ.

Der Fremde trug eine schwarze Jacke, am Kragen war schwarzes Fell, ansonsten war die Jacke nicht sonderlich dick. Unter der Jacke trug er ein schwarzes T-Shirt. Seine Jeans war ebenfalls schwarz und seine Sportschuhe auch.

Der Aufgetauchte starrte die drei mit glänzenden roten Pupillen an.

„Ist es jetzt das, für was ich es halte?“, fragte Julius erstaunt. Der große Junge wirkte nicht mehr so selbstsicher. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

„Meinst du die Tatsache, das die Augen des Typen rot sind und er eher wie ein Monster wirkt, als ein Mensch?“, fragte Max.

„Hör einfach auf mit deinem Sarkasmus.“, meinte Julius.

„Es gibt also dann doch Vampire?“, murmelte der schwarzhaarige Junge.

„Wir haben noch kein Beweise.“, meinte Daniel und er wich nervös zurück.

„Ja stimmt. Wir denken das nur.“, bemerkte Julius. Er hielt sein mitgenommenen Stock noch fest in der Hand. Er würde wohl kräftig zuschlagen, wenn sich der Feind näherte.

"Vampire also? Ist das jetzt die Lösung? Oder bilden wir uns wirklich nur ein? Weil wir in dieser Umgebung wohl alles für Monster halten würden?", überlegte Max.

„Nun........., wir sind ja auch nicht ganz ohne Schutz. Wir haben vorher erst darüber geredet.“, erklärte Julius. Sein Gesichtsausdruck hatte sich wieder normalisiert.

Der Feind hatte sich bisher auch nicht gerührt.

"Verschwindet vom Grundstück oder ihr werdet große Schmerzen erleiden. Mein Boss bevorzugt roten Dünger.", drohte der vermeintliche Vampir.

„Was für ein Geschwätz.“, meinte Julius völlig unbeeindruckt.

„Die typische Drohung halt.“, erklärte Max. Jedoch nahm er sie dennoch ernst. Wahrscheinlich ernster als Julius.

„Du weißt doch, die Bösen labern immer viel. Nur die ganz knallharten, die reden meistens nie um den heißen Brei herum.“, fügte der Schwarzhaarige hinzu.

„Wir sollten das Ganze hier wirklich ernst nehmen.“, forderte Daniel.

Der Fremde fand das wohl gar nicht amüsant, denn er bückte sich leicht und seine spitzen Zähne zeigten sich.

„Also doch.“, murmelte Max leise vor sich hin.

„Verflucht.“, fluchte Daniel.

„Eine letzte Warnung. Verschwindet sofort! Ich kann sehr ungemütlich werden.“, drohte er erneut.

„Das glaube ich ihm.“, meinte Julius. Er verzog dabei jedoch keine Miene.

„Und was jetzt?“, fragte Daniel. Er schwitzte stark. Sein Gesichtsausdruck zeigte seine große Nervosität.

„Wir sollten typischer Weise die Ruhe bewahren.“, antwortete Max.

„Die großen Worte fallen dir wohl leicht, nicht?“, erwiderte Daniel.

„Hast du ein besseren Vorschlag?“, konterte der schwarzhaarige Junge. Er war jetzt ein wenig beleidigt.

„Nun gut.“, begann der Feind.

„Ich hattet eure Chance.“, der Vampir ließ Krallen aus seinen Handrücken fahren.

Wenn er damit ordentlich traf, dann konnte er bestimmt jemanden leichtfertig den Arm abschneiden.

„Rückzug klingt jetzt gar nicht so schlecht.“, sagte Daniel. Der Junge wich weiter zurück.

„Ich glaube, dass wir dem auch nicht entkommen werden.“, stellte Max fest.

„Wenn der tatsächlich ein Vampir ist, ist der wesentlich schneller als wir.“, fügte der Junge hinzu.

„Wenn die Flucht schließlich aus bleibt, dann müssen halt erbarmungslos dagegen schlagen. Ich habe jedenfalls meine Waffe und du auch, Max.“, erklärte Julius.

Er öffnete den Reißverschluss an seiner Jackentasche und zog ein dunkelroten Elementkristall heraus. Seine Echtheit war unverkennbar.

Der Fremde wich nervös zurück. Anscheinend wusste der Vampir, was Julius in der Hand hielt.

Der Fremde wartete wohl zunächst erst einmal ab.

„Na gut.“, stimmte Max zu.

„Du hast Recht, Julius.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu.

Max tat das Selbe wie Julius und er offenbarte einen hellblauen Elementkristall aus seiner Jackentasche.

„Ihr seid echt gemein. Ich kann hier jetzt gar nicht punkten, weil ich kein so ein coolen Kristall habe.“, beschwerte sich Daniel. Jedoch sah er wohl schnell ein, dass so eine Kleinigkeit zügig vergessen war:

„So vertraue ich euch einfach.“, fügte der Junge hinzu.

Daniel besaß keinen Elementkristall und er stand jetzt mit verschränkten Armen da. Der Junge wich deswegen noch weiter zurück.

Der Vampir knurrte lauter und sprach jetzt mit zorniger Stimme:

„Wo habt ihr die her? Sind diese Dinger echt?“, keiner antwortete ihm. Der Blick des Fremden wurde kritischer:

„Wer seid ihr?“, wieder erfolgte keine Antwort.

„Ist mir jetzt auch egal, ich nehme sie euch einfach ab! Dann wird mein Boss sehr glücklich sein.“, er ließ seine Krallen noch ein kleines Stück weiterwachsen.

„Ihr werdet sie mir nicht freiwillig geben. Ich kann eure Gesichtsausdrücke verstehen, deswegen erkläre ich euch jetzt die Spielregeln.“, der Vampir hob seinen rechten Arm und zeigte zuerst auf Julius und dann auf Max.

"Diese Kristalle kommen jetzt hierher oder ich schlitze euch auf. In beiden Fällen würdet ihr euren Besitz verlieren, aber nicht euer Leben. So einfach ist das jetzt.", seine Stimme klang dabei sehr ernst. Mit Sicherheit würde der Fremde seine Drohung durchziehen, aber ob er die drei Jungs danach wirklich gehen ließ, glaubte keiner der drei Jungs. So dumm waren sie nicht.

Der Vampir ging anschließend in eine Kampfstellung über, indem er sich leicht nach vorne beugte.

„Dann hole sie dir doch.“, provozierte Julius und er zeigte sich unbeeindruckt.

„Wenn das jetzt nicht nach hinten losgehen wird. Wir bräuchten jetzt eine große Menge Glück. Eine verdammt große Menge an Glück.“, hoffte Max.

Mr. S VIII --- Reue

[Rick]
 

Die Nacht ummantelte die Insel. Sie tauchte die Wälder in ein düsteren Ort.

Dazu kam noch dieser kühler Nebel, der sich immer weiter verdichtete.

Alina flüsterte, dass sie dies an die Horrorklischees aus den Romanen erinnerte, aber Rick musste zugeben, dass er über dieses Thema wenig Ahnung hatte. Er las nicht allzu gern.

Er war kein schlechter Schüler, dennoch war die Schule auf Ranger Island nur Phasenweise. Ansonsten gab Linda Heimunterricht und zwar sehr gründlich.

Rick schauderte dieser Gedanke mehr, als die derzeitige Umgebung. Auf Schule hatte er einfach keine Lust mehr.


 

Ein eisiger Wind hauchte durch den Wald und der Junge stellte fest, dass er das Ganze doch unterschätzt hatte. Er fluchte innerlich, dass er keine Jacke mitgenommen hatte.

Der Wind spielte mit den Blättern, indem er sie immer wieder in Kreisen auffliegen ließ. Tina fand dies bezaubernd.

Der steinerne Weg wirkte mit jedem fortgeschrittenen Meter immer ungepflegter. Das Gras wuchs schon zwischen den Steinen des Weges hindurch und brach somit die Steine langsam auseinander.

Viele alte vertrocknete Äste hingen in den Weg und drohten jeden Moment abzubrechen, dazu lagen schon ein paar vertrocknete Äste auf dem Weg.

Der Wind spielte zur Atmosphäre sein sarkastisches Lied, indem er durch die verschiedenen Aushöhlungen der Äste hindurch pfiff, die sich in der Kombination so anhörten, als spielte er nach Noten.

Eine Eule meldete sich plötzlich zu Wort, indem sie spontan lautstark aufheulte und dann einfach zügig davonflog. Ein markerschütternder Schrei erreichte Ricks Ohr und er wurde kurz taub.

Tina erschreckte sich so sehr, dass das Mädchen sogar beinahe hingefallen wäre.

"Es ist nur eine Eule.", meinte Rick. Er hatte für ein kurzen Moment ein Pfeifen im Ohr.

"Es tut mir Leid. Die Eule hat mich erschreckt.", meinte Tina leise.

Alina gab ein abfälliges Geräusch von sich.

Etwas Kleines huschte am Boden vorbei und Tina schreckte erneut zurück.

„Muss du immer so laut schreien? Du lässt uns noch auffliegen!“, beschwerte sich Alina.

Ihr Blick verfinsterte sich und ihre Zähne presste sie aufeinander. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, fand sie es wohl sehr lästig.

„Jetzt habe dich nicht so, Alina.“, versuchte Rick seine Freundin zu beschwichtigen.

"Die ganze Zeit schon! Das war bestimmt schon das fünfte Mal. Es war doch ein Fehler sie mitzunehmen.", beschwerte sich das blonde Mädchen, dabei formte sie vor Zorn ihre Hände zu Fäuste.

"Es ist ja auch ziemlich dunkel hier und der Nebel ist auch ungewöhnlich. Niemand hat so ein starken Charakter wie du.", meinte Rick und ging voran. Seine Freundin blieb für einen Moment erschrocken stehen. Verlegen starrte sie zur Seite und meinte leise:

„Awww........ Rick.“, daraufhin folgte sie ihm dicht. Rick sah sie leicht verwundert an.


 

In einem Busch raschelte es und Tina zitterte erneut, aber sie schrie nicht. Alina Laune war wohl daraufhin wieder im Keller:

„Das ist ein Wald, Tina! Da ist nur natürlich, dass es hier Tiere gibt, auch wenn hauptsächlich nur Vögel, aber auch Schlangen soll es hier noch geben........... vielleicht, wobei ich bisher nicht wirklich eine gesehen habe, aber das ist trotzdem kein Grund LAUT zu schreien. Wir hätten sie lieber zurücklassen sollen! Du bist nur im Weg!“, beschwerte sich das blonde Mädchen lautstark.

„Alina!“, brummte Rick. Das Gezanke ertrug er nicht mehr.

Tina zog ihren Kopf zusammen und ließ ihn gesenkt hängen, während sie weiterlief.

Alina blickte sie weiterhin böse an.

"Streitet doch nicht die ganze Zeit.", beschwerte sich Rick.

„Ich halte das echt nicht mehr auf.“, meinte der Junge anschließend.

"Tut mir Leid.", entschuldigte sich Tina und sah zu Boden.

"Ich streite mich nicht.", konterte Alina.

„Sie soll mal anständig uns begleiten, sie..........“, wollte das blonde Mädchen hinzufügen, aber ihr Freund unterbrach sie:

"Jetzt bitte nicht.", brummte der Junge.

„Sonst hört das nie auf!“, dachte Rick. Er hatte einfach keine Lust auf eine Diskussion mit ihr.


 

Die Zeit verstrich und sie kamen gut voran.

„Ich weiß nicht, ob wir jeweils soweit in diesem Bereich waren. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob wir überhaupt noch richtig sind. Es fühlt sich hier so seltsam falsch an.“, erwähnte Rick und drückte einen paar dünne Äste eines Busches zur Seite, sodass man hindurch klettern konnte.

Irgendwann war der Weg so zugewuchert gewesen, dass die drei einen Umweg nehmen mussten.

Sie waren dadurch aber tatsächlich weit vom Weg abgewichen. Einige Meter lagen zwischen ihrem jetzigen Standort und dem Hauptweg.

Der Junge hielt den Weg frei und anschließend sprangen Tina und Alina hindurch.

Alina lächelte ihm zu und ließ ein leichtes Danke über ihre Lippen.

Anschließend versuchte sie wieder ein Abstand zwischen Tina und Rick zu halten.

Rick versuchte es sich nicht anmerken zu lassen.

Tina war das vermutlich auch schon aufgefallen und deswegen war ihr das sichtlich schon unangenehm, sodass sie selber schon freiwillig auf Abstand ging.

Die Gewissheit, dass man wieder in die richtige Richtung ging, war wieder da, als die Gruppe dem nächsten Hindernis begegneten.

Sie waren schneller unterwegs gewesen, als Rick das gedacht hatte.

Sie erreichten den nächst größeren Zaun.

Der allererste Zaun war nur ein billiger Holzzaun gewesen, der wahrscheinlich beim nächsten Tritt auseinanderbrechen wäre. Rick wollte zwar dies tun, aber Alina hielt ihn schließlich davon ab.

Der zweite Zaun, der einige Meter danach zum Vorschein kam, war ein bis zur Hüfte hoher Maschendrahtzaun gewesen, aber auch dieser war schnell überwunden.

Der dritte Zaun, der sich jetzt vor den drei auftat, war ein anderthalb Meter hoher Lattenzaun. Die Enden waren aber rund, sodass das Klettern wohl angenehmer zu bewerkstelligen war.

Rick rollte ein umgefallenen abgestorbenen Baumstamm herbei und nutzte diesen, um sich hochzuziehen. Alina kam selbst hoch und Rick half Tina anschließend.

So konnten sie ihren Weg fortsetzen.


 

Je näher sie der Villa kam, um so unwohler fühlte sich Rick. Er konnte sich das nicht erklären, aber er spürte eine beunruhigende Spannung auf seiner Haut.

Inzwischen sahen sie auch überhaupt keine Tiere mehr, nicht einmal Vögel.

Eine Zeitlang waren nur Gras, Büsche und Bäume die Verzierung der Umgebung.

Nicht einmal 15 Minuten später zeigte sie schon das vierte Hindernis.

„Der zäunt sich aber richtig ein.“, stellte Rick fest.

Es war eine zwei Meter hohe Steinmauer.

Der Junge nahm Anlauf und sprang, er hielt sich an der Kante fest und zog sich anschließend hoch, danach hielt er seine Hand nach unten, um Alina zu helfen.

„Wir sollten nicht........., ich meine............, ich habe........“, murmelte Tina unsicher und schaute sich mehrmals um, als Rick ihr hoch helfen wollte.

"Was ist los? Stimmt etwas nicht?", fragte Rick besorgt.

Alina war inzwischen auf der anderen Seite wieder hinunter gesprungen.

„Ich habe das Gefühl, dass wir beobachtet werden.“, das Mädchen zitterte leicht und ihr Herzschlag hatte sich erhöht, Rick bemerkte dies, als er ihren Arm gepackt hatte.

"Wieso halten sie uns dann nicht auf, wenn sie sich schon die Mühe machen und uns beobachten? Wollen die etwa, dass wir weiter über die Mauern klettern? Wollen die uns etwa nicht aufhalten, um uns Draußen zu halten. Sind diese Mauern etwa da, um uns..................", überlegte Rick. Ihm fiel die Lösung mit einem Schlag ein. Er schaute erschrocken auf und dann zu Alina, die schon ein Stück voran gegangen war.

Seine Gedanken wurden gestört, als Tina ihn ansprach:

„Danke dir.“

Sie wollte anschließend hinunterspringen.

„Keine Ursache.“, antwortete er.

Rick hatte den Faden zu seinem ursprünglichen Gedankengang verloren, so wurde der vorherige Gedanke unglaubwürdig für ihn.

„Ach was..........., dieser Gedanke gerade wäre doch zu töricht.“, Rick schüttelte den Gedanken ab.

Die Beiden sprangen schließlich die Mauer hinunter.

Hinter der Mauer war der Rasen gemäht und der steinerne Weg nach dem Tor, war sauber gefegt worden und die Steine befanden sich nicht mehr lose im Boden.

Die Büsche waren zurück geschnitten und die Bäume besaßen keine abgestorbene Äste mehr.

Rick schaute geradeaus und konnte in der Entfernung, deutlich eine weitere, aber dickere Mauer erkennen. Sie war dieses Mal wahrscheinlich 3 Meter hoch.

Ihre Überwindung würde schwerer werden, außerdem war es noch ein weites Stück bis dorthin.

„Wird wohl doch nicht so einfach? Das ist eine Mauer, die uns abhalten soll. Der vorherigen Mauern war dann wohl eher ein Witz.“, stellte der Junge gedanklich fest.

Tina klopfte sich den Staub von ihrem Rock. Sie sah anschließend schwach lächelnd zu Rick.

Tina sah im Anschluss nach vorn. Das Mädchen erstarrte plötzlich. Ihr Augen wurden größer und sie zeigte zitternd nach vorn.

Rick wurde anschließend ebenfalls nervös. Er hatte das gar nicht bemerkt. Der Junge hatte doch geradeaus gesehen, wie konnte das also nur geschehen?

"Wo kam der her? Ich habe ihn überhaupt nicht kommen sehen, verdammt!", brummte Rick.

Die Überraschung war im Moment sehr groß.

Jemand stand nicht unweit entfernt. Wie aus dem Nichts stand der Hüne plötzlich da.

Der Aufgetauchte war ein großer kräftiger Kerl. Gut gebaute Muskeln zierten seine Oberarme. Er trug Freizeitklamotten und schwarze Handschuhe, an denen jedoch altes getrocknetes Blut klebte.

Der Fremde brummte und sein Grinsen zeugte von seiner Selbstsicherheit.

Sein Stimme klang tief und bedrohlich.

Deutlich verkündete er:

„Ihr seid die drei Eindringlinge?! Ihr seid ja ein Witz. Ich dachte schon, dass der Boss von richtig gefährlichen Leute redete, aber die sind vermutlich schon alle drin.“, anschließend sprintete er auch schon blitzschnell nach vorn und stand im nächsten Moment direkt vor Rick.

Bevor dieser überhaupt reagieren konnte, ließ der Angreifer seine rechte Faust fliegen und verpasste Rick ein ordentlichen Treffer in den Magen, dadurch wurde der Junge ein paar Meter nach hinten geschleudert. Er spuckte Blut und kippte nach vorn.

Der Schlag war so übel gewesen, dass er sich das Kotzen gerade noch so verkneifen konnte.

In ihm drehte sich alles und ihm war schwindelig.

"Oh......... scheiße.", brachte er nur heraus.

Er hätte fast das Bewusstsein verloren. Seine Ohren klangen, wie nach einer Explosion. Seine Augen gehorchten ihm noch nicht und sein Gleichgewichtssinn war dahin. Er brauchte eine kurze Pause.

„RICK!“, rief Tina erschrocken, das Mädchen stand wie angewurzelt da.

Sie zitterte und ihr Körper gehorchte dem Mädchen wohl auch nicht.

Der Hüne bewegte sich wieder nach vorn und stand schließlich vor Tina. Tina starrte ihn ängstlich an. Im nächsten Moment verpasste der Hüne Tina ein Handkantenschlag gegen den Nacken, sodass sie ohnmächtig zur Seite kippten.

In diesem Moment sprang Alina mit einem Hechtsprung aus den Schatten der Bäume herbei. Sie nutzte den Moment, um ihn in die Seite zu treten.

„Dort besitzt der Mensch keine große Muskelmasse!“, meinte sie.

Jedoch bemerkte das blonde Mädchen, dass der Tritt in die Seite gar keine Wirkung zeigte. Der Hüne grinste nur und demonstrierte seine spitzen Zähne:

"Nun.........., ich bin aber kein Mensch.", erklärte er stolz.

Ein heftiger Tritt später und Alina flog mit Wucht gegen einen Baum. Sie wurde sofort ohnmächtig und kippte bewusstlos zu Boden.

„ALINA!“, rief Rick schockiert. Der Junge wäre am Liebsten aufgesprungen und er hätte sich anschließend den Hünen vorgeknöpft.

Der Hüne packte Tina über die Schulter und sprintete sofort zur Villa.

Rick musste sich noch eine Weile sammeln und konnte erst nach wenigen Minuten wieder klarer denken.


 

Er realisierte erst auch viel später, dass seine Freundin bewusst auf dem Boden lag.

Der Junge sprintete zügig zu ihr, mit einem bleichen Gesichtsausdruck.

Beruhigt stellte der Junge fest, dass Alina noch lebte.

Er half ihr auf. Schwach kam sie zu sich.

"Alles in Ordnung? Du siehst schlimm aus? Wie fühlst du dich? Kannst du aufstehen?", fragte er. Rick stützte sie.

"Es geht langsam. Ich war nur kurz weg.", sagte sie außer Atem.

Alina brauchte ein paar wenige Minuten, dann konnte sie wieder aufschauen, ohne das ihr wohl schwindelig wurde.

"Dieser Arsch hat Tina einfach mitgenommen!", begann Rick. Er biss sich die Zähne aufeinander und der Junge sah zu seiner rechten Hand:

„Ich war total nutzlos. Ich habe sie nicht beschützen können.“, sein Blick wurde trauriger.

„Ah............ verdammt! Dieser Bastard............... er hat sie einfach mitgenommen!“

„Ich muss sie zurückholen!“, brüllte der Junge.

„Warte! Wir müssen aufpassen, Rick. Wir können nicht einfach..........“, wollte Alina anfangen zu erklären, da meinte ihr Freund:

„Du willst mir jetzt doch nicht sagen, dass wir Tina im Stich lassen sollen?“

„UND WILLST DU SIE JETZT ETWAS JETZT RETTEN GEHEN? Wir hatten keine Chance.“, beschwerte sie das blonde Mädchen.

„Ich kann sie nicht im Stich lassen.“, erwiderte Rick.

„WERD MAL KLAR IM KOPF, RICK! Wir können nicht. Wir kommen nicht gegen sie an.“

„Ein Beziehungsstreit?“, fragte plötzlich eine höhnische Stimme hinter ihnen. Alina drehte sich schockiert um.

Ein weiterer Fremde war aufgetaucht. Sein Grinsen bedeutete nichts Gutes.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger, war dieser dünn und groß.

Trotzdem strahlte er eine gefährliche Aura aus.

Alina hielt sich an einem Baum fest, als Rick sie losließ. Beschützend stellte er sich vor seine Freundin. Seine Beine schwankten noch von dem vorherigen Treffer und ihm wurde wieder übel.

Es war für ihn eine totale Niederlage gewesen und jetzt wurde ihm klar, wie leichtsinnig die gesamte Idee vielleicht doch gewesen war.

Linda hatte wieder einmal vollkommen Recht gehabt. Dem Jungen tat plötzlich alles Leid.

Es war nur eine große dumme Idee gewesen. Es war kein Mut und auch keine Entschlossenheit! Kein Stolz und keine Kühnheit. Es war einfach nur purer Leichtsinn gewesen und jetzt wurden Tina sogar wegen seiner Dummheit entführt.

Leider bemerkte Rick erst viel zu spät, dass er ein Idiot gewesen war und jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als sich um das Problem selbst zu kümmern.

Wie könnte er Tina jetzt noch in die Augen sehen?

Rick war nur mit einem einzigen Treffer besiegt worden. So nutzlos war er noch nie gewesen.

Ob bei ihr überhaupt noch eine Entschuldigung half?

Es gab eine Sache, die wusste Rick jedoch ganz genau und zwar wollte er nicht alles dem Schicksal überlassen. Zwar würde Linda noch da sein, aber der Junge durfte jetzt seinen Fehler nicht von sich wegschieben.

Zwar konnte Rick momentan nichts tun, aber er konnte wenigstens sein Bestes geben und es zumindest versuchen.

"Alina...........“, begann er erneut.

„Ich habe mir das hier eingebrockt, also werde ich das Problem auch selber auslöffeln. Ich werde jetzt nichts einziehen und davonrennen. Tina hole da raus, also bleibe bitte hier, ansonsten passiert dir auch noch etwas. Es war nur meine Schuld.", erklärt Rick. Der Junge war ein wenig außer Atem.

"Rede doch kein Schwachsinn! Du kannst kaum noch stehen. Du solltest die Sache Linda überlassen. Wir sollte erst einmal schauen, dass wir von hier lebendig wegkommen.", meinte Alina und sie blickte zu dem dürren Fremden. Nach seiner Visage zu urteilen, sowie den rötlichen Augen und den spitzen Zähnen, war er kein Mensch.

Der Fremde leckte sich die Lippen, anschließend freute er sich aus irgendeinem Grund. Mit seinem mordlustigen Grinsen lief er anschließend auf die beiden zu, dann wurde er plötzlich schneller.

Mr. S IX --- Kein Plan

[Ewald]
 

Es war jetzt schon ein paar Tage her, seitdem die drei Brüder eine schwere Niederlage erleiden mussten.

Die Situation war damals sehr stark eskaliert, aber dann kam nur ein einzige fremde Person und sie wurden vernichtend geschlagen.

Ewald wusste nicht einmal, wer sie damals überrumpelt hatte, aber Vladimir hatte gemeint, dass es so ein komischer junger Mann gewesen war, welcher nur angeblich mit Nadelspitzen um sich geworfen haben soll.

Vlad hatte zu ebenfalls erzählt, dass dieser jetzt bei der verdammten Gilde angestellt war.


 

Es lief zurzeit für drei Jungs wirklich nicht gut.

Sie konnten auch nie mehr zurück in die Stadt. Zu sehr hatten sie Hand angelegt, jetzt waren sie mehr als nur einfache Rüpel.

Die Polizei suchte sie intensiv und es würde wahrscheinlich noch eine Weile dauern, bis der Kommissar nachlässiger wurde, wenn überhaupt. Ewald glaubte nicht so wirklich daran.

Es blieb den drei nichts anderes übrig, als ihren Weg fortzusetzen. Irgendeine Perspektive musste her, denn ansonsten schien das Leben sinnlos zu sein.

So steiften Ewald, Erik und Vladimir weiterhin durch den Wald.

Der älteste Bruder äußerte irgendwann die Idee, dass man vielleicht nach Osten ziehen könnte. Vielleicht wüsste der Besitzer der Villa einen Rat. Vielleicht bräuchte er genau solche Leute, wie die drei Brüder.

Vladimir wirkte skeptisch und meinte, dass dies wahrscheinlich nur Wunschdenken war, aber Ewald meinte daraufhin, dass sie keine andere Wahl hätten.

So waren die drei schließlich ebenfalls auf dem Weg nach Osten.

In Ewalds Kopf, hatte sich der Gedanke festgesetzt, dass man für Mr. S ja arbeiten könne, um so ein wenig Geld zu verdienen?

Die Schwachstellen blendete er aus. Er war zu sehr am Ende, um jetzt irgendwelche Zweifel in Betracht zu ziehen.

Man zog jetzt einfach zur Villa und man hoffte auf das Beste. Das war der ganze Plan.


 

Ewald hoffte zumindest, dass sie wenigstens irgendwie Geld verdienen konnten und außerdem hoffte er im Geheimen, dass er vielleicht so in irgendwelche interessante Geschäfte verwickelt werden könnte.

Sozusagen eine Anlaufstelle für die wirklich wahre Untergrundgeschäfte.

Der Eingang zum Business des Untergrunds.

Der Gedanke war irgendwie erregend.

Wieso war er nicht früher darauf gekommen?

Diese Gedanke war perfekt. Ein Leben im Untergrund. Ein Leben im Bösen. Herrschen können über alles. Gefürchtet werden von jedem. Machen können, was man nur wollte. Das pure schöne Leben.

Ewald grinste.

Vladimir versuchte weiterhin seinen älteren Bruder zu überzeugen, dass dies keine gute Idee war.

Vielleicht hatte er auch einfach auch nur zu viel Angst vor Mr. S. Man hatte wirklich gruselige Geschichten über ihn erzählt, aber vielleicht half es dem Besitzer der Villa auch nur für die Tarnung seiner großen Untergrundgeschäfte? Denn man hielt sich ja schließlich von ihm fern.

„Mein Entschluss steht fest! Wir werden für Mr. S arbeiten!“, gab Ewald bekannt.

Sie werden für ihn arbeiten, daran konnte nicht mehr gerüttelt werden, so glaubte Ewald zumindest, aber zuerst müssten sie ihn überhaupt finden und das war leichter gesagt als getan.

Sie lungerten zwar schon eine ganze Weile auf seiner Seite der Grenze herum, aber sie waren noch nie über den Maschendrahtzaun geklettert. Heute taten sie es jedoch.

Erik schmiss zugleich auch versehentlich eine ganze Reihe aus den Verankerungen, da er wieder einmal zu blöd zum Klettern war.

"Kannst du nicht ein einziges Mal aufpassen?", fluchte Ewald lautstark.

"Der Zaun war einfach nur blöd aufgestellt.", beschwerte sich Erik.

Mit einem lauten Krachen flog Erik ein weiteres Mal zu Boden und stand sofort wieder auf. Er war dieses Mal über altes morsches Holz gestolpert.

Er wirkte unzufrieden und meinte beleidigt:

„Der soll mal sein Garten aufräumen. Das ist ja wirklich gefährlich hier.“

Ewald warf ihm ein genervten Blick zu:

"Reiß dich einfach zusammen, ja? Du blamierst uns noch.", Erik wirkte dadurch nur noch beleidigter.

"Hoffentlich sind wir bald da. Zumindest hoffe ich, dass er uns nicht auseinandernimmt.“, er kratzte sich am Kopf und Ewald überlegte weiter:

„Um unnötigen Stress zu vermeiden, werde ich es den beiden nicht erzählen. Es ist ja schon gut so, dass meine Brüder mir einfach so folgen. Sie würden alles für mich tun, das weiß ich.", der Junge musste daraufhin erneut grinsen.


 

Die Chancen standen aber nicht gut, denn sie hatten bestimmt schon die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die drei Brüder schon vor Monaten durch die Wälder streiften.

Es war zudem nicht gerade ideal, wenn sie deren Eigentum zerstörten und nur weil der Depp, neben ihm, nicht über Zäune klettern konnte.

Er hätte es wie Vladimir machen müssen, der ist einfach drüber gesprungen, aber der große Junge hatte auch eine große Sprungkraft. Seine Fitness war sowieso sehr unglaublich gewesen und er konnte zudem auch noch viel einstecken. Er sprang höher und weiter, als Ewald und Erik zusammen, aber er war ja auch schon damals der beste Sportler der drei Brüder gewesen.

„Nun....“, begann Ewald:

„Wir sind weit gekommen, deswegen müssen wir jetzt mehr aufpassen. Wir sollten keine Zäune mehr zerstören, ja?!“, dabei sah er seinen jüngsten Bruder streng an.

"Ja ja.", meinte Erik und er klang immer noch genervt.

Es war jedoch schon hilfreich, dass er seine Brüder im Schlepptau hatte. Aber Ewald hätte seine Brüder auch mitgeschleppt, wenn sie damals nein gesagt hätten.

Vladimir sagte nie Nein, auch wenn er öfters versucht seinen ältesten Bruder zu beschwichtigen. Erik dagegen sagt öfters Nein, aber der beschwerte sich auch allgemein oft. Nur war sein jüngster Bruder leicht zu überreden bzw. zu beeindrucken. Man gewann eigentlich jede Diskussion mit ihm.


 

Sie bewegten sich vorsichtig vorwärts, weil sie vermuteten, dass Mr. S eventuell Fallen aufgestellt haben könnte.

Auch wenn die drei Brüder eigentlich nichts Böses wollten, die Fallen unterschieden nicht zwischen Gut und Böse, außerdem hatten die drei Brüder sowieso Angst vor seinen Wachen.

Die Gerüchte waren schlimm. Die Wachen sollen angeblich nicht einmal menschlich sein.

Umso weiter man voranschritt, umso mehr Zweifel kamen auf.

Der älteste Bruder musste deswegen sogar anfangen seinen ursprünglichen Plan zu überdenken. Ewald wollte nämlich am Anfang einfach mit der Tür ins Haus fallen.

Jedes unerwartete Geräusch ließ ihn im Anschluss nur noch nervöser werden und schreckte ihn nur noch mehr zurück. Der älteste Bruder versuchte sich das aber nicht anmerken zu lassen. Er flüsterte immer, dass die anderen beiden ruhig sein sollen, auch wenn seine Brüder eigentlich gar keine Geräusche von sich gaben.

Erik sah ihn daraufhin immer beleidigt an und er würde bestimmt gleich darauf wieder ein Streit anfangen, wenn sie nicht in dieser Situation wären.

Sie landete nach einer gewissen Zeit auf einer Lichtung, durch die der kleine Weg führte. Am Ende der Lichtung war eine anderthalb Meter hohe Mauer aus Holz zu sehen.

„Dieses mal wirfst du nichts um, klar?“, brummte Ewald zu Erik, der ihn erneut verärgert ansah:

"Diese Holzmauer, ernsthaft? Selbst wenn ich das wollte, könnte ich nicht.......", erwiderte Erik, aber sein ältester Bruder schnauzte ihn sofort an:

„RUHE!“

Ewald fühlte sich momentan sowieso erhabener, als sein jüngster Bruder, da dieser mindestens ein Kopf kleiner war, als er.

Eriks Kopf wurde immer rot vor Wut, als würde er gleich explodieren wollen. Bestimmt malte er sich in seinem Kopf schon tausende Möglichkeiten aus, wie er sich an seinem ältesten Bruder rächen könnte.

In der Regel ließ Erik das eigentlich immer nur eine Vorstellung bleiben.

Es war schön der Kopf der Truppe zu sein. Man durfte machen was man wollte und die anderen folgten, denn nur Ewald hatte die glorreichen Einfälle, zumindest glaubte er das.


 

Plötzlich wurde die Stille unterbrochen, denn eine weibliche Stimme rief lautstark und gereizt hinter ihnen.

Ewald erschrak sich dabei fast zu Tode. Er drehte sich erzürnt um.

„Hey! Seid ihr von diesem Verrückten, der es gewagt hat die Band zu entführen? Dieser Mr. S oder wie der Trottel heißt?“, seine Brüder drehten sich ebenfalls schockiert um.

Ewald zeigte sich erstaunt, als er hörte, wie das Mädchen den Besitzer der Villa beleidigte.

Er hoffte, dass Mr. S das hier hoffentlich nichts mitbekam. Man könnte die Situation missverstehen.

Ewald brachte kein Wort heraus und als er die Worte wieder fand, wurde er von ihr unterbrochen:

„Also ja? Ich schätze das Schweigen ist die Antwort.“, sie blickte noch gereizter als zuvor und Erik wich panisch zurück. Ewald wollte Vladimir befehlen, sich darum zu kümmern, aber selbst er machte einen Rückzieher, was äußerst selten vorkam.

Ewald verstand gerade nur Bahnhof.

Sie trat ein Schritt näher heran und die drei wichen zeitgleich zurück. Ewald schüttelte den Kopf:

„Hey hör mal ja? Was machst du jetzt so ein Stress?“, er wollte cool und lässig wirken und versuchte diese Variante als Einschüchterungstaktik.

"Wir sind die drei größten Diener von Mr. S, wir tun alles für den. Also wenn du uns ein Haar krümmst, dann wirst du es bereuen, außerdem ist mein Bruder ein starker Kämpfer. Er gehört zu Garde und er ist bald ein Elitekämpfer!", gab Ewald großkotzig an.

Der Junge dachte wirklich, dass es klappen würde, jedoch funktionierte es nicht so ganz, wie er sich das vorgestellt hatte.

Sie trat nämlich noch zorniger heran und er wich dadurch noch nervöser zurück:

"Was ist denn mit der? Wieso ist die so drauf? Wir haben der doch nichts getan? Hat die wirklich keine Angst vor dem, was ich gesagt habe? Was stimmt mit dem Mädchen nur nicht?"

„Ach ja.....? Ihr tut alles für ihn? Also auch etwas, wie entführen? Die Band also? Diese Band da, die in der Stadt, die spielen sollte? Seid ihr dafür verantwortlich gewesen?", das Mädchen bis ihre Zähne aufeinander. Die Adern traten an ihren Armen und Händen hervor. Sie ballte ihre Hände zu Fäuste zusammen. Ihr Gesicht wurde roter vor Zorn, als es je bei Erik gewesen war. Ihre Aura ließ jeden Anwesenden erstarren.

"Nicht doch..................., das war ein Missverständnis gewesen. Mr. S würde bestimmt gern mit dir darüber reden, du brauchst nicht gleich so wütend werden.", Ewald machte eine Rückzieher, da er bemerkte, dass das Mädchen wohl doch ziemlich gefährlich war.

Die junge Dame antwortete nicht darauf und ließ ihren Nacken knacksen, anschließend ihre Hände. Ewald begann zu schwitzen und er beschwichtigte weiter:

"Wir waren das wirklich nicht. Der Band geht es bestimmt gut, du brauchst dir keine Sorgen machen. Die Band ist freiwillig hier. Wir haben davon gehört, also das mit dieser Sache, aber mache dir keine Sorgen, drehe am Besten um und höre dir eine andere Band an, ja? Die Band ist bestimmt bald zurück und willst du ein Tipp von mir hören, also.......... nun ja........... seien wir doch mal ehrlich? Die Band ist scheiße. Suche dir eine andere Band, glaube mir, das ist das Beste was du jetzt tun kannst.“, das Mädchen grinste plötzlich daraufhin sehr selbstsicher und Ewald spürte plötzlich eine sehr bedrohliche und beängstigende Aura, die ihn komplett erstarren ließ. Er wurde förmlich zu Stein.

"Ich...........", wollte er wieder beginnen, aber da spürte er nur noch ein gezielten Treffer in sein Gesicht und dann sah er nur noch schwarz.


 

Einige Minuten später kam er wieder zu sich und der Junge hielt sich den Kopf, seine Nase blutete stark:

"Was ist passiert?", fragte er halb abwesend.

Seine Nase war wohl gebrochen oder zumindest stark verstaucht. Er musste sich wieder orientieren und langsam kamen seine Erinnerungen wieder zurück.

Ewald setzte sich auf und betrachtete seine zwei ohnmächtigen Brüder, dann sah er auf und erblickte die Mauer vor sich, aber jetzt war da etwas anders. Die Mauer hatte plötzlich ein großes Loch. Es sah so aus, als hätte jemand die Mauer mit einem Vorschlaghammer eingerissen.

Erik wachte auf und jammerte sofort los:

„Auuu! Diese Schmerzen! Das Mädchen, das war der Teufel!“

„Klappe halten!“, befahl Ewald und legte sich wieder auf den Boden, da sich seine komplette Welt wieder mehrmals um 360 Grad drehte.

Er brauchte jetzt ein wenig Ruhe und der Junge schloss daraufhin seine Augen erneut.

Heute war echt ein bescheuerter Tag. Sie hätten wohl doch lieber nach Hause gehen sollen.

Die Arrestzellen wären wohl angenehmer und sicherer und der Kommissar wäre bestimmt wesentlich freundlicher gewesen.

Mr. S X --- Schonzeit

[Noju]
 

Der Riss in der Wand wurde größer und er reichte sogar bis zur Decke.

Es war ein gefährliches Zeichen. Das Haus würde nicht mehr lange halten.

Der Putz fiel schon teilweise von den Wänden.

„Die Stabilität des Hauses ist wohl nicht mehr besonders hoch?“, überlegte Noju.

Die Fensterscheiben waren auch schon alle wegen den Druckwellen zerbrochen.

Der schöne rote Teppich, mit den goldenen Verzierungen auf dem Boden war teilweise angebrannt und viele Möbel, welche im Zimmer standen, waren umgeworfen worden.

Das große Brandloch in der Wand hinter Mr. S, wurde mit der Zeit größer, da dort auch die Wand begann sich aufzulösen. Ein schwacher Rauch ging zur Decke und färbte die Stellen dunkel. Es musste dort noch glühen vor Hitze. Es brach zum Glück noch kein Feuer aus.

„Wir haben nicht viel Zeit.“


 

Alle angeblichen Elementkristalle in diesem Raum wurden zerstört.

„Zumindest ist keiner dieser Bomben mehr übrig, hoffe ich zumindest.“

Nojus Blick fiel auf Linda, die dem angreifenden Mr. S, mit einem Rückwärtssalto ausgewichen war. Der Villenbesitzer hatte anschließend erneut ausgeholt, er war aber am Tisch hängen geblieben und säbelte stattdessen die Tischbeine mühelos ab.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin war daraufhin weiter zurück gesprungen. Ihr Blick fiel kurz zu Noju. Sie rief ihm mit ernsten Blicken zu:

„Der gehört mir ganz allein, klar?!“, Noju starrte daraufhin erstaunt die schwarzhaarige Gildenmeisterin an.

„HEY!“, rief sein Kollege und Engl hatte ihm ein Stoß gegen die Schulter verpasst, als dieser bemerkt hatte, dass der letzte Handlanger, welcher noch stand, seine Krallen ausgefahren hatte und ebenfalls angriff.

Noju wich zurück.

Der Angreifer schien aber nicht besonders gut reagieren zu können, denn Engl konnte seinen Krallenhieben ausweichen und stattdessen verhakte sich dieser Handlanger in sämtliche Möbel in seiner Nähe. Der Saal eignete sich nicht zum Kämpfen.

Der Raucher gab ihm anschließend ein Tritt in den Magen. Es war kein starker Tritt, jedoch zwang es den Kämpfer auf die Knie.

„War das echt schon alles von dem?“, stellte Noju ein wenig enttäuscht fest.

Der Blick des Kickboxers ging wieder zu Linda. Sie war inzwischen zu den zerbrochenen Fenstern gelaufen und Mr. S war immer noch, wie ein Berserker, hinter ihr her. Er zersäbelte dabei sämtliche Möbel. Das Katana musste furchtbar scharf sein.

„Ob das Linda hinbekommt?“, überlegte Noju besorgt. Er sah, wie Mr. S ein Stuhl mühelos zerteilte:

„Ihm ist wohl auch alles egal geworden.“


 

Der Kickboxer hörte das Klicken eines Feuerzeugs und er sah Engl, welcher neben ihm stand, er hatte sich eine Zigarette angezündet. Der Boxer steckte im nächsten Moment das Feuerzeug wieder ein.

Dr. Drogan betrachtete die Wand, neben ihm und der Arzt meinte:

"20 Minuten, dann sollten wir draußen sein.“

„Das Haus stürzt mit Sicherheit ein.", ermahnte er anschließend.

Noju und Engl nickten.

Mr. S lachte plötzlich los und er drehte sich zu den drei Kämpfern um.

"Ihr wollt wirklich schon gehen? Ich habe noch nicht mein volles Programm vorstellen können."

„Mieser Service! Es wird Zeit für meine Beurteilung.“, konterte Noju.

„Du wirst später davon überzeugt sein.“, erwiderte Mr. S, mit einem selbstsicheren Schmunzeln.

"Diese arrogante Visage.........., aber wir sollten vorsichtig sein. Ich bin mir sicher, der hat hier noch irgendwo Fallen parat.", überlegte Noju.

Der Handlanger, welcher zuvor noch gekniet hatte, stand wieder auf und er starrte grimmig.

„NERSLO!“, kam es plötzlich brummend von Mr. S und der Handlanger erstarrte.

„Du erledigst das jetzt schnell, klar?“, der Mann nickte.

Kurz darauf setzte er erneut zum Angriff an und der Vampir holte mit seinen Krallen aus, als würde er etwas werfen wollen.

„Ich ahne, dass der Typ wohl seine Krallen abfeuern kann.“

Der Vampir setzte zum Wurf an, aber da bekam er schon Holzbretter entgegen geworfen. Engl hatte die Fensterbänke abgerissen. Nerslo musste seinen Angriff kurz unterbrechen.

Dr. Drogan sah Engl kritisch an:

"Was sind das eigentlich für Manieren? Im Hotel rauchen und jetzt die Einrichtung zerlegen. Du gehst viel zu primitiv vor.", der Arzt zog drei kleine Nadeln hervor und er ließ sie elegant auf Nerslo zu fliegen, aber da stand schon Mr. S im Weg und parierte die Wurfnadeln mit seinem Katana ab, dabei zerlegte er dieses Mal keine Möbel.

"Ich hatte dich gewarnt!“, brummte der Villenbesitzer seinen Handlanger an.

Im nächsten Moment hatte sich der Mann in der Rüstung umgedreht und Nerslo wich panisch zurück, aber da stand Mr. S schon hinter ihm und biss ihm in den Hals.

Nicht mal eine Minute später ließ Mr. S von ihm ab. Das Blut tropfte von seinen spitzen Zähnen und er leckte sich die Lippen ab.

Nerslo stand jetzt da wie ein Zombie und seine Augen färbten sich schwarz.

Die Muskeln pumpten sich weiter auf und seine Haut wurde stark gräulich. Die Adern drückten sich weit hervor und der Handlanger riss sein Mund auf. Er präsentierte seine spitzen und gefährlichen Schneidezähne.

Statt einem menschlichen Brüllen, kam ein grässlicher Schrei heraus.

Mr. S grinste, während er sich wieder Linda widmete.

Der Handlanger stürmte plötzlich auf Engl zu und erwischte ihn, bevor dieser überhaupt reagieren konnte.


 

Nerslo riss Engl mit sich durch die Wand nach Draußen. Sie rollten den Abhang hinunter, weil der Handlanger dabei gestolpert war.

„Verflucht.........., er hat sein Handlanger gedopt.“, brummte Noju.

Der Blick des Kickboxer fiel noch einmal durch den Raum und er sah Linda, wie sie elegant durch das geöffnete Fenster sprang, um so Mr. S auszuweichen. Noju eilte anschließend ebenfalls nach Draußen und er wollte daraufhin sehen, ob Engl noch in einem Stück war, da sprang aber plötzlich etwas herbei und es stieß Dr. Drogan als Erstes um.

Noju hatte diesen Hünen nur aus dem Augenwinkel gesehen.

Der Kickboxer erkannte den Schuldigen. Es war einer dieser Torwache gewesen, die die vier grinsend durch das Tor gelassen hatte. Insgesamt waren es drei Torwachen gewesen.

Diese Torwache war aber nicht mehr so menschlich wie zuvor, der Vampir hatte sich in eine seltsame Kreatur verwandelt. Sein Gesicht war noch halb zu erkennen, aber sein Körper war haarig geworden. Das Fell des Monsters war dunkelbraun. Das Ungeheuer besaß ebenfalls nun große spitze Fangzähne und lange gebogene Krallen.

„Wie eine Mischung aus einem Bär.“, kam es von Noju. Die Torwache fühlte sich angesprochen und es starrte den Kickboxer plötzlich an. Seine Augen glänzend blutrot.

Ein wütender Hieb mit der Pranke und die Wand neben Noju brach ein.

„Der ist doch jetzt nicht zornig auf mich, oder?“

Dr. Drogan nutzte den Moment und er eilte außer Reichweite.

„Bist du jetzt so etwas wie ein Verbär?“, fragte Noju spöttisch, aber da musste er schon im nächsten Moment den Krallen von dieser Kreatur ausweichen.

"Hier!", rief Dr. Drogan und warf Noju drei kleine spitze Nadeln zu. Der Kickboxer nickte. Er fing die Nadeln, ohne sich selbst zu stechen. Er rammte diese der Kreatur in den Hals, aber das Monster brüllte nur noch zorniger. Es setzte seine Krallen erneut zum Angriff an.

Der Kickboxer wich mit schnellen kleinen Schritten nach hinten.

Jedoch musste er feststellen, dass Nerslo plötzlich hinter ihm stand. Er verpasste Noju ein direkten Treffer über die Brust, sodass der Mann nach hinten flog und zunächst liegen blieb.

"Ah je. Diese Wunde wird dauern.", jammerte er trotzig.

„Jetzt habe ich keine Lust mehr.“, brummte Noju anschließend und er sprang wieder auf.

Es war keine tiefe Wunde gewesen, da das Monster den Kickboxer nicht ordentlich getroffen hatte, aber sie blutete stark. Er würde verbluten, wenn er nicht aufpasste, also wich er vorsichtig zur Seite, dennoch stand er noch zwischen den beiden Monstern.

„Der Nadeln zeigen keine Wirkung, verdammt! Das ist sehr ärgerlich!“, brummte Noju.

"Warte noch ein Moment.", rief der Arzt. Jedoch starrte Dr. Drogan in eine andere Richtung. Er hielt wohl gerade Ausschau nach Engl.

Nerslo wurde tatsächlich langsamer und er kippte nach wenigen Sekunden schließlich zur Seite.

"Ja............., es ist ja nicht so, als hätte mich das Vieh noch zwischendrin erledigen können.", meinte Noju unzufrieden und er betrachtete seine Wunde. Die Blutungen hatten wieder aufgehört.

Der Grund waren die Medikamenten, die die Heilung stark förderten. Das Mittel war ein zweischneidiges Schwert, denn es konnte fast mit Garantie Übelkeit und Fieber verursachen. Man musste sich auch erst über die Jahre daran gewöhnen. Ein normaler Mensch konnte das Zeug nicht einfach so einnehmen, er würde wahrscheinlich krank werden und sterben.

Nerslo brüllte zornig auf und er wollte sich auf Noju stürzen, da wich der Kickboxer nur zur Seite und der Handlanger rollte wieder den Abhang hinunter, weil dieser erneut gestolpert war.

„Trottel.“, kam es abfällig von Noju.


 

Noju wischte sich erleichtert den Schweiß von der Stirn, anschließend warf er ein kurzen Blick über den Vorgarten. Der Kickboxer wollte nach Linda oder Engl Ausschau halten, aber er sah keinen von beiden.

Da stand Nerslo schon wieder vor ihm.

„Man bist du hartnäckig.“, beschwerte sich Noju. Der Handlanger wollte ihn mit einem weiteren Angriff wohl aufschlitzen, aber der Kickboxer wich mit einer Kombo aus Ducken und Sprinten zur Seite. Nerslo rammte seine Klauen stattdessen erneut in die Wand und zerstörte wieder ein Teil des Hauses.

„Nicht mehr lange. Nicht mehr lange.“

Noju eilte um den Handlanger herum.

Beim Herausziehen der Krallen brachen diese ab und die Kreatur brüllte wieder zornig auf.

„Der Hellste bist du nicht gerade?“, meinte der Kickboxer schmunzelnd. Er wollte den Hünen um die Hüften packen, um den Kerl anschließend umzuwerfen, aber Nerslo drehte sich schneller als gedacht um und verpasste Noju eine kräftige Pranke in die Seite.

"Du aber auch nicht.", antwortete Engl, der plötzlich neben den zurückfliegenden Noju stand.

Der Raucher holte mit seinem rechten Arm aus. Er verpasste dem Hünen ein kräftigen Kinnhaken.

Der Vampir flog knapp über ein Meter in die Luft und entsprechend weit nach hinten.

Der Getroffene rührte sich danach nicht mehr. Seine Verwandlung ging zurück.

Engls Faustschläge waren sehr kräftig und brutal, das zeigte sich wieder einmal.

Man hörte das Arbeiten von Steinen und man konnte nun erkennen, dass sich die Risse sich bis in das obere Stockwerk gezogen hatten. Die Villa würde in spätestens fünf Minuten einbrechen, da war sich Noju sicher, deswegen suchte er nun Abstand zur Villa.

Plötzlich waren ebenfalls stählerne Geräusche wahrzunehmen. Das Einschlagen von einer Klinge war nun deutlich zu hören.

Linda sprang im nächsten Moment über die Wiese und wich Mr. S aus. Der Villenbesitzer ließ sein Katana durch die Luft wirbeln. Seine Hiebe waren elegant und zeugten von Übung. Linda wich aber entsprechend aus, als wäre sie selbst darin bewandert.

Mr. S spielte mit ihr und sie wusste das wohl auch anscheinend, aber sie spielte das grausige Spiel mit.

„Er hat wohl Spaß daran.“, meinte Engl abfällig, als Noju zu ihm gelaufen war. Engl warf seine Zigarette auf den Boden. Der Mann trat darauf und drückte sie somit aus.

„Das Katana könnte sie beim Treffer problemlos zerteilen und die Reichweite des Samurais erfasst knapp zwei Meter, somit wäre der direkte Nahkampf für sie wahrscheinlich schnell tödlich.“, erklärte der Boxer.

„Wir sollten ihr irgendwie helfen, aber wie? Sie hat nicht einmal eine Waffe.“, überlegte Noju skeptisch.

„Sie will nicht.“, meinte Engl.

„Ja und? Es bringt aber nichts, wenn...........“, wollte der Kickboxer erklären, da fiel ihm der Boxer ins Wort:

„Ein Vampir können wir auf drei Wege töten. Zwei davon sind in jeder Geschichte gleich. Entweder man verpasst ihnen ein Holzblock durchs Herz oder man macht sie ein Kopf kürzer. Die dritte Möglichkeit ist eher unbekannter. Man setzt ihr Hirn außer Gefecht, also man sorgt dafür, dass es aussetzt. Theoretisch sind sie nur tote Körper, aber ihr Hirn ist noch aktiv, also ist es möglich, aber leider nicht einfach umzusetzen. Es muss schon ein direkter Treffer gegen den Kopf sein, dann sendet das Hirn keine Befehle mehr aus.“

„Wir müssen ihm ein nur direkten Treffer gegen die Schläfe oder gegen das Kinn verpassen.“, erklärte Dr. Drogan, der zur Gruppe gestoßen war. Er sah sich anschließend die Wunde von Noju an.

Mr. S ließ sein Katana langsam immer schneller schwingen, sodass Linda schon ziemlich aus der Puste war.

„Wieso nimmt sie Abstand zu uns, wenn sie herkommen würde, könnten wir eingreifen. Wir können ja jetzt nicht einfach auf ihn losstürmen. Wir wissen nicht einmal, was der noch geplant hat.“, meinte der Kickboxer.

„Bevor wir ihr tatsächlich helfen, müssen wir uns noch um das restliche Kleinvolk kümmern.“, meinte Engl. Er deutete auf die Seite neben Noju. Dort stand wieder die Torwache von zuvor. Dieser seltsame Bär.

Engl und Noju starrte die Kreatur an.

„Wie wäre es mit unserer alten Kombo aus vergangener Zeit?“, fragte Noju Engl, der ihm zufrieden zunickte.

„Also dann!“, gab der Raucher bekannt. Engl zog sein rechten Arm zurück, sodass dieser zu einem horizontalen 90 Grad Winkel mit seiner Brust wurde. Die Faust nach vorne gerichtet.

Im nächsten Moment bewegte er ihn mit einer 180 Grad Drehung nach vorne.

Man nannte diese Technik, den Korkenzieher und sie war eine effektive Grundtechnik in Karate.

Diese Technik verstärkte ein normalen Faustschlag um fast das Dreifache der Stärke.

Engl drehte sich selber während des Schlages um fast 90 Grad zur Seite und schwang somit sein Arm mit, dadurch traf er schließlich das Monster in die Seite. Die Wucht des Schlages ließ ein lautes Knacken hören und durch den heftigen Treffer, taumelte die Kreatur.

Ein paar Knochen waren sicherlich gebrochen.

Bevor die Kreatur wieder etwas realisieren konnte stand Noju schon vor der Torwache.

Die Kreatur brüllte auf und diese wollte Noju nun packen, aber da hatte der Kickboxer sein rechtes Bein hochgehoben und leicht angewinkelt. Sein nächster Tritt folgte nach einer 360 Grad Drehung. Es versetzte das Monster durch den Treffer in eine Art Trance, aber es war dadurch leider noch nicht besiegt.

"Hartnäckig das Biest.", beschwerte sich Noju.

"Dann müssen wir eben noch einmal ran.", gab Engl bekannt.

Der Raucher wollte erneut ausholen, aber da flogen schon dünne metallische Spitzen direkt in die Brust des Monsters.

Es brüllte lautstark auf und nach wenigen Sekunden flog es nach hinten um. Dr. Drogan stand oben am Hügel und er rief zufrieden:

„Ich musste nur die Mischung ändern und dann wirkt es gleich viel schneller.“

"Immer das letzte Wort, aber na gut.", dachte Noju leicht unzufrieden.

Engl dachte wohl ebenfalls so, aber im Grund war das auch gar nicht mehr so wichtig.

Dr. Drogan winkte sie hoch, er wollte die beiden vermutlich schnell durchchecken.


 

Während der Kickboxer den Abhang nach oben lief, sah er aus dem Augenwinkel etwas herbei fliegen. Er reagierte schnell und der Kickboxer fing das Flugobjekt.

Noju hatte richtig reagiert, denn er hatte schon bemerkt, dass es ein Mensch gewesen war. Es war Tina, um genau zu sein.

"Wie zum...............", dachte Noju erstaunt und er sah in die Richtung des Werfers. Ein weitere Torwache war aufgetaucht.

Es war dieses Mal das Muskelpaket gewesen.

„Ist das wirklich Tina?“, fragte Engl erstaunt. Noju sah das Mädchen in seinen Händen an.

Tina war ohnmächtig und sie war leicht verletzt.

Dr. Drogan eilte zu den Beiden. Er nahm sie sofort in Beschlag.

„Ärgerlich, ich dachte, dass ich dich treffen würde?“, brummte der Hüne in der Ferne mit lautstarker und arroganter Stimme.

„Dann prügle ich euch eben die Scheiße aus dem Leib.“, er stürmte anschließend auf die Gruppe zu.

"Der kann gerne ebenfalls etwas auf die Fresse haben! Wer sich mit unschuldigen Mädchen anlegt, der hat es bei mir ordentlich vergeigt.", rief Engl genervt. Er ließ seine rechte Hand daraufhin knacken.

Der Raucher stellte sich vor der Gruppe auf.

"Du passt auf die beiden auf, du hast sowieso weitaus mehr Blut verloren als ich.“, erklärte Engl.

„Spiel dich hier nicht so auf. Ich kann noch kämpfen!“, erwiderte Noju.

„Ich gebe dir noch knapp eine Minute, bis du das einsiehst.", meinte der Boxer. Er zündete sich in aller Ruhe ein weitere Zigarette an.

„Was, woher willst du................“, da begann plötzlich das Schwanken und Noju musste sich auf die Knie fallen lassen. Er brauchte ein paar Sekunden bis er wieder klar denken konnte.

„Verflucht! Engl, muss mal wieder den Held spielen.“, kam es genervt vom Kickboxer. Noju legte sich anschließend auf die Wiese.

Er brauchte ein paar Minuten zur Erholung. Engl war wohl jetzt für einen Moment auf sich gestellt.

Aber, wenn Noju ehrlich war, würde das den Raucher keinesfalls stören.

Wenn es um Frauen geht, ist die Schonzeit nämlich vorbei.

Mr. S XI --- Mehr Glück als Verstand

[Rick]
 

Die kräftigen Hände, welche fest im Griff um seinen Hals, lagen, würgten ihn. Er bekam kaum noch Luft, außerdem war seine Kraft aufgebraucht. Wie ein nasser Sack hing er in der Luft und der dürre Mann hob ihn einfach so mühelos hoch, als wog der Junge nichts.

Nicht mehr lange und Rick würde ersticken.

„Wohl ein bisschen lebensmüde, Kleiner? Kennt ihr nicht die Regeln, dass es jedem Fremden verboten ist, auch nur ein Schritt in das Reich von Mr.S zu wagen.“, brummte der Mann. Er präsentierte dabei wieder einmal bedrohlich seine spitzen Zähne.

"Soll ich dich beißen?“, meinte der dürre Mann.

„Wobei mir gesagt wurde, dass ich das nicht machen darf.", fügte er hinzu.


 

„Lass ihn los du Blutsauger!“, brummte Alina.

Sie war nach einem schweren Treffer zu Boden gestürzt. Das Mädchen war für einige Sekunden ohnmächtig gewesen und Rick hatte Panik geschoben. Er hatte den Mann blind attackiert und nun hatte der Junge die Konsequenz zu tragen.

Alina hielt ein großen Ast in den Händen, wie ein Schwert. Ein direkter Treffer mit dem Ast würde schon für eine Gehirnerschütterung sorgen, aber der dürre Mann lachte nur.

Er warf als Antwort Rick dem Mädchen entgegen.

Rick stieß Alina um und die beiden flogen zu Boden. Alina blutete aus der Nase und Rick hatte für einen kurzen Moment die Orientierung verloren, aber auch er blutete aus der Nase.

„Ich beiße sowieso keine Jungs. Ist mir ehrlich gesagt zu ekelig.“, der Mann lief bedrohlich, aber langsam auf die beiden zu.

Er genoss die Situation. Man konnte seinem leichten Schmunzeln entnehmen, dass er wohl seine derzeitige Rolle sehr mochte.

Sein hellgraues Haar glänzte im Licht des Mondes und seine rötlichen Augen verstärkten die Aura des Ungeheuers.

„Ich werde großen Spaß haben.“, gab der Mann von sich. Er leckte sich die Lippen.

„Ich werde euch ausbluten lassen.“, sein Gesicht verzog sich zu einen gierigen Grinsen.

„Ärgerlich.“, brummte Rick.

Die Wache war wesentlich stärker als er. Ricks plumper Faustschlag wurde einfach pariert.

Es zeigte dem Jungen deutlich wie schwach er doch eigentlich war.

Diese Erkenntnis kratzte sehr an seinem Ego, denn bisher hielt er sich für sehr schlagkräftig.

Rick stand langsam auf. Er stellte sich vor Alina und der Junge wischte sich das Blut von den Lippen.

„Blut.“, flüsterte der Vampir.

„Ich habe keine Angst vor dir!“, brüllte Alina. Sie war ebenfalls aufgestanden.

In geschwächter Haltung stand sie neben Rick.

„Die Sterblichen werden auch immer dümmer. Wir wäre es mit wegrennen? Wo bleibt denn der Spaß?“, beschwerte sich der dürre Mann.


 

Der Vampir blieb stehen. Er betrachtete genervt Rick und anschließend Alina.

„Was mache ich nur mit euch? Mir ist echt langweilig geworden. Vielleicht schlitze ich euch direkt auf?“

Das Knacken von Holz war zu hören und der dürre Mann drehte sich in die entsprechende Richtung.

Erstaunt brummte er:

„Das ist noch jemand? Noch ein Sterblicher?“, Rick konnte in dieser Dunkelheit keine Person in der Ferne erkennen. Es lag wohl an den guten Augen des Monsters vor ihm.

Die unbekannte Person kam in dem leichten Nebel immer näher. Die Schatten formten sich zu einer Person.

Plötzlich sprintete diese Person los.

„Und wieder ist ein Idiot im Weg! WO HABT IHR DIE BAND VERSTECKT?!“, brüllte die unbekannte Person, jedoch war die Stimme für Rick gar nicht so unbekannt.

Der Mann mit dem grauen Haar wandte sich von den beiden ab. Er widmete sich der heranstürmenden Person.

Bedrohlich präsentierte er seine spitzte Zähne und zudem streckte er seine Hände aus. Der Mann wollte das Mädchen abfangen. Er unterschätzte jedoch die Geschwindigkeit, denn da stand sie schon da und man konnte das Knacken von Knochen hören. Ein gezielten Faustschlag gegen seine linke Gesichtshälfte ließ den Vampir über den halben Platz fegen.

"Verdammt! Ich habe mir vermutlich die Hand gebrochen.", beschwerte sich das Mädchen.

Rick sah erstaunt auf. Es war dieses Mädchen namens Jessica.

Das aufgetauchte Mädchen drehte sich um und fragte:

"Alles in Ordnung?“, Rick nickte ihr zu.

„Bei diesen Typen darfst du einfach nicht zimperlich sein.", fügte sie hinzu. Sie widmete sich anschließend dem Eingangstor zur Villa.

"Die hat den Typ einfach mit nur einem Schlag besiegt!", dachte Rick nervös.

„Jetzt kann ich Daniel und Max irgendwie verstehen.“


 

Jessica stürmte weiter vor.

Ricks Freundin nutzte den Moment und sah ihn an:

"Wie geht es dir? Du hast ziemlich viel Blut verloren.", erklärte Alina.

Ihr Gesichtsausdruck zeugte von ihrer Sorge.

Der Junge konnte langsam wieder klarer denken. Das Gleichgewicht kam ebenfalls langsam zurück, jedoch wurde der Junge müde.

Der Schock saß noch tief. Er hatte wirklich für einen Moment geglaubt, dass es aus wäre, zudem beschäftigte es ihn immer noch sehr, dass er so schwach gewesen war.

Er war zudem immer noch leicht vernebelt, dennoch wagte es Rick wieder zu laufen.

„Wir müssen jetzt Tina retten gehen.“, erklärte er. Alina hielt ihn fest und sie starrte ihn finster an.

Ihm ging es, wenn er ehrlich war, immer noch sehr dreckig.

Er musste sich an Alina stützen.

"Bist du des Wahnsinns, Rick?! Du bist verletzt! Glaubst du wirklich, ich lasse dich jetzt einfach gehen?", rief Alina mit lautstarker Stimme.

Rick sah sie, trotz Müdigkeit, entschlossen an:

"Ich lasse sie nicht im Stich. Es war mein Fehler, dass sie mitkam und jetzt werde ich das auch wieder revanchieren."

"Du bist wahnsinnig, Rick. Du hast zu viel Blut verloren!", beschwerte sich seine Freundin.

„Sie meint es wirklich nur gut.“

"Ich könnte Tina dann nicht mehr in die Augen sehen. Wie soll ich das Linda dann erklären?", meinte der Junge und humpelte vorwärts. Alina stützte ihn weiter, jedoch wollte sie ihn sanft zurückziehen.

„Es ist nicht deine Schuld! Tina hat ebenfalls Mitschuld daran, dass sie mitwollte. Sie wollte helfen. Sie hat dir ein schlechtes Gewissen gemacht. Ich kann das bezeugen. Rick..........., bitte sei vernünftig!“, sie gab wohl nicht nach.


 

Rick nahm plötzlich aus der Ferne Kampfgeräusche wahr, dadurch wollte er wieder weiter laufen.

"Sie kämpfen schon, verflucht!", brummte Rick besorgt.

Durch das offene Tor konnte er in der Ferne Linda erkennen.

Er sah Linda, wie sie einer feindlichen Klinge auswich.

„Verdammt!“, brummte der Junge anschließend.

Alina wollte ihren Freund zwar immer noch zurückdrängen, aber Rick befreite sich aus ihren sanften Griff. Er humpelte alleine vorwärts.

„Bitte!“, rief sie ihm hinterher.

Der angeschlagene Junge näherte sich dem Tor.

Er sah den Entführer von Tina, der momentan auf Engl zustürmte, dabei brüllte der Wächter wie bescheuert.

Er schlug wild nach dem Boxer, doch seine Angriffe verfehlten das Ziel.

Der erfahrene Kampfsportler war einfach agiler.

"Du bist zu langsam.", provozierte Engl.

Der Hüne brummte zornig. Eine starke Rechte folgte, aber Engl parierte den Faustschlag und im nächsten Moment stand er schon direkt vor dem Großen.

Der Boxer verpasste dem Hünen ein gezielten Kinnhaken. Der Hüne machte ein Satz nach hinten und kurz darauf verlor er das Gleichgewicht.

"Argh.", brummte der große Kontrahent, jedoch stand der Entführer sofort wieder auf.

„Du elendiger Bastard! Hier ist meine.......“, wollte der Hüne beginnen, aber weiter zu reden schaffte er nicht, denn Engl stand schon wieder direkt vor ihm und der Boxer holte aus.

Dabei sprach er mit bedrohlicher ruhiger Stimme:

„Das ist dafür, dass du mit jungen Mädchen um dich wirfst!“

Der nächste Faustschlag des Boxers war so extrem, dass es selbst Rick durch Mark und Bein ging. Er spürte förmlich die Wucht des Angriffes durch seinen Körper fliesen, als Engl die rechte Faust gegen die Schläfe des Entführers prügelte.

Die Muskelmasse des Hünen schwappte für einen Moment und eine schwacher Wind fegte plötzlich über den Hügel, sodass Rick vor Erstaunen schlucken musste.

Sein Körper zitterte, die Power des Schlages war sehr überwältigend gewesen, auch wenn er nicht einmal nah stand.

"Was für ein kräftiger Schlag.", dachte Rick.

Der Hüne flog über die Wiese in die Steinmauer. Er riss die Mauer dabei zum Teil ein.

"Sämtliche Rippen sollten gebrochen sein, der steht nicht mehr auf.", meinte Engl.

Der Boxer schwitzte ein wenig, man konnte ihm ansehen, dass der Schlag wohl viel Kraft gekostet hatte.

„Was für ein starker Kämpfer.“, Rick war von der Kampfkraft überzeugt.

Er hatte für einen Moment sein eigentlich Ziel vergessen, dafür schämte er sich anschließend.

Rick wollte nach Tina Ausschau halten. Er entdeckte sie schließlich bei Dr. Drogan.

Sie saß auf dem Hügel. Das Mädchen war bei Bewusstsein und es ging ihr anscheinend gut.

Rick atmete erleichtert auf.


 

Der verletzte Junge humpelte zu Tina. Alina zögerte, jedoch wollte sie ihren Freund wohl nicht alleine lassen.

Er wollte dringend wissen, wie es ihr ging?

„Tina.........., es tut............“, dabei blickte Rick erschrocken in die zornigen Blicke des Arztes neben ihr.

Dr. Drogan unterbrach ihn daraufhin:

„Wie hat euer Befehl gelautet? Ach und sagt es mir erst gar nicht, die anderen sind auch gegangen. Ich knöpfe mir jeden von euch vor, der unschuldige Mädchen in Gefahr bringt und dann wird es wahrscheinlich auch Linda tun. Seid froh, dass ihr noch lebt. Diese Typen sind wahre Bestien.“, der Arzt zeigte auf die besiegten Gegner, die verstreut auf dem Feld lagen.

Dr. Drogan blickte dabei nervös in die halb zerstörte Villa, als würde da noch jemand lauern.

Der Arzt fasste den Jungen grob an. Er durchsuchte seine Wunden. Rick schreckte auf:

"Ahhhh..........", es hatte ihn einfach nur sehr überrascht. Der Schmerz war nicht allzu groß, dazu war der Junge einfach zu benommen.

"Hey! Sei nicht so grob zu ihm", beschwerte sich Alina.

Der Arzt ignorierte sie und er durchsuchte die Rippen von Rick:

"Ihr seid nicht gebissen worden?", fragte er mit ruhiger Stimme.

Rick schüttelte den Kopf und Alina ebenfalls.

"Das ist sehr gut, denn das wäre sehr schmerzhaft geworden.“, dem Jungen schauderte es auf die Aussage des Arztes.

„Also gut, aber wir sind noch nicht in Sicherheit. Linda ist gerade schwer beschäftigt. Wir müssen die Situation abschätzen. Dieser Mr. S ist ein ganz anderes Level, wobei ich denke, dass wir den zusammen überwältigen können.", meinte Dr. Drogan.

Es herrschte eine kurze Stille, daraufhin fügte der Arzt hinzu, aber dieses Mal in einem sehr ernsten Tonfall:

„Ihr hattet einfach mehr Glück als Verstand. Seid froh, dass es euch drei gut geht.“, für Rick hatten diese wenige Worte ein wahren Kern. Er sah seine Schuld ein und es tat dem Jungen extrem Leid. Er konnte nicht einmal mehr Tina in die Augen schauen.

„Wo sind die anderen?“, fragte der Arzt schließlich.

"Ich weiß es nicht, ich habe sie nicht gesehen, außer dieses aggressive Mädchen. Sie war gerade eben noch bei uns. Sie ist einfach verschwunden. Das Mädchen wollte die Band befreien gehen.", antwortete Rick.

„Sie ist verschwunden?“, meinte Dr. Drogan. Er schaute sich um, aber niemand neues war zu sehen.

Er widmete sich wieder Rick zu und meinte:

„Zuerst erholst du dich, ich werde mich darum kümmern.“, der Arzt stand auf.

„Übrigens! Wenn die Chance günstig ist, versucht in Sicherheit zu gelangen. Hier auf dem Hügel ist es viel zu gefährlich für euch. Ich kann euch nicht beschützen, wenn ich gegen ihn kämpfen muss.“, fügte Dr. Drogan hinzu.

Der angeschlagene Junge nickte.


 

Rick wandte sich schließlich Tina zu, die auf den Boden starrte. Sie hielt sich am Arm fest und das Mädchen meinte leise:

„Es tut mir Leid.“

„Nein warte........, mir sollte es Leid tun.“, begann er schließlich.

Tina erwiderte nichts. Sie murmelte nur nach einer Weile:

„Ich war euch eine Last. Eine unnötige Ballast. Ihr wolltet ja, dass ich lieber im Hauptquartier warte.“

„Nein, das stimmt nicht. Ich hatte dich ja...........“, wollte Rick erklären, da spürte er den festen Griff seiner Freundin am Arm. Sie sah ihn ernst an:

„Wir müssen abhauen. Du hast ihn ja gehört.“

Rick sah das schnell ein und er stand auf.

Während er zum Kampf sah, humpelte er mit Alina den Hügel hinunter. Tina folgte den beiden dicht, aber sie blieb still.

"Genug!", hallte es plötzlich über den ganzen Platz. Rick erstarrte. Die Stimme jagte ihm sofort Angst ein.

Der Mann in der Rüstung hatte sich zu Wort gemeldet. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er, der sogenannte Mr. S.

Linda, Engl, Noju und Dr. Drogan hielten Abstand zu dem Mann, der immer noch seine Waffe zum Angriff bereithielt.

Rick blickte anschließend zu seiner Gildenmeisterin.

Er erschrak ein wenig, denn er hatte noch nie so ein bösen Blick von ihr gesehen.

Lindas wutentbrannter Blick erschütterte Rick.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin starrte ihren Kontrahenten an. Mr. S schmunzelte jedoch nur selbstgefällig.

Er hob seine Klinge nach vorne.

„Mir ist langweilig. Lasst uns diesen Schwachsinn beenden.“, er pausierte kurz.

Sein Blick wanderte kurz über den Platz:

„Dafür, dass ich mir so viel Arbeit bereitet habt, meine Handlanger besiegt, meine Villa zerstört, mein Ruf missachtet, mein Gebiet unerlaubt betreten und verwüstet habt. Meine jahrelange Planung ist dahin.“

Er warf im nächsten Moment sein Katana in einem hohen Bogen nach vorn, sodass es neben Linda im Boden stecken blieb:

„Dafür müsst ihr sterben.“, die tiefe Stimme brachte so eine extreme Gänsehaut auf, sodass Rick kurz schlucken musste.

„Linda Westallya. Du wärst eine wunderschöne Frau gewesen. Es gab sogar eine Zeit, da hatte ich vor dir ein Antrag zu machen, aber..........“, sein Schmunzeln verstummte, dafür glänzten seine Augen rötlicher:

„..........nun will ich dir dein Blut entreißen.“

Mr. S öffnete seine Rüstung in wenigen Bewegungen. Er warf sie zu Boden.

Der Villenbesitzer präsentierte seinen durchtrainierten Oberkörper. Er trug nur eine schwarze Hose.

Eine weiße und schwarze Halskette lagen um seinem Hals.

Der Mann legte seine rechte Hand daran und er brummte:

„Nun..........“, dann riss er die beiden Ketten von sich.

Der Körper von Mr. S veränderte sich in wenigen Sekunden. Eine Verwandlung trat ein.

Er wurde größer und noch muskulöser. Mr. S wurde von Sekunde zu Sekunde mehr zu einem riesigen Monster. Einem zwei Meter großen schuppigen Monster, aber sein Wachstum stoppte nicht.

Er wurde größer als jede Kreatur, der zurzeit auf der Insel unterwegs war. Der Mann wuchs noch weiter. Er erreichte schließlich eine Größe von drei Meter.

Seine Schuppen wurden dunkelrot, sowie seine Augen. Er brüllte und sein Grollen hallte durch die ganze Insel.

Er schreckte die Vögel auf, die dadurch alle davonflogen.

Das Monstrum streckte sich und nun hatte er die vier Meter erreicht.

Er fuhr seine Krallen aus, die ein halben Meter lang waren, aber sie sahen nicht aus wie die Krallen seiner Handlanger. Seine Krallen waren aus dickem und scharfen Metall und blutrot.

Sein Körper war überzogen von einer dicken Panzerung, die ihn effektiv schützen würde.

Seine anfänglichen Fangzähne waren zu Stoßzähnen gewachsen. Seine Gestalt ähnelte einem gigantischen Wildschwein auf zwei Beinen.


 

Rick atmete schwer. Er hatte plötzlich eine starke Panik bekommen, als die Bestie aufgetaucht war, denn sie strahlte eine beängstigende Aura aus, die einem fast die Luft abschnürte.

Ein Blick der Bestie reichte und man erstarrte komplett.

"Wir müssen hier schnell weg!", stotterte er panisch.

Alina blieb seltsamerweise ruhig. Sie blickte nur nervös.

Tina zitterte am ganzen Körper. Sie bekam Tränen in den Augenwinkeln.

"Wehe! Du heulst jetzt herum.", beschwerte sich Alina.

"Los!", erklärte sie und schob Rick unsanft nach zum Tor.

Die drei eilten schließlich dorthin.

Es war der purer Horror, wenn man zurückblickte.

Die Kälte in der Umgebung hatte ebenfalls schlagartig zugenommen. Man wollte einfach nicht mehr hier sein. Man wollte plötzlich soweit abhauen wir möglich.

„Hoffentlich schaffen sie das. Dieses Biest ist abnormal.“, murmelte Rick.

Er bemerkte wie Linda und die anderen drei vor dem Monster ruhig und unbeeindruckt standen.

„Danke für das Katana.“, verkündete Linda zufrieden. Sie zog anschließend die Klinge aus den Boden.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin erklärte im Anschluss mit todernster Stimme:

„Da du jetzt nicht mehr wie ein Mensch aussiehst, habe ich auch keine Skrupel mehr dich zu töten.“, sie betonte den Satz so eiskalt, sodass Rick wieder ein Schaudern über den Rücken wanderte. So hatte er Linda noch nie gesehen. Diese Worte waren für ihn völlig fremd.

Die Aura der Gildenmeisterin hatte sich ebenfalls stark verändert.

Sie war jetzt nicht mehr die fürsorgliche strenge Linda. Sie war jetzt die beschützende skrupellose Gildenmeisterin, die um jeden Preis ihre Gilde beschützen würde.

"Ich bleibe.", sagte er plötzlich zu Alina und sie starrte ihn unverständlich an:

"Was wieso?"

"Sieh dir Linda an. Sie wird es schaffen. Ich darf jetzt nicht fliehen, ich muss ihr seelisch beistehen. Ich bin mir sicher, dass ich ihr helfen kann, wenn ich nur an sie glaube.", meinte er.

Alina sah Rick verwundert an und dann sah sie zu Linda.

"Kannst du das nicht auch unterwegs?", aber Rick reagierte nicht auf ihre Frage, worauf sie ein klein wenig beleidigt wirkte.

Die Bestie brüllte erneut und wieder zog das Grollen durch den Wald.

Der eiskalte Wind peitschte über die Wiese. Es war daraufhin alles für einen kurzen Moment still. Die Stille fühlte sich tödlich an.

„Beenden wir das! Ich werde dir zeigen was passiert, wenn man sich mit meiner Gilde anlegt! Wenn man mich in Rage bringt!“, verkündete Linda.

Sie ging anschließend in eine leicht gebückte Kampfstellung. Sie hielt das Katana mit beiden Händen seitlich nach hinten. Die silberne Schneide nach vorne gerichtet.

Ihre Haltung zeugte von Erfahrung.

Rick war sich in diesem Moment plötzlich sicher, dass die schwarzhaarige Gildenmeisterin, die Leiterin der Ranger Guild, dieser Bestie den Gar ausmachen wird.

Mr. S XII --- Der gute Wille

[Max]
 

Julius begann als Erstes zu reagieren. Er nahm sein Elementkristall und der Junge hob das Ding in die Luft. Julius wirkte so, als wüsste er was zu tun war. Max sah sein bläulichen Kristall an.

Irgendwie waren die Erinnerungen da. Zwar nur von diesem Stein und auch nur von der Kreatur, welche sich darin befand und wie man sie beschwor, aber sie waren plötzlich da.

Warum hatte er eigentlich noch nicht zuvor daran gedacht, diesen Elementkristall zu aktivieren?

Der vermeintliche Vampir stoppte, als er sah, wie Julius auf dem Hügel seinen rötlichen Kristall weit in die Luft hob.

Der Feind war wohl nicht so naiv, denn er wich zurück.

Nervös blickte der Feind den Kristall an. Eventuell kannte er die Gefahr dieser Elementkristalle.

Der dunkelrote Kristall in der Hand des großen Jungen leuchtete auf:

"Irgendwie so sollte das funktionieren.", gab er bekannt.


 

Als Ergebnis strahlte aus dem dunkelroten Kristall ein dünner Lichtstrahl mitten in die Luft, aus dem Lichtstrahl entstand ein roter brennender Vogel, der die Form eines kleineren Raubvogel hatte.

Der beschworene Feuervogel kreiste anschließend über den Köpfen der drei, dabei stieß er öfters ein Kreischen von sich, um wohl seine Lebendigkeit zu präsentieren. Da er aber nicht besonders groß war, wirkte er, abgesehen davon, dass er ganz in Flammen stand, nicht allzu bedrohlich.

Dennoch bewies dieser lautstarke Raubvogel jedoch, dass er eine majestätische Aura besaß und dass der Vogel wohl besonders stolz auf sich war.

"Cool, ich habe keine Ahnung wie ich das jetzt eigentlich gemacht habe.", sagte Julius und starrte erfreut nach oben. Ein großes Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

„Es ist wie bei Tina, die sich erst wirklich an die Kreatur erinnern konnte, als sie bewusst den orangefarbenen Kristall angefasst hatte.“, stellte Max fest.

„Wie heißt dein Feuervogel?“, fragte der schwarzhaarige Junge daraufhin.

Julius schien kurz zu überlegen:

"Ich glaube, dass er Lav heißt.", erklärte er, aber der Junge wirkte so, als wäre er sich dabei nicht ganz sicher.

Die Kreatur erkannte sofort wer sie beschworen hatte und setzte sich auf dessen Kopf.

"Ist das nicht heiß? Der brennt ja völlig.", fragte Daniel nervös und er wich weiter zurück.

Er war wohl am Überlegen, ob er die Kreatur anfassen sollte.

"Nein, er ist nur warm. Das Feuer spüre ich gar nicht.", erklärte Julius und er streichelte den Kopf der Kreatur.

Wer der Feind war, erkannte der Vogel auch sofort, denn er flog wieder in der Luft und starrte herablassend auf den Vampir. Wütend brüllte er den Feind an. Unsicher starrte der Feind den Vogel an, wahrscheinlich wusste er nicht, wie er diese Gefahr einschätzen sollte.


 

Max hob dann ebenfalls seinen Kristall hoch, aber ohne ihn weit in die Luft zu heben.

"Bläulich............, es war eine bläuliche Kreatur.", überlegte Max.

Er hatte jedenfalls schon ein grobes Bild im Kopf und wie er es anstellen musste erfolgreich die Beschwörung durchzuführen.

Max wusste aber auch nicht alles über diese Elementkristalle, er wusste nicht einmal woher er den Kristall eigentlich herhatte.

Er tat einfach das, was ihm sein Bauchgefühl sagte und der schwarzhaarige Junge hoffte dann, dass es funktionierte.

Aus dem Kristall kam ein hellblauer Lichtstrahl und aus diesem flog ebenfalls ein Vogel heraus. Dieses Mal war es ein hellblauer Adler.

Sein Körper wirkte so, als wäre er mit mit dünnem Eis überzogen.

Er flog ebenfalls stolz im Kreis über die Köpfe hinweg. Beide Kreaturen kreisten jetzt im Kanon, bis sie irgendwann ganz synchron flogen. Sie blieben wohl stets in der Nähe ihrer Besitzer.

Nur die Oberfläche des Körpers des hellblauen Vogels bestand aus Eis, also der Kopf, die Krallen und die Füße waren frei davon.

"Der Name Ark, liegt mir auf der Zunge, vermutlich heißt er so.", vermutete Max.

"Du vermutest? Ich verstehe das nicht ganz. Woher wisst ihr dann eigentlich wie sie heißen? Kommen mit diesen Kristallen eure Erinnerungen zurück?", fragte Daniel verwundert.

Da er keinen Kristall besaß, konnte er wohl dieses Gefühl auch nicht ganz nachvollziehen.

Den Namen wusste Max einfach und er stellte ihn auch nicht in Frage. Der Name fühlte sich vertraut an, als würde er diesen Vogel gut kennen.

Ob die Erinnerungen davon zurückkommen, das konnte Max nicht wirklich sagen, denn bei der Berührung der anderen Betroffenen, kamen ja ebenfalls Erinnerungen zurück.

Jedes Wesen der Elementkristalle schien ein festen Namen zu besitzen, den man wohl erfuhr, sobald das Wesen zum ersten Mal erschien. War diese Beschwörung aber sein erstes Mal? Den das glaubte Max nämlich nicht.

Wie war da bloß der Zusammenhang mit der Amnesie?

„Interessante Dinger. Was man wohl damit alles anstellen kann?“, murmelte Daniel.

„Genug mit der Präsentation. Jetzt reicht mir die Dinger herüber.“, fing der Vampir hochnäsig an.

„Dann habt ihr halt zwei Vögel aus euren bescheuerten Kristallen beschworen, aber besonders gefährlich sehen die nicht aus? Ich war mir schon sicher, dass es gefährlicher wird..............., aber es blieb enttäuschend.“, meinte er.

Der Vampir ließ seine Krallen zurückfahren:

„Ihr seid mir keine Gegner. Ich werde euch auch so besiegen.“, die roten Augen starrten Max an.

„Kann es sein, dass..............“, überlegte der schwarzhaarige Junge.

"Also, dann zeigt mir mal was eure sogenannten Kreaturen können.", provozierte der Vampir.

„Will er uns etwa in eine Falle locken?“

„Du erwartest jetzt doch nicht ernsthaft, dass wir auf dich hören?“, antwortete Max trotzig.

Daniel und Julius schwiegen.

„Nun gut, dann sterbt halt. Ich habe euch gewarnt! Es ist eure Schuld, wenn ihr nicht hören wollt.", meinte der Feind.

Der Blick des Vampirs wirkte aber eher sehr gelassen, man spürte auch keine wirkliche Mordlust mehr. Er machte nicht mehr den Anschein, als würde er ernsthaft kämpfen wollen.

„Er glaubt wahrscheinlich an den Sieg, weil wir ihm doch keine so große Gefahr geboten haben, wie er zuvor noch vermutet hatte.“


 

Einen Moment lang blieb es still. Es passierte nichts weiter.

„Wie sollen wir eigentlich jetzt vorgehen?“, fragte Daniel. Julius schien nachdenklich zu sein.

„Ich weiß es nicht. Er versucht uns garantiert in eine Falle zu locken.“, vermutete Max.

„Wieso seid ihr Kinder eigentlich hier? Das erklärt sich mir nicht. Man kennt doch die Gerüchte von Mr. S. Jeder unbefugte Gast verschwindet auf spurloser Weise.“, brummte der Vampir.

„Es kamen auch wieder welche unbeschadet zurück. Sie erzählten nur von seltsamen Sichtungen.“, meinte Daniel.

„So ist das also. Er versucht nur uns Angst zu machen.“

Max trat mutig ein paar Schritte vor und er fing an zu erwähnen:

„Wieso sprechen dann die Gerüchte von jeder?“

„Provoziert mich nicht! Ich will euch nur euer Leben schenken, wenn ihr mir die Kristalle sofort gebt.“, erklärte der junge Mann gereizt. Er präsentierte seine spitzen Fangzähne.

„Ich habe eine Vermutung.“, begann Max.

„Vielleicht ist ja auch das Ziel alle Besucher abzufangen und verschwinden zu lassen, außer..........“, der schwarzhaarige Junge pausierte kurz:

„..............man läuft dir über den Weg.“, beendete er seinen Satz.

„Das glaubst du?“, fragte Daniel erstaunt. Max nickte.

„Ist doch völlig egal. Wenn mir jemand den Tod androht, dann nehme ich das ernst. Wir sollten wirklich aufpassen, wenn wir hier lebendig zurückkommen wollen.“, erklärte Julius.

„Ich nehme das ernst.“, meinte Max beleidigt.

Die drei Jungs blickten grimmig zum Vampir.

„Ihr geht mir wirklich auf die Nerven.“, brummte der Feind daraufhin.


 

Der Feuervogel flog plötzlich in die Höhe und er öffnete seinen Schnabel. Der kleine Vogel machte plötzlich einen Sturzflug auf den feindlichen jungen Mann. Der Vampir sprang aber zurück, sodass der kleine Vogel wieder nach oben fliegen musste. Er drehte eine weitere Runde und ein zweiter Sturzflug wurde geplant.

Lav ließ dieses Mal ein kleinen Flammenstrahl aus dem Schnabel speien.

Der Vampir sprang zur Seite, bevor ihn der kleine Feuerstrahl treffen konnte, dann flog die fliegende Kreatur zurück über die Köpfe der drei Jungs hinweg.

"Wieso greift er uns nicht an? Ist er wirklich einer der Bösen? Langsam habe ich wirklich das Gefühl................", dachte Max und er hob seine Hand.

Julius hatte dies nicht getan und trotzdem hatte seine Kreatur reagiert.

„Vielleicht einfach nur, wenn ich mir das direkt gedanklich wünsche? Funktioniert das auch etwa per Gedankenübertragung mit dem Kristall?“

Der Eisvogel bewegte sich nun auch per Sturzflug auf der Vampir zu und er wollte ein kleine Kugel, in der Größe eines Tennisballs, aus Eis speien, aber der feindliche junge Mann warf dieses Mal ein kleinen Stein auf Ark zu, sodass dieser nach oben ausweichen musste und dadurch der Eisball in eine andere Richtung abwich.

Er traf stattdessen den Baum direkt über den Vampir. Der ganze Baum wurde erschüttert und das restliche Laub fiel herab.

„Ihr wollt einfach nicht hören.“, der junge Mann lief auf die drei Jungs zu, da griff der Feuervogel von der Seite an und er ließ ein Feuerstrahl auf der Höhe der Brust des jungen Mannes abfeuern. Der Vampir wich wieder zurück an die alte Stelle.

„Max........., es scheint, dass du Recht hast. Er kämpft nicht wirklich.“, meinte Daniel leise zum schwarzhaarigen Jungen.

„Er will uns wirklich nicht unnötig verletzen.“, meinte Julius. Man könnte meinen, dass er gelangweilt war.

Der Feuervogel kreiste wild unvorhersehbare Bahnen. Anscheinend beherrschte Julius seine Kreatur schon jetzt relativ gut.

Jedes Mal, wenn der Vampir einen Schritt machte, feuerte der Vogel seinen Strahl ab.

Julius griff nur den jungen Mann nicht direkt an, wenn dieser zurückwich.

„Du drängst ihn zurück.“, meinte Daniel erstaunt.

„Solange er uns nicht angreift, sehe ich keinen Grund, warum ich ihn unnötig verletzen sollte.“, erklärte Julius.

„Nun gut, er ist immer noch ein Vampir und ihr wisst ja..... Vampire können beißen!“, erklärte Max und er versuchte das mit Gesten zu simulieren.

„Ja und? Ratten können auch beißen und sie können auch Krankheiten übertragen, aber sind sie deswegen so gefährlich, dass wir sie töten müssen?“, konterte Julius. Max starrte ihn genervt an,

"Ich meine eine unfreiwillige Verwandlung in ein Vampir. Ich finde, das ist wesentlich schlimmer als ein Rattenbiss.“, erklärte der schwarzhaarige Junge.

„Du willst doch jetzt nicht wirklich eine Diskussion anfangen?“

„Ach verflucht...........“, brummte Max. Der schwarzhaarige Junge sah es ein, aber es nervte ihn dennoch.

„Seid ihr jetzt fertig?“, brummte der Vampir.

„Ja, ich will euch wirklich nicht verletzen. Es stimmt........... aber auch, dass wir skrupellose Monster sind und mein Boss lässt auch wirklich jeden töten, aber zumindest behalte ich noch so etwas wie Ehre. Ich will keinen Kinder die Kehle herausreißen.“

„Wie großzügig von dir. Außerdem sind wir keine Kinder mehr.“

„Verschwindet einfach sofort! Gebt mir die Kristalle, ansonsten werde ich große Schwierigkeiten bekommen. Ich muss meinem Boss Beweise liefern. Es ist für euch das Beste.“

„Wir geben sie dir nicht.“, erklärte Julius fest entschlossen. Er konterte in dieser Situation ziemlich direkt.

„Es tut mir zwar Leid für dich. Aber uns zu bestehlen, das sehe ich nicht ein.“, fügte der große Junge hinzu.

„Dann tut es mir wirklich Leid für euch. Bitte........, nehmt es mir das nicht allzu übel.“, erklärte der Vampir.

Seine Krallen wurden im nächsten Moment wieder größer und seine Aura zeugte plötzlich wieder von Mordlust.

Ein größerer Ast über ihn, brach plötzlich ab und der Vampir wurde direkt auf dem Kopf getroffen.

Er taumelte kurz, dann flog er um und der junge Mann blieb liegen.

„Wow..........“, meinte Daniel erstaunt und er fand darauf keine Worte mehr.

„Wären wir gerade nicht wirklich in Gefahr gewesen und das hier nicht Realität für uns, dann hätte ich gesagt, dass das völlig langweilig ist.“, meinte Max.

„Sei doch froh, dass wir noch leben.“, erwiderte Julius, jedoch klang er selbst wieder ein wenig gelangweilt.

„Bin ich doch.“, konterte der schwarzhaarige Junge.

„Es fühlt sich nur so unwirklich an. Es hätte so viele andere Szenarien geben können, wie das hier endet.“, versuchte der Junge zu erklären.

„Ist auch egal. Ich bin nur froh, dass wir nun sicher sind.“, erklärte Daniel erleichtert.

„Sicher sind wir nicht.“, erwiderte Julius. Daniel sah ihn besorgt an.

„Glaubst du ernsthaft, dass war der Einzige?“, Julius zeigte auf den Vampir, dabei sah er erstaunt und nervös auf.

Erst jetzt fiel es auch Max ebenfalls auf, aber der junge Mann war verschwunden.

Mit einem großen Schauder auf dem Rücken, drehte sich Max um sich.

„Also ich kenne das Szenario, wie das hier enden wird.“, erklärte der Vampir. Er stand nun hinter den drei.

Die drei Jungs erstarrten förmlich zu Stein. Selbst Julius fing an leicht zu schwitzen. Daniel wäre beinahe vor Schreck zurückgefallen.


 

Bevor jedoch noch etwas passierte, hallte ein extremes Grollen durch den Wald.

Darauf folgte ein heftiger Wind, der durch den Wald fegte. Er scheuchte alles auf. Die Vögel flogen alle panisch davon.

Sie wurden wohl aus ihrem Schlaf gerissen.

„Was zum............“, wollte Max sagen.

Der Vampir vor ihm, horchte auf. Er schien plötzlich sehr nervös zu wirken.

„Das wird sie nicht überleben...................“, murmelte er.

Er stieß plötzlich die drei Jungs zur Seite, daraufhin eilte er durch den Wald.

„Was war das denn?“, fragte Daniel. Er schien sichtlich komplett verwirrt zu sein.

„Wahrscheinlich die wahre Bedrohung.“, vermutete Max. Er hatte plötzlich ein sehr bedenkliches Gefühl.

„Die anderen sind schon dort. Wir sollten ebenfalls zur Villa gehen.“, erklärte Julius.

„Was? Woher willst du das wissen, außerdem............?“, meinte Daniel erstaunt. Er wandte sich ihm zu.

„............wir sind gerade noch mit dem Leben davongekommen.............“, wollte er erwidern, aber da zeigte Julius schon in die entsprechende Richtung.

Der Wind hatte den Nebel gelichtet und man konnte in der Ferne, am Ende der Straße, eine zwei Meter hohe Steinmauer sehen.

Durch die jetzige erhöhte Position, konnte man sogar darüber hinweg sehen und man erkannte in der Ferne eine weitere Steinmauer und dahinter ein großen schwarzen Umriss. Hinter diesem Umriss war die Villa zu sehen, jedenfalls das, was noch von ihr übrig war.

Man erstarrte, wenn man das Ungeheuer auf Dauer anschaute.

„Da willst du wirklich hin?“, fragte Daniel. Er suchte wohl eine Verneinung.

„Sollen wir es wirklich wagen?“, fragte Max. Er sah seine zwei Begleiter in die Augen:

„Oder sollen wir zurück in Sicherheit gehen?“, was war im Moment nur die richtige Wahl?

Die Entscheidung würde wohl im Gleichstand ausfallen.

„Machen wir einfach ein Münzwurf.“, erklärte Julius. Er holte eine Münze hervor und daraufhin warf er sie in die Luft.

„Bei Kopf gehen wir los.“, der Junge fing die Münze und er ließ sie auf seinen rechten Handrücken schlagen.

Daraufhin bewegte er seine linke Hand weg und Julius präsentierte das Ergebnis.

Mr. S XIII --- Die dämonische Seite

[Linda]
 

Schon früher hatte er um ihr Herz geworben. Ununterbrochen hatte er Linda mit Liebesbriefen bombardiert.

Irgendwann hatte sich ihre große Cousine der Sache angenommen und seitdem wurde sie in Ruhe gelassen.

Dies war jetzt zwar schon ein paar Jahre her, jedoch wusste die schwarzhaarige Gildenmeisterin immer noch, dass dieser schmierige Typ auf sie stand. Nur der bloße Gedanke brachte sie zum abkotzen. Ihr war nun alles Recht, wenn das für immer aufhören konnte.


 

Der bloße Schwung der Krallen des Monsters, war schon gefährlich genug, denn er konnte jemand, der ungeübt war, von den Füßen reißen, ohne ihn zu berühren.

Linda könnte auch probieren die Krallenhiebe zu parieren, aber mit Sicherheit würde das neue Katana dabei brechen.

Zurzeit war es ein Fangspiel und Linda wurde langsam müde. Sie war nicht mehr die Kämpferin, die sie vor ein paar Jahren war. Schließlich war sie ausgebildet worden.

Diese Kreatur wurde nicht langsamer und setzte immer wieder mit der selben Angriffstechnik an. Es versuchte mit seinen großen Krallen Linda plump zu treffen.

Die eisernen kleinen Nadeln, die Dr. Drogan warf, kamen nicht durch die Panzerung und zeigten somit keine Wirkung. Selbst bei sensible Stellen, zeigte das Monster keine Reaktion. Der Arzt wich somit wieder außer Reichweite.

Noju war noch zu verletzt und hielt sich zunächst zurück. Engl schickte ihn zu den Mauern, aber selbst der Boxer erkannte selber keine Chance auf einen günstigen Treffer.


 

Eigentlich hatte sie schon immer gewusst, dass dieser Mr. S so ein enorme Technik beherrschen musste. Immerhin hatte er in letzten Jahren mit ziemlich riskanten Zügen gespielt. Es war ein Wunder, dass bisher noch niemand angesetzt wurde diesem Mr. S den Gar auszumachen.

Irgendjemand musste doch da noch seine Finger im Spiel haben? Ein paar Namen in ihren Gedanken könnten durchaus Sinn ergeben.

"Ich probiere es einfach!", meinte Engl plötzlich. Er kam aus seiner Deckung herbei gestürmt.

Ein gezielter Korkenzieher gegen die Hüfte der Kreatur, dort schien die Panzerung relativ gering zu sein.

Es zeigte zwar eine Wirkung, aber das Monster erholte sich zu schnell. Es stieß Engl mit einem Tritt über die gesamte Wiese und gegen die Steinmauer. Kurz bewusstlos sackte der Boxer zu Boden.

"Nicht du auch noch! Ihr habt auch echt keine Rücksicht auf euch selber.", beschwerte sich der Arzt. Er eilte zu Engl und sah sich ihn an.

Linda hatte aber keine Zeit für eine Reaktion, denn schon wieder muss sie den Krallen der Kreatur ausweichen:

„STIRB ENDLICH!“, brüllte das Monster in einer sehr tiefen dämonischen Stimme.

„Das ist für mein Kollegen!“, hörte die Schwarzhaarige plötzlich von der Seite rufen.

Noju war ebenfalls herbei geeilt. Er winkelte seinen linken Fuß mit dem Knie nach oben und lehnte sich leicht nach vorn, dann sprang er kräftig ab. Mindestens zwei Meter in die Luft. Der Kickboxer drehte sich dabei um 360 Grad, während er dabei sein Fuß streckte. Mit seinem ausgestreckten Fuß würde er, wie ein gezielter Schlag mit einem Baseballschläger, auf den Feind aufkommen.

Linda erkannte diese Grundtechnik. Die Technik nannte sich Fersenhammer.

Der Tritt gegen die Stirn, ließ das Monster für ein paar wenige Sekunden erstarren, aber es wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Das Monster holte aus, bevor der Angreifer überhaupt auf dem Boden aufgekommen war.

Er versuchte Noju in der Luft zu treffen, aber der Kampfsportler wich gekonnt aus.

Die Bestie schnaufte wütend.

Der verwandelte Vampir sprang plötzlich erstaunlich weit in die Luft. Fast fünf Meter hoch. Die Bestie müsste ja jedoch eigentlich einiges wiegen.

Es fing sich plötzlich an zu drehen und in diesem Wirbelzustand stürzte es auf Noju ab.

"Oh...........", meinte der Kickboxer erschrocken.

Die Kreatur brach in den Boden ein. Es brachte den ganzen Boden dadurch zum Erschüttern. Die Villa brach dadurch teilweise ein. Die Steinmauer zum Teil ebenfalls.

Noju sprang noch im letzten Moment zur Seite, jedoch konnte er nicht mehr den Krallen ausweichen, sodass er über den Rücken aufgeschlitzt wurde. Er rollte blutend den Hügel hinunter.

Dr. Drogan eilte zugleich zu ihm.

Das Monster blieb plötzlich stehen und mit der letzten Umdrehung schoss die Bestie eine Schuppe von seinem Arm auf den Arzt zu.

Das Flugobjekt war dabei so schnell gewesen, dass der Arzt gerade noch aufsah, bevor er von dem Geschoss umgeworfen wurde. Die Platzwunde an seiner Stirn blutete stark. Er lag ohnmächtig auf dem Platz.

„Verflucht!“, rief Lidna. Engl, Noju und Dr. Drogan waren außer Gefecht.

„RENNT WEG!“, brüllte die Gildenmeisterin. Sie meinte damit Rick und die anderen, die sie in ihrem Augenwinkel hinter dem Tor sah.


 

Sie behielt die Bestie weiter im Blickfeld. Es richtete seinen Arm auf Linda. Der verwandelte Vampir schoss erneut eine massive Schuppe von seinem Arm.

Das Ding war so groß wie ein Schild, eines durchschnittlichen Ritters und wahrscheinlich auch so schwer. Linda konnte die Schuppe mit Mühe parieren, jedoch bemerkte sie erst zu spät, dass die Bestie verschwunden war.

Sie schaute in die Luft und Linda erkannte dann auch noch zu spät, dass es momentan gar nicht auf die Gildenmeisterin abgesehen hatte.

Die Bestie stürzte sich hinter die Mauer auf dem Boden, kurz darauf hörte sie ein lauten Schrei.

„NNNEIIINNNNNNNN!“, brüllte Linda.

Sie stürmte den Hügel hinunter und sie eilte durch das Tor.

Alina lag vor einem Baum. Den Kopf auf dem Boden. Ein Blutfleck an der Wand. Tina lag zitternd in der Nähe. Sie schien unverletzt zu sein, aber das Mädchen stand völlig unter Schock.

Rick lag weiter nördlicher. Er hielt sich den Bauch. Eine Wunde zog sich über seiner Brust.

Die Grenze war überschritten.

„Niemand.............“, brummte sie leise.

Linda musste plötzlich etwas ausstoßen, was die Kreatur dazu bewegt hatte, sich umzudrehen und die Gildenmeisterin anzustarren.

Linda nutzte die Chance und schwang ihr Katana schräg nach hinten, sodass sie im richtigen Moment einen Angriff damit ausführen konnte. Sie stürmte auf die Kreatur zu. Elegant wich sie den beiden nächsten Krallenhieben aus und daraufhin schwang sich die Gildenmeisterin über den Rücken der Bestie.

Linda suchte eine geeignete Stelle und sie rammte das Katana in eine freie Stelle zwischen den Schuppen, sodass die Bestie laut aufbrüllte wohl vor Schmerz.

Die Gildenmeisterin hatte erwartet, dass die Bestie sich jetzt drehen würde, aber stattdessen zeigte es, wie gelenkig es war, denn es schaffte Linda zu packen, auch wenn sie sich zurzeit auf den Schultern der Kreatur befand.

Sie hatte nicht einmal reagieren können, da schmetterte die Bestie die Gildenmeisterin zu Boden. Mindestens die Hälfte aller Rippen waren dadurch gebrochen worden. Im Anschluss folgte ein gezielter Hieb der Krallen über ihre Vorderseite.

Am Ende lag sie schwer verletzt auf dem Boden.

Die Bestie drehte sich um und sie widmete sich wieder Rick.

„Nein.......... nicht..........“, meinte Linda. Sie streckte mit Mühe ihre Hand in die entsprechende Richtung aus. Sie selber war aber zu schwach, um irgendetwas tun zu können.

So konnte das Ganze doch nicht enden.

Rick war für sie wie ein Sohn gewesen, den sie nie hatte.

Diese Bestie durfte ihn nicht noch einmal erreichen.


 

Sie vernahm plötzlich ein Gefühl, welches sie förmlich in den Boden zog. Eine dunkel Hand ergriff sie und Linda wurde eingehüllt. Es passierte aber wohl alles nur in ihre Gedanken, denn im Moment lag sie immer noch schwer blutend auf dem steinernen Weg.

Etwas zog die Dame anschließend hoch, denn sie war plötzlich einfach so aufgestanden.

Sie wunderte sich auch nicht mehr, warum die Gildenmeisterin plötzlich vom Boden abhob. Warum ihre Wunden verschwunden waren und warum plötzlich alles so leicht verlief.

Linda stürmte auf die Kreatur zu und der nächste Tritt schob die Bestie tatsächlich einige Meter nach hinten.

Die Kreatur starrte Linda für eine kurze Zeit verwundert an.

Als sie ihre Hände betrachtete, bemerkte sie selbst die Veränderung. Ihre Haut war plötzlich von einer schwarzen Schicht überzogen worden, als würde sie selbst ebenfalls eine Schuppenrüstung tragen, aber es war ihre Haut und es fühlte sich keinesfalls schwer an.

Zwei große schwarze Flügel hob sie vom Boden ab. Die Flügel schlugen kräftig in die Luft und sie sorgten somit für ein gewissen Lärmpegel.

„Llll..iiiii..nnnddaaaa.......?“, hörte die schwarzhaarige Gildenmeisterin von unten sagen. Es war Tina, die sie mit entsetzten Augen ansah. Jedoch hielt sie sich nicht lange auf den Beinen. Einen Augenblick später kippte sie bewusstlos zu Boden. Es war wohl zu viel für sie.

In diesem Moment stürmte die Bestie auf Linda zu, weil diese abgelenkt war.

Der nächste Krallenhieb wurde aber mühelos von Linda zur Seite geschlagen, sodass sogar der Arm der Bestie ausgerenkt wurde. Der Gegenschlag war dementsprechend heftig gewesen.

Linda sah das Katana im Rücken und sie flog darauf zu. Im Metall der Klinge sah sich die schwarzhaarige Gildenmeisterin spiegeln.

Ihr Körper hatte sich verändert. Ihre Augen waren zu gelben Pupillen geworden, die eine schwarze Ellipse beinhalteten. Ihre schwarzen Haaren waren ein Stück länger geworden und ihr waren schwarze Hörner gewachsen. Ebenfalls waren ihre Zähne spitzer geworden und ihr kompletter Körper war überzeugen mit den schwarzen Schuppen. Auf ihrem Rücken saßen zwei riesige schwarze Flügel.

Ohne weiter darüber nachzudenken, zog sie das Katana heraus und bevor die Kreatur erneut nach der Gildenmeisterin greifen konnte, beendete sie das Leben des Monsters mit nur einem Streich, indem sie den Kopf abtrennte, dabei zerbrach die Klinge in mehrere Teile.

Am Ende warf sie den Griff weg und die Dame hob vom Boden ab.

Langsam verlor sie den Verstand. Etwas benebelte ihre Gedanken. Sie roch nur das Blut und irgendetwas in ihr war in Rage. Linda verstand nichts mehr.

„Was ist mit mir nur los? Ich kann mich nicht mehr......................“

„Linda!“, hörte die Gildenmeisterin in der Ferne rufen.

Es war dieser Vampir von vorhin. Ein Handlanger von Mr. S. Es war Illan. Er war zuvor aus dem Fenster gesprungen. Dieser junge Mann sollte sich doch um ein Problem kümmern.

Sie kannte Illan von früher. Er war damals in ihrer Kindheit spurlos verschwunden.

„Oh scheiße.“, murmelte er anschließend. Wahrscheinlich hatte er realisiert was nun passieren würde.

In der Ferne tauchten weitere Personen auf.


 

Linda starrte Illan an und langsam flog sie auf ihn zu. Sie hatte gerade nur eines im Sinn.

Die dämonische Stimme in ihr wollte noch mehr Blut fließen sehen.

„Töten......... töten..............!“, wiederholte sie immer wieder.

Sie kümmerte sich gar nicht mehr um die Verletzten oder um die getötete Bestie.

Illan bemerkte wohl die mordlustige Aura relativ schnell und er fing schnell an das Weite zu suchen, aber Linda war schneller und dann stand sie schon hinter ihm, aber bevor sie mit ihrem Katana den Vampir erwischt hätte, rief eine weitere Stimme:

„Linda? Was ist passiert?“, es war Max, der gesprochen hatte und nicht einmal sonderlich laut. Daniel, Julius und er waren aufgetaucht. Die drei standen in einer gewissen Entfernung.

Illan stürmte weiter und er entkam somit zunächst dem tödlichen Angriff.

„Verschwindet sofort von hier! Sie ist in einem Blutrausch.“, brüllte der Vampir.

Linda stand im nächsten Moment wieder hinter Illan. Sie hatte ausgeholt.

Etwas aus der Ferne rauschte an und die Gildenmeisterin musste den Angriff zunächst abwehren. Es war etwas metallisches gewesen.

Wieder war jemand Fremdes aufgetaucht. Eine Frau mit langen weißen Haaren. Sie trug einen weißen Mantel, den sie fest um sich gezogen hatte. Die Kapuze weit über ihr Gesicht geschoben.

Sie kannte diese Frau irgendwoher. Wer war sie noch einmal?

Die Gedanken von Linda waren momentan so trübe, sodass sie nicht einmal mehr ihren eigenen Namen wusste.

„Dein Vater hatte uns gewarnt.“, fing diese fremde Person an. Die drei Jungs drehten sich um und Illan stürmte an dieser Frau keuchend vorbei. Er suchte anschließend das Weite im Wald.

„Er hatte gesagt, dass du eines Tages erwachen könntest. Er sagte damals tatsächlich..........“, die weißhaarige Frau lief an den drei Jungs vorbei, ohne sich diesen zuzuwenden. Sie steuerte direkt auf Linda zu:

„.............., dass wir dich töten sollen. Seine eigene Tochter. Es war nur logisch, dass deine Cousine strikt dagegen war. Wir hüteten alle das Geheimnis, weil wir dachten, dass schon alles gut werden würde. Ich habe sogar angefangen mir etwas zu überlegen, was dich eventuell von diesem dämonischen Fluch befreien könnte..............“, sie stand nur vor Linda.

„Rossya..........“, brachte Linda mit tiefer dämonischer Stimme hervor. Die Frau zog ihre Kapuze nach hinten. Ihre rote Pupillen kamen zum Vorschein. Man durfte sich nicht von ihren Haaren beirren lassen, sie war jünger, als sie zunächst Aussah. Ungefähr im selben Alter wie Linda.

„...........du als geborener Mischling besitzt..................“, die weißhaarige Dame rammte in diesem Moment Linda etwas in die rechte Brust. Es war ein metallische Klinge.

Linda schreckte zurück. Sie atmete schwer.

Die Gildenmeisterin torkelte zurück und sie fiel auf die Knie. Sie schaffte es noch die Klinge aus ihrer Brust zu reißen, aber es passierte nicht mehr.

Die auftauchte Frau ging anschließend ebenfalls in die Knie und sie umarmte Linda:

„......................zwei Herzen. Ein Schattenherz und ein Herz eines normalen Menschen. Zerstört man die eine Seite, wird die andere stärker. Nur ein Mischling besitzt so etwas und deswegen kann man auch nur bei einem Mischling das Schattenherz ohne den Tod zerstören.“

Der Schmerz war unbeschreiblich. Linda spürte wie ihr kompletter Körper brannte und wie ihre jetzige Form sich auflöste. Nach wenigen Minuten der Qual bot sich wieder das alte Bild.

Die Haut hatte sich wieder normalisiert. Die Augen hatten wieder ihre ursprüngliche Farbe angenommen. Die Hörner und die Flügel waren verschwunden und die Gedanken waren frei von fremden Stimmen.

Nur noch der Schmerz in der rechten Brust war noch da, aber dennoch schloss sich die Wunde langsam von selbst.

„Es tut mir Leid...........“, brachte Linda heraus. Sie war außer Atem.

„Ich kam in der allerletzten Sekunde. Ich kam noch rechtzeitig. Ich verspreche dir absofort, dich nie wieder alleine zu lassen. Diesen Fehler werde ich nie wieder tun.“, erklärte die weißhaarige Dame.

„Außerdem muss ich mich entschuldigen. Es werden wahrscheinlich nicht einmal tausend Entschuldigungen dafür reichen. Ich habe dir eiskalt die Klinge durch dein Herz gerammt. Ich habe deine dämonische Seite vernichtet. Ich habe dir deine Kräfte geraubt und nur, weil ich egoistischer Weise meine Freundin behalten wollte. Nur, weil ich wollte, dass du dein Leben als normaler Mensch fortführen kannst. Ich hätte einfach nicht gehen sollen, auch wenn alles zum Glück noch gut verlief. Deine Wunde hat sich ja auch wieder verschlossen. Es tut mir so Leid. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst.“

"Es ist schon in Ordnung, Rossya. Du hast nichts falsch gemacht. Früher und auch nicht jetzt.", erklärte Linda.

Sie musste erst selbst realisieren, was gerade in den letzten fünf Minuten alles passiert war.

„Dämonische Seite?“, fragte Daniel plötzlich erstaunt.

„Krasser Twist.“, meinte Max.

„Es gibt wohl einiges was wir noch nicht wissen.“, vermutete Julius, daraufhin grinste er. Er klopfte Max auf die Schulter:

„Du hattest Recht. Hier ist es echt aufregend.“

„Bevor ihr weiter so seelenruhig redet! Kümmert ihr euch um die Verletzten! Seht ihr nicht, dass da Leute liegen?“, brummte die weißhaarige Dame. Ihr Blick war voller Ärger.

Die drei Jungs setzten sich sofort in Bewegung, auch wenn sie wahrscheinlich keine Ahnung hatten, was die Jungs nun tun sollten.


 

Dr. Drogan war aber ebenfalls wieder auf den Beinen, denn er kniete schon direkt vor Alina.

„Ein paar Rippen sind gebrochen, aber zunächst sehe ich noch keine bedrohlichen Verletzungen. Ich muss sie später untersuchen. Alina kommt durch.“, daraufhin eilte er zu Rick.

„Bei ihm sieht das ein bisschen ungünstiger aus.“, der Arzt griff in seine Jackentasche.

Er befüllte im nächsten Moment ein kleines Behätlnis mit verschiedenen Mitteln. Er ließ es dem Jungen in den Rachen tropfen:

„Ich hoffe nur, dass er davon nicht abhängig wird.“

Der braunhaarige Junge hustete daraufhin lautstark.

„NICHT BEWEGEN!“, brummte der Arzt.

„Was war das...........?“, wollte Rick sagen, da kippte er schon ohnmächtig zurück. Seine Blutungen hörten ebenfalls in diesem Moment auf.

Der Arzt seufzte.

Engl und Noju schienen ebenfalls auf den Beinen zu sein. Sie betrachteten die tote Bestie:

„Warst du das etwa Linda?“, fragte Noju erstaunt. Seine Wunde auf dem Oberkörper schien aber ebenfalls schwerwiegend zu sein.

Engl wirkte am fittesten und er hatte sich wieder eine Zigarette angezündet:

„Sie ist wohl nicht umsonst die Gildenmeisterin.“, meinte er gelassen.

Er lief zuerst zu Tina, die ohnmächtig auf der Wiese lag.

„Die schläft nur.“, er tippte ihr leicht gegen die Wange, sodass sie davon aufwachte.

Verstört sah sie auf.

Ihr Blick wanderte über den Platz.

„Ich träume, oder?“, fragte das Mädchen verwirrt.

Engl war inzwischen weitergegangen und er hatte die Jacke von Alina genommen und der Boxer warf diese Tina zu.

„Hey Tina, trage mal ihre Sachen. Ich trage sie solange.“, Tina fing tatsächlich die Jacke, das brachte das Mädchen zumindest wieder zurück in die Realität.

Der Kickboxer nahm anschließend Alina und hielt sie in den Armen:

„Und nun schnell zurück. Ich brauch dringend was zum trinken.“


 

Man vernahm plötzlich das Rollen von Gesteinsbrocken.

In der zusammengefallenen Villa schien sich jemand zu befreien.

Die erste Person, die unter dem Schutthaufen hervorkroch, war ein Mann mit schwarzen stacheligen Haaren. Er half anschließend weiteren Personen aus dem Schutthaufen zu entkommen.

Nachdem das Ereignis zu ende war, standen fünf Personen vor der zerstörten Villa.

Die Vorderste der fünf Personen war Jessica.

Sie streckte sich und das Mädchen meinte mit erfreuter Stimme:

„Ich habe doch gesagt, dass wir aus der Bruchbude noch lebendig kommen. Auch wenn es zunächst sehr optimistisch klang, aber für meine Lieblingsband tu ich eben alles.“, erst darauf realisierte sie wohl die Umgebung:

„Oh je..........., was ist denn hier passiert?“, fragte sie verwundert.

„Der Kampf ist wohl schon vorbei?“, meinte das Mädchen, nachdem sie sich umgeschaut hatte.

Linda vernahm aber plötzlich noch etwas anderes. Es klang wie ein Haufen von Stimmen. Wie viele Schritte am selben Ort.

Wenige Sekunden später war eine größere Truppe aus Menschen in der Ferne zu sehen, die wohl alle auf dem Weg zur Villa waren. Sie trugen Gewehre, Messer, Fackeln und sonstige Waffen bei sich.

Vorne an der Front stand ein schmaler großer Mann.

Es war keinesfalls ein Fremder für die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Linda stand langsam auf und die weißhaarige Dame neben ihr ebenfalls.

Der Anführer der Truppe war niemand geringeres, als der Bürgermeister von der einzigen Stadt von Ranger Island.

Karstoll Lehm war sein Name und niemand konnte diesen Mann wirklich ausstehen, zumindest niemand von Lindas Bekannten.

Dem Mann wurde heimlich nachgesagt, er habe bei der Wahl betrogen und die anderen beiden Wahlteilnehmer bestochen.

Er war schon ein bisschen älter, er hatte kurzes graues Haar und immer ein falsches Lächeln im Gesicht. Seine rechte Hand strich er durch seinen Kinnbart.

Er trug sein grauen Anzug, dazu trug er unpassender Weise Sandalen.

Karstoll blieb vor Linda stehen und er lächelte sie an:

"Ich sehe ihr habt gute Arbeit geleistet.“, sein Blick fiel über jede einzelne Person, welche anwesend war.

„Ihr habt dem Bürgermeister erfolgreich geholfen, die Schreckensherrschaft des Feindes zu beenden. Somit konnte Karstoll Lehm die Insel von dem Übel befreien. Er hat die wilde Bestie bezwungen und somit das Volk der Insel von diesem Schrecken befreit.“, er pausierte kurz:

„Nun, das ist zumindest der offizielle Teil. Nun.......... ich bemächtigte mich hiermit dem Eigentum des Besiegten, um die Insel vor weiterem Schaden zu bewahren. Ich spreche mein Lob der Gilde aus und ich bitte sie jetzt, dass sie geht. Ihr werdet darüber schweigen und ihr werdet ab sofort so tun, als wäre nie etwas geschehen. Ich wäre ansonsten dazu geneigt, dass ich euch wegen Mittäterschaft einbuchten lasse und ich würde das bei jedem aus der Gilde tun.", dabei starrte er auch die Jüngeren an.

Linda starrte Karstoll dafür böse an, aber sie musst eingestehen, dass es nichts brachte sich gegen den Bürgermeister stellen.

Sie seufzte und widerwillig meinte die schwarzhaarige Gildenmeisterin mit betrübter Stimme:

"Wie sie wünschen, Herr Bürgermeister.", und daraufhin trat sie einen Schritt zur Seite.

Der Bürgermeister wandte sich anschließend der toten Bestie und der zerstörten Villa zu.

Sein Grinsen strahlte vor Freude.

Für Linda war es eine unendliche Schmach.

Mr. S XIV --- Aufgeben

[Tina]
 

Karstoll ließ den am Boden liegenden Mr. S untersuchen.

Die Bestie war für den wütenden Mob hinter dem Bürgermeister ein Schrecken, aber sie feierten den Sieg. Der Mob hatte nicht einmal ein Problem damit gehabt, diese Bestie zu zerteilen, um sie anschließend zu transportieren.

Daraufhin schleppte man die übrigen Handlanger ebenfalls fort.

Die Villa wurde als Letztes geräumt. Es würde bestimmt noch einige Tage dauern, bis man etwas aus der zerstörten Villa bergen konnte. Es war ein Wunder gewesen, dass die fünf lebendig aus dem Schutthaufen kamen.


 

"Wo bring ihr ihn hin?", fragte Engl, während der Arzt seinen Arm verband:

"Ich habe gesagt, dass du ruhig sein sollst, ansonsten kann ich dich nicht vernünftig behandeln.", beschwerte sich der Doktor. Er zog die Binde stark an, sodass Engl brummte.

Linda betrachtete den zugedeckten Leichnam, zumindest das, was noch von ihm übrig war.

Die Gildenmeisterin verlor kein Wort darüber.

„Ich danke für ihre Kooperation.“, sprach der Bürgermeister zur schweigenden Gildenmeisterin.

Die weißhaarige Dame, Linda hatte sie mit Rossya angesprochen, wandte sich von Linda ab und die Frau lief direkt auf Tina zu.

Das verstörte Mädchen sah nervös auf.

„Wie geht es dir?“, fragte die Dame zu gleich.

"Ich verstehe das nicht.", murmelte Tina.

Die Arme der Frau strichen dem Mädchen über die Oberarme:

„Sieh mir in die Augen.“, befahl sie.

Tina sah unsicher in die konzentrierten Augen der Weißhaarigen.

„Es ist alles nur ein Traum gewesen. Es war alles gar nicht so schlimm. Du hast dich mit deinen Freunden für Linda eingesetzt, dabei seid ihr verletzt worden. Jedoch gab es keine Ungeheuer, keine Monster und auch keine Dämonen.“, erklärte die Frau.

Tina sah sie verwirrt an:

„Ein Traum?“, wiederholte sie unsicher.

„War das alles wirklich ein Traum? Es fühlte sich alles so echt an?“

„Du bist hier, das ist Realität. Ihr habt gegen einen bösen Menschen kämpft, das ist Realität. Er hat böse Dinge getan und Menschen verletzt, das ist Realität. Es gibt aber keine Dämonen und Monster. Ihr wurdet von Linda gerettet, das ist Realität“, erklärte die Weißhaarige weiter.

„Keine Monster?“, wiederholte Tina ebenfalls unsicher.

„Was ist denn überhaupt passiert?“, alles fühlte sich plötzlich so verschwommen und unsicher an.

„Du standest unter einem großen Schock. Du hast dir plötzlich viele Sachen eingebildet. Mädchen, du darfst niemals Realität mit Vorstellung verwechseln. Schaffst du zu unterscheiden, was du gesehen hast?“

„Was ich gesehen habe?“, wiederholte das Mädchen.

Tina dachte darüber nach:

„Was ich gesehen habe? Ich habe Rick und Alina gesehen. Ein böser großer Mann kam, er hat mich gepackt und mich zur Villa gebracht. Dr. Drogan hat mir geholfen und dann.............. und dann gab es diese Erschütterung. Ich bin hingefallen und ich muss mir den Kopf gestoßen haben............, ich habe geträumt. Ich habe geträumt.“, sie sah auf.

„Ich bin hingefallen und ich habe geträumt. Ich war..........“, die Weißhaarige unterbrach sie:

„Du hast dein Bestes getan. Linda ist stolz auf dich. Ich bin übrigens Rossya. Ich bin eine gute Freundin von ihr. Wie heißt du?“, Tina wirkte abgelenkt:

„Ich heiße........... Tina Break.“, erklärte sie.

„Also Tina........“, begann Rossya.

„Bist du ein starkes Mädchen und hilfst uns jetzt zurück zum Gildenhauptquartier zu kommen? Manche brauchen Hilfe und sie brauchen deine Hilfe.“

„Meine Hilfe..........?“, wiederholte Tina, daraufhin sah sie auf:

„Natürlich will ich helfen!“, ihr Blick wurde entschlossener und Rossya begann zu lächeln:

„Dann könntest du uns vielleicht helfen die Taschen und Jacken zu tragen?“, fragte die Weißhaarige. Tina nickte. Rossya streichelte ihr über den Kopf und sie wandte sich ab.

Das Mädchen musste tatsächlich lächeln.


 

"Wieso tut sie nichts? Setzt der Bürgermeister sie etwa irgendwie unter Druck?", murmelte Noju.

„Ihr seid echt schwierige Patienten. Ich habe gesagt, dass ihr still sein sollt.“, beschwerte sich der Arzt. Er verband gerade die Wunde des Kickboxers.

"Ich bin mir sicher, dass er uns wahrscheinlich schneller auf die Straße setzen kann, als wir glauben, deswegen sagt sie nichts, um unser Willen.", erklärte Engl. Er rauchte seine Zigarette zu Ende und der Boxer trat sie anschließend aus:

„Wahrscheinlich gehört das Grundstück der Gilde ihm und wenn er will, dann hat Linda eine Gilde gehabt.“, fügte Engl hinzu.

„Was für ein Scheißkerl.“, beschwerte sich Noju.

Linda blieb still, man konnte nicht erkennen, was sie gerade dachte. Sie wirkte weder glücklich noch traurig.

Die entführte Band und Jessica kamen den Hügel herunter.

„Wie schön, dass die Band noch in einem Stück ist.“, erklärte der Bürgermeister. Die Band sah den Mann skeptisch an.

„Wie hatten schon gedacht, dass diese Unholde euch schon auseinander genommen hätten.“

„Wage es ja nicht so in einem Wort mit meiner.............“, wollte Jessica sich einmischen, da spürte sie den Griff des Bandleaders und sie verstummte. Errötet sah sie zu Boden.

„Entschuldigt. Sie ist nur noch ein wenig durch den Wind. Wir sind ebenfalls froh, dass wir der Sache entkommen sind. Unser Dank geht an die Gilde.“

„An die Gilde?“, fragte der Bürgermeister erstaunt. Er zeigte sich unzufrieden:

„Die Stadt hat euch gerettet. Mit meiner Wenigkeit als Anführer.“, das Schmunzeln des Bandleaders verschwand:

„Ach so?“, daraufhin wurden keine Worte mehr gewechselt.

Die Band und Jessica gingen anschließend weiter. Sie wollten zurück in Richtung der Stadt gehen.

Der Mob, an denen sie vorbeiliefen, bestand nur aus einem Trupp alteingesessener Bewohner der Stadt. Keiner interessierte sich für sie.


 

Karstoll widmete sich schließlich wieder der Gildenmeisterin zu:

„Es lief doch alles am Ende besser, wie gedacht. Es sind ja alle tatsächlich in einem Stück. Jedenfalls von eurer Seite aus.“

"Du warst es.", unterbrach Linda plötzlich den Bürgermeister. Er schaute sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck an:

"Ich war was?"

"Du hastest deine Finger im Spiel, dass die Band überhaupt entführt wurde. Du hast das organisiert, dass sie auf die Insel kamen, dass Mr. S die Chance ergreifen konnte und du hattest ihm diese falschen Kristalle verkauft. Er hatte bestimmt gedacht, dass du auf seiner Seite wärst, deswegen war er auch so offen und selbstsicher. Du hattest meine Gilde benutzt, weil du wusstest, dass ich nicht Nein sagen würde, weil ich jede Chance brauchte, die meine neue Gilde bekannter machen würde. Du wusstest genau, dass ich dringend Geld brauchte. Wenn wir oder die Band dabei umgekommen wären, hättest du alles als ein Unfall tarnen können. Es hätte sogar dir geholfen, weil du dann noch mehr Macht gegen diesem Mann gehabt hättest. Du hast nicht einmal daran geglaubt zu siegen. Du wolltest nur mehr Leichen haben, die dich bestärken. So wie du Kerrad aus dem Weg geräumt hast, weil er als Vorstand nicht auf deiner Seite war, zumindest nicht ganz. Du willst nur den leichtesten Weg wählen, der dir Macht verleiht, selbst wenn du über Leichen gehen musst.", es herrschte einen kurzen Moment der Stille, dann ging der Bürgermeister an ihr vorbei, dabei fragte er selbstsicher:

"Beweise?“, Linda schwieg.

„Also nicht? Nun............., es gibt zwei Ausführungen, die mich stören. Einerseits habe ich tatsächlich nichts mit dem Tod von Kerrad zu tun und anderseits woher wusstest du eigentlich, dass sie gefälscht waren? Versteckst du etwas vor mir? Weißt du zufällig wo die Echten sind?", er wartete die Antwort nicht ab, denn er ging einfach weiter.

Einer von seiner Truppe rief Verstärkung per Funkgerät, denn sie wollten wohl wirklich alles mitnehmen, was Fragen aufwerfen könnte.

Die Gildenmeisterin vermied es ein weiteres Wort mit Karstoll zu wechseln.

„Wenn wir Glück haben, können wir uns auch noch sein Privatsatz krallen.“, erklärte der Bürgermeister der Meute. Der Mob jubelte.

"Er hat noch ein nervigen Cousin, der sich bestimmt bald melden wird, aber mit ihm lässt sich zumindest gut verhandeln.", er lachte leise.

Der Bürgermeister gab seinem Gefolge weitere Befehle, allein nur durch einfache Handbewegungen.

Er sagte noch zu Linda, bevor er zurücklief:

„Du hast in letzter Zeit viel Zuwachs bekommen, vielleicht wird sie ja wie früher oder scheiterst du wie das letzte Mal und übernimmst dich Was war das letzte Problem gewesen? Schulden?“, er wandte sich mit einem falschen Lächeln von ihr ab.


 

Die Gildenmeisterin ignorierte den Mann.

„Wenn alle bereit sind, dann gehen wir los.“, verkündete Linda und die Dame ging voran. Sie war noch ein wenig verletzt, deswegen humpelte sie leicht. Ihr Wunde auf ihrer rechten Seite der Brust hatte sich verschlossen.

Tina war verwundert, woher sie die Wunde eigentlich herhatte. Wenn das Mädchen überlegte, dann fiel ihr keine Situation ein, in der das passiert war.

In ihren Gedanken waren sowieso plötzlich so viele Lücken und Ungereimtheiten. Wie lange hatte sie denn geträumt?

„Wer trägt die Verletzten?“, fragte sie. Julius hob die Hand und er nahm Rick auf die Schulter.

„Man ist der Kerl schwer.“, gab er bekannt.

Ricks Verletzungen hatten sich verschlossen. Er sah mitgenommen aus.

Tina fühlte sich sehr schuldig.

Engl trug immer noch Alina.

Noju konnte selber gehen, trotz größerer Verletzung.

Tina sollte anschließend mit Linda laufen, denn sie wollte das Mädchen noch etwas fragen.

„Wie geht es dir eigentlich?“, fragte sie.

Das Mädchen schaute sie verwundert an:

„Mir geht es gut, danke.“, sie stotterte ein wenig.

„Es tut mir Leid.“, folgte als Nächstes.

Tina verstand nicht, warum die Gildenmeisterin sich plötzlich entschuldigte.

„Ich habe euch da alle mit reingezogen. Ich als Leiterin, sollte ja euch beschützen und nicht in Gefahr bringen. Wäre Rossya nicht dagewesen, wer weiß............“, Linda lächelte sie an:

„Ich bin froh, dass es dir gutgeht, dass es allen mehr oder weniger gutgeht. Ohne eure Unterstützung hätte ich es nicht geschafft.“

„Linda.“, unterbrach Tina die Gildenmeisterin. Linda schaute erstaunt zu ihr.

„Ich habe niemanden unterstützt. Ich habe alles noch schlimmer gemacht. Wegen mir ist..........“, sie kam nicht dazu weiter zu sprechen, denn sie befand sich schon in der Umarmung der Gildenmeisterin.

„Vergiss diesen Gedanken sofort.“, Tina schwieg.

Der Rest der Nacht verging schnell. Man brachte die Verletzten ins örtliche Krankenhaus und Tina wurde sofort auf ihr Zimmer geschickt. Sie hatte nicht einmal lange Zeit mehr darüber nachdenken, denn sie schlief schnell wegen Erschöpfung ein.


 

Ein paar Tage später standen die verganenen Ereignisse in der Morgenzeitung. Außerdem standen noch andere interessante Informationen darin.

Der Cousin von Mr. S nahm das Erbe an und solange man sein Grundstück oder die Villa in Ruhe ließ, dann würde er keine Probleme machen. Die Grenzen öffnete er schließlich und der Mann schaffte die willkürlichen Gesetze seines Vorgängers ab.

Der Bürgermeister nutzte die Chance um große Teile der Insel zurück zukaufen, aber nicht für die Stadt, denn er ließ den Teil auf seinen eigenen Namen überschreiben, damit die neuen Bauten ihn bezahlen mussten, wenn sie sein Gebiet beanspruchen wollten.

So durfte man zwar wieder in den Wald gehen, ohne Strafen fürchten zu müssen, aber ein bitterer Nachgeschmack blieb.

Der Bürgermeister ließ Mr. S, drei seiner Offizier und drei weitere Mitglieder offiziell verhaften, auch wenn sie zum Teil schon Tod waren. Es war nur für das Gesetz wichtig. So wurden die Betroffenen offiziell enteignet.

Niemand hatte seitdem mehr irgendetwas von den Betroffenen gehört bzw. einen gesehen.

Man wusste nicht, wohin er sie gebracht hatte, aber Linda hatte eines Abend erwähnt, dass er sie wahrscheinlich für immer entsorgt hätte.

Jedoch mahnte sie ihrer Gilde zur Vorsicht, dass sie trotz allem im Wald immer noch vorsichtig sein sollten, weil die drei flüchtigen Verbrecher auch noch nicht gefasst wurden.


 

Im darauffolgenden Abend, als Rick vom Krankenhaus entlassen wurde, bestellte Linda ihn in ihr Zimmer.

Er kam in einem heilem Zustand wieder heraus, jedoch erzählte er, es waren seine schlimmsten Minuten seines bisherigen Lebens gewesen:

"Ich dachte wirklich sie nimmt mich auseinander und die Strafe ist......................... leider gerechtfertigt.", jammerte der Junge, als er sich wieder mit Alina und Tina unterhielt.

Was die Strafe war, das erwähnte er nicht.

Einen anderen Abends hatte sich die Gildenmeisterin mit den drei Jungs, Max, Daniel und Julius, sowie den drei jungen Männern Engl, Noju und Dr. Drogan und Rossya zusammengesetzt. Sie unterhielten sich die halbe Nacht. Um was es da wohl ging? Tina hatte dies ebenfalls nicht erfahren.

Der Alltag kehrte wieder langsam zurück.

So vergingen knapp drei Wochen und die Gilde entwickelte sich, aber sie verdienten immer noch nicht wirklich viel Geld.

Dank der Band, die die Gilde lobten, bekam der Namen Ranger Guild ein wenig Ruhm ab, zumindest stieg dadurch die Anzahl der lukrativen Aufträge.

Das Festival war auch schon längst vorbei und alle Touristen waren wieder abgereist, auch Jessica hatte beschlossen wieder abzureisen. Sie meinte, dass sie bestimmt wieder vorbeikommen würde.

Sie fand die Gilde sehr amüsant und sie war ihr auch sehr dankbar, dass man geholfen hatte.

Da Jessica der Band aber eine große Hilfe gewesen war, hatte die Band ihr versprochen, dass sie immer exklusive Karten für ihre Konzerte bekam.

Das Mädchen verstand aber darunter, dass sie ab sofort immer mitziehen durfte, nur war da die Band damit nicht einverstanden gewesen, aber das Mädchen tat dies trotzdem, also verfolgte sie ihre Lieblingsband weiterhin, aber sie wurde deswegen nie angezeigt.

Tina hatte in den letzten Wochen immer wieder Kopfschmerzen bekommen.

Durch den Handkantenschlag des Hünen gegen Tina, hatte sie ein kleines Hirnschädeltrauma erlitten und deswegen bekam sie seither immer wieder Kopfschmerzen.

Die Schmerzen hörten irgendwann auf, jedoch wurde sie dann ruhiger und das Mädchen zog sich immer mehr zurück. Sie saß nur noch in ihrem Zimmer und in den letzten Tagen hatte sie immer weniger mit den anderen geredet. Tina starrte immer wieder aus dem Fenster und schwieg.

Dr. Drogan meinte, dass es immer noch Nachwirkungen vom Hirnschädeltrauma sein konnten und deswegen sollte sie sich noch ein paar Tage ausruhen, man wollte so etwas nicht überstrapazieren, zudem waren die Erlebnisse wirklich hart gewesen für so eine Jugendliche.

Linda akzeptierte dies und ließ sie in Ruhe, aber sie machte sich dennoch große Sorgen um sie. Rick gab sich damit wohl aber nicht zufrieden, denn er wollte ihr doch irgendwie helfen.

Er klopfte eines Abend an ihrer Tür und sie bat ihn herein.

"Ja? Was gibt es denn Rick?", fragte sie mit weinerlicher Stimme.

"Ich wollte mit dir reden, ich wollte wissen was dich wirklich bedrückt. Ich will dir helfen. Ich will, dass du dich besser fühlst. In letzten Tagen hast du mit kaum einer Person geredet. Alle machen sich wirklich Sorgen um dich."

"Das musst du nicht, ich mache euch nur genug Probleme. Wegen mir hast du viele Probleme bekommen, weil ich so unvorsichtig und weinerlich damals gewesen war.", erklärte sie.

"Was redest du da?", Rick sah sie erstaunt an.

"Nein, du bist keine Last.........."

"Nein.", wurde Tina plötzlich lauter und sie klang noch weinerlicher.

Tina sah ihm nicht in die Augen :

"Nein? Wieso nein?", wurde er lauter.

"Ich bin euch allen eine Last, ich sehe das. Immer wieder kommt ein Kommentar durch, der sagt, was ihr wirklich denkt. Alina hat das gut zusammengefasst.", sie sah ihn jetzt an und er sah ihre tränenden Augen. Sie hielt ihre Tränen nur schwer zurück. Sie ließ ihn dennoch nicht zu Wort zu kommen:

"Bitte sage es mir, bitte sage mir die Wahrheit. Es ist doch so? Ich mache dir nur Probleme. Wegen mir ist Alina eifersüchtig und ich bringe nur Probleme in eure Beziehung. Ich passe hier nicht rein."

"Nein du übertreibst jetzt aber!", Rick wirkte gereizter:

„Warum glaubst du das? Warum bist du so stur? Wer hat das je gesagt? Musst du jedes Wort so auf die Waage legen?“

"Ich kann das nicht mehr aushalten, ich sehe dein Leiden in deinen Augen. Ich mag dich, deswegen will ich euch nicht im Weg stehen. Bitte sage es mir, dass es so ist. Bitte.", Rick schwieg auf ihre Aussage für einen Moment, dann meinte er:

„Ich bin mit Alina zusammen. Ich mag sie sehr und sie mich. Sie ist ein sehr eifersüchtiges Mädchen, das stimmt. Du solltest dich aber genauso am Riemen reißen. Die ganze Zeit gibt es nur Streit wenn ihr beide da seid. Alina ist vielleicht die treibende Kraft, aber du wärst dich nicht einmal. Immer ziehst du dich zurück. Wie wäre er einmal mit ein paar Widerworten?“

„Siehst du.“, begann Tina und Rick wurde schlagartig wütend. Er schlug gegen den Holzrahmen:

„Du verstehst gar nichts! Du willst gar nichts verstehen! Wir wollen dir helfen. Wir wollen alle zusammen agieren, aber du hältst dich zurück. Du willst doch eigentlich gar nicht hier sein? Du willst weg nicht wahr? Immer wenn man versucht dir zu helfen, ziehst du dich zurück. Alle verhätscheln dich, aber du nimmst das nicht zu Herzen. Werde dir mal bewusst, dass du es uns nicht einfach machst.“

„Tut mir Leid, aber ich habe gesagt, dass ich einfach nicht hierher passe. Ich mache alles falsch und ich störe überall. Ich störe euch.“, Rick schluckte seinen Zorn hinunter, da er wohl einsah mit Wut nicht wirklich weiterzukommen:

"Ja, es tut mir Leid. Alina zickt wegen dir. Sie zickt herum, weil du da bist. Aber jeder muss mit irgendetwas kämpfen. Auch wenn es wegen dir ist, ist es deswegen nicht so, dass du störst. Kapier das endlich............................."

„Ich verstehe schon.“, meinte Tina. Der Junge sah sie skeptisch an.

„Ich bin das Problem, ich habe das verstanden.“, wieder ballte Rick seine Fäuste, als das gehört hatte:

„Verdammt! Kapierst du das denn nicht? Du gehst mit deiner Art allen auf den Geist. So wie du agierst, sperrst du dich uns. Du sperrst dich selber in den Weg. Wenn du das Gefühl hast, dann nur, weil du selber daran Schuld bist. Du solltest selber etwas dagegen unternehmen. Wenn wir dir schon nicht helfen dürfen, dann musst du das selber tun. Überlege dir selber etwas, wenn es dir so besser geht, aber höre auf so herum zu heulen. Wenn man dauernd heult, dann ist man nur im Weg. Eigentlich braucht man dann gar nicht mehr hier sein, wenn man aufgegeben hat. Wer aufgibt, dem will nicht geholfen werden.“, Rick pausierte kurz.

"Also Tina, gibst du auf? Willst du dich zurückziehen und wirklich abhauen?", fragte er anschließend. Seine Stimme klang sehr gereizt.

Tina trat ein Schritt zurück und sie meinte:

„Ich verstehe.“, sie schloss die Tür.

„Zieh bitte wieder keine Nummer ab. Doppelt kann ich das nicht mehr ertragen.“, brüllte Rick durch die verschlossene Tür, anschließend hörte man ihn wütend über den Boden stampfen und anschließend zog er wohl seine Tür, welche in sein Zimmer führte, kräftig hinter sich zu.

Das Portal --- Der Steingarten

[Noju]
 

Einige Zeit später, nach dem Vorfall mit diesem Mr. S und seiner Bestienform, hatte man sich im Ranger Hauptquartier zusammengesetzt.

Linda hatte Max, Daniel, Julius, Engl, Dr. Drogan, die weißhaarige Schönheit und ihn einberufen sich am Nachmittag im Gildenbüro zu treffen. Es war das große Zimmer neben Lindas Schlafzimmer im zweiten Stockwerk.

Selten befand man sich dort.

Ein großer runder Tisch stand in der Mitte und über ein dutzend Stühle, aber mehr auch nicht. Der Raum war nicht sonderlich ausgeschmückt.


 

Sie wollte wahrscheinlich über die bestimmte Sache reden, die alle Anwesenden plötzlich erfahren hatten, wenn sie den Kampf mit Mr. S verfolgt hatten.

So stellte man schließend fest, dass die schwarzhaarige Gildenmeisterin nicht ganz menschlich war, zumindest nicht zu 100%.

Noju hatte diese seltsame Form gesehen, aber er hatte damals gedacht, er habe zu kräftig einen gegen seinen Kopf bekommen.

Engl und Dr. Drogan erklärten ihm dann, sie hätten dies auch gesehen.

Tina konnte man diesen Gedanken ausreden und Rick, sowie Alina, die hatten nichts davon mitbekommen. Ebenso die Band oder die Stadtbevölkerung. Es war gut, dass es ein Geheimnis blieb.

Alle übrigen Wissenden, bis auf die drei Jungs, waren vermutlich tot, somit ging auch keine Gefahr mehr davon aus, dass es irgendjemand weitererzählen konnte.

Es wussten aber jedoch nun einige mehr, als früher.

So kam die Gildenmeisterin wohl nicht um die Sache herum, die Wahrheit zu erzählen.


 

Sie erklärte das ziemlich ausführlich, so erfuhr Noju, dass ihr Ururgroßvater ein echter Dämon sein müsste. Woher dieser stammte, war nicht bekannt.

Dämonen waren in dieser Welt nur ein Mythos und die sogenannte Hölle hatte auch niemand gesehen.

Linda hatte diesen Dämon aber nie gesehen.

Ihre Ururgroßmutter musste ein Mensch gewesen sein, so war ihr Urgroßvater ein geborener Halbdämon.

Im Vergleich zu einem Dämon war dieser wesentlich schwächer, aber immer noch der menschlichen Rasse weit überlegen. Durch die Vernetzung von dämonischen und menschlichen Genen, beschleunigt sich der Alterungsprozess, so konnten Halbdämon nicht so lange leben, wie ihre vollwertigen Artgenossen.

Ein Halbdämon kann dann ebenso kaum oder gar keine Kinder mit Dämonen erschaffen. Mit Menschen ist dies möglich, aber ebenso sehr unwahrscheinlich.

Kinder von Halbdämonen nennt man Mischlinge und diese sind durch ihre verwirbelte Struktur besonders gefährdet.

Linda erklärte, dass ein Mischling selten lebendig zur Welt kam und auch leicht dazu neigte, sich in eine abscheuliche Kreatur zu verwandeln, wenn der menschliche Körper schwer beschädigt wurde. Der Grund lag an den mangelnden dämonischen Strukturen im Körper, die um die Vorherrschaft des Körpers kämpfen. Die menschlichen Gene haben überhand genommen, so steht der Körper eines Mischling ständig im Kampf mit sich selbst.

Ihr Großvater, der ein Mischling war, hatte sie nie kennengelernt, dennoch hatte dieser ein Kind mit einer menschlichen Frau. Dieses Kind war ihr Vater.

Ein Kind eines Mischling, verliert immer mehr an dämonischer Energie, dennoch niemals ganz.

Umso älter der Mischling wird, umso mehr nimmt der dämonische Anteil wieder zu. Genau dieser Wandel führt meistens früh zum Tod, davor geraten die Betroffenen noch in einem Amokzustand und sie töten alles um sich herum, bevor sie endgültig sterben.

Ihr Vater hatte sie wahrscheinlich schützen wollen, als er zur alten Gilde, sagte, dass sie notfalls Linda töten sollten, wenn dieser scheußliche Effekt ausbrach.


 

Rossya, die beste Freundin von Linda, hatte dies nicht akzeptiert. So wollte die Frau stets ein Lösungsweg finden, um nicht ihre beste Freundin auf diese Art und Weise zu verlieren.

Ihr wirklicher Name war übrigens Rossalla Roxy, aber sie bevorzugte es, wenn man sie mit ihrem Spitznamen ansprach.

Die weißhaarige Schönheit, jedenfalls empfand Noju sie so, war eine anerkannte Wissenschaftlerin. Außerdem hatte sie Psychologie studiert. Zwar nicht lange, aber effizient genug, um Menschen manipulieren zu können, nach ihrer Aussage nach.

Rossya hatte vor einigen Monaten, als die alte Gilde noch bestanden hatte, sich auf dem Weg gemacht und die weltgrößte Bibliothek aufgesucht. Dort hatte sie dann einige Wochen, wenn nicht sogar Monate nach einer Lösung gesucht.

Sie entwickelte irgendwann eine Theorie und diese setzte sie auch um.

Die Forscherin hatte zugegeben, dass es eine törichte riskante Aktion war, denn wenn die Wunde nicht geheilt wäre, wäre Linda vermutlich verblutet. Es hätte auch sein können, dass sie sofort starb.

Rossya hatte ihre Theorie aus einer alten Geschichte. Sie betete anschließend, dass dieser Plan funktionierte.

Linda hatte ihr verziehen. Sie war froh überhaupt noch zu leben. Ihre Angst um diese dämonische Energie, hatte sie fälschlicherweise in den letzten Monaten verdrängen lassen, dass sie dieses Problem mit sich trug.

Im Grunde hatte der Rettungsplan auch funktioniert, denn die Gildenmeisterin war nun von ihrer dämonischen Seite fast abgetrennt worden, jedoch nicht komplett und man wusste nicht, ob es jemals zurückkam. Etwas musste noch durch ihren Körper fließen.

Linda erklärte, dass nun in Zukunft niemand mehr darüber reden durfte, nicht einmal im stillen Kämmerchen. Sie wollte ein Versprechen mit allen Anwesenden abschließen, dass diese Sache vergessen wird.

Das Wissen um Dämonenblut, lockt nur unerwünschte Gäste an.

Das war ihre Aussage und Noju würde sich dieses Versprechen sehr zu Herzen nehmen.


 

Im Anschluss wurden dann zwei neue Gildenmitglieder bestimmt.

Einerseits war es dieser große Junge, namens Julius Mantax. Max und Daniel hatten ihn irgendwie auf gegabelt und es stellt sich heraus, dass dieser ebenfalls keine Erinnerungen mehr hatte. Zumindest nicht mehr als die anderen. Man stellte ihm noch irgendwann Tina vor, jedoch war das Mädchen momentan in einem sehr unguten seelischen Zustand.

Rossya hatte erzählt, dass sie unter etwas Schwerem lag. Es war etwas, was sie schon seit einigen Tagen beschäftige und deswegen konnte die weißhaarige Schönheit nicht ihre Tricks anwenden, um sie davon zu befreien. Es mussten kurzfristige Erinnerungen sein, damit man sie gut manipulieren konnte. Das Herz konnte man sowieso nicht so einfach manipulieren. Rossya wollte ihr ja nicht wehtun.

Das zweite neue Mitglied war Rossya selbst. Sie war nämlich nur Mitglied der alten Gilde, sodass sie in der Ranger Guild neu eintreten musste. Zum Erstaunen des Kickboxers, war sie schon ein A-Rang Mitglied. Ränge wurden über Gilden weitergetragen und sie galten für alle Gildensysteme gleich.

Sie besaß somit gesetzlich gesehen, viel mehr Rechte, als Engl, Dr. Drogan oder Noju und für Linda wäre ein solches Mitglied ein wahrer Schub für ihrer Gilde, außerdem waren die beiden sowieso sehr befreundet, sodass die schwarzhaarige Gildenmeisterin schon den ganzen Tag mit einem großen Lächeln umherlief.

Noju würde sich dafür interessieren, wie sehr die beiden befreundet waren.

Engl hatte nur ein zynischen Kommentar dazu abgegeben, dass Rossya vermutlich nicht zu gewinnen war, weil sie so gut wie kein Interesse an Männer zeigte.


 

Die darauffolgenden Wochen waren ein voller Erfolg gewesen, denn die Anzahl der lukrativen Aufträge maximierte sich.

Die Gilde konnte sich zumindest so neue Möbel und Ausrüstungen leisten. Die Küche wurde ebenfalls erneuert.

Es war zwar vielleicht kein wirklicher Grund zum Feiern, aber Linda versicherte, dass es nun endlich bergauf ging.

Vor einigen Monaten bei der Gründung der neuen Gilde, war dieser Optimismus noch nicht allzu groß gewesen.

Eine Sache bremste die Euphorie und zwar der Bürgermeister.

Da dieser schmierige Bürgermeister, der wohl wesentlich mächtiger war, als Mr. S, denn er hatte Linda in wenigen Sekunden bezwungen, auch ohne einen Finger zu rühren, nun große Teile der Insel beherrschte, war auch wieder der alte Trainingsplatz, sowie der Steingarten der Gilde frei.

Rossya hatte darum gebeten, dass sie dort wieder ihre Forschungen durchführen durfte, aber Linda musste ihr erklären und leider somit die schlechte Nachricht verkünden, dass dieser Idiot von Bürgermeister gesagt hatte, dass er den alten Trainingsplatz zur Verfügung stellte, jedoch würde er noch den alten Steingarten untersuchen wollen. Sie dürften ihn nicht nutzen.

Rossya sah sie unzufrieden an:

„Glaubst du.........., dass er etwas herausgefunden hat?“

„Mit Sicherheit.“, stimmte ihr die Gildenmeisterin zu.

Der Arzt kam in diesem Moment in die Gildenhalle. Er hatte sich im örtlichen Krankenhaus beworben, deswegen hatte er immer weniger Zeit.

Er wollte dort als Arzt anfangen, um nebenher noch Geld zu verdienen. Es schien lukrativ zu sein.

„Wo ist Tina?“, fragte er zugleich, bevor er die Treppen nach oben steigen wollte.

„Sie ist immer noch in ihrem Zimmer.“, meinte Noju und er schaute ihm nach.

„Das ist schlecht. Sie wirkt schon seit Tagen verschlossen. Das könnte ernste Auswirkungen ergeben. Ich muss mich demnächst mal ernsthaft mit ihr unterhalten.“, murmelte der Mediziner. Er lief als Nächstes gezielt zu den Treppen in den zweiten Stock. Wahrscheinlich wollte er in sein Zimmer gehen.

„Vielleicht setzt sie das unter Druck, dass sie so verloren wirkt, weil man keine Erinnerungen mehr hat, jedenfalls fühle ich mich vereinzelt auch so.“, vermutete Max.

Die drei Jungs saßen am Holztisch in der Eingangshalle. Sie hatten zuvor noch Karten gespielt.

„Was wohl der Grund dafür war, dass wir unsere Freunde vergessen mussten?“, fragte Daniel.

Diese Worte klangen in Nojus Ohren sehr bitter.

"Es ist schon sehr seltsam und es lässt sich auch nicht erklären. Aber mein Verdacht ist, dass es sich hier um was Großes handelt, deswegen sollten wir nicht so viel nachforschen. Wer weiß wer seine Finger im Spiel hat. Ich vermute, dass wir uns nur in Gefahr bringen, wenn wir zu unvorsichtig sind.", erklärte Julius.

„Die Drei stecken das erstaunlich zurück. Sie sind ein wenig zu gelassen oder sind sie einfach nur sehr robust?“, überlegte Noju.

Max zuckte mit den Schultern und er schwieg, als hätte er Noju gerade gehört und darauf geantwortet.

"Ich kann damit leben, es nicht zu wissen.“, erklärte Julius anschließend.

Daniel musste wohl darüber nachdenken, denn er schaute kurz zur Seite.

„Will er das wirklich nicht wissen?“

„Was mich nur gerade irgendwie stört, ist die Sache mit diesem Bürgermeister.“, meinte Max.

„Du meinst, dass er einfach so alles abräumen konnte, also nach dem Kampf? Ich frage mich, wie der den Sieg daraus ziehen konnte. Es haben doch so viele Menschen gesehen, dass unsere Gilde das Meiste getan hat?“, fragte Daniel.

„Beschweren bringt doch nichts. Es gibt immer einen am längeren Hebel.“, fügte Julius hinzu.

„Sie scheinen es auch wohl akzeptiert zu haben, was sie damals dort gesehen haben?“, überlegte Noju. Er musste daraufhin feststellen:

„Nun........., damals mit dem Geist..........., da waren sie danach auch relativ gelassen.“

„Was denkt ihr, wie alt ist Rossya eigentlich?“, fragte Daniel plötzlich.

Noju und Engl schlug es beinahe von den Stühlen.

„Frage niemals nach dem Alter einer Frau.“, erklärte Engl sofort. Er wirkte nervös.

„Wieso?“, erwiderte Daniel.

„Es könnte sie kränken. Sie ist bestimmt nicht so alt. Rossya erklärte doch, dass...........“, wollte der rauchende Kampfsportler erklären, da stand die weißhaarige Dame mit einem ernsten Gesichtsausdruck schon daneben:

„Ich hörte meinen Namen?“, fragte sie streng. Wie gut war ihr Gehör?

Nervös meinte Engl:

„Nichts Besonderes, es geht hier nur allgemein um................ Gespräche unter Männern.“

„Dann erzählt den Jungs bloß kein Unsinn. Ich weiß was junge Männer in eurem Alter gerne den Pubertierenden erzählen. Ich warne euch.“, die weißhaarige Dame lief zurück zu Linda, die in diesem Moment zu telefonieren schien.

„Und merkt euch noch eines!“, fügte Engl hinzu. Er sah dabei die drei Jungs prüfend an:

„Frauen sind eine gefährliche Waffe, wenn man sie wütend macht. Fragt deswegen nie nach etwas, was sie wütend machen würde.“

„Sagt der Mann, der gerne Frauen um den Finger wickelt und mit ihnen spielt.“

Rossya war jedoch wirklich gefährlich stark, denn Linda hatte begeistert darüber geredet, wie stark ihre Freundin doch war.

Die Forscherin war auch als die auflösende Alchemistin bekannt. Mit Magie in ihren Fingern konnte sie alles aus Metall zum Rosten bringen.

Ebenfalls mit magnetischen Energieblitzen konnte sie Metall in nur Bruchteilen von Sekunden mithilfe ihrer Fingern verschießen.


 

Am Abend des Tages, nachdem die Gildenmeisterin ihr Telefonat beendet hatte, verkündete sie, was die Dame nun geplant hatte:

„Dieser Steingarten, von dem vorher die Rede war, ist unser nächstes Ziel. Mein Freundin ist ebenfalls eine sehr gute Technikerin. Sie hat vor einigen Jahren ein sonderbaren Trainingsraum entdeckt, der sich in parallelen Welten befindet. Der Zugang, also das Portal, befindet sich im Steingarten. Es ist sehr komplex und ehrlich gesagt verstehe ich selber davon nichts. Rossya weiß aber wie alles funktioniert und wie man das Portal öffnet. Diese Möglichkeit eignet sich perfekt für aufwendige Trainingslektionen im Geheimen. Außerdem ist man dort wirklich ungestört. Nur Rossya kann ihn wieder reaktivieren, deswegen freue ich mich sehr, dass sie wieder da ist.“

„Parallele Welten? So etwas geht? Man kann Portale erschaffen?“, fragte Daniel erstaunt.

Er wirkte skeptisch.

„So ein Portal, wie in diesen Sciencefiction Romanen?“, fügte er fragend hinzu. Linda nickte.

„Ja, solche Portale gibt es. Es war sehr aufwendig die passenden Vorbereitungen dazu zutreffen, aber der Effekt lohnt sich wirklich. Man hat viele Orte für sich. In den meisten.............“

„Wo ist dieser Ort?“, unterbrach Engl. Linda wirkte zuerst genervt, jedoch antwortete sie ihm:

„Der Steingarten der alten Gilde gehörte früher noch zur Stadt, aber momentan gehört er zum Privatbesitz der Villa, nein..... nun gehört dieser Ort dem Bürgermeister. Nur, dass dieser davon nichts weiß, hoffe ich. Es sieht aus wie ein normaler Steingarten.“, Engl nickte.

„Wir testen das System heute Nacht. Wir müssen das so schnell wie möglich tun, bevor der Bürgermeister irgendetwas versucht.“

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin schaute sich anschließend noch einmal um:

„Dr. Drogan wird wahrscheinlich zu beschäftigt sein und Tina nehmen wir nicht mit. Rick muss sich noch von seinen Verletzungen erholen und Alina werden wie alleine nicht mitbekommen. Sie würde nur mit Rick mitgehen.“, sie schaute anschließend zur Gruppe:

„Ihr werdet aber alle mitkommen. Wir müssen aufpassen, dass es keine Zeugen gibt.“

Die Leiterin klang daraufhin sehr aufgeregt:

„Das wird sicherlich spannend.“

„Eine Reise in eine parallele Welt?“, meinte Julius. Er klang nicht überzeugt.

„Klingt auch irgendwie unsicher.“, meinte Max.

„Ach was.........., das wird schon!“, Linda ließ sich wohl nicht von ihrer Vorfreude abbringen.

„Also werden unsere zukünftigen Trainingslektionen in diesem Raum sein? Wie kann ich mir das vorstellen? Ist es einfach nur ein anderer Raum? Eine großer Platz, eine Höhle, eine Strand? Eine fremde Stadt oder eine fremde Trainingshalle? Ich..........“, fragte Noju, aber Linda unterbrach ihn:

„Du wirst das schon sehen. Ich war auch sehr skeptisch, als ich das zum ersten Mal gesehen habe. Es funktioniert wirklich.“

„Na ja............, ich unterschätze nur halt nicht die Macht von Reisen in anderen Welten. Ich habe da meine Zweifel was die Sicherheit angeht. Man kann vieles falsch machen.“, murmelte der Kickboxer, aber Linda ignorierte ihn.

„Diese Technik hat schon einmal funktioniert. Die alte Gilde hat sie sogar schon mehrmals genutzt. Der Energieaufwand für die Nutzung ist zwar groß, aber ich habe die Pläne noch vollständig im Kopf. Die Vorbereitungen werden kurz sein.“, erklärte Rossya.

„Probieren können wir es ja. Klingt auf jeden Fall interessant.“, meinte Engl.

„Andere Welten klingt schon sehr interessant. Mich würde interessieren was da so wartet.“, überlegte Julius.

„Was da so wartet? Du willst doch nichts heraufbeschwören oder?“, meinte Daniel nervös.

„Tja.........., vielleicht lauern Monster dort? In anderen Welten weiß man nie.“, erklärte Julius mit einem Grinsen im Gesicht.

„Hört auf mit dem Quatsch.“, beschwerte sich Linda.

„Wir werden doch nicht irgendwo hingehen, wo es gefährlich ist. Der Zielort ist bestimmt. Das Ganze ist ausgetestet und bisher ist nie etwas passiert. Rossya wird bei den Vorbereitungen sowieso zuerst eine Testphase durchführen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Es ist wirklich nicht einfach vorzustellen, was auf der anderen Seite so warten könnte. Neue Wesen, vielleicht eine andere Sprache?“, vermutete Max.

„Ach Jungs........, ihr seht das Ganze zu kompliziert. So ungewöhnlich und unsicher wird das nicht sein. Es ist extra ein Ort für ruhige Trainingslektionen. Manchmal will man seine Fähigkeiten nicht der Öffentlichkeit zeigen.“, erklärte Linda.

„Klingt einleuchtend.“, meinte Engl.

„Wenn man das Portal solange nicht findet, während wir es nutzen.“, überlegte Noju. Er war immer noch ein wenig skeptisch.

„Aber wie funktioniert so ein Portal eigentlich?“, fragte Daniel.

Rossya schüttelte den Kopf und sie meinte:

„Genau das dir zu erklären würde Jahre dauern. Das ist nichts, was man so einfach erlernt. Mache du erst einmal ein erfolgreiches Studium.“

Daniel schaute sie unzufrieden an.

„Wer hat das Ding eigentlich gebaut? Du, Rossya?“, fragte Engl. Die Weißhaarige schüttelte wieder den Kopf:

„Nein.............., ich habe es nur mit einem weiteren Mann namens Will Zentaler weiterentwickelt. Erschaffen hat es ein anderer Mann, den ich nur selten zu Gesicht bekommen habe.“

„Erschaffen hat es ein brillanter Forscher der alten Gilde. Sein Name war Jaswal Origin. Leider ist er spurlos verschwunden. Vermutlich ist er tot.“, meinte Linda. Sie sah kurz betrübt zu Boden:

„Er war ein schwieriger und seltsamer Mann. Er neigte zu Gefühlsausbrüchen, aber er war ein Geschäftspartner meines Vaters und ein Mitglied der alten Gilde. Seine Forschungen waren weit über jeden Verstand hinaus. Mit seinen vielen Forschungen setzt sich Will immer noch auseinander und er hat immer noch nicht alles verstanden.“

„Von seinen Forschungen habe ich auch teilweise gelernt, die sind sehr komplex und wirklich wahnsinnig geschrieben.“, erklärte Rossya.

„Nun gut.“, meinte Linda anschließend.

„Es ist bald Mitternacht. Wir sollten dann bald aufbrechen. Ich will endlich sehen, ob das noch funktioniert. Es ist jedes Mal wirklich besonders aufregend.“, ein großes Lächeln schlich sich auf Lindas Gesicht. Sie schien wirklich wahnsinnig aufgeregt zu sein.

Es klang zumindest sehr interessant. Noju war noch nie durch ein Portal in andere Welten gereist, deswegen wollte er das schon einmal zumindest ausprobieren, dennoch verschwanden seine Zweifel aber nicht.

Das Portal II --- Lichtspektakel

[Rossya]
 

Der Bereich, welche die Gruppe anstrebte, lag einige Meter entfernt vom Hauptquartier, zudem noch sehr verborgen.

Der Steingarten an sich war größer und trotz der Verwilderung immer noch ein schöner Anblick.

Der steinerne Weg, welcher zwischen den angelegten Plätzen, die je einem Gerne zugeordnet waren, welches immer noch mit dem Thema Stein zu tun hatte, war zum Teil überwuchert mit Unkraut, aber Dank der mangelnden Natur im Allgemeinen, zumindest an diesem Ort, war der Garten auch noch nach Jahren begehbar.

Die angestrebte große Lichtung dahinter, war umzingelt von vielen stacheligen Büschen und Bäumen, sodass man nervige Klettereinlagen durchführen musste, um dorthin zu gelangen.

Die Lichtung war flach und quadratisch. Sie war von Menschenhand erschaffen worden.

Die Lichtung war bis auf die zwölf gleich große Felsen, die im Kreis angeordnet waren, nur vom wild hochgewachsenen Gras befallen.

Man erkannte es nicht, dass dieser Ort ein Beschwörungskreisel war.

Nur ein geübtes Augen konnte diese Tatsache erkennen.

Die 12 größere Felsen sahen dazu eigentlich zu unnatürlich aus, da sie perfekt im gleichen Abstand im Kreis standen. Mit einem kräftigen Stoß, könnte man die Felsbrocken umwerfen.


 

„Hier sind wir.“, präsentierte Rossya stolz und die anderen sahen sich anschließend skeptisch um.

„Sieht sehr unspektakulär aus.“, meinte Max.

„Vielleicht ist es nicht offensichtlich?“, antwortete Daniel.

„Ach was?“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu. Daniel antwortete ihm nicht erneut.

"Ich kann mir jetzt noch nicht vorstellen, wie das hier funktionieren soll?", meinte Noju skeptisch.

"Skeptisch wie immer?", meinte Linda nur.

„Nein......, ich bin nur neugierig.“, konterte der Kickboxers, er klang unzufrieden.

„Na ja......., wir sehen es bestimmt gleich.“, meinte Engl.

Er zog eine Zigarette hinaus, jedoch erstarrte er, als die Gildenmeisterin ihn mit bösen Blicken ansah:

„Ich drücke dir das Ding im Gesicht aus.“

Engl ließ die Zigarette wieder verschwinden. Genervt ging er ein paar Schritte zur Mitte des Steinkreises.

„Dass sie ihm das noch nicht abgewöhnt hat? Mit ein bisschen Nachdruck würde das wirklich gut funktionieren. Männer sind da alle gleich, vor allem wenn es bestimmt eine gutaussehende Frau zu ihnen sagt.“, sie betrachtete Linda und Rossya schmunzelte.

Rossya kannte ihre Freundin nur zu gut, wenn es um Manieren ging.

"Rauchen ist eine Qual. Du bist ja schon richtig süchtig danach. Wenn ich du wäre, würde ich damit aufhören. Das macht nur dumm und krank.", erklärte die Forscherin.

„Ach was.“, erwiderte Engl nur. Er zeigte sich nicht kooperativ.

„Was will man auch bei so einem Prolet auch erwarten?“


 

"Also was passiert hier jetzt?", fragte Engl ungeduldig. Er tippte nervös mit dem Fuß auf dem Gras herum.

„Warum so ungeduldig?“, fragte Linda mit einem zufriedenen Lächeln. Sie wusste die Antwort.

„Schön provozierend, das liebe ich so an ihr.“

Engl blickte sie unzufrieden an und er meinte genervt:

„Ja ich habe es verstanden. Ich werde es in Zukunft in deiner Gegenwart sein lassen.“, erklärte er.

"Nimm das ernst. Linda ist viel zu gnädig.", erklärte Rossya und sie lief ebenfalls in die Mitte des Steinkreises. Engl ging daraufhin ein paar Schritte zur Seite.

„Jetzt verstehe ich, Engl.“, meinte Daniel zu Max und Julius. Max nickte dazu. Julius erwiderte jedoch keine Reaktion darauf. Mit verschränkten Armen stand er am Rand des Steinkreises.

Durch die Dunkelheit der Nacht, war bestimmt nicht viel zu erkennen. Sie durfte hier aber auch kein unnötiges Licht entfachen, es würde nur unerwünschte Gäste anziehen.

„Nun..............., ich werde jetzt ein Test im Mitten des Steinkreises durchführen.“, erklärte sie und Rossya streckte ihre Hände weit in beiden Richtungen.

„Und wo ist die Technik?“, fragte Daniel verwundert und er sah sich um.

„Ich sehe hier nur Felsen und Gras, dann ist die Technik vielleicht unter der Erde?“, vermutete der Junge daraufhin.

„Fast.“, korrigierte Rossya. Sie fing an es zu erklären:

„Die Runen liegen tatsächlich unter der Erde, aber die wichtigste Technik basiert auf Alchemie und Magie. Durch meine beachtlichen Kenntnisse in Alchemie und der allgemeinen Wissenschaft konnte ich mir das Wissen der altem Schamanen aneignen, also ein paar Gesetze von Raum und Zeit zu verstehen. Ich kann Portale beeinflussen, aber ich kann sie nicht erschaffen. Die Runen hat Jaswal gelegt, diese Technik ist sehr komplex und fragil, das kann nicht jeder.“

Niemand erwiderte etwas.

„Nach ihren Gesichter zu urteilen, scheinen sie wohl ein wenig neidisch zu sein? Sie schätzen ja gar nicht was ich für einen Aufwand betrieben habe.“

„Das Gute ist.....“, fing Rossya anschließend an und sie lief zu einem der zwölf Steinen.

„Die Technik ist noch in einem guten Zustand, man muss sie nur noch mit Energie versorgen, dann können wir sofort loslegen. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt, aber dieser Mr. S hatte das wohl nicht gesehen oder nicht gewusst was er damit anfangen kann. Vielleicht hat es ihn auch einfach nicht interessiert.“

„Außerdem sind meine Hinweise noch dort, wo ich sie das letzte Mal eingearbeitet habe. Hätte ein anderer in meiner Magie gefuscht, dann hätte ich das jetzt bemerkt.“, sie streckte ihre Hände in alle Richtungen. Kleine Lichtkugeln schwebten aus ihren Fingerspitzen. Sie schwebten zu den verschiedenen Felsbrocken:

„Es ist alles noch da und die Koordinaten scheinen unverändert zu sein. Das ist wirklich ein Glück. Ich war mir sicher, dass jemand hier fuschen würde.“

„Dann fange mal los.“, forderte Engl und er verschränkte seine Arme.

„Was für ein ungeduldiger Idiot.“, sie blickte den Boxer abwertend an.

„Und nun der Test.“, erklärte die weißhaarige Forscherin. Sie zog ein rundes Medaillon hervor.

Sie ließ es fallen und es verschwand in einem Lichtblitz, daraufhin legte Rossya beide Hände zusammen und im nächsten Moment war es wieder da.

„Es scheint mit Sand bedeckt zu sein? Vermutlich der gewünschte Sandstrand.“, sie überlegte noch einen Moment, daraufhin lächelte sie erfreut:

„Alles klar. Es funktioniert alles einwandfrei.“, erklärte die Forscherin. Linda hüpfte fast vor Freude.

„Ja schön und wer geht als Erstes?“, fragte der Boxer.

„Du gehst vor. Du wirst die erste Testperson sein!“, erklärte Linda und sie schaute ihn lächelnd an.

„Sie lächelt ihm aber zu oft zu. Ich muss das in Zukunft unterbinden.“, bemerkte Rossya unzufrieden.

Engl sah sie überrascht an:

"Ich? Testperson? Ich möchte aber nicht als misslungenes Testobjekt enden. Als ein Häufchen Plasma."

"Ach was, das hat nur eine 33% Wahrscheinlichkeit.", meinte Rossya trocken.

„Was?“, meinte Engl unzufrieden.

Linda brach anschließend in einem kurzen Gelächter aus. Sie fing sich schnell wieder.

Der Kickboxer sah verlegen zur Seite.

"Linda missversteht mich. Es war eigentlich nicht als Witz gemeint, auch wenn die Wahrscheinlichkeit ein wenig geflunkert war."

"Muss ich wirklich?", fragte Engl genervt, aber Linda baute sich vor ihm auf:

„Du bist ein Vorbild der Jungs da drüben. Ich beschütze meine Schützlinge, aber du bist schon ein erwachsener Mann, also suche dir mal deine Männlichkeit wieder und stelle dich endlich mal in die Kreismitte.“

Engl lief plötzlich mit völligen Einverständnis in die Mitte des Kreises.

„Ach ja, das Ego der Männer.“

"Und jetzt zu euch, Jungs.", begann die schwarzhaarige Gildenmeisterin und sie klang nicht erfreut. Die drei Jungs erstarrten.

"Ich bin immer noch sauer auf euch, dass ihr vor ein paar Wochen einfach meine Befehle missachtet habt und ja ich weiß, Julius kann nichts dafür, aber mitgehangen mitgefangen. Er hat euch ja auch nicht aufgehalten weiter zu gehen. Ich möchte keine Widerworte hören, denn ihr braucht euch nicht rechtfertigen, egal welcher Grund auch immer."

"Ähm...............", wollte Julius irgendetwas kontern, aber er schwieg, als Lindas Blick zu ihm wanderte.

„Ihr alle werdet nach Engl und Noju ebenfalls in das Portal gehen, dort werdet ihr das Trainingsprogramm ebenfalls absolvieren, zumindest zum Test.“, erklärte Linda.

„Ich habe noch gar nicht zugestimmt.“, wollte Noju erwidern, aber auch bei ihm reichte nur ein finsterer Blick.

Die drei Jungs stimmten der Gildenmeisterin anschließend zu.

„Sie hat ja alles fest im Griff.“


 

Rossya streckte wieder ihre Hände aus und sie ließ erneut ihre Lichtbällchen in alle Richtungen auf die Felsbrocken zufliegen.

„Nun.........., ich werde das Portal aktivieren. Es wird ein kleiner Lichtkegel in der Mitte erscheinen. Nähert euch einfach diesem Lichtkegel. Die Energie wird euch schon anschließend transferieren. Ich werde anschließend eine magisches Verbindung zu dem Eingang in der dortigen Welt aufrechterhalten. So könnt ihr jederzeit zurück und auch dadurch mit mir reden. Ich werde hier solange Wache halten.“, erklärte Rossya.

„Ich werde ebenfalls hierbleiben. Ich werde auf sie aufpassen. Es kostet eine große Menge Energie.“ ,erklärte die Gildenmeisterin. Sie lief außerhalb des Steinkreises.

„Und wir lange wird das dauern?“, fragte Engl.

„Der Vorgang der Übertragung dauert allerhöchstens wenige Sekunde. Ihr werdet es nicht einmal spüren.“

Sie legte ihr Hände wieder aufeinander und sie lief ein paar Schritte zurück:

„Nun kommt näher.“, so näherten sich die beiden jungen Männer und die drei Jungs dem größer werdenden Lichtkegel.

„Bisher passt alles. Nun gut, dann vergrößere ich mal das Portal, sodass es passierbar wird.“

„Nun nähert euch weiter dem Lichtkegel. Es ist gleich soweit.“, Rossya wurde lauter.

Der Lichtkegel wurde größer und er leuchtete immer stärker, sodass man sogar seine Augen verdecken musste.

Rossya schloss kurz die Augen und sie murmelte vor sich hin:

"Nur noch diese Formel!"

"Hcid ereivitka Sierkeimehcla!", sprach sie aus. Die Felsen leuchteten daraufhin unnatürlich weiß auf. Linda wirkte dabei immer zufriedener und ihr Lächeln wurde größer, sie wirkte sehr gespannt.

Es war zumindest ein interessantes Lichtspektakel, deswegen zog sich Linda auch eine schwarze Sonnenbrille auf.


 

Ein komisches Gefühl durchstrich die Forscherin plötzlich. Ein Kribbeln durchzog ihr Rücken.

"Was ist hier los?", sprach Rossya verwundert. Sie konnte ihre Augen nicht öffnen, da das Licht die Dame blendete.

In den Augenwinkel erkannte sie zumindest die Felsbrocken:

"Normalerweise sollten sie leicht rötlich leuchten. Etwas stimmt mit der Verbindung nicht.", überlegte sie und die Frau wurde nervöser. Sie konnte keinen Fehler sehen, also wo war der Fehler?

„Die Koordinaten müssten die Selben sein. Ich habe alles so vorgefunden, wie ich es hinterlegt habe. Der Test hat doch funktioniert? Was wurde also geändert? Keiner sollte in der Lage sein, das zu wissen, außer..............“, da fiel es ihr auf. Es gab eine Person, die eventuell ihre Finger im Spiel haben könnte.

„Was ist den los?“, fragte Linda besorgt. Sie wollte näher heran treten.

„Warte!“, rief Rossya und alle Anwesenden erstarrten.

„Irgendetwas stimmt nicht mit der Technik? Es ist die Frequenz, die Frequenz wurde geändert.“, vermutete die Forscherin lautstark.

Der Lichtkegel fing an anziehend zu werden. Das Licht wurde immer greller.

"Los lauft zurück..................!“, hörte man die Gildenmeisterin brüllen, aber der Lichtkegel hatte schon eingesetzt, somit war der Vorgang nicht mehr rückgängig zu machen. Es zog alles innerhalb des Steinkreises in sich. Rossya hatte zu spät reagiert und somit wurde sei ebenfalls absorbiert.


 

Die Dame kam wenige Sekunden wieder zu sich. Der Vorgang war abgeschlossen und sie befand sich nicht mehr auf der Wiese im Steinkreis. Die Forscherin wusste sofort was passiert war.

Die Gruppe, bis auf Linda, war durch das Portal in eine andere Welt gereist.

„Wie konnte das passieren?“, rief Rossya verärgert, weniger verzweifelt.

"Verdammter Mist! Ich wusste es!", meinte Noju unzufrieden.

„Ich wusste sofort, dass Probleme aufkommen. Ich hoffe, wir können das schnell beheben?“, er sah daraufhin die gereizte Forscherin an.

„Beruhige dich!“, ermahnte die Dame mit bösen Blicken, aber diese Methode der aufgezwungenen Beruhigung würde bei den beiden jungen Männern wohl nicht funktionieren.

„Es ist nicht das Ende. Ich kann uns zurückbringen, sobald ich festen Untergrund habe.“, erklärte die Forscherin.

Die Gruppe stand in einer Wüste, um Ihnen herum war nur Sand und der Himmel war dunkel. Es war wohl dort ebenfalls Nacht. Somit war die Atmosphäre auch dementsprechend kühl.

"Wissen wir wenigstens wo wir sind?", fragte Noju und er hob ein bisschen Sand auf. Er ließ ihn durch seine Finger rieseln.

"Ich weiß es nicht. Jemand hat die Frequenz, also die Koordinaten geändert, wir könnten sonst wo gelandet sein. Solange ich keinen Bannkreis zeichnen kann, kann ich kein Portal beschwören.", sie suchte einen Felsbrocken oder zumindest etwas ähnliches, aber es war nur eine sandige Wüste weit und breit zu sehen.

„Dann sitzen wir hier fest?“, brummte Noju.

„Ja........“, fing Engl an. Er zog eine Zigarette hervor und der Kampfsportler zündete sich diese anschließend an:

„..............sieht somit aus.“, er wirkte gelassener als sein Kollege.

„Es ist nicht meine Schuld. Ich kann das Gemecker gerade überhaupt nicht gebrauchen.“

„Ich finde schon ein Weg zurück.“, erklärte Rossya. Sie würde sich nicht von irgendjemand hinters Licht führen lassen. Die Dame mochte das noch weniger, als zu verlieren.

„Derjenige, der dafür verantwortlich ist, dem werde ich.................“, sie ließ das Letzte unausgesprochen.

Rossya schaute sich um, aber sie sah wirklich nur weit und breit eine kaltherzige Wüste. Der Weg zurück könnte sich als schwierig erweisen.

Das Portal III --- Telepathie

[Linda]
 

Vor ein paar Jahren:
 

Wann genau Rossya beigetreten war, das wusste die schwarzhaarige junge Dame nicht so genau. Sie war einfach da gewesen und am Anfang war die Weißhaarige auch oft in der Schule unterwegs. Rossya ging öfters zu Schule, als die meisten in ihrem Alter. Sie schien dort sehr erfolgreich zu sein, aber wegen ihrer arroganten Art, hat Linda sie am Anfang nicht so wahr genommen.

Die Zeit verstrich und beide Mädchen kamen in die Phase, in denen sie sich weniger von anderen etwas sagen lassen wollte. Es war die Zeit, in dem sich die beiden jungen Damen besser kennenlernten und sie merkten, dass sie auf einer Wellenlänge schwebten.


 

Nach einer großen Gildenversammlung ihres Vaters, ging Linda deprimiert in den Wald. Sie ging zu ihrem geheimen Hügel auf dem Linda immer Trost suchte.

Sie hatte es schon früher erfahren, aber als ihr Vater vorher lautstark verkündete, dass man notfalls seine Tochter töten durfte, wenn sie langsam zu einem Ungeheuer wurde, war das eine ganz andere Gewichtung für Linda. Als ihr Vater dies vor der gesamten Gilde wiederholte, traf sie es sehr. Auch wenn das zurzeit ein wichtiges Thema und diese Aussage eventuell begründet war.

Die Schwarzhaarige schmollte nicht allein auf dem Hügel.

Rossya, die junge Dame, mit den immer schicken noblen Klamotten, die sich ganz und gar nicht für eine Wanderung durch den Wald eignen, war ihr gefolgt.

„Eine wirklich Schande, die dein Vater verzapft hat. Ich habe zwar auch nie wirklich mit meinem Vater ernsthaften Kontakt gehabt, zumindest glaube ich das, aber niemals würde er so etwas sagen. Wie kann er sich nur Vater nennen? Wie konnte er das nur seiner Tochter an tun?“, meinte Rossya mit unzufriedener Miene.

Linda drehte sich mit müden und traurigen Augen um:

„Ich habe bisher so viel falsch gemacht. Leben sind wegen mir erloschen und nur weil ich dumm und naiv war.“, Rossya kam näher:

„Rede dir das nicht ein! Immerhin lebst du doch in einer Gemeinschaft nicht? Niemand würde so über dich denken, wenn er dich in einer Gruppe aufnimmt.“, die Weißhaarige schmunzelte.

„Du verstehst das nicht. Ich............., ich habe vielleicht die Gene eines Dämon, aber mein Charakter, meine Seele sind genauso verdorren. Du weißt was ich getan habe.............“, die Weißhaarige umarmte in diesem Moment ihre beste Freundin.

Linda stockte kurz.

„Hör auf so ein Quark zu reden. Du bist nicht schlecht. Fertig!“, erklärte Rossya und sie schaute Linda streng an.

„Denke das nie wieder, klar? Ansonsten werde ich deine Cousine fragen, wie wir dir das austreiben können.“, Rossya schmunzelte erneut.

„Trotzdem sagst du so etwas, auch wenn du weißt was ich eigentlich bin?“, fragte Linda erstaunt.

„Trotzdem.“, bestätigte die Weißhaarige:

„Und deswegen werde ich mir ab sofort die Aufgabe machen, dich von diesem elendigen Schmerz zu befreien. Ich finde eine Lösung. Ich garantiere..........., ich verspreche dir das!“, gab Rossya bekannt.

„Du bist doch gerade in einem Studium nicht?“, fragte Linda verwundert.

„Als ob mich das aufhalten könnte. Für dich habe ich immer Zeit.“, beschwichtigte ihre Freundin.
 

Einige Monate später:
 

Panisch rannte Linda aus dem Hauptquartier. Sie stürmte zur Hafenstadt, denn sie konnte nicht glauben, was sie gehört hatte.

Rossya war doch des Wahnsinns? Sie hatte doch nicht ernsthaft ihr Studium wegen so einer Sache aufgegeben. Sie hatte ihr Studium wegen Linda aufgegeben!

Mit allerletzter Kraft erreichte sie den Hafen.

Das Schiff hatte noch nicht abgelegt und Rossya stand vor ihr.

„Du darfst nicht gehen! Werfe deine Zukunft doch nicht weg!“, erklärte Linda verständnislos. Sie musste kurz wieder Kräfte sammeln.

„In den letzten Monaten ist so viel Schreckliches passiert! Dir ist so viel Schreckliches widerfahren. Ich kann das doch nicht mehr mitansehen und deswegen werde ich mein Versprechen halten. Ich werde zur größten Bibliothek fahren und ich werde dort eine Lösung finden.“, erklärte die Weißhaarige überzeugt.

„Nein!“, rief Linda entsetzt.

„Mein Onkel verschwindet, meine Cousinen gehen auf die Suche und sie sind auch schon einige Zeit weg und jetzt willst du auch noch gehen? Wie soll ich alleine mit einer Gilde klarkommen? Rossya, ich muss mich auch noch um die................“, ihre Freundin trat näher und sie umarmte Linda:

„Du bist doch gar nicht alleine. In der Gilde gibt es noch Leute, die dich mehr brauchen, als ich zurzeit. Das schaffst du. Ich bin nicht lange weg. Ich komme bald wieder mit einer Lösung und dann befreie ich dich von deinem Fluch. Ich hatte dir das versprochen.“,

Linda drückte sie daraufhin ein wenig von sich.

„Nein!“, brummte Linda anschließend. Sie starrte ihrer Freundin tief in die Augen:

„Du setzt dein Studium fort und du lässt diese Dummheit sein. Wegen mir musst du doch nicht so etwas tun. Ich ehre das sehr, dass du mir helfen willst, aber dieser Fluch ist meine Sache und ich werde ihn...............“, die schwarzhaarige junge Frau wurde beim Reden unterbrochen, als Rossya nähertrat und sie unerlaubterweise küsste.

Die Sekunden fühlten sich an wie Minuten und Lindas Herz schien stehenzubleiben.

Verwirrt blieb sie erstarrt und Linda sah an, wie Rossya auf das Schiff stieg und dieses wenige Minuten später ablegte.

Erst nach guten fünfzehn Minuten realisierte Linda die Umgebung wieder und daraufhin meinte Linda blass:

„Ich hatte das erahnt.“, sie sah verlegen mit einem Lächeln zur Seite:

„Dieses Mädchen ist einfach auch stur wie ein Esel. Soll sie doch machen was sie nicht lassen kann.“, daraufhin drehte sich Linda um. Beleidigt trat sie den Rückweg an:

„Sie wird schon sehen was sie davon hat.“

„Hoffentlich kommt sie gesund wieder.“, meinte sie anschließend und die junge Dame warf ein letzten Blick zum Schiff, welches dem Horizont entgegen fuhr.
 

Gegenwart:
 

"Verdammt!", fluchte die Gildenmeisterin lautstark, als der Lichtkegel verschwunden war und die Gruppe ebenfalls.

"Mensch Rossya, wieso hast du nicht genau hingeschaut, du verlässt dich zu sehr auf deine Arbeit.“, die Gildenmeisterin lief nervös hin und her.

„Ich bin aber auch Schuld daran, ich hätte nicht so ungeduldig sein sollen.", dachte sie jammernd, aber das lautstarke Jammern brachte eigentlich nichts.

Rossya hatte immerhin schon einmal gesagt, dass sie für so etwas vorgesorgt hätte.

Die Forscherin musste nur einen geeigneten Platz finden, dann könnte sie versuchen ein Portal zu erschaffen.

Die einzige wichtige Frage, die zurzeit bestand war, ob es der Gruppe gut ging.

Hoffentlich waren sie nicht in einem Lager voller Feinde gelandet?

„Was ist überhaupt falsch gelaufen? Hat Rossya nicht aufgepasst oder steckt da mehr dahinter?“, die Gildenmeister rätselte, währenddessen schaute sie über die Wiese. Sie begutachtete fast jeden Felsbrocken, aber die Gildenmeisterin erkannte nichts auf dem ersten Blick.

„Was würde Rossya in so einer Situation tun? Was hatte sie damals gesagt?“, Linda überlegte.

Sie griff dabei zu ihrem Armband, welches sie vor kurzem erst von der Forscherin bekommen hatte.

„Sie sagte, wenn ich es zulasse, dann könnte man mit mir kommunizieren und zwar per Telepathie.“, Linda rieb an ihrem Armband und sie schloss ihre Augen, währenddessen formulierte sie immer wieder:

„Ich lasse es zu. Ich lasse es zu. Ich lasse es zu.“, die schwarzhaarige Gildenmeisterin lief währenddessen zur Mitte des Steinkreises und plötzlich spürte sie ein Stechen im Kopf.

"Ha........ o?", hörte Linda plötzlich in ihren Gedanken sagen. Woher kam diese abgebrochene Stimme? Die Gildenmeisterin schaute erstaunt auf.

"Hal............. o, L.......... nda?", hörte sie nun ein klein wenig deutlicher.

"Ist das Rossya? Kommuniziert sie gerade mit mir?", Linda sah sich erneut um. Es war niemand zu sehen, also musste es tatsächlich ihre Freundin sein.

"Hallo.............................., Linda? Kannst du mich...................... ören?........ inda?", es war tatsächlich die Stimme von Rossya, aber konnte sie auch Linda hören?

"Rossya bist du das? Alles in Ordnung? Wo seid ihr?", rief Linda lautstark. Es herrschte eine kurze Stille.

"Ich verstehe dich gut, Linda. Sei bitte ein bisschen leiser. Wir sind.... uch alle da und u....... s geht es.......... ut. Wir sind hier mitten in einer Wüste, die nicht dem Z......... elort entsprach.“

„Was ist passiert?“, unterbrach Linda.

„W........... r wu........ den von irgendwem reing......... legt. J........ mand manipulierte die Daten, sod...... ss, ich es so vorfand, wie ich......... sssss hinterlassen habe. Je....... and spielt uns übel........ ittt.", meinte Rossya.

Die Verbindung war nicht die Beste. Linda hielt sich am Kopf. Was sollte sie jetzt nun tun?

"Könnt ihr zurückkommen? Gibt es einen Weg?", fragte die Gildenemeisterin.

"Ja, es ist m...... glich. Wir müssen nur einen passenden B....... den finden, auf dem ich meinen Kreis............... eichnen kann.“, erklärte ihre Freundin.

Linda fühlte sich zumindest momentan ein Stück erleichtert.

„Bitte bleib im............ teinkreis, denn nur....... olange können wir kommunizieren.“, erklärte Rossya. Linda verstand.

„Kannst du ungefähr sagen was das für ein Ort ist, also ist es dir möglich dies herauszufinden?“, fragte die Gildenmeisterin vorsichtig.

„Ne........ n, wir könnten....... onst wo sein. Es...... ibt achtzehn Welten insgesamt und..... ir könnten auf einer von diesen sein....... nd zwar sonst wo auf diesen....... elt.... n. I........ h habe keine...... hnung.“, erklärte Rossya.

Es war wirklich anstrengend ihr bei dieser Verbindung zuzuhören.

Linda musste kurz ihre Augen schließen, denn sie bekam davon leichte Kopfschmerzen.


 

Plötzlich hörte die Gildenmeisterin ein lautes metallisches Geräusch. Es folgte ein lautes Störgeräusch und Linda musste sich an den Kopf fassen.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin sah sich daraufhin erschrocken um, aber sie erkannte nichts.

"Es war bei uns,..............inda.", hörte sie Rossyas Stimme sagen.

"L..... ute, da..... st....... as?", hörte sie Noju sagen, aber er klang leiser, als wäre er weiter weg.

"Da....... at sich......... ine Luke........ öffn......... t, eine.......... uke mitten im........ and.", rief Engl, der wohl ebenfalls weiter weg stand.

"Was ist da bei euch los?", fragte Linda nervös.

Sie machte sich plötzlich große Sorgen, denn ihr schwebten plötzlich ein paar unschöne Szenarien vor. Die Gruppe könnte sonst wo gelandet sein.

Die bescheuerten Sciencefiction Romanen hatten am jetzigen Kopfkino Schuld.

"Hallo? Ist bei euch alles in Ordnung?", fragte Linda erneut.

"Ja. Uns....... eht es noch gut. Bei....... ns hat sich eine Luke mitten im Wüstenboden geöffnet. Der.......... di....... t hatte ein m......... tallischen Boden entdeckt. Ich weiß n..... cht was das zu bedeuten hat."

„He.............. yyy!“, hörte Linda aus der Ferne rufen. Es war Noju gewesen.

"D...... kommt w.......... s ra...... sss!", rief Engl aus der Entfernung.

„Was kommt da raus?“, fragte Linda.

"Er trä...... t ein Säbel in...... er rechten Hand.", rief Rossya nervös.

"Was ist da, verdammt?!", rief Linda erneut. Sie wurde wieder lauter

„Wieso ist es so anstrengend mit euch zu kommunizieren. Ich will doch nur wissen, ob bei euch alles in Ordnung ist.“, brummte Linda in ihren Gedanken.

"D....... aaaa...... ind.......... och....... eitere.", rief Engl. Er klang immer undeutlicher.

"Sie........... ehen........ enschlich...... ussss.", rief Engl aus der Entfernung. Ein Zischen ging Linda durch den Kopf. Das Rauschen war ebenfalls größer geworden.

"Rossya, die Kommunikation verursacht bei mir Kopfschmerzen und Übelkeit.", erklärte die Gildenmeisterin.

"Ich kann mich momentan wirklich schlecht konzentrieren.", bemerkte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

"E......... rrrrrr spri......... cht mit........ ns. Er stellt......... ich alsss Boss........... errrr an....... ebl.......... chhhhh brutalen Sandbanditen....... or", erklärte Rossya.

"Mit wem sprecht ihr da? Sprecht ihr mit diesen Kreaturen auf eurer Seite? Was sind das für Leute bzw. Wesen und was wollen die von euch?", fragte Linda. Sie konnte inzwischen kaum noch ein klaren Gedanken fassen. Am Liebsten würde sie sich hinlegen, weil sich ihre ganze Welt drehte.

„Rossya! Wir müssen die Kommunikation abbrechen. Mir wird schlecht.“, erklärte die Gildenmeisterin.

Langsam lief Linda aus dem Steinkreis heraus.

"Es tut mir Leid. Wir können gleich wieder fortsetzen.", erklärte die die Dame geschwächt.

„Linda, w.......... sss hast du.......... esagt. Ich...... abe dich nicht..... erstanden?“, Rossya klang immer undeutlicher.

„Die Verb......... ung.......... uuuu.......... ir..... ird........... mmer........... lechter.“, man nahm nur noch ein lautes Rauschen und schwache Wörter wahr.

„Ich brauche ein Pause.“, murmelte Linda. Sie legte sich auf die Wiese und die Gildenmeisterin musste ihre Augen für einen Moment lang schließen.


 

Das Rauschen nahm ab. Wahrscheinlich war die Verbindung abgebrochen.

Doch plötzlich realisierte Linda wieder die Situation.

Erschrocken sprang die schwarzhaarige Gildenmeisterin auf:

„Verdammt! Wie konnte ich mich davon überwältigen lassen? Ich muss stark sein und meiner Gilde beistehen. Sie sind in Gefahr!“

Linda eilte in den Steinkreis, aber dieses Mal passierte nichts.

Wieder ging die Dame die Gedanken durch und sie ließ es zu, dass Rossya Kontakt mit ihr aufnahm, aber es passierte nichts.

„Oh nein! Hoffentlich.............“, murmelte Linda nervös.

Die Gildenmeisterin spürte plötzlich ein kühles quadratisches Ding in den Rücken gedrückt:

"Hände hoch oder ich werde dir in den Rücken schießen. Ich werde es tun! Ich meine es wirklich ernst. Ich werde es tun, wenn du nicht das tust, was ich dir sage!", befahl eine sehr nervöse Stimme.

„Du wirst jetzt deine Wertsachen nehmen und sie zu Boden werfen, klar?“, forderte die männliche Stimme anschließend.

"Trottel, wie soll ich denn meine Wertsachen nehmen, wenn ich meine Hände hochhalten muss.“, bemerkte Linda.

„Warum ausgerechnet jetzt?!“, dachte sie voller Zorn.

Linda wollte sich rühren, da brummte es lautstark hinter ihr:

"HÄNDE HOCH! ICH MEINE DAS VERDAMMT ERNST! ICH WERDE DICH ERSCHIEßEN! WIR HABEN SOWIESO NICHTS MEHR ZU VERLIEREN!", rief die männliche Stimme hinter ihr. Nach der Stimme zur urteilen, meinte diese Person es auch wirklich ernst.

Warum musste Linda ausgerechnet jetzt in so eine Situation geraten. Sie hatte momentan eindeutig etwas Wichtigeres zu tun. Also musste sich die Gildenmeisterin zügig etwas überlegen, wie sie schnell und unbeschadet aus dieser Situation entkam.

Das Portal IV --- Nie wieder zurück!

[Ewald]
 

Vor ein paar Jahren:
 

„Haut ab! Verschwindet! Kommt erst wieder, wenn ihr Geld habt, ihr Nichtsnutze.“, mit einem Tritt wurde Ewald aus der Tür befördert. Seine zwei jüngeren Brüder eilten zugleich zu ihm.

Vladimir half ihm auf.

Die drei Jungs starrten die Frau im mittleren Alter an, welche mit einem Kochlöffel in der Türe stand und die Jungs mit angewidertem Gesichtsausdruck ansah.

„Wie lange wollte ihr noch Schmarotzer sein? Holt endlich ein wenig Geld. Ich kann euch nicht durchfüttern.“

Die blauen Flecken schmerzten.


 

Er biss sich die Zähne aufeinander und er drückte Vlad zur Seite. Mit einem genervten Blick und einem tiefen Brummen stand er auf.

„Ich hasse dich!“, brummte er und schon bekam er den Kochlöffel gegen das Gesicht geknallt.

„Rede nicht so mit mir!“, brummte sie.

„Was ist da draußen los? Komm wieder zurück Schatz. Wir sind noch nicht fertig.“, hörte man eine männliche Stimme im Hintergrund sagen.

Wenig später tauchte auch ein älterer Mann in Shorts auf. Ansonsten war sein Körper frei.

Er trug eine Schrottflinte in der Hand:

„Nerven dich die Kinder wieder?“, fragte der Mann. Seinem Gesicht war eine schreckliche Idee abzulesen.

Außerdem war sein Gesicht mit einem schwarzen Vollbart geschmückt. Er trug Ohrringe links und rechts. Seine Haare gekämmt und seine Oberkörper gestählt. Der Mann kannte die Reinlichkeit und er war auch kein Mann des schlechten Geruchs bzw. Aussehen, aber dafür war sein innerer Charakter sehr verdorben.

„Das sind immer noch meine Kinder..............“, brummte die ältere Dame.

Eigentlich war sie gar nicht so alt, aber die Frau lebte nun einmal nicht gesund, deswegen litt sie zugleich an mehrere Krankheiten. Sie konnte deswegen sogar nicht mehr arbeiten.

Der Mann neben ihr, war zurzeit ihr Freund.

Genauso wie sie, hasste er auch Kinder, denn sie störten ihn bei seiner Lieblingsbeschäftigung, weil das Haus gerade mal nur zwei Zimmer bot und allgemein nicht sonderlich gut gebaut war.

Es war am Stadtrand zum Wald gebaut worden.

Der Blick der Frau suchte wieder das Gesicht von Ewald, dieser wollte sich abwenden.

„Kommt erst wieder, wenn ihr euch endlich bezahlt gemacht habt. Ihr seid ja so eine Last.“, daraufhin knallte sie die Tür zu.

„Komm wir gehen!“, befahl Ewald und er trat vor.

Vladimir sah dabei so aus, als hätte er noch etwas sagen wollen, aber er ließ es wohl bleiben.

Die Beiden folgten ihm schweigend.

„Für immer.“, fügte Ewald hinzu.
 

Gegenwart:
 

Er kaute seinen Kaugummi, aber nicht um ihn zu genießen. Es beruhigte ihn ein wenig, außerdem ließ es den Hunger vergessen. Nach wenigen Minuten schluckte er ihn hinunter.

Erik stand neben ihm. Der Knirps grinste wieder so selbstgefällig, als würde alles gut werden, aber der Junge hatte keine Ahnung.

Die drei Jungs hatten sich gerade in ein Gewässer begeben, welches kein Zurück mehr bot.

Trotz dieser Tatsache, die dem Knirps wahrscheinlich nicht so bewusst ist, freute er sich während er seine Arme verschränkte. Er genoss sichtlich den Moment.

Vladimir stand weiter entfernt. Er wirkte ganz und gar nicht erfreut. Nervös und blass beobachtete er sein älteren Bruder. Vlad bleibt nur einmal ein Feigling.


 

Ewald kannte die Dame vom Sehen, welche er mit seiner neusten Schusswaffe bedrohte.

Die Waffe hatten sie einem Reisenden gestohlen, welcher seine Tasche auf einer Bank nahe des Waldes für einen Moment unbeaufsichtigt ließ.

Als Ewald dann die Waffe gesehen hatte, konnte der Junge nicht mehr anders. Er erkannte die fadenscheinige Möglichkeit, die sich bot.

Ein törichter Raubüberfall.

Es war die Gildenmeisterin, Linda Westallya, von dieser Ranger Guild, die er ausrauben wollte. So drückte der inzwischen junge Mann die Waffe mit dem viereckigen Lauf in den Rücken der Dame, dabei brüllte er sie lautstark an.

"Geld her.", befahl Ewald.

Die Brüder hatten angenommen, dass die Gildenmeisterin wohl eine der reichsten Personen der Insel sein müsste, immerhin hatte sie wohl doch viel Geld für das Besiegen von Mr. S bekommen? Ewald war nicht auf dem neusten Stand.

Die drei Jungs hatten der Gruppe aufgelauert.

Zuerst wollten sie wieder abziehen, aber als Ewald bemerkt hat, dass nur noch Linda dort war, erkannte er die vermeintliche Chance.


 

"Darf ich mich umdrehen?", fragte Linda still und hielt beide Hände oben.

"Ja, aber keine unnötige Bewegung, klar? Ich drücke ab, versprochen.", drohte Ewald.

„Ein paar Schritte zurücktreten.“, befahl er anschließend

Die Dame drehte sich langsam um und sie lief ein paar Schritte zurück, sodass ein paar Meter zwischen den Beiden zustande kam.

„Du rückst jetzt alles raus. Du legst alles Gut auf den Boden.“, Ewald deutete auf die Stelle neben Linda.

„Ich beobachte dich, klar?!“, drohte er im Anschluss.

"Geht das nicht ein bisschen zu weit? Wir sind sowieso schon in der ganzen Stadt verhasst. Wir haben nichts. Wir haben nicht einmal was zum Essen.", meinte Vladimir. Sein Gesicht zeigte seine große Sorge.

"Was ist los mit dir? In letzter Zeit bist du so kritisch von mir? Erinnerst du dich nicht mehr an die Schläge von Mutter? Willst du sie wieder spüren oder willst du nicht endlich frei sein? Was haben wir damals geschworen. Wir werden von dieser verfluchten Insel runterkommen. Wir werden dieser Hexe entkommen! Nie wieder zurück!", Ewald bemerkte, wie er beinahe abgedrückt hätte, weil er für einen Moment seine Mutter vor sich stehen gesehen hatte.

"Darum geht es? Freiheit?", wiederholte Linda.

"Ruhe! ICH WILL NICHTS VON DIR HÖREN, KLAR?!", Ewald wurde laut, denn in ihn wurde für einen Moment der Zorn entfacht.

Ihr Blick verstärkte seinen Ärger bzw. seinen Groll.

"Ihr seid alle Schuld! Ihr seht immer weg, wenn es uns schlecht geht. Früher sowie heute und dann werden wir noch in Arrest gesteckt, weißt du wie mich das ankotzt?! Wie sind damals die Opfer gewesen und eure Gilde verbaut uns ständig den Weg. Wegen euch ist Mr. S weg und deswegen können wir auch keine Arbeit mehr finden. Nicht einmal in die Nähe des Hafens können wir.“

„Liegt das nicht eher an unserem Vater?“, meinte Vlad.

„NENNE NIE WIEDER DIESEN UNHOLD UNSEREN VATER!“, brummte Ewald.

Daraufhin wedelte er mit seiner Waffe vor Linda herum.

„LOS! RAUB SIE ENDLICH AUS ERIK!", befahl der Junge mit der Waffe.

Erik wollte daraufhin in die Jackentaschen von Linda fassen:

"Mach das und du verlierst deine Hände.", drohte Linda.

"Du verstehst die Lage nicht, oder? Du denkst, dass ich der arme Junge, niemals auf einen Menschen schießen würde? Ich prahle nur? Nicht? Das denkst du doch alles!", Ewald klang sehr verbittert.

„Nun.........“, sein Finger juckte. Der Zorn war unkontrollierbar. Er musste ihn rauslassen.

„Es ist alles deine Schuld!“, er sah wieder seine Mutter vor sich, wie sie den Holzlöffel schwang.

Sein Finger klammerte sich immer stärker um den Abzug, bis der Kontakt überschritten war.


 

Ein kräftiger Stoß trat den Jungen gegen einen Felsen, dadurch verstauchte er sich die rechte Hand. Der Schuss fiel währenddessen und er schreckte sämtliche Vögel in der Umgebung auf.

Die Kugel wurde aber in den Boden geschossen.

Ewald hatte die Waffe beim Aufprall fallengelassen.

Erik rief plötzlich laut auf, als er gepackt wurde. Aber nicht Linda hatte sich gerührt, sondern eine fremde kräftige Hand stieß Erik anschließend weg. Dann packte diese fremde andere Hand die Waffe von Ewald und steckte sie ein.

Der Kommissar, Heon Stahl, stand vor Linda und er hatte sich die Waffe angeeignet. Sein ernster und kalter Blick war auf Ewald fixiert. Der Betroffene stand nur mit Mühe und unter Schmerzen auf, als Vladimir ihm geholfen hatte. Der Junge stieß seinen jüngeren Bruder aber anschließend zur Seite.

"Stahl!", rief Linda erstaunt.

"Verdammt! Wo kommt der her?", fluchte Ewald innerlich.

„Es ist vorbei.“

Er wusste genau, dass er keine Chance gegen diesen Mann hatte.

Bevor Ewald überhaupt weiter reagieren konnte, bekam er ein Faustschlag ins Gesicht und ging anschließend in die Knie. Seine Nase blutete stark.

"Ahhh!", rief er lautstark unter Schmerzen.

Vladimir wich zurück und ging freiwillig in die Knie. Ewald presste beide Handflächen auf den Boden, um sich beim Aufstehen aufzustützen, aber seine rechte Hand tat zu sehr weh.

Ihm taten allgemein seine Hände und sein Kopf weh und ihm war nicht ganz klar, was gerade eigentlich passiert war?

Er sah zwei schlanke, aber dennoch muskulöse Beine vor sich stehen und er schaute hoch, dann sah er Linda direkt vor ihm stehen.

Ewald erschrak innerlich, aber äußerlich ließ er sein schmerzenden Gesicht stehen.

„Wie konnte sich die Situation nur so schnell gegen uns wenden?“

"Dieser verdammte Kommissar!", Ewald brummte wütend.

„Wieso nur?“, murmelte er anschließend.

War das etwa alles eine Falle gewesen? War diese schwarzhaarige Frau daran Schuld, hatte sie die drei in eine Falle gelockt? Machte sie gemeinsame Sache mit Ihm? War alles nur eine Finte gewesen, um die drei Jugendlichen herauszulocken?

Der Blick der Dame fiel nun auf den Kommissar.

"Herr Kommissar, welch eine Ehre, aber wieso sind sie hier, aber nicht doch wegen uns?", fragte Linda vorsichtig und klang selber ein wenig nervös:

"Eigentlich schon, ich bin euch gefolgt. Weil mich die Neugierde geweckt hat, als ich Miss Roxy sah. Ich bin nicht blöd, ich weiß genau, dass sie Miss Westallya und ihre Freundin Experimente im Wald machen. An sich auch kein Problem, aber das ist Privatgebiet des Bürgermeisters. Ihr begeht gerade Straftaten.", die Gildenmeisterin wurde blasser. Sie biss sich die Zähne zusammen und anscheinend verkniff sich die Frau wohl irgendetwas.

„Es tut uns Leid.“, brummte Linda.

„Eigentlich.......“, unterbrach Heon.

„Eigentlich habe ich nie gegen euch etwas gehabt. Weder gegen eurem Vater oder gegen euch. Ich bin hier, bevor der ehrenwerte Karstoll es tut. Ihr bekommt 20 Minuten, dann seid ihr weg.“, erklärte er anschließend.

„Ich kann nicht hier weg. Es ist wichtig.“, erklärte die schwarzhaarige Dame. Sie sah dabei dem Kommissar fest in die Augen.

„Miss, sie können mich so nicht überzeugen. Ich bin immerhin Kommissar dieser verfluchten Stadt.“, er pausierte kurz:

„Ich danke aber euch, dass ihr euch um Mr. S gekümmert habt, deswegen möchte ich nicht so sein und ich sage deswegen, dass ich euch eine Stunde gebe, aber dann seid ihr hier weg, klar?“, Linda nickte langsam. Sie schien trotzdem nicht ganz einverstanden damit zu sein.

"Mein jetziges Problem ist sowieso etwas anderes.", erklärte Heon und sein Blick fixierte sich nun auf Ewald. Dem Jungen schauderte es.

Linda ging ein Schritt zur Seite.


 

"Diese Serie muss endlich beendet werden. Nun werden die drei Jungs für immer in der Arrestzelle verrotten.", erklärte der Mann. Er zeigte sich stolz.

„Stahl, ich muss mit ihnen später noch reden, deswegen nimm sie nicht zu hart ran. Gebt ihnen einen Chance, zumindest eine Arbeit unter Arrest.“, erklärte Linda.

Heon wandte sich von Linda ab und er erklärte:

„Ich kenne die Geschichte der Junge. Immerhin habe ich in den letzten Jahren mehr Zeit mit ihnen verbracht, als ihre eigene Mutter.“, der Kommissar zog ein Seil aus seiner Tasche und packte Erik und Ewald.

Seine Kraft war so enorm, sodass er gegen die beiden Jungs locker ankam. Er fesselte beide zusammen, sodass sie nur noch zusammen laufen konnten.

Vladimir hatte sich inzwischen auf den Knien verbeugt:

"Es tut mir Leid, ehrenwerte Westallya. Ich danke ihnen, dass wir nun endlich nicht noch in ein tieferen Sumpf fallen können. Bitte sperrt uns weg, bevor es uns noch schlechter ergeht. Ewald hat es bestimmt nicht so gemeint, er ist zurzeit nur ein wenig verwirrt. Ich entschuldige mich sehr für sein Verhalten.", entschuldige sich der große Junge sehr unterwürfig. Im Anschluss sah er vorsichtig auf.

"Mitkommen.", Vladimir stand schnell auf. Der Kommissar packte ihn ebenfalls grob an.

"Verräter.", brummte Erik und versuchte zu laufen, dabei brachte er Ewald ins Schwanken. Die beiden mussten synchron laufen, ansonsten würden sie hinfallen.

"Du Depp, du musst mit mir synchron laufen, ansonsten fallen wir.", beschwerte sich Ewald. Er war extrem genervt.

"Du hebst sie auf, wenn sie fallen, klar?", befahl Stahl Vladimir und ließ seine Gefangene nicht los, dann zerrte er die zwei Jungs weg. Vlad folgte den drei.

„Warten sie bitte, Herr Kommissar. Ich habe noch eine Frage an die drei Jungs.“, verkündete die schwarzhaarige Frau und Ewald sah zu ihr.

"Ja gut.", meinte Heon sichtlich ungeduldig.

"Was wisst ihr über die Sache mit dem Steinkreis und wisst ihr etwas über irgendwelche Koordinaten? Habt ihr hier irgendetwas Interessantes bemerkt?", die Frage war nur an die drei Jungs gerichtet, denn der Kommissar sah weg und tat so, als hätte er das nicht gehört.

"Keine Ahnung von was du da redest?", meinte Ewald und zuckte nur mit den Schultern.

"Selbst wenn ich was wüsste, der Schachtel erzähle ich doch nichts.", er fand seine Haltung in den Fesseln besonders unbequem und sein jüngerer Bruder zappelte zu viel, sodass sich Ewald nicht gut auf den Beinen halten konnte.

Herr Stahl zog die beiden wieder mit. Der Zug war so heftig gewesen, dass Ewalds rechte Hand schmerzte.

"Warte warte, nicht so schnell. Ich sehe es ja ein.", brüllte Ewald, der Kommissar stoppte und Linda sah neugierig auf:

"Ich weiß zwar nichts darüber, aber hier schleicht noch einer herum. Jedenfalls ist er gut im Verstecken, aber gegen mein Spürsinn kommt er nicht an. Vielleicht weiß der was? Er ist ziemlich mysteriös, denn er zeigt sich wirklich nicht, egal ob man ihn ruft bzw. bittet. Meistens wissen genau solche Typen etwas. Er will aber nicht entdeckt werden und ob der Typ noch hier ist, das weiß ich auch nicht."

"Genug geredet! Ich habe nicht ewig Zeit.", brummte Heon, daraufhin zerrte Stahl die Jungs weg.

„Bitte, Herr Kommissar. Zeigen sie wenigstens ein bisschen Gnade. Immerhin hat er gerade schon genug Schmerzen einstecken müssen.“, erklärte Linda. Stahl nickte zögerlich, daraufhin waren seine Züge nicht mehr so kräftig.


 

Ewald hatte die Wahrheit erzählt, denn der Junge hatte tatsächlich vor kurzem eine Person in der Nähe gesehen, die sich auffällig versteckt hielt.

Wenn man in seine Nähe kam, dann huschte er weiter. Es war vermutlich also nicht wirklich sein Talent.

"Wisst ihr was ihr machen dürft, wenn ihr zurück seid?", fragte Stahl und er schmunzelte leicht.

Ewald schauderte es und er wollte eigentlich gar nicht nachfragen. Das Schmunzeln war schon gruselig genug.

"Zellen schrubben, wie das letzte Mal?", fragte der Junge daraufhin unzufrieden, aber er würde sich damit abgeben, denn dann hätte er so wenigstens seine Ruhe vor den Polizisten.

"Nein besser.", der Kommissar machte eine kurze Pause.

"Die Toiletten und zwar alle! Ich vermute, die sind schon seit über einem Monat nicht mehr geschrubbt worden.", der Kommissar verkniff sich sein Lachen.

Ewald konnte das Unheil schon deutlich vor sich sehen.

Er hatte sich das nun anders überlegt, lieber schrubbte er für den Rest seiner Arrestzeit die Zellen, als die Toiletten.

Denn wenn man wusste wer da aufs Klo ging, würde man nie wieder diese Toilette ansehen wollen bzw. seine Hände.

Aber es gab kein Entkommen, denn der Kommissar hatte die drei so gut im Griff, dass eine Flucht aussichtslos war.

So war ihre freie Zeit nun um und sie würden für eine Weile in den Zellen sitzen, wenn sie Pech hatten, dann mindestens für ein paar Jahre oder sogar für immer.

Es war aber immer noch besser, als zu diesem Ort zurückzugehen, denn sie Zuhause nannten. Hoffentlich müsste er nie wieder dorthin zurück.

Das Portal V --- Legendär und verflucht

[Engl]
 

„Was ist passiert? Ist der Kontakt weg?“, fragte Noju. Er schien nervös, aber der Kampfsportler war auch nur so, weil er nicht wusste, was ihn hier erwartete. Engl dachte auch so, aber er sah es wesentlich gelassener, als sein Kollege.

Der Kickboxer war schon wieder bestimmt extrem misstrauisch.

Er kannte seinen Kumpel aber auch nicht anders. Früher war er auch immer so gewesen.

Egal wo sie auch gewesen waren, so hieß es immer, dass man zuerst sich ein Bild machen sollte, bevor man zu agieren begann.

Engl war da ein wenig pragmatischer, er ging meistens sofort in die Offensive. Ob mit Gewalt oder mit schönen Worten. Manchmal hatte auch nur ein einfacher Trinkspruch gereicht.

Ironischerweise war Noju der Mann, der am Ende am meisten Verletzungen trug.


 

„Die Verbindung ist abgebrochen, wahrscheinlich ist sie aus dem Kreis ausgetreten. Ich muss mich nochmal konzentrieren.“, erklärte Rossya.

"Aber es klappt nicht.", brummte sie anschließend. Die Weißhaarige verzog das Gesicht und ihr Blick wurde finsterer.

Die Frau atmete genervt aus.

Der Grund war wahrscheinlich der Zwerg gegenüber von Noju, dieser störte wohl irgendwie ihre Konzentration.

"Hey ignoriert mich nicht!", brummte der kleine Mann, der eventuell nur um die 150cm groß war.

Der Mann trug ein blauen Ganzkörperanzug.

Er war zuvor aus einer Luke aus dem Boden geklettert. Anscheinend befand sich sein Lager unter den Anwesenden.

Er schien die Gemeinsprache zu sprechen, dies verwunderte den Boxer ein wenig.

"Der Boss der Wüstenbanditen also?“, wiederholte der Raucher. Er war unbeeindruckt von seinem vermeintlichen Gegner.

Der Mann im blauen Anzug hatte nicht einmal eine Waffe bei sich. Vielleicht war er auch ein Magier?

Auch wenn schon. Engl hatte in letzter Zeit schon gegen schlimmere Gegner gekämpft.

"Was willst du, kleiner Mann? Selbst wenn du der König von Mickrig wärst." erklärte Engl gelangweilt. Es gab an sich keine Probleme hier, aber er hatte nur ein Problem mit kleinen Wichtigtuern.

"HEY!", wurde der Mann laute. Er klatschte in die Hände:

„FFAW ENIEM IM EH!“, plötzlich erschien etwas in seinen Händen.

Der kleine Mann fuchtelte anschließend wild mit seinem Säbel vor sich herum.

"Jetzt auch noch mit kleinem Spielzeug?", meinte Engl immer noch unbeeindruckt.

Es sah einfach nur lächerlich aus.

Sie standen alle in einer Wüste. Es war nachts und nun war ein Mann im blauen Ganzkörperanzug aus einer Luke getreten. Er fuchtelte mit einem Säbel herum und der Mann behauptete, er wäre der Boss irgendwelcher Sandbanditen.

Es klang wie ein schlechter Witz oder wie ein mieser Traum.

„Wie ist denn der große Name des berüchtigten Sandbandit.“, fragte Engl mit sarkastischen Zügen.

Stolz präsentierte sich der Mann. Ein Grinsen zog sich über sein Gesicht.

„War ja klar, dass der so extrem eingebildet ist.“

„Das wüsstest du wohl gern, aber ich verrate es dir nicht.“, erklärte der Mann mit dem Säbel. Er lachte Engl anschließend aus.

Wütend brummte der Kickboxer:

„Nun....., der will wohl auch körperlich blau werden.“, er ballte seine rechte Hand zu einer Faust.

Engl schaffte es sich mit seiner nächsten Zigarette zu beruhigen.


 

„Ich habe aber eine gute Idee, die diesen Idiot sicherlich nerven wird.“

„Weißt du was, dann nenne ich dich einfach wie ich will.“, erklärte Engl.

„Du heißt jetzt für mich einfach Blau, fertig.“

Der Säbelschwinger wirkte ganz und gar nicht erfreut.

„Ich schlitze dich auf! Der Tod eurer Truppe wird uns stärken. Immerhin habe ich sogar ein Deal für genau das abgeschlossen.“, erklärte er.

„UAR LLA MMOK!“, brüllte er lautstark.

„Einen Deal? Was für ein Deal?“

„Vorsichtig. Ich vermutete jetzt wird es ungemütlich werden.“, meinte Noju.

In diesem Moment kam ein weiterer Mann aus der Luke geklettert. Er trug ein gelben Ganzkörperanzug.

Jemand warf von innerhalb des Bunkers ein paar Waffen heraus, ein rotes Messer und ein paar schwarze Kugeln, dann kletterte ein weitere Person aus. Ein Mann in einem roten Ganzkörperanzug.

Sie sahen von der Statur her alle gleich aus, nur waren sie nicht alle gleich groß. Der Mann im blauen Anzug war am Größten.

"Tötet sie! Wie bekommen für jede Leiche neue Waffen.", befahl der Anführer.

„Das erinnert mich eher an eine andere Truppe.“, meinte Max.

„Andere Dimension, vielleicht andere Grundsätze?“, fragte Daniel.

„Die sind trotzdem bescheuert.“, erklärte Julius unbeeindruckt.

„Ja..., definitiv sind sie das. Solche Anzüge, die sind.........“, Max ließ es unausgesprochen, aber Engl konnte ihm da nur zustimmen.

Die drei Jugendlichen hielten sich im Hintergrund.

„Los meine Schergen! Zeigt unseren Feind unsere Stärke!“, erklärte der Mann im blauen Anzug.

"Was für ein Ego. Einfach nur klischeehaft.", meinte Max genervt.

„Er scheint mir sehr überzeugt zu sein. Wir sollten es lieber den anderen überlassen.“, erklärte Daniel.

„Und keinen Spaß haben? Wenn sie auf mich zukommen, werde ich nicht zurückweichen.“, verkündete Julius.

„Wir können uns verteidigen.“, erklärte er anschließend.

„Ihr........, ich nicht.“, meinte Daniel unzufrieden.


 

Der Mann im roten Anzug eilte direkt zu Engl. Der Mann wollte in seine Jackentasche greifen, da bekam er ein mächtigen Tritt ins Gesicht, sodass der 140cm große Mann einige Meter durch die Wüste flog.

"Keine Gnade!", rief der Anführer mit lauter Stimme.

Der kleine Mann im roten Ganzkörperanzug hatte wohl vermutlich mit keiner Gegenwehr gerechnet. Eine sehr idiotische Denkweise.

"Sei nicht leichtsinnig.", rief ein Mann mit schwarzen Kugeln in der Hand dem Mann im roten Anzug zu.

Der Zwerg musste sehr resistent sein, denn er stand einfach wieder auf und er zog daraufhin ein rotes Messer in die Höhe.

Der Träger hielt es anschließend drohend Engl entgegen.

"Ich kenne das doch, ich habe das doch schon irgendwo gesehen?", überlegte der Boxer

„Hey Noju! Du kennst dich doch ein klein wenig mit dem Zeug aus, ist das eines von diesen gesuchten und verfluchten Artefakten?“

Noju kam anschließend näher heran.

"HEY! ZURÜCKBLEIBEN! Ansonsten werde ich euch grillen!", drohte der kleine Messerträger, aber seine Stimme klang eher beängstigt.

Seine Nase war blau angeschwollen und sie blutete.

"Unterschätzt sie nicht verdammt und schlagt zurück!", drohte der Mann im blauen Anzug.

Noju stand nun nur noch einen Meter vom roten Mann entfernt.

"Ja, das ist eines der Dinger. Ich habe es in den Aufzeichnungen gesehen. Keine Ahnung wie der das bekommen hat.", erklärte der Kickboxer.

Der Messerträger wollte zum Schlag mit seinem glühenden Messer ausholen, da meinte Engl:

"Du weißt was du da hast oder?", der Angreifer reagierte tatsächlich darauf und er blieb erstaunt stehen. Der kleine Mann schaute sich anschließend seine Klinge an:

"Das ist was Besonderes. Wir bekommen sie, wenn wir weiterhin uns an den Deal halten. Es war sozusagen die Vorauszahlung. Besseres Zeug bekommen wir später.", meinte er anschließend.

„Ach verdammt.“, fluchte der Zwerg anschließend. Anscheinend hatte er bemerkt, dass man ihn nur abgelenkt hatte.

Der Mann im roten Anzug wollte wieder ausholen.

"Das ist eines der legendären Kunstwerke des verfluchten Schmieds, der seine Seele an den Teufel verkaufte hatte, um 26 Kunstwerke für seine Familie zu schmieden, bevor er in die Hölle verbannt wurde. Soweit ich mich noch erinnern kann, stand in den Aufzeichnungen etwas von einem roten Messer. Nummer 19, das Brandmesser. Der Schmied schenkte es seiner Frau, weil diese wegen dem Zeitdruck mit dem Kochen nicht mehr hinterher kam, deswegen schmiedete er ihr das Messer, welches Feuer wie Magie, aber es ist keine, erzeugen kann und somit Fleisch schneiden und zeitgleich braten kann."

"Da kennt sich aber jemand gut aus.", meinte Rossya erstaunt.

"Das ist tatsächlich lobenswert. Ich dachte, dass Männer sich für so etwas nicht interessierten.", fügte sie hinzu.

„Ja......, wir können auch mehr.“, erklärte Engl.

„Dich habe ich nicht gemeint.“, erwiderte die Weißhaarige sofort.

„Sie ist die einzige Frau von der ich tatsächlich nichts will.“

"Um so besser, also gebt alles her was ihr habt, dann ereilt euch ein angenehmer Tod.", drohte der Mann im blauen Anzug. Er schien sehr überzeugt von sich zu sein, aber Noju verpasste dem Messerträger ein gezielten Tritt gegen den Kiefer, sodass dieser nach hinten kippte.

Dabei schnappte sich Noju das Messer und warf es den drei Jungs zu. Daniel stand am idealsten und fing die wertvolle und verfluchte Waffe.

"Pass darauf auf, ich kann mit dem Ding nicht kämpfen.", erklärte Noju.


 

„Habt ihr sie schon besiegt?“, rief eine Stimme aus der Luke und eine weitere Person kletterte heraus.

Es war ein Mann in einem grünen Anzug.

„War ja irgendwie klar, dass die nicht die Einzigen sind.“, stellte Engl gedanklich fest. Beinahe hätte er geseufzt.

"O.k............. ", stotterte der Grüne, als er seinen besiegten Kollegen sah.

"EW LLA IS GNERPS!", befahl der Anführer lautstark!

Der Mann im gelben Anzug warf die schwarze Kugel in Richtung der Kampfsportler.

Noju sprang zum Ding vor und trat die Kugel weit weg, daraufhin explodierte es in einer großen Explosion.

Die Wucht der Explosion war so gewaltig, sodass es für ordentlich Rauch und Wind sorgte.

Es könnte locker ein paar Körperteile weg sprengen.

"O.k gut, die Dinger explodieren nicht bei Kontakt.", meinte Noju erleichtert.

"Ich denke, das hättest du gemerkt Noju, wenn es nicht so wäre.", vermutete Engl mit sarkastischer Stimmlage.

Der Angreifer zog eine weitere Kugel hervor, aber dieses Mal klopfte er drei Mal auf die Außenhaut, erst dann warf er sie vor.

Noju hatte sich zu sehr auf die Kugel fixiert, sodass Engl einfach vorgestürmt war.

Er packte die Kugel im Flug und der Raucher warf das Ding meilenweit ins Abseits, anschließend schmetterte er seine rechte Faust in das Gesicht des Werfers.

Dieser flog nach hinten und er rührte sich nicht mehr.

Die Kugel explodierte im Hintergrund und sie wirbelte für einen Moment viel Sand auf.

"Also der Nächste bitte?", fragte Engl. Er zündete sich eine neue Zigarette an, daraufhin ließ er sein Nacken zweimal knacksen.

"Mit einem hattet ihr Recht. Es ist wirklich geeignet hier, ich kann mich hier richtig gut austoben. Linda hatte auch Recht. Dieser Ort, hier, ist wirklich ein gutes Training.", der Kickboxer grinste. Er nahm ein kräftigen Zug.

"Ihr irrt euch, wenn ihr glaubt, dass ich so klein beigebe. Wir sind noch nicht besiegt!", brüllte der Anführer.

„Dein Kumpel ist schon weg.“, meinte Engl und der Mann im blauen Anzug sah sich verwirrt um.

Sein Kollege im grünen Anzug war schon verschwunden und die Luke war zugezogen.

Der Anführer starrte entsetzt zur Luke, dann blickte er in sechs finstere Gesichter.

"Große Klappe nichts dahinter.", meinte Julius.

"In der Regel ist das so.", bestätigte Max.

„Nun....., der kann wirklich nichts.“, fügte Daniel hinzu. Er betrachtete voller stolz seine neuste Errungenschaft. Der Junge schien sich sehr für das rote Messer zu interessieren.

„Ich dachte, dass es hier gefährlicher zugeht.“, meinte der schwarzhaarige Junge.

„Wieso? Willst du jetzt auch Feinde heraufbeschwören?“, fragte Daniel.

„Wir sind in einer Wüste in einer anderen Welt. Vielleicht leben hier riesige Wüstenwürmer, die uns mit einem Bissen sofort auffressen können.“, erklärte Max.

„Die Möglichkeit besteht.“, fügte Julius kühl hinzu.

„Ach was........“, meinte Daniel, jedoch sah er sich nervös um. Er schaute zu seinen Füßen und dann wieder um sich.

„Eine fremde Wüste. Es könnten auch ein Haufen von kleinen Wesen auftauchen, die in schwarzen Mänteln nachts Leute verschwinden lassen.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu, dabei schmunzelte nicht.

„Jetzt übertreib nicht oder willst du nur unnötig Angst machen?“, fragte Julius. Sein Schmunzeln war verschwunden.

„Nein, natürlich nicht, aber ihr versteht auch kein Spaß. Ich versuche nur ein wenig die Spannung zu lockern.“, verteidigte sich Max.

„Lass es besser.“, meinte der große Junge mit dem hellbraunen Haar. Er hatte eine sehr ernste Miene aufgesetzt.

Beleidigt meinte der schwarzhaarige Junge:

„Ach.........., vergesst es.“, daraufhin blickte er zur Seite. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten.

"Die haben ja Sorgen.", dachte Engl, als er den drei Jungs halb zugehört hatte.

Er fand es beeindruckend, wie sie so normal waren, als wäre ihnen die Situation schlichtweg egal. Waren das wirklich noch Kinder?

Geistig ein wenig höher, als ihre Gleichaltrigen im Hauptquartier.


 

„ßiehcs tmmadrev!“, fluchte der Mann im blauen Ganzkörperanzug.

Wie das Rumpelstilzchen hüpfte er im Kreis und dabei fuchtelte er mit seinem Säbel wild umher, aber plötzlich blieb er stehen und seine Miene verzog sich zu einem gleichgültigen Ausdruck. Müde sah er seine Gegner an.

"Nun gut. Immerhin hatte man mich auf diese Situation gewarnt.", meinte der Mann.

Er schien sich schnell beruhigt zu haben. Zu schnell.

„Ziemlich selbstsicher, auch wenn deine Truppe gerade nicht besonders erfolgreich war.“, meinte Engl. Seine Stimme klang ein wenig abfällig.

Der Mann im blauen Anzug zog unter seiner Kleidung ein Flasche mit einer schwarzen Flüssigkeit hervor. Er ließ den Stöpsel mit einem leichten Druck durch seinen rechten Daumen entfernen. Mit einem sanften Knall, was sich eher wie bei einer Sektflasche anhörte, fiel der Stöpsel zu Boden.

„Das stimmt.“, stimmte plötzlich der Anführer Engl zu:

„Wir sind nicht besonders erfolgreich, aber..............“, er setzte die Flasche an.

In einem Zug trank er die Flasche leer und anschließend warf er sie weg.

Der Mann wischte sich den Mund ab und meinte im leichten Schwanken:

„..............wir sind etwas Besonderes. Könnt ihr auch innerhalb von drei Monaten eine fremde Sprache lernen?“

Engl sah ihn skeptisch an:

„Was meinte er damit?“

„Es klingt langsam so, als wäre schon einmal jemand hier gewesen.“, meinte Rossya plötzlich. Sie war näher gekommen.

„Oh ja............, da habt ihr richtig aufgepasst.“, erklärte der Mann im blauen Anzug. Er schwankte plötzlich leicht und seine Körperhaltung deutete leicht auf Betrunkenheit hin.

"War vielleicht Alkohol darin?", vermutete die Weißhaarige.

Der betrunkene Anführer zeigte auf Rossya:

„Vor über drei Monaten kam ein kleiner Trupp............., so wie ihr............. und er bot uns etwas an. Er gab uns Waffen und Schmuck, dafür wollte er nur das wertvolle Material haben, welches unter unserer Wüste liegt. Ich fand................., es war ein fairer Tausch.“, er schwankte schon ziemlich stark.

„Auch eine Methode seine Niederlage einzugestehen.“, meinte Engl.

„Mh............., ziemlich leichtfertig.“, kam es von Noju. Sein Blick war skeptischer.

"Ihr Deppen.", beleidigte der Anführer. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, sodass er in die Knie ging.

"Kann er wirklich so schlecht mit Niederlagen umgehen?"

„Wir sollten ihn besiegen, solange er noch in diesem Zustand ist, bevor er noch weitere Überraschungen auspackt, die uns weniger gefallen.“, meinte Noju.

„Ein Betrunkenen zusammenschlagen?“, fragte Engl. Sein Blick zeigte deutlich seine Verwunderung. Immerhin lebte er ein gewissen Kodex. Keine Kinder, keine Frauen, keine Betrunkenen und vor allem keine Unschuldigen, aber er hielt sich ein Spalt für Ausnahmen offen.

Der Gegner war aber nur ein Idiot.

„Ich sollte die Liste um 'keine Idioten' erweitern.“, überlegte Engl.

„Was ist jetzt?“, hakte Noju ungeduldig nach.

Engl trat plötzlich zum Betrunkenen heran, der wirklich sichtlich Schwierigkeiten sich zu konzentrieren.

„Wer kam hierher und wer machte euch ein Deal?“, hakte der Boxer mit harscher Stimme nach.

Rossya trat ebenfalls heran.

„Ach........... wie war sein Name?“, murmelte der Anführer.

„Ah ich weiß!“, fügte er hinzu.

„Karstoll............... Lehm..........., was für ein bescheuerter Name, nicht?“, der Betrunkene grinste.

„Was!“, meinte Rossya erstaunt.

„Verflucht............, er war uns tatsächlich ein Schritt voraus. Er hat seine Finger hier auch im Spiel.“, fügte sie hinzu.

„Schön.........“, begann der Mann im blauen Ganzkörperanzug.

„Dass ihr alle so nah zu mir gekommen seid.“, die schwankenden Bewegungen stoppten plötzlich und der Mann leuchteten in einem schwarzen Licht auf. Eine finstere Aura bildete sich und die Umgebung fühlte sich schlagartig kühler und gefährlicher an.

Schwarzer Rauch verteilte sich in der Umgebung und eine schwarze Hand ergriff Engl.

Diese warf den Kickboxer einige Meter in die Wüste fort.

Rossya schaffte noch außerhalb des Radius zu gelangen.

Durch den weichen Boden kam Engl nach dem Flug nicht zu schwer auf, sodass er sofort wieder aufspringen konnte, da er nicht allzu verletzt war. Der Boxer eilte zügig zur Gruppe zurück.

Statt des Betrunkenen stand dort eine Person eingehüllt im schwarzen Rauch mit glühenden roten Augen.

Der Anführer lachte und meinte:

„Sehe ich jetzt immer noch so aus, als wäre ich erfolglos?“, daraufhin streckte er seine Arme zur Seite und zwei große schwarze Hände aus Rauch formten sich über seinen Rücken. Mindestens um die drei Meter konnten diese schwarzen kräftigen Hände alles Ergreifen oder Zerschmettern, was sich in die Nähe des Anführers wagte.

Engl sah ein, dass er ein Fehler gemacht hatte.

Jetzt wusste er wieder, warum er Idioten nie auf seine Liste gesetzt hatte.

Das Portal VI --- Ein alter Bekannter

[Linda]
 

Der haschende Schatten im Wald war nicht zu übersehen gewesen, aber Linda hatte gewartet bis sie alleine war.

Heon war mit den Gefangenen verschwunden und nun drehte sich die schwarzhaarige Dame um.

Genervt und drohend rief sie in die Wälder um sicher herum:

"Komm raus! Ich weiß, dass du da bist. Du bist nicht gut darin. Was willst du also hier? Wer auch immer du bist."

Der Himmel wirkte heller und die Wolken verzogen sich langsam. Es musste wohl schon langsam morgen werden. Viel Zeit blieb der Dame nicht mehr. Heon hatte ein Limit gesetzt, auch wenn er dabei immer ein wenig gnädig mit ihr war.

Die Kommunikation mit Rossya war auch gestört worden. Jedenfalls erreichte sie ihre Freundin nicht mehr.

„Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen. Komm raus oder verschwinde!“, drohte die Gildenmeisterin. Noch einen Störfaktor konnte sie nicht ertragen.

Die Zeit war zu knapp.


 

Es raschelte und jemand sprang von einem Baum. Jemand trat aus dem Dickicht hervor und langsam trat er an den Felsbrocken vorbei. Die fremde Person näherte sich der Mitte. Langsam erkannte man die Gestalt und Linda staunte nicht schlecht.

"Ich bin nicht hier zum streiten, auch trage ich keine bösen Absichten in mir.", erklärte ihr eine bekannte Stimme.

Ein junger Mann mit purpurfarbenen Pupillen und dünner Statur traute sich zu ihr.

Gelassen und mit gleichgültiger Miene deutete diese Person auf keine Gefahr hin.

Die bleiche Haut war makellos und schön, aber die Kleidung war dafür leicht beschädigt und schmutzig.

Ein schwarzes Shirt eingehüllt in einer schwarzen Jacken. Dazu eine schwarze Jeans, sowie schwarzen Sportschuhen. Alles wirkte schon ein wenig abgetragen.

Das Auffälligste war die Haarfarbe, die jedes Mal herausstach, wenn Linda ihn sah.

Blasse purpurfarbene Haare mit einem minimalen Weißton, daran erkannte sie ihn überall und zu jeder Zeit.

Es war Illan Serfay. Der Handlanger von Mr. S bzw. ehemaliger Handlanger.

"Also hat Karstoll dich doch nicht erwischt, ein Glück. Bei deinen Artgenossen sieht es leider düster aus.", erklärte Linda. Sie sah ihrem Gegenüber skeptisch ins Gesicht. Was machte er hier eigentlich?

"Was will er hier? Er ist nicht böse, das weiß ich. Ich sollte dennoch vorsichtig bleiben. Es ist seltsam, dass er sich vor mir versteckt hat."

Illan machte eine leichte Verbeugung, daraufhin begann er vermutlich mit seiner Begründung:

"Nun ja, ich bin ehrlich zu dir. Ich suche nach einer Möglichkeit zum Überleben. Seitdem ich damals unfreiwillig zu dem wurde, was ich jetzt bin, war ich gezwungen im Geheimen zu leben. Karstoll jagt Vampire und ich wäre nicht mehr hier, hätte man mich früher gefunden.“

„Das weiß ich.“, unterbrach die Gildenmeisterin.

Sie hatte die tragische Geschichte von einem älteren Freund ihres Vaters gehört.

Illan soll damals bei einem Zwischenfall gebissen worden sein. Mr. S soll ihm anschließend ein Angebot gemacht haben, welches er nicht ablehnen konnte.

„Man hasst mich und meine Art. Für meine Artgenossen kann ich nicht sprechen, da diese skrupellos waren, aber ich möchte dich um etwas bitten. Bitte höre mich an, Linda.", erklärte er. Seine müden Augen schauten sie gleichgültig an.

"Es ist kein Geheimnis, dass der damalige Stadtrat und heutige Bürgermeister Karstoll Lehm ein Problem mit Vampiren hat. Immerhin wurde ein enges Familienmitglied von einem deiner Artgenossen umgebracht. Zwar weiß ich, dass der angebliche Mörder nie daran hätte Schuld sein können, aber Karstoll sah es schon immer anders. Ihr hattet Glück, dass man euch nicht früher entdeckt hat. Vermutlich hatte Karstoll dafür auch einfach keine passenden Mittel bisher gehabt.", sie seufzte.

Illan war wirklich kein böser Kerl.

„Ich möchte dich nicht ablehnen. Immerhin hast du dafür gesorgt, dass meinen Schützlingen nichts zugestoßen ist. Ich habe damals also doch das richtige Gespür bei dir gehabt, auch wenn wir uns schon eine lange Zeit nicht mehr gesehen hatten.“, erklärte die schwarzhaarige Gildenmeisterin. Sie sah ihrem Gegenüber immer noch entschlossen in die Augen.

„Der Biss war im Nachhinein vielleicht sogar mein Fehler, aber ich habe damals auch ihn mit reingezogen. Für mich ist das immer noch unverzeihlich, die ich mir selber nicht verzeihen kann. Dennoch wollte ich niemals ein Biest sein, deswegen handle ich nach einem gewissen Kodex. Ich habe nie einem Unschuldigen etwas getan. So habe ich deinen Schützlingen auch nie wirklich etwas antun wollen. Sie wollten sich aber von mir nicht einschüchtern lassen. Es war wirklich ein Hindernis.“, erklärte Illan. Er klang verbittert.

„Nun ist meine stille Zeit im Verborgenen zu Ende.“, fügte der Vampir hinzu.

"Mache es doch wie Klar Wake.", fragte Linda.

Illan sah müde zur Seite:

„Ich bin nicht so stark wie er. Ich weiß noch nicht einmal, ob er überhaupt noch am Leben ist.“, erklärte der Vampir.

„Das ist er sicherlich. Irgendwann wirst du ihn wiedersehen.“, erklärte Linda.


 

Ihre Skepsis war verschwunden. Illan war immer noch wie früher. Sie hatte ihn zwar nur als kleines Kind kennen gelernt, denn immerhin ist er ganze elf Jahre älter als sie. Dennoch trägt er das Aussehen eines Achtzehnjährigen. Er wurde damals in diesem Alter gebissen.

Vampire altern äußerlich zehnmal langsamer und dies verlangsamt sich im Alter um so mehr.

Illan Serfay war ein ehemaliges Mitglied der Gilde ihres Vaters.

Nach den Erzählungen war er ein schüchterner Jungspund gewesen, der früher lieber Bücherwelten für sich gewann, als irgendwelche Frauenherzen und gegen die größten Bestien kämpfte er auch nicht. Aber auch sinnvolle und nützliche Dinge tat er nicht gern, dennoch war er sehr beliebt bei ihrem Vater. Die Beiden verstanden sich angeblich sehr gut. Vaters spontane, betrunkene und große Reden waren bekannt. Er stieß darin öfters auf den cleveren Illan Serfay an.

Sein Verschwinden hatte die Gilde schwer getroffen. Auch wenn er nur ein Jahr lang Mitglied gewesen war, so war seine Anwesenheit essentiell gewesen.

Ob ihr Vater von der Wahrheit der Ereignisse gewusst hatte, das wusste Linda nicht.

„Nach was wolltest du mich bitten?“, fragte Linda schließlich. Sie verschränkte ihre Arme und schaute den Vampir mit gleichgültigen Blicken an. Sie wollte ihm nicht um den Hals fallen, auch wenn die Gildenmeisterin sich innerlich sehr freute ein altes Mitglied endlich in Ruhe treffen zu können.

„Brauchst du Hilfe bei der Flucht?“, fragte sie anschließend.

"Nein, das ist was anderes. Eine Flucht könnte ich nicht schaffen. Klar Wake, er war erfahrener und älter. Er wusste wohin er gehen könnte, aber ich nicht, daher ist eine Flucht für mich ausgeschlossen. Ich würde es wirklich nicht schaffen, ich bin da viel zu schwach."

"Ein ehemaliges Gildenmitglied lasse ich nicht im Stich. Wenn du Hilfe brauchst, hättest du uns jederzeit fragen können. War Mr. S so gefährlich, dass du uns nicht einmal besuchen konntest?", fragte Linda.

Ihr fiel plötzlich der Moment ein, als er sie in der dämonischen Form gesehen hatte. Als sie Illan töten wollte.

„Entschuldige.“, kam es plötzlich aus sie heraus. Für einen Moment konnte Linda den Vampir nicht ansehen, weil sie sich schämte.

Illan sah sie daraufhin traurig an:

"Ich konnte einfach nicht. Mr. S verbat mir den Kontakt. Ich er war so ein schlimmes Monster. Jeder Vampir auf der Insel hatte vor ihm gezittert. Ich war so froh, als es endlich vorbei war. Ich schäme mich nicht früher aufgekreuzt zu sein, aber ich brauche deine Hilfe."

„Er fragt mich jetzt und dabei habe ich ihm letztes Mal so eine Todesangst eingejagt. Ich Idiotin, warum ist mir das nicht früher gedämmert. Damals wollte ich ihn sogar töten. Ich war nicht ich selbst.“, plötzlich wurden ihr die Umstände klarer. Linda sah Illan wieder an:

„Deswegen versteckte er sich zunächst auch. Er wusste wohl noch nicht, ob ich wieder die Selbe war. Illan vertraut mir jedoch, deswegen suchte er mich schließlich doch auf. Er ist definitiv kein böser Kerl.“

"Also noch einmal von vorn. Wie kann ich dir helfen?", fragte Linda erneut. Dieses Mal klang sie freundlicher.

"Er ist nur einsam, aber er hat ein gutes Herz.“

Bevor der Vampir zur Antwort kam, meinte Linda in einem leichten und freundlichen Ton:

„Kann es sein, dass du deine Antwort schon eigentlich längst gewählt hast?“

Illan sah erstaunt auf, daraufhin sah er wieder zur Seite:

„Mache dir keine Umstände. Es wäre logisch, wenn du mich ablehnst. Ich bin immerhin nicht normal.“

„Labere doch kein Unsinn. Du bist willkommen, sowie du früher willkommen warst. Egal ob man Mensch ist oder nicht.“

"Meinst du das ernst?", fragte er vorsichtig. Illan sah sie ungläubig an.

Sie griff in ihre Tasche und warf ihm ein Armband zu. Er fing das Band und betrachtete das Gildensymbol.

"Frage doch einfach. Ich bin dir nicht böse, was du bisher getan hast. Du hast nichts verbrochen, was man dir vorwerfen müsste. Karstoll hat dich ja nie persönlich gesehen und wenn du dich u Beginn nicht öffentlich präsentierst, wird keiner Verdacht schöpfen. Irgendwann wirst du bekannt sein und niemand wird merken wer du bist.", erklärte die Gildenmeisterin. Sie lächelte.

„Und dieser Karstoll, der kann uns kreuzweise.“

Illan nickte mit zögern.

"Aber versuche ihm trotzdem nicht unter die Augen zu kommen.", sie streckte daraufhin ihre Hand aus:

„Schlägst du ein?“

Der Vampir trat daraufhin ein großen Schritt auf sie zu. Er erwiderte den Handschlag und die anschließende kurze Umarmung.

„Ich danke dir.“, sagte er in einem leisen und verlegenen Ton.

„Schön dich wieder im Team zu haben. Du bist noch einer der Wenigen, die mein Vater gut kannten. Es ist tragisch, was in den letzten Jahren alles passiert ist.", Linda wurde trauriger, sie wechselte schnell das Thema, denn sie wollte sich nicht runter ziehen lassen.

„Ich..........“, wollte sie beginnen, da meinte Illan:

"Er war ein guter Mann, es ist schade um Ihn. Ich fühle mich schrecklich, weil ich fern geblieben war. Ich habe davon nichts erfahren, es tut mir so Leid.“

„Du brauchst dich nicht entschuldigen.“, erklärte Linda in einem traurigen Ton.

„Ich war nicht da, als er starb. Es tut mir Leid. Ich hatte die Gilde im Stich gelassen, als ich damals nicht wusste, wohin ich gehörte. Ich war verstört und verunsichert. Zwar half mir Klar Wake, aber er verschwand viel zu früh, jedoch musste er es ja auch und das alles wegen mir.“, er pausierte kurz. Illan sah so aus, als würde er ein paar Worte suchen.

„Ich war sehr froh, als ich gehört habe, dass du wieder eine Gilde betreibst. Es hat in mir irgendwie neue Hoffnung geschöpft.“, der Vampir sah zur Seite und dann zu den Felsbrocken:

„Ich habe die drei Jungs gesehen, natürlich auch deine Leibgarde und die anderen, also die Gruppe von heute Morgen. Sie alle waren nicht nur entschlossene Persönlichkeiten, sondern sie strahlten allesamt eine innere Zufriedenheit aus, die neidisch macht. Ich bin ehrlich, ich beneide sie.“

„Illan........“, fing Linda erstaunt an:

„Das sind ja Emotionen von dir, die ich gar nicht kenne. Zwar warst du früher ein gewandter Mensch, aber du warst in Wirklichkeit niemals ehrlich zu dir selbst. Du hast dir selbst sogar immer in die Tasche gelogen. Deine äußere Fassade war so gemalt, dass man den traurigen Kern nie erblickte. Ich weiß das von meinem Vater. Das ist das erste Mal, dass du dich öffnest. Jetzt erzähl mir nicht, dass Mr. S der große Künstler der Emotionen war und daran Schuld hat.“, meinte sie anschließend. Es war ein kleiner Scherz am Rande.

Schmunzelnd meinte der Vampir:

„Vergiss nicht, ich kann Emotionen wahrnehmen. Ich bin zwar kein Mensch mehr, aber ich bin nicht aus Stein. Meine Seele haust in mir und sie ist gefangen. Ich fühle also auch weiterhin.“, er sah auf:

„In den letzten Jahren hatte ich zu viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe eingesehen, dass ich früher nicht der war, der ich sein wollte. Ich war blind und naiv. Immerhin versank ich in meinen Traumwelten, die ich nie erreichen konnte. Achtzehn Jahre ändern vieles. Es ist eine grausame lange Zeit.“

„Das haut mich jetzt wirklich um. Ich hielt dich da immer für sehr verschlossen.“, meinte Linda erstaunt.

„Deswegen bitte ich dich. Ich will nie wieder über so etwas reden müssen. Es tut mir weh, wenn ich offen über meine Gefühle reden muss. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich kein Mensch, der ungeschönt mit Gesellschaften umgehen kann. Lieber genieße ich die Stille. Ich war früher einfach nur verlogen. Ich werde so ein Geständnis auch nicht wieder tun und dies war die einzige Ausnahme, weil ich dir so vertraue. Ich wollte dir beweisen, dass ich es ernst meine. Ich will wieder neu anfangen.“, erklärte Illan.

„Tut es dir wirklich so weh darüber zu reden?“, fragte Linda überrascht. Sie hätte diesen schnellen Wechsel von ihm gar nicht erwartet.

„Bitte Linda. Ich habe meine Fehler erkannt, aber ich will sie nicht ausschlachten. Ich möchte diese Dinge lieber begraben und wirklich neu anfangen.“, erklärte der Vampir.

„Na gut. Ich werde nicht wieder davon anfangen oder jemand anders darüber erzählen, aber du weißt, dass du mich jederzeit besuchen kannst. Wenn du irgendwann Sehnsucht hast, dann können wir gern dieses Gespräch fortsetzen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Ich weiß nicht.“, gab Illan sichtlich unsicher bekannt.


 

Wie durch ein Blitzschlag realisierte Linda ihr eigentliches Problem:

„Entschuldige Illan, aber wir stecken momentan in einer Krise. Es war gerade ein wunderschöner Moment, deswegen hatte ich versehentlich verdrängt, dass wir unseren Gildenmitgliedern eigentlich dringend helfen müssen.“, sie sah sich um, aber Linda fand einfach keine Lösung. Sie seufzte.

Die Gildenmeisterin hatte gehofft, dass ihr irgendwann etwas Nützliches einfiel.

„Kennst du dich mit Portalen aus?“, fragte die schwarzhaarige Dame anschließend.

Illan schüttelte den Kopf:

„Nein.“

„Verdammt. Ich weiß einfach nicht, wie wir ihnen helfen können, denn wir haben nicht mehr viel Zeit.“, sie lief im Kreis.

„Ich kann zwar jetzt nicht helfen, aber ich weiß wer hier noch aktiv war, also wer hier noch gearbeitet hatte. Ich sollte ja die Umgebung im Augen behalten und das hatte ich weiterhin getan.“, erklärte der Vampir und Linda sah erstaunt auf.

Sie lief schnurstracks auf ihn zu:

„Wer?“, fragte Linda. In ihrem Blick war ein gewisser Zorn zu erkennen, aber er war nicht auf Illan gerichtet, sondern auf den Verursacher des Problems.

„Drei Männer waren hier gewesen. Einer von ihnen kannte sich hier aus, der Zweite schleppte Zeug an. Dieser hielt ein glänzendes Messer bei sich am Gürtel. Der Dritte las in einem schwarzen Taschenbuch.“, begann Illan zu erklären.

„Wer war es?“, hakte die schwarzhaarige Gildenmeisterin streng nach:

„Kerrad Tormal brachte die Säcke mit Inhalt. Ich habe nicht gesehen welchen. Als sie aus dem weißen Licht zurückgekommen waren, hatte er auch kein Messer mehr am Gürtel.“, der Blick des Vampirs verfinsterte sich:

„Der Mann, der hier irgendetwas aktivierte war, Will Zentaler. Er schien sehr konzentriert gewesen zu sein. Er war auch derjenige, der hier geblieben war. Wahrscheinlich hatte er die anderen beiden wieder zurückgeholt. Den Dritten kann ich selbst bei Nacht und Nebel erkennen. Es war Karstoll Lehm. Was auch immer er getan hatte, dieser Mann trug ein gefährliches Grinsen im Gesicht. Sie hatten irgendetwas beim Auftauchen mitgebracht. Es waren sehr komische Kristalle. Ich hörte Will sagen, dass man vorsichtig sein soll, denn diese explodieren bei einer gewissen Erschütterung.“, erklärte der Vampir weiter.

„Jetzt ergibt das alles einen Sinn.“, murmelte Linda.

„Diese Kristalle waren bestimmt die Fälschungen, die Mr. S bei sich trug. Karstoll hatte sie ihm wahrscheinlich verkauft.“, überlegte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

„Ich werde mir zumindest Will vorknöpfen, wenn wir zurück sind. Zumindest wenn Rossya Will noch in einem Stück lässt.“

Sie sah Illan an und Linda erklärte:

„Die drei, die du gesehen hast, haben uns mit Sicherheit eine Falle gestellt. Jetzt sind Gildenmitglieder in einer anderen Welt gefangen. Ich weiß aber nicht, wie wir sie zurückbringen können.“, sie sah betrübt zu Boden.

„L......... d................ a!“, hörte sie plötzlich in ihrem Kopf. Linda schreckte auf. Illan schaute sie nervös an. Sein Gesichtsausdruck änderte sich schnell wieder in ein gleichgültigen Ausdruck:

„Was ist los?“, fragte er leise.

„L............. in.................... a!“, hörte die Gildenmeisterin erneut.

Es war in ihrem Kopf.

Sprach Rossya im Moment mit ihr?

Nutzte sie gerade wieder die Telepathie zu ihr oder war das momentan jemand völlig anderes.

Nervös lauschte Linda weiter. Sie musste unbedingt erfahren, was da gerade passiert war.

Das Portal VII --- Vom Regen in die Traufe

[Engl]
 

Wild flogen die schattenhaften übergroßen Arme über den Wüstenboden, dabei wirbelten sie ein wenig Sand auf.

Der Boxer wich dennoch den Angriffen aus. Sie waren enorm stark, aber nicht besonders schnell.

Es bot sich aber keine Lücke für einen vernünftigen Angriff.

Der Kern, also die Schwachstelle des Gegners, war zu gut geschützt. Die Schattenarme reagierten schnell, wenn man versuchte zur Mitte zu stürmen.

Selbst eine Kombination aus Angriffen von Engl und Noju ergaben keinen Chance für einen kritischen Treffer.

Rossya hielt sich zurück und die drei Jugendlichen waren ebenfalls außer Reichweite gegangen.

Ihr Gegner war sowieso in einem Modus, der einem aggressiven und betrunkenen Schläger gleichkam. Die Angriffe waren nicht komplex oder subtil. Sie waren wie das Schlagen nach einer Fliege.

„Lästig dieser Kerl.“, brummte Engl.

Er hatte keine Lust auf das Katz und Maus Spiel. So gar nicht darauf.

Eine Lösung musste her, denn so konnte es nicht weitergehen. Die Motivation versiegte.


 

„Ich versuche etwas.“, murmelte die Weißhaarige in der Gegenwart von Engl, dabei hatte sie unter ihrem weißen Mantel eine einfache Pistole herbeigezogen.

Sie schien unsicher zu sein, da entschloss sich der Boxer sich die Waffe anzueignen.

Bevor Rossya darauf irgendwie reagierte, zielte Engl auf den Gegner und versuchte ihn zu verwunden, aber da übersah Engl den schwarzen Schatten, der sich wie ein Rattenschwanz über den Wüstenboden schlich und dem Boxer eine Ohrfeige verpasste.

Er ließ versehentlich die Waffe fallen, die anschließend von dem schwarzen Schatten in Besitz genommen wurde.

„CUSREV ETTEN!“, brummte der Anführer der Sandbanditen.

Rossya streckte ihre Hand aus und zwischen ihre Finger blitzten kleine Funken.

Der Schatten, der die Waffe trug, musste plötzlich gegen etwas kämpfen. Es sah so aus, als würde jemand an der Waffe zerren und diese zu Rossya ziehen.

„HCULFREV CA!“, brummte der Feind. Der Anführer sah wohl ein, dass er gegen diese Technik nicht ankam.

So beschloss er die Waffe weit in die Ferne zu werfen, aber die weißhaarige Dame reagierte schnell. Sie streckte ihre Hand in diese Richtung aus.

Statt die Waffe anzuziehen, flog der schwarze Schatten jedoch auf sie, aber wohl nicht absichtlich.

Der Anführer zeigte sich schockiert, denn er versuchte die Schatten zurückzuziehen.

„Ich verstehe.“, murmelte Rossya.

Sie packte den schattigen Rattenschwanz und hielt ihn in die Luft:

„Der Nebel ist mit metallischen Partikel übersät. Die Schatten sind magnetisch.“, sie überlegte kurz und Rossya meinte anschließend:

„Wahrscheinlich würden die Schatten ansonsten uns nicht berühren können.“

Die Weißhaarige grinste und der Schatten in ihrer Hand zerfiel plötzlich in tausend kleine schwarze Partikel. Das Auflösen des Schatten trat schnell voran. Es erreichte beinahe den Anführer, sodass dieser beschloss den Schatten abzutrennen.

„Das ist meine Chance!“

In diesem Moment stürmte Engl los und rannte direkt auf den Kern des Übels.

Rossya streckte beide Arme aus, um die übrigen schattigen Hände anzuziehen, aber ihr Gegenüber war nicht untätig. Er hatte Sand aufgenommen und warf es mit den beiden übergroßen Händen, welche aus seinem Rücken entsprangen, auf die Weißhaarige zu. Diese musste ihr Gesicht verdecken, sodass die übergroßen schattigen Hände auf Engl einschlagen konnten.

Doch bevor diese den Boxer erreichten. Schoss ein bläulicher und ein rötlicher Strahl je in eine Hand und lösten den Schatten für wenige Sekunden aus, bevor er sich neu materialisierte.

Es hatte aber zeitlich gereicht, sodass Engl vor dem Anführer der Sandbanditen stand und ihm mit einem gezielten Handkantenschlag gegen sein Kinn für ein paar Sekunden ins Reich der Träume schicken konnte.


 

Der ohnmächtige Mann gab komische Geräusche von sich. Trotz der kurzen Bewusstlosigkeit, schien ihn die Schmerzen zu plagen.

Rossya, Noju und Engl standen um ihn herum. Die drei Jungs standen etwas entfernt.

"Ich vermute mal stark, dass er einfach nicht geahnt hat, was er da für ein Zeug genommen hat. Sein Gesicht ist mit bläulichen Adern überzogen und er scheint sich zu winden. Es muss starke Nebenwirkungen haben.", vermutete Noju.

"Wir wissen nicht, was es war. Er hat dazu nichts gesagt. Es könnte etwas mit dem Material sein, welches angeblich unter ihrem Bau liegt. Wer weiß was die noch im Gepäck haben.", erklärte Rossya.

"Rennt weg!", flüsterte eine zittrige Stimme.

Der Mann im grünen Anzug schaute vorsichtig aus der Luke hervor.

Er sah danach zu seinen ohnmächtigen Kollegen.

„Hey du!“, rief der Kickboxer zu ihm, da war der Mann schon wieder verschwunden.

Die Luke war zu und man hörte ein metallisches Verschließen.

„Was für ein Feigling. Lässt seine Kollegen einfach draußen herumliegen.“

Es herrschten ein paar Sekunden der Stille, daraufhin meinte der Kickboxer:

„Und was machen wir jetzt?“

„Ich bräuchte immer noch ein festen Untergrund, dann könnte ich uns von hier wegbringen.“, erklärte Rossya. Sie sah zur Luke. Die Dame schien zu überlegen.

„Der Ort sieht nicht gerade einladend aus. Es wird schwer sein, dass wir hier etwas Vernünftiges finden.“, meinte Noju. Er sah sich ebenfalls um. Die Wüste bot wirklich nicht viel, außer Sand.

Engl fiel auf, als er in den Himmel gestarrt hatte, dass es acht Monde gab, die die Wüste dennoch hell erstrahlen ließen. Es gab keine sichtbaren Wolken am Himmel.

"Wie in einem Roman.", murmelte der Kickboxer.

"Was Karstoll hier eigentlich gesucht hat.............?", Engl wurde in seinen Gedanken unterbrochen, denn er spürte ein kräftigen Griff an seinem Bein.

Er schüttelte den Griff ab und der Boxer sprang zurück, dabei sprang der angeschlagene Anführer gleichzeitig auf.

Der Sandbandit wirkte zwar wieder lebendig, aber die sichtlichen Nebenwirkungen waren wohl noch nicht abgeklungen.

"OHCS MMOK TUEL! OL, EFFAW ED IM EH! AMHCON MMADREV!", brüllte der Sandbandit. Er klang sehr verärgert, aber auch nicht mehr klar bei Sinnen.

Seine Stimmlage war einem Betrunkenen entsprechend, der schon zu tief ins Glas geschaut hatte.

Es herrschte wieder ein Moment der Stille.


 

Es passierte nichts weiteres. Der Anführer taumelte ein wenig, dabei murmelte er:

"ELLA CIS HERD IM IB. J O, CI, J HÄ!", fing der Sandbandit an zureden, dabei klang er mehr als unverständlich. Nicht einmal die Wortlaute waren vernünftig zu verstehen. War jetzt das seine eigene Sprache?

"Wie betrunken ist der eigentlich? Der kippt doch jeden Moment aus den Latschen.", fragte Noju erstaunt.

Engl starrte auf sein eigenes Bein, ein roter Handabdruck war auf seiner Haut zusehen. Der Griff des Banditen war enorm gewesen. Irgendetwas war mit dem Sandbandit passiert.

Der Schatten hatte sich schon längst aufgelöst und die Reste waren im Sand versickert.

Die bläulichen Adern auf seiner Haut waren aber noch nicht verschwunden.

"Er ist nicht nur betrunken. In dem alkoholischen Trank war was drin, was ihn extrem kräftig gemacht hat. Eventuell war es nicht einfach nur ein alkoholisches Getränk.", erklärte der Boxer.

"Eine steile These, Holmes.", meinte Rossya sarakstisch.

Sie erntete dafür ein ernsten Blick von Engl.

„Ein Glück, dass sie eine Frau ist.“

Der feige Mann unter der Luke meldete sich nicht mehr, sodass der Anführer lautstark seufzte, als er eine Weile zur Luke gestarrt hatte.

„Hat er gerade etwas zu seinem Kumpel gerufen?“

"S EBE NAD!", rief der Sandbit. Er ließ erneut seinen Säbel erscheinen.

Wieder fuchtelte er dabei nur wild umher.

„Oh je.........., jetzt geht das schon wieder los.“, meinte der Boxer genervt.

Engl musste aber bemerken, wie schnell der Sandbit eigentlich geworden war.

"NUH, ELIETREZ CID DREW CI. HCIW D, EHETS IELB!", er zerschnitt die Oberkleidung von Engl, als er plötzlich auf den Boxer zusprang. Der Kampfsportler blutete auf dem Oberkörper.

"Mist, der Bastard hat mich voll erwischt. Er ist verdammt schnell geworden.", brummte der Kampfsportler lautstark. Nun war die Laune im Keller.

Noju versuchte ihn von der Seite zu erwischen, aber der Bandit fuchtelte zu wild mit dem Säbel umher. Er war nicht berechenbar, sondern schlug nur wild hin und her.

"Ich mach das.", gab die Forscherin bekannt.

Sie wartete einen Moment ab, dann stieß sie ein Schritt vor und wirbelte somit Sand auf. Der Sandbandit wich vorsichtig zurück, daraufhin packte sie die linke Hand des betrunkenen Wesen, dann klammerte Rossya mit ihrer rechten Hand den Säbel, der daraufhin anfing zu rosten.

Der Säbel rostete schnell und zerfiel.

Engl konnte an ihrer rechten Hand schwarze Verzierungen erkennen, die kurz darauf wieder verschwanden.

Sie verpasste dem Mann im blauen Ganzkörperanzug anschließend ein Tritt in den Magen.

Im Anschluss lief sie zur Luke. Anscheinend untersuchte die Dame dort etwas.

"Ich versuche wieder Linda zu erreichen.", erklärte Rossya schließlich.

"Gut, ich übernehme den Rest.", erklärte Engl.

Der Sandbandit war wirklich eine harte Nuss, denn der Mann stand schon wieder, aber er war immer noch völlig betrunken.

"Das ist für meine Oberbekleidung!", der Boxer holte weit mit seiner Rechten aus.

"IN CIM D GEISEB PMAKXOB!", der Sandbandit holte ebenfalls mit seiner rechten Faust aus.

Beide ließen ihre Fäuste gegeneinander prallen.

Es endete in einem Unentschieden.

Engl brummte verärgert und teilweise überrascht:

"Er leistet harten Widerstand, wie kann das sein?", der Boxer wich zurück.

„Was ist los? Bist du schwach geworden?“, provozierte Rossya.

„Die soll mal ihre verdammte Klappe halten!“, brummte Engl.

Wütend ballte der Kampfsportler beide Hände zu Fäusten:

„Dem prügele ich die Seele aus dem Leib.“

„Engl.“, sprach Noju zu ihm, aber der Boxer wollte gerade nicht hören.

„Wie besiege ich diesen verdammten Kerl? Vielleicht mit einem Sturmhagel von Fäusten? Er hat keine Chance, wenn ich richtig loslege, der kann sich warm anziehen.............“

„ENGL!“, wurde der Kickboxer lauter.

„WAS?!“, fuhr der Boxer seinen Kollegen an.

Noju zeigte auf den Sandbandit.

Dieser lag auf den Knien und er kotzte sich die Seele aus dem Leib.

„Der ist besiegt, der wird bestimmt bald einschlafen und morgen mit einem großen Kater aufwachen.“, erklärte der Kickboxer.

„Wenigstens kann er uns nicht mehr auf die Nerven gehen.“, brummte der Boxer.

„Dennoch behalten wir ihn im Auge.“, erklärte Noju. Engl nickte zustimmend.

Der Boxer ärgerte sich nur sehr, dass sein Hemd zerstört wurde. Jetzt muss er sich ein neues kaufen.

Genervt zündete er sich die nächste Zigarette an.


 

Rossya schien mit einer weißen Kreide, die sie wohl dabei hatte, ein Kreis mit Symbolen auf die metallische Luke zu malen.

Währenddessen interessierte sich Engl für den Eis- und den Feuerstrahl, die dem Kampfsportler zuvor geholfen haben. Er hatte sie in den Augenwinkel erkennen können. Jetzt war der passende Moment um danach zu fragen.

„Hey Jungs!“, rief der Boxer ihnen zu.

Die drei Jugendlichen kamen näher und sie schienen interessiert auf den Sandbandit zu schauen.

„Ihr habt doch vorher irgendwie diesen Strahl abgefeuert. Ich habe etwas in der Luft gesehen, dennoch war ich zu konzentriert. Ich irre mich, aber habt ihr da irgendetwas in der Hand gehalten? Eine Art Kristall?“, fragte der Kampfsportler.

„Ja.“, kam es von Noju.

„Ich habe es gesehen. Es waren Kristalle. Ich glaube sogar...........“, er wurde von Max unterbrochen:

„............Elementkristalle. Ich glaube zumindest, dass die so heißen. Julius und ich haben welche, tatsächlich. Daniel besitzt keinen.“, Max zeigte sich plötzlich ein wenig begeistert, denn er stellte sich vor den beiden anderen auf.

„Wir können daraus Kreaturen beschwören, die solche Strahlen abschießen können. Wir können noch viel mehr, aber das Meiste müssen wir leider erst noch herausfinden.“, erklärte er weiter.

„Dachte ich mir.“, murmelte Engl.

„Also sind das dann die Echten?“, fragte Noju mit skeptischen Blicken.

Max nickte, auch wenn sein Blick darauf deutete, dass er wohl nicht ganz wusste was der Kickboxer gemeint hatte.

„Aber ihr habt keine Ahnung woher ihr die Elementkristalle habt?“, hakte Engl nach.

„Nein........, wir leiden immer noch unter Amnesie.“, erklärte Max.

„Es ist so ähnlich wie mit der Berührung. Ich wusste auch erst über den Kristall Bescheid, als ich ihn berührt habe. Das Wesen darin hat sogar einen Namen. Wir wissen auch nur, was wir damit machen können und dass wir sie schon eine Weile besitzen. Die Vergangenheit ist immer noch völlig benebelt.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu.

„Interessant. Diese Kristalle sind wirklich selten. Auf dem Schwarzmarkt sind sie Unsummen wert und nur ganz wenige Menschen haben solche Kristalle je gesehen. Niemand weiß woher sie stammen oder wann diese Kristalle überhaupt aufgetaucht sind. Viele halten diese Dinger sogar für einen Mythos. In der Öffentlichkeit sind sie nicht präsent. Die meisten Nutzer nutzen sie geheim oder getarnt. Viele könnten diese Kristalle mit Magie verwechseln.“, erklärte der Boxer.

„Das hat uns Linda schon alles erklärt. Solange wir es nicht der Öffentlichkeit zeigen, dürfen wir sie behalten. Sollte es doch jemand sehen, dann behaupten wir, dass es Magie ist.“, erklärte Max.

„Ja.........., ich glaube sie hat uns mal etwas in der Richtung gesagt, dass ihr da etwas Besonderes habt.“, meinte Noju. Er schien zu überlegen.

„Dass genau diese drei Kids, sowie Tina, mit so etwas herumlaufen. Diese Elementkristalle sind gefährliche Artefakte. Niemand weiß was für Auswirkungen sie haben können und wie gefährlich diese Dinger in den falschen Händen sein können. Wir wissen noch zu wenig, weil nichts über die dokumentiert sind. Die Geschichten über diese Elementkristalle sind alle in der Regel nur erfundene Gerüchte oder falsch interpretierte Überlieferungen. Es gibt bisher noch kein handfesten Beweis für die wahre Herkunft dieser gefährlichen Artefakte.“, überlegte Engl.

„Ich bin fertig.“, rief Rossya.

„Komm sofort alle her.“, befahl sie anschließend.


 

Die Weißhaarige hielt ihre rechte Hand auf die Mitte des Kreises, die andere Hand hielt sie an den Kopf.

Sie schloss ihre Augen und anschließend murmelte die Dame:

"Linda? Kannst du mich hören? Linda? Kannst du mich hören? Ist alles bei dir in Ordnung?"

Es herrschte eine kurzer Zeitraum der Stille.

Ein weiteren Moment später hörte man die Stimme ihrer Freundin:

"Ich höre euch! Ich höre euch sogar immer deutlicher! Zuerst dachte ich, ich hätte nur Bruchteile deiner Stimme gehört, aber mittlerweile kann ich dich so hören, als stehst du neben mir. Was ist los? Warum rufst du mich? Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Ruhig Linda. Es ist alles gut. Ich habe nur die Kommunikation verstärkt. Ich möchte mich mit dir absprechen, bevor wir zurückgehen. Höre mir gut zu Linda, denn du musst jetzt gut aufpassen.“, erklärte Rossya in strengen Worten.

„Ja........, ich höre zu.“, gab die Gildenmeisterin bekannt.

Die Stimme von Linda hallte aus dem weißen Kreis, wie durch einen Lautsprecher.

„Eine faszinierende Magie.“, überlegte Engl.

„Du musst das Armband, welches in dir gegeben habe, in die Mitte legen und dich anschließend aus dem Kreis begeben. Ein helles Licht wird erscheinen und alles was in der Nähe steht wird durch eine Druckwelle weggestoßen. Hast du alles verstanden?“, es herrschte wieder für einen Moment Ruhe.

„Ja........., ich werde das tun, aber die Kommunikation bricht doch ab, wenn ich das Armband abnehme, nicht? Es wird doch dieses Mal alles gut laufen?“, Rossya antwortete nicht auf ihre Frage.

Die Weißhaarige skizzierte weiter im Kreis. Sie malte zusätzliche Symbole.

Im Anschluss legte Rossya die rechte Hand wieder in die Mitte:

„Bitte tretet alle auf das Licht zu, dann werden wir schnell wieder zurück sein.“, erklärte sie.

„Alles klar, außerdem habe ich deine Pistole wieder eingesammelt.“, erklärte Noju.

„Danke dir.“, kam es knapp von Rossya. Sie schien sich darauf gar nicht erst zu konzentrieren.

Engl sah den schlafenden Sandbanditen an. Er packte ihn und rollte den Kerl ein Sandhügel hinunter.

„Soll der lieber da bleiben, wohin er gehört. Eine kostenlose Reise bekommt der nicht.“

Kurz darauf erstrahlte wieder das grelle Licht aus dem Nichts. Eine seltsame Macht fuhr wieder über die nackte Haut und ließ diese erschaudern. Langsam trat der Boxer geblendet auf das Licht zu.

Dieses Mal versuchte das Licht die Umstehenden nicht anzuziehen.

Es passierte alles viel zu schnell, denn bevor Engl überhaupt realisieren konnte, was passiert war, stand er wieder auf einer ungepflegten Wiese mitten in einem Wald.

Doch dieses Mal war es nicht mehr Nacht, sondern die Morgensonne kämpfte sich sehr langsam über die Baumgipfel hinweg. Es könnte früh morgens sein.


 

Rossya kippte anschließend um, aber Noju fing sie noch rechtzeitig auf, da er am Nächsten stand.

Linda kam gleich über die Felsbrocken gesprungen und auf ihre Freundin zu gesprintet.

„Sie ist ja völlig entkräftet.“, stellte der Kickboxer fest.

„Jetzt verstehe ich, warum man so ein Zirkus macht, wenn man versucht durch Portale, ohne die richtige Vorbereitung, zu reisen.“

Linda legte ihre rechte Hand auf die Stirn ihrer bewusstlosen Freundin:

„Ach gut. Sie ist nur erschöpft.“

Die Gildenmeisterin sah anschließend die Truppe an:

„Schön, dass ihr alle unbeschadet zurückgekommen seid.“, Linda blickte zu Engl.

Sein Oberhemd war zerschnitten worden und der nackte Oberkörper war mit einer Wunde übersät.

„Zieh dir bitte was an.“, erklärte Linda kaltblütig, als wäre eine Etikette, die unter keinen Umständen gebrochen werden dürfte.

„Als ob das Absicht war.“

"Du!", rief Daniel plötzlich entsetzt. Er zeigte erschrocken an Linda vorbei.

Im Hintergrund stand eine weitere Person.

„Er hat überhaupt keine Präsenz. Ich hätte die Anwesenheit gar nicht zur Kenntnis genommen.“

Engl hatte diesen jungen Mann noch nie gesehen, aber das feine Gespür des Kampfsportler bemerkte schon eine gewisse Ungewöhnlichkeit. Die Haut war blass und die Aura düster. Die Anzeichen waren groß, dass es sich hier um kein Mensch handelte.

"Der Vampir.", meinte Julius unbeeindruckt.

"Vermutlich ist er nicht zum kämpfen hier.", vermutete Max.

„Ich wäre vorsichtiger. Das letzte Mal kam er auch mitten aus dem Nichts.“, erwiderte Daniel.

„Ach was. Er steht hier und Linda war ja auch hier, also ich denke, dass..............“, wollte der schwarzhaarige Junge erklären, da unterbrach Linda die Jungs:

„Keine Sorge. Illan Serfay ist ein guter Freund. Ich will euch das später erklären, aber zunächst müssen wir zurück. Wir haben von Heon Stahl ein Zeitlimit gesetzt bekommen. Wir dürfen uns hier nicht aufhalten. Wir müssen sowieso Rossya zu Dr. Drogan bringen. Er soll sicherheitshalber drüber schauen.“, die Gildenmeisterin schmunzelte. Sie schien glücklich zu sein.


 

Linda wollte voranschreiten, da stürmte jemand panisch durch den Steingarten. Jemand war eilig durch die Büsche gestürmt und völlig aus der Puste rief diese Person:

"HIER SEID IHR!"

Die Person zeigte sich völlig erschöpft und sie schwitzte ebenfalls stark.

Es war Rick, der durch den Steingarten geeilt kam. Er stolperte und der Junge war sogar zu kraftlos um aufzustehen.

"Bitte.............“, er brauchte ein paar Sekunden um Luft zu holen.

„Dr. Drogan sagte mir wo ihr seid, deswegen kam ich schnell her, wie ich halt konnte. Es ist schrecklich!"

"Was ist los, Rick? Hol zuerst einmal tief Luft, dann rede langsam und deutlich.", Linda half ihm anschließend auf, aber er ging wieder in die Knie. Der Junge war völlig erschöpft.

Er hielt ein zerknittertes Papier in der Hand, welches er der schwarzhaarigen Gildenmeisterin überreichte.

"Es ist schrecklich, Linda und es ist nur alles meine Schuld. Sie ist weg."

Ein Moment lang herrschte wieder Stille, aber dieses Mal fühlte sie sich schrecklich an. Es war etwas Ungreifbares.

"Was ist weg?", fragte Linda bestürzt. Ihr Blick fiel konzentriert auf das Stück Papier.

Es war beschrieben worden. Jemand schrieb mit Hand eine kurze Botschaft darauf.

Linda sah so blass aus, dass man erahnen konnte, dass es nichts Gutes war.

Engl trat näher heran, sodass er auch einen genaueren Blick auf den Papierfetzen werfen konnte.

Die Schrift war schön, aber teilweise war der Text schon aufgeweicht worden.

Rick schaute Linda entsetzt an:

"Tina ist weg! Sie ist abgehauen, sie hat uns ein Abschiedsbrief hinterlassen. In den Brief steht............., sie wollte nicht mehr eine Last für uns.", rief er fassungslos, bevor er weiter in sich zusammensackte.

Er hatte sich wirklich ausgepowert beim Sprinten.

Lindas Augen weiteten sich.

Selbst Engl fühlte sich sehr schlecht, als er die ersten Worte des zerknitterten Abschiedsbrief las.

Gerade herrschte das Gefühl wie bei der Traufe nach dem Regen.

Verschwunden --- Der Abschiedsbrief

[Rick]
 

Es klang zuerst alles wie ein schlechter Scherz.

Ihre Türe zu ihrem Zimmer stand offen und ein Stück Papier lag auf dem Boden, wahrscheinlich war er vom Wind vom Tisch gefegt worden, weil das Fenster offen stand.

Der Junge wollte nur das Papier wieder auf den alten Platz legen, da entdeckte er die Botschaft.

Er konnte seine Augen nicht bei sich behalten, da flogen sie über die Zeilen.

Entsetzt war er zu Dr. Drogan geeilt.


 

Der Arzt erklärte ihm, dass er schleunigst Linda Bescheid geben muss.

Dr. Drogan würde schon einmal ein Blick durch die Stadt werfen, jedoch sollte man keine verfrühte Panik zeigen. Tina konnte noch nicht allzu weit sein.

Keiner der anderen war telefonisch erreichbar, also musste man ihnen den Brief persönlich bringen.

Rick erfuhr von dem Arzt, wo er Linda ungefähr auffinden konnte.

Der Junge kannte den genannten Ort.

Er war früher schon einmal dort gewesen.

Als Kind war er oft durch den Wald geturnt, auch ohne Erlaubnis. Er hat dabei viele wundersame Orte entdeckt, auch unheimliche und mysteriöse. Dieser Steingarten war eines davon, deswegen wusste Rick den Weg noch. Diese Orte hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt.

Er durfte keine Zeit verlieren. Mit jeder verlorenen Minute konnte Tina sich weiter entfernen.

Alina würde solange zum Hafen eilen. Sie zeigte sich zwar nicht begeistert, aber selbst Alina fand diese Aktion von Tina nicht korrekt, deswegen beschloss sie sich daran zu beteiligen.


 

Jetzt war Rick angekommen und er kniete vor Erschöpfung auf dem Boden.

Er schämte sich, denn das was so ihm Brief stand, dafür musste er sich einfach die Schuld geben, denn Tina erklärte genau warum sie ging.

Sie fühlte sich hier fehl am Platz, wie ein Ballast am Bein. Wie eine Last. Das Mädchen hat die Worte von Rick falsch aufgegriffen.

Er hatte zuvor das Falsche zu ihr gesagt, das waren jetzt die Konsequenzen dafür.

Der damalige Abend war nicht gut verlaufen. Er hätte aber niemals geglaubt, dass es sich so schlimm entwickelte. Jetzt fühlte er wieder absolute Reue.

Er musste kurz Luft holen und der Schweiß lief ihm über die Stirn.

Er spürte die Blicke der anderen, nur Linda starrte auf den Brief. Engl stand neben ihr.

Rick sah schließlich wieder nach oben und er sah ihren Augen geweitet.

„Ist sie sauer? Ist sie schockiert?“

"Es tut mir Leid..........", begann Rick.

"Ruhe.........", brummte Linda leise und sie war konzentriert beim Lesen des Briefes.

"Wie konnte ich nur so blind sein? Ich hätte gleich am nächsten Tag wieder zu Tina gehen müssen. Ich.......", verzweifelte der Junge in seinen Gedanken.

„Es ist furchtbar. Wie konnte ich nur so unvorsichtig sein?“, begann die Gildenmeisterin.

Sie nahm die Hand mit den Brief herunter und die schwarzhaarige Dame sah hoch in den Himmel.

"Ich habe es nicht erkannt.", sie klang leicht verärgert, aber nicht auf ihn, sondern wahrscheinlich auf sich selbst, jedoch fühlte sich Rick deswegen auf keinster Weise besser. Eher noch schuldiger.

Er wollte Linda kein Kummer bereiten.

Die anderen sagten zunächst nichts.

"Darf ich anfassen?", fragte Engl und Linda zögerte. Sie überreichte ihm dann doch das Papier.

"Es ist echt.", sagte er schnell.

"Es ist nicht gefälscht, es ist ihre Handschrift und die getrockneten Tränen zeugen von ihrer Trauer. Man spürt es..........", erklärte Linda mit trauriger und kühler Stimme. Engl schwieg dazu.


 

„Ich bringe sie mal zu Dr. Drogan.“, meinte Noju. Er trug immer noch Rossya ohnmächtig in den Armen. Linda nickte und daraufhin stiefelte Noju los.

„Ich begleite ihn.“, meinte Engl und folgte seinem Kollegen.

„Wir suchen anschließend zunächst die Insel ab.“, erklärte Engl, bevor die beiden über den Hügel verschwanden. Der Boxer trampelte die Büscher nieder, sodass Noju unbeschadet mit Rossya in den Armen vorankam.

Max blickte skeptisch den beiden Kampfsportler nach.

Daniel und Julius wirkten etwas teilnahmsloser, als würde es sie nichts angehen und der Fremde, den Rick nicht kannte, wirkte unheimlich und dubios. Wer der Kerl war, das interessierte Rick gerade nicht.

"Rick............", begann Linda betont und sah ihn von oben herab an:

"Stimmt das, was da drin steht. Hast du wirklich zu ihr gesagt, dass sie eine Last wäre?"

"Ich habe das nicht so gemeint.....................", wollte Rick sich rechtfertigen, auch wenn er wusste, dass es nicht viel bringen würde.

"Entschuldige, du kannst nicht viel dafür. Ich habe da versagt, ich hätte mehr auf sie acht geben sollen. Immerhin ist sie ein Mitglied meiner Gilde und ich dachte, dass Zeit alle Wunden heilt. Ich wusste nicht, dass sie ins Gegenteil verkehrt.", Linda klang traurig.

"Sollen wir sie verfolgen?", fragte Julius. Er klang plötzlich so furchtbar ernst.

"Sie müsste noch nicht beim Hafen sein, aber ich weiß nicht, wann sie los ist.", überlegte Daniel.

„Ob sie überhaupt Geld hat für ein Schiff?“, warf Max ein.

„Es ist ja nicht besonders teuer.“, meinte Daniel.

Linda sah die beiden an und seufzte:

„Mitglieder der Ranger Guild können auf besonderen Wunsch kostenlos mitfahren. Der Kapitän wird bei ihr wahrscheinlich keine Gebühr verlangen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Er ist leider so ein furchtbar netter Mensch.“, fügte sie hinzu.

„Ach so.“, meinte Max. Der schwarzhaarige Junge wurde sehr nachdenklich.

„Dann sollten wir schleunigst aufbrechen.“, erklärte Julius.

„Ja.“, stimmte Max zu.

"Ja........., das wäre gut, wenn ihr..........................", wollte Linda beginnen, da mischte sich Rick ein:

"Ich möchte nicht schon wieder abwarten müssen. Ich will nicht schon wieder das ertragen müssen, dass ich schuldig bin und nichts tun kann. Ich möchte mich beweisen, ich möchte meinen Fehler wett machen. Ich werde sie suchen! Ich werde sie finden!"

„Ich kann nicht schon wieder den Nichtsnutz spielen. Ich muss was tun! Dieses Mal auf jeden Fall!“, dachte Rick und er wirkte immer entschlossener.

Er stellte sich auf und sagte mit entschlossenem Blick:

"Ich werde sie auf jeden Fall finden und wieder zurückbringen, egal was wer sagt oder tut. Ich kann mir das nicht verzeihen", es herrschte kurz Stille. Linda sah die Restlichen an.

„Linda!“, betonte Rick und die Gildenmeisterin sah ihn prüfend an:

„Ich werde sie zurückbringen, versprochen.“, er ihr ein paar Sekunden entschlossen in die Augen.

„Du meinst, dass du das packst?“, fragte Linda. Ihr Blick wurde ernster. Auf was wollte sie hinaus?

"Ich will meine Schuld sühnen. Ich möchte nicht immer derjenige sein, der Probleme bereitet und sich dann zurückziehen muss, weil er das nicht mehr hinbekommt. Du hast mir ein Teil der Verantwortung für Tina übertragen, ich..............", Erinnerungen kamen in ihm hoch und er musste kurz zur Seite schauen. Die Erinnerungen von damals, damals als er versagt hatte, damals als jemand deswegen starb. Jetzt war es fast genau so früher und er wollte nicht schon wieder jemanden verlieren. Nicht schon wieder soll jemand wegen seiner Dummheit sterben.

"….........ich werde nicht aufgeben! Ich werde Tina beweisen, dass sie bei uns nicht Fehl am Platz ist!“

„Rick!“, wurde Linda lauter.

„Du hattest damals keine Schuld! Ich habe dir das schon oft genug erklärt.“, Rick stoppte kurz.

Betrübt sah er zu Boden.

"...............meine verstorbene kleine Schwester.", diese Worte kreisten in seinen Gedanken.

Sie brachten so viel Schmerz und Trauer mit sich.

Linda schwieg für einen Moment.

„Es tut mir Leid. Ich wollte das Thema nicht mehr anreißen.“, meinte die Gildenmeisterin anschließend.

"Ich verstehe dich, Rick. Was damals passiert ist, ist furchtbar für uns alle gewesen. Bitte versuche es zu akzeptieren. Wir haben schon einmal darüber gesprochen.“, sagte sie anschließend.

Max sah gerade so aus, als würde am liebsten nachfragen wollen, aber er ließ es bleiben.

„Also Rick........“, begann die schwarzhaarige Dame erneut.

„Ich würde dich gerne diese Aufgabe übernehmen lassen, aber vergiss nicht, wir dürfen hier nicht leichtsinnig werden. Engl und Noju finden sie bestimmt und...............", die schwarzhaarige Gildenmeisterin wurde von Rick unterbrochen:

"...............dann wäre sie aber nicht überzeugt. Tina würde sich wahrscheinlich wie eingefangen fühlen. Sie will doch nicht gefunden werden. Tina möchte allein bleiben. Sie hat das im Brief unterstrichen.", Rick pausierte kurz:

"Sie würde sich nicht wohl fühlen, sie würde denken, du lässt sie nicht gehen, weil es deine Verantwortung ist. Sie hat nämlich geschrieben, dass sie denkt, dass sie dir zu viel Verantwortung abverlangt, da sie ein fremdes Mädchen ohne Erinnerung ist, zudem ein gefährlichen Kristall mit sich trägt.“, er legte sich die rechte Hand auf seine linke Brust:

„Ich will sie suchen und überreden. Ich werde ihr damit beweisen, dass ich sie nicht als Last empfinde. Wenn ich Alina mitnehme, kann sie ihr zeigen, dass sie Tina nicht hasst.", sein Blick wurde wieder entschlossener.

"Das hoffe ich zumindest. Hoffentlich sieht das Alina auch so."

"Und dann wird ihr vielleicht klarwerden, dass wir alles tun würden, um ihr zu helfen. Es kann auch gut sein, dass wenn Engl und Noju sie finden, dass sie es auch einsieht, aber ich fühle mich dabei nicht so sicher. Zu mir hat sie mehr Bezug. Ich kann sie überzeugen! Ich werde das Richtige tun. Bitte glaub mir, Linda."

"Man klingt das egoistisch.", meinte Max plötzlich und Rick starrte ihn überrascht und zugleich finster an.

"Ich meine, was ist mit uns? Wir kennen Tina schon länger, so sagt es zumindest unser Verstand. Wir haben zwar auch keine Erinnerungen mehr, aber die Verschwommenen, die wir noch haben, sie zeigen, dass wir sie kennen. Es fühlt sich zwar irgendwie fremd und zweifelhaft an.........", er schaute kurz auf seine Hände:

"….........vielleicht wollen wir ihr auch helfen, jedenfalls kann ich da auch nicht einfach so herum stehen. Du kannst nicht behaupten, dass sie zurückkehrt, weil du mit ihr irgendwie verbunden bist. Du kannst nicht nur dein eigenen Frieden machen."

"Was soll das heißen? Es geht hier nicht um mich, es geht hier um............"

"..............deine Schuldgefühle, so wie ich das verstanden habe, nicht?", beende Marvin den Satz.

"Halte deine Fresse.", dachte Rick zornig, aber er konnte sich gut beherrschen. Ein Wutausbruch würde hier niemanden etwas bringen, aber Rick verstand die Aussage von Max nicht. War das jetzt einfach nur eine unnötige Provokation? Was sollte das jetzt?

"Nun ich gebe ihm Recht. Du bist nicht allein in der Gilde, Rick. Wir sind auch noch da, außerdem gefällt mir die Gilde, die Teilnahmebereitschaft, sehr. Ein Gildenmitglied ist in Gefahr und sie braucht unsere Hilfe. Wir sollten sie suchen gehen. Ob es die beiden Typen machen oder du, Rick, ist dabei nicht so wichtig, aber wir sollten was tun und nicht nur diskutieren. Immerhin läuft uns die Zeit davon.", meinte Julius.

"Wir verlieren Zeit, da hat Julius Recht. Aber wenn du gehst, dann gehe ich mit, denn ich bin auch seiner Meinung. Wir sind ein Team, Rick. Wir kennen sie auch, also helfen wir ihr und zeigen ihr, dass sie nicht falsch in dieser Gilde ist und keinem zur Last fällt.", erklärte Daniel.

„Wir fühlen uns auch verpflichtet.“, fügte Max hinzu.

"Tragt ihr dann nicht auch die Schuld. Ihr habt euch so fremd ihr gegenüber verhalten, wieso sollte sie das dann auch plötzlich anders sehen? Habt ihr euch jemals gefragt, wie es ihr geht? Habt ihr jemals mit ihr was unternommen? Mit ihr geredet?", fragte Rick. Er klang sehr gereizt.

"RUHE!", rief Linda laut, jetzt klang sie wirklich verärgert.

"Beide Seiten haben Recht! Du, Rick, solltest nicht so egoistisch denken, aber ich stimme dir zu. Vielleicht ist dieser gewagte Weg gefährlicher und unsinniger, aber wenn wir ihr damit vermitteln können, dass wir alles tun würden, werde ich dich, Alina und die drei Jungs losschicken. Damit kannst du dich beweisen und mir zeigen, dass du doch verantwortungsbewusst bist. Ich stelle jedoch drei Bedingungen.", sie machte eine kurze Pause:

"Du benachrichtigst mich jeden Abend, bevor du Schlafen gehst, über den Stand der Dinge.", Rick nickte.

"Noju und Engl werden gleichzeitig sich auf die Suche machen und euch die Daten übermitteln. Im Notfall handeln, aber ich werde sie nicht auf eigene Faust handeln lassen, denn ich möchte dir mein vollstes Vertrauen schenken. Also seid immer wachsam und begeht keinen Leichtsinn. Solltet ihr sie gefunden haben und sie wäre in Gefahr oder in den Klauen böser Leute, ruft mich an und ich komme! Du machst mir keine Dummheiten, klar?", Rick nickte erneut.

"Ihr werdet als Team agieren, keine Alleingänge und kein sonst was. Wenn ihr sie gefunden habt, bringt ihr sie zurück und keine sonstigen Aktivitäten, klar? Sollte etwas Schlimmes dazwischen passieren, ruft mich an, auch wenn ihr sie gefunden habt. Auch wenn es Tina gutgeht. Ihr gebt immer Bescheid! Immer!“

„Gibt es Bestimmungen Zwecks Gesetze? Ich meine wir sind noch nicht volljährig. Ich gehe davon aus, dass wir die Insel verlassen müssen.“, warf Daniel ein. Linda sah ihn erstaunt an. Sie schien tatsächlich zu überlegen:

„Guter Gedanke. Eigentlich muss ich einen Erwachsenen mitgehen lassen, ansonsten kann ich ernsthafte Probleme bekommen, selbst wenn nichts passiert und die Sache irgendwann rauskommt. Das kann mich den Gildenmeisterposten kosten und dann gäbe es die Gilde nicht mehr.", erklärte sie und seufzte traurig.

"Mh................ na gut, dann kann doch vielleicht Engl oder Noju mitkommen?", meinte Rick.

"Meine Egotour könnte tatsächlich nur nachteilig sein. Wir sollten als Gruppe agieren. Ich habe zwar Schuld, aber allein mache ich auch nichts mehr heil. Was habe ich mir nur gerade gedacht?", überlegte Rick verwundert über sich selbst.


 

Linda wirkte wieder nachdenklich.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin schwieg einen weiteren Moment, bis sie ihre rechte Hand ein wenig in die Luft hob und erfreut zu Rick schaute:

"Ich hab es!", begann sie und Rick sah verwundert auf.

"Ich brauche nur einen Erwachsenen mitschicken? Dann kenne ich jemand, der sich sowieso noch beweisen muss.", meinte sie. Linda schaute nach hinten und Rick erkannte wohin sie eigentlich starrte.

Inzwischen starrten alle in diese Richtung. Die Gruppe starrte auf den Unbekannten, der dazu nur schwieg und skeptisch Linda anschaute.

„Ich?“, meinte er erstaunt.

„Was?“, gab Daniel verwundert.

Julius blickte unzufrieden, aber er sagte nichts dazu.

„Was für eine Ironie.“, gab Max von sich. Er verschränkte seine Arme ineinander.

„Wieso? Was ist mit dem Jungen? Ist der irgendwie besonders und wer ist das überhaupt?“

„Ach ja.........“, gab Linda von sich.

Die Gildenmeisterin drehte sich zu Rick und erklärte:

„Darf ich vorstellen. Das ist Illan Serfay. Er ist unser neustes Mitglied. Auch wenn Illan jetzt hier neu ist, er war schon Mitglied in der Gilde meines Vaters.“, die Dame lächelte.

Rick begutachtete den Kerl. Irgendwie hatte Illan eine seltsame Aura, die Rick nicht besonders gefiel, aber er wirkte nicht gefährlich.

„Warte..........“, meinte Rick plötzlich:

„Er war in der Gilde deines Vaters? Wieso habe ich ihn dann nie gesehen?“, Lindas Schmunzeln wurde größer:

„Nun er ist vor achtzehn Jahren ausgetreten.“, erklärte sie. Auf was wollte sie denn jetzt anspielen?

Rick sah Illan wieder skeptisch an. Wie alt war der Kerl eigentlich? Er sieht nicht besonders viel älter als einer der anwesenden Jungs aus.

Rick überlegte.

Die Aura strahlte ein bekanntes grauenhaftes Gefühl aus, welches er vor nicht langer Zeit schon einmal gespürt hatte. Die bleiche Haut und die finsteren Augen.

Plötzlich fielen die Schuppen von den Augen.

„Oh je..........“, gab Rick bleich von sich.

Seine Vermutung verhärtete sich, umso länger er Illan ansah.

„Das ist nicht wahr oder?“

„Ja, Rick.“, begann Linda, als hätte sie seine Gedanken gehört:

„Er ist ein Vampir.“, sie sah erneut zu Illan, der mit einem desinteressierten Blick zur Seite schaute.

Verschwunden II --- Freiheit

[Illan]
 

Vor ein paar Monaten:
 

Die Zeit verflog und der jung aussehende Mann mit seinen purpurfarbenen Haaren kam von einem Auftrag zurück. Gelangweilt ließ er sein Nacken knacksen. Er fühlte sich ein wenig verspannt.

Der Auftrag hat lautete, dass es wieder unerwünschte Gäste gab, um die man sich kümmern sollte.

Ein paar Touristen waren über die Grenze gestiegen und hier in der Nähe gesichtet worden, also hatte sich Illan gleich aufgemacht und den beiden einen großen Schrecken eingejagt.

Einmal laut Brüllen und die Krallen ausfahren, schon waren sie weg.

Natürlich hatte der Vampir nicht vor sich zu präsentieren. Er stand nur im Schatten und imitierte eine wilde Bestie, die sowieso als Mythos abgestempelt werden würde. Den Touristen würde man kein Glauben schenken. Selbst wenn es immer wieder Touristen behaupteten. Es war bisher nichts passiert.

Der Bürgermeister der Insel, Karstoll Lehm, ein abscheulicher Kerl, half bei dieser Vertuschung.

Ob er dies absichtlich tat oder nicht, das wusste Illan nicht, aber er wusste, dass nicht viele Informationen an die Außenwelt gelangten.


 

„Hast du die auch schon wieder verschont?“, fragte plötzlich eine männliche Stimme von irgendwoher. Sie war aber nicht unbekannt und zugleich sprang eine bekannte Person herbei.

Es war Lesrom Gustav. Ein Mitglied des Elitetrupps von Mr. S, sowie Illan.

Man könnte meinen, dass er seinen ganzen Namen in der falschen Reihenfolge aufsagte, aber er hieß tatsächlich so.

Er war ebenfalls ein Vampir und auch ein gefährlicher dazu.

Lesrom war aber nicht wie Nerslo, ein kräftiges Biest oder wie Ulya, ein Schatten im Wald, vor allem nachts.

Der Vampir mit der schwarzen Sonnenbrille, welche er eigentlich gar nicht benötigte und der sportlichen Figur, war der Stratege des Quartett. Seine Pläne streckten jeden Jäger nieder, der es wagte in das Gebiet einzudringen.

Er analysierte seine Gegner stetig und der Mann mittleren Alters konnte anschließend in wenigen Minuten selbst über den größten Feind triumphieren.

Der Vampir rückte seine weiße Kappe zurecht, welche seine relativ kurzen bräunlichen Haare verdeckte. Er erwähnte dabei:

„Mr. S sieht vielleicht darüber hinweg, aber wir können das nicht mehr dulden. Du widerstrebst dem Team. Nur weil du einer der Ersten warst. Du solltest dich lieber an die Sitte halten. Der Befehl lautete Unrat verschwinden zu lassen und das gute Material in die Villa zu bringen.“, die rötlichen Augen bohrten sich förmlich in Illan, dieser sah ihm nur gelangweilt entgegen.

Die Drohungen interessierten den Vampir mit der purpurfarbenen Frisur nicht.

Er rückte lieber seine schwarze Jacke zurecht und der Vampir fegte die abgefallenen Blätter von seinen Schultern, bevor er einfach weiterging.

„Und entwickele dich endlich! Du bist immer noch jämmerlich in der Grundstufe. Wann hast du überhaupt das letzte Mal Blut getrunken?“, zischte Lesrom.

Arrogant zog er einen Halbkreis um Illan, während dieser in Richtung Villa stiefelte.

Die reine weiße Kleidung des Strategen lenkte stark von seiner inneren dunklen Erscheinung ab.

Illan reagierte nicht auf seine Aussage. Zielstrebig stiefelte der Vampir weiter.

„Hey.“, rief ihm Lesrom hinterher:

„Du hast immer noch nicht getrunken? Wie lange schon? Seit 18 Jahren?“

Illan lief weiter. Er näherte sich dem Tor. Dort standen drei weitere bekannte Gesichter.

Grombar, Cherry und Zeyn. Sie waren zur Bewachung der inneren Zone eingeteilt worden. Ihnen wurde es auch untersagt in die Villa zu gehen.


 

Illan spürte plötzlich den Atem von Lesrom an seinem Nacken, dadurch blieb der Vampir mit den purpurfarbenen Haaren stehen:

„Was willst du?“, fragte er anschließend mit genervter Stimmlage.

Er wollte keiner plumpen Provokation nachgehen. Lesrom schien es langweilig zu sein, deswegen versuchte er Illan als schwarzes Schaf darzustellen. Er brauchte wohl ein Kampfkollegen? Der arrogante Vampir musste wohl wieder über jemand herrschen?

„Du bist schwach.“, spukte der Brillenträger aus.

Illan reagierte nicht. Gleichgültig sah er zum Tor.

Die Torwächter hatten schon von der geladenen Stimmung mitbekommen. Interessiert näherten sich Grombar und Cherry.

Der Hüne hinterließ tiefe Spuren im Boden, da er neben dem steinigen Weg lief.

Der dürre Haudegen, welcher noch arroganter war, als Lesrom, war Cherry.

Mr. S hatte zu ihm gesagt, dass er es nicht einmal wagen sollte seine Villa anzuschauen, deswegen wurde Cherry als ewige Torwache verdammt.

Sein weißgraues vielleicht aschblondes Haar glänzte in der abendlichen Sonne:

„Ein Kampf.“, gab er bekannt.

„Ich setzte auf Lesrom.“, brummte Grombar.

Illan ging weiter. Er hatte keine Lust auf einem Kampf, da hörte er schon das Rauschen von ausgefahrenen Krallen.

Blitzschnell reagierte der Vampir mit dem purpurfarbenen Haaren und ließ seine Krallen ebenfalls ausfahren, dadurch blockte er den nächsten Angriff vollständig ab. Es wurde aber nicht ernsthaft gekämpft.

Das metallische Geräusch war über den ganzen Platz zu hören.


 

Illan sah jetzt in die rötlich glühenden Augen seines Gegenüber. Lesrom war nun ein wenig größer als er und er hatte seine Krallen vollständig ausgefahren. Seine Haltung war leicht buckelig, er war also bereits in der nächsten Stufe.

Illan bleib diese Verwandlung verwehrt, weil der Vampir kein Blut zu sich nahm und deswegen auf dem gleichen Level stagnierte, aber nur das, was den Kräften des Vampirismus anbelangte.

Der Vampir hatte nicht umsonst in den letzten Jahren viel in der Bibliothek der Villa gelesen und im Freien trainiert.

So täuschte er mit seiner rechten Hand an, dass er mit seinen Krallen zuschlagen wollte, währenddessen ließ er die Krallen an seiner linken Hand zurückweichen, sodass er eine Faust ballen konnte. Der Vampir wollte seinen Gegenüber durch ein Kinnhaken bewusstlos schlagen. Effektiv auch bei Vampiren.

Das Gehirn eines Vampirs bleibt die Schwachstelle, so wie bei Menschen.

Kopf ab oder ein absoluter Kopfschuss swaren tödlich. Ein Block durchs Herz versiegte das Blut und beendet ebenfalls die Funktionen des Gehirns. Selbst Blutverlust wäre eine Todesursache oder man machte es viel einfacher. Ein mächtiger beschworener Feuerball flambierte den Körper in einem Schlag.

Höhere Vampire, wie Mr. S, besaßen dazu noch Affinitäten, die ihnen ermöglicht bestimmte Zauber oder die Zufuhr von Mana auszuführen.

Solange Illan also kein Blut trank, würde er in diesem Grundstadium blieben, so konnte er zumindest wie ein sehr starker Mensch gelten. Selbst die Jäger konnten ihn nicht mehr durch Zauber wahrnehmen, weil kein fremdes Blut im Körper beigemischt wurde.

Illans Kodex verhinderte ebenfalls das Kosten von Blut und deswegen leidet der Vampir auch nicht unter Anfällen bei Blutmangel. Wenn der Körper nie süchtig wurde, konnte er nicht danach verlangen.

Mr. S wusste davon, aber er sagte nur, dass Illan irgendwann seinen Kodex brechen würde. Der höhere Vampir würde diesen Zeitpunkt begrüßen.

Bevor der Kinnhaken Lesrom erreichte, war Ulya mitten aus dem Nichts aufgetaucht, was für sie typisch war. Es war eine interessante unschlagbare Technik, welches sich Illan teilweise abgeschaut hatte.

„Der Meister wünscht zu sprechen. Bitte stellt alle Kampfhandlungen ein.“, die Dame sprach ständig in einem höflichen Ton. Woher sie stammte, das wusste Illan nicht. Sie war sehr schweigsam, wenn es nicht um Befehle ging.

Lesrom war im nächsten Atemzug wieder er selbst und daraufhin brummte der Mann zornig zu Illan:

„Wir wiederholen das. Ich kann deine Art und Weise nicht mehr erdulden. Du solltest deine Stellung endlich kapieren, Schwächling!“

Illan gab, wie immer, nichts auf diese Provokationen.


 

Sie mussten alle zu Mr. S, selbst die Torwachen erhielten dieses Mal das einmalige Recht die Villa zu betreten.

An diesem Abend erklärte der höhere Vampir von einem großartigen Handeln mit einem klugen Mann. Es war Karstoll Lehm.

Für zukünftige Grundstücke, lieferte der Mann wertvolle Kristalle, welche mächtige Monster beherbergten.

Mr. S hatte sich überzeugen lassen, weil einer der Kristalle vorgeführt wurde. Es soll tatsächlich eine majestätische Kreatur aus einem weißen Kristall entsprungen sein.

Die Kreatur wurde als übergroßer weißer Tiger mit schwarzen Streifen beschrieben.

Illan sah dort zum ersten Mal die angeblichen Elementkristallen und vom ersten Moment an wusste der Vampir, dass etwas nicht stimmte.

Mr. S gab im Folgenden bekannt, dass eine große Aktion geplant sei. Man müsse eine Band entführen, dann würde Karstoll dafür sorgen, dass man dem Wunsch von Mr. S nachging, also mächtige Verbrecher zur Villa schickt, die Mr. S dann in Vampire verwandeln konnte.

Er wollte die ultimative Elitetruppe zusammenstellen.

Zurzeit bestand sie nur aus sechs Personen, die teilweise sehr treu ergeben waren.

Vampire waren woanders auch nicht gern willkommen.

Es war auch das erste Mal für Illan, dass er mehr von Ranger Guild hörte, der neuen Gilde in der Stadt und wer sie anführte.

Der Name Linda Westallya lag ihm dann für einige Tage auf der Zunge und der Name machte ihn sehr nachdenklich. Er brachte alte Erinnerungen hoch.
 

Gegenwart:
 

Der Vampir beherrschte nur die schwachen Fähigkeiten des Vampirismus, die übermenschliche Kraft und die Fähigkeit Emotionen zu hören.

Man konnte diese Fähigkeit nicht als Gedankenlesen bezeichnen, denn ein Psychopath konnte er nicht so leicht enttarnen. Ein labiler Mensch dafür umso mehr.

Durch seinen damaligen Aufgabenbereich beobachtete er seine Gegend und Situationen stets genau, dadurch stieg sein Sehvermögen weiter an, zudem fallen ihm nun einige Kleinigkeiten früher auf, bevor ein normales Auge sie erblicken bzw. wahrnehmen konnte.

Schon früher als Mensch, hatte er ein unglaublich gutes Gedächtnis gehabt. Ein dutzend Namen in einer Minute waren kein Problem. Er konnte sich Zahlenfolgen von über 30 Zahlen problemlos in einer kurzen Zeit merken und auch in über fünf Wochen noch einwandfrei aufsagen.

Seitdem er ein Vampir ist, hatte sich diese Fähigkeit stark verbessert.

Trotz aller dieser Fähigkeiten verstand der Vampir aber eines nicht.

Er verstand Linda nicht.

Sie nahm ihn ohne Murren auf, sogar noch schneller, als Illan sich das eigentlich gedacht hätte.

Sie hatten nur kurz geredet und Linda wirkte danach so, als wäre alles verziehen.

Er hatte jetzt das Armband mit dem Gildenzeichen an seinem rechten Handgelenk.

Illan konnte das immer noch nicht ganz wahrhaben. Es fühlte sich teilweise wie eine ungreifbare Illusion an, doch war alles echt.

Nur jetzt kam das wahre Unverständnis dazu.

Er soll die junge Truppe begleiten, von dem ein Teil ihn nicht leiden konnte, zumindest vermutete Illan dies, nachdem er in die kritischen Blicke sah.

„Was denkt sich Linda nur? Sie ist wieder einmal so irritierend.“

Er spürte die strafenden Blicke von zwei Personen. Von einer stärker, als von der anderen.

"Der soll mit? Wollte der uns nicht dem Letzt noch an den Kragen?", begann Daniel.

"Ich weiß nicht so Recht. Kann man ihm wirklich vertrauen.", fügte der Junge hinzu.

„Ich kenne ihn nicht. Ich weiß nicht, ob er mit uns klarkommt.“, meinte Julius.

"Mh............, jedoch hatte er damals nicht den Anschein gemacht, als wäre er nur ein aggressives Wesen. Er wirkte nur so, als müsste er dies tun.", erklärte Max, aber niemand nahm zu seiner Aussage Stellung.

„Scharfes Auge. Er scheint sich wohl Gedanken zu machen. Das könnte aber auch noch zum Problem werden.“

"Er ist ein Guter. Illan war immer freundlich.", erklärte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Für Linda war ihre Aussage Fakt und niemand durfte daran rütteln.

"Wie schon gesagt, er war damals ein Mitglied der Gilde meines Vater. Ja, er ist ein Vampir, aber deswegen ist er nicht gleich böse.“, sie pausierte kurz.

„Kennt ihr die Geschichte vom Bürgermeister der Stadt und warum er so gegen Vampire hetzt?“, fragte die Gildenmeisterin anschließend.

„Ich möchte zwar nicht stören, aber unsere Zeit rennt.“, hakte Julius nach.

„Ja verdammt......., wir sollten los!“, meinte Rick ungeduldig.

„Ich eile schon mal zum Hafen.“, fügte der Junge gleich hinzu.

Linda dachte einen kurzen Moment nach.

„Sie kann noch nicht von der Insel fort sein, außer das jetzige Schiff um diese Uhrzeit hat sie ohne Pass mitfahren lassen. Sollte dieser Fall eintreten, können wir jetzt kurzfristig nichts mehr ausrichten. Wir müssen warten bis die nächste Fähre da ist. Wir können niemanden einfach so jetzt zum anderen Hafen schicken. Mit der Fähre dauert eine Fahrt zwischen drei und sechs Stunden. Das Wetter spielt eine wichtige Rolle.“, sie sah in den Himmel. Dunkle Wolken erschienen am Horizont.

Zwar blieben die Sommerinseln in der Regel verschont, aber das Meer nun einmal nicht.


 

„Ich kann nicht warten. Ich muss etwas tun.“, gab Rick kund. Er eilte zugleich los.

Linda brummte leise, aber sie sah wohl ein, dass selbst die Gildenmeisterin den mitleidigen Jungen nicht aufhalten konnte. Rick war zu sehr von seiner Schuld überzeugt, dass jede Handlung besser für ihn wäre, als in Ruhe über ein Plan nachzudenken. Er war momentan einfach zu unruhig, um klare Gedanken fassen zu können.

Illan konnte das sogar irgendwie verstehen.

„Wenn das mit den Fähren wirklich so ist............“, überlegte Julius.

„Wenn es eine schnelle Möglichkeit gebe, Tina zu finden, würde ich es jetzt sofort tun. Sie wollte weg von der Insel, also kann das Mädchen nur zum Hafen sein. Wenn Alina oder Rick sie dort nicht finden, dann können wir jetzt auch noch so oft verzweifeln, sie wird vermutlich schon auf der Fähre sein. Tina ist ja nicht spurlos von der Wildfläche verschwunden. Wir sind auf einer Insel.“, Linda lächelte.

Es war ein trauriges Lächeln, welches eher nur der Motivation dienen sollte.

„Du erwähntest die Geschichte des Bürgermeister der Stadt? Du meinst diesen Karstoll Lehm.“, fing Max plötzlich an.

Linda wirkte zunächst erstaunt, aber sie meinte anschließend:

„Nun sie ist eigentlich schnell erzählt. Karstolls Vater war im Stadtrat. Er war schon immer scharf auf den Posten des Bürgermeisters. Karstoll war damals nur ein reicher junger Mann, der einem Mädchen verfallen, welches im Dorf recht bekannt war. Sein Vater wickelte ihn irgendwann in die Geschäfte der Stadträte ein. Durch das plötzliche Ansehen interessierte sich das Mädchen für ihn. Sie wurden ein seltsames Paar. Eigentlich passten sie meiner Meinung nicht zusammen. Wie sich die Göre anzog..........., aber zurück zum Thema. Seine kurzzeitige Frau stiftete seine Schwester an in den Verein der Kräuterhexen zu gehen. Das Ende vom Lied war, dass Karstolls Schwester immer wieder in Gedanken versunken durch den Wald lief. Darelyn, so hieß das Mädchen. Sie war für eine gewisse Zeit ein Mitglied der Gilde meines Vaters gewesen, außerdem war sie keine schlechte Leistungssportlerin. Sie verlor jedenfalls irgendwann das Zeitgefühl und selbst nachts wanderte das Mädchen durch den stillen Wald. Das waren aber nur die Gerüchte und ich weiß nicht, was in dieser Familie noch alles so geschehen war. Eines Tages hatte sich dann ein tragischer Unfall ereignet, was auch immer passiert war. Jedenfalls geriet sie wohl in irgendetwas hinein, bei dem sie qualvoll starb. Es war etwas schreckliches im Wald geschehen. Karstoll hatte wohl die Leiche seiner Schwester gesehen, wie sie angeblich von einem Vampir belagert wurde. Er machte sofort jagt auf diesen Vampir. Schließlich wurde ein Bekannter meines Vaters der Mord angehängt, dieser floh daraufhin. Karstoll gab sich nie damit zufrieden. Er glaubte immer an eine Verschwörung. Sein Vater hat den Tod seiner Tochter nie verkraftet, wahrscheinlich war er auch daran schließlich gestorben. An gebrochenem Herzen. Was die wahre Geschichte ist, das wissen wohl nur die beteiligten.“

„Es ist auch ein Kapitel, was lieber verborgen bleiben sollte und zwar für immer.“, Illan schaute für einen Moment betrübt zur Seite. Zu schrecklich war das damalige Erlebnis für ihn gewesen. Im Gesamten war es ja seine Schuld gewesen. Ein guter Freund opferte sich und Illan konnte nicht einmal etwas dagegen tun.


 

Bevor Linda ihn ertappte, schaute Illan wieder gleichgültig zur schwarzhaarigen Gildenmeisterin.

„Außer kann euch Illan mit seinen Sinnen helfen. Ich bin mir sicher, ihr werdet euch verstehen. Immerhin wollte er euch damals nur verjagen.“, erklärte Linda.

Daniel schaute den Angesprochenen darauf skeptisch an:

„Dann hat er verdammt echt gespielt.“, er klang immer noch mürrisch, als würde er dem Vampir nicht vertrauen wollen.

„Würde auch Sinn machen.“, meinte Julius.

Dieser große Junge war schwerer zu lesen, als sein Kollege neben ihm.

Sein kritischer Blick verbarg seine wahren Gedanken.

„Na ja......., ich hatte mir das schon gedacht.“, gab Max bekannt.

Der darauffolgende Blick des Schwarzhaarigen verbarg noch mehr.

„Seine Körperhaltung kommt einem Lügner gleich, aber seine Augen sagen die unverfälschte Wahrheit.", Illan wurde nachdenklich:

„Das ist keine gute Kombination, wenn ich ihn lesen will. Er könnte bestimmt seinen Namen sagen und dabei dastehen wie ein schlechter Lügner.“

Man musste nicht immer der perfekte Lügner sein, auch andersherum funktionierte die Methode.

Andersherum konnte man geübte Leute verwirren.

Illan mochte es nicht so sehr, wenn er seine Mitmenschen nicht lesen konnte.

Jetzt waren schon drei solcher Leute in seiner Umgebung.

Linda war die dritte Person.


 

"Ich gebe Illan eine Chance.", gab Max schließlich bekannt.

"Mh................. ich weiß nicht so Recht, ich bin noch unentschlossen.", erwiderte Daniel.

„Warum?“, hakte der schwarzhaarige Junge nach.

„Er könnte uns beißen und uns verwandeln. Hast du schon daran gedacht?“, wollte Daniel zu Max flüstern, aber Illan konnte das wunderbar mitanhören. Es interessierte ihn nur nicht.

Die Verwandlung in Vampire war sowieso nur höheren Vampiren vorherbestimmt. Illan konnte ohne Weiterentwicklung so viel beißen wie er will, es würde nicht funktionieren.

„Du brauchst nicht flüstern.“, entgegnete Max zunächst. Seine Stimme war leicht arrogant geworden:

„Er kann dich schließlich hören. So denke ich das zumindest, aber um auf dich zurückzukommen. Ein Ast kann jederzeit vom Baum abbrechen und dich erschlagen und dann...............“

„Bitte lass einfach einmal die Diskussion.“, beendete Julius genervt das Gespräch.

"Und nun haben wir hier genug Zeit verloren. Wir machen das jetzt einfach so. Wir gehen zurück. Ihr packt eure Reisesachen. Ich organisiere euch die Fahrt nach Festa, falls Tina abgefahren sein sollte. Sollte sie schon abgefahren sein, dann hat sie ein drei Stunden Vorsprung. Tina wird jetzt also noch nicht in der Hafenstadt Astera sein. Fahrt ihr notfalls hinterher, dann müsst ihr sie dort schnell suchen. Astera ist leider keine kleine Stadt. Die Suche wird nicht einfach werden. Ruht euch aber zunächst ein bisschen aus, denn wenn die nächste Fähre losfährt, dann werde ich euch rufen. Wir dürfen die Zeit nicht aus den Augen lassen. Auf dem Schiff könnt ihr euch ebenfalls kurz ausruhen.", erklärte Linda.


 

Die Gruppe ging los und die Zeit verflog.

In einer Kapuzenjacke getarnt, blieb Illan außerhalb der Stadt. Der Vampir ging schon zum Hafen.

Dort wartete er einige Minuten.

Für den Vampir war das stille Warten kein Problem mehr, denn er musste schon oft stundenlang an einer Stelle stehen und warten, dabei versagten seine Sinne nie.

Das Schiff fuhr bald ab, also mussten sich die fehlende Truppe beeilen.

Die Gruppe versammelte sich schließlich dann doch noch im Hafen und Linda brachte jeden auf den neusten Stand.

Noju hatte Rossya zu Dr. Drogan gebracht. Der Arzt stellte aber nichts Ernsthaftes fest.

Er selber hat Tina nicht in der Stadt gefunden. Niemand hat sie dort gesehen.

In der Umgebung fanden Engl und Noju sie auch nicht.

Alina gab per Handy ebenfalls Bescheid, dass Tina nicht am Hafen war. Die Wahrscheinlichkeit war also groß, dass sie nun doch schon abgefahren war.

Ein Anruf später war die Gewissheit größer. Der Mann an der Auskunft im Hafen bestätigte ein entsprechendes Mädchen auf der Fähre.

Da Tina, aber in Ruhe gelassen werden wollte, wollten sich die Matrosen nicht einmischen.

Angeblich schien sie sich mit jemanden zu unterhalten. Es soll ein junger Bursche sein.

Trotz dem beunruhigenden Gesichtsausdruck der Dame, akzeptierte Linda das Verhalten der Schifffahrtsgesellschaft, denn die Gildenmeisterin wollte mit Garantie nicht, dass irgendjemand grob zu einem jungen Mädchen wurde. Man musste sie also mit Worten überzeugen und das schnell, bevor Tina zu weit wegläuft.

"Ihr müsst also doch hinterherfahren. Ich werde mich auch an Ricks Wunsch halten. Ich werde euch die Aufgabe anvertrauen." gab die schwarzhaarige Gildenmeisterin am Hafen bekannt.

Als sie die Gruppe auf die nächste Fähre gebracht hatte, musste sie wohl noch etwas dringen loswerden:

"Passt auf euch auf. Ich vertraue euch wirklich, dass ihr sie gesund zurückbringt. Ihr bringt Tina heil zurück!", betonte Linda.

„Auf jeden Fall!“, gab Rick selbstsicher von sich.

„Dass diese Göre einfach weggelaufen ist. Ein Ranger Guild Mitglied tut so etwas nicht.“, gab Alina mürrisch bekannt. Sie war wegen irgendetwas schlecht gelaunt.

Illan hatte mit ihr kurz geredet, als er am Hafen angekommen war. Rick hatte sie vorgestellt, auch wenn beide eher so wirkten, als fühlten sie sich in der Gegenwart des Vampirs nicht wohl.

Es war kein unbekanntes Gefühl für den Mann mit der purpurfarbenen Frisur.

Eigentlich sogar sehr nachvollziehbar für Illan. Er würde auch keinem anderen Vampir trauen.

Zumindest konnte er sich schon ein gutes Bild von Alina und Rick machen, aber es nervte den Vampir gewaltig, dass Alina nun die vierte Person war, welche er nicht lesen konnte.

Rick war dagegen einfacher, weil er gestrickt war wie ein durchschnittlicher sportlicher Junge mit einem großen Haufen Selbstvertrauen, welcher keine Fehler verzeihen konnte.

Alina war von allen Kandidaten am schwersten zu lesen und ihre bösen Blicke machten selbst dem Vampir ein gewisses Unwohlsein.

Sie konnte bestimmt sehr giftig werden, wenn das Mädchen wohl schlecht gelaunt war.

Solche Leute konnte er eigentlich nicht in seiner Nähe gebrauchen.


 

Das Schiff gab Anzeichen, dass es wohl bald losfahren würde.

Es war Mittag, deswegen gingen in den letzten Minuten noch über ein dutzend Personen vom Schiff ab und auf das Schiff auf.

Wahrscheinlich waren um die vierzig vielleicht fünfzig Menschen auf dem Schiff. Ein Drittel davon war wahrscheinlich die Besatzung. Viele Matrosen eilten teilweise unkoordiniert umher.

Der untypische Kapitän, der eher wie ein Anwalt aussah, weil dieser ein schwarzen Anzug trug und eine rote Krawatte. Auf dem Kopf aber die Kapitänsmütze.

Linda stellte ihn als Fraje Krexxer vor.

Man sollte ihn nicht nach seinem Äußeren verurteilen.

Zwar waren die Blicke von Fraje stets kritisch und unzufrieden, aber er war ein friedfertiger Mensch, der nur seiner Arbeit nachging. Der Mann arbeitete einwandfrei und zudem sollen seine Fertigkeiten als Navigator großartig sein.

„Kommt heil zurück.“, rief Linda hinterher, als die Fähre abfuhr.

„Sind wir kleine Kinder oder was? Sie muss uns nicht an der Hand führen.“, brummte Alina genervt.

„Sie meint es nur gut.“, erwiderte Rick.

„Zu gut.“, fügte Alina hinzu. Sie wandte sich vom Geländer ab.

Illan musste eine Sache zugeben und zwar, dass er doch sehr interessiert war zu erfahren, wie die Ereignisse sich entwickeln werden. Wie die Gruppe zusammenarbeiten würde.

Vielleicht war dieses Gefühl auch nur da, weil er endlich frei war von seinen alten Ketten.

Mr. S war nicht mehr da und nun war Illan frei.

Der Vampir genoss für einen Moment den kühlen Wind der frischen Seeluft.

Er fühlte sich gut an.

Selbst das Sonnenlicht störte ihn nicht. Es brannte nicht, wie es immer davor gewarnt wurde.

Diesen Moment konnte nichts stören.

Immerhin war selbst dieser Moment wesentlich spannender und angenehmer, als das Leben in Gefolgschaft von Mr. S. Endlich war diese Zeit zu Ende. Zum Glück.

Verschwunden III --- Geladene Stimmung

[Max]
 

„Wieso wir? Was hat uns so besonders gemacht, dass wir von unseren Erinnerungen beraubt wurden und unbeschadet hier gelandet sind. Nun ja, Julius war ja auf Festa gelandet. Aber liegt auf Ranger Island ein besonderer Grund? Ich verstehe das nicht so ganz.“, überlegte der Schwarzhaarige.

Sein Blick schweifte zu seinen zwei Kollegen, die mit großen Augenringen halb abwesend am Tisch saßen, welcher sich im Fährenrestaurant im obersten Stock befand.

Max musste wohl auch selber große Augenringe besitzen.

War ja auch nicht zu verdenken, denn die drei Jungs hatten nicht geschlafen, seitdem sie zum Steingarten aufgebrochen waren.


 

Rick und Alina sahen dagegen wesentlich fitter aus, auch wenn Max gerade nicht wusste, wo die beiden sein könnten.

Wobei.

Eigentlich konnte sich das Max schon denken oder zumindest vermutete es.

Ob es zwischen Rick und Alina mehr gab, als nur eine einfache Beziehung? Sie machten zwar nicht wirklich den Anschein. Es wirkte eher wie eine Besitznahme und...........

„Weißt du wie viel Uhr es ist?“, fragte Daniel. Er klang überanstrengt, dabei saß der Junge nur am Tisch und versank beinahe in seinen Armen.

Das Problem war, dass man hier keine Betten oder Hängematten bekam, in denen man sich ausruhen konnte. Dieser Luxus war nur gut zahlenden Gästen vorenthalten.

„Warte kurz.........“, meinte Max. Er schaute auf seine neue schwarze Armbanduhr am rechten Arm.

Er hatte sie als Belohnung eines kleinen Auftrags in Orange zum halben Preis bekommen. Sie tat ihre Dienste bisher gut. Besonders wertvoll sah die Armbanduhr aber nicht aus. Max war das aber auch nicht so wichtig.

„Falls du nach der Ankunftszeit fragst, es sind noch knapp zwei Stunden.“, erklärte er.

Daniel war aber schon mit dem Kopf in seinen Armen versunken.

Julius hielt sich dagegen wacker oder zumindest ließ er sich nichts anmerken.

Mit verschränkten Armen saß er auf dem Stuhl und der Junge starrte aus einem runden Fenster.

„Die sind wohl gedanklich beschäftigt oder schon längst außer Betrieb?“

Neue Gedanken mischten sich in seinen Gedankengang, als er ein junges Mädchen vorbeilaufen sah, die ihn stark an Tina erinnerte, jedoch war es ein völlig fremdes Mädchen, welches im nächsten Moment aus dem Restaurant lief.


 

Die Hauptursache für diese Reise war Tina. Es war immer noch schwer zu glauben, dass sie einfach davongerannt ist oder war genau das eigentlich typisch für sie? Max wusste es nicht genau.

Sein Herz sagt, dass er sie kannte, aber sein Verstand sagte dies nicht. Was war nun typisch für Tina? Wie war denn ihr wirklicher Charakter? Konnte sie durch die Amnesie eigentlich ein anderen Charakter bekommen haben? Könnte er selber durch die Amnesie eigentlich ein anderen Charakter bekommen haben?

"Hätte ich mit Tina mehr reden sollen? Was hätte ich ändern können? Ich weiß ja selber nicht so genau, wie ich das verarbeiten soll. Es ist so fern und gleichzeitig so nah, das Gefühl etwas zu Wissen, dass man etwas wusste, aber jetzt nicht mehr. Ich weiß nicht wie Daniel und Julius damit so einfach klarkommen. Wir kennen uns, aber erinnere mich nicht wirklich daran. Es beschäftigt mich sehr. Ich bin mir sicher, dass Tina auch.............."

Der Kellner lief in zügigen Schritten vorbei. Das Klirren der Gläser auf dem Tablett brachte Max aus seinen Gedanken. Er war müde, sodass jedes Geräusch ihn sofort aus der Konzentration brachte.

„Ich sollte mich ein wenig bewegen.“, meinte Max zu sich selbst.

Er stand auf und zufällig entschied sich der Junge für irgendeine Richtung.

Auf dem Gang zwischen dem Restaurant und den Kabinen sah er schließlich Rick und Alina stehen.

Die Situation sah jedoch nicht günstig für Rick aus:

"Rick! Wie hast du das eigentlich angestellt? Ich freue mich zwar, dass Tina nicht mehr........., aber wieso tust du das? Wieso willst du Tina unbedingt zurückholen? Sie hat doch diesen ewigen Brief geschrieben. Sie will doch nicht mehr hier sein. Unter allen Umständen will die Göre weg. Wir sollten uns nicht so abmühen. Auch wenn das ein Ranger Guild Mitglied niemals tun sollte, also stillschweigend abhauen. Es ist eine Schande für die Gilde, ich finde..........“, erklärte das blonde Mädchen.

Der ernste Blick von Rick ließ sie für einen Moment stoppen.

Ihre Arme waren verschränkt und Alina nahm eine genervte Haltung ein.

„Alina.“, begann Rick ruhig. Er wirkte jedoch gestresst.

„Was passiert ist, ist nicht der wichtige Punkt. Wir müssen Tina finden und ihr erklären warum sie falsch über uns denkt. Sie hat bisher nicht verstanden, dass wir gar nicht gegen sie sind. Wir haben alle unsere Fehler gemacht. Wir hätten es besser tun sollen. Vielleicht wäre Tina dann gar nie auf diese dumme Idee gekommen?“

„Nein ich habe nichts falsch gemacht.“, erwiderte Alina sofort.

Rick ignorierte ihre Aussage. Er setzte nach einer kleinen Pause fort:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass sie nicht weiß woher sie stammt. Ich kann es nicht verstehen, aber ich denke es könnte eine Leere in ihr sein. Egal........, aber ich muss sie finden und zurückbringen. Ich kann meine Dummheit nicht so stehen lassen. Ich hätte so etwas damals nie zu ihr sagen sollen.“

„Du willst doch nur deine Fehler revidieren. Du willst Tina nicht um ihren Willen retten, sondern nur um deinen. Wenn du auf Tinas Seite wärst, würdest du akzeptieren was sie will. Eventuell ihr sogar helfen, was in dem Fall nicht nötig ist.“

Rick schwieg kurz. Er schien noch mehr verärgert zu sein, aber der Junge schluckte wohl seinen Ärger runter:

„Alina.“, klang er jetzt gereizter:

„Linda hat selbst gesagt, dass vor allem jetzt Tina Hilfe in allen Lagen braucht. Sie weiß nicht wohin sie gehört. Linda erklärte doch, dass ihr der rote Faden fehlt. Tina ist in Gefahr, wenn sie einfach so in die weite Welt hinaus spaziert. Verstehst du das endlich, Alina? Tina ist nicht davongerannt, weil sie uns hasst. Sie ist fortgerannt, weil wir Tina im Grund eigentlich ignoriert haben. Sie hat nun nicht einmal so ein starken und selbstbewussten Charakter wie du!“

„Na ja..........“, wollte das blonde Mädchen verlegen erwidern, da fiel ihr Rick sofort ins Wort:

„Nein Alina!“, wurde er lauter und seine Freundin starrte Rick überrascht an.

„Mir reicht deine teilweise arrogante und bockige Art. Tina ist nicht dein Feind. Sie wird sich nicht zwischen uns stellen, aber ich werde den Fehler von damals nicht erneut begehen. Du weißt doch selber was damals grauenhaftes geschehen war..........“, er stockte plötzlich.

Rick sah zu Max, daraufhin sah er wieder zu Alina und beide verließen den Gang. Sie liefen ein Stockwerk tiefer.

Der schwarzhaarige Junge fühlte sich in diesem Moment wie ein Störenfried. So beschloss Max wegzugehen, auch wenn das Gesagte sehr interessant in seinen Ohren klang.


 

Eine kurzer Zeitraum verstrich wieder und Max streifte durch die halbe Fähre.

Es war an vielen Orten still, teilweise fühlte es sich sogar ein wenig beunruhigend an.

Daniel und Julius verweilten immer noch im Restaurant. Rick und Alina waren verschwinden.

Illan war ebenfalls nicht mehr aufzufinden, wobei Max ihm zutrauen konnte, dass sich dieser einfach nur gut tarnen konnte.

Die Wellen waren ruhig und die Bewegungen des Schiffes blieben auch allgemein sehr ausgeglichen.

Nach seinem gelangweilten Gang durch das halbe Schiff, landete Max wieder auf dem hinteren Teil des Schiffes.

Fast zwei Stunden waren vergangen, seitdem sie den Hafen verlassen hatten. Nun war nicht einmal mehr Ranger Island in der Ferne zu sehen.

Es war zudem ein wenig nebelig geworden und die Kühle nahm zu. Ein minimaler Wind fegte über das Deck.

Die dunklen Wolken hatten sich zum Glück zu keinem Gewitter gebildet.

Die frische Luft tat seiner Konzentration gut und die Müdigkeit verschwand ein wenig.

Er genoss die Einsamkeit, die er verspürte, als er wieder aufs Meer schaute.

Nun eines war gelogen.

Denn eigentlich war er nicht allein.

Auf dem Geländer, nicht unweit von ihm, stand noch jemand.

Diese Person stand wortwörtlich auf dem Geländer. Ein Wunder wie diese Person auf der runden Oberflächen überhaupt balancieren konnte.

Die fremde Person war eine Frau. Eine Dame ungefähr im Alter von Linda.

Max blickte abwesend kurz zu ihr und dann wieder zurück an die alte Stelle.

Der Denkprozess in seinem Gehirn brauchte ein wenig länger, bis er bemerkte, warum die Dame vermutlich auf dem Geländer stand.

"WAS!", rief er entsetzt.

"Wartet warte, du willst doch nicht springen, oder?", aber sie antwortete nicht.

Max klatschte sich an die Stirn:

„Da kann ich sie ja gleich dazu ermutigen.“

Nervös blickte er wieder zu ihr. Max war plötzlich wie angewurzelt. Was war im Moment die richtige Reaktion, welche kein Unglück hervorrief.


 

Die Dame die auf dem etwas älteren Geländer stand, war groß und schlank.

Sie hatte langes blondes glattes Haar. Es reichte ihr bis zu den Oberarmen.

Sie trug ein weißen Sonnenhut, der sich durch den leichten Wind bewegte.

Eine weiße Jacke ummantelte sie, dazu trug die Dame eine schwarze Jeans und schwarze Reiterstiefel, vermutlich aus echtem Leder.

Zuerst hatte sie Max ignoriert.

Sie drehte sich aber dann doch zu ihm.

Eines war aber mysteriös, denn sie lächelte ihm zu. Sie machte keinen Anschein, als wäre sie dem Leben müde.

Während die Fremde anfing langsam auf dem alten rostigen Geländer zu balancieren, erkannte der schwarzhaarige Junge, dass diese Geschichte so nicht gut ausgehen würde. Das Gerüst gab verdächtige Geräusche von sich.

„Das endet vermutlich böse.“

Um so länger der schwarzhaarige Junge sie anschaute, um so mehr wurde ihm langsam etwas klar.

Ihr Gesicht kam Max bekannt vor. Er hatte sie vorher schon im Restaurant bemerkt.

"Die habe ich vorher schon gesehen, sie war nicht unauffällig. Öfters war sie gegen verschiedene Leute gestolpert.", überlegte Max.

Er hatte diese Frau aus Neugier für einen Moment lang beobachtet, solange, sodass sie ihm plötzlich zulächelte und Max dadurch verlegen zur Seite sah.

Der Junge hatte sie auch damals im Restaurant gelangweilt angestarrt, wahrscheinlich weil sie sich schon sehr auffällig benahm, dazu waren ihre Entschuldigen laut und sie klangen unbeholfen. Viele Leute bekümmerte das nicht wirklich. Sie lächelte ihr immer milde zu.

Immer wieder berührte sie die Männer an den Schultern, die sie versehentlich anrempelte.

Den älteren Herrschaften verdrehte die Frau dadurch natürlich den Kopf. Durch ihr Aussehen wurde das Ganze sicherlich beschleunigt.

Sie schlich ebenfalls an den größeren runden Tischen vorbei. Die Dame hatte lautstark ihren Tisch gesucht, aber am Ende war die Fremde trotzdem schnell aus dem Raum verschwunden.

„Irgendwas stimmt bei der nicht.“, Max drehte sich in Richtung Türe.

"Du willst schon gehen?", fragte sie plötzlich mit hoher Stimme. Ein leichter Unterton schwang mit.

"Ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen, du hast mich nur erschreckt.", erklärte er schnell.

"Die ist mir nicht ganz geheuer. Irgendwie..........", überlegte er mit Schweißperlen auf der Stirn.

„Erstaunlich, dass du das gesehen hast? Aber junge Augen sehen mehr, als man ihnen zu glauben verschenken mag.“

„Du redest von was?“, fragte Max vorsichtig, während er sich langsam der Tür näherte.

„Besser ich verschwinde schnell von hier. Ich weiß nicht wie sich das hier noch entwickeln wird.“

"Wenn du gehst, falle ich ins Wasser und schreie laut, dann kommen die Leute her und fragen sich was bestimmt passiert sei.", erklärte die Fremde in einem leichten sanften Ton.

Max schauderte es und er blieb stehen.

"Sie droht mir tatsächlich! Was will sie von mir? Weiß ich zu viel?", langsam drehte sich der schwarzhaarige Junge um. Die Schweißperlen verdoppelten sich.

Seine Nervosität stieg. In seinen Gedanken kreisten einige wilde Szenarien.

Ein Szenario war das nicht so freiwillige Tauchen im Meer.

"Gute Entscheidung, Kleiner. Ich..............", sie kam ein Schritt näher heran, aber sie balancierte immer noch auf dem alten Geländer.

Doch plötzlich musste sie dabei laut loslachen:

"Ich kann nicht mehr! Man kann dich so wunderbar hinters Licht führen. Keine Scheu, Kleiner. Als ob ich irgendetwas böses von dir will."

Etwas krachte plötzlich ab. Es klang wie das Brechen einer Schraube.

Das rostige Geländer brach ein, daraufhin fiel sie nach hinten.

Die Fremde fiel kurz, aber dennoch konnte sie sich noch rechtzeitig für einen Moment lang am übrigen Geländer festhalten.

Der rostige Abschnitt versprach jedenfalls nicht das, für was er gebaut wurde, denn er verbog sich viel zu schnell. Am Ende brach das Stück sogar einfach ab.

Bevor dieses Stück sie mit nach unten nahm, packte Max ihren rechten Arm, sodass sie sich mit einem Absprung von der Seite des Schiffes nach oben schwingen konnte.

Beweglich war die Fremde auf jeden Fall.

Die Dame flog mit einem Rückwärtssalto nach oben, dabei streckte sie ihre dünne langen Beine aus und landete hinter Max, als wäre dies eine Zirkusnummer.

Der Junge drehte sich erstaunt um:

"Wow! Sportlich ist sie wirklich.", dachte er überrascht.

"Danke, Kleiner.“, die Fremde pausierte kurz.

„Was willst du dafür haben?“, fragte sie anschließend.

Die Dame klang ernster.

Max sah sie skeptisch an.

Die Versuchung war zwar da, aber sein Gewissen und seine Skepsis hinderte Max daran nach Geld oder nach sonstigem zu fragen:

„Nein. Ist mir sowieso viel zu unsicher. Ich meine....., lieber nichts“, erklärte er. Seine Stimme klang noch ein klein wenig nervös.

Die Fremde schmunzelte zufrieden:

„Es ist deine Sache.“, sie pausierte erneut.

„Aber ich will nicht unhöflich sein. Wenn du schon kein Geld oder Schmuck haben willst, darfst du dafür meinen Namen erfahren. Ein Teil zumindest.“

Der schwarzhaarige Junge schaute sie weiterhin skeptisch an. Was wollte er mit einem Namen?

„Mein wunderschöner Name ist Rosanna und ich bin...........“, sie wurde leiser, während die Dame wieder auf das Geländer stieg.

Bevor Max überhaupt reagieren konnte, war die Dame schon wieder auf dem Geländer.

„.......eine bekannte Meisterdiebin. Man sieht sich.", verabschiedete sich die Blondine.

Die Dame setzte zum Sprung an und plötzlich klappte ein Gleiter unter ihrer weißen Jacke am Rücken hervor und die Diebin sprang erstaunlich weit in die Höhe. Die Fremde wurde vom Wind davongetragen.

Max erinnerte sich an diese Szene. Es ähnelte einem sehr bekannten Roman, welcher er in der Stadtbibliothek in Orange zufällig gesehen hatte. Es war der Raub des weißen Zylinders.

Das Fluggerät war einzigartig und es gab sogar Skizzen davon.

Wahrscheinlich war sie nur eine Nachahmerin.

„Ist sie vielleicht...............?“

Die Blondine glitt mit dem leichten Wind davon.

Sie rief noch zum Schluss zum schwarzhaarigen Jungen zurück:

„Manus manum lavat.“, daraufhin verschwand sie im Nebel auf dem Meer.

Er hatte nicht verstanden, was der Satz bedeutete.


 

Ein starker Windhauch wehte ihm plötzlich ins Gesicht, daraufhin sah er in die Ferne.

Wie weit es wohl noch bis zum Hafen war?

Max sah sich um.

Niemand anderes hatte die Szene mitangesehen und er kratzte sich schließlich am Kopf.

Was sollte er jetzt tun? Wenn er jetzt etwas sagte, dann glaubten ihm die Leute vermutlich nicht und er bekam mit Sicherheit nur Ärger.

So beschloss der schwarzhaarige Junge einfach zurück zum Schiff zu gehen und er suchte seine Gildenkollegen.

Er landete wieder im Restaurant, aber nun saßen auch Rick und Alina dort.

Die beiden saßen sich gegenüber und es wirkte aus der Ferne so, als würde sie immer noch diskutieren.

Max entschloss zu Daniel und Julius zu gehen. Er setzte sich wieder an den Tisch, aber keiner der beiden schien es wirklich zu registrieren.

Während der schwarzhaarige Junge fast einschlief, wurde er plötzlich durch laute Stimmen aufgeschreckt.

„Oh nein! Mein Diadem ist weg! Ich wurde beklaut!", rief eine fremde weibliche Stimme.

„EIN DIEB! HIER IST IRGENDWO EIN DIEB! Meine Brieftasche ist ebenfalls verschwunden.“, brüllte eine männliche Stimme.

Eine dritte Stimme rief lautstark durch den Raum:

„JEMAND HAT MEIN SCHMUCK! Mein wertvollen und wundervollen Schmuck.“,

im Laufe der folgenden Minuten vermehrten sich die Stimmen und dem schwarzhaarigen Jungen wurde schnell klar, dass die vorherige Fremde nicht nur eine Nachahmerin in Sachen des Abflugs war, sondern tatsächlich ebenfalls eine Meisterdiebin.

Die Blondine hatte nicht gelogen.

Er hatte einer Meisterdiebin zur Flucht verholfen.

Der schwarzhaarige Junge machte sich ein wenig kleiner, jedoch verhielt er sich ruhig. Sein Herz klopfte schneller, aber er konnte sich am Riemen reißen.

Er glaubte nämlich, dass wenn er jetzt etwas sagte, dann würde man ihn nur unnötig verdächtigen.

Die Stimmen häuften sich immer weiter.

Das Schiff wurde durchsucht, aber die Wertsachen waren am Ende nicht mehr aufgetaucht.

So auch nicht mehr in den nächsten Stunden, als sie im Hafen von Astera ankamen.

Die Polizei fand ebenfalls keinerlei Hinweise, außer die Beschreibungen der Frau, die verschwunden war.

Die Ranger Guild Truppe verließ das Schiff, da sie nicht betroffen waren, jedoch erst ganze vier Stunden später, wie gedacht, denn die Polizei nahm eine ordentlich Durchsuchung des Schiffes und der Mitfahrer vor.

Ohne ein Wort darüber zu verlieren, lief die Gruppe anschließend durch den Hafen.

Sie waren zum Teil ziemlich entnervt, vor allem Rick. Er wollte Tina unbedingt suchen und jede verlorene Minute war eine große Verschwendung. Die Polizisten wollten ihm aber nicht zuhören.

Nach einigen Minuten der Stille unterbrach Daniel diese:

„Ein Dieb? Wann soll denn da ein Dieb gewesen sein und wie soll dieser überhaupt spurlos vom Schiff verschwunden sein? Ich verstehe nicht wie er das geschafft hat. Die Polizei hat einfach keine Hinweise gefunden. Wie konnte die Polizei ihn nicht finden? Wir waren auf einem Schiff? Ist der Dieb womöglich ins Wasser gesprungen und das mit der ganzen Beute oder war der Kapitän womöglich der..............“

Julius antwortete ihm:

„Keine Ahnung, aber es interessiert mich auch nicht. Wenn die alten Leute ihre Wertsachen so offen herumstehen lassen, dann ist das deren Schuld. Mich nervt es nur, dass wir ganze vier Stunden warten mussten.“

Rick ballte beim Zuhören seine Hände wieder zu Fäuste:

„Ich will nicht mehr darüber nachdenken. Wir müssen Tina finden! VERDAMMTE SCHEIßE!“, brüllte er plötzlich lautstark. Wütend trat er gegen eine Straßenlaterne. Die Dorfbewohner starrten ihn böse an.

„Beruhige dich, Rick!“, befahl seine Freundin ihm mit wütenden Blicken.


 

Die Stadt war größer als gedacht und dann verbreitete sich auch das wahre Problem in den Gemütern der Gruppe.

Was nun?

Eigentlich hatte Rick fest entschlossen gemeint, er würde sie am Hafen suchen, aber nun fand man sie dort nicht.

Und jetzt?

Sie könnte überall in der Stadt sein oder sonst wo, aber wohin wäre Tina dann gegangen? Das Mädchen hatte ja eigentlich gar kein Ziel, also war nicht einmal sicher was sie nun tat.

Mit jeder Minute erweiterte sich das Gefühl der Ahnungslosigkeit und zugleich der Zorn des Jungen, der mit seiner Schuld nicht klarkam.

Wieder flog der Fuß gegen eine Straßenlaterne.

„Dein Zorn gegen die Straßenbeleuchtung wird uns bei der Suche nicht helfen.“, meinte Julius, jedoch klang er eher gleichgültig.

„Vielleicht fragen wir beim Polizeirevier nach...........“, Daniel erntete sofort den bösen Blick des verärgerten Jungen mit den kurzen braunen Haaren.

„Wir könnten im Rathaus fragen und wir können Linda anrufen.........“, wollte Max erklären, da unterbrach ihn Rick sofort:

„Nein! Wir finden sie!“, gab er bekannt. Der Junge wollte weitergehen.

„Warte!“, rief der schwarzhaarige Junge ihm hinterher:

„Wir sollten wirklich uns ein Plan überlegen. Wir können jetzt nicht einfach über den Daumen gepeilt die Stadt absuchen. Sie könnte.............“, Rick drehte sich um und wollte Max am Kragen packen, da wich der schwarzhaarige Junge noch rechtzeitig zurück und Julius brummte:

„Zeige mal ein bisschen mehr Selbstbeherrschung.“, er meinte wahrscheinlich damit Rick.

Julius wandte sich daraufhin von ihm ab. Er ging ein paar Schritte zur Seite. Wahrscheinlich war Julius auch nur extrem müde. Die Stimmung war allgemein sehr geladen.

Daniel blickte weiterhin skeptisch Rick, aber er verkniff sich wohl etwas zu sagen.

Max wirkte durch den abgewehrten Zusammenstoß sehr unzufrieden:

„Was sollte das? Ich wollte nur..........“

„So kommen wir nicht weiter. Hier muss Ruhe herrschen!“, Illan stand plötzlich neben den Beiden und unterbrach den Streit.

Er jagte zumindest bei vier von fünf Personen, also bei allen außer Julius, in der Gruppe ein großen Schrecken ein.

„Wo kommt der denn her? Der ist ja beinahe mitten aus dem Nichts aufgetaucht! Ich hatte Illan einfach völlig vergessen. Hat er vielleicht bisher Tina im Hafen gesucht?“, meinte Max blass. Der schwarzhaarige Junge würde aber nicht zugeben, dass er sich erschreckt hatte.

Der Vampir hatte aber sein Ziel erreicht, denn Rick gab Ruhe und wandte sich genervt um.

Die Truppe konnte so ihren vermeintlichen Weg fortsetzen.


 

Die Gruppe erreichte das Zentrum der Hafenstadt, welches sich als unübersichtlich und groß herausstellte. Tina dort zu finden, würde verdammt schwierig werden und wer wusste eigentlich, ob Tina überhaupt noch in dieser Stadt war und sie nicht schon längst weiterzog?

"Wo ist sie nur? Wir haben keine Anhaltspunkte mehr. Es ist.........", jammerte Rick. Er war sichtlich müde und schlecht gelaunt.

Seine Freundin war das um so mehr. Jeder Augenkontakt führte nur dazu, dass es noch mehr Spannungen als zuvor gab. Sie wollte ihn sichtlich trösten, aber Rick wollte das nicht.

Kratzte das etwa an seinem Ego?

"Hast du eigentlich etwas bei dir, was Tina gehört bzw. getragen hat?", fragte Illan plötzlich den braunhaarigen Jungen.

Rick drehte sich verwundert um.

"Ja, ich habe das Gildenarmband von ihr. Sie hatte es zurückgelassen.", antwortete der Junge.

Er schien sichtlich zu überlegen, warum der Vampir überhaupt gefragt hatte. Jedoch war sein Blick eher skeptisch, was aber wohl der Tatsache verschuldet war, dass Illan nun immer noch ein Vampir war.

"Das ist sehr gut. Dann können wir jetzt jemanden aufsuchen, der Ortungsmagie beherrscht.", erklärte Illan in einer zufriedenen Tonlage.

Bevor noch ein weiteres Wort dazu fallen konnte, rief plötzlich eine unbekannte Stimme hinter der Gruppe zum schwarzhaarigen Jungen:

"Max? Bist du das wirklich?“, die Truppe wandte sich daraufhin erstaunt zur fremden Stimme um, vor allem Max.

Verschwunden IV --- Der Magier

[Rick]
 

Auf Ranger Island war die Welt klein, zumindest lebte man eigentlich nur auf der Insel.

Man sah jeden Tag die gleichen Leute und man kannte eigentlich immer die gleichen Geschichten.

Selten war man mal in Astera gewesen oder allgemein auf Festa.

Rick hat bisher sozusagen nur auf der Insel gewohnt und seine Kindheit dort ausgelebt.

Linda Westallya ist nicht seine Mutter, aber seine Ziehmutter, wobei ihre Cousine ebenfalls den Jungen großzog.

Seine wahren Eltern hatte er nie kennengelernt.

Er hatte auch eine kleine Schwester gehabt, dies ist jedoch eine andere Geschichte. Eine düstere und traurige Geschichte.


 

Alina, seine jetzige Freundin, war während seiner Kindheit ebenfalls auf Ranger Island aufgetaucht. Angeblich soll sie eine der Überlenden des großen Schiffsunglück gewesen sein.

Bei einem schweren Sturm fuhr das Schiff auf ein Riff auf. Es explodierte und versank.

Man fand ein bewusstloses Mädchen am nächsten Tag am Strand.

Da es kein Heim auf Ranger Island gab, übergab man das Kind Linda, die sich dann um sie kümmerte. Schließlich blieb Alina dort.

Das blonde Mädchen war die einzige Person auf der Insel, die ungefähr im gleichen Alter war wie Rick.

Die Quote der Kinder war allgemein sehr gering und kaum jemand ließ sein Kind auf der Insel aufwachsen, da vor allem der Schrecken des Mr. S viele Leute verunsicherte. Es war definitiv keine kinderfreundliche Gegend.


 

An die alte Gilde erinnerte er sich nur noch schwach, aber damals war er auch oft für sich im Wald.

Man verbat ihm dies zwar, jedoch wollte er lieber die Insel erkunden, als irgendetwas zu lernen.

Zwar gab es eine Schule und Linda war, wie immer, eine strenge Lehrerin, jedoch wollte Rick in seinen jungen Jahren lieber Abenteuer erleben.

So alt war er heute auch nicht, dass seine Kindheit schon lange vorbei war, aber in den wenigen vergangenen Jahren hatte der Junge eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Maßgebend war der brutale Tod eines geliebten Menschen.

Er verdankte Alina, dass der Junge damals nicht zerbrochen war, deswegen war ihm das Mädchen, auch trotz ihrer Arroganz, so sehr am Herzen.


 

Von anderen Gilden auf der Welt kannte Rick keine einzige Person persönlich.

Die ehemaligen Mitglieder der alten Gilde hatte er zum Teil auch schon wieder vergessen, wobei Rick sich garantiert erinnern würde, wenn er die Gesichter erneut sah.

Die mächtigsten Gilden von Festa waren ihm natürlich ein Begriff, aber sie waren nicht präsent.

Das große Stadtleben war auf Ranger Island nie aufgekommen.

Zum Glück hing Orange dem technologischen Standard nicht hinterher. Immerhin sorgte Karstoll, der Bürgermeister für den Aufschwung der Stadt.

Innerhalb von fünf Jahren war das Durchschnittseinkommen stark angestiegen.

Die meisten ahnungslosen Leute liebten ihn deswegen.

Was der Bürgermeister in Wirklichkeit für ein Mensch war, das hatte Rick schon längst von Linda und den anderen erfahren, aber der Junge war nicht zu blöd zu wissen, dass man gegen solche Leute eigentlich nicht ankam.

Gerechtigkeit war sowieso nur ein Mythos.

Das hatte er schon am eigenen Leib erfahren.


 

"Wer ist das?", fragte Rick, als er die fremde Person begutachtete.

Es war ein Junge, vielleicht in seinem Alter oder sogar noch älter.

Er wirkte im ersten Moment harmlos und gutmütig.

Es war keine Person, die den Ärger von Rick anheizte. Die Stimmung in der Luft war immer noch geladen, jedoch nahm dies ab, als der Fremde einen Schritt auf die Truppe zutrat.

Das Ziel war Max und anscheinend kannte diese fremde Person den schwarzhaarigen Junge.

Rick erkannte das Armband des fremden Jungen.

Es war ein Gildenabzeichen. Ein dunkler blauer Wassertropfen befand sich darauf.

Dieses Abzeichen war weltbekannt, denn es repräsentierte die größte Magiergilde in Festa, beinahe der ganzen Welt.

Die Gilde hatte den einfach Namen Magic Guild.

Vermutlich um einfach schneller und besser wiedererkannt zu werden. Pragmatismus zahlt sich halt aus.

Der Aufbau dieser Gilde war anders, wie bei der Ranger Guild.

Statt dem klassischen Aufbau einer durchschnittlichen Gilde, beherrschte diese Gilde eine sehr durchdachte Struktur.

Bis auf die Ränge, welche weltweit gleich waren, konnte man die Gilden nicht vergleichen.

Es war eine gigantische Schule mit über vielen tausenden Schülern und der passenden Anzahl von Lehrern.

Während die Mitglieder Schüler, Absolventen und Lehrer waren, wohnten sie jedoch alle in den selben Städten bzw. Wohnvierteln, die unter der Mantel der Gilde standen, abgesehen vom Grundgesetz der Regierung von Festa.

So lebten alle Mitglieder in der gleichen Umgebung und sie besuchten das einzige gigantische Lehrzentrum der Gilde, um ihr Wissen zu steigern.

Dort lernten sie nicht nur Allgemeinwissen oder Magie, wie der Name schon vermuten ließ. Man konnte dort ebenfalls seinen Abschluss in einem hohen technischen Bereich machen.

Diese Vielfalt machte die Magic Guild weltberühmt.

Sie gehörte zu den zehn größten Gilden der Welt.

Das Markenzeichen blieb aber die Magie, denn dort konnte allerlei studiert werden.

Als Mitglied oder sogar als Außenstehender, jedoch kostete dies dann Geld, man war jedoch dann keinen Verpflichtungen unterworfen.

Soweit Rick noch wusste, hieß der jetzige Gildenleiter Zebrom Birkenwald.

Ein Zauberer wie aus dem Bilderbuch, wahrscheinlich war dies aber eher Marke als wahre Tatsache.

Er war aber nach Gerüchten schon sehr alt und er litt an einer unheilbaren Krankheit.

Die Gilde wurde regelmäßig in der Allgemeinzeitung von Festa erwähnt, die man auch auf Ranger Island kaufen konnte.

Nur war Rick kein Zeitungsleser. Alina dagegen las schon mehr, auch wenn es in der Regel nur im Mode ging, welche sich das Mädchen nicht unbedingt leisten konnte.


 

"Wer bist du?", fragte Max. Er schaffte damit, das freundliche Gesicht entgleisen zu lassen.

Der Junge blieb entsetzt stehen.

Erst nach ein paar Sekunden fing sich der Junge wieder. Ein großes Lächeln bildete sich ab und er meinte erheitert:

"Ah ha ha ha, der Witz war gut. Wir kennen uns doch oder hast du das wirklich schon vergessen?"

Dabei fiel Max wohl etwas wichtiges ein.

Er ging ein Schritt vor und packte das Gildenmitglied der Magic Guild am linken Arm, der darauf verlegen zurück weichen wollte.

Überrascht meinte er:

"Was............ was ist los? Ich habe eine Freundin."

Verärgert und verlegen brummte der schwarzhaarige Junge:

„Warte doch einfach ab!“

Es passierte anscheinend wohl nichts und Max ließ den Arm sofort los. Genervt und beleidigt entfernte sich anschließend der schwarzhaarige Junge. Er stellte sich neben Illan, um wohl Abstand zu gewinnen.

Rick konnte sich sein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Mich würde das vermutlich auch verärgern.“

"Mh, also bist du nicht in einem Krater aufgewacht?", meinte Max zu dem Fremden.

"Krater?“, fragte der Junge erstaunt.

Seine goldgelben Pupillen suchten fragend eine Antwort.

Der braunhaarige Junge mit den, zu den Nacken reichenden, Haaren, schien jedoch mit dem Begriff etwas anfangen zu können.

Nach dem ersten Moment der Verblüffung setzte der Fremde fort:

„Nein, bin ich nicht, aber ich habe von diesen Ereignissen gehört. Also das in Festa und in der Umgebung. Da sollen ja ein paar Dinge niedergegangen sein, die Krater verursacht haben. Es war sehr Publik bei uns in der Schule.“, er überlegte kurz, daraufhin fragte der Junge:

„Aber mal noch eine andere Frage. Ist das Zeichen.........., ist das von der Ranger Guild? Es ähnelt sehr der alten bekannten Gilde von Ranger Island..........., die hieß doch.......?", der Junge blickte in die müden Augen von Max, der ihn nur unzufrieden anschaute.

Der Fremde hatte die Armbänder der Gruppe gemeint.

„Gold Guild. Sie war früher die Gilde der Insel.“, erklärte Rick kurz.

„Aber mehr braucht ihn nicht zu interessieren, auch wenn es mich erstaunt wie der von uns weiß. Wir sind doch eigentlich so unbekannt?“

„Woher kennst du uns?“, fragte Alina zugleich, als hätte sie die Gedanken von ihrem Freund gehört. Wobei Rick dies manchmal sogar vermutete, so wie sie stets immer wusste was ihr Freund dachte.

Der Fremde lächelte zufrieden:

„Ich habe mir fast alle Gildenzeichen des Landes gemerkt und auch von außerhalb. Euer Symbol ähnelt der alten Gilde, der Gold Guild. Die Gilde existiert nicht mehr, also muss es der neuen Gilde gehören. Also die Gilde, die in den Fußstapfen tritt. Die Ranger Guild ist gar nicht so unbekannt, wie ihr vielleicht denkt. Immerhin kennt man euch als Hauptbeteiligter der Vertreibung des Tyrannen von der Ranger Island. Offiziell redet man vom Bürgermeister, aber jeder normaler Mensch weiß, dass die einzige Gruppierung auf der Insel, die Ranger Guild ist.“, der Junge hatte einen langen Atem.


 

Der Blick des Fremden feil sofort wieder auf Max:

„Aber wieso kennst du mich eigentlich nicht? Aber das Gildenzeichen kennst du doch?“,

der schwarzhaarige Junge seufzte. Dieser erklärte im nächsten Atemzug:

"Ich erinnere mich an nichts. Ich leide, wie ein paar andere, an einer seltsamen Amnesie. Ich habe mein komplettes Gedächtnis verloren, seitdem ich in einem Krater aufgewacht bin. Durch Berührung kann ich manchmal einzelne Fetzen wiedergewinnen, aber du bist mir immer noch völlig unbekannt. Ich weiß nicht, ob ich dich kenne."

Der fremde Junge hob seine linke Hand. Er ließ verstehen, dass er vermutlich das Problem verstanden hatte oder zumindest ein Teil davon.

Der Fremde schob sein linken Ärmel zurück und eine Bandage kam zum Vorschein.

Um die Bandage waren noch zusätzlich schwarze Bänder gewickelt worden.

„Es war ein Unfall, deswegen muss ich das tragen.“, erklärte der Junge in einem Satz zusammengefasst.

„Du hast mich vorher genau an diesem Band berührt, vielleicht..............“, er streckte seinen rechten Arm aus.

„.............probierst du es noch einmal hier.“, fügte der Fremde hinzu und sein Blick wurde ernster.

Max trat wieder näher heran:

„Ein Händeschütteln reicht.“, gab er grummelnd bekannt.

Und tatsächlich, dieses Mal wirkte der schwarzhaarige Junge so, als wäre er kurz abwesend gewesen.

„Und?“, fragte Daniel neugierig.

„Nicht viel. Nicht so viel wie bei euch, aber es scheint tatsächlich so, als habe ich ihn schon einmal getroffen. Es ist aber alles zu ungenau.“, erklärte Max.

„Nicht schon schlimm, aber ich habe dich nicht vergessen, auch wenn es damals wirklich nur eine relativ kurze Begegnung war.“, begann der Fremde zu erklären.

"Du bist Max Maxxus. Du warst damals der Junge, der damals meine Geldbörse fand, als ich schnell in den Zug einsteigen musste. Wäre ich da nicht eingestiegen, hätte ich es niemals zur Aufnahmeprüfung geschafft. Dank deiner Hilfe bin ich ein Mitglied der Magic Guild geworden. Ich verdanke dir somit vieles, deswegen habe ich dich nicht vergessen. Es war so einer dieser glücklichen Zufällen und das Schicksal ließ uns wieder in Astera aufeinandertreffen. Zufälle sind schon etwas erstaunliches.“, erklärte der Fremde. Wieder hatte er ein langen Atem gehabt.

Max schaute ihn erstaunt an:

"Du weißt also etwas über mich? Wie viel weißt du denn über mich? Habe ich damals irgendetwas interessantes erzählt?“

"Interessant, vielleicht erfahren wir endlich mehr von uns.", erklärte Daniel.

"Wäre schon nützlich.", meinte Julius. Er klang aber weniger interessiert, als die anderen beiden Jungs.

"Ja schon, aber wir haben echt keine Zeit zu verlieren. Wir müssen dringend Tina suchen. Dieses Gespräch kann da warten.", erklärte Rick schlecht gelaunt, zudem wurde er langsam echt müde.

"Wir verschwenden hier nur unsere Zeit und ich kann mich auch nicht mehr so gut konzentrieren.", brummte der Freund von Alina.

„Es dauert nicht lange.“, unterbrach der Fremde und er lächelte dabei.

Er wollte wohl unbedingt seine Geschichte erzählen.

Der fremde Junge wandte sich somit wieder Max zu:

"Du warst damals sehr verschlossen, aber du warst damals in Astera unterwegs. Wie alt warst du da? Neun? Ist jedenfalls schon über ein Jahr her."

"Ich bin jetzt Vierzehn! Also war ich da keine neun!", brummte der Schwarzhaarige beleidigt.

Er sah für sein Alter einfach viel zu jung aus. Es ärgerte Rick ja schon, dass der Junge älter als beinahe alle Anwesenden war, jedoch wegen dem Aussehen fast als kleiner Bruder für Rick durchging.

"Oh.", meinte der Fremde überrascht.

"Entschuldige, dann warst du dann wohl Zwölf oder Dreizehn?“, er stoppte kurz.

„Meine Familie wohnt hier, deswegen bin ich auch hier zuhause. Da du meine Geldbörse gefunden hattest, fing die Unterhaltung an. Du hast immer gemurmelt, dass du gesagt bekommen hast, dass du einfach im Bahnhof von Astera still warten sollst. Du hast echt nichts verraten, aber du hast dich gut zureden lassen."

„Ich habe gesagt, dass mir jemand gesagt, dass ich nicht reden soll? Ich habe wirklich nichts preisgegeben?“, wiederholte Max überrascht.

Der Fremde schüttelte seinen Kopf.


 

Für Rick, der sowieso die ganze Zeit ungeduldig den Fremden anblickte, machte der fremde Junge ein seltsamen Eindruck.

Er war dürr und gerade mal so groß wie Max.

Der Fremde trug ein blaues Hemd, welches ihm definitiv eine Nummer zu groß war.

Er trug dazu eine blaue Jeans und schwarze Turnschuhe. An seinem schwarzen Gürtel hing ein dunkelbrauner, halber Meter langer, Zauberstab, der an einem Ende ein Rubin befestigt hatte.

Er war so dick wie der Stiel einer Schaufel.

Der Stab war wie ein Schwert an den Gürtel geschnallt, sodass man ihn vermutlich schnell ziehen konnte.

Vermutlich eine nicht zu unterschätzende Kampfwaffe.

Max erklärte dem Fremden auch den Stand der anderen in seiner Gruppe, also dass Daniel und Julius ebenfalls an Amnesie litten.

Jedoch bewirkte eine Berührung nichts. Sie kannten den Fremden tatsächlich nicht.

Der schwarzhaarige Junge erklärte im Anschluss, dass sie auf der Suche nach einem verlorenen Gildenmitglied waren.

"So ist das also mit den Kratern. Ich dachte mir schon, dass da mehr dahinter steckt, als die Regierung behauptet hatte. Dass es nur kleine Meteoriten gewesen seien. Die haben angeblich nur leere Krater gefunden. Drei Krater soll es auf Ranger Island gegeben haben. Drei Krater gab es anschließend auf Festa und irgendwo in den östlichen Länder soll es sogar noch mehr geben.

"Drei gibt es hier?", meinte Daniel erstaunt, daraufhin drehte er sich zu Julius und fragte:

"Dann gibt es hier noch zwei, die wie du hier gelandet sind."

Bevor Julius darauf antworten konnte, meinte der Fremde:

"Mh, ein Krater soll neben einem Wanderzirkus eingeschlagen sein. Es hat die Tiere mächtig aufgeschreckt und die sollen teilweise Amok gelaufen sein.", er pausierte erneut.

"Ein weiterer soll nah an der Grenze des Dornenreichs eingeschlagen sein, aber auch dort fand man nur ein leeren Krater. Die Leute waren am Anfang so verängstigt, dass sie die Krater für Außerirdische hielten, aber man fand schließlich nichts. Was da wohl wirklich dahinter steckt? Aber ich verstehe, ich werde schweigen, ich denke, die Regierung hat bestimmt ihre Finger im Spiel. Wenn ich also zu viel ausplaudere, dann verschwinde ich bestimmt. Bestimmt steckt dahinter eine mächtige Verschwörung."

"Klingt übertrieben, aber ausgeschlossen ist das nicht. Nur wir sollten jetzt wirklich dringend........", dachte Rick immer noch völlig ungeduldig, aber es ließ sich niemand auf den mürrischen Jungen ein..

Er wollte am Liebsten von hier weg. Er verstand nicht, wieso sich hier alle damit aufhielten, sie hatten momentan etwas Wichtigeres zu tun.

„Können wir jetzt endlich gehen? Wir müssen Tina finden, verdammt!“, fluchte der Junge lautstark.

„Dabei fällt mir ein. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“, erklärte der Fremde völlig ignorant. Er schien gar nicht auf Rick einzugehen.

Er hielt seine rechte Hand auf seine linke Brust und meinte:

„Ich bin Juss Salomin. Ein Mitglied der Magic Guild und Rang C. Es hat mit sehr erfreut eure Bekanntschaft zu machen.“

„Warte mal.“, unterbrach ihn Illan.

Er war die ganze Zeit extrem still gewesen. Mit seinen kritischen Augen hatte er den Jungen begutachtet:

„Du wirkst mir vertrauenswürdig, also will ich dich etwas fragen.“

Juss lauschte erstaunt auf.

„Du bist ein Magier, der hier wohnt und sich auskennt. Kennst du dann zufällig auch einen Magier, der Ortungsmagie beherrscht? Also die Fähigkeit jemand über eine gewisse Entfernung zu orten?“,

das Mager Guild Mitglied nickte.

"Ihr sucht ein Ortungsmagier. Ich kenne tatsächlich jemand, der sogar in dieser Stadt wohnt.", erklärte Juss.

„Was wirklich?!“, meinte Rick erstaunt.

Zuerst hielt er dies für eine totale Zeitverschwendung, aber plötzlich sah er das Ganze anders.

Wenn der Junge nicht log, dann konnte dies schnell zum Erfolg führen.

Rick war schließlich froh noch ein wenig ausgehalten zu haben.

"Hey, ich bin ein Mitglied der Magic Guild. Ich kenne mindestens ein Magier in fast jeder Stadt. Sogar fast alle Magier in dieser Stadt.", erklärte er stolz.

„Dann bringe uns hin.“, befahl Illan in einer gleichgültigen, aber ernsten Tonlage.

Juss nickte erneut. Er ließ sich davon nicht beeinflussen, denn sein Schmunzeln verschwand nicht.

Daraufhin führte er die Gruppe zu dem besagten Ort.

Da schon viel Zeit verstrichen war, kam langsam der Abend und es wurde spät.

Die Abendsonne kämpfte schon mit der Nacht und die baldige Nacht würde die Suche nur unnötig erschweren. Es war also angesagt, dass sie die Gruppe sputete.


 

Die Truppe kam bald bei einem kleineren drei Sterne Hotel an.

Das Hotel lag mehr am Stadtrand von Astera.

Juss erklärte währenddessen, auch wenn es nicht alle interessierte, dass er eigentlich in der Stadt war, um seine Familie zu besuchen.

Er wollte morgen eigentlich mit dem Zug wieder abreisen, jedoch gab Juss bekannt, dass der Junge womöglich seine Tickets verlegt hatte.

Denn als er seine Tickets gesucht hatte, bemerkte er, dass er sie nicht mehr fand.

So verblieb nach seiner Aussage nur noch der ewige Fußweg in den Norden.

Juss behauptete, dass er zumindest nicht unter einem Zeitdruck stand.

Er war aber nicht allein in der Stadt, denn eigentlich war der Magier mit einer kleinen Gruppe aus seiner Schule unterwegs, die natürlich davon genervt waren, dass der Junge die Tickets verlegt hatte.

Eigentlich sollte Juss auch erst zum Hotel zurückkehren, wenn er die Tickets wiedergefunden hatte oder zumindest eine vernünftige Alternative. Leider blieb er erfolglos.

Der Magier blieb realistisch und Juss hatte sich schon darauf eingestellt, dass er wohl zu Fuß gehen musste, aber wie sollte er das seiner Gruppe erklären?

In dem alten Hotel lebte, nach seiner Aussage, zurzeit ein junger Magier, der bei einem alten Magier die Ortungsmagie gelernt hatte.

Mit dieser Art der Magie konnte man die Leute in einem gewissen Radius aufspüren.

Sollte sich die Person außerhalb des Radius befinden, so konnte man wenigstens die Richtung bestimmen.

Juss klopfte an der entsprechenden Hotelzimmertür, aber zunächst passierte nichts, daraufhin klopfte er energischer.

Als wieder nichts passierte, wandte sich der Magier kurz zu seinen müden Begleitern:

"Er wird schon jemand aufmachen.", versicherte der Junge.

Ein paar Minuten später riss ein junger Mann sichtlich wütend die Tür auf:

"WISST IHR EIGENTLICH WIE SPÄT ES IST?!", daraufhin lies das Mitglied der Magic Guild seine rechte Hand mit dem Gildenarmband nach oben wandern.

Der Mann in der Tür blickte zuerst kritisch, ließ aber dann doch die Truppe hinein.
 

Ein wenig später im Zimmer:
 

Inzwischen hatte jeder Platz genommen und beobachtete den jungen Magier, der vor einem weißen Bannkreis saß und in der Mitte lag das Gildenarmband von Tina.

Der junge Magier hieß Alex Wiesstein, er schien ein Bekannter von Juss zu sein.

Nach seiner Aussage soll der Ortungsmagier gut in seiner Berufung sein und sogar extra für Juss kein Geld verlangen.

Alex sprach ein paar unverständliche vermutlich magische Formeln und ließ den weißen Bannkreis schwach aufleuchten.

Er drückte beide Handflächen aneinander und nahm das Licht vom Bannkreis auf dem Boden in sich auf.

Das Licht verschwand und der Bannkreis auf dem Boden auch.

Nach ein paar Sekunden hatte der junge Mann auch wieder seine Augen geöffnet.

"Und?", fragte Rick ungeduldig, der dabei fast eingeschlafen wäre.

Alina war dabei schon eingeschlafen und das blonde Mädchen hatte sich an seine Schulter gelehnt.

"Nun...................... was wollt ihr zuerst hören, die gute oder die schlechte Nachricht?", fragte der Magier mit einem völlig gleichgültigen Gesichtsausdruck, dabei klangen seine Worte mehr als beunruhigend.

Verschwunden V --- Der Lichtblick

[Juss]
 

Sein eigentlicher Name war Justin Salomin, aber er selber verabscheute seinen Geburtsnamen, deswegen versuchte der Magier unter allen Umständen immer seinen Spitznamen durchzusetzen.

Juss Salomin klang in seinen Ohren einfach viel angenehmer und cooler.

Nur die Gehässigen, die ehrenwerten Lehrschaften und Oberhäupter, sowie die Personen, die ihn gern ärgerten, nannten Juss noch bei seinem alten Namen.

Die einzige Ausnahme aus den genannten Gruppen waren seine Eltern, aber denen weiß zu machen, dass ihr ausgesuchte Name blöd war, war schwierig. Sozusagen eine unüberwindbare Mauer, die man am Besten in Ruhe ließ.


 

"Sind bei dir eigentlich noch alle Nadeln an der Tanne?", bekam er als Erstes von ihr zu hören.

Vor ihm stand seine Kindheitsfreundin, mit der er früher zusammen in die Grundschule gegangen war.

Ihr besserwisserischer Blick hatte sie immer noch drauf. Hoch gezogene Augenbrauen und ein stechender Blick, der einen Unschuldigen durchlöcherte wie der Lauf eines Gewehrs.

Sie war genau so groß wie, vielleicht sogar ein wenig größer.

Würde man nach ihrem Ego urteilen, müsste sie wegen den Wolken von unten gar nicht mehr zu sehen sein.

Dennoch verstand sich Juss mit ihr prächtig.

So wie ihre negativen Seiten präsent waren, so waren ihre positiven um so präsenter.

Fürsorglich, Beschützerinstinkt, stark und sehr selbstbewusst.

Zusammen war er aber nicht mit ihr, sondern mit jemand anderes.

Melissa Unicoon war dann doch ein wenig zu verschieden für den Magier.

Eventuell konnte man sie als große Schwester abtun, auch wenn sie beide ungefähr im gleichen Alter waren.

Melissa war mit ihm und mit zwei weiteren nach Astera gereist, selbst wenn ihre Familie hier gar nicht mehr wohnte.

Was den Kleidungsstil anging, war Melissa ein wenig kindisch.

Das Mädchen trug dunkelrotes langes Haar bis zu den Ellenbogen, darüber meistens eine schwarze Kapuze gezogen. Auf dieser Kapuze waren schwarze Katzenohren genäht worden.

Vielleicht passte das mürrische Verhalten ältere Katzen ganz gut zu ihr.

Sie hatte eine goldene Pupillenfarbe, welche in ihrer Familie sehr prägnant war.

Zu ihrer Kapuzenjacken trug das Mädchen eine schwarze Jeans und modische schwarze Schuhe.


 

Im Gegensatz zu Juss nutzte seine Kindheitsfreundin eine andere Art von Magie.

Der Junge konzentrierte sein Mana auf einen Punkt und ließ ihn durch ein Edelstein verstärken, deswegen trug er ein Zauberstab mit einem Rubin darauf.

Rubin war aber die billigste und schwächste Form, um Zauber zu verstärken.

Teure Varianten konnte sich der Magier aber nicht leisten.

Besonders effektiv waren die Rubine aber mit dem Beschwören von Feuer.

Melissa nutzte dagegen die Macht der Gedanken, so hieß diese Zaubervariante.

Eine starke Unterklasse der Magie, die nicht jeder beherrschen konnte, deswegen trug das Mädchen an ihren Unterarmen einige Armbänder mit verschiedenen Aufschriften darauf, die Juss teilweise gar nicht erkennen konnte, weil es eine eigene Sprache war.

Mit der Berührung der Armbänder und dem Aufsagen bestimmter Worte löste man einen bestimmen Zauber aus. Dieser Zauber war um meilenweit stärker konzentriert, als mit dem Zauberstab, aber dafür müssen die Worte genau abgestimmt sein.


 

"Hallo? Erde an Justin, ist da wer?", fragte sie und das Mädchen wurde lauter.

"Juss, bitte nur Juss.", erklärte der Magier ihr schon zum tausenden Mal.

"Ich möchte nicht so genannt werden wie mein trinkender Großvater.", dachte er.

Aber zu diskutieren brachte nichts, denn Melissa würde weiter ihren Spaß daran haben ihn bis zum Lebensende Justin zu nennen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich bist. Wie kannst du unsere Zeit vergeuden und denen helfen? Hast du die Ticket immer noch nicht gefunden? Ich sagte doch, dass du erst wieder ein Fuß in das Hotel setzten darfst, wenn du endlich lernst nichts mehr zu verlieren.“, beschwerte sich seine Kindheitsfreundin.

"Ich bin halt freundlich. Du weißt, dass ich Menschen in Not gerne helfe.", erwiderte Juss.

Das Mädchen hielt sich sichtlich zurück. Brummend hob sie ihr rechten Zeigefinger:

"Du hast unser letztes Geld ausgegeben, nachdem wir die Tickets gekauft haben. Wie sollen wir jetzt noch Tickets nachkaufen können? Ich will nicht durch die beknackte Wüste wandern. Die Hitze dort ist unerträglich. Ein Zug ist wesentlich bequemer.", beschwerte sich Melissa lautstark.


 

Die Gruppe, die er zuvor getroffen hatte, hatte sich ein bisschen zu Ruhe gesetzt.

Teilweise wirkte sie stark übermüdet und nachdem Alex ihnen die zwei Nachrichten übermittelt hatte, war die Stimmung sowieso am Boden. Ein bisschen Schlaf sollte die Gemüter lockern, außerdem sollte dies wieder die Motivation steigern.

Juss hat es schon ein wenig Leid getan, denn die Geschichte klang schon tragisch genug.

Er würde ihnen so gerne helfen, aber er steckte zurzeit selber in einer kleinen Krise, wobei er Laufen jetzt nicht so als Schlimm empfand. Immerhin konnte man dabei immer viel erleben.

Viele teilten leider nicht seine Meinung.

Die zwei Nachrichten die Alex verkündete nahm die Gruppe unterschiedlich auf.

Die Gute hieß, dass ihre gesuchte Person tatsächlich in dieser Stadt gewesen war, aber die Schlechte bedeutete, dass sie wahrscheinlich mit einem Zug in Richtung Norden unterwegs war. Dem einzigen Zug, der aus dieser Stadt hinausführte.

Die Gruppe wirkte deswegen sehr niedergeschlagen. Sie hatten sich anschließend auch beraten was nun anstand.

Der Lauteste von ihnen, also dieser braunhaarige Junge namens Rick, hatte auch deswegen fast eine halbe Stunde mit den anderen diskutiert. Er wollte so schnell und dringend hinterher, dass er dabei vergaß, dass es wahrscheinlich nichts bringen würde.

Alex konnte ihm zum Glück erklären, dass es klüger wäre, wenn sie alle ein kühlen Kopf bewahrten. Sie würden hier ein paar Stunden Schlaf finden, bevor sie weiter planen konnten.

Der Magier kam anschließend auf seinen Kollegen zu und er erklärte Juss deutlich, dass dieser nun in seiner Schuld stand.


 

Juss und Melissa waren wegen dieser Ruhe auch aus dem Raum gegangen und die beiden warteten deswegen außerhalb auf dem Gang.

"Woher kennst du die Gruppe nochmal?", fragte Melissa und begutachtete jeden einzelnen mit skeptischen Blicken. Die Tür in den Raum stand ein Spalt offen. Der Spalt ließ ein guten Blick auf die Schlafenden werfen, die im Raum verteilt lagen.

"Der da drüben, der mit den schwarzen Haaren, der heißt Max. Von dem habe ich schon einmal erzählt. Ich habe ihn per Zufall wiedergesehen und dann hatten wir uns ein bisschen unterhalten, außerdem will ich ihnen wirklich helfen.“

Melissa kniff ihm in den Oberarm und Juss schreckte leicht zurück:

„Wir haben unsere eigene Probleme.“, gab sie in einem mürrischen Ton bekannt.

Juss schüttelte seinen Kopf und er meinte:

„Ihnen ist eine wichtige Person weggerannt und das nur alles wegen eines Irrtums.“, er pausierte kurz.

„Wenn diese Person in Richtung Norden unterwegs ist, dann hatte ich mir gedacht.............", setzte Juss fort.

"Sag nichts.", unterbrach Melissa. Ihr Blick verfinsterte sich.

"Du willst, dass wir mit ihnen zusammen nach Zellerstein wandern, weil die einzigen Schiffe, die wegen dem aufkommenden Sturm auf dem Meer zurzeit nicht fahren und der nächste Zug erst in sieben Stunden fährt.“, der Magier grinste. Sie hatte für so etwas immer ein gutes Verständnis gehabt.

Melissa war nun einmal ein sehr kluges Mädchen.

Ihr rechter Zeigefinger erhob sich wieder:

„Jedoch wäre es ein zusätzlicher Schutz für uns, wenn wir mit dem Schiff oder mit dem Zugreisen, außerdem müssten wir uns nicht wegen der Versorgung sorgen. Wir haben wenig Geld, schon vergessen?“

Sie war hartnäckig, aber das war Melissa schon immer.

„Zu Zehnt wäre es definitiv sicherer, immerhin brauchen wir nur fast drei Tage bis wir dort sind. Geld war dabei noch nie ein Problem. Die Dörfer in der Wüste sind sehr freundlich.“, erklärte der Magier.

Melissa fasste sich an den Kopf:

„Willst du das eigentlich gar nicht kapieren?“, ihr Blick schweifte einmal durch den Gang des Hotels, in dem die beiden standen:

„Wegen der verdammten Hafengesellschaft gibt es kaum noch Zugverbindungen zwischen Astera und Zellerstein mehr, weil jeder dieser Städte am Hafen liegt und die Gesellschaft die Gleise in den letzten Monaten verrotten lässt. Nur noch eine alte holprige Straße führt hoch und du willst auf dieser verdammten Straße hoch wandern? Drei Tage? ERNSTHAFT?"

„Wieso? Ich fand solche Abenteuerreisen schon immer sehr interessant.“, erklärte der Magier.

„JUSTIN! Die Gruppe weiß doch noch nicht einmal wohin der Vermisste eigentlich gegangen ist.................................. oder doch?“, ihr fiel wohl auf, dass Melissa das bisher nur angenommen, aber nie nachgefragt hatte.

Juss musste ihr aber zustimmen, weil die Gruppe von Rick das tatsächlich noch nicht gewusst hatte.

„Das wird schon alles.“, beschwichtigte der Magier dennoch.

„Woher willst du wissen, dass wir.............“, wollte Melissa anfangen zu diskutieren, da warf Alex ein Wort ein, welcher durch seine Wohnungstüre in den Gang schaute:

"Wieso schickt ihr sie nicht zu meinem Lehrmeister?", fragte der Magier plötzlich, der das Gespräch vermutlich mitangehört hatte.

Juss sah ihn erstaunt an. Er hatte darüber gar nicht nachgedacht.

"Ja natürlich, das ist die Lösung!", freute er sich.

„Der kam wirklich passend.“, grinste der Magier innerlich.

"Das ist wirklich die Lösung! Dein Lehrmeister arbeitet ja in Zellerstein? Er könnte die gesuchte Person genaustens aufspüren. Er beherrscht die Ortungsmagie doch so perfekt, dass selbst 1000 Kilometer kein Problem mehr sind. Ich kann doch sogar die ungefähre Route vorhersagen?", Juss wurde lauter, daraufhin wurde er schon wieder von Melissa gezwickt.

"Ruhe, die wollen pennen in den Wohnung. Wir haben früh morgens.", Juss rieb sich den Oberarm.

"Mein Lehrmeister ist zwar nicht billig, aber er kann sie locker innerhalb dieses Landes aufspüren, seine Magie ist unbeschreiblich. Er war früher Jahrgangsbester in dem Kurs für diese Magie.", gab Alex stolz an.

Der Junge mit den roten Haaren und dem lässigen Outfit, wirkte dabei sehr überzeugend.

Er hatte sich eine schwarze Jacke übergezogen, darunter trug er nur ein rotes T-Shirt mit einem weiten U-Ausschnitt.

Der Magier trug eine Kette um dem Hals, mit einem goldenen Blättchen am Ende.

Sein Vorname war darin eingeritzt.

"Und was machen wir jetzt? Ombross und ich mussten uns aus dem Hotel austragen, weil das Limit der Tage überschritten ist. Rina durfte ja bei dir pennen. Ich hoffe sie war schön warm, ich habe gefroren in meinem Hotelzimmer."

Juss räusperte sich verlegen:

"Ja es war..............“, er bekam ein Tritt gegen sein rechtes Schienbein, daraufhin hüpfte er kurz vor Schmerz auf.

"Du hättest dich doch zu Ombross legen können?", fragte Juss mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck.

"Willst du eigentlich mit deinen beiden Beinen zur Tür hinaus oder am Ende doch auf alle vier?“, meinte Melissa mürrisch. Sie deutete schon ein weiteren Tritt an.

Juss sah schweigend zur Seite. Er fand keine Worte mehr darauf.

Das Mädchen seufzte und meinte:

„Zu dem Koloss, ernsthaft? Der Junge ist doch die ganze Nacht am Studieren. Schlafen tut er allerhöchsten in seinen Träumen. Ich verstehe sowieso nicht, wieso er so an uns hängt, wenn er die meiste Zeit nur alleine lernt. Der Typ ist ein wandelndes Lexikon, wenn nicht sogar der Erfinder von dem."

Juss kannte natürlich die Geschichte, warum der talentierteste Magier seines Jahrgangs überhaupt mit einer so durchschnittlichen Gruppe abhing. Immerhin war Juss daran schuld.

"Es war Zufall oder Schicksal, wer weiß. Er ist mir wohl immer noch dankbar deswegen?", dachte Juss.

„Wo ist er jetzt? Ihr seid ja nicht mehr im Hotel.“, fragte der Magier.

„Ja wo wohl? Er ist noch für ein paar Stunden in die Stadtbibliothek gegangen.“, daraufhin erhob sich wieder ihr rechter Zeigefinger:

"Du weißt ja, er spricht in der Woche weniger Worte, als ich in einer Stunde.", erklärte der Magier.

"Ja das stimmt.“, wieder bekam Juss ein Tritt gegen das Schienbein, aber dieses Mal gegen das andere.

Brummend sprach der Magier weiter:

„Der Junge ist ein seltsames Geschöpf, aber dafür mögen wir ihn ja.“, er biss sich die Zähne aufeinander. Der Schmerz war unerträglich.

„Auf den Koloss ist halt immer Verlass.", bestätigte Melissa.


 

Sie verschränkte ihre Arme und das Mädchen meinte plötzlich:

"Du solltest mal wirklich ins Fitnessstudio gehen. Deine Oberarme sind so dünn, da habe ich sogar mehr Muskeln.", beschwerte sich seine Kindheitsfreundin plötzlich aus irgendeinem Grund.

Der Magier in der Tür räusperte sich:

"Wie lange wollt ihr die noch in meiner Wohnung pennen lassen?", fragte Alex ungeduldig.

Juss schaute auf seine Armbanduhr:

"Wir haben gleich sieben Uhr, also denke ich noch eine Stunde, damit wir früh los kommen. Wir müssen es heute noch irgendwie nach Balstatt schaffen."

"Ich habe noch nicht zugestimmt!", erwiderte Melissa erneut mit erhobenen rechten Zeigefinger.

Balstatt war die erste Station auf der Reise durch die Wüste in Festa.

Die schmale Wüste teilte das Land in Nord und Süd. Würde man das Land von oben auf einer Karte betrachten, zog sich die Wüste wie ein Strich von der Westküste fast bis zum Dornenreich.

Also verblieben genau fünf Möglichkeiten um nach Zellerstein zu kommen.

Mit dem Zug der alle acht Stunden fährt und natürlich sehr teuer ist.

Mit dem Schiff von Hafen zu Hafen, aber das war auch sehr teuer.

Mit dem Flugzeug, aber ebenfalls nicht zu diesen Preisen.

Man konnte nach Osten, also außen herum laufen, aber das wären dann drei Wochen statt nur knapp 3 Tage.

Also blieb nur die letzte Möglichkeit, die Wahl mit der Wanderung direkt durch die Wüste.

Balstatt, Willsdorf und zum Schluss Zunkbrunnen. Die Übernachtungen waren nicht teuer und man hatte ein bisschen Bewegung. Juss versuchte das wie immer optimistisch zu sehen.
 

Zwei Stunden später:
 

Melissa hatte sich letztendlich überreden lassen und anschließend sich um alle organisatorischen Probleme gekümmert, zudem hatte sie ein paar wichtige Anrufe mit der Schule durchgeführt.

Währenddessen hatte Juss der Gruppe erklärt, was sein Plan war und wie man die Vermisste eventuell am Besten und am Schnellsten finden konnte.

Nach einer kurzen Diskussion stimmte die Gruppe dafür.

Rick hatte auch zugestimmt und er hatte eingesehen, dass eine blinde Jagd keine gute Idee war.

Ein Anruf später gab er ebenfalls bekannt, dass der Junge auch das O.k der Gildenmeisterin bekam.

So kam es dazu, dass Juss seine Gruppenmitglieder der Gruppe von Rick vorstellte.

Melissa kannten sie schon zum Teil. Sie hatte sich eigentlich schon selbst vorgestellt.

Das dritte Mitglied kam ein wenig später. Es war der Hüne, der aussah, als würde er heimlich Gewichte stemmen, dabei war er von Natur aus so breit und groß.

Ombross war ein stadtbekannter junger Magier.

Er war aber schon zwanzig Jahre alt und einige Jahrgänge über den anderen drei Mitgliedern.

Der stille und verschlossene junge Mann war immer fleißig am Studieren. Sicherlich würde der Hüne irgendwann zu einem großen Magier aufsteigen.

Seine Kräfte waren keinesfalls zu unterschätzen, denn jede Magie, die ohne Hilfe einer Waffe ausgeführt werden konnte, konnte dieser Hüne anwenden. Damit er sich die tausenden Zaubersprüche merken konnte, schleppte er immer ein großes dickes Buch mit. Es war verzaubert, denn es öffnete sich allein mithilfe von Gedanken, zudem schwebte es vor den Besitzer, sobald dieser darin lesen wollte.

Suchte Ombross eine bestimmte Seite, so öffnete sich das Buch automatisch, aber auch nur er konnte dieses Buch benutzen. Der Hüne war sozusagen selbst das Passwort.

Er war ansonsten allgemein ein ruhiger Geselle, der still und heimlich hinter der Gruppe herlief, wenn er mal was sagte, dann war es entweder etwas überlebenswichtiges oder etwas ausschlaggebendes, was eine ganze Situation auf den Kopf stellen konnte.

Ihn anzulügen würde nichts bringen, er wusste stets die Wahrheit, bevor man es selber überhaupt wusste.

Er war 2,10 Meter groß und der Hüne hatte silbernes mittellanges Haar. Es reichte ihm bis zu seinem Nacken.

Seine Pupillenfarbe war leicht türkis, was wirklich ungewöhnlich aussah.

Er trug einen dunkelblauen Mantel mit einem weißen Pelz am Kragen.

Ombross trug dazu meistens weiße Handschuhe zum Schutz seiner Finger, denn er blättere gern in Bücher und wollte diese nicht beschmutzen.

Der Magier kombinierte seinen Mantel mit einer blauen Jeans und schwarzen Stiefeln.

Er hatte stets ein ruhiges Lächeln im Gesicht und seine Aura wirkte sehr friedfertig.

Sein voller Name war Ombross Orlean von Tramberg. Sein Vater war Rosba Orlean von Tramberg.

Ein sehr reicher Unternehmer, der sich aber nichts aus Magie machte. Die magische Quelle war seine verstorbene Mutter, aber Ombross redete eigentlich nie über seine Familie.


 

Die Vierte in der Gruppe der Magier war Rina Thorstach.

Sie war nie sonderlich stolz auf ihren Nachnamen, er klang ihr nämlich zu männlich.

Rina war Juss feste Freundin, mit der er schon seit knapp einem Jahr ging.

Sie war vor elf Monaten die typische neue junge Schönheit der Schule gewesen. Sofort war das Mädchen die Beliebteste der Schule. Sie fing schon mit extrem guten Noten an. Eine Fangruppierung war schnell gegründet, aber nur er hatte ihr Herz gewinnen können.

Er war sehr stolz darauf, dass sie schnell zusammen gekommen waren.

Ihre Art war zwar arrogant und selbstverliebt, aber das schmälerte nicht seine Sichtweise.

Melissa nannte diese Sichtweise nur dumme Blindheit.

Egal was auch immer Rina tat oder sagte, er war sofort hin und weg von ihr.

Die Magierin machte in allem auch eine extrem gute Figur und selbst ihre magischen Formeln klangen wie eine zauberhafte Musik in den Ohren.

Jedoch hatte sie immer das letzte Wort und das führte unweigerlich dazu, dass sie sich mit Melissa öfters stritt.


 

Rina war heute zu spät aufgestanden, deswegen kam sie erst jetzt zum Hotel und auch nachdem Juss ihr erst am Handy sagen musste, wohin sie eigentlich gehen musste.

„Du bist zu spät!“, brummte Melissa.

„Wir warten hier auf dich! Du bist wieder einmal die Letzte, was du sowieso schon bist.“, den letzten Satz murmelte die Magierin fast.

Rinas Blick überging Melissa und sie widmete sich sofort den Fremden:

"Ach herrje, wer sind all diese Leute?", fragte sie.

Melissa biss sich grimmig die Zähne aufeinander. Sie wandte sich um.

Bevor Juss seiner Freundin antwortete, nahm er wohlriechenden Duft ihres Parfüm war.

Rina hatte sich heute wieder besonders schick gemacht.

Für Juss war das absolut kein Problem, aber für die folgende Reise war das weniger geeignet.

Sie hatte ihr langes braunes Haar geglättet.

Die Magierin trug eine grüne Blume im Haar.

Es passte ein wenig zu ihrer dunkelgrünen Pupillenfarbe.

Die Magierin trug heute ein weißen Rock, dazu ein weißes Kleid, aber zumindest schwarze Stiefel.

Auch ohne Absätze überragte sie ihren Freund über fast einer Kopfgröße.

Es war aber nicht so, als würde ihn das irgendwie stören.

Es boten sich dadurch andere Vorteile.

"Nun, dann sind wir ja reisefertig? Wir verlieren hier nur unnötig Zeit.", brummte Melissa.

Sie klang ungeduldig und ohne es abzuwarten lief das störrische Mädchen schon langsam los.

"Ja, ich denke schon. Wir können losgehen.", meinte Juss.

So verabschiedeten sie sich von Alex und die beiden Gruppen machte sich auf in Richtung Norden. Nicht mal zwei Stunden später kamen sie schon in der Vorregion der Wüste an.

Verschwunden VI --- Leichtsinn

[Rick]
 

Er erinnerte sich daran genau, wie Linda ihm am Handy sagte, dass er sich in der Wüste vorsehen sollte.

Der heiße Fleck, wie dieser Teil Wüste offiziell hieß, lag im Westen des Landes und trennte vom Weltraum aus, das meiste Land in Süd und Nord.

Jedoch war es wegen der fortschrittlichen Technologie kein Problem diesen Teil der Wüste zu durchqueren.

Einige Dörfer boten den Reisenden eine gute Bewirtung an. Man konnte sich oft erfrischen, sodass man nicht verdursten sollte.

Aber man sollte sich vor Banditen und Räuber in Acht nehmen. Da der Schutz in dieser Region geringer war, als im nördlichen Flachland, hausten am heißen Fleck gerne kleine räuberische Gruppen.

Festa versuchte schon seit Jahren den ganzen Untergrund aufzuräumen, aber aus irgendeinem Grund scheinen sie dabei nicht besonders erfolgreich zu sein.


 

Rick vertraute in dieser Hinsicht Linda. Wenn die Gildenmeisterin erklärte, dass es gefährlich werden sollte, dann war dies auch die Wahrheit und nicht nur eine bloße Sorge, die Mütter ständig mit sich trugen. Auch wenn sie nicht seine richtige Mutter war.

Es lag auch ein wenig daran, dass Rick sich mit der Welt nicht besonders gut auskannte.

So kannte er zwar die fünf Kontinente, die Sommer- und die Winterinseln, aber mehr als ein paar große Städte waren ihm nicht im Sinn.

So wusste er nicht einmal was im Osten von Festa lag, außer dem Dornenreich.

Das Land Festa war nur eines der vielen Ländereinen, die der Kontinent beherbergte.

Festa war aber nun einmal das Land, mit dem höchsten technologischen Fortschritt, vermutlich sogar weltweit.


 

Inzwischen hatte die Gildenmeisterin auch bekanntgegeben, dass sie versuchte Kontakt aufzunehmen mit ein paar Leuten aus Zellerstein. Noju und Engl sollen angeblich auch schon verschiedene Kontakte angerufen haben. Vielleicht erwischte einer von ihnen den Lehrmeister von Alex Wiesstein.

Selbst wenn sie den Meister finden sollten. Der Mann soll ziemlich teuer sein, aber auch leider ein Mensch, der stur und eigensinnig war.

Trotz dieser Hilfe von Linda, war Tina keinesfalls in Sicherheit. Die Gruppe musste schnell voran und man durfte keine Zeit verlieren. Wer wusste schon in welcher Situation sie sich gerade befand.

So ärgerte sich der Junge immer über die Trägheit seiner Truppe und der Gruppe dieser Magier.

Wieso trödelten alle so?

„Ist sie entführt worden?“, fragte Julius einmal, als Rick sich immer wieder lautstark beschwerte, dass die Gruppe zu langsam war.

Das war sie natürlich nicht.

„Dann wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Stadt festsitzen. Du machst dich wegen deiner Sorge noch unnötig kaputt.“, erklärte er.

Rick musste ihm widerwillig zustimmen.

Seine Gruppe wirkte in dieser Hinsicht noch normal, aber dies konnte der Junge nicht von den Magiern behaupten.

Einer war seltsamer als der andere.

Juss stempelte er als redseliger naiver Trottel ab, der es zwar immer gut meinte, aber meistens immer nur nach Sinn agieren wollte. Er bewunderte die meisten Orte auf der Reise, als hätte der Junge noch nie die Außenwelt gesehen.

Lief ein Hund über die Straße, begeisterte sich Juss extrem.

Es kostete jedes Mal eine Menge Zeit und sie kamen nicht so schnell voran, wie Rick sich das auf der Landkarte ausgemalt hatte.

Das mürrische Mädchen in der Nähe von dem Magier, hieß Melissa. Sie hatte große Ähnlichkeit mit Alina und wahrscheinlich verstanden sich die beiden deswegen auch sofort.

Schon begann die Lästerei über die Jungs und Partner der Gruppe, auch wenn Melissa eigentlich single war. Dennoch ließ sie kein Haar an ihrem Kindheitsfreund Juss, sowie sie es deutlich betonte.

Der Magier ließ sich davon nicht beirren, während Rick es schon mehr nervte, dass Alina große Töne spuckte.

„Typisch Mädchen.“, genervt sah der Junge zur Seite:

„Wir haben wichtigeres zu tun!“

Das große Mädchen, welche beinahe die Hand des Magiers hielt, war die Partnerin des naiven Magiers und sie hieß Rina.

Eine so eingebildete und naive Dame hatte Rick schon lange nicht mehr gesehen.

Daneben wirkte Alina vernünftig und sehr freundlich.

Ständig war da das Gejammere über Sand in den Schuhen zu hören.

Ein Wunder wie seine restliche Truppe dies ignorieren konnte.

Max, Daniel, Julius und Illan stiefelten voraus. Schweigend hatten sie stets alles ignoriert oder mischten sich die vier nur nicht ein?

Das größte Phänomen war der Hüne. Sein Name war Ombross.

Linda hatte am Telefon erwähnt, nachdem Rick davon erzählt hatte, dass dieser junge Magier eine große Nummer sei. Seine Bestleistungen in Turniere waren eine große Bekanntheit und das Aushängeschild der Magic Guild. Die Welt sah ihn als zukünftiger Magier im Rat der Weisen. Ein Rat, dessen Mitglieder alles angesehene Leute der hohen Magie waren.

Ombross war ein schweigsamer Geselle, der während der Wanderung aus seinem großen Buch las.

Kein einziges Wort hatte er seit der Abreise von sich gegeben.

Konnte der große junge Mann überhaupt reden?


 

Vorgestern hatte die Gruppe Balstatt hinter sich gelassen und gestern war es Willsdorf gewesen. Heute waren sie sogar schon durch Zunkbrunnen gezogen.

Es waren alles Dörfer mit knapp 20 Gebäude pro Siedlung.

Das Essen war in Ordnung und auch die Betten waren angenehm.

Natürlich war das Bett zuhause nicht zu schlagen. Das Heimgefühl kam keinesfalls auf.

Im Laufe dieses Tages kamen sie im Schnitt doch gut voran, aber das lag auch an zwei Gründen.

Melissa peitschte nun mehr oder weniger ihre Gruppe durch die Wüste.

Außerdem kannten die Magier den genauen Weg. Es gab kein Verlaufen, kein unnötiger Umweg und wenn sogar Abkürzungen.

Die besagten Räuber tauchten nicht auf, aber Melissa erklärte stolz, dass das Gesicht von Ombross im Land bekannt war. Man zählte ihn zu den einheimischen jungen Stars.

Jeder Strolch sollte sein Gesicht im Fernsehen, Zeitung oder sonst wo gesehen haben. Nur ein Narr würde ein Überfall starten. Niemand greift übrigens die Magiergilde an.

Jeder kannte den eisernen Zorn, wenn man der Gilde Schaden zufügt. Sowohl juristisch wie körperlich. Die Magic Guild schreckte davor nicht zurück auch mal persönlich auf zumischen.

Der alte Magier, das Oberhaupt der Gilde, war bekannt für solch eine Ehre.

Früher soll er sogar seine Widersacher immer zum Faustkampf herausgefordert haben.

Aber das waren alles nur wilde Gerüchte.

Rick musste überlegen, denn er wusste nicht mehr genau, wer damals immer solche Gerüchte angeschleppt hatte. Soweit der Junge wusste, war das dieser seltsamer dürre grün haarige Mann. Sein Name war doch Will?

Immerhin hatte die Ranger Guild auch schon ein paar Aufträge für ihn abgeschlossen.

Zumal besagten die Gerüchte aber auch, dass bei der letzten Razzia durch Festa, angeführt von der Magic Guild 168 Verbrecher, Diebe, Mörder oder Betrüger festgenommen werden konnten.

Rick fragte sich ernsthaft wo sich diese eigentlich alle versteckt hatten?

Diese Wüste bot jedenfalls eine lange flache Steppe, die umringt von Hügelgebieten und Wälder war. Es schien also so, als hätte die Sonne nur diesen Fleck in Festa verbrannt.

Hier wuchs nichts als verdorrtes Gebüsch. Es war auch kein größeres Tier weit und breit zu sehen.

Rick fand es aber eigentlich unsinnig sich darüber den Kopf zu zerbrechen.


 

Im Grunde war aber nur ein Gedanke in sein Kopf gebrannt.

Rick beschäftigte es, ob es Tina gut ging oder nicht?

Hatten womöglich Engl und Noju sie schon längst befreit und das hier wäre nur ein Trip, um die Gruppendynamik zu stärken?

Linda wäre solche Methoden tatsächlich zuzutrauen.

Er würde ihr das wirklich gut zutrauen.

"Warum so grimmig?", fragte seine Freundin plötzlich und brachte den braunhaarigen Jungen aus seiner Konzentration.

„Ich bin gerade nicht grimmig. Ich denke nach.“, erklärte Rick.

„So?“, fragte Alina und machte ihm schöne Augen:

„Über wen denn? Über mich?“, fragte sie mit einem Grinsen im Gesicht.

Rick sah sie unzufrieden an:

„Lass die Spielchen.“, erklärte er uninteressiert.

Alina verzog ihre Mundwinkel nach unten. Beleidigt sah sie zur Seite, dennoch behielt sich ihr Tempo bei.

Die Truppe lief momentan über einen vertrockneten Feldweg, der sie direkt von Zunkbrunnen nach Zellerstein führen sollte.

Es war nach Angabe der Magier immer noch ein paar Kilometer bis zum Ziel.


 

"Mir ist heiß und außerdem habe ich gestern wieder schlecht geschlafen.", gab Rina bekannt. Sie wedelte mit einem Fächer, um ihr kühle Luft zuzuschieben.

„Soll ich wedeln?“, fragte Juss. Mit freundlicher Miene nahm er den Fächer entgegen und stellte damit seine Freundin zufrieden. Rina konnte so ihre Hand entspannen.

„Was für ein Lakai.“, dachte Rick.

„Bist du vielleicht verspannt und deswegen so mies gelaunt?“, Alina streichelte ihm über den Nacken, die Berührungen ließen ihn wirklich entspannen, aber er durfte sich jetzt nicht zu irgendetwas hingeben. Erst musste erst die Aufgabe absolvieren:

„Bitte Alina. Jetzt gerade nicht.“

Alina nahm mit beleidigten Blicken wieder Abstand. Sie schien irgendetwas mürrisches zu murmeln. Sie wirkte nicht mehr so fit, wie am Anfang der Reise.

Die restliche Gruppe sah ebenfalls nicht mehr so fit aus. Drei Tage durch diese Hitze war schon ein starkes Stück gewesen.

Max sah so aus, als schmolz er förmlich wegen der Hitze zusammen.

Eigentlich war er deswegen auch komplett still gewesen. Kein zynischer Kommentar hatte der schwarzhaarige Junge auf die Reise durch die Wüste von sich gegeben.

Dagegen wirkte Julius so, als wäre ihm sogar kalt und er müsste deswegen sich eine Jacke überziehen. Julius wirkte am Fittesten von der Gruppe. Er war wohl wirklich durch nichts zu brechen. Eine unerschöpfliche Energiequelle.

Daniel war ebenfalls eine sonderbare Ausnahme. Er ignorierte wohl die Wetterverhältnisse und den langen Marsch, denn er hatte in der Zwischenzeit nichts anderes getan, als über seine neue Wunderwaffe zu reden.

Aber bisher interessierte das wirklich niemand.

Woher hatte er eigentliche diese rötliche Klinge und durfte er damit einfach so herumlaufen?


 

Das Ziel war nah. Am Horizont türmten sich schwarze Schatten auf, die auf Häuser hinwiesen.

Aber durch das Ende der breiten Wüste zog sich noch eine tiefe Schlucht nahe dem Feldweg, die an den dicksten Stellen bis zu 30 Meter breit sein konnte.

Zehn Meter tief und ein tiefer Fluss zog sich durch die Schlucht.

Der Fluss trug sichtlich den Boden langsam immer weiter ab.

Eine feste Holzbrücke führte etwas nördlich über die Schlucht, als die Schlucht eine Abbiegung nach Osten nahm.

So wie es aussah, war die Holzbrücke wohl die einzige Möglichkeit, um von Zunkbrunnen nach Zellerstein zu kommen.

„Ah....... endlich.“, meinte Max völlig entwässert. Wie eine halbe Mumie schlenderte er wie ein Zombie auf dem Feldweg entlang, dagegen wirkte sein großer Gildenkollege wie das pure Leben:

„War ja gar nicht so schlimm.“, meinte Julius. Wieso wirkte er eigentlich so begeistert?

„Ist das jetzt Zellerstein oder noch irgendeine Stadt?“, fragte Daniel.

„Das muss Zellerstein, ansonsten werde ich dafür sorgen. Ich verdurste noch hier! Außerdem was sollte es sonst sein für eine Stadt? Du hast doch die Landkarte gesehen, nicht?“, murrte Max.

„Wie willst du denn bitte dafür sorgen?“, fragte Daniel verständnislos. Max sah ihn unzufrieden und verwundert an:

„Ich habe nur ein..........“, aber er stoppte. Wahrscheinlich war zu müde, um irgendetwas erklären zu wollen.

Die Gruppe näherte sich der Holzbrücke.

Sie wirkte recht neu, anscheinend hatte man sie erst vor kurzem erbaut oder erneuert. Das Holz glänzte und die dicken Schrauben waren nicht verrostet.

Auf der anderen Seite wirkte der Boden nicht mehr ganz so sandig. Langsam ging er zu einer leichten Wiese über.

Rina sprang erfreut auf. Sie erklärte stolz:

„Juhu, die Brücke, wir sind bald da. Ich finde diese Wüste wirklich bescheiden. Es lässt meine Haut so bröselig werden und meine schöne Kleidung ist völlig Sand!“

„Ach was, Rina. Deine Haut ist schön wie immer und den Sand waschen wir einfach hinaus.“, erklärte Juss.

„Juss.“, meinte Melissa und der Magier schaute verwundert auf:

„Vergiss das Hecheln nicht.“, daraufhin stampfte Melissa genervt über der Brücke.

„Doch sie ist spröde geworden. Seht! Meine Haut ist so faltig wie bei einer alten Frau.“, meinte Rina unzufrieden. Sie betrachtete ihre Arme.

„Wow ist die hoch!“, meinte Alina überrascht. Sie starrte über das Geländer hinunter.

Das Mädchen ließ sich wohl nicht von der Höhe abschrecken.

Julius und Daniel starrten ebenfalls hinab:

„Ja.“, ließ Julius unbeeindruckt von sich.

„Wie tief ist die Schlucht wohl?“, fragte Daniel, während er ebenfalls hinab starrte.

„Ich schätze 10 Meter oder vielleicht 15 Meter?“, überlegte Julius.

„Was meinst du Max?“, fragte Daniel, aber er bemerkte, dass der schwarzhaarige Junge fehlte.

Er stand schon auf der anderen Seite der Brücke und einige Meter von dieser entfernt.

„Was ist los?“, rief Daniel ihm zu:

„Alles in bester Ordnung. Die Brücke und die Höhe ist ganz toll.“, rief er zurück. Er schwitzte stark.

„Wir sollten weitergehen. Immerhin müssen wir endlich diesen Meister aufsuchen.“, trieb Rick an.


 

Als sich dann doch alle zu bewegen schienen, fiel der Freundin von Juss etwas auf.

„Das ist etwas Schönes!“, erklärte sie plötzlich begeistert.

Rina lief noch einmal den Weg über die Brücke zurück.

Sie zeigte auf ein Strauch gelber Blüten, welche nah am Rand der Schlucht wuchsen:

„Ich will die!“, rief sie ihrem Freund zu.

Der Magier schaute sie eine kurze Zeit erstaunt an, aber anschließend eilte der junge Magier zu ihr und schlich sich dann vorsichtig voran.

Mit Mühe und völliger Nervosität riss er die Blüten ab, dann ging er ein Schritt zurück und erleichtert stellte er fest, dass nichts passiert war.

Schon sprang ihm Rina entgegen und umarmte ihn.

Dieser Moment kam aber so überraschend, dass er dadurch beinahe das Gleichgewicht verlor:

„Woaaaahh!“, meinte er geschockt. Sein blasser Gesichtsausdruck suchte die Tiefe der Schlucht, in die er beinahe hinabgestoßen wäre.

„Willst du deinen Freund jetzt schon loswerden?“, fragte Melissa in einem sarkastischen Ton. Sie stand neben den beiden.

Rina sah sie grimmig an:

„Hach....., große Töne? Suche dir doch erst einmal einen Freund oder willst du als einsame Jungfer sterben?“

Dieser Satz hatte Melissa wohl schwer getroffen:

„Dafür suche dir erst einmal ein bisschen Hirn. Keine Ahnung wie du dich durch die guten Noten gezaubert hast. Als ob du zu irgendwelchen Leistungen fähig wärst.“

Rina brummte. Sie stampfte wütend auf den sandigen Boden:

„Ich habe nicht geschummelt.................!“, da vibrierte plötzlich der Boden.

„Leute rennt, verdammt!“, rief Rick.

„Verflucht, rennt doch endlich weg!“, dachte er entsetzt.

Er eilte zur den drei.

Zügig eilte er in schweren Schritten über die hölzerne Brücke.

Der braunhaarige Junge sah das Unheil schon kommen.

„Was ist los, Rick?“, meinte Alina erstaunt. Sie hatte die Szene nicht mitangesehen. Das Mädchen eilte verwirrt ihrem Freund hinterher.

Die anderen der Gruppe starrten ihm zuerst hinterher, daraufhin wollten sie sich auch in Bewegung setzen.

„LOS LAUFT VON DIESEM VORSPRUNG WEG! ES ENTSTEHEN RISSE AN DER SCHLUCHTWAND!“, rief er ihnen zu, während er auf Melissa zu sprintete.

Bevor einer der drei Magier überhaupt reagieren konnte, gab es plötzlich einen Ruck und der Boden vibrierte erneut.

Der Boden sackte leicht ein und plötzlich rutschte ein Teil des Boden unter den Füßen der drei weg.

Der Rutsch zog die drei mit.

Rick wollte sich Melissa greifen, aber er stolperte, als er das Mädchen nicht mehr erwischte.

Alina griff ihren Freund noch rechtzeitig, jedoch zog der Fall sie mit und die beiden fielen ebenfalls mit dem Rutsch mit.

Alle fünf Personen wurden in die Schlucht gezogen, als ein schräger Teil des sandigen Wüstenboden hinab gerutscht war.

Die fünf konnten sich nirgendwo festhalten. Alles war aus Sand und es zerbröselte im Fall.

Ein Plan konnte auch nicht mehr erfolgen, da durch den Fall der Fokus wo ganz anders lag.

Selbst zum Schreien war keine Zeit mehr, denn schon schlug man ins kalte Wasser ein.

Rick spürte nur den starken Aufprall und alles wurde nass, daraufhin sah er nur noch schwarz.

Verschwunden VII --- Unerwünschte Gäste

[Karo]
 

Ein Mann mit weißen Gewand und hellblauen mittellangen Haaren streifte durch den schwach beleuchteten Gang, des Bunkers.

Die Wände waren aus einem glänzenden rauen Metall. Die ganze Umgebung wirkte unfreundlich, aber dafür war das grandiose Versteck auch nicht gebaut worden.

Der Bunker beherbergte eine kleine Truppe an erfahrenden Geschäftsleuten und Krieger, die ihre Finger weit in den Untergrund ausstreckten.

Karo White war einer von den Geschäftsmännern. Seine Aufgabe war das Überwachen und Kontrollieren.


 

Sein Schritttempo war eilig, denn sein Bericht musste so schnell wie möglich zum Boss. Er ignorierte die ganzen Seitenabgänge des Hauptflurs und stand bald vor einer eisernen Bunkerschutztüre.

Er klopfte kräftig dagegen und öffnete darauf die schwere Metalltüre, ohne ein Signal abzuwarten.

Karo White hatte große Ehrfurcht beim Eintreten, dennoch ging er mit großen selbstbewussten Schritten voran.

Seine Schritte waren auf dem metallischen Boden deutlich zu hören und sie würden mit großer Wahrscheinlichkeit jede Stille zerstören.

Er trug weißes Schuhwerk mit sanften Sohlen, dennoch brachte es in diesem Bunker nichts.

Der Schall spiegelte sich in jeder Ecke.

Unter seinem rechtem Arm hielt er ein Klemmbrett mit einigen Blätter daran.

Karo stellte sich einige Meter vom Eingang entfernt auf. Er blickte in den weiten Raum hinein.

Der Boden und Wände waren zwar aus Metall, aber ansonsten wurde dieser Raum sehr gemütlich eingerichtet.

Ein Kamin war installiert worden, dennoch brannte dort kein echtes Feuer, sondern nur eine optische Täuschung.

Zwei rote Sessel waren sich gegenüber gestellt und in der Mitte stand ein runder Tisch aus Holz.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde dieser für das Abstellen der alkoholischen Getränke genutzt.

So wie Karo nun stand, konnte er weder seinen Boss noch seinen Gast erkennen, aber dies war auch unwichtig.

So wartete der Blauhaarige ab, bis er die kräftige Hand seines Boss vom Sessel zur Seite schwenken sah.

Es war das Zeichen, dass Karo reden durfte.

"Das explosive Material was wir von dieser Insel erworben haben, konnten wir erfolgreich in kleinere Dinge extrahieren und somit funktionsfähige Bomben erschaffen. Diese Bomben konnten wir erfolgreich weiterverkaufen, aber unser Transport wurde gestört. Ein Teil der Ware ist verschwunden. Wir konnten jedoch die unerwünschten Gäste abfangen und sie ins Lager werfen, wie soll nun mit ihnen verfahren werden?"

„Wie? Unerwünschte Gäste?“, unterbrach plötzlich eine ältere, aber kräftige Stimme.

Es herrschte eine kurze Stille.

Karo sah seinen Boss nicht, da er mit der Rückenlehne zu ihm stand.

Der Boss setzte jedoch bald seinen Satz fort:

"Ah....., ich entschuldige Herr, es scheint ein Notfall zu sein. Einer meiner Leute hat wohl eine wichtige Neuigkeit.", er sprach wohl gerade mit seinem Gast.


 

Sein Gegenüber konnte der Mann mit den hellblauen Haaren ebenfalls nicht sehen, denn er saß so, dass der Boss mit seinem Sessel die Sicht versperrte.

Karo machte aber keine Anstanden irgendetwas sehen zu wollen.

Das große goldene Breitschwert, welches der Boss beim Kämpfen benutzte, lag links vom Sessel.

Im nächsten Moment hörte der Kommandant seinen Boss fragen. Sein Stimme klang ruhig und vertrauenerweckend.

Es klang so, als würde ein Großvater seinem Enkel eine Geschichte vorlesen und dabei wert auf die Betonung legen:

"Was gibt es denn Karo? Diese Störenfrieden sind doch nicht der eigentliche Notfall? Die Ware ebenso nicht. Ich kenne dich, ansonsten würdest du mich nicht stören, also was gibt es wirklich?"

"Mein gnädiger Anführer, ich entschuldige die Störung, aber die Wache des Westtors hat berichtet von ein paar unerwünschten Gäste. Sie haben aus irgendwelchen Gründen unseren Eingang entdeckt. Es sind aber keine Banditen oder Strolche. Es scheinen Kinder zu sein.", Karo klemmte sich das Klemmbrett unter den Arm, daraufhin nahm er sein Notizblock hervor und der Kommandant las sein Notiertes vor:

"Fünf Kinder oder Jugendliche sollen auf dem großen Sandhaufen gestrandet sein. Sie entdeckten den Eingang und klopften wie wild daran. Greyd hatte sich der Sache angenommen, aber ohne Befehl wird er nichts ausführen. Ich wollte mich erkundigen, was geraten ist. Eine direkte Entsorgung scheint nicht klug zu sein, weil wir nicht wissen ob die Kinder vermisst sind. Es könnte unerwünschte Gäste anlocken.", es herrschte eine kurze Stille und die Hand des Bosses erhob sich wieder.

"Mach was dir lieb ist, mein lieber White. Du bist ein kluger Bursche, ich vertraue auf deinen Rat. Du wirst schon die richtige Wahl treffen. Es tut mir Leid, dass ich euch heute nicht helfen kann.", Karo verbeugte sich tief, auch wenn sein Boss ihn wahrscheinlich nicht sah, daraufhin verließ er schnell den Raum und Karo schloss schnell die Tür.


 

Aufatmend stand er wieder im Flur. Jedes Mal, wenn der Boss sprach, klopfte sein Herz wie wild und er war aufgeregt.

Dabei war der junge Mann mit einer Militärausbildung in Sukkafels, welche in der Weißregion lag, ein Mann mit eiserne Disziplin.

Nur knapp 30% schaffen die vierjährige Ausbildung und nur 10% schaffen das fünfte Jahr zum Kommandant.

Er machte seine Familie stolz, denn mit nur 28 war er jetzt seinen Brüdern voraus.

„Einen kühlen Kopf bewahren. Ich muss mich zuerst noch um die Störenfrieden kümmern, bevor ich mich den unerwünschten Gästen widmen kann. Vielleicht lasse ich die Kinder einfach wieder nach oben bringen. Hier einfach ein Schlussstrich zu ziehen würde wohl nur ungewollte Neugier bringen.“

Karo strich über seine schwarze Jeans und ließ den Notizblock darin verschwinden. Er wollte seinen geliebten Boss stolz machen, der Blauhaarige wollte wie sein Vater werden, der es in der Welt weit gebracht hatte.

"Was ist zu tun, Kommandant?", fragte plötzlich eine männliche Stimme. Es war Versko, der vor ihm aufgetaucht war.

Versko Mettme, ein ausländischer Söldner, der eingestellt wurde, da er einwandfreie Fertigkeiten aufwies in sämtlichen Kampfkünsten und großartigen Kenntnissen zu geografischen Lagen.

Diesen Mann konnte man über die ganze Welt schicken. Er müsste sich nicht einmal nach dem Weg umschauen.

Die Gerüchte besagten, dass er selbst bei üblen Wind und Wetter den zweithöchsten Berg bestiegen haben.

Als er oben ankam, soll er nur gelacht haben.

Er hatte es immerhin bis zum vierten Kommandant gebracht.

Fünf Personen mit dieser Position geisterten durch diese Untergrundbasis.

Dabei war die Rangordnung einfach zu verstehen.

Erst der Boss, darauf folgte Kommandant Eins bis Fünf.

Jeder hatte seine zugeteilte Aufgabe.

"Ich traue dem Typen immer noch nicht über den Weg, der hat dem Letzt zwölf unserer Männer umgebracht, weil sie angeblich einen seiner Befehle verweigert haben. Es waren zwar nur Fußsoldaten, aber so etwas schreckt nur unnötig ab.“

Karo blickte seinem Gegenüber in die Augen.

Der Mann, dessen Haut leicht ins orangebraune verlief, lächelte den zweiten Kommandant selbstsicher an.

„Hinter seinem Lächeln steckt die Mordlust mich zu töten.", dachte Karo.

Der Blauhaarige machte sich aber noch keine Sorgen darüber, dennoch hielt er seine hellblauen Messer immer im Gürtel für dem Fall bereit.

Versko hatte kurzes schwarzes Haar und seine Pupillenfarbe war braun, die von Karo war hellblau. Der ausländische Mann von der Südhalbkugel war immer wie ein vorbildlicher Soldat angezogen, trotz den blutigen Kämpfen, war seine Weste immer rein.

Karo bezog das, auch auf sein Inneres.

"Lass uns gehen, wir müssen ein paar Störenfriede Manieren beibringen, außerdem würde ich gern noch etwas erfahren.“

„Wobei ich daran glaube, das es nichts bringen würde.“

Karo bat ihm voran zu gehen.

Versko verbeugte sich leicht und zusammen liefen sie zu den Arrestzellen.


 

Der ausländische Soldat stieß die Stahltüre mit einem Ruck auf und dann standen die beiden vor

einem hölzernen Tisch und vier Stühlen.

Ein Mann sah gelangweilt am Tisch. Er blätterte in einem Buch.

Erst nach einer kurzen Verzögerung sah er genervt aus. Sein Blick war unfreundlich und gereizt.

„Die Penner sind da hinten.“, meinte der junge Mann.

Er zeigte zu einer der Arrestzellen, dabei blickte der Mann nicht einmal dorthin.

Der unfreundliche Mann am Tisch war der Aufseher der Gefangenen.

Er hieß Regald Vellermein.

Ein unliebsamer Zeitgenosse, der nur Bücher las.

Mit seiner grüne Mähne war er Recht auffällig in dieser Bunkeranlage.

Meistens gab er nichts auf Rang und Namen, jedenfalls nicht bei den Kommandanten von Steels Armee.

Versko öffnete die Arrestzelle, während Karo sein Klemmbrett auf dem Tisch liegen ließ. Die beiden betraten daraufhin den Raum.

Er war größer, als der Raum zuvor.

Dafür wirkte dieser Raum noch unfreundlicher und rauer, als der Rest der Bunkeranlage.

Kaum bis gar kein Licht und es lag ein widerlicher Geruch in der Luft.

Drei Männer lagen teilweise verletzt auf dem Boden.

Bevor Karo überhaupt etwas sagte, hatte einer Männer wohl ein dummen Plan.

Er sprang plötzlich auf und dieser wollte Versko mit einem metallischen Splitter attackieren.

Mit Sicherheit war dieser Splitter gefährlicher als ein einfaches Messer, aber gegen Versko, der wesentlich mehr Kampferfahrung hatte, als ein Soldat von Festa, parierte den Angriff mühelos.

Wahrscheinlich zur Abschreckung, packte er sich den Mann und hauchte ihm das Leben in binnen von Sekunden aus, indem er ihm den Splitter entriss und dem Mann um sein Blut erleichtert.

Ein perfekter Schnitt an der Hauptschlagader am Hals des Gefangenen stieß den Mann aus seinem Leben, auch wenn er noch für ein paar Sekunden auf dem Boden zuckte.

Daraufhin warf Versko den Splitter weg. Er ließ den Mann auf dem Boden liegen und daraufhin wischte sich der Söldner die Hände an dessen zerrissenen Jacke ab.

„Kapiert?“, brummte er. Der ausländische Söldner lief zu den anderen beiden Gefangenen hin.

Die wirkten nun wesentlich eingeschüchterter.

Während der eine wimmernd zu Boden versank, brummte der andere:

„Du Mörder!“, er spuckte aber Karo auf die Füße.

Angewidert sah der blauhaarige Kommandant den Rotz auf seinen weißen glänzenden Schuhen an.

Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf Versko. Dieses Grinsen machte Karo extrem rasend.

In wenigen Sekunden hatte er die komplette Ruhe verloren.

Eigentlich wollte sich der Kommandant nicht mehr von Gefangenen in Rage bringen lassen.

„Ich brauche nur einen von euch!“, gab der Blauhaarige grimmig bekannt.

Seine linke Hand leuchtete auf und hellblaue Blitze sprangen um seine Hand.

Es war eine ganz besondere Art der Blitzmagie.

Wie ein blauer Drache tanzten die Blitze um seine Finger.

Bevor die Gefangenen überhaupt realisierte was nun blühte, hatte Karo den störrischen Gefangen schon am Hals gepackt.

Da der blauhaarige Kommandant nicht allzu groß war, hob er den Mann nur auf die Knie.

Im Grunde war das aber auch egal, denn im nächsten Moment schossen die Blitze auf diese Person über und der Gefangene leuchtete in einem hellen Leuchtfeuer auf.

Nicht einmal eine Minute später sank der Mann leblos zu Boden.

Aus Mund, Nase und Augen stiegen Qualm auf.

Es roch nach verbrannten Fleisch.

Das Leben war erloschen und der Körper gegrillt worden.

Gleichgültig wandte sich Karo von dem verkohlten Körper ab.

Die Lichtblitze an Karos linke Hand verschwanden, aber der zornige Blick des Kommandanten nicht.

Ihn konnte man nicht so schnell beruhigen.

Schweißgebadet verzog sich der übrige Gefangene ins Eck.

„Bitte nicht!“, wimmerte er.

„Du kennst das Spiel.“, meinte Versko. Er grinste.

Langsam trat der Söldner auf den Mann zu.

„Wieso überfiel eure Truppe unsere verdeckte Karawane. Woher wusste man, was man wo suchen musste und was man wo fand?“, brummte Karo.

Langsam lief der Magier auf den wimmernden Mann zu.

„Ich weiß es nicht.“, stotterte der Gefangene.

Die blauen Blitze funkten wieder in der linken Hand und der Mann starrte erschrocken auf:

„Nein wirklich!“, rief er ängstlicher.

„Wir haben nur unsere Befehle bekommen. Unser Truppführer bekam von irgendwen Befehle die Ware zu stehlen und sie zu einer bestimmten Position zu bringen. Wir würden die Koordinaten bekommen, wenn wir Erfolg haben.“

„Wo ist euer Truppführer?“, unterbrach Karo.

Der Gefangene stockte kurz und meinte wenig später mit trauriger Stimme:

„Er ist tot. Bei dem Überfall wurde er von euch gegrillt. Sonst weiß keiner von irgendetwas.“, erklärte der Gefangene.

Natürlich hoffte er, dass der Mann dadurch in Ruhe gelassen wurde.

„Also bist du jetzt für uns nutzlos?“, fragte Versko.

Der Gefangene sah geschockt auf:

„Was?“, er tat so, als wären die Worte nur ein Versehen gewesen, denn ihm wurde wohl klar was nun blühte.

Karo ließ die Blitze in seiner linken Hand wieder erscheinen:

„Es scheint so.“, antwortete er auf Versko rhetorische Frage.


 

Nun war die zweite Aufgabe dran. Die unerwünschten Gäste hielten sich immer noch vor der Stahltüre auf.

Da sich die Gäste wohl dank dem Fluss nicht entfernen können, würden sie wohl immer noch draußen verweilen.

Für Karo wäre es am Besten, wenn der Fluss sie endlich wegspülen würde.

Mit so einem Kleinkram wollte sich der blauhaarige Kommandant nicht beschäftigen.

Er war immer noch wütend, dass seine Schuhe beschmutzt wurden.

Jetzt lief er sogar ohne Schuhe herum, weil der Kommandant seine Schuhe entsorgt hat.

Sie waren ihm plötzlich zuwider. Er musste sich morgen neue besorgen.

Der metallische Boden war aber kalt und dies reizte weiter an seine Stimmung.

Versko stieß wieder eine metallische Türe auf, aber diese war im Vergleich zur Letzten doppelt so dick.

Die Sonnenstrahlen drangen in den Gang ein und das laute Geräusch von Gewässer war zu hören.

Eine Felswand tat sich in der Ferne auf, ein kühler Wind fegte und ein wilder Fluss demonstrierte sich vor der Eisentüre.

In der Mitte des Flusses war ein großer Sandhaufen.

Von der Tür zur Sandbank waren knapp zwei Meter Höhenunterschied.

Von oberhalb der Schlucht war die Türe nicht zu erkennen. Selbst nicht, wenn man auf der Sandbank stand, denn eigentlich sollte eine Illusion diese dicke Eisentüre verbergen.

Dieser Ausgang war sowieso nur für den Notfall gedacht.

Die Sandbank an diesem Ort war aber das größte Ärgernis, denn hier wurde vieles angespült. Auch vieles, was nun Ärger bedeutete.

Normalerweise entdeckte kein normaler Mensch den Eingang, außer derjenige war ein Magier mit genügender Grundkenntnis.

Der Zauber durfte nicht allzu komplex sein, denn auch die einfachen Fußsoldaten von Steels Armee sollten kapieren, wie sie den Zauber aufheben konnten.

Im Grunde war dies das Problem warum man sich überhaupt mit unerwünschten Gästen beschäftigte.

Ein starker Zauber dieser Art würde einfach alle Probleme lösen, aber dies wollte der Boss nicht.

Da war der Boss leider viel zu gutmütig.

Karo erblickte die fünf Kinder, die Greyd erwähnt hatte.

Greyd Vogelschey war der Mann, der neben der Türe im Gang auf Karo gewartet hatte.

Er war derjenige gewesen, der Karo von dieser Sache berichtet hatte.

Dieser dürre langgezogene Mann war tatsächlich ein Kommandant und zwar der Fünfte.

Aber niemand wurde in diese Position gehoben, wenn er nicht vom Boss persönlich ausgesucht und getestet wurde.

Greyd musste also zwangsläufig stark sein.

Dieser Mann trug wie Versko eine Soldatenuniform, aber statt ein Gewehr, wie bei einem Soldat, trug dieser Kommandant ein Katana mit sich herum.

Karo empfand diese Kombination als störend, aber Geschmäcker waren nun einmal verschieden.

„Dürfen Köpfe rollen?“, fragte Greyd sofort. Er leckte sich die Lippen.

Ein widerlicher Anblick für Karo.

Der blauhaarige Kommandant ignorierte seine Aussage und er ging sofort zu seiner Frage über:

"Also was ist hier los?"

"Nun........... wir haben hier fünf Leute, die in die Festung wollten. Diese Gören sind irgendwie hier gelandet, aber nun haben sie unser Eingang gesehen, also was jetzt? Köpfe rollen?"

Bevor Karo ein Kommentar dazu abgab, wurde er unterbrochen, was ihm gar nicht schmeckte.

"NEIN!", rief plötzlich eine weibliche Stimme.

Es war ein Mädchen, welches lange blonde Haare trug.

Sie war jung, allerhöchsten vierzehn Jahre alt, aber keiner der sonstigen Anwesenden wirkte älter.

"Wir haben nur Hilfe gesucht, wir haben eine Illusion gespürt und das Tor entdeckt. Wir dachten, wir kommen so wieder aus der Schlucht raus."

„Ihr fragt euch also nicht, warum das Tor überhaupt versteckt war? Vielleicht hatte dies ja ein wichtigen Grund?“, meinte Karo mit genervter Miene.

Greyd zeigte in Richtung des Flusses:

"Schwimmt doch einfach da weiter? Zwar kommt noch irgendeine gefährliche Strömung mit netten spitzen Steinen, aber am Ende landet ihr im Meer. Also belästigt uns nicht weiter.“

„Nein........, dafür ist es jetzt schon zu spät.“, unterbrach der Kommandant mit den hellblauen Haaren.

„Bitte was?“, meinte das blonde Mädchen blass.

Ihre Kollegen wirkten angeschlagen und zum Teil verletzt, sodass wahrscheinlich nur sie fähig war dem Geschehen zu folgen.

„Einfach so, Karo? Wie wäre es mit ein bisschen Spannung?“, meinte Versko mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht.

Der Söldner hob seine Hand und er zeigte in die Höhe:

„Wir können die doch ein Spiel spielen lassen oder hast du konkrete Anweisungen vom Boss?"

Der blauhaarige Kommandant räusperte sich:

"Nun............, mir ist es völlig egal was mit denen passiert. Wenn du Spiele spielen willst, dann lasse dich davon nicht abhalten.", erklärte Karo mit leichter zynischer Stimme.

Die Vorschriften vom Boss waren eindeutig, aber der Blauhaarige wollte sich jetzt nicht einmischen.

Wenn Versko unbedingt Ärger vom Boss haben wollte, sollte ihm das nicht vergönnt sein.

So ging Bill ein Schritt zur Seite und der ausländische Söldner trat hervor.

Er grinste wieder voller Schadenfreude:

"Ich dürft gehen, ich lasse euch davonkommen.“

Ein Teil der Jugendlichen freuten sich sichtlich. Sie fielen sofort darauf herein. Dies steigerte die Zufriedenheit des eiskalten Söldners. Er liebte wohl ahnungslose Opfer, die er wunderbar fallenlassen konnte.

Karo betrachtete den Söldner mit skeptischen Blicken.

Er war noch nicht fertig mit Reden gewesen, deswegen setzte er jetzt zum Haken an:

„........., aber nur....................... wenn ihr innerhalb den nächsten 15 Minuten aus meinem Sichtfeld verschwunden seid. Der Fluss ist aber nicht erlaubt.", die freudigen Gesichter waren mit einem Schlag fort, als wären sie weggewischt worden. Versko grinste vergnügt und Greyd fing an zu Lachen.

„Wirklich sehr lustig, Versko.“, meinte der Kommandant mit dem schwarzhaarigen Pferdeschwanz.

„Ich spiele mit.“, fügte er hinzu.

"Wie..... was?", fragte einer der Jungen. Dieser war im Vergleich zu seinen Begleitern relativ klein. Die anderen wirkten aber wie er genauso verständnislos.

„Die kapieren wirklich nichts. Die haben keine Ahnung wie Versko es liebt seine Opfer auszuquetschen. Sie leiden zu lassen.“

Es störte den Kommandant nur, dass diese Art den Söldner unberechenbar werden ließ, dies könnte später noch gefährlich für Karo werden. Immerhin wollte er nicht mit einem Messer im Rücken aufwachen.

Im Grunde war dem blauenhaarigen Kommandant aber die jetzige Situation egal.

So musste sich Karo zumindest nicht um diese lästige Sache kümmern.

Er wich ein weiteren Schritt zur Seite.

"Also die Zeit läuft.", erklärte der ausländische Söldner mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.

Er zog tatsächlich eine Stoppuhr aus seiner Tasche hervor.

"Und was passiert, wenn die Zeit um ist?", fragte das blonde Mädchen mit einem Gesichtsausdruck, welches geprägt war vor lauter Nervosität.

Die Frage war aber lächerlich, denn die Antwort lag ihr bestimmt schon auf der Zunge.

"Ja was wohl? Wir töten euch!", beantwortete Versko die Frage und das Klicken einer Stoppuhr war zu hören.

Verschwunden VIII --- Böses Omen

[Rossya]
 

Die Tasse Kaffee fiel um, der ganze Inhalt verteilte sich auf der Tischdecke und tropfte vom Tisch auf die Steinplatten, die den Boden der Terrasse schmückten.

"Ach herrje, Linda, wie alt bist du denn? Der schöne teure Kaffee. Ich habe ihn erst heute Morgen auf dem Markt gekauft.", beschwerte sich Rossya und zog zugleich einen Lappen herbei.

Mit großen Zügen wischte sie den Kaffee auf, während Linda sich die Tischdecke vornahm.

"Entschuldige, aber ich hatte plötzlich so ein seltsames Gefühl, was ich aber nicht greifen konnte. Ein Schaudern aus dem Nichts.", sie wirkte daraufhin nachdenklich.

Die Forscherin wusch den Lappen am Ausgussbecken in der Nähe aus.

Das Becken war am Hinterhof, an der Rückseite des Gildenhauptquartier montiert worden.

Als Rossya fertig war, kam sie wieder zum kleinen runden Gartentisch und streckte sich, bevor die weißhaarige Dame wieder den Stuhl in Angriff nahm.

Sie saß heute schon eine Weile und die Dame merkte, dass sitzen ihr einfach nicht guttat.

"Mensch, dabei wollte ich mal zur Abwechslung entspannen."

Die beiden Damen hatten sich am späten Nachmittag im Hintergarten des Hauptquartiers gemütlich gemacht.

Die Nachmittagssonne strahlte, ohne Hinderung durch Wolken.

Jeder saß auf einen weißen Stuhl, welcher zum Tisch gerichtet war.

Auf dem kleinen weißen Tisch stand der Kaffee.

Linda war aus irgendwelchen Gründen versehentlich gegen ihre Tasse gestoßen und nun war der ganze Kaffee aus ihrer Tasse auf dem Tisch verteilt gewesen.

Aber was war geschehen?


 

Die Nachmittagssonne strahlte noch eine ordentliche Wärme aus, auch wenn man den kühlen Wind schon deutlicher wahrnahm.

„Ein Schaudern?“, fragte die weißhaarige Dame nach.

Es machte sie neugierig, was das wohl zu bedeuten hatte.

„Klingt fast wie ein schlechtes Omen.“, fügte sie hinzu.

„Ach hör doch auf. Wir wollten uns doch entspannen? Wenigstens einen Tag freinehmen. Gestern haben uns die Bewohner fast die Bude eingerannt. Selbst Engl und Noju musste ich zurückrufen, weil uns die Hände ausgingen. Sieben Aufträge an einem Tag und dann auch noch so lukrative.

Wäre Dr. Drogan nicht so beschäftigt im örtlichen Krankenhaus, hätten wir das vielleicht stemmen können und der neue Stadtrat macht uns auch das Leben schwer. Es ist alles zum Haareraufen, deswegen hatte ich ja beschlossen heute nichts zu tun!“, erklärte die schwarzhaarige Dame.

Sie setzte sich wieder auf dem Stuhl und Linda schloss für einen Moment ihre Augen.

"Entspannen? Linda.........“, fing Rossya an:

„Sieben Aufträge waren bei der alten Gilde nur an schlechten Tagen. Du weißt doch noch wie wir an manchen Tagen..............“, ein trauriger Blick der schwarzhaarigen Gildenmeisterin stockte den Atem der weißhaarigen Forscherin.

„Entschuldige.“, folgte sofort von Rossya.

„Ich vergaß, das es besser wäre, wenn ich die Themen, um die alte Gilde, in Ruhe lassen würde."

„Aber mit dem Entspannen ist es trotzdem nicht so einfach. Immerhin führst du eine Gilde und du hast sie bisher weit gebracht, also immer halb eines Jahres, soweit ich weiß.“, erklärte Rossya.

Sie versuchte ihre Freundin zu motivieren.

„Entspannen ist wichtig, Rossya.“, begann Linda. Erst jetzt schaute sie ihre Freundin an:

„Ich muss noch heute Abend jemand treffen und teilweise wichtige Gespräche führen. Wir treffen uns im bekanntesten Restaurant der Stadt."

"Weggehen?“, begann die weißhaarige Dame interessiert. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen ab:

„Ist ja mal was ganz Neues. Ein Verehrer vielleicht?", fragte Rossya mit leichter schelmischer Stimme.

Linda blickte schmollend ihre Freundin an.

"Und wer ist der Glückliche?", fragte Rossya anschließend.

Die Gildenmeisterin schaute beleidigt zur Seite:

"Denk ja nicht, es wäre ein Verehrer oder so etwas."

"Doch das tu ich.", widersprach Rossya sofort.

"Es ist nichts dergleichen.", widerlegte Linda.

"Als ob. Ich kenne doch den geröteten Blick meiner geliebten Freundin.", Rossya seufzte:

„Es ärgert mich zwar, aber ich bin kein kleines Kind mehr.“

"Nun, es ist nicht von meiner Seite aus. Bei ihm bin ich mir sicher, dass er so vielleicht darüber denkt.", erklärte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Sie schenkte sich von der silbernen Kanne den Rest in ihre Tasse und bot Rossya noch etwas an, aber sie lehnte ab. Die Dame hatte noch genug.

"Und wer ist es denn?", fragte die Forscherin neugierig.

"Ronin Blackstar.", antwortete sie knapp.

"Der Ronin? Der Ronin?! Der damals fast jede Frau umworben hat und eigentlich mit jeder, die ich so kenne, in der Kiste war? Ist der inzwischen nicht Söldner geworden und macht einfach alles für Geld? Der ist doch Gildenmeister, nicht?", vielleicht klangen ihre Worte abfällig, es war aber nicht im Grunde so gemeint.

"Du brauchst nicht deutlicher werden, ich weiß dass du ihn nicht leiden kannst. Du kannst doch allgemein keine Männer ausstehen.", erklärte Linda.

Es traf die Forscherin schon ein wenig, aber Linda hatte Recht.

Die Forscherin konnte Männer, vor allem den Typen nicht ausstehen, denn er hatte eine verlogene Art gegenüber Frauen und mit dem Geld.

"Der kann bleiben wo er jetzt ist, wieso triffst du dich bitte mit so etwas?", fragte Rossya mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck.

"Seine Sprüche sind immer noch schlecht, zwar kreativ, aber auf Dauer eintönig und mit Geld kann er in Wirklichkeit auch nicht umgehen. Zumindest sieht der Kerl charmant aus.", erklärte Linda.

„Wieso triffst du dich dann überhaupt mit dem?“, Rossya verstand ihre Freundin nicht.

Sie zählte gerade alle schlechten Seiten auf, aber dennoch wirkte Linda nicht abgeneigt. Was war sie? Ein Mädchen in der Oberschule, welches sich in den Bad Boy verliebt hatte?

„Es sind viele auf seine Masche hereingefallen. Ich kenne kaum jemand, den er nicht damals hatte.“, erklärte Linda.

"Ich verstehe sowieso nicht, wie die ganzen Mädchen auf ihn hereinfallen konnten. Wenigstens sind wir uns treu geblieben.", gab Rossya zufrieden von sich und sie wollte mit ihrer Tasse anstoßen, aber als die Forscherin zu Linda schaute, sah sie nur eine leicht verlegende schweigende Gildenmeisterin.

Entsetzt stellte die Forscherin die Tasse hin.

"Sie hat doch nicht..............", dachte sie fassungslos.

"Nun ja............, ich habe damals an das Gute geglaubt.“, begann die Gildenmeisterin.

Mit leicht abweisender Miene schaute Rossya zur Seite.

„Ach komm schon, Rossya. Ich war jung.", rechtfertigte sich die Gildenmeisterin.

„Und warum triffst du dich mit ihm wieder? Ist die Flamme nicht erloschen und jetzt willst du eventuell eine zweite Runde oder er?“, brummte die weißhaarige Forscherin.

"Nun ja, seit damals schreibt er mir fast jeden Monat neue und kreative Liebesbriefe. Ich könnte mir schon ein Album zusammenbasteln.", erklärte die Gildenmeisterin.

Ein wenig stolz klang mit ihrer Stimme mit.


 

In Rossya schien irgendetwas zu zerbechen. Linda hatte sich also schon die ganze Zeit für diesen Typen interessiert. Für diesen Nichtnutz.

"Was ist denn, Rossya?", meinte die Schwarzhaarige.

Beleidigt sah sie ihre Freundin an.

"Ich dachte, dass er jede fallen lässt, die er einmal hatte. Ronin scheint wohl wirklich in dich vernarrt zu sein, aber jeder Frauenheld wird mal älter. Wie alt ist er denn jetzt, 26?", fragte die Forscherin grimmig.

"Bist du etwa neidisch?", vermutete Linda plötzlich und Rossya schaute beleidigt zur Seite. Es ärgerte sie ein wenig und Rossya wollte nicht darüber reden, was sie in Wirklichkeit fühlte.

Mit einem zufriedenen Lächeln trank Linda ihren Kaffee leer.

"Wieso sollte ich? Ich bin wenigstens mir selber treu geblieben. Ja! Mir egal, ob er schön aussieht und elegant redet. Mir sind treue Partner wichtig.", wurde die Forscherin lauter. Sie war versucht gewesen Partnerinnen zu sagen, aber Rossya brachte das gerade nichts über das Herz.

Es herrschte ein kurzer Moment der Stille.

„Also.......“, begann Rossya darauf. Sie wollte schnell das Thema wieder auf Linda lenken.

"…....triffst du dich mit ihm. Weshalb genau? Wegen den Liebesbriefen?", ein gewisser Groll lag auf der Zunge der weißhaarigen Dame.

"Nun............, es geht nicht um mich. Es gibt um die Gilde.", fing Linda an und Rossya wurde plötzlich hellhörig.

"Um die Gilde?", wiederholte Rossya.

"Du weißt doch von dem Event, welches in über einem Monat stattfinden soll?"

"Das B-Turnier?", vermutete die Forscherin.

"Die will doch nicht die Jungs an dem B-Turnier teilnehmen lassen? Die sind doch noch viel zu unerfahren?", dachte die Forscherin skeptisch.

„Exakt.“, bestätigte Linda die Antwort ihrer Freundin, als hätte sie ihre Gedanken gehört.

"Sie sind noch nicht bereit und Linda, das wirst du auch nicht in einem Monat schaffen. Du kannst sie nicht an dem Turnier teilnehmen lassen. Die werden dort schnell untergehen!", erklärte die Forscherin mit leicht zorniger Stimme.

"Das weiß ich doch, deswegen muss ich ja so dringend mit Ronin Blackstar und in den nächsten Tagen noch mit ein paar anderen Leuten reden. Ich will die Gilde aber am Turnier teilnehmen lassen."

"Nein, Linda! Die Truppe ist noch nicht bereit. Früher die Jungs in der alten Gilde vielleicht, aber nicht sie, sie haben keinerlei Erfahrung mit so etwas. Das ist kein Spiel! Die können sich dort schwer verletzen.", erklärte die Weißhaarige mit strenger Stimme.

"Es geht hier um mehr, Rossya, außerdem verstehst du das falsch.", begann die Gildenmeisterin und sah ihre Freundin besorgt an.

"Du hast bestimmt auch schon mitbekommen, dass auf der Insel mehr Gesindel unterwegs ist. Du hast doch mitbekommen, dass immer mehr Unheil auf dieser Insel passiert.“, Rossya wurde still.

„Das Geheimnis der Elementkristalle ist zu gefährlich. Die Kinder müssen sich auch selbst verteidigen können.“, die Forscherin stimmte ihrer Freundin in diesem Punkt zu.

„Außerdem habe ich mich informiert.“, Linda pausierte kurz.

„Es gibt auf der Welt tatsächlich noch mehr Besitzer der Elementkristalle, aber keiner leidet offiziell an einer Amnesie. Diese Träger tun zwar offiziell so, als wäre es Magie, aber die sind ein offenes Geheimnis. Übrigens handhaben diejenigen mit den Kristallen anders. Die führen diese Dinger nicht mit sich herum, dennoch können die Träger ihre Fähigkeiten nutzen. Ich muss deswegen jemanden kontaktieren, der sich vielleicht damit besser auskennt."

"Da hast du absolut Recht, mir ist diese unangenehme Atmosphäre auf der Insel auch schon aufgefallen. Ein Schutz und ein Training ist zu empfehlen. Desto trotz kannst du die nicht an dem Turnier teilnehmen lassen. Du kannst sie auch außerhalb trainieren lassen. Lass sie noch ein wenig älter werden, bevor du so etwas in Erwägung ziehst.", erklärte die Forscherin.

"Keine Sorge, Rossya. Du hast da etwas missverstanden. Ich habe nicht von diesem B-Turnier geredet. Ich rede vom nächsten. Vom B-Turnier, welches in vier Jahren stattfinden wird. Darauf möchte ich die Gilde vorbereiten und sie deswegen trainieren lassen, sodass sie bis zur Spitze aufsteigen. Der alte Ruhm, der auch in der alten Gilde schon einmal war. Die Besten sein. Also wieder im Rampenlicht stehen."

Jetzt verstand Rossya auf was Linda hinauswollte, aber bis dahin konnte noch viel passieren.

Den Ruhm der alten Gilde zu erlangen war schwierig, sehr schwierig.

Die jetzige Gilde war noch klein und noch nicht so bekannt.

Die alten Mitglieder waren noch nicht einmal zurückgekehrt. Man hatte keine Ahnung wo diejenigen sich überhaupt auf der Welt umhertrieben.

Sie hatte ihre Freundin aber falsch eingeschätzt. Linda war nicht übereilig, sie war extrem vorsorglich.

Soweit in die Zukunft zu planen, das war etwas neues für die weißhaarige Forscherin. Es schien als wäre Linda wirklich erwachsen geworden.


 

„Linda Westallya?“, sprach plötzlich eine stählender männliche Stimme. Sie riss die beiden Damen beinahe metaphorisch von den Stühlen, weil derjenige mitten aus dem Nichts neben den beiden Frauen einfach so aufgetaucht war.

Es war Heon Stahl, der wie immer mit einem grimmigen Blick und mit einem vorbildlichen Aussehen, sowie respektvoller Haltung, sich vor der Gildenmeisterin präsentierte. Er legte großen Wert auf Ordnung und selbst seine Kleidung war akkurat hergerichtet.

„Ja?“, fragte Linda mit genervter Stimme. Linda mochte es nicht, wenn man sie erschreckte.

„Ja was gibt es denn, ehrenwerter Kommissar Stahl.“, korrigierte sie sich selbst.

Linda stand daraufhin auf.

„Es ist wichtig. Es geht um einer ihrer früheren Kollegen. Ich weiß zwar, dass er nie Mitglied der Gilde eure Vaters war, aber zumindest hattet ihr mit ihm zu tun. Ein paar Aufträge und weiteres“, fing der Kommissar an.

„Was ist passiert? Um was geht es?“, fragte die Gildenmeisterin. Ihr Miene verzog sich zu einem unzufriedenen Ausdurck. Ihre Haltung zeugte davon, dass sie sofort den Ernst der Lage verstand, der Heon mit seinem Auftreten vermittelte. Irgendetwas schlechtes war geschehen.


 

Der Kommissar führte die beiden weit in den Norden der Stadt.

Dort stand ein Gebäude ein wenig abseits der Stadt.

Es war das Wohnhaus von Will Zentaler, der seit einer geraumen Zeit unauffindbar gewesen war.

Rossya hatte die halbe Stadt auf dem Kopf gestellt, um ihren ehemaligen Forscherkollegen ausfindig zu machen.

Mit dem ersten Blick auf das Wohnhaus wurde schon klar, was geschehen war.

Das Haus musste lichterloh gebrannt haben.

Schwarze senkrecht gezogene Schatten waren auf der Häuserwand zu sehen. Fast alles war angebrannt und der Geruch von Verbrannten lag in der Luft.

Engl und Noju standen ebenfalls schon da. Sie blickten misstrauisch das verbrannte Haus an.

Wahrscheinlich hatten sie Unstimmigkeiten schon längst bemerkt.

Es war im Groben nur noch die Mauren übrig. Mit Garantie war das Betreten lebensgefährlich.

Dennoch hatten es wohl mutige Männer in das Gebäude gewagt.

Weit vom Eingang entfernt stand ein Trupp Polizisten und Dr. Drogan.

Neben dem Arzt war ein weißes Tuch auf dem Boden. Zwei verkohlte Füße schauten unter dem Tuch hervor und Rossya kapierte sofort wer das war.

Bevor sie jedoch etwas dazu sagen konnte, erklärte Heon:

„Gestern Nacht. Gestern Nacht war ein Feuer ausgebrochen und die Nachbarn verständigten sofort die Polizei. Man löschte das Feuer und man fand ihn darin.“

„Wie ist es passiert?“, fragte Rossya. Ihr Blick war zentriert. Sie lief langsam auf das Leichentuch zu.

Es war nicht so, als hätte sie Will leiden können, immerhin hatte er die Gilde für kurze Zeit in ernste Schwierigkeiten gebracht. Es war jedoch ein schwieriges Gefühl, wenn der ehemalige Arbeitskollege in diesem Zustand vor einem lag. Zum Glück sah man das Gesicht nicht.

„Er ist nach Aussagen nicht am Feuer gestorben. Er wurde mit vierzehn Messerstichen niedergestreckt. Das Labor im Keller muss entsprechend ausgesehen haben. Das Labor war aber nicht der Ursprung des Feuers gewesen. Es ist im ersten Stockwerk ausgebrochen, daher war noch ein Teil des Labors ganz.“

Heon lief direkt zu Rossya. Er flüsterte ihr etwas zu, während der Kommissar ihr heimlich ein kleines Notizbuch in die Hand drückte:

„Ich weiß von nichts. Eigentlich bekam ich den Auftrag von Karstoll, dass ich nachschauen sollte, ob das Tagebuch heil ist, denn auch er möchte diese Sache untersuchen. Die erste Seite zeigt aber gleich wem Will am meisten vertraut hat.“, daraufhin ließ er die Forscherin allein.

Der Kommissar lief zugleich zu Dr. Drogan.

„Was hat er dir überreicht?“, fragte Linda zugleich.

Zuerst skeptisch starrte Rossya das leicht angebrannten Notizblock an.

„Es scheint eine Art Tagebuch zu sein. Heon sagte mir, dass der Bürgermeister wollte, dass er das hier bekam.“, erklärte die Forscherin.

„Es hat wohl sein guten Grund.“

Sie öffnete vorsichtig die erste Seite.

„Für die Anerkennung meiner besten und vertrauenswürdigen Partnerin Rossalla Roxy oder Rossya wie sich neuerdings nennt. Ich möchte hier ihre Arbeiten fortführen und aufschreiben. Vielleicht wird sie irgendwann das hier lesen. Ich werde es wahrscheinlich nicht über das Herz bringen ihr die Wahrheit zu sagen. Zu sehr habe ich Mist gebaut, daher werde ich mich nun nur noch auf das Wesentlich in diesem Buch konzentrieren.“, las Rossya sich gedanklich durch.

Sie versuchte sich erst gar nicht auf das Gelesene zu konzentrieren. Die Forscherin blätterte sofort weiter.

„Da steht, dass er Filme hasst. Die neusten Filme seien nur noch Schwachsinn. Die Fahrt nach Festa habe sich gar nicht gelohnt.“, las Linda vor. Sie klang völlig verständnislos.

„Ich hätte nicht gedacht, dass er so etwas hineinschreibt.“, meinte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

„Warte, Linda.“, Rossya schaute auf, ob sie jemand beobachtete.

Die Forscherin klappte den Block zusammen und sie steckte ihn weg.

„Das sind so etwas wie Anagramme. Die Wahrheit liegt im Text. Ich muss den Code entschlüsseln, aber nicht hier. Ich mache das, wenn wir zurück sind. Es sollte kein weiterer davon erfahren.“, erklärte Rossya mit einer kühlen Stimme.

Linda nickte und sie schwieg.


 

Die Polizei tat diesen Fall schnell ab. Offiziell war es ein schrecklicher Laborunfall gewesen, der Will Zentaler das Leben gekostet hatte. Der Bürgermeister ließ aber dennoch eine Trauerfeier ausrufen.

Die Leiche wurde verbrannt und binnen 12 Stunden auf dem neuen Friedhof beerdigt.

Linda war nach der Zeremonie zu ihrer Verabredung aufgebrochen.

Weit nach der Zeremonie, also mitten in der Nacht besuchten schließlich die beiden Damen den Friedhof.

Rossya wollte nicht mit Fremden um ein Grab stehen. Ihr gefiel das nicht besonders.

Sie brauchte ein wenig Zeit und Ruhe.

Die Forscherin brauchte die Stille für klare Gedanken.

Nur Linda war da. Sie ließ sich nicht abschütteln, aber die schwarzhaarige Gildenmeisterin war auch vorrangig wegen jemand anderes gekommen.

„Es war Mord.“, erklärte die weißhaarige Forscherin nach einer kurzen Weile, nachdem sie in Gedanken versunken das neue Grab angeschaut hatte.

„Dachte ich mir.“, meinte Linda, während sie die Blumen eines anderen Grabes goss.

Der Himmel war frei von Wolken und der Mond strahlte in seiner vollen Pracht auf den Friedhof.

Es war eine stille und teilweise unangenehme Atmosphäre, aber nichts was Rossya beunruhigte.

„Ich habe fast alles durch und Will scheint wohl etwas falsch gemacht zu haben. Er erwähnte beinahe nur beiläufig, dass sein Traum geplatzt sei und nun sehe er die Zukunft in schwarz. Er hatte große Angst. Wahrscheinlich hätte er noch eine Warnung geschrieben, wenn er nicht ermordet wurde. Mit jedem vergangenen Tag war er übrigens ängstlicher geworden und sein Schreibstil hatte sich geändert. Zu dem Fall mit den Steingarten steht gar nichts darin, wahrscheinlich wollte Karstoll aber deswegen das Tagebuch haben.“, erklärte die Forscherin, während sie konzentriert das neue Grab anstarrte.

„Vielleicht war er doch kein so ein Arsch, wie wir gedacht hatten?“, meinte Linda. Sie stand auf.

„Du glaubst, dass Karstoll ihn gezwungen und anschließend ermordert hatte?“, vermutete Rossya.

Der Blick der Gildenmeisterin deutete aber eher darauf, dass Linda dies nicht wirklich glaubte.

„Vielleicht, aber selbst der Bürgermeister würde Will nicht so abartig töten lassen, das Haus im ersten Stockwerk anbrennen lassen und erst dann das Tagebuch stehlen lassen. Diese Ungereimtheit erklärt sich mir nicht.“, murmelte sie.

„Mh.........., das ist wahr.“, Rossya schaute ihrer Freundin die Augen. Irgendetwas war da.

„Linda scheint vor etwas Angst zu haben?“, überlegte die Forscherin.

„So viele gute Leute, die wir kannten, liegen hier. Wie oft waren wir schon hier?“, Lindas Stimme wurde leicht melancholisch.

„Leider oft genug. Immer wenn wir glauben, das es ist vorbei, dann kommt der nächste Schlag. Langsam wird das echt schwer, aber wann soll das denn bitte aufhören?“, fragte Rossya.

Das Gesagte stimmte die Forscherin traurig.

Nun trafen sich wieder die Blicke der beiden:

„Erst wenn wir selbst hier liegen.“, beantwortete die Gildenmeisterin die Frage.

Ein starker Wind wehte plötzlich und Rossya ging ein großer Schauer über den Rücken.

Diese Worte waren wie ein Pfeil, der ihr ins Herz geschossen wurde.

In ihrer Wortwahl klang ein starke Selbstsicherheit mit. Es machte der Forscherin ein wenig Angst.

Als hätte eine schwarze Hand aus der Dunkelheit sie ergriffen und man will Rossya in die ewige Finsternis ziehen. Plötzlich wollte die Forscherin von hier weg.

„Sag so etwas nicht, Linda!“, wurde die Forscherin plötzlich sauer.

Sie ließ ihre Freundin nicht zu Wort kommen:

„Wir müssen das beenden. Ich kann nicht mehr. Zu lange wollten wir uns aufbauen, indem wir wegsahen, aber jetzt reicht es! Ich werde damit anfangen, dieses scheiß Gefühl loszuwerden!“

„Wie?“, Linda schien nicht ganz mitzukommen.

„Indem ich den Mord an Will Zentaler aufklären werde!“, erklärte Rossya. In ihrer Stimme klang Zorn mit.

Linda schien nachdenklich zu sein und sichtlich unsicher meinte sie:

„Und du meinst, das hilft?“

Rossya erwiderte sofort:

„Und ob! Wenn so viel Ungerechtigkeit auf dieser Insel geschieht, dann säe ich einfach mal dagegen. Wegschauen bringt nichts, ertragen bringt auch nichts! Was bleibt denn übrig?“, Linda schien diese Frage nicht beantworten zu wollen, also übernahm Rossya dies selbst:

„Selbst etwas zu tun! Wenn dieser Schmerz nicht aufhört, dann werde ich zumindest den Mörder dafür bestrafen. Selbst wenn es Karstoll persönlich sein sollte, ich werde das nicht mehr dulden. Ich werde den Teufelskreislauf beenden! Wie viele sind schon auf mysteriösen Umständen gestorben? Wie oft wussten wir nicht einmal was überhaupt geschehen war? Fast die halbe Gilde deines Vater verstarb und wir wissen nicht einmal wirklich warum. Glaubst du wirklich, dass es zehn Mal einfach nur Herzinfarkt war, wie die örtlichen Ärzte das behauptet hatten?“

Linda sah zu dem größeren Grab ihres Vaters.

Nach einem kurzen Moment der Stille meinte die Gildenmeisterin:

„Du hast Recht.“

„Natürlich!“, fügte Rossya sofort hinzu:

„Also, Linda! Finden wir den wahren Grund heraus warum Will starb und warum dein Vater sterben musste. Warum eigentlich alle sterben mussten. Ich fange damit heute an!“, die Forscherin blickte trotz dieser Ansprache in zwei kühle Augen.

Trotz dem entfachten Eifer, konnte Rossya eine beängstige Aura erkennen.

Etwas umhüllte metaphorisch die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Was aber war nur Linda widerfahren oder was wusste sie eigentlich, was ihr so eine Angst machte?

„Rossya.....“, begann die Gildenmeisterin plötzlich und die Forscherin wurde still. Sie hörte zu.

„...............glaubst du eigentlich an schlechte Omen?“, verständnislos schüttelte Rossya den Kopf.

Sie verstand den Zweck dieser Frage nicht.

Verschwunden IX --- Ein heftiges Duell

[Max]
 

Wieso nur?

Wieso ausgerechnet jetzt und warum ausgerechnet hier?

Wieso waren sie nur so nah an die Schlucht gegangen?

Max hatte das förmlich schon gespürt wie dieser Teil der Wand abstürzen würde.

Es war nicht der Respekt vor der Höhe, die der schwarzhaarige Junge hatte, es war dieses bescheidene Gefühl im Körper, dass man sein Glück niemals herausfordern sollte, welches ihn vor dieser Gefahr gewarnt hatte.

Lieber immer in Sicherheit bleiben, das war die Devise von Max und bisher hatte sich das immer bewährt.

Hätten sich die anderen nur daran gehalten, aber Max hatte wiederum nichts gesagt.

Er wollte nicht als besorgter Idiot gelten, deshalb schwieg der Junge.

Es ärgerte ihn, dass er dann doch damit Recht gehabt hatte.


 

"Sie sind direkt ins Wasser gestürzt und mit getrieben worden. Ich habe sie aus den Augen verloren.", meinte Daniel nervös.

Er behielt seinen Blick weiterhin in die Schlucht.

Daniel folgte schließlich der Schlucht, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass er Rick und die anderen finden würde.

Julius hob sofort seinen dunkelroten Kristall hervor.

Im nächsten Moment beschwor er den Feuervogel, der immer noch einer Schwalbe ähnelte.

Majestätisch flog der Vogel immer noch durch die Lüfte.

Vermutlich ließ Julius seinen beschworenen Vogel zur Ausschau durch die Lüfte fliegen.

Der große Magier, Ombross, schaute die magische Kreatur fasziniert an.

Er wandte sich jedoch schnell ab und der Magier fing an ein paar Sätze zu murmeln.

Sein Buch schwebte ab diesem Zeitpunkt wie von Geisterhand vor ihm. Es öffnete sich und eine bestimmte Seite präsentierte sich.

Die Blicke des Magiers konzentrierten sich auf die seltsamen Symbole, die sich in dem Buch offenbarten.

Ein heller Lichtblitz entstand mitten aus dem Nichts und über dem Buch entstand ein blaues Augensymbol.

Es war wie ein gemaltes Logo mitten in die Luft. Es schwebte jedoch leicht auf und ab.

Das Symbol leuchtete und Ombross meldete sich zum ersten Mal zu Wort:

„Ich sehe sie. Nicht weit von hier. Auf einer Sandbank. Es sind andere Leute dort. Wahrscheinlich droht Gefahr.“, schon eilte er in die entsprechende Richtung.

Er war schnell für seine Größe.


 

Während des kurzen Sprints hatte der Magier sein Buch hinterher fliegen lassen. Dieser Zauber musste schon ziemlich praktisch sein.

An der entsprechende Stelle starrte der Magier, Illan, Julius und Daniel die Schlucht hinab.

Nur Max stand ungefähr drei Meter von der Schlucht entfernt.

"Wenn das verfluchte Ding nicht so tief wäre.", fluchte er innerlich.

„Ich höre etwas.“, stellte Julius fest.

„Der Schall! Er wird durch die enge Schlucht nach oben reflektiert!“, erklärte Daniel.

Man hörte mit an, wie Rick und die anderen von fremden Stimmen bedroht wurde.

Sie redeten von einem Zeitlimit und dem folgenden Todesurteil.

"Kann dein Feuervogel Menschen heben?", fragte der hellblonde Junge. Julius sah daraufhin Daniel an.

"Der kleine Vogel? Lav hat schon Probleme beim Tragen von Taschen."

„Verflucht.“, brummte der hellblonde Junge.

„Was bleibt uns noch?“, fragte er anschließend. Daniel sah sich um.

"Wir haben noch 13 Minuten und 54 Sekunden. Ein Plan ist aber bereit.", erklärte der Koloss und die drei Jungs schauten ihn verwundert an.


 

Ombross zog ein Handy hervor und tippte schnell etwas ein, dann hielt er es sich an sein Ohr.

Nicht einmal eine Minute später sprach der Hüne:

"Transportraum. Schnell. Es geht um Leben und Tod.", es herrschte eine kurze Stille.

„Und ich dachte jetzt kommt ein krasser Zauberspruch. Aber er telefoniert bloß. Nun wenn das wirklich hilft.“, dachte der schwarzhaarige Junge.

"Gut. Er soll mir ein massiven Pfeiler und das längste stärkste magische Seil bereithalten, aber dünn und beweglich soll es sein. Ich beschwöre das Zielsiegel.", Ombross steckte das Handy weg.

Er zog aus seiner grauen Umhängetasche eine goldene Münze hervor.

Gezielt schnippte er die Münze in die Luft.

Der Hüne fing an zu murmeln und nicht einmal ein paar Sekunden später, leuchtete die Münze in einem grellen Licht auf.

Wenig später erschien vor seinen Füßen ein rotes Kreuz, welches anschließend aufleuchtete. Er ging ein Schritt zurück und starrte in den Himmel.

Die goldene Münzen verschwand in einem großen Leuchten am Himmel und ein massiver Pfeiler schoss aus dem Nichts in den sandigen Boden.

Ein dünnes massives blaues Stahlseil flog kurz darauf ebenfalls vom Himmel herunter.

Der Koloss schlug ein weiteres Mal auf den massiven Pfeiler und rammte ihn damit weiter in den Boden. Es war ein seltsame Gefühl im Körper, als er dies tat. Durch die Luft wurde wegen der Wucht starke Schwingungen übertragen.

Der Magier band anschließend das massive Seil herum.

Ombross packte das andere Ende und er stellte sich an den Rand der Schlucht.

Daniel verstand wohl schon, denn er lief zum Rand und der Junge brüllte hinunter:

"HEEEEEEYYYYYYYYYYYYYY!", brüllte er laut und der große Magier warf das Seil herab.


 

Es schlug unten in die Sandbank ein. Alle Beteiligten schauten erstaunt nach oben.

"Ombross?", hörte man Juss rufen.

"Schnell, das ist unsere Rettung.", rief Melissa.

Ihre Stimmen klangen angeschlagen.

"Noch drei Minuten.", rief eine fremde männliche Stimme von unten herauf.

"Lasst uns in Ruhe! Wir sind schon gut wie weg!", versuchte Rick sie zu beschwichtigen.

"Und? Ihr kennt unseren Eingang. Das Einzige, was mich abhält euch sofort zu töten, ist mein Versprechen. Aber ich dachte auch eher, dass ihr wirklich ins Wasser springt.", erklärte die männliche Stimme weiter.

"Komm schnell Rick! Nimm meine Hand.", hörte man Alina rufen.

Max war inzwischen näher an den Rand gekommen und sah blass hinab.

Die fünf hatten sich inzwischen ein Stück am Seil hinauf geangelt, aber sie waren noch mindestens über 5 Meter vom Rand entfernt.

Melissa war trotz den sichtlichen Verletzungen noch am Kräftigsten, sie zog sich mit grimmiger Miene das Seil hinauf.

Rina war direkt darunter, aber das blonde Mädchen sah entkräftet aus. Ihr perlte der Schweiß auf der Stirn.

Juss war direkt unter ihr. Er sah stark angeschlagen aus.

Alina wirkte fitter, aber das Mädchen trug eine blutende Verletzung am rechten Bein.

Rick biss sich ebenfalls die Zähne zusammen, als er sich am Seil festhielt.

"1 Minute!", rief die männliche Stimme.

Max sah von oben herab ein Mann in einer Uniform mit dunkler Haut.

Sein Grinsen war aber das ausfälligste.

Ein Schauder ging dem schwarzhaarigen Jungen über den Rücken:

„Der lässt uns nicht entkommen.“, stellte Max fest.


 

Ombross stellte sich auf und mit einem Ruck zog er an dem Seil:

"FESTHALTEN!", rief Daniel noch rechtzeitig zu den anderen.

Ombross murmelte und das Seil leuchtete zuerst bläulich auf, darauf die Arme des Koloss rötlich, danach zog er das Seil mit Schwung zurück.

Er hatte das Seil so schnell zurückgezogen, dass alle fünf aus der Schlucht herausgeschossen kamen.

Keiner der Kletterer konnte aber mit dem Schwung mithalten und sie ließen im höchsten Punkt der Auslenkung des Seils im Flug los. Das war knapp fünf Meter über der Schlucht.

Rina schrie um ihr Leben. Alina und Rick waren bleich. Juss und Melissa schien nur der Anblick der Tiefe blass werden lassen.

Jedoch drohten alle wieder in die Schlucht zu fallen, da der Schwung sie nur senkrecht nach oben katapultiert hatte.

Das Seil löste sich währenddessen zu Nichts auf.


 

"Die Zeit ist um!", hörte man die männliche Stimme sagen.

Julius zeigte in die Tiefe und Lav, sein Feuervogel, fixierte sich auf etwas bestimmtes.

Ein anfliegendes metallisches Objekt drohte die fünf in der Luft zu treffen.

Lav setzte jedoch zu seinem Feuerstahl an und er fing somit das Ding ab.

Das metallische Objekt wurde in die Wand der Schlucht gehämmert.

Jedoch stellte sich das als Finte heraus, denn inzwischen war ein zweites metallisches Objekt angeschossen.

Es schlitzte Juss die Beine auf, als es ihn traf.

Ein lauter Schrei folgte und das Blut verteilte sich.

Rina schreckte auf, als sie beim Fallen das Blut abbekam.

Sie fielen aber alle noch.

Der große Magier hatte inzwischen mit einer neuen Zauberformel angefangen. Er hatte ein Spinnennetz aus dichtem magischen Maschendraht über die Schlucht gespannt. Ombross schien wirklich keine Zeit zu verlieren. Max hatte nicht einmal darauf geachtet woher er den Maschendraht gezaubert hatte.

Die fünf blieben auf dem Spinnennetz hängen.

Schon eilten Julius und Illan über das Netz.

Ombross packte Melissa, die am nächsten lag.

Schnell war die Magierin nach dem Fall wieder zu sich gekommen.

„Danke dir, aber ich bin wieder da!“, erklärte sie voller Eifer. Die Magierin zog ihre Ärmel hoch.

So kamen ihre Armbänder zum Vorschein.

"The Power of the true Blue.", rief sie und eine hellblaue Schicht erschien unterhalb des Spinnennetz. Die nächsten metallischen Objekte prallten daran ab. Sie fielen zurück ins Wasser.

„Es hält uns die Angriffe vom Leib.“, erklärte sie.

"Widerstand?“, brummte die Stimme von unterhalb der Schlucht.

„Greyd, ich überlasse dir den Rest. Du wolltest ja schließlich teilnehmen. Ich habe die Lust verloren.“

Man hörte plötzlich ein heftiges Krachen und ein Mann kam ohne Zögern aus der Schlucht geschossen. Er hatte die Barriere dabei mühelos durchbrochen.

Zum Glück waren schon alle vom Spinnennetz gezogen worden, sodass keiner fiel, als dieser Fremde auch das Netz ohne sichtlichen Kraftaufwand zerstörte.

Er landete mit einem lauten Knall am Rand der Schlucht.

„Wie zum Teufel hatte er das geschafft? Er muss mindestens zehn Meter in die Höhe gesprungen sein?“, stellte Max nervös fest.

"Was ist das bloß für ein Kerl?", der schwarzhaarige Junge ließ Ark aus seinem Kristall frei.

Illan ließ seine Krallen ausfahren.

"Die nehme ich euch gleich ab. Diese Elementkristalle sind wirklich viel Wert auf dem Schwarzmarkt.", rief Greyd und zeigte auf Max, der daraufhin schaudern musste.

"Verdammt, diese Dinge sind ja wirklich begehrt. Ich hätte nicht.......", fluchte er innerlich.

Illan attackierte den Angreifer, während dieser noch redete.

Mit seinen Krallen versuchte der Vampir Seitenhiebe auszuführen, aber der Mann wehrte die Hiebe mit seinem gezogenen Katana mühelos ab. Er lachte sogar dabei.

Das Aufeinandertreffen entfachte sogar Funken. Das Klirren der Zusammenstöße zeugten von der Härte der Schläge. Beide Seiten wollten die gegnerische Verteidigung durchbrechen.

"Oh wow, ein Vampir. Das sieht man nur noch selten."

Der Fremde namens Greyd trat Illan während einer Parade in den Bauch. Aber die Bauchmuskeln des Vampirs waren härter als vermutet, sodass der Vampir nicht zurückgestoßen wurde.

Mit seinen linken Klauen konnte er somit geschickt ausholen, aber bevor der Vampir ihn traf, nutzte Greyd Illans Bauch als Sprungbrett und stieß ihn dieses Mal nach hinten, während der Schwertkämpfer ebenfalls nach hinten sprang. Mit einem eleganten Salto landete Greyd auf beiden Beinen. Er nahm sichtlich das Ganze noch nicht ernst.


 

Rina hatte sich über Juss gebeugt und seine Beine verbunden. Das Verband zog sie aus ihrer Tasche, welche immer um ihrer Hüfte hing. Ein Wunder, dass das Ding nicht heruntergefallen war, als Rina durch die Luft geschleudert wurde.

Das Blut sickerte trotzdem durch die Verbände durch.

„Ich bin keine Heilerin, verdammt.“, jammerte sie.

Juss biss die Zähne aufeinander, er versuchte vermutlich den Schmerz zu verdrängen.

Alina saß näher an der Schlucht. Ihre Verletzung an ihrem rechten Bein hatte wieder angefangen zu bluten.

Ricks Blicke fielen zwischen der Verletzung seiner Freundin und dem Feind, der immer wieder wild auf Illan einschlug.

Melissa schickte währenddessen Daniel zu Juss und Rina, daraufhin eilte sie zu Ombross.

Während des kurzen Sprints rief sie zurück zu Rina:

"Los Rina, wir geben ihm Rückendeckung. Der Junge kümmert sich um Juss.", befahl das Mädchen in einer ersten Tonlage.

Ihre Hand strich ein weiteres Mal über eines ihrer Armbänder:

"The Power of the True Red!"

Ein großer Feuerball entfachte sich vor ihr. Die gewaltige Hitze trieb der Magierin den Schweiß auf die Stirn. Es war wie ein heller Stern, der aus dem Nichts entstanden war.

Die Magierin schoss diesen Feuerball, in einer der Größe eines doppelt so großen Fußballs, direkt auf Greyd zu.

Illan sprang zur Seite, bevor er fast selber davon betroffen gewesen wäre.

Greyd reagierte jedoch auch sehr schnell. Durch einen unmenschlichen Sprung senkrecht nach oben, rettete er sich vor dem Angriff.

"Willst du mich rösten?", rief Greyd schlecht gelaunt.

Illan nutzte die Nachlässigkeit des Feindes für einen starken Hieb mit der Rechten, aber der Schwertkämpfer wich der Bewegung aus und verpasste dem Vampir eine starke Rechte gegen die linke Gesichtshälfte.

Illan schoss über den Wüstenboden einige Meter nach hinten.

„Schwach. Ich habe Vampire stärker in Erinnerung.“, gab Greyd an. Im nächsten Moment war er auch schon verschwunden.

Bevor Illan wieder stand, verpasste Greyd ihm eine tiefe diagonale Schnittwunde über den Oberkörper.

Der Vampir ging in die Knie.

„Verflucht, nicht richtig getroffen.“, brummte der Schwertkämpfer. Er setzte zum nächsten Angriff an, aber da war Rina schon neben Melissa gesprintet.

Das blonde Mädchen hielt zwei große Karten in der Hand. Auf jeder Karte war ein seltsames Bild zu erkennen.

Auf der einen Karte war ein Turm zu sehen, auf der anderen Seite war ein Mann, der falsch herum mit seinem Fuß in einem Galgen hing.

"Schicksalskarten des Turmes und des Gehängten!", erklärte sie.

Beide Karten leuchteten auf, danach die Pupillen der blonden Schönheit.

Ein grelles Licht brach um ihr aus und schoss wie eine Welle kreisförmig von ihr durch alle Anwesenden hinweg.

Eine sandige Steinmauer schoss aus dem Boden, als der Lichtkegel erloschen war. Greyd befand sich jedoch davor, sodass die Mauer höchstens seinen Rücken schützte.

Zwischen den Spalten der Mauer schossen Ranken hervor. Diese Ranken packten sich den Schwertkämpfer.

Greyd wurde anschließend an die Mauer gezogen.

Sein Katana fiel ihm dabei aus der Hand, da die Schlingen ihn bewegungsunfähig machten.

"Was ist dann des für ein Scheiß?", beschwerte er sich lautstark. Er kämpfte sichtlich damit sich zu befreien.

Illan war wieder auf die Beine gekommen, trotz seiner schwerer Verletzung.

Der Vampir nutzte die Chance und wollte den Mann mit seinen Krallen wohl aufschlitzen.

„Hach......“, gab Greyd selbstsicher von sich.

Der Mann biss sich auf die Zunge, danach streckte er sie heraus. Das Blut tropfte von seinen Mundwinkeln auf seinen Oberkörper, währenddessen zeichnete sich ein schwarzes Symbol auf der Zunge des Feindes ab.

Illan wich vorsichtig zurück. Er hatte wohl etwas gesehen, was selbst ihm Angst machte.

"Ah...... du kennst wohl das Symbol? Das ist gut, dann muss ich schon nichts erklären.", sprach der Mann undeutlich, während ihm das Blut aus der Mund lief.

Im nächsten Moment wurde seine Haut haarig und die Mauer zerbrach hinter ihm, als hätte diese beschlossen einfach aufzugeben.

Lange haarige Beine wuchsen dem Schwertkämpfer aus dem Rücken.

Insgesamt entstanden sechs solcher haarigen Beine, die über acht Meter lang waren. Sie ragten dem Mann weiter aus dem Rücken in einem hohen Bogen zum Boden.

Auf seinem Gesicht waren sechs rote Augen zu sehen und sein Mund wurde zur einem gespitzten Maul mit langen scharfen Zähnen.

Sein ganzer Körper war nun mit purpurfarbenen Haaren übersät. Er wuchs dazu noch an und es formte sich zu einer großen ovalen haarigen Kugel.

Greyd war zu einer riesigen Spinne geworden.

Die Länge des Körpers waren bestimmt zehn Meter und die Breite war fast fünf Meter lang.

Auf seiner haarigen Brust hatte sich in weiß das Symbol einer Spinne abgebildet.

„Ein Bein hat so viel Reichweite, sodass es jeden von uns mühelos treffen könnte.“, stellte Max nervös fest. Er ging außer Reichweite, davor rief er Ark zurück.


 

Rina hatte den nächsten Angriff nicht kommen sehen und auch sonst keiner konnte rechtzeitig reagieren. So wurde das blonde Mädchen mit Wucht ein paar Meter nach hinten geschlagen.

Sichtlich schwer verletzt, bewusstlos und stark blutend lag sie im Sand.

Daniel winkte Julius zu sich und anschließend sprintete der Junge zu Rina.

„Ah........ nein........“, brummte Juss. Panisch sah der verletzte Juss seiner Freundin zu. Er wollte wohl aufstehen, aber er hatte keine Kraft mehr.

„Achtet auf seine............!“, wollte Melissa rufen, aber das nächste Spinnenbein kam genauso schnell und traf die Magierin ebenfalls mit schwerer Wucht.

Bevor diese in die Schlucht geschlagen wurde, fing Illan sie im Sprung ab.

Der Vampir wich den nächsten Angriffen der Spinne aus.

Illan legte sie schnell in die Nähe zu Juss.

Zugleich drehte sich der Vampir um und er attackierte das angreifende Spinnenbein.

Da schoss ein weißes Spinnennetz aus dem Mund des Angreifers.

Es vernetzte Illan, sodass dieser sich nicht mehr bewegen konnte.

Anschließend wurde der Vampir von einem Spinnenbein durchbohrt. Ganz knapp am Herzen vorbei.

Das Spinnenbein zog sich heraus und Illan kippte zu Boden, weil das Spinnennetz schwächer wurde.

Illan hatte sichtlich mit den Schmerzen zu kämpfen.

Greyd zielte anschließend mit seinem Spinnennetz auf den Feuervogel, jedoch rief Julius diesen noch rechtzeitig zurück.

Nun wollte die Riesenspinne die Verletzten angreifen, da trat Rick gegen eines der Spinnenbeine, welches den Körper der Spinne aufrechterhalten sollte.

Wütend sprang Greyd auf und verpasste dem Junge einen Seitenhieb.

Mit einer großen Platzwunde  am Kopf flog Rick zu Boden.

„RICK!“, rief Alina schockiert.

Für das Mädchen muss es so ausgesehen haben, als wäre ihr Freund schwer getroffen worden, weil dieser zunächst noch mit dem Kopf im Sand lag und sich nicht rührte.

Die Blässe im Gesicht seiner Freundin beschrieb ihren Schock sehr gut, sodass das kluge Mädchen mit großer Wahrscheinlichkeit zu dieser verständlichen Aktion gezwungen wurde.

Alina eilte nämlich humpelnd und wohl ohne nachzudenken zu ihrem Freund. Sie kam dabei nicht einmal mehr zum erneuten rufen nach ihrem verletzten Freund, denn das blonde Mädchen bekam schon sofort das nächste Spinnenbein gegen die Rippen geschmettert.

Das Mädchen flog zur Seite und rollte wegen der Wucht unkontrolliert über den sandigen Boden.

Sie stürzte dadurch ungewollt über den Rand der Klippe in die Schlucht.

Max sah Alina nicht mehr.

Der schwarzhaarige Junge stand aber noch zu weit weg, um hinabsehen zu können.

Geschockt eilte Rick sichtlich benommen zu seiner Freundin.

Greyd lachte währenddessen. Durch seine neue Form klang seine Stimme auch wesentlich dämonischer.

Rick war am Rand der Klippe angekommen. Er griff nach etwas. Vielleicht nach Alina?

Max konnte das aus der Entfernung nicht erkennen, aber der Junge konnte deutlich sehen, wie Greyd nur darauf gewartet hatte, dass die beiden dort waren.

Das Monstrum holte mit einem Spinnenbein aus, da bekam die Spinne ein größeren Eisball gegen den Kopf geschmettert.

Max hatte Ark blitzschnell beschworen und ihn angreifen lassen.

Den Angriff brachte die Riesenspinne dazu, dass diese ihren Angriff tatsächlich abbrach.

So fiel der Blick der Riesenspinne zuerst auf Ark und anschließend auf Max. Dieser bekam dadurch ein großes Schaudern.


 

Die große Spinne wollte sich wohl rächen, da fielen riesige magische gelbe Schwerter aus dem Himmel. Sie rammten sich rings um das Monstrum.

Ein gelbes Schild erschien und es sperrte die Spinne ein.

"Wahhharrrarrrr!", brummte das Monstrum böse.

Es schlug wie wild gegen die Barriere, aber Greyd kam nicht durch.

In einem Atemzug stand wieder der normale Greyd da und er setzte sich auf den sandigen Boden.

„Irgendwann wird sie schwächer werden.“, drohte er.

Der Schwertkämpfer schloss die Augen und er schien sich zu konzentrierten.

Versuchte er sich etwa zu erholen?

„Ein Glück. Ich bekam genug Zeit.“, gab Omrboss erleichtert von sich.

"Packt alle Verletzten! Wir müssen hier weg!", rief der Koloss anschließend, auch wenn es wirklich keine laute Stimme war.

Rick hing währenddessen mit seinem rechten Arm in der Tiefe.

Max war zu ihm geeilt. Er sah, wie er Alina festhielt. Sie war wirklich nicht in die Tiefe gefallen.

„Ich lasse dich nicht los! Ich verspreche dir! Ich werde nicht mehr so nachlässig sein! Ich werde dich in Zukunft vor allen Gefahren schützen!“, versprach er seiner Freundin.

Max und auch Julius, der herbeigeeilt war, zogen den Jungen mitsamt seiner Freundin hoch.

Illan war wieder aufgestanden, jedoch sah der Vampir gar nicht gut aus.

Wie ein Zombie schlenderte er einige Meter nach vorne und er brummte lautstark.

Seine Krallen fuhren zurück und er strich über seine tiefe Wunde in der Mitte des Körpers.

Die blutige Wunde war tatsächlich nicht mehr so tief wie zuvor. Der Vampir musste über starke Selbstheilungskräfte verfügen.

Jedoch sah Illan eher so aus, als würde er gleich wieder zusammenbrechen.

Rick und Alina dagegen konnten noch selbst gehen.

Ombross hatte sich Juss geschnappt, da dieser nicht einmal stehen konnte.

Daniel befestigte die ohnmächtige Rina auf Julius' Rücken, weil dieser zu Daniel kräftiger war.

Max half Melissa auf die Beine. Sie war benommen, aber noch fähig zu gehen.

Daraufhin bewegte sich die Truppe in Richtung der Holzbrücke vorwärts.

Die nächsten Minuten verliefen sehr schweigsam.


 

Als die Gruppe die Holzbrücke erreicht hatten, rief Greyd lautstark hinterher:

„Ich kriege euch! Ihr werdet mir nicht entkommen!“, daraufhin drehte sich Ombross um.

Er murmelte ein paar Worte und anschließend vielen weitere gelbe Schwerter von Himmel.

Der Zauber hielt das Monster wohl eine ganze Weile im Bann. Dadurch konnte die Gruppe erfolgreich fliehen.

Sie eilten so schnell wie möglich nach Zellerstein.

Ein paar Wanderer, die in der Nähe der Stadt durch die Gegend stiefelten, sahen die Truppe und verständigten sofort den Arzt und die Polizei.

Auch wenn die ganze folgende Tortur weit bis in die Nacht dauerte. Konnte jeder erschöpft, aber erleichtert am Ende in die Betten fallen oder ins örtliche Krankenhaus gebracht werden.

Entsetzt hatte man versucht der Polizei von dem Monstrum zu erzählen, jedoch widmete sich die Polizei nicht dieser Sache. Denn man glaubte, dass die Gruppe wegen Wassermangel geträumt hatte, nachdem sie von Banditen überfallen wurden. Eine andere Geschichte ließ der örtliche Kommissar nicht zu.

Zarkosu Wattfeld war sein Name.

Ein sehr ungemütlicher Zeitgenosse, der wohl auch kein Freund von Magier war.

Er zeigte eine große Abneigung, als der muskulöse Mann in seiner schwarzen Uniform die Gruppe ausgefragt hatte.

Wahrscheinlich hatte er schon längst seine Geschichte zusammengereimt, bevor dieser überhaupt das Verhörzimmer betreten hatte.

Man hatte nämlich noch nie von irgendwelchen Vorfällen dieser Art in der Wüste gehört.

Außerdem hieß es immer, man hatte noch wichtigeres zu tun. Kinderkram interessiert angeblich niemand in Zellerstein.
 

Einige Stunden später:
 

Alle hatten irgendwie schließlich Schlaf gefunden.

Aber am nächsten frühen Morgen saßen Julius, Daniel und Max schon am Tisch im Versammlungsraum eines einfachen Hotels in der Mitte der Stadt. Es war direkt in der Nähe der Notkrankenstadtion gewesen.

Dass das Monster nicht mehr aufgetaucht war, erleichtert alle Anwesenden.

"Man war das krass. Beinahe wären wir drauf gegangen. Stellt euch vor, was gewesen wäre, wenn wir Illan oder Ombross nicht dabei gehabt hätten.", meinte Daniel. Er war sichtlich aufgeregt.

"Ich denke nicht, dass ich das aussprechen muss.", erklärte Max schlecht gelaunt. Er trank inzwischen schon seine vierte Tasse Kaffee, aber es schien keine Wirkung bei ihm zu haben, denn der Junge wirkte immer noch müde.

"Wir sind so was von schwach. Dagegen muss was getan werden.", gab Julius bekannt.

"Wir sind Vierzehn und keine Superhelden. Wir waren am falschen Zeitpunkt beim falschen Ort.", erwiderte Max.

Als Antwort bekam er jedoch nur unzufriedene Blicke von Julius zu spüren.

"Ich meine ja nur.", entschuldigte er sich anschließend.

"Du standest doch die ganze Zeit nur in der Entfernung?", gab Daniel von sich.

"Das stimmt nicht!", rechtfertigte sich Max sofort.

"Du hättest ja auch helfen können? Immerhin hatten wir mit den Verletzen viel zu tun", meinte Julius, aber es klang von ihm nicht so vorwurfsvoll wie von Daniel.

"Ich habe das Monstrum abgehalten Rick und Alina anzugreifen.", rechtfertigte Max sich weiter.

"Ich habe kein Bock mit dir darüber zu diskutieren.", beende Julius das Gespräch sofort.

Max sah ihn eine Zeitlang grimmig und schweigend an.

"Haben die jetzt nichts besseres zu tun, als meine Fehler zu suchen?", dachte er genervt.


 

Im nächsten Moment kam Alina herein, sie trug ein Verband um den Kopf.

Ihr rechtes Bein war ebenfalls mit einem weißen Verband verbunden. Sie humpelte ein wenig.

"Alles in Ordnung?", fragte Daniel und Alina nickte.

Sie setzte sich ebenfalls an den Tisch.

Ihr Blick war jedoch ernst. Prüfend sah die Blondine alle Beteiligten an.

Sie wirkte so, als hatte das Mädchen wohl etwas wichtiges zu erzählen.

"Ich habe mit Rick geredet. Er würde verstehen, wenn ihr jetzt aufhören wollt. Nach so einer Tour hätte ich auch keine Lust mehr.“, fing sie an.

„Rick und ich werden jedoch weiterhin nach Tina suchen. Auch wenn ihr ihn vielleicht nicht verstehen werdet, aber Rick kann nicht anders. Er hat ein Grund.“, erklärte sie weiter.

„Ich will ihn nicht im Stich lassen, aber ich will euch damit sagen, dass ihr ruhig nach Hause gehen könnt. Ihr müsst nicht wegen seiner Sturheit mitreisen.“

Es herrschte im nächsten Moment eine seltsame Stille.

„Du sagtest, er hätte ein wichtigen Grund Tina zu retten. Es ist also mehr, als nur das Schuldgefühl gegenüber Tina?“, fragte Max.

„Es ist mehr.“, bestätigte Alina.

„Dann erzähle uns doch von diesem Grund?“, fragte Julius.

„Ja......, vielleicht können wir ihn dann besser verstehen?“, meinte Daniel.

„Aber auch nur wenn er es will.“, fügte Daniel hinzu.

„Du bist aber nicht nur hier herunter gekommen, um uns zu sagen, dass wir uns keine Sorgen machen sollen, nicht?“, fing Max an und Alina schaute ihn finster an.

„Du willst uns eher bitten, dass wir bleiben sollen? Du wolltest nur, dass wir wegen unserem Stolz dieses Angebot ablehnen, auch wenn du es uns anbietest.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu.

„Korrekt.........“, begann Alina, jedoch verlor sie nicht ihren finsteren Blick für einen Moment.

Als würde es das blonde Mädchen nerven, dass Max sie so schnell durchschaut hatte.

"Ich will euch eigentlich bitten, dass ihr Rick nicht alleine lässt. Ich dachte zwar, dass es ein wenig Überredungskunst benötigt, aber wenn ihr das schon so schnell durchschaut habt. Egal......“, sie pausierte kurz, während das blonde Mädchen ausatmete:

„...........nun gut. Ich will euch erzählen, warum Rick so versessen darauf ist, Tina zu retten und sie unverletzt zurück bringen will. Es ist nicht weil er egoistisch ist, vielleicht ein bisschen, aber er macht das hauptsächlich wegen etwas anderem und dazu müsst ihr ein wenig seine Vergangenheit kennenlernen. Ich möchte euch erzählen von Elysa, die Art kleine Schwester von Rick, die vor knapp drei Jahren starb.", ihr Blick wurde entschlossener und die Atmosphäre kühler.

Verschwunden X --- Sich aussprechen

[Rick]
 

Einige Minuten vor dem Treffen zwischen Alina und den drei Jungs im Versammlungsraum des Hotels Kleinkrach in Zellerstein:
 

Der Junge hatte nicht schlafen können, aber das war nach den letzten Stunden auch mehr als verständlich gewesen.

Im Gegensatz zu den Magiern hatte Rick noch Glück gehabt. Er hatte nur eine leichte Gehirnerschütterung, drei Prellungen und über zwei Dutzend blaue und lila Flecken.

Er war schon immer Robust gewesen und schon oft hatte der Junge einstecken müssen, aber diese Erinnerung an die Wucht der Schläge der Riesenspinne waren für ihn eine erschreckende neue Erfahrung gewesen.

Es war etwas was er nicht noch einmal brauchte.


 

Für Tina würde er aber selbst so etwas erneut verkraften.

Für seinen Fehler würde der Junge immer noch grade stehen.

Nur war die Frage jetzt, wie ging es weiter?

Er blickte aus dem Fenster und Rick sah die erleuchteten Straßen der Innenstadt.

Es sollte bald wieder das Leben der Stadt erwachen, denn jetzt waren nur wenig Fahrzeuge unterwegs und die meisten säuberten die Straßen.

Es klopfte an der Tür.

"Rick?", fragte eine ihm bekannte Stimme hinter der Tür.

Bevor der Junge aber etwas sagen konnte, öffnete sich die Zimmertür schon.

Es war Alina.

Sie hatte mit den Verletzungen ebenfalls Glück gehabt, denn sie kam ebenfalls nur mit wenigen Prellungen und Schürfwunden davon.

Ihre blutige Wunde an ihrem rechten Bein war zum Glück nur eine oberflächliche Wunde, die zum Glück nur stark geblutet hatte.

Nach einer Desinfektion und stabilen Verbänden, konnte Alina wieder auftreten.

Zum Schutz des Kopfes trug sie noch ein Verband um die Stirn, da sie doch ein starken Hieb abbekommen hatte.

Das Selbe galt auch für ihre Brust, aber diesen Verband versteckte sie unter ihrer Kleidung.


 

Das Mädchen trat herein und sie schloss die Zimmertür hinter sich.

Alina kam zu ihm ans Fenster:

"Wie geht es dir? Konntest du schlafen? Tut dir noch etwas weh?", fragte sie besorgt.

„Wenn irgendetwas ist, dann kannst du es mir ruhig sagen.“, redete das Mädchen weiter, ohne Rick anfangen zu lassen.

„Ich.......“, wollte Alina wieder beginnen, aber Rick hob die Hand und der Junge unterbrach seine Freundin:

"Ich.....", begann Rick mit trauriger Miene:

"Ich war wieder zu unvorsichtig gewesen, wegen mir sind............", er stoppte, als der Junge Alinas festen Griff spürte. Er sah auf und Rick blickte in zwei böse Augen.

"Du hast doch keine Schuld, niemand hätte das vorhersehen können. Diese dumme Göre ist zu nah an den Rand gegangen. Du wolltest sie retten, deswegen bist du hinabgestürzt. Wegen was solltest du dir bitte also die Schuld geben?“, erklärte Alina.

Tatsächlich viel Rick keine Argumentation ein, die dagegen sprach.

Jedoch fühlte sich der Junge dadurch nicht wirklich besser. Es war immer noch ein starkes Unbehagen vorhanden, welches ihm erzählen wollte, dass er damit nicht so einfach entkam.

„Wir sind heil in Zellerstein angekommen und das zählt. Wir sind doch jetzt in der richtigen Stadt. Wir müssen nur noch diesen Magier suchen. Wenn wir Glück haben finden wir sie sogar hier.", erklärte Alina anschließend.

"Wenn sie noch hier ist, wir haben mehr als drei Tage gebraucht, vielleicht ist sie schon weiter gereist?", erwiderte Rick.

"Was ist los mit dir? Früher warst du der tapfere, ich scheiß auf alles, Typ, der mehr handelte, als darüber nachzudenken. Ein bisschen Gegenwind hat dich nie aus der Bahn geworfen.", begann Alina.

Sie schwieg für einen Moment, daraufhin flüsterte das Mädchen:

"Bitte sei wieder du selbst. Du bist nicht wie früher. Du bist jetzt jemand anderes. Du benimmst dich wie ein Erwachsener, wie ein Gruppenführer. Jemand, der nicht zu dir passt. Noch nicht.", erklärte sie und Alina trat näher an ihn heran.

Sein Blick war für einen Moment der Stadt gewidmet.

Er beobachtet ziellos ein paar Passanten, die über die Straße eilten.

„Rick!“, wurde sie lauter.

Er schaute sie nun wieder an.

Rick bemerkte wie ihre Augen tief in seine blickten.

Der Junge schien plötzlich etwas darin zu erkennen.

Was war es?

Es fühlte sich an, als hätte Alina Angst. Als würden ihre Augen eine große Besorgnis ausstrahlten.

So hatte der Junge das noch nicht wahrgenommen.

"Das bist nicht momentan du. Sieh dich an Rick.“, ermahnte seine Freundin.

Der Junge blickte in den einzigen Spiegel im Raum.

Er sah in sein Gesicht.

Ein müder, blasser und geschwächter Gesichtsausdruck schaute ihm entgegen.

„Wo ist dein Eifer und deine Freude hin, die du noch vor ein paar Tagen hattest? Bevor überhaupt das alles mit Tina angefangen hatte? Früher hast du dich nicht so fertig gemacht. Früher warst du immer motiviert und spontan, du hast über alles gelächelt und nicht aufgegeben. Du hast über deine Fehler nicht lange geschmollt. Immer wolltest du noch einen drauf setzen. Regeln haben dich wenig interessiert. Du hast deine eigene Einschätzung für wichtiger gehalten. Genau diese Art habe ich am Anfang gehasst. Du hast mich immerhin auch nicht leiden können. Weißt du noch?“
 

Vor ein paar Jahren:
 

„So......., das ist Alina Mintal. Sie wird eine Zeitlang bei uns wohnen. Sei bitte freundlich zu ihr. Wenn ich mehr Zeit habe, dann erzähle ich dir ihre Geschichte.“, erklärte Linda.

Die schwarzhaarige junge Dame schob das schlechtgelaunte Mädchen auf Rick zu.

Mit verschränkten Armen starrte sie den Jungen an.

„Und was soll ich mit der?“, fragte Rick.

Er wollte lieber raus und wieder in den Wald, aber der Junge durfte das nicht. Linda hatte ihm das verboten, deswegen wollte er dringend, dass die schwarzhaarige Dame wieder schnell an ihre Arbeit ging.

Schaute Linda weg, so konnte Rick wieder schnell verschwinden.

Auf ein Mädchen aufpassen, das wollte er aber ganz und gar nicht.

Rick wollte auf niemanden aufpassen.

Es war nicht so, als wäre der Junge allein unterwegs. Immerhin hatte er schon weibliche Gesellschaft, aber auf dieses Mädchen musste man nicht aufpassen.

„Pass auf sie auf. Sie kennt sich hier nicht aus.“, erklärte Linda.

„Warum ich?“, beschwerte sich Rick.

Grimmig schaute er beleidigt zur Seite.

„Freundchen!“, begann die junge Dame mit lauter Stimme:

„Sei freundlich zu Gildenkollegen, vor allem zu Frauen. Ein Junge ist stets immer ein Gentleman. Außerdem..........., mit Elysa hast du dich doch schon wieder im Wald herumgetrieben?“

„Was?“, meinte Rick erstaunt.

Woher wusste sie das? Konnte Linda etwa Gedankenlesen?

„Fange erst gar nicht an mich anzulügen!“, wurde die schwarzhaarige Dame wieder lauter.

„Wir haben nur unser Baumhaus wieder aufgesucht. Wir haben nichts gefährliches gemacht? Warum willst du uns den Spaß verbieten?“, wurde Rick lauter.

Linda fasste sich an die Stirn.

„Ich will euch doch nicht den Spaß verbieten, aber.................., aber es ist gefährlich im Wald.“, erklärte die Dame.

„Ich habe keine Angst vor dem gefährlichen Wald. Ich kann auf mich aufpassen und Elysa kann das auch!“, gab Rick stolz bekannt.

„Dann kannst du ja auf Alina aufpassen.“, erwiderte Linda mit einem kurzen Schmunzeln.

Grimmig starrten sich Alina und Rick an.

Alinas Blicke waren unheimlich und unsympathisch zugleich.

„Sie kann mitkommen, wenn die auf sich selbst aufpassen kann.“, erklärte der Junge. Er schaute zur Seite. Elysa wartete bestimmt schon draußen.

„Ihr geht nicht in den Wald! Ist das klar?“, ermahnte die schwarzhaarige Dame.

Rick schaute sie nur böse an.

„Ich warne euch.“, Linda wurde deutlicher.

Sie wurde aus der Entfernung gerufen, deswegen wandte sich die Dame ab:

„Wir reden noch, Rick.“, daraufhin verschwand sie die Treppen hinauf.

Der Junge sah anschließend Alina an.

„Kannst du klettern?“, fragte er mit ernster Miene.

Alina schüttelte den Kopf. Ihr Blick blieb grimmig.

„Dann zeige ich es dir. Es ist nicht schwer.“, erklärte er. Ohne zögern wandte er sich dem Ausgang. Der Junge öffnete die gläserne Doppeltüre und mit ernster Miene erklärte er:

„Kommst du nun mit?“

„Sie hat doch gesagt, dass wir nicht gehen dürfen?“, murrte Alina.

„Und?“, begann Rick.

„Ich bin alt genug, um auf mich aufpassen zu können. Du, falls es dich beruhigt, ich werde schon schauen, dass dir nichts passiert.“, erklärte er mit stolzer Miene.

„Kommst du nun mit?“, wiederholte der Junge seine Frage.

Alina nickte zögerlich.
 

Wieder in der Gegenwart:
 

"Ich verstehe.", gab Rick zu. Er hatte verstanden auf was Alina hinauswollte.

„Ich möchte wieder meinen alten Freund zurückhaben.“, erklärte seine Freundin. Sie trat noch näher heran.

"Ich hatte mir vor kurzem schon gedacht, dass ich dich vielleicht vernachlässige und du deswegen mir sauer bist.“, erklärte Rick.

Alina schaute ihn beleidigt an:

„Vielleicht? Du warst ziemlich grob zu mir in letzter Zeit.“, erklärte sie.

„Es tut mir Leid, Alina.“, seine Freundin lächelte.

Aber er war noch nicht fertig mit reden:

„Ich will nur nicht, dass mir das nochmal passiert. Du weißt. Dieser Fehler, der ein Leben gekostet hat. Damals hätte ich auf Linda hören sollen. Ich hätte nicht meine Sturheit durchsetzen sollen. Ich wollte mich beweisen, aber stattdessen............", Alina umarmte ihn:

„.............es ist o.k. Ich habe das verstanden. Du musst wegen mir nicht weiter darüber reden. Deine traurigen Blicken sagen alles. Es tut mir weh, wenn ich dich so sehe.“, erklärte seine Freundin.

Darauf herrschte einen Moment lang die Stille.


 

„Suchen wir jetzt Tina?“, fragte Alina in einem längerem Atemzug.

"Du bist immer noch eifersüchtig, nicht? Du denkst, dass ich für Tina irgendetwas empfinden würde? Du hast Angst, dass du mich verlierst, weil meine Liebe vielleicht nicht für immer hält?", fragte Rick.

Er brachte nur ein schwaches Lächeln zustande.

Alinas Gesichtsausdruck wurde ernster:

"Und ist es das?", fragte sie vorsichtig.

Er schüttelte mit ernster Miene sofort den Kopf:

"Nein, du bist immer noch die Liebe meines Leben.“, die Umarmung seiner Freundin wurde stärker.

Sie brachte ein herzliches Lächeln zustande.

„Ich habe das noch niemand erzählt, aber Tina erinnert mich stark an Elysa. Ihr Verhalten, ihre Züge, ihre Gedankengänge, ihre Denkweisen, es ist so, als wäre sie Elysa. Sie erinnert mich stark an meine kleine Schwester, die ich nicht beschützen konnte. Wahrscheinlich habe ich nur Angst schon wieder diesen schrecklichen Fehler zu begehen. Wenn ich ihr Gesicht sehe, dann denke ich immer an das Gesicht von Elysa, als sie von diesem.................."

„RICK!“, unterbrach Alina ihn.

„Es ist gut. Wir reden nicht weiter darüber. Ich war dabei, ich weiß was du gesehen hast. Bitte lass es sein. Du ziehst dich wieder runter.“, seine Freundin hatte Recht, aber dennoch stimmten ihn diese Gedanken wieder traurig.

„Du hast Recht, Alina. Du bist meine Vernunft. Suchen wir besser Tina, sodass wir uns nicht mehr mit der Vergangenheit runter ziehen.“, erklärte er.

"Ganz genau.", bestätigte seine Freundin.

Das herzliche Lächeln zierte immer noch ihr Gesicht.

Die gesagten Worte von zuvor zeigten wohl immer noch ihre Wirkung.


 

Plötzlich sah seine Freundin auf.

"Ich weiß wie du dein Frieden finden wirst.", begann Alina:

„Wir sprechen uns mit Tina aus. Du erzählst ihr deutlich was du fühlst und warum. Und sie vielleicht auch. Wir stellen alle Missverständnisse klar und dann stimmt alles wieder.“

Nach Alinas Gesichtsausdruck zu urteilen sollte dies wohl als Lösung reichen, aber Rick sah dies nicht so.

"Ja........", brachte er nur wenig motiviert von sich.

„................., aber ich bin mir da nicht ganz sicher. Ich weiß nicht, ob Tina einfach so darüber reden kann. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie jemand findet mit dem das Mädchen ihre Gefühle austauschen kann................., so wie dich.“, fügte Rick noch hinzu.

"Du bist ein unverbesserlicher Egoist. Immer sind nur deine Ansätze richtig, aber dass du mich als Beispiel nimmst, finde ich schön.“, begann seine Freundin ernst, aber schnell lächelte sie wieder:

„Du hast das Herz am rechten Fleck.", sie sah ihrem Freund wieder direkt in die Augen:

"Du bist jemand der das beschützt was er liebt und was er gern hat. Ich bin von Natur aus eifersüchtig, aber das werde ich vielleicht auch nicht ablegen können. Mich stört nur wirklich eines und zwar wenn du versucht weiterhin den melancholischen Gruppenanführer zu spielen. Das passt nicht zu dir.", sie drückte ihm leicht mit ihrem linken Zeigefinger gegen die Stirn:

"Da oben hast du eine gute Portion Gewissen und eine große Menge Mut.", sie fuhr mit dem Zeigefinger auf sein Herz:

"Dort hast du viel Freundlichkeit und eine menge Liebe zu vergeben. Du bist fair und du bist eigentlich immer ehrlich, außer zu dir selbst.", anschließend fuhr sie zu seinen Lippen:

"Und da hast du eine wunderschöne Stimme und bezaubernde Lippen. Ich liebe dich.", ihre Hand wanderte hinter seinen Nacken und sie drückte ihn an sich. Die Lippen berührten sich, die Augen waren geschlossen.

Eine Weile verbrachten sie so diesen Moment, bevor sie von ihrem Freund abließ.

Alina erklärte anschließend:

"Nun genug Zeit vertrödelt. Du sagst ja immer, dass wir uns beeilen müssen. Also finden wir schnell diesen Magier und dann Tina.", sie lächelte.

Rick schmunzelte sie zufrieden an.

"Sie hat mich schon immer zur Vernunft gebracht. Auch Alina hat mich damals von dem Schmerz befreit, ohne sie wäre ich wahrscheinlich nur noch ein Trauerklos. Ich bin stolz so ein Mädchen als Freundin zu haben. Ich könnte sie einfach nie anlügen", dachte Rick.

Der Junge brachte nun auch endlich ein größeres Lächeln zustande.

Anschließend kratzte er sich verlegen am Hinterkopf:

"Entschuldige. Du hast völlig recht. Ich benehme mich wirklich seltsam.", entschuldigte er sich und er bekam ein weiteres Lächeln als Antwort von ihr.

"Ich................. nein, wir werden sie finden, aber wir haben zunächst womöglich ein kleines Problem.", begann Rick zu erklären.

Seine Freundin schaute ihn neugierig an.

"Juss und die anderen Magier haben verkündet, dass sie sich in der Stadt regenerieren wollen und dann weiterziehen in den Norden. Sie werden uns also nicht bei der Suche helfen. Ich hatte sie mit in die Sache hineingezogen, deswegen habe ich nichts dazu gesagt. Bei dir weiß ich, dass du mich weiterhin unterstützen wirst, aber wie sieht es bei den anderen vier aus? Illan ist ein Rätsel für sich. Ich bin mir aber sicher dass Daniel, Julius und Max vielleicht jetzt der Meinung sind, die weitere Suche Engl und Noju zu überlassen? Es war ein lebensgefährliches und schockierendes Erlebnis gewesen, vielleicht hatte es die drei Jungs eingeschüchtert und sie haben sich umentschieden? Die sind ja wirklich fast unverletzt aus der Sache gekommen, aber so ein Abenteuer wünscht man sich keinem. Es wäre nur verständlich, wenn..............."

"Frag sie doch einfach.", unterbrach Alina ihren Freund.

"Ich...........", begann Rick, aber Alina kam wieder schneller zu Wort:

"Ich übernehme das, ich werde die vier überzeugen. Ich werde dafür sorgen, dass du auf sie weiterhin zählen kannst.", Alina schmunzelte:

„Eine Ablehnung dulde ich sowieso nicht. Wir sind eine Gilde und wir haben zusammenzustehen. Ein Mitglied ist in Gefahr und deswegen müssen wir alle mit anpacken. Du hattest Recht, als du sagtest, dass Tina nur nicht weiß, wo sie hingehört. Wir werden ihr das einfach deutlich genug zeigen.“, fügte seine Freundin hinzu. Sie lächelte immer noch.

"Und was willst du den Jungs erzählen?", fragte er neugierig.

Sie drehte sich zur Hotelzimmertür und meinte beim Weggehen:

"Überlasse das mir. Ich kann nämlich sehr überzeugend sein.", sie verließ den Raum, aber Rick konnte das nicht auf sich sitzen lassen.

Er folgte seiner Freundin zum Versammlungsraum.

Dort saßen die drei Jungs gelangweilt, die wohl ebenfalls nicht gut geschlafen hatten.

Rick blieb neben der offenen Tür zum Versammlungsraum stehen. Er lehnte sich an die Wand, sodass keiner im Raum ihn sehen konnte.

Rick lauschte den vier Personen im Raum.

Wo Illan war, das wusste Rick nicht, aber das war ihm momentan auch egal.

Momentan wollte er nur seiner Freundin zuhören.

"Es war vor drei Jahren...........................", hörte er seine Freundin beginnen.

Verschwunden XI --- Fatal

[Elysa]
 

Wie sie aufgewachsen ist?

Das wusste Elysa nicht wirklich.

An ihre Kindheit erinnerte sie sich fast gar nicht.

Höchstens an die Tage, an denen es immer laut wurde.

Sie war ein Jahre jünger wie ihr Bruder Rick.

Dennoch war sie ihm geistig weit überlegen, nach ihrer Meinung nach.

Und Elysa wollte auch in anderen Dingen ihrem Bruder überlegen sein.

So gehörte auch das Klettern hinzu.

Sie wollte schneller und agiler sein.

Noch höhere Bäume erklettern.

Ihm die Stirn bieten.


 

Sie rannte durch den Wald, dabei sprang das schwarzhaarige Mädchen leichtfertig über die Wurzeln und die vielen Gesteinsbrocken.

Wild hangelte sich Elysa durch die Büsche, ohne Rücksicht auf Kratzer oder Schürfwunden.

Das Mädchen sah nach jedem Abenteuer immer so aus, als wäre sie einen Abhang hinuntergefallen.

Deswegen hatte Linda ihr entsprechende Kleidung gekauft, auch wenn die schwarzhaarige Dame dem Mädchen eigentlich verbot im Wald spielen zu gehen.

Es sei zu gefährlich, aber das interessierte Elysa wenig.

Sie wollte nur eines. Alles besser machen, was ihr Bruder tat.

So kletterte das Mädchen unbekümmert die Bäume hinauf oder sie sprang kurze Abhänge ohne Vorsichtig nach unten.


 

„Fang mich doch!“, rief sie nach hinten.

Nach wenigen Sekunden bekam sie eine Antwort:

„Hör auf, Elysa. Ich will nicht schon wieder fangen spielen.“, erklärte der Junge.

„Langweiler.“ warf sie ihrem Bruder an den Kopf.

Das schwarzhaarige Mädchen hangelte sich einem größeren Baum hoch, bis sie fast auf dem höchsten Ast saß.

Rick erschien unterhalb.

Er sah zu ihr hoch:

"Du bist eine wahre Sadistin, Elysa. Du hast mich vorher einfach in die Dornenhecke geschubst."

„Entschuldige.“, meinte Elysa. Es klang aber nicht wirklich ernsthaft.

„Ich habe doch schon gesagt, dass das ein Versehen war.“, wurde das Mädchen lauter.

Der Junge zeigte zu ihr hoch:

„Lass das einfach in Zukunft sein, ansonsten kannst du bald alleine in den Wald gehen. Mit dir will ich dann nichts mehr zu tun haben.“

"Ich habe dich auch gern, Bruderherz.", antwortete sie, daraufhin sprang das Mädchen entspannt vom Baum, indem sie sich schnell an den dickeren Ästen hinunter angelte.


 

"Und jetzt?", fragte sie nach einem Moment der Stille.

Ein Grollen war in weiter Entfernung zu hören.

„Ein Gewitter?“, murmelte Rick. Er schaute in den Himmel. Ein paar Wolken hatten sich schon aufgezogen.

"Ich denke, dass wir zurückgehen sollten. Ich habe keine Lust auf Nässe.“, erklärte er.

„Langweiler.“, kam es wieder von Elysa.

Rick sah sie unzufrieden an, aber der Junge erwiderte nichts.

"Nach Hause, jetzt wirklich? Was ist los, Weichbirne.“, beleidigte das schwarzhaarige Mädchen ihren braunhaarigen älteren Bruder.

„Hey.........“, beschwerte sich dieser daraufhin.

Seine Miene verzog sich weiter nach unten.

„Keine Chance, ich will noch ein bisschen Spaß haben.", erklärte sie uneinsichtig.

Das Mädchen fuchtelte zur Bestärkung ihrer Aussage, auch wenn das vielleicht nichts half.

„Wenn du unbedingt nass werden willst?“, meinte Rick.

Er sah genervt zur Seite.

Elysa schmunzelte.


 

Das Mädchen mochte es, wenn sie die Aufmerksamkeit ihres Bruders bekam.

Sie warf ihn deswegen gerne auch mal in die Dornenbüsche, auch wenn das Mädchen dadurch nur Ärger bekam.

Im Grunde wollte sie es nie böse meinen. Jede Beleidigung war in ihren Augen nicht so gemeint, wie sie vielleicht zuerst wirkte.

„Du willst wirklich hier bleiben?“, fragte Rick.

"Ich kann machen was ich will.", erwiderte das Mädchen scharf.

Sie war fast ein Kopf kleiner als er, deswegen konnte Rick leichtfertig seine Hand auf ihren Kopf legen.

Diese Sache erzürnte das kleine Mädchen relativ schnell.

Sie brummte wütend.

Er sah sie aber nur mit einem leichten selbstsicheren Schmunzeln an:

„Elysa...., ich hatte dich für ein klügeres Mädchen gehalten.“

Sein Schmunzeln provozierte Elysa weiter.

Wütend stampfte sie herum, dabei trat sie mehrmals gegen irgendwelche Wurzeln.

„Tu nicht so, als müsstest du mich beschützen. Ich will meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich weiß wann ich nach Hause gehe.“, erklärte Ricks Schwester.

Rick schüttelte den Kopf:

„Elysa!“, wurde er lauter:

„Wir hatten dieses Thema schon. Du sollst doch nichts machen, was Linda nicht noch weiter erzürnen könnte. Wir haben schon genug Stress.“, Rick stoppte kurz, um kurz zu überlegen.

„Es ist nicht so, als will ich mir etwas vorschreiben lassen, aber was du jetzt hier abziehst, dass bringt dir nichts. Ich will nicht, dass du krank wirst, außerdem habe ich keine Lust mehr auf diese stundenlangen Diskussionen mit Linda.“, erklärte er.

Für seine Schwester klang das jedoch nur wie Ausreden.

Für ihre Ohren klang das so, als hätte sie schon wieder einen Fehler begannen.

Schon wieder war ihre Entscheidung falsch. Schon wieder musste sie einsehen, dass jemand anderes recht hatte.

Schon wieder fiel ein Ratschlag, weil sie nur eine dumme Schwester sei, die beschützt werden musste.

„Ich muss nicht beschützt werden.“, brüllte das Mädchen.

„Hey.....!“, brummte Rick mit zorniger Stimme.

„Ich will nur, dass du einsiehst, dass du nicht im Regen hier draußen sein sollst. Du achtest doch sowieso schon nicht darauf wo du hintrittst. Was war das letztes Mal im Regen? Du bist ausgerutscht und hast dir dein Knöchel verstaucht. Du hast den ganzen Tag durch geweint. Du hast die ganze Bude voll geheult. Weißt du was ich für ein Ärger von Linda bekommen habe? Sie hat mich eine Woche lang in die Küche verbannt. Weißt du wie mich das genervt hat? Ich sei der Bruder und ich habe Acht zu geben!“, Rick wurde noch lauter.

Das Grollen in der Ferne wurde ebenfalls lauter.

„Das ist nicht meine Schuld! Ich mache nicht alles falsch. DU HAST NICHT DARAUF GEACHTET.........! DAS IST DEIN PROBLEM! Ich habe damit nichts zu tun.“, wollte Elysa lautstark erwidern, aber da trat ihr Bruder nah an ihr heran und sein Blick bohrte sich förmlich in ihre Gedanken:

„ELYSA!“, seine Betonung wurde so extrem, dass Elysa für einen kleinen Moment Angst bekam.

Still starrte sie ihren zornigen Bruder an.

„Du bist diejenige, die blind und wild das tut, was man nicht tun darf! Alles was man zu dir sagt, schlägst du in den Wind. Du hörst auf niemanden, du nimmst keinen Rat an und du kannst einem gewaltig auf die Nerven gehen. So wie du dich zurzeit benimmst, bist du wirklich eine Last für mich........., nein.........., für jeden der mit dir zu tun hat! Manchmal wünsche ich mir, dass ich nicht dein älterer Bruder wäre und dass ich nicht auf dich aufpassen muss. Weißt du wie mich das ankotzt, wenn du mir die ganze Zeit als Ballast am Bein hängst? WEIßT DU DAS?!“

Nach seinem letzten Wort herrschte einen Moment lang eine beunruhigende Stille.

Elysa war den Tränen nah.


 

"Ich bin keine Last! Ich bin keine Last! ICH BIN KEINE LAST! Ich mache nichts falsch! Alle machen was falsch! ALLE MACHEN WAS FALSCH! ICH BIN NÄMLICH KEINE LAST!“, dachte Elysa völlig zerwühlt.

Ihre Gedanken kreisten sich und sie fing an zu weinen.

Für einen Moment schwieg ihr Bruder, jedoch behielt er sein unzufriedenen Blick bei.

„Hey Rick! Endlich habe ich dich gefunden. Ich hatte mir schon sorgen gemacht, dass ich euch nicht mehr finde. Ihr seid mir einfach zu schnell. Könnt ihr nicht wenigstens warten? Ich dachte ein Gentleman wartet auf eine Dame? Linda hat gesagt, dass du auf mich aufpassen sollst!“, rief eine weibliche Stimme.

Alina kämpfte sich in der Ferne durch die Büsche.

Mit kleineren Schnittwunden übersät stieg sie den Hügel hinauf.

Wie immer sah das blonde Mädchen besonders genervt aus.

Sie mochte die Touren durch den Wald nicht so sehr.

Außerdem war dieses Mädchen ein Problem für Elysa.

Seitdem nämlich Alina da war, hatte Rick immer weniger Zeit für seine Schwester.

Wütend und zugleich weinend sah sie Alina an.

„Was schaust du mir eigentlich so an? Ich habe dir nichts getan! Schau woanders hin. Ich will mich da nicht einmischen.“, brummte Alina sofort.

„ICH HASSE EUCH!“, brüllte Elysa. Sie konnte diese Situation nicht mehr ertragen.

Sie stieß ihren Bruder nach hinten, sodass dieser stolperte und in einen Busch fiel.

Elysa sprintete daraufhin einfach in den Wald. Das Mädchen sprintete in irgendeine Richtung.

Zu allen Übel fing es tatsächlich an zu regnen.

„ICH BIN KEINE LAST! MEIN BRUDER IST DIE LAST! DIESES MISTSTÜCK IST DIE LAST! JA! SIE WILL MIR MEINEN BRUDER WEGNEHMEN! SEITDEM SIE HIER IST, WILL MEIN BRUDER NICHTS MEHR MIT MIR UNTERNEHMEN! ICH HASSE SIE!“

Elysa achtete immer weniger auf ihre Umgebung.

Sie wusste nicht einmal, ob ihr jemand folgte oder ob die beiden zurückgegangen waren.

Das Mädchen wusste aber auch nicht wohin sie eigentlich rannte.


 

Wie viel Zeit verging, das wusste sie auch nicht.

Inzwischen regnete es immer stärker und ihre Kleidung wurde noch nasser.

Dadurch wurde dem Mädchen kalt.

Der Boden wurde durch den stärker werdenden Regen immer rutschiger.

Sie wäre beinahe ein paar Mal ausgerutscht, aber Elysa rettete sich jedes Mal.

Durch die Rettungsversuche schlug und ritzte sich das Mädchen dabei an den Ästen und Büschen immer weiter auf.

Während ihr die Tränen über die Wangen lief, rannte sie ziellos in irgendeine Richtung.

Durch die dunklen Wolken und dem Grollen wirkte der Wald finster und gruseliger.

Angst machte sich in ihr breit.

Nun wollte Elysa eigentlich nur noch zurück, aber sie wusste nicht mehr wohin.

Das fliehende Mädchen suchte einen Hinweis, aber der Wald sah aber in der Dunkelheit immer mehr gleicher aus.

Jedes Geräusch ließ das Mädchen zudem hochschrecken und plötzlich stieß Elysa gegen etwas metallisches.

Verwundert sah das Mädchen auf.

Vor ihr war aber nichts metallisches.

Vor ihr war nur eine Felswand.

Vorsichtig schreckte das Mädchen ihre rechte Hand aus.

Sie erschrak sich sehr, als Elysa bemerkte, dass ihre Hand durch die Felswand verschwand, also zog das Mädchen schnell ihre Hand zurück.

Ihre Hand war jedoch noch in Ordnung, dadurch wurde das Mädchen neugierig.

Diese Neugier übernahm langsam ihre Angst.

Sie streckte beide Hände durch die Felswand.

Das Mädchen spürte dahinter etwas metallisches.

Sie spürte etwas, was sich für eine Klinke anfühlte. Eine runde Klinke.

Ohne darüber nachzudenken, zog sie an dieser Klinke.

Mit viel Kraft und Mühe bewegte sich tatsächlich etwas.

Durch den plötzlich Schub nach hinten, rutschte Elysa ab und das Mädchen flog in den nassen Dreck.

Genervt stand sie auf.

Den nassen Schlamm auf ihrer Kleidung und in ihren Haaren konnte sie leider nicht abwischen, jedoch war sie das gewöhnt, sodass Elysa mit einem leichten Grummeln darüber hinwegsah.

Durch die Felswand schaute plötzlich etwas metallisches heraus.

Es war schmal und mindestens ein Meter groß.

Elysa konnte es noch ein kleines Stück weiter öffnen und nun erkannte sie es.

Es war eine niedrige Metalltür, die durch die Felswand schaute.

Der Abschnitt der Felswand zwischen der geöffneten Türe ließ sich nicht anfassen.

„Die Wand ist nicht echt? Ist das vielleicht ein Zauber?“

Vorsichtig steckte sie ihr Kopf durch die falsche Felswand und das Mädchen sah ein Durchgang, welcher leicht bergab führte.

An der Seite waren brennende Fackeln, sodass man hinabsehen konnte.

Am Ende des Ganges brannte Licht.

„Ein Versteck!“, dachte sie erfreut.

Das Versteck wirkte viel freundlicher, als der dunkle Wald und das Grollen am Himmel.

„Vielleicht wohnt dort ein Zauberer? Der Zauberer hat sich bestimmt versteckt und diese falsche Felswand vor dieser Metalltüre gezaubert.“, sie malte sich in ihren Gedanken den Zauberer aus.

Es musste ein alter Mann mit langen weißen Bart sein.

Er soll ein purpurfarbenen Zauberhut tragen.

Der alte Mann trug bestimmt auch ein purpurfarbenen Mantel und ein schwarzen Zauberstab.

Eigentlich wollte Elysa jetzt den Zauberer sehen, also musste sie wohl in den Gang hineingehen?

Der Regen wurde stärker und dieser trieb sie schließlich in den Gang hinein.

Der meiste Antrieb war jedoch die Neugier.

Sie hatte noch nie einen Zauberer gesehen. Das Mädchen wollte unbedingt einen Zauberer sehen.

Sie liebte Geschichten über Magie.

Außerdem liebte sie Verstecke.

„Vielleicht ist das auch ein Versteck eines Spions? Eines Agenten.“, das Mädchen strahlte plötzlich vor Vorfreude und Elysa vergaß all die Ängste, die sie noch vor ein paar Minuten hatte.

„Ein Versteck eines zaubernden Spion oder Agenten. Vielleicht ein alter Mann, der als Spion arbeitet und als Tarnung Zauberer ist.“

Diese Fantasie und die dadurch erweckende Neugier, ließ das Mädchen schneller durch den Gang wandern.

Durch den nassen Schlamm hinterließ sie deutliche Fußspuren, aber das Mädchen war zu sehr abgelenkt, um sich darum irgendwie zu kümmern.


 

„Rick!“, hörte Elysa sagen und das Mädchen erstarrte.

Es war die Stimme von Alina. Das blonde Mädchen war hinter der falschen Felswand, draußen im Wald, zu hören. Sie musste schon nah sein.

"Sie ist da rein. Die Fußspuren, Rick!", erklang Alinas Stimme erneut.

„NEIN! Die sollen mein Versteck nicht kaputt machen. Ich will den Zauberer alleine treffen, ohne meinen dummen Bruder.“, dachte Elysa.

"Ist das eine Illusion? Diese Felswand ist gar nicht echt! Ich wusste gar nicht, dass es hier so etwas gibt.", hörte das Mädchen ihren Bruder sagen.

Elysa erschrak erneut, als sie die rechte Hand ihres Bruders durch die falsche Felswand hindurch schlüpfen sah.

Beleidigt rannte Elysa los.

„NEIN! NEIN! Mein Bruder soll wegbleiben!“

„Ich sehe sie! ELYSA! ELYSA, VERDAMMT! BLEIB DOCH STEHEN! DU MACHST NUR ALLES SCHLIMMER, WENN DU JETZT WEGRENNST!“, rief ihr Bruder. Seine Stimme wurde aber leiser, weil Elysa sich immer weiter entfernte.

Der Sprint strengte das Mädchen sehr an und der Gang zog sich in die Länge.

Er endete schließlich bei einer alten verfallenen breiten Holztreppe, die deswegen nur noch wenige Stufen aufwies.

Schwaches rotes Licht strahlte von der Seite des Raumes.

Es waren keine Fackeln mehr, es waren dieses Mal installierte Lichter.

Ihr Blick streifte neugierig und erstaunt durch den großen weiten Raum, der sich in diesem Hügel versteckt hatte.

Elysa erkannte große Türme vor sich.

Es waren hohe Bücherregale, die zum Teil gefüllt mit Bücher waren, aber auch zum Teil nur leer im Raum standen.

Der Raum selber aber füllte sich mit diesen hohen Regalen.

Auf jeder Seite stand ein Regal zur Mitte hin. In der Mitte war ein Durchgang.

Elysa stellte schnell fest, dass sie eine unterirdische Bibliothek gefunden hatte.

Nachdem sie erfolgreich über die kaputte Treppe kam, näherte sich das Mädchen dem nächsten Regal.

Ein seltsamer Schauder ging ihr aber plötzlich über den Rücken, als hätte das Mädchen plötzlich ein schrecklichen Fehler begannen.

Das schwarzhaarige Mädchen mit den dunkelblauen Pupillen sah sich um, aber sie erkannte nichts.

So widmete sich wieder dem Regal vor ihr.

Verstaubte Bücher standen in den Regalen, teilweise sogar beschädigt und befleckt mit irgendwelchen seltsamen dunkelroten Flecken.

Alles wirkte vernachlässigt und unbenutzt und der Staub in den Regalen türmte sich.

Lebte hier unten überhaupt jemand?

Das Mädchen dachte nach.

Sie hatte die Fackeln im Gang gesehen und diese haben gebrannt.

Das Mädchen wurde durch einen plötzlichen Gestank abgelenkt.

Es roch im allgemeinen sehr moderig, aber auf einmal stank es hier irgendetwas gewaltig.

Sie hielt sich sogar die Nase zu.

Ihr wurde ein wenig übel. Der Gestank war schlimmer als die Bioabfälle weit im Hinterhof.

Was war das für ein übler Geruch?

Das Mädchen hätte fast gekotzt, aber sie hielt sich zurück.

Elysa sah deswegen um das Regal in den Gang.

Sie erkannte, dass der ganze Raum wohl mit den Bücherregalen gefüllt sein müsste.

Das andere Ende konnte sie nicht einmal erkennen.

Der Raum endete in einer irgendwie beängstigenden Dunkelheit.

Eine plötzliche Einsamkeit machte sich breit.

Vielleicht hätte sie doch bei ihrem Bruder bleiben sollen?


 

Der Gedanke an ihrem Bruder machte Elysa aber wieder zornig und so ging das Mädchen bockig ein paar Schritte voran.

Sie warf ein kurzen Blick zurück in den Gang, oberhalb den kaputten Treppen, aber niemand schien ihr zu folgen?

Wo blieb denn ihr nerviger Bruder und dieses Miststück?

Hatten sie etwa die Lust verloren?

Es wäre aber auch besser so.

Denn die beiden würden Elysa nur den Spaß nehmen.

Das Mädchen wandte sich ab.

Sie blickte gespannt weiter den Gang entlang.

Der Gang war mit einem roten Teppich ausgelegt worden, aber auch auf diesem waren komische Flecken zu erkennen, aber seltsamerweise gar nicht so viel Staub, wie in den Regalen.

Vorsichtig ging sie weiter.

Die Neugier packte sie immer mehr, die Angst blieb jedoch auf dem gleichen Level.

Eigentlich trieb sie ein anderer Gedanke voran.

Elysa konnte später vor ihrem Bruder angeben, dass sie diesen Ort vor ihm erkundet hatte.

Das Mädchen konnte ihn dann immer Feigling nennen. Ihre Lippen formten sich zu einem Schmunzeln.

Was sie hier wohl schließlich finden wird?

Vielleicht doch den Zauberer?

Ein Zauberer, der viel las, aber ziemlich unordentlich war

Ein unordentlicher Zauberer, der unbedingt eine Putzhilfe brauchte.

Als Dank würde er ihr Magie beibringen.

Dann könnte Elysa zaubern und sie könnte vor ihrem Bruder angeben.

Diese Gedanken erheiterten sie und für einen Moment vergaß sie völlig die Dunkelheit.

Nur der Gestank brachte sie wieder aus den Gedanken.

Dieser Gestank nervte gewaltig.

Sie musste diesem Zauberer unbedingt zeigen, wie ein Zuhause eigentlich riechen sollte.

Es sollte nach Blumen riechen und vielleicht sollte er hier wirklich ein paar Blumen aufstellen.

Im Ganzen wirkte der Raum sehr eintönig.

Aber könnten die Blumen wirklich so ein üblen Geruch verhindern?

Mit jedem Schritt wurde dieser Gestank schlimmer.

Sie konnte nicht einmal mehr definieren, nach was es eigentlich roch.

Es roch inzwischen noch weitaus schlimmer, als die Bioabfälle im Hintergarten.

Der Zauberer würde was zuhören bekommen. So konnte man doch keine Mädchen empfangen.

Eine Bibliothek musste anders riechen.


 

Plötzlich stolperte Elysa über etwas und sie sah erschrocken zurück.

Der Moment war sehr seltsam für sie. Stark angespannt schluckte sie und mutig sah Elysa zu Boden.

Erleichtert atmete sie auf, denn es war nur ein rotes Buch, welches mitten im Gang lag.

Nervös bückte sie sich und das Mädchen nahm es auf.

Elysa drehte das Buch, sodass sie die Vorderseite sehen konnte.

Sie wollte den Titel lesen, aber die Vorderseite war verschmiert.

Etwas klebte vereinzelt über den Buchstaben.

Es war kein Titelbild zu sehen. Es war nur ein roter Einwand mit goldenen Buchstaben.

Es war zudem noch feucht.

Was war das für ein Zeug?

Durch das schwache rote Licht konnte sie das nicht genau erkennen bzw. definieren.

Sie fasste hinein und daraufhin sah das Mädchen ihre Finger an.

Es fühlte sich seltsam an.

Mit ihrer Zungenspitze probierte sie es.

Das Zeug schmeckte eigentlich nach nichts.

Nur war ihr das nicht ganz unbekannt.

Jedes mal, wenn sich Elysa an den Büschen auf kratzte, strich sie über die Wunden und daraufhin leckte sich das Mädchen die Finger ab.


 

Schockiert warf sie das Buch weg. Anschließend schaute Elysa geschockt ihre Hände an.

Es war tatsächlich Blut, aber nicht ihres.

Verängstigt trat sie einen Schritt zurück und daraufhin trat das Mädchen gegen etwas.

Es fühlte sich sehr seltsam an.

Für einen Moment erinnerte sich das Mädchen daran, als sie vor kurzem ihren Bruder getreten hatte.

Es hatte sich genauso angefühlt.

Als Elysa vorsichtig hinabschaute, wurde ihr Gesicht schlagartig bleich.

Sie war auf etwas getreten.

Es hatte die Form einer linken Hand.

Die Person, die der Arm gehörte, interessierte sich jedenfalls nicht dafür, jedenfalls schon seit einer gewissen Zeit nicht mehr.

Jetzt wurde ihr auch schlagartig klar, was das eigentlich für ein übler Gestank war.

Es war das Geruch einer verwesenden Leiche und sie hatte beinahe dessen Arm zertreten.

Elysa krümmte sich und sie hätte beinahe sich übergeben müssen, aber das Mädchen hielt sich wacker, dennoch herrschte in ihr plötzliche die Panik.

Große Panik kam in ihr hoch und die Welt drehte sich.

Das war alles zu viel für sie.

Sie wünschte sich ihren Bruder herbei.

Sie wünschte sich plötzlich, dass er hier auftauchen würde und ihr half.

Es tat ihr alles so leid.

Sie hörte plötzlich ein Knacken in der Ferne, der sie erstarren ließ.

Elysa schaute auf. Das Mädchen erkannte zwei Personen in der Ferne. Sie standen nahe der kaputten Holztreppe.

Eine große Erleichterung kam in ihr auf.

Es waren tatsächlich Rick und Alina.

Sie waren tatsächlich gekommen.

Statt jedoch irgendwie zu reagieren, standen die beiden jedoch völlig bleich und verängstigt dort.

Sie starrten Elysa mit weit aufgerissenen Augen aus.

Keiner von den beiden brachte ein Ton heraus. Irgendetwas musste Rick und Alina zu Tode erschreckt haben.

War es die verwesende Leiche?

Sie starrten aber nicht auf den toten Körper. Man konnte sowieso von dort aus nichts erkennen, also was starrten sie nun eigentlich an.

Elysa bemerkte, dass die beiden sie direkt anstarrten oder zumindest an ihr vorbei.

Das Mädchen wollte den beiden zurufen, aber etwas hielt sie plötzlich davon ab.

Sie spürte ein seltsames Gefühl an ihrem Nacken. Beinahe wie ein heißer Atem.

Außerdem fühlte sich Elysa zudem auch plötzlich komisch und müde.

Aus ihrem Mund lief plötzlich etwas salziges, es schmeckte bitter.

Sie fuhr sich über den Mund.

Es war Blut.

"Wav? Wievo bute iii auu bennn mu........", gab sie undeutlich von sich.

Was war mit ihrer Stimme los und wieso konnte sie ihren Körper nicht mehr bewegen.

Im nächsten Moment bemerkte Elysa, dass sie gar nicht mehr stand, sondern auf den Knien war.

Und plötzlich lag sie.

Der Boden war zudem nass.

Seit wann war denn der Boden so nass und wieso war er rot?

Sie fühlte eine starke Taubheit schnell in ihrem Körper aufsteigen.

Elysa konnte nicht einmal mehr schreien.

Sie konnte gar nichts mehr.

Das Mädchen starrte mit müden Augen den Teppich entlang.

Sie erschrak innerlich, als sie etwas undefinierbares neben sich auf den Boden aufkommen sah.

Es sah aus wie eine schwarze Krallenhand. Etwas unmenschliches.

Diese seltsame Klaue konnte nur einem Monster gehören.

Müde sah sie zur Seite und dann entdeckte sie plötzlich das Gesicht einer schwarzen Kreatur.

Glühend rote Augen starrten sie an.

Bevor Elysa tatsächlich mit letzter Kraft aufschreien wollte, sah sie nur noch ein geöffnetes Maul mit spitzen Zähnen, welche nach ihr schnappten.

Verschwunden XII --- Misstrauen

[Julius]
 

Das Zittern der Finger, das Schwingen der Stimme und das Fallen der Tonlage deuteten deutlich daraufhin, dass die erzählte Geschichte mehr als schrecklich gewesen sein musste.

Alina hielt auch nicht mehr den entschlossenen Gesichtsausdruck. Sie wirkte trauriger.

Immer wieder schaute Alina während der Erzählung zur Seite, aber immer wieder setzte

das Mädchen anschließend ihre Geschichte fort.

Jede Einzelheit und Spekulation. Jede Beschreibung des grausamen Ereignisses, ließ die Nackenhaare anspannen. Eine Gänsehaut bildete sich und man fühlte sich unwohl.

Die traurige Stimme der Erzählerin am Ende der Geschichte verdeutlichte den Schmerz.

Zwar musste dies für Rick schon wesentlich schlimmer gewesen sein, weil es ja seine jüngere Schwester gewesen war, aber vermutlich war selbst schon der pure Anblick der Grausigkeit ein Schock fürs Leben sein.


 

„Genug.“, begann Julius mit kühler Stimme. Er hatte genug gehört.

Er rutschte sein Stuhl zu recht und der große Junge lehnte sich nach hinten. Julius verschränkte seine Arme und er meinte anschließend in einem gleichgültigen Ton, jedoch mit einem ernsthaften Nachdruck:

„Du musst nicht weitererzählen. Wir haben verstanden und weitere Geschichte würden nur die Stimmung weiter senken.“

Alina schaute ihn kurz schweigsam an.

Bevor sie jedoch weitererzählte, meinte Max:

„Nun........, was Julius vielleicht sagen will ist, dass wir kein Beweis brauchen und du nicht weiter in solch traurigen Erinnerungen graben musst. Es ist..............“

„Ich denke, ich weiß, was ich sagen wollte und ich denke Alina ist nicht dumm.“, erklärte Julius.

Max stoppte. Sein Blick wurde unzufriedener.

Er wollte daraufhin etwas erwidern, jedoch ließ der Junge dies bleiben.

"Und was ist dann passiert?", fragte Daniel. Der Junge klang nervös. Die Geschichte hatte ihn wohl sehr mitgenommen.

Daniel sah daraufhin zur Seite, dann zu Julius und dann zu Max.

Zum Schluss sah er wieder zu Alina.

Erstaunt stellte er wohl fest, dass es doch nicht so gut war nachzufragen:

„Es tut mir Leid. Ich will natürlich nicht unhöflich sein. Ich wollte nur wissen wie ihr eigentlich entkommen seid?“

"Sie sind schon irgendwie entkommen. Wir müssen sie nicht weiter damit nerven.", erklärte Julius.

"Nun ja..............., seine Frage ist schon berechtigt.", begann Alina langsam.

Ihre Stimme klang noch leicht zittrig.

"Wir waren natürlich paralysiert, als wir dieses............... dieses grauenhafte.............“, das Mädchen stoppte kurz und jemand kam mit schnellen Schritten in den Versammlungsraum gelaufen.


 

Es war Rick, der gezielt zu Alina lief. Sie daraufhin kurz in den Arm nahm und ihren Satz beendete:

„Wir wurden gerettet von einem Gildenmitglied. Jaswal Origin. Ein langjähriger Freund von Linda Vaters, den ich eigentlich nicht wirklich kannte. Er kam uns entgegen, als wir weggerannt sind oder es zumindest versucht haben. Ich weiß nicht genau wie er es aufgehalten hatten. Als wir draußen waren, hatte der Regen schon längst aufgehört. Wir hatten aber keine Kraft mehr zum zurücklaufen. Linda hatte uns auch wenig später gefunden. Jaswal kam auch irgendwann aus dem Bunker. Er erklärte, dass der Forscher uns wohl beobachtet hatte, seitdem wir uns der Tür genähert hatten. Angeschrien hat er uns anschließend. Der Mann ist vor Wut explodiert, weil wir so unvorsichtig gewesen waren. Wie dumm wir eigentlich gewesen sein, dass wir einfach so blind in so etwas hineinlaufen und genau deswegen hasste er Kinder. Linda musste ihn sogar beruhigen, aber selbst sie schien es nicht hinzu bekommen. Warum sie damals so zurückhaltend gewesen war, wusste ich nicht. Er gab Linda sogar die Schuld. Der Forscher hätte nämlich uns abgehalten, hätte er nicht in diesem Moment mit Linda telefoniert, als wir in den Bunker gingen. Er wollte uns aufhalten, jedoch waren wie wohl schon im Bunker gewesen. Ich habe noch nie so ein zornigen Blick gesehen. Ich habe diesen Mann aber seitdem auch nicht mehr gesehen. Das war für mich aber kein Problem. Die Bibliothek soll irgendwann abgebrannt sein und das Monster war auch nie mehr aufgetaucht. Im Wald wollten wir auch nicht mehr spielen, außerdem haben wir seitdem angefangen zu lernen uns selbst zu verteidigen. Und wegen der Beerdigung.................., die Leiche von Elysa haben wir, warum auch immer, nie.............................“, Rick verstummte.

„Wir verstehen.“, unterbrach Julius den Jungen. Rick nickte.

„Das war im Grunde alles.“, fügte der braunhaarige Junge hinzu.

„Aber wie hat dieser Forscher sie eigentlich gerettet? Hat dieser Mann gegen das Monstrum gekämpft? Gegen diese blutrünstige Bestie? Mich würde interessieren woher das Monster stammte.“, überlegte Julius.

„Nun ja..........., es ist ja auch egal. Wir sollten uns jetzt wichtigeren Sachen widmen, als in der Vergangenheit zu schwelgen.“

Julius tat den Gedanken ab.


 

„Alina.“, begann Rick plötzlich und seine Freundin schaute ihn erstaunt an.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du denen davon erzählen willst? Ich bin zwar dank Rossya gut darüber hinweg gekommen, aber immer noch ist es eine schwere Sache für mich.“, erklärte er anschließend.

Seine Freundin nickte, als hätte sie das schon geahnt:

„Es tut mir Leid. Ich wollte niemanden verletzen. Ich wollte nur unseren Gildenmitglieder vermitteln, warum es mir so wichtig ist, dass sie uns helfen müssen, warum sie dir helfen müssen. Was dein Antrieb ist. Es scheint nicht allen immer klar zu sein.“

„Wolltest du uns nicht an unseren Ehre appellieren lassen. Du sagtest doch noch, dass wir gern gehen dürfen, aber.........“, fragte Max zynisch, da wurde er scharf von Alina unterbrochen:

„Du hast keine Ahnung.“, der Schwarzhaarige unterbrach seinen Satz, durch seine sichtlich kurzzeitige Verwunderung.

Bevor er anschließend zu einem weiteren Wort ansetzen konnte, fragte Rick:

„Willst du etwa lieber nach Hause gehen?“, seine Worte klangen schwer und eher wie ein Vorwurf.

„Nein.“, warf Max harsch hinein.

„Ich wollte nur klarstellen, dass sie nicht...........“, der Junge wurde erneut unterbrochen, aber dieses Mal von Julius:

„Lass es einfach.“, Max verstummte beleidigt.

„Ich verstehe es nicht ganz.“, begann Rick anschließend.

„Wieso reden wir hier darüber, wenn ihr gar nicht gehen wollt?“, fragte der braunhaarige Junge.

Sein Gesichtsausdruck deutete auf seine Verwirrtheit hin.

„Ach Rick........, ich dachte, dass nach so einem wilden Kampf vielleicht die Motivation im Keller wäre. Juss und die anderen sind ja gegangen. Sie können nicht mehr. Ihre Kräfte wären aufgebracht und die vier Magier müssten zurück zur ihrer Gilde. Sie hatten sich groß entschuldigt. Ich dachte, dass die drei Jungs ebenfalls aufgeben würden. Wäre ja auch verständlich, wenn.............“

"….......warte mal.", unterbrach Julius erneut.

Seine verschränkten Arme lösten sich und der Junge lehnte sich nach vorn.

Seine rechte Hand hob sich und er hakte nach:

"Wieso aufgeben? Wir hatten derartiges nie vor, jedenfalls ich nicht.", er sah die anderen beiden an:

"Hattet ihr etwa vor aufzugeben?", fragte Julius anschließend.

Daniel schüttelte den Kopf.

"Nein, das habe ich doch gerade erklärt.", antwortete Max. Er wirkte immer noch beleidigt.

„Dann wäre das geklärt. Wir sollten uns wieder der Suche widmen. Wir wissen nicht ob Tina in Gefahr ist. Wir dürfen einfach keine Zeit verlieren!“, erklärte Rick, er betonte vor allem seine letzten Worte.

Der Junge schnappte sich ein Stuhl und er setze sich hin.

Rick wirkte immer noch angespannt.

"Entschuldige.", murmelte Alina mit leichter Stimme.

„Es war kein Fehler, das zu erzählen.“, unterbrach Julius ein weiteres Mal.

„Wir können immerhin so besser nachvollziehen was euer Antrieb ist.“, erklärte Daniel.

„Zumindest können wir euch so besser. Wenn wir wüssten was unsere Vergangenheit ist, dann würden wir dies auch tun.“, erklärte Max.

Rick nickte ihm zustimmend zu:

„Es ist schon gut. Immerhin sind wir ja in der selben Gilde.“, daraufhin rutschte der Junge seinen Stuhl zurecht.


 

"Ich habe mit Linda telefoniert. Sie hat natürlich gesagt, dass wir zurückkommen sollen, aber ich habe ihr erklärte, dass wir uns nicht aus der Bahn werfen lassen. Ich möchte euch die Einzelheiten ersparen.", fing Rick an zu erklären.

„Linda hat uns den Vorschlag gemacht, dass sie ein paar Kontakte in Zellerstein anspricht. Vielleicht weiß einer von denen wo der Magier stecken könnte. Er scheint ja oft umzuziehen und seine Adresse zu ändern, aber immer nur innerhalb von Zellerstein.“

Er sah zu seiner Freundin.

„Ich habe mit ihr schon darüber gesprochen, wie wir unsere Suche fortsetzen können.“, Rick nickte Alina zu und das Mädchen holte eine kleine Karte heraus.

Das Mädchen breitete die Karte über den hölzernen viereckigen Tisch aus.

Die Karte zeigte die Stadt Zellerstein von oben.

Die Stadt war dreieckig angelegt worden. Jede Spitze war einer bestimmten Richtung zugeordnet.

Überall waren Beschriftungen und dazu noch Erklärungen. Die Karte war dadurch ein wenig unübersichtlich.

Sichtlich waren aber die Bereiche, in der die Stadt unterteilt wurde.

Östlich waren die Läden, die Einkaufsmeilen, die Industrie und die Handelsplattform.

Im Norden waren die Wohnhäuser.

Im Westen war der Hafen und das Rathaus.

Östlich ging es nach Lorram.

Nördlich ging es zu der kleinen Partnerstadt Nordzellerstein und der Magierschule, sowie auch dem Hauptquartier der Magic Guild.

Westlich ging es zur kleinen Hafenstadt Westzellerstein.

Auf der Karten waren auch fast alle Läden gekennzeichnet.

Sogar die Straßennamen waren zu sehen.

„Interessante Karte, die ist wirklich hilfreich.“

„Ich würde drei Gruppen vorschlagen, die sich jeweils ein Gebiet vornehmen. Sollte jemand Erfolg haben, können wir uns ja benachrichtigen.“, erklärte Rick.

Er sah die drei Jungs an.

„Und was ist mit Illan?“, fragte Max.

Die Gruppe schaute ihn an.

„Wenn der bisher nicht aufgetaucht ist, dann kann der sonst wo bleiben.“, meinte Alina harsch.

„Keine Ahnung, aber er hat ja schwer einstecken müssen. Ich habe ihm seitdem nicht mehr gesehen.“, erklärte Rick.

Der Schwarzhaarige sah daraufhin so aus, als müsste er nachdenken.

"Er hat immerhin mit einem faustgroßen Loch in der Brust überlebt.", dachte Julius, aber er ließ seinen Gedanken unausgesprochen.

„Soll der sonst wo bleiben. Ich traue ihm nicht.“, brummte Alina weiter.

„Wer weiß wie er nach dem Blutrausch so ist. Vampire sind ja in so eine Phase besonders gefährlich. Also eigentlich sollte man ihnen dann ja nicht trauen.“, erklärte Daniel.

„Weiß ich nicht, aber solange Illan nicht hier ist, kann er uns nicht helfen.“, meinte Rick gleichgültig.

„Ohne ihn wären wir tot.“, warf Julius ebenfalls mit einer gleichgültigen Miene ein.

Er lehnte sich zurück und der Junge ließ sein Stuhl wippen.


 

Es herrschte dadurch eine kurze Stille und die meisten Anwesenden dachten wohl deswegen nach.

„Er kommt wieder. Ein Vampir wäre hier mit diesen Verletzungen nur aufgefallen. Wer weiß wie die Leute hier in der Stadt auf Vampire reagieren? Es ist ja nicht so, als ob alle daran glauben bzw. gut gesinnt sind.“, erklärte Max.

„Ja........, aber solange er nicht da ist, kann er uns nicht helfen und fertig damit.“, beendete Rick dieses Thema.

Der braunhaarige Junge hob daraufhin das Gildenarmband von Tina in die Luft und er meinte:

„Wir müssen das dem Magier bringen, deswegen müssen wir schnell uns benachrichtigen, wenn einer von uns den Magier gefunden hat.“

Sein Blick schweifte zu jeden einzelnen im Raum:

„Wie teilen wir die Gruppen auf? Ich hätte dafür einen Vorschlag.“

Julius Blick wanderte dieses Mal durch den Raum.

"Seit wann............?", dachte der Junge mit den hellbraunen Haaren kurz perplex. Er ließ sich jedoch nichts anmerken.

Illan stand plötzlich zwischen Daniel und Rick.

Daniel erschrak lautstark und auch Rick zuckte kurz zusammen. Der braunhaarige Junge brummte daraufhin:

„Woher kamst du?“, fragte er in einem unfreundlichen Ton. Rick biss grimmig die Zähne zusammen.

Der Vampir reagierte nicht auf seine Frage.

Still starrte er mit undurchschaubarer Miene in die Runde.

An sich sah Illan aber wieder aus wie der selbe.

Mit einem emotionslosen unzufriedenen Blick stand der junge Mann da. Immer noch mit einem Gesicht eines Achtzehnjährigen.

Max fand als erstes das Wort:

„Wie lange bist du schon da?“

„Die ganze Zeit.“, erklärte er.

„Was?“, meinte Alina überrascht.

„Du warst die ganze Zeit hier?“, fragte das blonde Mädchen in einem unfreundlichen Ton.

"Du hast ja dann die Geschichte wohl mit angehört? Was weißt du dann von der Bunkergeschichte auf Ranger Island? Du warst doch damals auch auf der Insel, nicht? Hast du schon damals das Gebiet für Mr. S bewacht?", fragte der schwarzhaarige Junge.

Alina blickte Max finster an.

"Von der Geschichte habe ich gehört. Ich hatte jedoch kein Interesse den Bunker zu betreten, als die beiden damals hineingingen. Das jemand anderes Rick und Alina beobachtet hat, das wusste ich aber nicht. Ich habe niemand anderes bemerkt. Ich habe eigentlich nur darauf geachtet, dass die Kinder nicht von Mr. S restlichen Wachen entdeckt werden. Mr. S hätte dies nicht geduldet und es wäre wahrscheinlich schlimm geendet.“

„Warte mal........., du hast uns auch die ganze Zeit beobachtet?“, fragte Alina erstaunt.

Sie schauderte.

„Ich war im Grunde der Wachhund von Mr. S. Meine Aufgabe war es das ganze Gebiet im Auge zu behalten. Ich wusste immer wann ihr wo im Gebiet seid. Nur im Bunker war ich noch nie, denn selbst ich wusste nicht davon. Mr. S ließ die Bude anschließend abfackeln, weil er keine Verstecke wollte. Er mochte keine unbekannten geheimen Orte dieser Art.“, erklärte der Vampir.

„Du hast uns also gedeckt?“, wiederholte Rick. Er schien skeptisch zu sein.

„Du hast also die Leiche von Elysa abgefackelt?!“, wurde der braunhaarige Junge plötzlich laut.

Er griff nach Illan, jedoch wich der Vampir mit einem Schritt nach hinten aus.

Ricks Gesichtsausdruck veränderte sich schnell in eine zornige Miene.

„Nein.“, erklärte Illan und Rick stoppte.

„Nein?“, fragte er leise. Sein Blick war jedoch immer noch grimmig.

„Angeblich befanden sich keine Leichen darin. Der Leichengeruch war extrem, aber es waren keine toten Körper mehr darin. Nur das Blut befand sich überall. Ich bin mir da absolut sicher.“, erklärte Illan.

„Wie kann das sein?“, brummte Rick.

Er blickte weiterhin den Vampir skeptisch an, als würde Rick dem jungen Mann nicht trauen wollen.

Der Vampir sah ihn daraufhin gleichgültig an.

„Wahrscheinlich hat das Monstrum die Leichen gefressen.“, meinte Julius.

„Das war jetzt ein bisschen zu direkt.“, meinte Daniel zu seinem gleichgroßen Gildenkollegen.

Alinas Gesicht wurde bleich. Sie blickte zu Boden. Rick wurde stiller, jedoch wirkte er auch ein wenig verzweifelter:

„Verdammt............., warum...................?“, murmelte er.

Rick sah daraufhin zu Illan:

„Habt ihr das Monstrum getötet? Jaswal sagte, dass das Monstrum sich schon wieder versteckt habe. Man habe es nicht mehr gefunden.“

„Nein, denn es war kein Monstrum mehr im Bunker. Es war nur ein leerstehender Raum voller Bücher.“, erklärte Illan.

Für einen Moment herrschte eine beunruhigende Stille.

„Also gut............, dann haken wir das einfach ab. Wir reden nicht darüber!“, unterbrach Rick, er betonte wieder seine letzten Worte.

Der Junge sah sichtlich auch so aus, als könnte er darüber nicht mehr nachdenken.

„Wir reden ein anderes Mal darüber. Wir sollten endlich die Gruppenaufteilung zustande bekommen.“, der braunhaarige Junge sah anschließend auf.

Er hatte sich wohl wieder beruhigt.

Mit angespannter Miene fragte er:

"Also ich stelle mir das so vor. Alina und ich gehen in den Westen. Max und Julius gehen in den Osten. Daniel und.............", doch Rick wurde am Ende von Daniel unterbrochen:

„Der Vampir und ich?!“, fragte der Junge erstaunt.

„Klingt so, als würdest du ihn nicht leiden können?“, hakte Max mit einem leichten Schmunzeln nach.

„Nein.“, unterbrach Daniel sofort.

„Ich meine.............................., ach vergesst es.“, beendete Daniel das Thema.


 

Er griff anschließend in seine Jackentasche.

Daniel zog daraufhin eine kleine Schachtel hervor.

Aus dieser Schachtel holte er vier Streichhölzer hervor.

"Für alle Fälle.", erklärte der Junge stolz.

"Wir ziehen Streichhölzer und entscheiden so.", erklärte er.

Zugleich hatte Julius schon ein Streichholz gezogen, bevor Daniel überhaupt zu Ende geredet hatte. Max zog daraufhin ebenfalls eines.

"Die beiden sind ganz, dann vermute ich stark, dass die anderen beiden gebrochen sind.", vermutete Max, bevor er überhaupt sein gezogenes Streichholz ansah.

Daniels Lächeln verschwand und er steckte die zwei übrig gebliebenen Streichhölzer schnell zurück.

"Ja.............., woher wusstest du, welches du ziehen musstest?", fragte er mit skeptischer Miene.

Der Schwarzhaarige grinste nun noch mehr:

„Ich habe nur geraten.“, erklärte Max.

Es klang aber deutlich nach einer Lüge.

„Nun der Zufall hat entschieden. Max und ich in einem Team und Illan und du in einem Team.“, erklärte Julius.

"Ja.", antwortete Daniel, aber er klang damit nicht wirklich zufrieden.


 

„Nun, dann sollten wir keine Zeit mehr verschwenden.“, ermahnte Rick.

Er steckte das Armband zurück und anschließend packte der Junge seine Freundin sanft an der Hand.

Zusammen verließen die beiden zügig den Raum.

„Dann sollten wir nun auch gehen.“, meinte Daniel und er stand auf.

Dabei fiel ihm etwas auf, dass etwas auf dem Boden lag.

„Das ist doch.“, murmelte er, als er in die Hocke ging.

Der hellblonde Junge hob das Gildenarmband von Tina in die Höhe.

„Rick muss es wohl gerade verloren haben.“, stellte Max fest.

„Dann nehme ich es mit.“, meinte Daniel mit den Schultern zuckend.

Er schaute anschließend um sich und seufzend meinte der hellblonde Junge:

„Er ist schon weg.“

Daniel meinte damit Illan. Der Vampir war schon aus dem Raum verschwunden.

Der Junge ging zur Tür.

„Dann siehst man sich.“, meinte Daniel und er eilte anschließend in den Gang.

So standen nur noch Julius und Max im Raum.

"Illan benimmt sich schon sehr wie ein Einzelgänger. Er mag wohl keine Konversationen? Immer plötzlich da und immer plötzlich weg. Eine ausgezeichnete Fertigkeit.", lobte der Schwarzhaarige.

„Mich würde etwas interessieren, traust du eigentlich Illan? Du redest immerhin immer gut über ihn.“, fragte Julius.

"Du etwa nicht?", fragte Max erstaunt.

„Mich erstaunt das, denn Illan hat doch deutlich gezeigt auf welcher Seite er steht. Er ist auch kein Lügner.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu.

"Wieso ist er so erstaunt? Er ist doch immer derjenige, der meist immer zuerst misstrauisch wird? Manchmal auch ein bisschen zu oft, selbst wenn kein Grund besteht.", überlegte Julius.

Max stand schweigend auf und er zog sich seine schwarze Jacke über.

„Also traust du ihm?“, hakte Julius nach.

Max schwieg für ein paar Sekunden, während er durch den Versammlungsraum sah.

"Ich denke, dass man ihm vertrauen kann.“, erklärte der schwarzhaarige Junge anschließend.

Julius nickte zur Verständigung, aber Max schien noch nicht fertig mit reden zu sein:

„Aber ich traue jemand anderes von uns nicht. Es ist nicht so, als hätte ich irgendwelche Beweise, aber mein inneres Gefühl sagt mir deutlich, dass ich dieser Person nicht trauen kann. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann könnte diese Person jemand von uns in den Rücken stechen.“, erklärte Max mit kühler Stimme.

Zuerst dachte Julius, es wäre wieder einer dieser schrecklichen Witze von Max, aber der kühle Blick verdeutlichte schnell, dass der schwarzhaarige Junge hier kein üblen Scherz gemacht hatte.

„Übertreibst du da nicht ein wenig?“, meinte Julius nur.

Ihn interessierte es nicht wirklich, was sich andere so zusammenreimen.

Sollen die doch glauben, was sie glauben wollen.

Julius ließ sich sowieso nicht von irgendetwas beirren, was ihn nicht interessierte.

Deswegen mochte er auch keine Leute, die ihm einreden wollte, dass er etwas zu glauben habe.

„Es ist nur ein Gefühl. Ein komisches Gespür in meinem Körper.“, beantwortete Max die Frage.

Der schwarzhaarige Junge verließ daraufhin als nächstes den Raum.

Julius zuckte auf seine Antwort nur mit den Schultern.

Die Antwort half dem großen Junge jetzt nicht wirklich weiter, aber was sollte er auch mit der Fragerei bezwecken?

Immerhin war Misstrauen nur ein Saat für böse Zankerei und so etwas war nur nervig für Julius.

Es war es also nicht wert sich darüber Gedanken zu machen und warum sollte ausgerechnet jemand von der Gruppe jemand aus der Gruppe verraten? Was sollte denn nur der Grund dazu sein?

Verschwunden XIII --- Der Waffenschmied von Zellerstein

[Max]
 

Der Ostteil der Stadt erinnerte eher an vergangene Zeit. Die Gebäude noch aus dicken Stämmen gebaut, mit Ziegelsteinen umringt und mit Gips zu gespachtelt. Natürlich waren sie zum Teil modernisiert, aber trotzdem strahlten die älteren Gebäude zum Teil eine große Geschichte aus.

Vermutlich war dieser Teil der Stadt der ursprüngliche Teil, bevor sich Zellerstein in den Westen verbreiterte.


 

Ansonsten wirkte die Stadt wohl sehr traditionell, denn abgesehen von den zahlreichen Kapellen, befanden sich neben der größten Kirche im Land, eine Vielzahl an Tempel.

Die Gottheit von Zora wurde hier verehrt.

Nach der Steintafel zu urteilen, welche nahe der gigantischen Kirche stand, war Zora ein Gottheit und Zugleich der Name eines Volkes, die von einer anderen Welt stammte. Die Gottheit war eine Kriegerin eines mächtigen Volkes. Sie vertrieb vor vielen Jahrtausenden Dämonen aus mehreren Welten, deswegen soll es angeblich hier auch keine Dämonen mehr geben.

Dadurch, dass Zora eine Gottheit war, konnte sie angeblich nicht sterben, dennoch fiel sie im Kampf gegen ein übermächtiges Wesen namens Atar.

Ihre Nachfolger hatten jedoch auch diese Macht bezwungen und so die Welten gerettet.

Zu Ehren von Zora wurden die Tempel gebaut und daraus entstand diese Religion.

Neben den anderen vier großen Religionen, hatte die Gottheit von Zora beinahe die meisten Mitglieder weltweit.


 

Andere größere Schilder an den Kreuzungen der Stadt verwiesen auf die wunderbare Magierschule und Gilde im Norden.

Ein kleines Dorf nördlich von Zellerstein hatte sich in Nordzellerstein umbenannt und wurde zum Stützpunkt der dortigen Gilde Magic Guild.

Zellerstein an sich bekam von dem Ruhm jedoch nur wenig ab, zwar reisten viele Touristen und Schüler durch die Stadt, aber wegen der Einflüsse der Kirche konnte nur wenig Profit daraus geschlagen werden.

Es gab genau so viele Kritiker wie Anhänger dieser Religion. Magie vertrug sich gar nicht mit dieser Religion, zumindest nicht diese Variante von Schule der Magie.

„Und bringt dir das was? Also die ganzen Prospekte zu lesen?“, fragte Julius.

Sein gleichgültiger Blick schweifte durch die großen breiten Straßen.

Maxs Blick blieb weiterhin fokussiert auf das Papier, welches er vor sich hob:

„Leider nein.“, antwortete der Schwarzhaarige.

„Zumindest noch nicht, aber dafür steht hier allerlei interessantes Zeug über die Stadt.“, fügte Max hinzu.

„Wusstest du schon, dass die Bewohner hier Spiegel auf ihre Dächer aufstellen, um tagsüber auch jeden Winkel der Gassen zu beleuchten, die trotz der starken Sonne am Tag, durch die Häuser verdunkelt bleiben.“, Julius reagierte nicht auf seine Aussage.

„Angeblich wegen Geistern.“, erklärte Max, als hätte Julius eine Frage dazu gestellt.

Nach wenigen Sekunden fragte Julius mit leichter Interesse:

„Geister? Gibt es so etwas denn wirklich?“

Der Schwarzhaarige schaute ihn erstaunt und zugleich verwundert an:

„Ich habe dir doch schon einmal erzählt, dass wir damals ein echten Geist gesehen haben. Eigentlich war es nach den Mythen sogar ein Schatten, aber wir haben.............“

„..........ja, das hast du mir erzählt.“, unterbrach Julius in einem leicht rauen Ton.

„Warum fragst du dann überhaupt?“, jedoch schwieg Julius einen Moment lang.

„Geister hin oder her. Ich habe bisher noch keinen gesehen. Es würde mich sehr interessieren wie diese Dinger in echt aussehen.“, erklärte Julius daraufhin. Er klang neugierig.

„Das willst du eigentlich gar nicht wissen.“, antwortete Max und er erinnerte sich an den Fluch von Orange.


 

Die vielen Straßen im Ostteil der Stadt waren in einem Raster angelegt worden, um wohl eine ideale Straßenverkehrsordnung für die vielen Bewohner, Händler und Reisenden zu ermöglichen.

So waren Hauptverkehrswege gut ausgebaut und der Zugang zum Bahnhof, welcher sich in Richtung Stadtmitte befand, war ohne Stau zu erreichen.

In den größeren Straßen befanden sich Baumstreifen an den Seiten. Vermutlich um den Anblick zu verschönern und das die Luft vermutlich nicht zu stark verschmutzt wurde.

Ein interessanter Duft füllte dennoch die Straßen und es lenkte ab vom Gestank der Fahrzeuge.

Ein etwas längerer Blick auf die Straßen und auf die Fahrzeuge ließ in Max ein bekanntes Gefühl aufsteigen. Es fühlte sich an wie Heimat.

„Ach, was ist denn jetzt mit mir los? Was war das für ein Gefühl?“, der Schwarzhaarige schüttelte seinen Kopf.

„Da scheint der Markt zu sein.“, meinte Julius.

Die beiden Jungs befanden sich jetzt weit im östlichen Teil der Stadt.

In der Nähe der östlichen Stadtgrenze.

Dort befanden sich die meisten Geschäfte und eine sehr lange Marktstraße, zudem war am heutigen Tag sogar Wochenmarkt und viele Leute waren somit unterwegs.

Wild bahnten sich die Menschen ihre Wege durch die Vielzahl der Besucher des Marktes.

Östlich der Marktstraße befand sich ein künstlich angelegter offener Kanal, welcher jedes Mal am Horizont verschwand.

Das Wasser sah klar aus und viele Brücken führten hinüber.

Auf der anderen Seite des Kanals befanden sich nur noch wenige Häuser und ein größerer Zaun.

Es war die östliche Grenze von Zellerstein.

Die Stadt wirkte voller Leben. Die andere Seite des Flusses wirkte dagegen einsam.

Der Wind fegte über den Kanal zur Marktstraße, es schien die Leute aber nicht zu stören.

Es war heute allgemein ein heißer Tag.


 

„VAMPIRE!“, brüllte ein Mann plötzlich Max ins Ohr und der Schwarzhaarige erschreckte sich fast zu Tode.

Genervt starrte der Junge zur Seite zum Mann, der ihn angeschrien hatte.

Er drückte dem Junge förmlich ein dickes Buch in den Magen.

„Passt auf! Sie kommen in der Nacht und sie stehlen eure Frauen! Angeblich sollen welche auf einer Insel im Westen wieder aufgetaucht sein. Man soll angeblich ein Nest von ihnen ausgehoben haben. Es sollen welche geflohen sein!“

„Meint der vielleicht Ranger Island und Mr. S?“, überlegte Max.

Neben dem schwarzhaarigen Mann stand ein Karren voller dieser roten Bücher.

Auf dem Einwand war ein blutrünstiger Vampir zu sehen, der den Betrachter anspringen wollte.

Neben dem Mann war ein aufgestelltes Holzschild und darauf war mit roter Farbe geschrieben worden:

„ACHTUNG! DIE VAMPIRE KOMMEN!!!!“

Die Mehrzahl der Leute schien es nicht zu interessieren und sie liefen desinteressiert an dem Mann vorbei.

„Junge!“, brüllte der Mann erneut Max an. Er spuckte dabei ein wenig, sodass der schwarzhaarige Junge sich angewidert abwenden wollte.

Leicht zurückweichend meinte Max schlecht gelaunt:

„Kein Interesse.“, jedoch gab der Mann nicht nach:

„DIE JUGEND IST DOCH VERNÜNFTIGT, NICHT? Ich meine, ihr müsst mir doch glauben, denn die Vampire kommen. Hier steht alles drin, was ihr darüber wissen müsst und wir ihr sie bekämpfen könnt. Nur 19,95 pro Band!“

„Nein Danke.“, erklärte der Schwarzhaarige.

„Willst du vielleicht dumm sterben? Du wirst dumm sterben, wenn du nicht aufpasst.“, konterte der Händler.

Provoziert blickt Max den Mann finster an:

„Dumm sterben? Was willst der eigentlich von mir?“

„Meine Bücher vermitteln das Wissen! Ich bin der bekannte Autor James McRhein. Meine Bücher verkaufen sich weltweit extrem schnell. Viele kluge Köpfe lernen aus meinen Büchern! Diese Bücher könnten heute Abend schon ausverkauft sein! Kauft sie euch jetzt, ansonsten sind sie weg! Ihr wärt dann nicht gerüstet gegen die Vampire!“, der Mann drückte Max das Buch wieder entgegen.

„Nein, Danke! Und jetzt lass mich in Ruhe!“, wurde der Schwarzhaariger lauter.

„Ignoriere ihn doch einfach. Der Mann ist es doch nicht wert.“, warf Julius ein. Er klang leicht genervt.

Der Verkäufer schaute die beiden beleidigt an.

Er wandte sich anschließend ab.


 

„Vampir?“, murmelte Max, während die beiden Jungs durch die Marktstraßen liefen.

Der Schwarzhaarige versank wegen seiner Körpergröße in der Menge, während Julius beinahe schon groß war wie die Vielzahl der Erwachsener.

„Ist doch jetzt wirklich egal. Lass den Mann doch einfach reden.“, meinte Julius.

"Darum geht es doch gar nicht, aber das es Leute gibt, die so ein Wind darum machen. Ich meine, das könnte doch irgendwie irgendwann böse für die Ranger Guild enden, nicht?"

"Weiß ich nicht.", sagte Julius lauter und er ging weiter.

"Hätte ich mir auch denken können. Es interessiert ihn einfach nicht.", dachte Max.

Er tat das Thema damit ab.

Die beiden liefen weiter über die große Straße.

Im Grunde irrten sie herum, anders konnte man das nicht nennen.

Sie hatten keinen Plan nach was sie eigentlich Ausschau halten sollten.

Die beiden fragten ein paar Leute, aber die meisten wandte sich gleich ab oder sie wussten die Antwort nicht, weil die Angesprochenen Touristen, Besucher oder Reisende waren.

Die Stadtbewohner im allgemeinen wirkten sehr verschlossen und sehr unfreundlich gegenüber Fremden.

Eine kleinere Straße bog irgendwann von der großen Marktstraße ab. Dort schien es ebenfalls ein paar Läden zu geben.

Wegen der Menge der Leute und der Enge auf der Marktstraße, beschlossen die beiden Jungs abzubiegen.

Dort wirkte es zum Teil wie in einer andere Welt.

Ein paar Männer in Anzügen liefen in hohen Eiltempo hin und her.

Sie liefen zu den Restaurants und Fast Food Ständen, um sich wohl für den Mittag einzudecken.

Sie telefonierten zum Teil lautstark nebenher.

Zumindest war es nicht so voll, sodass man sich wieder freier fühlen konnte. Leiser war es dennoch nicht.

Man hatte hier vor den Plätzen der Läden viele kleine Blumengärten angelegt.

Zwischen den meisten Läden waren schmale Gänge und dahinter waren hölzerne Eingangstüren zu sehen.

Die Wohnhäuser lagen jeweils hinter und über den Läden der Einkaufstraße.

"Hier möchte ich nicht leben.", kam Max zu einem Entschluss.

Julius antwortete nicht darauf.

Nach einigen Minuten der ergebnislosen Suche und der erfolglosen Fragerei langweilten sich schließlich die beiden.

Max seufzte.

Er wollte wieder umkehren, da deutete Julius plötzlich auf ein Geschäft hin:

„Sieht sehr interessant aus.“, meinte der große Junge plötzlich.

Julius gleichgültige Miene hatte sich schlagartig zu einem Grinsen gewandelt. Er wirkte begeistert.

Max schaute erstaunt auf, aber nur wegen Julius plötzlicher Reaktion.

Ohne Vorwarnung eilte Julius dorthin.

Der Schwarzhaarige schaute ihm nach und folgte ihm erst nach kurzen Überlegungen:

"Haben wir wirklich..... dafür Zeit? Rick könnte schon auf uns warten? Nun............., er würde sich dann schon melden. Er hat sich ja noch nicht gemeldet und Daniel auch nicht.", meinte Max, aber Julius würde ihn aus dieser Entfernung sowieso nicht hören. Nicht bei dieser Lautstärke.


 

Es war ein Waffengeschäft, spezialisiert auf Schwerter.

Über der älteren roten Jalousie, die über den halben Weg zur Straße gezogen war, hing ein verziertes Holzschild mit der Aufschrift:

„Zum Waffenmeister Meieral von Zellerstein. Familiengeschäft seit über 100 Jahren.“

Unter der Jalousie standen mehrere hölzerne Kisten mit Waffen. Ein paar Leuten standen vor den Kisten.

Die wertvolleren Produkte standen jedoch wohl im Laden selbst.

Julius wollte gezielt in den Laden laufen, da stoppe ihn ein älterer Mann.

Dieser meinte zu dem großen Jungen

"Was willst du in meinem Laden? Bist du den schon volljährig, zumindest 16? Nicht das es verboten wäre, wenn jüngere in mein Laden gehen, aber ich möchte nun mal kein Ärger mit der Kirche und ihren Belehrungen haben.", erklärte er.

Auf seinem einfarbigen Hemd war ein Namensschild befestigt, darauf stand:

„Geschäftsführer Gustav Meieral.“

Der Mann musste wohl schon über sechzig sein.

Sein Haar war komplett weiß, aber in einem schönen hellen Ton.

Er hatte einen weißen Schnauzer, dazu beherrschte er den strengen Blick sehr gut.

Der Mann hatte seine Arme verschränkt und der Ladenbesitzer baute sich vor Julius auf.

Jemand weiteres eilte ihm zur seine Seite.

Der junge Mann schwitzte stark. Er wirkte aus der Puste.

„Meister...........“, fing er an, bevor er Luft holte:

„Zwei Kunden möchten C-Rang Schwerter kaufen. Wie viel Sya Rabatt geben wir heute bei vier Schwerter?“

„Habe ich dir das nicht schon erklärt?“, brummte der ältere Mann.

„Außerdem! Du darfst doch nicht den Laden außer Acht lassen, wenn ich nicht im Laden bin.“, ermahnte der Ladenbesitzer daraufhin.

Der junge Mann erschrak und er wollte zurückeilen, da rief ihm der ältere Mann hinterher:

„500 Sya Rabatt bei vier C-Rang Schwerter.“

Daraufhin wandte sich der Mann wieder Julius zu, der nicht mehr vor ihm stand.

Erstaunt sah sich der Ladenbesitzer um.

„Tja, der ist schon drin.“, dachte Max.


 

Der Schwarzhaarige vergnügte sich solange mit den Klingen außerhalb des Ladens.

Die Katanas interessierten Max am meisten und für einen Moment vergaß er seine eigentliche Aufgabe.

Die glänzenden, aber teuren Katana im Schaufenster strahlten von nahem eine besondere und magische Präsenz aus.

Es war bestimmt ein mächtiges Gefühl so eine Klinge zu schwingen.

Jedoch war er wahrscheinlich noch zu jung dafür und es würde eine Weile dauern, bis er selbst eine Klinge führen durfte.

„Interessant, nicht wahr?“, fragte jemand Fremdes den Schwarzhaarigen, als dieser eine Weile auf die Katanas gestarrt hatte.

Max sah anschließend den Fremden stumm an.

Es war vielleicht ein junger Mann um die Zwanzig.

Der junge Mann besaß eine Ausstrahlung, die mächtig, jedoch auch eigenartig war.

„Wenn man sie nur in Geschichten hört oder sie aus der Ferne sieht, dann ist das kein Vergleich. Aber wenn man dann direkt davorsteht, dann fühlte man schon die Präsenz. Diese Klingen sind etwas wunderbares. Nur das nervige Glas ist dazwischen.“

„Ich kenne ihn zwar nicht, aber er hat recht.“, stimmte Max gedanklich zu.

Gegenüber ihm blieb der Schwarzhaarige jedoch misstrauisch.

Seine Haarfarbe war zudem sehr ungewöhnlich. Sie war purpur mit einer Mischung von weiteren Rottönen in Form von Strähnen.

In der Regel liefen die Leute mit schwarzen, weißen, braunen, blonden, wasserstoffblonden, rotbraunen, orangebraunen und grauen Haar umher.

Selten trug jemand anderes farbiges Haar, zumindest in den Städten, in denen Max die letzten Tage war.

Er zählte die Jugendlichen nicht mit.

Der junge Mann trug ein Katana bei sich, aber es hatte nicht die typische Form.

Der Griff der Klinge ähnelte der Schwertscheide, als wäre alles zusammen aus einem einzigen rechteckiges langes schwarzen Stück Holz geformt worden.

Man sah zwar die Klinge nicht, aber allein schon die Ausstrahlung überzeugte Max davon, dass die Klinge scharf und gefährlich war und dass dieser Mann sowohl Erfahrung wie Ahnung besaß.

„Die Schwerter, vor allem das Katana, sind eine veraltete Tradition. Heute verkaufen sie sich nicht mehr so gut und kaum jemand rennt mehr mit einem Schwert herum. Man kämpfte mit ihnen heutzutage nicht mehr wirklich, man trägt sie nur zur Zierde.“, der junge Mann klang spöttisch.

Bevor der Schwarzhaarige ihm antworten konnte, fühlte der schwarzhaarige Junge ein festen Griff auf seiner rechten Schule und er wurde widerwillig gedreht.

"Hey! Bist du der Kumpel des Jungen, der einfach in mein Laden gerannt ist?", fragte der ältere Mann plötzlich und er rüttelte stark an Max.

„Fass mich nicht so an!“, dachte der Junge genervt.

„Ihr kennt doch das Gesetz? Also verzieht euch!“, brummte der Ladenbesitzer.

Julius stand im Hintergrund. Er wirkte zwar gleichgültig, aber zugleich auch schlecht gelaunt.

Unzufrieden schaute er in den Himmel.

"Waffen der Klasse D und C sind in Festa nach dem Gesetz erst ab 16 Jahre erlaubt. Alle höhere Klassifizierung außer Rang S, sind ab 18. Ansonsten braucht man eine Genehmigung dafür.“, beantwortete der rothaarige Fremde hinter Max.

Der Ladenbesitzer schaute erstaunt auf.

„Das ist korrekt. Gehört der zu ihnen?“, fragte der ältere Mann höflich.

„Nein.“, beantwortete Max die Frage.

„Dann verschwinde, Knirps! Zehnjährige gehören zu ihren Eltern! Was denken die eigentlich ihre Kinder allein herumlaufen zu lassen?“, ermahnte der Ladenbesitzer.

„Zehnjähriger?“, der Junge kochte innerlich vor Wut, wenn man ihn jedes Mal so jung schätzte.


 

Bevor Max aber darauf reagieren konnte, rief eine verängstigte weibliche Stimme in der Nähe, die von fast allen Anwesenden ignoriert wurde.

"Großvater?", es klang nach einer sehr jungen weiblichen Stimme.

Max schaute an dem älteren Mann vorbei und der Junge entdeckte ein junges Mädchen.

Vielleicht war sie um die acht Jahre alt?

Der Ladenbesitzer drehte sich blitzschnell um und wie ferngesteuert eilte er zu ihr:

„Was ist? Alles in Ordnung?“, fragte er in einem besorgten Ton.

Etwas stimmte hier aber ganz gewaltig nicht, denn hinter dem Mädchen stand ein Mann, der sein Gesicht tief in einer Kapuze vergraben hatte.

In der einen Hand hielt dieser ein Messer halb versteckt und als der Ladenbesitzer das junge Mädchen beinahe erreicht hatte, packte sich der Mann das Mädchen und bedrohte sie mit dem Messer:

„Halt!“, zischte er.

Die Leute wichen zurück und eine Frau fing an zu schreien.

„Ruhe!“, brummte der Mann.

„Keiner rührt sich, ansonsten wird die Kleine daran glauben.“, zischte der Mann weiter.

Der Blick des Ladenbesitzers verfinsterte sich und man spürte die pure Wut aufsteigen, dennoch machte der ältere Mann nichts unüberlegtes.

„Was wollen sie?“, brummte dieser.

Der Erpresser grinste.

„5 Millionen Sya bis morgen zum nordöstlichen Stadtrand, solange nehme ich sie mit.“

Er packte mit seiner freien Hand das Mädchen, jedoch bekam er genau in diesem Moment etwas gegen den Hinterkopf geschlagen.

Der Mann ließ das Messer fallen und er kippte zur Seite.

Der Ladenbesitzer zog das Mädchen zur Seite, bevor der Mann auf das Mädchen gefallen wäre.

Julius stand hinter dem Erpresser und er warf den kaputten Holzstiel zur Seite.

„Das Schild! Es war neu!“, rief der Mitarbeiter des Schwertladens entsetzt.

Ein Mann in blauer Uniform presste sich anschließend durch die Menge.

Als er den ohnmächtigen Dieb sah, schaute der Mann erstaunt zu Julius.

„Wo bleibt denn immer die Polizei, wenn man sie braucht? Selbst die Jugend ist heute sogar schon schneller.“, brummte der ältere Mann, der seine Enkelin in den Armen hielt.

Sie hielt sich tapfer. Das Mädchen wirkte nicht mal verängstigt.

„Ich entschuldige mich zutiefst, Herr Meieral. Ich hoffe sehr, dass ihrer Enkelin nichts geschehen ist?“, der Ladenbesitzer blickte zum ohnmächtigen Dieb, der wieder zu sich kam.

Der Polizist packte sich den Mann. Er legte ihm Handschellen an.

"Ich kümmere mich schon darum. Endlich wurde er auf frischer Tat ertappt. Ich bin ihm schon eine Weile auf den Fersen.", der kräftige Polizist zog den Übeltäter mit sich mit. Die Leute klatschten dem Polizist zu, als hätte er den Täter geschnappt.

Der Blick des älteren Mann fiel wieder auf Julius.

„Ich danke ihnen. Meine erste Einschätzung war falsch. Sie sind ein rechtschaffener junger Mann.“

Julius nickte nur.

„Junger Mann?“, dachte Max unzufrieden.

Julius kratzte sich schweigend mit der rechten Hand am Hinterkopf, dabei wurde sein Gildenarmband sichtbar.

„Ist das etwa..........?!“, meinte der Ladenbesitzer erstaunt.


 

Wenig später in einem hinteren Zimmer im Laden stand der Ladenbesitzer vor einer größeren hölzernen Truhe. Er öffnete diese.

Der Raum war voll mit Schwertern und allerlei anderen Waffen, jedoch befand sich hier eher die mittelmäßige Qualität.

Seine Enkelin stand neben der Truhe. Begeistert beobachtete sie was ihr Großvater tat.

Julius und Max standen ebenfalls dort.

Jedoch sah sich nur der Schwarzhaarige um.

„Mein Großvater hat viele tolle Sachen. Mit den scharfen Schwertern kann man Dinge prima aufschlitzen.“, fing das Mädchen plötzlich an.

Max sah das Mädchen erstaunt und mit offenen Mund an.

Die anderen im Raum wirkten so, als hätten sie das nicht gehört.

„Ich denke nicht, dass das ein kleines Mädchen sagen sollte?“, der Schwarzhaarige dachte anschließend, dass er sich nur verhört hatte.

„Sie wollen uns wirklich Schwerter geben, auch wenn die Gesetze dies nicht erlauben?“, meinte Julius. Er klang skeptisch.

Der Ladenbesitzer schaute ihn bei seiner Antwort nicht an:

„Nein, nicht ganz. Ihr dürft die Geschenke nicht führen, aber solange ich mein Siegel an der Klinge und der Schwertscheide platziere, gelten sie als Ware und nicht mehr als Waffen. Ihr dürft sie dann tatsächlich tragen, solange das Siegel dran bleibt. Mein Ziehen wird das Siegel zerstört.“, der Mann pausierte anschließend. Eine kurze Zeit herrschte Stille ein.

Man hörte nur, wie der ältere Mann in der Truhe etwas suchte.

„Solche Leute, wie ihr.........“, fing er nach einer gewissen Zeit an:

„..........die bräuchten wir ruhig mehr in dieser Stadt. Nicht jeder hätte so schnell reagiert und ein solchen Verbrecher zu Boden geschlagen. Ich habe auch nichts anders von Lindas Gilde erwartet. Es ist mir irgendwie eine Ehre, dass Gildenmitglieder in meinen Laden vorbeischauen, deswegen bin ich mir absolut sicher, dass ihr vernünftige Burschen seid.“

"Burschen?", brummte Max gedanklich.

„Du kennst die Ranger Guild?“, fragte Julius.

„Oh ja......“, begann der Ladenbesitzer zugleich:

„Ich kenne Linda, seitdem sie noch ganz klein war. Ihren Vater kannte ich auch gut. Wir haben die alte Gilde früher immer wieder mit Waffen beliefert. Wir lieferten nur beste Qualität. Seitdem die letzte Gilde aber so urplötzlich aufgelöst wurde, sind unsere Geschäftsbeziehungen leider zerbrochen.“

Der ältere Mann holte anschließend aus der Kiste ein kurzes Katana hervor.

Der Griff war nicht sauber ausgearbeitet, daher war die Ware vermutlich deswegen als fehlerhaft gekennzeichnet worden.

Es stand auch noch ein weiteres Wort darauf:

„Unverkäuflich.“

Die Klinge war hellrot und sie war kürzer, als bei einem durchschnittlichen Katana.

Der ältere Mann gab sie Julius, der schon erfreut damit experimentierte, sodass Max ein Schritt zur Seite gehen musste.

Der Ladenbesitzer griff erneut in die Kiste und er zog ein zweites fehlerhaftes kurzes Katana heraus, welches statt hellrot hellblau war.

„Wie passend! Mein Kristall ist auch hellblau. Ob das Zufall ist?“, dachte Max zufrieden und bemerkte, dass die Klinge viel leichter war, als er zuerst gedacht hatte.

Sie schwang sich zudem viel angenehmer, als er es zuerst vermutete.

„Die Klingen sind noch ungeschliffen, aber schneiden tun sie dennoch! Also passt gut darauf auf, ja? Macht kein Unfug, ansonsten wird man sie euch abgenommen. Am Besten zieht ihr sie erst gar nicht. Wartet ihr beiden einfach bis ihr so alt seid. Es ist wirklich zu eurem Besten. Ich kenne wie Jungs in eurem Alter sind, aber hört auf die weisen Worte eines älteren Mannes. Die Gesetze in Festa sind streng. Eure Vormünder würden wegen euch nur Ärger bekommen. Dennoch kämpft weiterhin für das Gute. Es ist immer gut, wenn es wieder mehr rechtschaffene Leute auf dieser Welt gibt. Es gibt leider in dieser trostlosen Welt kaum noch gute Leute, die den Verbrechern das Handwerk legen.“, er griff ein drittes Mal in die Kiste und zog zwei Schwertscheiden heraus.

Eines war dunkelrot, das andere war dunkelblau.

Sie dienten zum Schutz der Klinge.

„Vielen Dank.“, bedankte sich Julius. Max tat dies ebenfalls.

„Ich hätte da aber noch eine Frage.“, fügte der Schwarzhaarige hinzu.

Der Ladenbesitzer horchte interessiert auf.

„Wissen sie etwas über einen Magier, der die Fähigkeit hat............“, der ältere Mann unterbrach den Jungen:

„Linda hat mich schon informiert, deswegen wusste ich ja, dass ihr in der Stadt seid. Leider weiß ich nicht wo sich dieser Magier genau befindet. Dieser Griesgram zieht alle paar Monate um. Er hasst die Öffentlichkeit und dieser Mann möchte am Liebsten in Ruhe gelassen werden. Wenn zu viele Leute vor seiner Tür stehen, dann zieht er einfach um. Ihn zu suchen ist eine Qual. Die Postboten jammern jeden Tag über ihn und wo sein Sohn ist, das weiß ich auch nicht. Vielleicht ist er auch gar nicht mehr in der Stadt.“

„Ach so.“, meinte Max leicht demotiviert. Er hatte gehofft wenigstens noch heute ein kleinen Erfolg in dieser Sache zu erzielen.

Rick hatte aber auch nicht angerufen, also hatte er vermutlich auch nichts gefunden.

Die Lage sah somit schlecht aus.

„Nun, dann wäre ja alles geklärt. Ich werde meinen Laden aber bald schließen. Heute habe ich nicht mehr lange offen.“, erklärte der ältere Mann.

Der Ladenbesitzer lächelte anschließend und er führte die beiden Jungs wieder nach draußen auf den Platz vor der Straße.

"Macht schön Werbung und grüßt Linda. Sie soll unbedingt bald mal wieder vorbeischauen. Meine Türen stehen ihr jederzeit offen."


 

Die beiden Jungs verabschiedeten sich daraufhin und anschließend mussten sie feststellen, dass viel zu viel Zeit vergangen war.

Julius und Max mussten sich beeilen, wenn heute noch ein Erfolg her musste.

Die Stunden waren leider wie im Flug vergangen.

„Wie sollen wir jetzt als nächstes vorgehen? Wir haben nicht mehr viel Zeit. Es wird schon abend.“, meinte Max unzufrieden.

Julius wirkte abgelenkt.

„Am Liebsten möchte ich das Schwert ein wenig ausprobieren.“, erklärte der große Junge.

„Es ist ein Katana.“, aber Julius reagierte nicht darauf.

„Ich denke dazu haben wir keine Zeit.“, meinte Max anschließend.

„Ich weiß.“, gab Julius bekannt. Er klang jedoch sehr unzufrieden. Man konnte ein gewisse Enttäuschung von ihm wahrnehmen.

Julius legte seine rechte Hand auf den Griff und er ging in aufrechter Haltung.

Man sah ihm deutlich an, dass er der Versuchung nah stand, das Katana zu ziehen.

Das Siegel verwies aber deutlich darauf, dass man es nicht tun sollte.

Solange die beiden noch nicht alt genug waren, würde die Klinge noch eine Weile in der Schwertscheide verweilen.

Max ließ sein Katana durch seine Jacke leicht verdecken.

Er fand es klüger, wenn die Fremden es nicht so schnell sahen.

Irgendwann tat Julius es ihm gleich.

Weitere Stunden vergingen und die Suche blieb erfolglos.

Am Abend landeten die beiden Jungs schließlich wieder beim Hotel.

Max öffnete die Eingangstüre und die beiden traten hinein.

Hoffentlich hatten die anderen mehr Glück.

Verschwunden XIV --- Glück und Unglück

[Daniel]
 

Wohnhaus um Wohnhaus. Wohnblock um Wohnblock.

Die Stadt ähnelte sich an jeder Straßenecke, zumindest der Nordteil.

Als hätte ein gelangweilter Architekt sein einziges Wert kopieren lassen und es jedem Ingenieur in die Hand gedrückt.

Seltsame Spiegel waren auf dem Dach befestigt, dunkelrote Dachziegel, ein mattes Weiß als Farbe für die Hauswand und keinerlei Verzierungen, die ein Haus hätten ansehnlich machen können.

Eine große breite Hauptstraße führte in den Norden, nach Nordzellerstein.

Es war überhaupt ein Rätsel wie die Bewohner sich hier überhaupt zurechtfanden.


 

Im Vergleich zur Stadtmitte waren hier auch besonders wenig Leute unterwegs.

So streifte Daniel zum Teil alleine durch die Straßen und er fühlte sich eher wie ein Störenfried.

Wie ein Außenseiter, der durch die Fensterscheiben der alten Häuser von teilweise noch älter aussehenden Menschen beobachtet wurde.

Mit den Händen in den Hosentaschen schlürfte er genervt durch die Straße.

Schon seit Stunden blieb er ergebnislos und auch kein errettender Anruf kam, also fanden seine Gildenkollegen ebenfalls nichts.

Wo Illan steckte, das wusste Daniel auch nicht.

Der Vampir war wie immer plötzlich verschwunden und er meldete sich nicht.

Nicht das Daniel dies erwartete, aber so geisterte der Junge ziellos durch die Wohnblocks.

Er wusste ja nicht einmal den Nachnamen des Magiers und die wenigen Bewohner, die er traf, taten so, als hätte Daniel den Namen einer Person erwähnt, die es zu verabscheuen galt.

Mit angewiderte Miene wandten sie sich ab und ließen den Jungen stehen.

So langsam kam die Frage auf, ob der Magier überhaupt hier in dieser Stadt war.

Die Leute starrten Daniel aber auch verunsichert an.

Wahrscheinlich wenn sie erblickten, was an seiner Gürtelschnalle hing.

Das feuerrote Messer, welches er damals von Noju zugeworfen bekam.

Vielleicht sollte er es nicht so offen tragen.

Langsam kamen die Zweifel auf, ob das nicht vielleicht sogar gesetzeswidrig war?

Könnten deshalb die Bewohner so energisch reagieren, wenn er sie ansprach?

Daniel fühlte sich ein wenig unwohl bei diesem Gedanken und zugleich ärgerte sich der Junge darüber, dass er nicht früher darauf gekommen war.

Schnell verschwand die Klinge unter seiner Jacke.

Mit ein wenig Mühe schaffte er es sie zu transportieren ohne sich zu schneiden oder die Klinge zu verlieren.


 

Wenige Minuten später lief der Junge an eine weitere gleich aussehenden Gasse vorbei, die durch die Spiegel auf den Dächern zwar erleuchtet wurde, dennoch guten Sichtschutz bot.

Es war so ruhig auf den Straßen, dass man sich dennoch gut in den Gassen verstecken konnte.

Zwei laut flüsternde Stimmen unterhielten sich aus dieser Richtung, sodass die Neugier des Jungen für einen Moment geweckt wurde.

„Boss........., es hat nicht so ganz geklappt. Dieser Depp hat mir eins übergebraten. Ich habe seitdem extreme Kopfschmerzen.“, erklärte ein schwarzhaariger junger Mann, der in seiner rechten Hand ein zusammengeklapptes Messer trug.

Er sah angeschlagen aus und immer wieder bewegte dieser junger Mann seinen Nacken, bis er knackte.

Seine schwarze Kapuzenjacke war voller Dreck.

„Nein, das stimmt nicht so ganz.“, widersprach der andere dem jungen Mann.

Der andere war mindestens ein Kopf größer und bestimmt ein Jahrzehnt älter.

Er hatte glänzendes weißes Haar, aber der Mann war bestimmt nicht alt.

Es waren keine Falten im Gesicht und allgemein wirkte er eher durchtrainiert und stark.

Vielleicht war dieser Mann im mittleren Alter.

Er trug ein weißes Hemd mit einer schwarzen Krawatten und die Hose einer Polizeiuniform.

Über seine rechten Schulter hing die dazu passende Jacke, dazu rauchte er etwas. Es sah aus der Ferne wie eine kleinere Zigarre aus.

Dieser Mann überragte den jüngeren Mann, der sich erschöpft an die Ziegelwand lehnte.

„Ach wirklich?“, meinte der Schwarzhaarige erstaunt.

Die Erklärung folgte nach dem nächsten Zug der Zigarre:

„Unser Ziel war es dem Besitzer Angst zu machen. Ihm glauben zu lassen, dass Verbrecher seine Tochter entführen wollen, um Geld zu verlangen. Aber du hättest nicht 5 Millionen sagen sollen. 10...... nein, sogar 15 Millionen Sya wäre der richtige Betrag gewesen, um ihm die Situation wirklich ernst zu machen. Er wird bestimmt beim Kommissar deswegen anfragen, dass man ein Auge auf sein Laden bzw. Tochter werfen sollte usw. und schlussendlich wird mir die Kontrolle übertragen, weil ich dazu zuständig bin.“, der junge Mann stellte sich kerzengerade auf und mit einem selbstsicheren Grinsen meinte er anschließend:

„Natürlich, Boss! Ich werde als Wache eingeteilt und dann entführe ich das Mädchen heimlich. Wir verlangen ein Lösegeld und anschließend haue ich ab nach Markezei. Dort werde ich untertauchen.“

„Korrekt.“, unterbrach der rauchende Mann und er nahm ein weiteren Zug seiner Zigarre:

„Ich lasse mich anschließend, wegen meiner versehentlichen Nachlässigkeit nach der Entführung versetzen, um so kein Verdacht zu erregen. Zeitgleich wird mein Cousin im Norden in irgendeiner Stadt seine Aktion durchführen. Dort wird dann für Ablenkung gesorgt und alle glauben dieser hätte das Mädchen entführt und mein Cousin hätte das Geld, während wir uns nach Dorna aus dem Staub machen bzw. überlege ich mir das noch.“

Der schwarzhaarige junge Mann wirkte überrascht.

„Boss, sie wollen ihrem Cousin die Schuld in die Schuhe schieben?“

„Jeder hat sein Päckchen zu tragen.“, erklärte der Mann mit der Zigarre.

„Aber haben sie nicht vor kurzem mit ihm noch darüber gesprochen, dass das Attentat auf das große Einkaufszentrum in.........................“, der Blick des jungen Mann fiel auf Daniel, genauso der Blick des Polizisten. Der junge Mann verstummte.


 

Plötzlich packte Daniel die Panik und er eilte durch die Straßen.

Der Junge rannte so schnell wie noch nie.

Er wurde verfolgt von den beiden Männern. Der junge Mann war wesentlich agiler, als sein Boss.

Oder der Polizist machte sich nicht allzu die große Mühe Daniel zu verfolgen.

Nicht einmal seine Schusswaffe hatte der Polizist gezogen, was natürlich gut für Daniel war.

„Bleib stehen!“, brummte der junge Mann.

„Also ob ich das tu!“

Daniel fluchte innerlich, dass er so dumm war und sich erwischen ließ.

Wie konnte er auch so blöd sein und einfach vor der Gasse stehen bleiben.

Aber was hatten sie nochmal gesagt?

Im nächsten Moment stolperte Daniel über ein paar Mülltonnen.

Ein lautes Geschepper war durch die halbe Ortschaft zu hören.

Daniel war jedoch wieder rechtzeitig auf den Beinen, bevor der Griff des jungen Mannes ihn erreichen konnte, jedoch war Daniel jetzt übersät von Müllflecken und es roch nicht gut.

Der Junge eilte in die nächste Gasse und sah dabei nach hinten.

Der junge Mann bog ebenfalls in die Gasse ein.

Daniel schlug plötzlich gegen etwas hartes auf und er taumelte anschließend gegen die nächste Hauswand.

Vor ihm hatte ein großer kräftiger junger Mann gestanden, der Daniel anstarrte, als fühlte sich dieser davon extrem provoziert.

Der schwarzhaarige junge Mann blieb vor dem neu erschienen größeren stehen.

Sein Klappmesser war gezückt und sichtlich eingeschüchtert meinte der schwarzhaarige junge Mann:

„Entschuldige........., ich will mir nur diesen Jungen vornehmen.“, er wollte zur Seite gehen, aber da hatte der Fremde den Schwarzhaarigen schon am Kragen gepackt.

Wütend blickte der rothaarige, fast schon quadratische, junge Mann in die Augen des hochgehobenen schwarzhaarigen jungen Mannes.

Der rothaarige war sowieso ein Kopf größer als sein nächstes potenzielle Opfer, selbst als er den Mann mühelos in die Luft hob.

„Du willst mit diesem Messer ein Teenager vornehmen? Für so ein Gesindel ist in dieser Stadt kein Platz.“, mit einem brachialen Wurf gegen die Hauswand, schaltete der Hüne den jungen schwarhaarigen Mann sofort aus.

Dieser ließ dabei das Messer fallen.

Ohnmächtig war der geworfene zusammengesackt.

Daniel stand erleichtert auf.

Er wollte sich bedanken, da baute sich der rothaarige vor dem zwei Kopf kleineren Jungen auf.

Seine wütenden Augen blitzten Daniel wütend an.

„Wegen dir riecht mein Shirt wie Scheiße!“, brummte er.

Seine kräftige rechte Hand wollte Daniel packen, da bog der Polizist in die Gasse ein.

Schnell rief er:

„Gut gemacht, Bewohner. Halten sie diesen Gauner fest. Er wird wegen Diebstahl gesucht und wegen einem Angriff gegen einen Polizisten. Ah....... der andere junge Mann, der hier liegt, ist sein Kollegen, aber den scheinen sie ja schon besiegt zu haben.“, der weißhaarige Mann verbeugte sich leicht. Er setzte ein höfliches Lächeln auf, aber Daniel erkannte die Falschheit sofort.

Der rothaarige ließ jedoch von Daniel ab und er lief langsam auf den verwunderten Polizist zu:

„Sie wirken aber nicht so, als hätten sie eine Verfolgungsjagd hinter sich? Immerhin haben sie doch zwei Gauner verfolgt? Ganz allein und ganz ohne gezogene Waffe?“, fragte der muskulöse Hüne.

„Der ist gar nicht so blöd.“, Daniel machte sich wieder Hoffnung heil aus der Situation zu kommen.

Er musste nur aufstehen und davonlaufen, dann könnte er sowohl dem Polizisten sowie dem rothaarigen Hünen entkommen, der ihm zwar half, aber auch wohl unbedingt an den Kragen wollte.

„Bewohner?“, hakte der Polizist nach.

„Tun sie keine unüberlegten Handlungen. Ich bin dann gewillt auch sie als Mittäter zu verhaften.“

„Sie wollen meinen Sohn als Mittäter verhaften, verehrter Polizist?“, hörte man eine ältere Stimme fragen.

Hinter dem Polizisten war ein weiterer Mann aufgetaucht.

Er war nicht besonders groß, sodass der ältere Mann gerade einmal zur Brust seines Sohnes reichte.

Sein Sohn war wiederum auch mindestens zwei Meter groß.

Seine Haarfarbe war eine Mischung aus grau und weiß und seine etwas längeren Haaren waren zu einem Pferdeschwanz nach hinten gezogen. Ein dicker grauer Schnauzer war in seinem Gesicht, wie platziert, jedoch sah er gepflegt aus.

Dieser ließ den Mann irgendwie erfahren und wissend wirken.

Braunschwarze Pupillen sahen stechend den Polizisten an.

„Herr Zero!“, wurde der angesprochene lauter.

„Es ist natürlich keinesfalls so, dass ich der Sohn des berühmten Magiers in irgendeiner Weise verdächtigen würde. Ich will nur meine Kriminellen mitnehmen, dann würde ich sie nicht weiter stören.“, der Polizist verbeugte sich tiefer, als zuvor bei den Hünen.

Der Blick des alten Mannes fiel zuerst auf den ohnmächtigen schwarzhaarigen Mann an der Hauswand.

Danach begutachtete der Vater des Hünen Daniel, der es bis jetzt noch nicht geschafft aufzustehen und davonzulaufen.

Irgendwie glaubte der Junge, dass eine Flucht nicht funktionieren würde.

Sollte er aber wirklich auf sein Bauchgefühl vertrauen?

„Warum renne ich jetzt eigentlich nicht weg?“

„Nehmen sie diesen Verbrecher an der Hauswand mit, aber lassen sie mir den anderen Jungen da. Ich möchte ihn noch etwas fragen, wenn es ihnen nichts ausmacht.“

„Ich verstehe.“, meinte der Polizist, jedoch wirkte er nicht ganz zufrieden:

„Bei diesem jungen Mann herrscht große Fluchtgefahr. Mit allen Mitteln hatte er schon versucht mich hereinzulegen. Dieser Knirps ist sehr pfiffig, das muss ich leider zugeben. Bitte übergeben sie ihn mir, wenn sie fertig sind. Ich möchte sie nicht weiter damit behelligen. Herr Zero, lassen sie bitte diesen Verbrecher nicht aus den Augen.“, erklärte der Raucher. Er zog eine weitere kleine Zigarre aus seiner Jackentasche hervor.

„Das wird kein Problem sein.“, erklärte der ältere Mann und der Polizist ergriff sich sein Kollegen.

Beide verschwanden um das nächste Eck, während sich der rothaarige Daniel widmete.

Mit einem sehr eindringlichen und bedrohlichen Blick fixierte der rothaarige den Jungen weiter, sodass dieser immer noch nicht fähig war aufzustehen und zu fliehen.

„Verdammt........, jetzt stecke ich doch wieder in der Klemme!“


 

„Du bist Mitglied einer Gilde?“, fragte der ältere Mann.

Daniel nickte nervös.

„Ranger Guild.“, erwähnte der Junge mit einer kurzen Verzögerung.

„Noch nie gehört.“, murmelte der ältere Mann. Es klang leicht abfällig.

„Warum bist du hier?“, fragte er anschließend.

Daniel erinnerte sich an die Worte des Polizisten:

„Ich bin auf der Suche nach ihnen, Herr Zero. Ich bin auf der Suche nach dem Magier, der die Fähigkeit besitzt............“, der ältere Mann wandte sich sofort ab und er hob seine rechte Hand:

„Hast du noch etwas mit ihm zu besprechen, Sohn?“

Der rothaarige starrte Daniel an und der Junge verstummte.

„Ja!“, brummte der Hüne.

„Er hat mein Shirt beschmutzt, deswegen möchte ich den Knirps aufmischen!“

Der ältere Mann lachte kurz, daraufhin nahm er wieder sein unzufriedenen Gesichtsausdruck ein.

„Er ist doch keine Bedrohung? Das wird doch eher nur ein trauriges Schlachtfest für dich und außerdem........., was soll dir das denn schon bringen? Dieser Trottel wandert doch sowieso in den Knast.“, erklärte der Magier.

„Ist mir egal!“, brummte der rothaarige wütend.

„Er hat mich wütend gemacht!“

Der rothaarige rieb seine rechte Faust gegen seine linke Handfläche:

„Und deswegen soll der Knirps dafür leiden!“, brummte der große junge Mann.

Der rothaarige wollte anschließend nach Daniel greifen, da unterbrach ihn etwas.

Der Hüne richtete sich auf und er starrte nach links.

Dort stand jemand.

Für Daniel war es ein altbekanntes Gesicht.

Es war Illan.


 

„Das erste Mal, dass ich froh bin ihn zu sehen.“, dachte Daniel erleichtert.

„Wer bist du?“, brummte der Hüne.

„Dein Gegner, wenn du den Jungen nicht in Ruhe lässt.“, konterte Illan mit ernster Miene, dabei betonte er nicht einmal seine Drohung, jedoch klang sie auch schon allein sehr überzeugend, jedenfalls für Daniel.

Der Vampir war wieder einmal aus dem Nichts aufgetaucht.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet, wer bist du?!“, betonte der Hüne und er ballte seine rechte Hand wieder zu einer Faust.

„Ein Gildenmitglied, Sohn. Hast du deinen Scharfsinn verloren? Sehe dir das Gildenarmband an.“, erklärte der Magier.

„Aber eigentlich ist mir das Ganze auch egal..........., ich werde nun wieder gehen. Ich habe kein Interesse an Schlägereien. Ich bin solcher sinnlosen Gewalt überdrüssig.“, erklärte der Vater des Hünen und er wollte anschließend aus der Gasse verschwinden.

Ein Schritt nachdem der ältere Mann aus der Gasse kam, wurde dieser auch zugleich von jemand gepackt und mit einer entsicherten Knarre gegen seinen Kopf bedroht.

Es war der Polizist im mittleren Alter, der wohl hinter der Ecke wohl gewartet hatte.

Der rothaarige Hüne drehte sich um und mit finsteren Blicken bestrafte er den Polizist.

„Den Jungen, rückt ihr sofort heraus! Ich will nur den Jungen!“

„Was für eine dumme Aktion?“, brummte der ältere Mann unbeeindruckt, auch wenn er sich wehrlos im Griff des Polizisten befand.

„Der alte Zero und sein brachialer Sohn. Glaubt ihr eigentlich, dass euch jemand überhaupt leiden kann? Glaubt ihr wirklich, dass jemand es schade finden würde, wenn ihr versehentlich verstorben seid? Eure herablassende Art hat mich sowieso die ganze Zeit schon gestört.“, erklärte der Erpresser.

Der junge Mann mit den schwarzen Haaren war wohl wieder bei Bewusstsein.

Halb benommen stand er neben dem Polizisten.

Er versuchte ernsthaft auszusehen, aber allein schon der Anblick reichte aus, um zu sagen, dass dieser kein Angriff mehr standhalten konnte.

„Ihr wollt den Jungen? Hättet ihr einfach nicht warten können, bis wir ihn euch überreichen? Ganz egal wie schuldig er ist, aber das hier war das dümmste, was ihr tun konntet.“, erklärte der Magier, jedoch wirkte der alte Mann nicht so, als hätte er etwas vor.

Der Mann schien nur zu provozieren.

„Sei ruhig!“, drohte der Polizist.

Seine Stimme klang sehr betont und sehr eindringlich.

„Ich kann das hier alles wie eine Schießerei aussehen lassen und den Jungen als Mörder einbuchten oder erschießen lassen.“, drohte der Schütze.

Der alte Mann schüttelte seinen Kopf:

„Unsinnig. Selbst wenn man mich erschießt, mein Sohn kann nicht einmal ein ganzes Magazin kleinbekommen.“, erklärte der Magier unbeeindruckt.

„Ihr würdet für den Rest eures Leben von den magischen Scharfrichtern verfolgt werden. Ihr vergesst, dass ich ein Mitglied der alten Rose bin. Ich unterstehe dem Schutz des Rates der Weisen. Wird mir ein Haar gekrümmt, dann kommen...................“, der alte Mann wurde unterbrochen, indem der Polizist ihm die Pistole gegen den Kopf drückte und dabei brummte:

„Noch ein Wort!“

Der ältere Magier schwieg zwar, dennoch konnte dieser wohl sein selbstsicheren Grinsen nicht vermeiden. Er fing an unverständlichen Zeugs zu murmeln.

Der rothaarige setzte zu einen zügigen Frontangriff an, dabei ließ er seine rechte Faust nach vorne schnellen.

Der angeschlagene schwarzhaarige junge Mann neben dem Polizisten schien wieder in einem Zustand zu sein, der ihm ermöglichte schnell zu reagieren. Er zog eine Granate unter seiner Jacke hervor.

„Was eine Granate?! Der will doch nicht hier im Wohnviertel eine Granate werfen?“, dachte Daniel verständnislos.

Es würde doch auch für die beiden schlecht enden.

Abgesehen vom Explosionsradius, würde anschließend die Polizei informiert werden. Zumindest von den erschrockenen Bewohnern.

Daniel fiel plötzlich etwas auf.

„Das ist vermutlich der Plan der beiden!“

„Los! Verschwinden wir von hier.“, befahl der Vampir. Anscheinend schien dieser ebenfalls etwas gemerkt zu haben.

„Jedoch.........“, stoppte der Junge plötzlich.

Daniel zeigte auf den alten Mann:

„Das ist unser gesuchter Magier.“, erklärte der Junge.

„Ich weiß!“, brummte Illan.

Bevor Daniel jedoch ein weiteres Wort zu ihm sagen konnte, war Illan spurlos verschwunden.

Der Vampir tauchte wenig später direkt vor dem Hünen auf, der sich die Hände vor das Gesicht hielt und zurückweichen wollte. Illan fing die Granate ab und warf sie blitzschnell senkrecht nach oben.

Wenige Sekunden später explodierte diese und setzte die ganze Gegend in Aufruhr.

Der Knall war so laut, dass es ganze Reihen von Tauben von den Dächern jagte.

„Was? Wie? Das war schnell!“, gab der junge Mann erstaunt von sich. Er hatte wohl nicht damit gerechnet.

Zeitgleich war ein großes Ungeheuer hinter dem Polizist aufgetaucht.

Daniel hatte nicht gesehen woher es kam.

Er schnappte sich die Pistole und riss dem Erpresser das Ding so schnell aus der Hand, dass das Brechen von Knochen zu hören war.

Schreiend warf sich der Polizist zu Boden.

Daniel musste erst zweimal hinsehen, bis er erkannte was dort stand.

Es war ein Golem, geformt aus braunen Lehmboden.

Das Ding war drei Meter groß und es besaß eine so beängstigende grimmige Grimasse, sodass man nicht wirklich meinen konnte, ob das Ungeheuer wirklich friedfertig war.

Der alte Mann richtete sich auf und er stellte sich über den verletzten Schützen.

Er ließ sich vom Golem die Waffe überreichen.

„Eigentlich sollte ich dich dafür erschießen und zwar sofort, aber es existieren nun einmal Gesetze in diesem Land.“, der alte Mann entleerte die Pistole und hob die Waffe wieder dem Golem entgegen, dieser schmetterte die Pistole zu Boden und zerstörte diese dadurch.

„Was..................“, brummte der Polizist. Mit einem Schmerz verzehrten Gesichtsausdruck setzte sich der Mann mühevoll auf.

„Glaubst du meine Worte waren nur ein blödes Gerede? Höre das nächste Mal genauer zu. Ich bin ein Magier des Wortes.“, erklärte der alte Mann in sehr arroganten Zügen.

„Woaaahhhh!“, rief der schwarzhaarige junge Mann. Er wollte weglaufen, aber der junge Mann kam nicht weit, denn der rothaarige ließ seine rechte Faust blau aufleuchten und mit dem nächsten Schwingen eine Art Druckwelle auf das Ziel los.

Auch wenn der Fliehende schon einige Meter weit weg war, wurde er von der Druckwelle umgehauen, als hätte man ihn direkt getroffen.

Der Getroffene blieb anschließend regungslos auf dem Boden liegen.


 

Die Situation war damit aber nicht geglättet, denn schon drehte sich der rothaarige um und eilte in großen Schritten auf Daniel zu:

„Dich mache ich aber noch fertig!“

„Was wieso? Ich...........“, wollte sich der Junge raus reden, da stellte sich Illan dem Hünen in Weg.

„Meine Drohung steht noch.“, gab er bekannt.

"Klar, ich bin nicht schwerhörig.", erklärte der muskulöse junge Mann.

Der Hüne holte sofort aus und er wollte Illan einen Hieb direkt in sein Gesicht verpassen, aber der Vampir wich noch rechtzeitig zur Seite, dabei rutschte er ein Schritt nach vorn, um mit einem anschließenden Sprung auf Kopfhöhe zu gelangen.

Bevor der Hüne ihn versuchte in der Luft zu ergreifen griff der Vampir nach einem höhergelegenen Fenstersims und zog sich mit der neuen Stütze noch weiter nach oben.

Der neue Schwung hob den Vampir noch weiter in die Luft und katapultierte ihn einen weiteren Meter nach oben, jedoch nutzte Illan diesen Schwung auch für einen Salto, dabei ließ er seinen linken Fuß ausgestreckt.

„Illan beherrscht so etwas? Er sieht aus wie bei Noju. Ich wusste gar nicht, dass..........“, meinte Daniel erstaunt.

Überrascht folgte er den Bewegungen des Vampirs.

Sein rothaariger Kontrahent versuchte ihn erneut zu greifen, aber Illan war schon am höchsten Punkt der Flugkurve, mit einem ausgestreckten Fuß senkrecht in der Luft und mit dem Rücken in Richtung Boden gerichtet, angelangt, sodass er mit dem restlichen Schwung seinen Fuß auf den Hünen hinabsausen lassen konnte.

Eine rote Schicht überzog den ganzen Körper des muskulösen jungen Mannes und der Fußtritt prallte an der Schulter des Hünen ab, als wäre er aus Metall.

Illan sprang dadurch nach hinten, um aus seiner Reichweite zu gelangen.

Der Hüne grinste plötzlich:

„Tja............“, in diesem Moment als er das sagte, sprintete er schon unmenschlich schnell nach vorne. Zwei weiße Siegel waren unter seinen Füßen erschienen. Diese beschleunigten den Großen wohl.

Der Ganzkörperangriff schmetterte Illan aus der Gasse und gegen ein Fahrzeug, welches genau in diesem Moment unglücklicherweise die Straße entlangfuhr.

Zu allem Übel war dies ein Polizeifahrzeug gewesen.

Der Vampir wurde durch den Aufprall in die Fensterscheibe meterweit über die Straße geschleudert.

„Ach du scheiß!“, gab Daniel entsetzt von sich.


 

Die Polizisten stiegen sofort aus.

Das Polizeiauto hatte nun eine stark beschädigte Frontscheibe.

Einer der beiden Männer eilte zu Illan, der blutüberströmt aufstand und davoneilte.

„Halt stehengeblieben!“, rief der Polizist. Er wollte seine Waffe ziehen, aber Illan war nicht mehr zu sehen.

Der andere Polizist war zur Gasse gerannt.

Nervös griff dieser nach seiner Waffe und er wollte diese wohl anschließend auf die Anwesenden richten.

Er sah wohl sein Kollege auf dem Boden lag.

„Los! Diese Verbrecher sind gesuchte Leute! Sie vergreifen sich auch an Frauen, Kinder und Polizisten.“, gab der verletzte Polizist von sich, während er sich seine rechte Hand hielt.

Mit einem Griff zu seinem Funkgerät wollte sein Kollege von der Polizei wohl Verstärkung rufen, da rief der alte Mann schon irgendwelche unverständlichen Sprüchen und alle anwesenden Polizisten flogen ohnmächtig zu Boden.

Selbst der Polizist, der Illan suchte, rührte sich nicht mehr.

„Mächtig! Einfach nur durch Worte. Was für eine unheimliche Macht.“

„Was hast du jetzt wieder getan, Sohn? Du hast nun wieder für Ärger gesorgt. Was kannst du eigentlich? Darf ich jetzt schon wieder alles ausbügeln? Die Polizei wird uns schon wieder Ärger machen. Ich muss jetzt schon wieder umziehen.“, beschwerte sich der Vater.

Sein Sohn antwortete nicht darauf. Er behielt weiter seinen grimmigen Blick bei.

In diesem Moment sprang Illan von den Dächern her in die Gasse.

Blutüberströmt starrte er den Hünen mit blutroten Pupillen an.

"Oh.............. du bist wohl nicht nur ein einfacher Mensch?", meinte der alte Magier interessiert.

Sein rothaariger Sohn wollte wieder auf den Vampir losgehen, da stoppte sein Vater ihn nur mit einer einfach Handbewegung.

„Ich hatte es mir schon gedacht, aber ein Vampir bekommt man nur selten zu Gesicht. Bisher konnte ich mich nur mit einem einzigen unterhalten. Ein weiser Mann. Er sagte, dass er von Ranger Island kam bzw. fliehen musste und wenn ich mich recht entsinne liegt heute doch die Ranger Guild dort? Früher auch Gold Guild genannt?“

„Dann kennt er die Gilde also doch? Der alte Mann hat mich vorher belogen!“

„Du redest von Klar Wake?“, fragte Illan, es klang aber eher wie eine Feststellung.

Seine bedrohliche Aura nahm ab und der Vampir nahm wieder eine normale Haltung ein.

In der Ferne waren schon die ersten Schaulustigen aufgetaucht.

Sie hatten sich wohl erst jetzt aus den Häusern getraut.

Auch waren weitere Sirenen zu hören.

Durch die besiegten Polizisten zeigten die Bewohner jedoch eine große Angst, sodass sie in einer größeren Entfernung blieben.

Der ältere Magier schaute sich um.

Als dieser damit fertig war, flüsterte er lautstark dem Vampir etwas zu, aber so laut, dass Daniel es noch hören konnte.

„Weckertaustraße 44, dort klingele unter einen unbekannten Namen.“, der ältere Mann wandte sich von den beiden ab.

Er sah kurz zu seinem Sohn, dann wieder zu Illan:

„Es scheint doch heute noch interessant zu werden.“, im nächsten Moment hüllten sich Vater und Sohn in eine schwarze Schicht ein und daraufhin waren sie nicht mehr zu sehen, aber man hörte noch Schritte.

Eine kurze Zeit später löste sich auch der Golem zu Staub auf.

Sie liefen wohl gerade weg, aber die beiden waren für das menschliche Auge unsichtbar.

„Kannst du Rick und die anderen anrufen? Anscheinend können wir wohl Tina schneller finden als gedacht.“, erklärte Illan. Er klang aber nicht so erfreut, wie Daniel in diesem Moment, als der Junge das von Illan gerade gehört hatte.

Der Vampir schaute sich ebenfalls kurz um. Die Polizeiwägen in der Ferne kamen näher.

„Du bleibst hier. Sag einfach, dass du hier mit reingezogen wurdest. Wenn du deinen anrufen machen darfst, ruf Linda an und lass die Polizisten mit Rossya reden. Ich werde solange.................“,

wollte Illan erklären.

„Als ob ich hier bleibe!“, unterbrach Daniel. Er klang panisch.

„Die buchten mich sofort ein! Ich habe doch das rote Messer bei mir. Ich will nicht, dass sie mir das abnehmen.“, erklärte der Junge.

„Stimmt......., das ist ein Einwand.“, gab Illan zu. Er schien anschließend zu überlegen.

Ein Fenster über Daniel öffnete sich und eine ältere Dame schaute hinaus.

Sie wirkte aber nicht verängstigt, sondern eher gereizt.

„Was ist das für ein Lärm hier draußen? Ich will schlafen verflucht! Schon seit mehreren Minuten macht ihr so ein Lärm hier draußen.“

Verwundert schaute Daniel die ältere Dame an, die nun den Jungen überrascht anschaute.

„Gehen sie zurück! Hier werden sie nichts interessantes sehen!“, drohte Illan.

Die ältere Dame schaute den Vampir erstaunt an, aber bevor die Dame wohl etwas erwidern konnte, blickte Illan sie mit einem sehr bedrohlichen Gesichtsausdruck an. Die alte Dame wich panisch zurück. Sie schrie jedoch nicht.

Man hörte nur, wie sie nach hinten stolperte.

„Flieh durch das Haus! Ich lenke die Polizisten solange ab!“, erklärte der Vampir.

Er hangelte sich die Fenstersims nach oben, um auf das Dach zu gelangen.

„Ich soll durch ein fremdes Haus....................“, wollte Daniel erwidern, da hörte er die Polizeifahrzeuge, wie diese sich immer weiter näherten.

Sofort hielt sich der Junge am Fensterrahmen fest und er hangelte sich hinein.

Die ältere Dame war noch vollkommen panisch, sodass sie kein klares Wort zustande brachte.

Daniel rannte einfach weiter. Nur nach Gefühl eilte er durch die alt wirkende Wohnung.

Er erreichte schnell die Wohnungstür, die in einen langen Gang führte.

„Perfekt. Der Gang ist lang genug, um so außer Reichweite der Gasse zu kommen.“, dachte Daniel erleichtert.

Der Junge eilte durch den langen Gang, bis er die Haustüre erkennen konnte.

Neben der Türe hing ein gelber Regenmantel.

Und wie das Schicksal so wollte, befand sich auch eine Karte der Stadt neben der Tür an der Wand befestigt.

„Der Mantel zur Tarnung und die Karte für den Weg..................“, überlegte der Junge.

„Auch wenn ich kein Dieb sein will........................, ich bringe die Sachen zurück.“, Daniel schnappte sich den Mantel und er eilte nach draußen.

Der Junge war schon ein ganzes Stück weg von der Gasse.

Er sah von der Ferne, wie die Polizisten zum Teil in die Gasse stürmten.

Man konnte auch aus der Ferne Illan sehen, wie er über die Dächer entkam.

Daniel nutzte diese Ablenkung um unerkannt zu entkommen.

So vergingen einige Minuten und der Junge konnte unentdeckt zur genannten Adresse eilen, die er in der Hektik nicht vergessen hatte und dank der gefundenen Karte ohne Umwege erreichte.


 

„Verdammt, war das krass! Ich dachte heute wirklich, dass ich nicht heil davonkomme.“, dachte Daniel immer noch aufgeregt, aber auch erleichtert, dass er aus der Sache heil gekommen war.

Der Junge starrte die hölzerne Haustüre vor sich an.

Der alte Mann sagte, dass man unter einen unbekannten Namen klingen soll, aber was war damit gemeint?

Daniel starrte die vielen Klingeln an, dann entdeckte er ein leeres Feld.

„Ein leeres Feld? Leer? Nicht bewohnt. Unbekannt!“

Es war sich mit seinem Entschluss sicher, also drückte er auf den Knopf.

Man hörte zunächst nichts und nervös stand der Junge immer noch vor der Türe.

Inzwischen versank die Stadt langsam in der Dunkelheit. Es war wohl schon später Abend.

Gerade als Daniel die Hoffnung aufgeben wollte, öffnete sich die Türe einen kleinen Spalt.

Dennoch wirkte der Ort dadurch nicht viel ungefährlicher und sicherer, denn hinter der Türe befand sich zunächst niemand.

Vorsichtig schaute der Junge in den dunklen Gang hinein.

„Ah! Noch ein Besucher!“, rief plötzlich eine weibliche Stimme von einer Seite des dunklen Ganges.

Sie schaute anschließend von einem Nebenraum aus durch eine Wohnungstür zu Daniel, der immer noch draußen stand und beinahe ein Herzinfarkt erlitten hätten, jedenfalls fühlte er sich in diesem Moment so.

Das Mädchen hatte ihn extrem erschreckt, aber nun folgte die Erleichterung, denn er war wohl doch bei der richtigen Adresse.

Das Mädchen, vielleicht ein paar Jahre älter wie Daniel, stellte sich vor ihm auf und verbeugte sich.

„Willkommen im Haus Zero. Der Herr hat sie schon erwartet. Bitte stellen sie ihr Schuhwerk hier vorne ab. Jacken werden an der Garderobe aufgehängt. Ich versichere ihnen, dass ihren Sachen nichts geschehen wird. Man erwartet sie übrigens schon im Versammlungsraum.“

Sie trug zwar keine typische Hausmädchenuniform, dennoch war nicht schwer zu erkennen, dass sie wohl eine Haushälterin war.


 

Daniel folgte dem kurzen Gang in ein größeres Zimmer.

Währenddessen musste der Junge nachdenken. Es beschäftigte ihn noch etwas.

An der Tür waren nämlich noch einige Klingelschilder mit vielen Namen zu sehen, aber es war tatsächlich nur eine Wohnung zu sehen.

Vermutlich waren die anderen Namen zum Schutz.

Vielleicht würde einfach niemand öffnen, wenn jemand die anderen Klingeln drückte?

Hatte das etwas mit dem ständigen Umziehen zu tun?

Der Junge entdeckte Illan, als er das Zimmer betrat. Illan stand nicht unweit von der Wohnungstüre entfernt. Schweigend starrte dieser den alten Mann an, der auf einem älteren roten Sessel saß und gerade wohl einen Tee genoss.

Sein Sohn, der grimmige rothaarige Hüne, stand etwas entfernt. Er hatte seine muskulösen Arme ineinander verschränkt.

Immer noch behielt dieser seinen bösen Blick bei.

Entweder war dieser noch sauer oder der rothaarige traute einfach niemanden.

„Das ist wirklich interessant. Ich hätte nie gedacht, dass sich das wirklich auf Ranger Island abgespielt hatte.“, der alte Mann trank aus seiner Tasse, bevor er seinen Satz vollendete.

Er nahm sich dabei besonders viel Zeit.

„Nun........., zumindest könnte Klar Wake wieder zurückkommen, aber ich weiß nicht wo er im Moment ist. Ich hatte nur ein paar nette Konversationen mit jemand, der wirklich viel Ahnung hatte. Ich konnte viel über Vampire lernen.“, der alte Mann stellte daraufhin seine Tasse ab.

Er setzte sich auf und der Magier legte beide Hände aneinander:

„Also..........., ich bin zum Entschluss entkommen, dass ich euch bei einer Sachen helfen werde.“

Daniel horchte neugierig auf.

„Ich werde genau eine Person für euch aufspüren. Ich brauche dafür nur etwas, was dieser Person gehört hat.“

Der Junge griff sofort in seine Tasche und er hob das Gildenarmband von Tina hervor.

„Schicksal, ich danke dir. Du hast mich heute schon mehrmals gerettet. Hoffentlich hält mein Glück noch ein wenig an?“

„Das hier gehört der Person, die verschwunden ist. Wir müssen wirklich dringend wissen wo sie ist. Es ist schon ein paar Tage her.“, Daniel überreichte dem älteren Magier das Gildenarmband.

„Das sollte gehen.“, meinte der ältere Magier.

„Ich muss nur ein paar Vorbereitungen treffen. Das dauert ein paar Minuten.“, erklärte der ältere Mann anschließend.


 

Während der Magier einen weißen Kreis aus unbekannten Materialien zog und sich in der Mitte setzte, fragte Illan Daniel:

„Hast du eigentlich schon die anderen informiert?“

Der Junge sah den Vampir erstaunt an.

„Ah je..........., das hätte ich ganz vergessen. Ich sollte............“, jedoch wurde er von dem alten Mann unterbrochen:

„Ruhe! Und keine Telefonate, ansonsten könnt ihr gleich wieder gehen. Ich brauche Konzentration und Stille.“, die Stimme des älteren Magiers wurde ernster.

Er fing anschließend an etwas unverständliches zu murmeln und aus dem braunen Gildenarmband wurde ein blaues Licht abgesondert.

Der Mann nahm das Licht zuerst mit seiner linken Hand entgegen.

Er schloss daraufhin die Augen und anschließend streckte er seine linke Hand senkrecht in die Luft.

Das blaue Licht schoss durch die Decke, ohne Schaden zu hinterlassen.

Nach wenigen Minuten der beklemmenden Stille, kehrte es zurück und das blaue Licht flog zuerst wieder in seine Hand.

Der ältere Mann öffnete wieder seine Augen, während er das blaue Licht wieder in das braune Gildenarmband zurückfliegen ließ.

Der Magier gab daraufhin Daniel das Armband zurück, dabei erwähnte er:

"Ich habe euer Mädchen gefunden, aber............“, begann der alte Mann mit ernster Miene:

„Ich habe somit eine gute und eine schlechte Nachricht für euch. Welche möchtet ihr zuerst hören?",

Daniel war zwar erstaunt, das es so schnell gegangen war, jedoch gefielen ihm diese Worte ganz und gar nicht. Sie klangen sehr unheilvoll.

Jedoch versuchte der Junge das Ganze positiv zu sehen.

Daniel war froh, dass sie nun wenigstens überhaupt eine Spur hatten.

Aber was war nun die schlechte Nachricht?

War irgendetwas mit Tina passiert? Daniel ahnte nichts Gutes.

"Die Schlechte zuerst.", warf Illan ein.

Der ältere Mann stand langsam auf.

Im Anschluss schwieg er einen kurzen Moment.

Die Anspannung machte Daniel fast wahnsinnig.

„Also gut.“, fing der Mann eine kurze Zeit später an.

„Es geht nämlich um die Verfassung euer gesuchten Person. Es wirkt so, als würde diese Person mit jeder Minute schwächer werden. Als würde sie bald am Ende ihrer Kräfte sein. Ich spüre, dass dieser Person nicht mehr viel Zeit bleibt.“, fügte der ältere Magier hinzu.

„Was? Heißt das etwa.............“, meinte Daniel schockiert.

„Das sie bald sterben wird.“, beendete Illan den Satz.

Für einen Moment fühlte sich Daniel wie erstarrt.

„Und die Gute?“, fügte der Vampir sofort hinzu.

Er schien sich gar nicht so groß um die schlechte Nachricht zu kümmern.

„Sie befindet sich nicht unweit im Osten. Euer gesuchtes Mädchen hält sich schon seit einem gewissen Zeitraum in Markezei auf. Ich kann zwar keine Straße nennen, aber Markezei ist nicht besonders groß.“

„Was ist der schnellste Weg nach Markezei?“, fragte Illan darauf ohne zu zögern. Er klang dabei ein wenig unhöflich, aber der ältere Mann ließ dies wohl durchgehen.

„Mit dem Zug, welcher durch die Großstadt Lorram führt und direkt nach Markezei fährt. Die Fahrt dauert somit fast nur 6 Stunden.“, erklärte der ältere Magier.

„Und wie lange haben wir noch Zeit.“, hakte der Vampir nach.

„Nach meiner Schätzung, wenn ihr Zustand weiterhin in dieser Geschwindigkeit schwächer wird......................, ungefähr ein wenig mehr als 6 Stunden.“

Daraufhin folgte ein Moment der Stille.

Daniel hoffte das dies nur ein bitterer Scherz war, jedoch blieb dieser Wunsch aus, denn der ältere Mann versicherte, dass dies ernsthaft gemeint war.

Verschwunden XV --- Schuldgefühle

[Rick]
 

Verschlossen, abgeriegelt und kein Zutritt.

Das waren meistens die drei Dinge, die Rick schnell im Westteil von Zellerstein lernen musste.

Viele Amtshäuser befanden sich dort, sowie das größte Postamt, welches Rick jemals gesehen hatte.

Jeder dieser Ämter und das Rathaus besaßen jeweils einen gigantischen abgesperrten Bereich, der Fragen aufwerfen ließ, warum diese Bereiche eigentlich so groß waren?

Man könnte meinen, dass sich hinter jedem Amt noch eine Fabrik verbirgt, von der die Öffentlichkeit nichts wissen durfte.

Vereinzelt liefen Männer in blauen Klamotten durch die Kontrollen. Sie saßen aus wie Fabrikarbeiter.

Durch die verringerte Fläche, die Rick und Alina nur absuchen konnten, waren sie innerhalb eines Tages schon grob fertig.

Sie waren im Polizeirevier, im Rathaus, bei der Post und sogar in den Schulen gewesen, aber nirgendwo hatte man was von einem Mädchen noch von einem Magier etwas gehört.

Zumindest kaufte dies Rick der Schule ab. Vielleicht noch dem Rathaus oder im unglaubwürdigsten Fall der Polizei, aber der Post?

Immerhin musste diese doch den Magier beliefern oder lebte er in dieser verdammten Stadt geheim?

Wieso wussten Bewohner außerhalb der Stadt mehr Bescheid über den Magier, als die eigenen Bewohner?


 

„Ich glaube er scheint hier nicht so beliebt zu sein, deswegen tun die hochnäsigen Beamten so, als würden sie den Magier nicht kennen.“, meinte Alina.

Sie lehnte sich an eine Ziegelsteinwand einer Schule.

„Das ist doch zum verrückt werden. Wir müssen den Magier unbedingt finden.“, gab Rick von sich.

„Hast du eigentlich schon mal daran gedacht, dass der Typ in Astera einfach keine Ahnung hatte? Also das sein Meister hier gar nicht mehr wohnt?“, fragte seine Freundin.

Sie verschränkte ihre Arme.

„Das wäre der schlechteste Fall. Ich hoffe lieber gar nicht erst, dass du Recht hast.“, brummte Rick.

Alina schwieg mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck.

„Hey ihr Gören!“, brummte plötzlich eine etwas ältere männliche Stimme.

Rick und Alina schauten den Weg entlang.

Ein älterer Mann, der stark einem Lehrer ähnelte, mit seinem braunen Anzug und seiner schwarzen Fliege, sowie mit der abgebügelten grauen Frisur.

Er stand vor drei kleineren Kindern und einem Jugendlichen, der vielleicht in Ricks Alter sein könnte.

„Das werde ich der Polizei melden. Eigentum der Schule zu beschmutzen ist eine Straftat!“, wurde der Mann lauter.

Die drei kleineren Mädchen, die neben dem Jugendlichen standen, fingen an zu weinen.

Rick schätzte sie vielleicht auf acht oder zehn.

Alle vier Kinder sahen so aus, als hätten sie kein gutes Leben. Zerrissene Klamotten und ein verdrecktes Gesicht.

Zufällig fing die Aufmerksamkeit des Jungen etwas anders in der Nähe. Rick entdeckte eine große Tafel auf der Straße gegenüber, die parallel zur Schule verlief:

„Waisenheim Zellerstein.“

„Ich verstehe. Diese Kinder sind vermutlich Waisenkinder.“

„Wir haben nichts getan, Herr Direktor. Wir sind nur neugierig geworden, als wir diese Jugendlichen gesehen haben, die diese Wand mit schwarzer Farbe verschmiert haben.“, erklärte ein rothaariger Junge, der dem älteren Mann direkt gegenüberstand.

Stotternd und leicht eingeschüchtert stand er in einer halb gebückten Haltung da. Er rieb sich an seinen linken Arm.

Ein roter Ausschlag war zu sehen.

„Lüge! Für die Schmiererei werdet ihr alle vier aufkommen müssen! Ich dulde so etwas nicht an meiner Schule!“

Der ältere Mann wollte den ältesten von der Gruppe am Ohr packen, da eilte Rick zu dem Mann her.

„Hey Rick! Was machst du da? Wir sollten doch..........“, wollte Alina erwidern, aber da brummte der Junge den älteren Mann schon hinten an:

„Herr Direktor.........“, begann Rick.

Er ging davon aus, dass dies der Direktor war, weil der rothaarige Waisenjunge ihn so genannt hatte.

„...........die Kinder haben doch schon gesagt, dass sie unschuldig sind.“

„Mischen sie sich nicht ein........................, warte mal............, ihr seid jung. Müsstest ihr eigentlich nicht in der Schule sein? Ich muss eure Eltern sprechen! Kinder in eurem Alter gehören in die Schule!“, wurde der Mann lauter.

„Sie kennen uns nicht. Linda unterrichtet mich. Sie ist eine gute Lehrerin. Ich muss nicht in eine langweilige Schule gehen. Aber was soll ich bloß nur sagen.............?“, brummte Rick in seinen Gedanken.

„Wir bekommen Privatunterricht, Herr Direktor.“, verteidigte sich Alina.

„So?“, meinte der ältere Mann. Mit hochnäsiger Miene schaute er auf die beiden herab.

„Und was gibt euch dann das Recht sich hier einzumischen?“, fragte der Mann in einem harschen Ton.

„Dass ich Unrecht nicht ausstehen kann.“, erklärte Rick.

Eigentlich war das so gelogen, denn im Grunde hatte er so etwas noch nie getan, aber die weinerlichen Gesichter hatten ihm starke Schuldgefühle verliehen, auch weil er für einen Moment lang an Tina gedacht hatte.

„Oh ho, sehr nobel.“, meinte der ältere Mann geringschätzig.

„Aber diese Gören haben schwarze Finger und diese Schmierereien an meiner schönen Schulwand sind ebenfalls schwarz. Es ist dieselbe Farbe, also ist es doch völlig klar, dass sie schuld haben.“, erklärte der Direktor uneinsichtig.

Rick sah sich die Wand an.

Es waren tatsächlich Schmierereien. Totenköpfe, tote Strichmännchen, Galgen und Waffen.

Es war vermutlich jemand mit einem großen Hass.

Jedoch hatte Rick schon gesehen, was die Unschuld der Waisen rechtfertigen könnte.

„Herr Direkter. Ich zweifle nicht daran, dass dies Schmierereien sind, aber schauen sie doch die Höhe an. Es sind mindestens ein bis zwei Meter Höhe. Diese jungen Waisenkinder gehen selbst mir gerade bis zur Hüfte oder allerhöchsten zur Brust. Der größte von ihnen hat übrigens saubere Finger.“, erklärte Rick,

Der ältere Mann drehte sich um. Zuerst schaute sich der Direktor die Schmierereien an und dann die Kinder.

„Das ist wahr. Aber wieso sind die Finger von den Kleinen schwarz?“, der Mann klang jedoch ruhiger.

„Weil sie neugierig sind.“, erklärte der größte von der Waisengruppe.

Einer der Mädchen klammerte sich an seine Hüfte. Sie schien Angst zu haben.

„Also bitte, Herr Direktor. Wir würden niemals so etwas tun. Vor allem die kleinen nicht. Wenn sie die Mädchen bestrafen wollen, weil sie die frische schwarze Farbe an der Wand berührt haben, dann bestrafen sie stattdessen eher mich.“

„Warte mal. Ich habe nicht gesagt, dass ich euch bestrafe, weil ihr in die nasse Farbe gefasst habt. Ich dachte zuerst nur, dass ihr die Übeltäter seid, aber der fremde Junge hat Recht. Ihr wärt von der Größe nicht in der Lage diese Schmierereien hinzubekommen und vor allem nicht in diesem Zeitraum. Also lasse ich euch in Ruhe.“, bevor der Direktor sich abwandte, fügte er hinzu:

„Solltet ihr nächstes Mal die wahren Übeltäter sehen, kommt ihr direkt zu mir.“, daraufhin ging er zu den Stufen und anschließend durch die große breite hölzerne Tür in das Schulgebäude.


 

„Ich danke euch, Fremde. Ihr habt euch für uns eingesetzt, aber wir können euch gar nichts dafür geben.“, erklärte der älteste der Waisengruppe.

Der Junge ging Rick knapp zu den Schultern.

Er hatte langes knallrotes Haar, welches ihm bis zur Brust reichte und hellgrüne Pupillen.

Der Junge sah allgemein ein wenig schmutzig aus, zudem wies er viele Wunden auf und auch

blauen Flecken am Körper, abgesehen vom roten Ausschlag.

„Nicht nötig. Ich mag es nur nicht, wenn die Erwachsenen schon wieder auf Jüngere herumtrampeln, weil sie angeblich alles besser wissen.“, erklärte Rick.

„Ähm......., es ist zwar schön, wenn du so hilfsbereit bist, aber wir haben noch etwas zu tun.“, meinte Alina.

„Ist schon gut.“, meinte Rick und er sah seiner Freundin tief in die Augen:

„Wir suchen gleich weiter. Ich werde sicherlich meine Aufgabe nicht vergessen. Immerhin ist Tina vielleicht in Gefahr.“, schweigend sah er anschließend zu Boden.

„Es tut mir Leid, aber ich möchte euch bitte um ein weiteren Gefallen bitten.“, fragte der Junge.

Rick sah ihn an.

„Rick! Wir haben keine Zeit!“, brummte Alina.

„Ich weiß, aber wenn ich sie ansehe, dann fällt es mir schwer nein zu sagen. Irgendwie habe ich Tina vor den Augen. Ich glaube, dass sie wohl das Gleiche tun würde?“, er sah eine Weile in die inzwischen freudigen und lachenden Gesichter der kleinen Mädchen.

Zum Teil sah er auch Elysa in den Gesichtern widerspiegeln.

„Also gut.“, meinte der Junge anschließend, während seine Freundin ihn fassungslos ansah.

„Ich werde euch noch bei einer Sache helfen, um was geht es?“, fügte Rick hinzu.

„Was?“, meinte Alina erstaunt. Sie schien es wohl immer noch nicht wirklich zu glauben.

Der Rothaarige lachte vom ganzen Herzen.

„Ich bin so dankbar. Ich bin übrigens Kiri. Wie heißt ihr?“, fragte der rothaarige Junge.

„Das ist meine Freundin, Alina und ich bin Rick. Wir sind beide von der Ranger Guild.“, erklärte Rick. Es klang ein wenig stolz mit.

„Was echt?! Von einer echten Gilde?! Das ist total cool! Normalerweise sehen wir hier immer nur die Schüler der Magiergilde, aber die sind alle so arrogant. Waisenkinder ignorieren sie immer alle. Eigentlich mag uns keiner. Selbst das Waisenhaus behandelt uns nicht gut, aber wir kommen damit schon klar. Unser Problem ist etwas anderes. Es gibt da so ein älteren Jungen, der erpresst meine Freunde und lässt sie für sich arbeiten. Schuhe putzen, Boden reinigen........., lauter solche Sachen. Er droht uns Prügel, wenn wir uns wehren oder petzen sollten, aber es hört uns sowieso keiner zu. Die kleinen leiden unter ihm und ich selber bin nicht stark genug gegen diesen Typen anzukommen. Jeder Erwachsener, dem ich das erzählt habe, der schaut mich so an, als hätte ich gelogen, dabei habe ich noch nie gelogen. Könnt ihr uns helfen uns von diesem Typ zu befreien? Wir brauchen wirklich Hilfe. Wir fühlen uns so verloren.“

Einer der kleinen Mädchen schaute Rick mit ihren kugelrunden und weinerlichen Augen an.

Alina schien das zu bemerken und sie brummte sofort:

„Gehen wir zur Polizei und überlassen das denen. Wir müssen den Magier finden und Tina helfen..........“, Rick unterbrach seine Freundin.

Wie verzaubert meinte der Junge völlig konzentriert auf die Waisenkinder:

„Wir können sie nicht im Stich lassen. Wir können nicht zulassen, dass jemand diese unschuldigen Kinder terrorisiert. Wir beiden haben doch selbst unter einem Terror gelitten und seitdem Mr. S weg ist, geht es uns doch besser?“, er sah Alina in die Augen.

„Rick?“, fragte sie darauf verwundert.

Sie schnippte ihm gegen die Stirn.

„Bist du noch da drin? Zwar war Mr. S ein Arsch, aber er hat uns nicht direkt terrorisiert. Wir haben nicht gelitten. Es ist zwar besser, seitdem er weg ist, aber mich stört es eher, dass du gerade so anders bist. Was ist eigentlich los?“

„Das würdest du nicht verstehen.“, brummte Rick. Alina blickte ihn unzufrieden an.

Er wandte sich wieder dem rothaarigen zu.

„Ist es einer oder sind es mehrere?“, fragte Rick.

„Es sind drei Jungs. Sie könnten älter sein als du. Seine zwei Begleiter sind zum Teil wirklich übergewichtig. Der Junge, der uns terrorisiert, der ist kräftig. Ich will natürlich nicht, dass ihr euch extra in Gefahr bringt.“, meinte Kiri.

„Weißt du was!“, wurde Alina lauter. Sie klang beleidigt.

„Wenn du dich unbedingt prügeln willst, dann tu das. Rette deine Ehre, wenn du davon noch übrig hast, aber ich werde mich unserer eigentlichen Aufgabe widmen. Es kann sein, dass ich Tina vielleicht nicht so mag, aber deswegen werde ich sie nicht im Stich lassen. Ich gehe jetzt zur Polizei. Komm aber nachher nicht herbei gekrochen, wenn du nicht dein gewünschtes Ziel erreicht hast. Du wirst sehen, dass ich recht habe. Du solltest das lieber der Polizei überlassen. UND! Von wegen ist verstehe nichts! Du bist der Holzkopf, der nichts kapiert.“, daraufhin ging Alina grummelnd weg.

„Die bekommt sich schon wieder ein. Alina sollte wirklich nicht nur an sich denken. Ein bisschen offener zu sein, würde ihr nicht schaden.“, überlegte Rick.

Er wandte sich schließlich wieder dem rothaarigen Jungen zu.

„Ist das so wirklich in Ordnung?“, fragte Kiri. Er wirkte besorgt.

„Die bekommt sich schon wieder ein. Gerade gilt nur eines und zwar, dass ich euch helfe. Eure Peiniger können ihr blaues Wunder erleben.“, meinte Rick. Kiri musste daraufhin kräftig grinsen.


 

Der Junge führte ihn wieder durch den halben Westteil, dabei verlief er sich zweimal.

Tausendfach entschuldigte sich Kiri.

Jedoch erreichten sie irgendwann einen abgesperrten Bereich, der schon stark auf ein Versteck hindeutete..

Es wirkte wie der Hinterhof einer verlassenden Fabrik, die vor ein paar Jahren stillgelegt wurde.

Die Wände der Fabrik waren voller schwarze Schmierereien und ein übler Geruch legte sich in die Nasen.

Rick ließ sich davon aber nicht beirren. Er kletterte über den zwei Meter hohen Maschendrahtzaun, darauf hangelte er sich an der Wand entlang, bis er um das Eck schauen konnte.

Der restliche Teil des Hinterhofs präsentierte sich.

Um dem Hinterhof war die komplette Fabrik aufgebaut worden.

Ein Lagerfeuer brannte in der Mitte und drei Jungs saßen dort auf Bänken.

Die Jungs tranken Alkohol und sie rauchten.

Ein Pfiff hallte plötzlich durch die Gegend und Rick zuckte.

Er schaute zu Kiri.

Der Junge hat doch gerade gepfiffen, aber wieso?

„Ah......., hast du es endlich geschafft mir eine Beschäftigung aufzutreiben?“, brummte der größte der drei Jungs am Lagerfeuer.

Dieser Jugendlicher stellte seine Flasche ab, bevor er aufstand und sich umdrehte.

Langsam lief er zu Rick, der immer noch um der Ecke stand.

Rick starrte wieder auf Kiri, dieser hatte plötzlich ein Klappmesser gezogen.

„Du wirst gar nicht von diesem Kerl gepeinigt, oder?“, fragte Rick.

Jedoch wusste beide Jungs, dass diese Frage eher rhetorisch war, deswegen grinste Kiri nur. Langsam trat er auf Rick zu und diese wich zurück, dabei lief er beinahe in die Arme des angeblichen Peinigers.

Seine kräftigen Arme wollten der braunhaarigen Jungen packen.

„Hey Suzuya! Das ist so ein flinker für dich.“, brummte der Kerl, der nun direkt vor Rick stand.

Der Typ hatte aber mit keinem vom Lagerfeuer gesprochen, die nicht einmal Blicke würdigten.

Der Kerl hatte mit jemand gesprochen, der nun durch eine geöffnete Stahltüre auf den Hof trat.

Jedoch nicht allein und das zum Entsetzen von Rick.


 

Suzuya hielt Alina im Würgegriff, während er diese kleine Schritte nach vorne zwang.

„Sie wollte zur Polizei gehen.“, brummte Kiri, der ein paar Schritte hinter Rick stand.

„Deswegen hast du dich angeblich verlaufen.“, meinte Rick erstaunt. Er hatte sich schon gewundert, warum sich der rothaarige Junge zweimal verlaufen hatte, als er angeblich diesen Hinterhof suchte.

Rick schlug sich mit der flachen rechten Hand anschließend gegen die Stirn.

Wie konnte er nur so dumm sein? Wie konnte er diese Falle nicht riechen?

„Du kennst das Spiel? Machst du etwas, was wir dir nicht erlauben, dann muss deine Freundin darunter leiden.“, erklärte Suzuya.

Der dürre Jugendliche, der eher so aussah, als hätte er seit drei Wochen nichts mehr gegessen, musste wohl kräftig genug sein, um Alina festhalten zu können.

Alina könnte sich nämlich selbst aus Lindas Griff befreien. Ihre Fortschritte in den Selbstverteidigungskurse waren sehenswert.

Aber warum tat sie jetzt nicht? Das Mädchen wirkte so, als würde sie absichtlich im Würgegriff bleiben wollen? Und wie konnten sie Alina überhaupt entführen? Was waren das nur für Leute?

„Also erster Tagespunkt. Janos darf sich mit dir prügeln, aber nur, wenn du.....“, damit meinte Suzuya Rick:

„.........deine Fäuste nicht nutzt.“, der braunhaarige Junge sah den Schwarzhaarigen mit den hellblauen Strähnen schweigend an.

Der große Kerl vor Rick setzte sich in Bewegung. Er holte zugleich mit seiner Faust aus und er wollte den Jungen direkt ins Gesicht treffen, aber Rick wich zur Seite aus.

„Warum befreit sich Alina nicht?“, überlegte Rick. Seine Freundin schaute ihm nicht einmal zu.

Wo war denn ihre ständige Besorgnis?

Während Rick weiter überlegte, konnte er mühelos den Angriffen ausweichen.

Die Bewegungen des Schlägers waren langsam.

Sie waren vorhersehbar und somit auch im Endeffekt leicht zum Ausweichen.

Irgendwann setzte Janos dazu noch Ganzkörperangriffe ein, aber er war dan bald aus der Puste.

„Nun gut........., das war vielleicht zu einfach?“, begann Suzuya.

„Kiri! Du darfst mitspielen und du darfst dein Messer benutzen. Solltest du ihn damit erwischen, werde ich es mir tatsächlich überlegen dich als festes Mitglied der Zellerstein Widerstandsgruppe aufzunehmen.“,

der rothaarige Junge bekam plötzlich funkelnde Augen.

Es war nichts mehr von dem lieben Waisenkind, welches besorgt war um seine Freund.

In seinen Pupillen spiegelte sich plötzlich eine gewissen Gier. Eine gewisse Sehnsucht.

Die Hiebe des Jungen waren willkürlich und unüberlegt, aber dennoch waren sie gefährlich.

Rick konnte nicht beiden Angreifern ausweichen.

So bekam er ein Hieb von Janos direkt ins Gesicht und beinahe ein Messerstich von Kiri in die Hüfte ab.

Kiri verpasste ihm so nur eine leichte Schnittwunde am linken Unterarm.

„ALINA VERDAMMT!“, brüllte Rick.

Er schaute seine Freundin an. Wieso tat sie nichts.


 

Wie durch dein Blitzschlag, wurde es ihm plötzlich klar.

Alina war noch sauer auf ihn. Sauer, dass er nicht auf sie gehört hatte.

Entsetzt fasste sich Rick an den Kopf.

„Mensch, Alina.“, brummte der Junge lautstark.

Er musste sich daraufhin zur Seite rollen, weil er dem Tritt von Janos ausweichen musste.

„Zählt das?“, rief Kiri.

„Nein.“, meinte Suzuya kühl. Durch diese Antwort wurde der rothaarige dazu verleitet erneut anzugreifen, aber Rick sprang im rechtzeitigen Moment zur Seite, sodass Janos versehentlich dem rothaarigen einen Faustschlag verpasste.

Er schickte den Jungen damit direkt ins Reich der Träume.

„Oh je.........“, brummte Janos entsetzt, weil er den Falschen getroffen hatte.

Rick nutzt den Moment und er sah Alina an:

„Alina........“, begann er.

„..............es tut mir Leid. Du hattest recht gehabt. Ich hätte auf dich hören sollen. Ich werde dich nicht wieder in Frage stellen.“, Rick senkte demütigt seinen Kopf.

„Na endlich. Ich wusste doch, dass ich Recht hatte.“, antwortete Alina.

„Sei still!“, brummte Suzuya, da war die Blondine schon aus seinem Griff entschwunden.

Sie hatte sich geduckt und mit der nächsten Bewegung stand sie schon hinter dem Schwarzhaarigen.

Ein heftiger Tritt in die Seite schickte Suzuya zu Boden.

„Anführer der Widerstandsgruppe? Wirklich? Du bist nur der Boss einer kleinen Möchtegern kriminellen Jugendgruppe.“, meinte Alina hochnäsig.

Die beiden Jungs vom Lagerfeuer waren aufgesprungen und sie eilten auf Alina zu.

Janos wollte währenddessen wieder auf Rick einschlagen, aber dieser wich dem Faustschlag wieder mühelos aus.

„Gut, dass du größer bist wie ich, denn dann kann ich mein neue Technik ausprobieren.“, gab Rick mit einem überzeugten Grinsen bekannt.

Er hatte diese sich von Engl abgeschaut.

Janos ließ sich aber nicht beirren, er wollte wieder plump ausholen und angreifen, da setzte der braunhaarige Junge zu einem Kinnhaken an.

Seine Größe reichte aus, um ihn ohne Schwierigkeiten einen Volltreffer gegen das generische Kinn zu landen.

Wenige Sekunden später verlor der Kerl sein Gleichgewicht und er flog zu Boden.

Janos war zwar noch bei Bewusstsein, aber er wirkte sehr desorientiert und der Besiegte konnte in nächster Zeit auch nicht aufstehen, zumindest bis sein Gleichgewichtssinn zurückkam.

Da spürte er schon den Griff von zwei Armen, die ihn von hinten umschlangen.

Im ersten Moment dachte Rick, dass es ein Angriff wäre, aber er nahm schnell die Präsenz seiner Freundin nah.

„Das war wirklich cool. Es sah genauso aus wie bei Engl. Meister Ulrik wäre stolz auf dich.“, Alina schmiegte sich noch eine Weile an Ricks Rücken.

Der braunhaarige Junge sah sich verlegen um und er entdeckte drei besiegte Gegner auf einem Haufen liegen.

Mit Alina war wirklich nicht zu spaßen.


 

Das sie Ricks ehemaligen Lehrmeister erwähnte erstaunte den Jungen. Der alte Mann hatte Rick leider nur eine kurze Zeit in der Selbstverteidigung trainiert.

Zwar hatte Linda auch zum Training beigetragen, aber die Gildenmeisterin hatte nicht immer Zeit.

Sie bat einen alten Bekannten ihres Vaters Rick und auch Alina zu unterrichten.

Leider verstarb Oga Ulrik sehr plötzlich an einem Herzinfarkt. Wenige Wochen bevor Tina und die anderen auf der Insel gelandet waren.

Der Junge vermisste seinen ehemaligen Lehrmeister schon ein wenig.

Seine sympathische und ehrliche Art hatte Rick von Anfang an gefallen. Selbst Alina kam mit ihm sofort klar, was sehr ungewöhnlich war.

Jedes Mal wenn Rick über den Tod nachdachte, fühlte er sich so, als wäre die Geschichte damit noch nicht zu Ende, als wäre dies noch nicht die vollständige Wahrheit.

Jedoch hatte der Junge nie herausgefunden, was ihn dies glauben ließ.

„Wir müssen wohl zuerst zu einem Arzt, bevor wir weitersuchen. Du hast eine Wunde an deinem Arm.“, meinte Alina. Sie ließ von ihm ab. Das Mädchen betrachtete seinen Arm.

„Es ist nur eine kleine Verletzung.“, beschwichtigte Rick, jedoch brachte das alles nichts.

Alina zwang ihn in das örtliche Krankenhaus zu gehen, um dort die Wunde nähen zu lassen.

Dazu hatten sie bei der Polizei ausgesagt, was sie gesehen hatten, jedoch hatte die schon selber zu tun. Angeblich soll irgendetwas Großes im Norden passiert sein.

Der Abend brach an und Rick verlor langsam den Mut.

Aber kurz bevor die Motivation völlig im Keller war, klingelte sein Handy und Rick erfuhr, dass man den Magier gefunden hatte und dieser tatsächlich herausfand wo Tina war.

Man würde sich zum Informationsaustausch im altbekannten Hotel treffen.

Es war aber kaum Zeit. Man müsste sich sehr beeilen.

Rick und Alina waren daraufhin sofort zum Hotel geeilt.


 

Der Junge lehnte sich zurück und er musste kurz verschnaufen. Die Nachricht musste zuerst einmal verdaut werden.

Alina schob ihm ein Glas Wasser herüber.

Die Gruppe saß am Holztisch im Versammlungsraum des Hotels.

"Also ich muss mit Linda darüber sprechen.", erklärte Rick und er wollte aufstehen.

"Und jetzt?", fragte Julius.

"Ich werde mit Linda telefonieren, das habe ich doch gerade gesagt?", wurde Rick lauter und Julius starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Ich meinte eigentlich, was wir jetzt tun sollen? Gehen wir zurück oder sollen wir trotzdem weiter nach ihr suchen? Den Zielort haben wir jetzt ja und wenn wir uns beeilen, dann erwischen wir den Zug, der in 30 Minuten fährt.", meinte Julius in einer gleichgültigen Tonlage.

„Der Hotelbesitzer erzählte uns, dass der nächste Zug nach Markezei erst wieder morgen früh fährt.“, fügte Max hinzu.

"Ja.......... ich weiß! Wir dürfen eigentlich keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen jetzt los!“, meinte Rick sehr gestresst.

Die schlechte Nachricht vom Zustand von Tina ging ihm sehr nah.

Er wollte nicht, dass ihr irgendetwas passiert und nun war ihr etwas schlimmes zugestoßen.

"Dann hole ich jetzt die Tickets. Vom dritten und vierten Gleis fahren Züge, die nach Markezei fahren. Wir sollten uns auch darauf einstellen, dass diejenigen, die Tina in diesem Zustand gebracht haben, vielleicht ihr noch schlimmeres antun werden. Entweder sie lebt noch, wenn wir ankommen oder sie wird.................", wollte Illan erklären.

"SIE IST NICHT TOT, VERDAMMT! HÖRT AUF SO SCHLECHT ZU DENKEN!", brüllte Rick lautstark durch den Raum. Er griff zwar nach dem Vampir, jedoch hielt sich der junge zurück.

"Beruhige dich, ich habe nicht gesagt, dass sie tot ist.", meinte Illan. Er klang dabei ziemlich emotionslos, als wäre es ihm im Grunde egal.

"Ich weiß, entschuldige.", wurde der braunhaarige Junge ruhiger.

„Gut, dann brechen wir jetzt auf.“, meinte Max. Er stand auf. Der Schwarzhaarige fixierte die Tür an. Daniel und Julius setzten sich ebenfalls in Bewegungen.

Die drei Jungs liefen nach draußen. Illan folgte ihnen wenig später.

„Komm Rick.“, forderte Alina in einem sanften Ton ihren Freund auf.

„Alina......“, fing der Junge an und seine Freund schaute ihn besorgt an.

„..............glaubst du, dass das Ganze gut ausgehen wird?“

Alina schien nicht mit dieser Frage gerechnet zu haben und deswegen schwieg sie wohl für einige Sekunden.

„Ich denke, solange wir es nicht versucht haben, steht noch nichts fest.“, meinte seine Freundin.

Rick sah sie daraufhin tief in die Augen.

„Ich danke dir.“, meinte er nach einer kurzen Verzögerung. Sie umarmten sich anschließend.


 

Eine kurze Zeit später erreichten sie den Bahnhof.

Es war stockdunkel, denn die Nacht war schon längst angebrochen.

Sie würden wahrscheinlich die halbe Nacht durchfahren und hoffentlich noch rechtzeitig ankommen.

Während der kurzen Wartezeit am Bahnhof, hatte Rick noch mit Linda telefoniert.

Selbst zu dieser späten Uhrzeit wollte die Gildenmeisterin immer auf dem aktuellsten Standpunkt sein.

Rick erzählte auch vom heutigen Tagesverlauf, sowie von seinen Sorgen über Tina.

Linda versicherte, dass man die Hoffnung nicht aufgeben sollte und er zurzeit der einzige war, der am schnellsten Tina erreichen könnte.

Sie glaubte fest daran, dass die Gruppe es schaffen wird.

Noju und Engl seien gerade nicht in der Gegend, deswegen könnte sie leider die beiden nicht losschicken.

Zwar bestand jeder zweite Satz aus Ermutigungen, aber eigentlich half das auch. Rick fühlte sich ein klein wenig besser nach dem Gespräch.

Er soll die ganze Zeit fest daran glauben, dass alles gutgehen würde, dann würde auch alles gutgehen.

Auch wenn man noch so sehr verzweifelte. Hoffnung ist ein Segen für den Verstand und für logische Schlussfolgerungen.


 

Als die Gruppe im Zug saß, überkam sie die Müdigkeit. Wie von Zauberhand schlief jeder bis auf Illan nach kurzer Zeit ein.

Der Vampir hatte anschließend die Angewohnheit wieder spurlos zu verschwinden.

Auch wenn die Müdigkeit Rick bezwang, träumte der Junge nicht gut und immer wieder kam ein Szenario, indem Tina am Ende tot war und er Schuld hatte.

Seine Schuldgefühle fraßen ihn jedes Mal im Traum auf.

So wachte der Junge mehrmals in der Stunde schweißgebadet auf.

Schließlich gab er es auf einzuschlafen.

Er warf einen Blick aus dem Fenster.

Die Nacht verdunkelte alles und so war es nur schwer zu erkennen was überhaupt neben den Schienen lag.

Wald oder Wiese. Hügel oder Fluss.

Es fühlte sich ein wenig unheimlich an, wenn man in die tiefe Schwärze sah.

Zudem konnte er die Kälte förmlich auf der Haut spüren, als würde sie durch die Fenster eindringen und sich im Waggon verteilen.

Neben ihm saß Alina. Sie schlief, jedoch hatte sie seinen linken Arm gut im Griff.

Hinter Rick, bei der nächsten Viererreihe, saßen Daniel und Julius.

Plötzlich übermannte den braunhaarigen Jungen ein langes Gähnen.

Währenddessen huschte jemand an Rick vorbei.

"Was war.......?", fragte er leicht verwundert, aber er hatte nichts erkennen können.

„Wahrscheinlich bin ich einfach nur übermüdet.“, meinte Rick anschließend.

Max saß ihm gegenüber.

Der schwarzhaarige Junge wirklich plötzlich sehr nervös.

„Hast du gerade etwas gesehen?“, fragte Max daraufhin. In seiner Stimme klang eine Verunsicherung mit.

Rick schüttelte gähnend seinen Kopf.

„Nein, aber ich habe auch keine Lust das herauszufinden. Ich bin zu müde. Es war bestimmt nur Illan, der wieder mal überall umher geisterte.“, fügte der braunhaarige Junge hinzu.

Max stand auf und meinte:

"Ja, ........geistern............, vermutlich hast du Recht, aber ich muss trotzdem kurz wohin.", daraufhin verließ er schnell den Waggon durch die geöffnete Schiebetür, die zum mittleren Waggon führte.

"Habe ich etwas verpasst, was ist denn mit dem los? Ach egal, der kommt schon wieder, vielleicht ist er auch einfach nur auf die Toilette gegangen?", dachte Rick verwundert.

"Alles in Ordnung?", fragte Alina und streichelte seinen linken Arm.

„Es ist ein wenig kalt geworden.“, meinte sie.

Rick lächelte sie an:

"Ja, es geht mir gut, solange du bei mir bist und du hast Recht. Es ist wirklich kühler geworden.", erklärte er, daraufhin lächelte sie ihn an.

Seine Freundin schmiegte sich an seine linke Schulter.

Sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster und er beobachtete die Landschaft, während sich Alina weiter an ihn kuschelte.

Rick genoss den Moment und er konnte sich für ein paar Minuten entspannen, bis er schlussendlich deswegen einschlafen würde.

Verschwunden XVI --- Eine geisterhafte Zugfahrt

[Max]
 

„Ich halluziniere schon, als ob.......“, dachte der schwarzhaarige Junge nach, während er durch den leeren mittleren Waggon schlich.

„Ich denke die ganze Zeit, dass hier irgendetwas nicht stimmt, aber dabei habe ich auch..........“, die plötzliche Kälte im Raum brach immer wieder seine Gedankengänge ab.

Es war Nacht und dadurch stockdunkel. Er wusste nicht warum hier kein Licht mehr brannte.

Es waren aber auch keine anderen Gäste in den Waggons zu sehen.

Fuhren etwa nur die sieben mit dem Zug.

Die Gruppe und die langhaarige Blondine, welche sich als Schaffner ausgab und so ungesehen an der Gruppe vorbei schlich.

Max hatte ein Schaudern bekommen, als sie ihn versehentlich gestreift hatte.

Das darauffolgende Prickeln in der linken Hand ließ ihn aufhorchen, sowie die Tatsache, dass sie nicht nach den Tickets gefragt hatte.

Ein paar Überlegungen später und Max erkannte die Tarnung.

Ein Schaffner würde zudem niemals grinsend durch den Waggon laufen. Nicht um diese Uhrzeit.


 

Nun stand der schwarzhaarige Junge vor der Tür zum hintersten Waggon. Sie war seltsamerweise verschlossen.

Die Schaffnerin war ebenfalls nicht aufzufinden, wohin sie wohl verschwunden war?

Zumindest verstärkte dies Maxs Vermutung.

„Buh.“, flüsterte eine weibliche Stimme von hinten dem Jungen ins Ohr, aber Max, der innerlich sonst sehr schreckhaft war, zuckte nicht einmal.

Gerade als er von der Dame sprach, war sie hinter ihm aufgetaucht.

Die Blondine musste wirklich leichte Füße besitzen, denn sie hatte dabei kein anderes Geräusch verursacht. Es war kein Schritt zu hören gewesen.

„Die Meisterdiebin vom Schiff.“, murmelte der Junge, während er sich umdrehte.

Die langhaarige Blondine ließ ihr Haar unter der Schaffner Mütze erscheinen. Ein überzeugtes Lächeln sah den Jungen an.

"Hast du unsere Gruppe bestohlen?", fragte Max direkt.

„Immerhin war dieses Anrempeln schon auffällig.“, fügte der schwarzhaarige Junge hinzu.

Eine leichte Nervosität legte sich auf ihn.

Er stand mit verschränkten Armen vor ihr.

Sie machte sich nicht die Mühe ihm Angst zu machen oder ihn zu drohen.

"Was willst du, Kleiner? Willst du mich aufhalten, wenn es so wäre?", fragte sie. Die Blondine klang nicht höhnisch, sondern sehr ernst.

„Nein. Mich interessiert es nicht was du hier machst, aber ich möchte nicht, dass du uns bestiehlst und so wie es aussieht sind wir die einzigen im Zug, was.......“, Max überlegte kurz:

"Was mich doch eigentlich zu der Frage bringt, warum du hier herumschleichst? Die Gerüchte der Meisterdiebin haften sehr an dir. Immer wenn du auftauchst, fehlen Sachen. Wenn du also hier nach Beute aus bist, dann sind nur wir hier.............",

„Mach mal den Mund zu, Kleiner.“, murrte die Meisterdiebin.

„Du sagtest doch gerade selbst, dass es dich nicht kümmert, warum ich hier bin. Die Gerüchte über mich sind allerdings alle war und ich bin stets auf der Suche nach Beute, aber ich bestehle keine Kinder. Ich habe noch so etwas wie Würde. Immerhin habe ich euch ja auch auf dem Schiff in Ruhe gelassen.“, erklärte die Dame.

„Das ist wahr.“, murmelte der schwarzhaarige Junge. Er sah kurz zur Seite.


 

Wie durch ein Ruck schwankte Max nach hinten, aber statt gegen eine Tür zu prallen, schwang er mit der sich plötzlich öffnenden Waggontür mit.

Die Blondine packte sich seinen Arm, bevor er fiel und zog ihn grob wieder aufrecht.

Bevor Max überhaupt realisieren konnte, fegte ein eisiger Wind von hinten und ließ den schwarzhaarigen Junge schaudern.

Er blickte nervös nach hinten und er sah durch die geöffnete Waggontür in den letzten Waggon.

Dieser Teil war dunkler und nebeliger, als der Rest des Zuges. Das Abteil sah so aus, als wäre es schon seit 30 Jahren nicht mehr betreten worden.

Der Boden war staubig, die Polster der Sitzreihen ebenfalls. Zum Teil waren sie zerrissenen.

Ein schriller dumpfer Ton, der in unregelmäßigen Abständen willkürlich lauter und leiser wurde, war zu hören. Man konnte nicht definieren was diesen Ton verursachte.

Eine hauchende Stimme legte sich auf diesen dumpfen Ton.

Etwas blitzte in der Dunkelheit des letzten Waggons auf und daraufhin schoss etwas auf Max zu.

Reflexartig drehte er sich zur Seite und die Blondine drückte ihn mit einem kräftigen Zug gegen die Sitzreihen. Sie selber wurde aber von dem Wurfgeschoss an der Hüfte verletzt.

Einen Moment später war das Wurfgeschoss nicht mehr zu sehen. Es hatte sich nach dem Treffer einfach aufgelöst, aber Max war sich sicher, er hätte ein Messer anfliegen gesehen.

Die Wunde von Rosanna war jedoch echt. Das Blut lief an ihrer Hüfte hinunter.

„Verdammter Junge......., ich hätte nicht.........“, murrte die Dame.

Max sah kurz auf ihre Wunde und dann wieder in die Ferne der Dunkelheit.

„Verdammt! Jetzt bin ich der Idiot, weil ich von ihr geschützt wurde, weil ich zu doof zum aufpassen war............., ich muss beweisen, dass ich kein Idiot bin.........“, während der schwarzhaarige Junge versuchte darüber nachzudenken, fixierte sich sein Blick in die dunkle Erscheinung die am Ende des letzten Waggons sich immer weiter materialisierte und dann wieder in Nebel auflöste.

Was zum Teufel war das bloß?


 

Plötzlich schauderte es Max, als er in der Ferne eine fliegende abgetrennte Hand auf sich zufliegen sah.

„Was ist hier los? Was für ein abgefahrener Albtraum ist denn das..........?!“, dann wurde es ihm klar:

„Das ist kein Traum.........., immerhin denke ich darüber nach.“

Die fliegende Hand zerkratzte willkürlich alles in der Nähe, als würde sich das Ding von den Sitzreihen provoziert fühlen, dadurch wurde sie aber auch ein wenig aufgehalten.

„Hau endlich ab!“, rief Rosanna zu Max. Die Wunde schmerzte sie, man erkannte das an ihrem Gesichtsausdruck.

Ihr Verhalten deutete aber daraufhin, dass sie ganz und gar nicht überrascht war. Als würde Rosanna wissen was sich hier abspielte.

„Wäre wahrscheinlich klüger........“, meinte Max, aber er griff in seine Jackentasche.

Fest im Griff ließ er den blauen Kristall aufleuchten.

„Auch wenn es wahrscheinlich gegenüber ihr ein Fehler sein wird.“

Max ließ Ark erscheinen, der ohne zu zögern ein Eisstrahl auf die fliegende Hand schleuderte.

Der schwarzhaarige Junge vermutete sowieso schon die ganze Zeit, dass diese magischen Kreaturen alles mitbekamen, was der Anwender erlebte.

Leider war diese dämonische rechte Hand nicht dumm, denn schnell wich sie durch die Lüfte aus, daraufhin attackierte sie Ark.

Der schwarzhaarige Junge ließ Ark zurück in den Kristall verschwinden, um ihn erneut zu beschwören, dadurch war er wieder frei.

Verwundert stockte die fliegende Hand und der blaue Vogel konnte einen eisigen Ball in der Größe eines Tennisballs formen, den er dann auf die Hand abfeuerte.

Die dämonische Hand wurde weit durch den letzten Waggon geschleudert.

Der Eisball verursachte ein lautes Krachen, als er auf das metallische Ende des Waggons einschlug.

Verwundert sah Max nach hinten und er fragte sich anschließend:

„Warum bemerkt das keiner? Der ganze Lärm sollten sie doch mitbekommen?“

Rosanna schien wieder auf den Beinen zu sein. Ihre Wunde blutete immer noch.

„Es ist der Fluch. Er lässt alle Schlafende schlafen bis zum Morgengrauen. Nur der Schlafende überlebt diese Fahrt, deswegen sind sie sicher, aber du wirst deine Freunde nicht aufwecken können. Du wirst wohl.......“, sie stockte. Auf ihrem Gesicht bildete sich für einen kurzen Moment ein geschockter Gesichtsausdruck ab.

Illan lief an ihr vorbei, als würde es ihn alles nicht interessieren.

„Die ermordete Schwester. Das ist eine sehr bekannte Gruselgeschichte, die man sich schon vor 30 Jahren erzählte, zumindest erzählte man mir das in meiner Kindheit.“, der Vampir zeigte sich völlig unbeeindruckt, als er die fliegende rechte Hand willkürlich durch den letzten Waggon sausen sah.

„Wer bist du?“, brummte Rosanna und sah ihn skeptisch an. Ihre Blicke begutachteten ihn.

Illan würdigte sie keines Blicks, sodass Max für ihn antwortete:

„Er ist sozusagen unser Beschützer. Ihm entgeht nichts.“

„Ich kann für mich selbst antworten, Max.“, meinte Illan kühl und der schwarzhaarige Junge schaute beleidigt zur Seite.

Die Nervosität hatte der schwarzhaarige Junge aber noch nicht abgelegt.


 

Die Geschichte über die ermordete Schwester machte den Jungen aber neugierig:

„Dieser Fluch? Ich vermute stark, dass es irgendetwas mit einem Mord in diesem Waggon zu tun hat, weswegen diese Geisterhand herumgeistert?“

„Gut erfasst, Kleiner. Deswegen schließt der Schaffner immer diese Türe abends ab. Es ist sozusagen eine Tradition, die kaum noch einer heute kennt.“, erklärte Rosanna. Anscheinend kannte sie sich damit gut aus.

Max geisterte dadurch eine andere wichtige Frage durch den Kopf.

Warum war Rosanna dann hier? Sie wusste doch, dass es hier gefährlich war. Was wollte sie hier stehlen?

„Wenn man doch davon weiß, wieso tauscht man nicht den letzten Waggon einfach aus? Warum hier so eine Gefahr offenstehen lassen? Wieso interessiert das keinen?“, fragte der schwarzhaarige Junge stattdessen.

„Weil der Fluch mit der Lok zusammenhängt und nicht zwingend mit dem letzten Waggon und die meisten Personen einfach viel zu ignorant sind. Aber Kleiner......., am Besten gehst du erst einmal auf Abstand und du Fremder! Du am besten auch.“, erklärte die Meisterdiebin.

Illan interessierte sich für ihren Vorschlag nicht, stattdessen trat er unbekümmert in den letzten Waggon.

Der leichte Nebel wirbelte sich auf, als wäre dieser erzürnt.

Die dämonische Hand attackierte den Vampir.

Illan schlug die Hand zur Seite, sodass dieser gegen die verdreckten Fenster prallte.

Die Blondine stürmte ebenfalls in den letzten Waggon, trotz ihrer immer noch blutenden Verletzung.

„Sie sollte aufpassen. Der Blutverlust sieht ernstzunehmend aus.“, überlegte der schwarzhaarige Junge.

Max und Ark blieben vor der Tür stehen, während der eisige Vogel auf seiner linken Schulter saß.

Der schwarzhaarige Junge hatte keine Lust in den letzten Waggon zu steigen, aber als er nach hinten sah und bemerkte, dass er alleine war, trat der Junge trotzdem in den letzten Waggon.


 

Rosanna machte den Eindruck, als würde sie nach etwas Ausschau halten, währenddessen hatte sich Illan die dämonische Hand gepackt, die sich versuchte zu befreien.

„Was weißt du über den Fluch, Meisterdiebin.“, fragte der Vampir.

Die Blondine wirkte zwar im ersten Moment erstaunt, dennoch widmete sie sich weiter ihrer Suche.

Erst nach wenigen Sekunden antwortete sie ihm:

„Vor dreißig Jahren sollen im letzten Waggon zwei Schwestern allein gereist sein. Die jüngere schlief und die altere konnte nicht schlafen. Ein Schaffner soll durch den Zug gelaufen sein, um die Tickets zu prüfen. Die ältere bemerkte, dass sie kein Ticket mehr bei sich hatte, also forderte der Schaffner etwas anderes. Er wollte von ihr etwas bestimmtes haben, aber das Mädchen weigerte sich. Sie wollte um Hilfe schreien, also bekam der Schaffner Panik. Er stieß sie unglücklich, sodass sie sich den Kopf stieß und sofort starb. Entsetzt über den Tod des Mädchen kam der Mann auf eine grausige Idee. Er wollte den Tod des Mädchens als Raubüberfall des damaligen berüchtigten jungen und brutalen Räubers Smallskin darstellen. Ein Mann der seinen Opfer immer die rechte Hand abhakte. Während der Schaffner diese grausige Tat ausführte, vergaß er völlig die jüngere, die das Ganze mitansah. Das Mädchen schrie nicht und sie reagierte nicht, was ihr wohl oder übel das Leben rettete. Der Schaffner konnte jedoch nie angeklagt werden, da er nur wenige Tage später selber zum Opfer dieses Räubers wurde. Durch diese entsetzliche Tat soll angeblich der Groll der älteren diesen Schaffner und sein Zug verflucht haben.“

„Korrekt, stimmt mit meinem Wissen überein.“, meinte Illan kühl.

„Wieso hast du mich dann eigentlich gefragt?“, brummte Rosanna zornig.

„Und was suchst du dann hier?“, warf Max ein.

Es herrschte für einen Moment eine seltsame Stille.

„Du sagtest es doch schon selbst.“, fing Rosanna an.

„Ich bin immer auf der Suche nach Beute.“, dies ließ aber die Frage von Max unbeantwortet. Was ihm nicht so gefiel.

„Du bist auf der Suche nach einem Crux.“, beantwortete Illan somit die Frage.

Max wagte nicht zu fragen was das genau war, auch wenn es ihn interessierte. Die Frage würde sich entweder in den nächsten Sekunden von selbst erklären oder er müsste es später anders herausfinden.

Die Blondine lächelte bloß.

Die Dame ging auf die Knie, um in die Spalte zwischen den Sitzreihen vor ihr zu sehen.

Sie griff in diese dunkle Spalte.

Rosanna schien aber keinen Erfolg zu haben, deswegen stand die Dame wieder auf, dabei ließ sie immer wieder anmerken, dass ihr die Wunde schmerzte.

Sie zog ein halbrundes Objekt hervor und hielt es in die dunkle Spalte.

Der Spalt war so groß, dass ihr Arm hineinpasste, aber mehr auch nicht.

Die Dame hielt sich anschließend fest und sie schien angestrengt das Objekt in den Spalt zu halten, als würde sie etwas hineinziehen.

Nach ihrem darauffolgenden Grinsen zu urteilen, schien sie dieses Mal Erfolg zu haben.

Rosanna zog anschließend ihr Arm wieder aus dem Spalt zwischen den Sitzreihen hervor und am halbrunden Objekt hing ein verstaubter metallische Ring.

Sie ließ den Finger über das metallische Objekt fahren und der Ring fiel in ihrer andere Hand.

Das halbrunde Objekt war wohl ein Magnet, welchen sie anschließend wieder verschwinden ließ.


 

Die dämonische Hand, welche Illan immer noch festhielt, zappelte wie wild.

„Requiescat in pace.“, sprach die Meisterdiebin langsam und deutlich. Dabei hatten die Worte eine mächtige Aura, die Max förmlich auf seiner Haut spürte.

Ein paar Sekunden später hörte die dämonische Hand auf sich zu wehren. Sie löste sie daraufhin einfach in Staub auf.

Der Nebel im Raum verschwand und als hätte man Hebel umgelegt, gingen die Lichter plötzlich an.

Die Sitze waren nicht mehr verstaubt und sie wirkten nicht mehr alt, zudem waren die Kratzer verschwunden.

Die Wunde an Rosannas Hüfte war verschwunden und das verlaufende Blut ebenfalls.

Eine geisterhafte Stimme hauchte ein letztes Mal durch den Waggon.

Max verstand zwar nicht, was diese Stimme eigentlich gesagt hatte, aber es fühlte sich nicht negativ an.

„Beendet man ein Fluch durch seinen Ursprung, widerruft er manchmal alle Schäden, aber nur wenn die verirrte Seele das Licht empfängt und den Frieden akzeptiert.“, erklärte Illan zum Erstaunen der Blondine.

„Du kennst eine der Weisheiten des Kreuzorden?“, aber der kühle Blick des Vampirs ließ schnell den erstaunten Gesichtsausdruck der Diebin verschwinden.

Rosanna steckte zugleich den Ring ein.

„Meine Arbeit ist getan.“, erklärte die Diebin, daraufhin lief sie schweigend an Max vorbei.

„Ein gefährliches Hobby.“, meinte der schwarzhaarige Junge. Er sah daraufhin zu Illan.

Da fiel Max auf was er eigentlich gesagt hatte.

„Aber nicht, dass ich das gut finde, also das mit dem stehlen.“, versuchte Max zu beschwichtigen, aber Illan zeigte sowieso keine besondere Reaktion darauf. Er meinte nur als Antwort:

„Der Kreuzorden zahlt viel für ein Crux, jedoch endet so etwas in der Regel mit dem Tod.“

„Auch wenn dieser Ring nun eigentlich nichts mehr besonderes ist? Sie hat doch den Fluch gelöst....... oder?“, fragte Max, aber Illan lief ebenfalls an ihm vorbei, ohne weiter mit dem Jungen zu reden.

Der Junge gab auf weiter nachzufragen.

Seufzend nahm Max die Situation so hin, er war sowieso müde.

Als der Schwarzhaarige aus dem letzten Waggon gehen wollte, sah er ein weiteres Mal nach hinten und aus irgendwelchen Gründen schauderte der Junge, dabei war nichts zu sehen.

„Ich bleibe definitiv nicht hier!“, so folgte er Illan zügig.


 

Alina schlief in Ricks Armen, Rick döste und er selber sah aus dem Fenster. Die Augenringe zeugten davon, dass er wohl wieder nicht schlafen konnte.

Er bekam nicht wirklich mit, dass Max wieder da war. Der schwarzhaarige Junge setzte sich ihm gegenüber.

Max hörte Daniels Schnarchen von der anderen Seite.

Der schwarzhaarige Junge beschloss ebenfalls zu dösen, dabei hielt er seinen Elementkristall fest in der Hand, welche er unter seiner Jacke versteckte.

„Ich muss aufpassen, dass Rosanna ihn mir nicht abnimmt, immerhin sind diese Kristalle ebenfalls viel wert.“

Das Katana hatte er unter seiner Sitzreihe versteckt gehabt. Der Schaffner sollte es ja nicht gleich sehen.

Es nervte den schwarzhaarigen Jungen jedoch, dass er selber bemerkte, dass Max fast sein Katana vergessen hatte. Er hätte es so später vermutlich versehentlich im Zug liegengelassen.

Trotz allem versuchte Max einzuschlafen, um sich noch ein klein wenig zu erholen, jedoch nervte ihn das Pfeifen vom undichten Fenster nebenan.

So kam Max bis zum Ende der Zugfahrt nicht mehr zum schlafen, was zum Teil auch der Erinnerungen der dämonischen Hand zu verschulden war.
 

Eine gewisse Zeit später:
 

Es wurde langsam morgen.

Der Zug war im Bahnhof in Markezei angekommen.

Die sechs verließen daraufhin den Zug und anschließend den Bahnhof.

„Weiter geht es mit der Suche. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“, meinte Rick. Er klang jedoch sehr müde.

Doch weit kamen sie nicht, denn schon stellten sich drei Beamte der Gruppe in den Weg.

Der vorderste Polizist meinte mürrisch:

„Wir hätten ein paar Fragen an euch.“


 

Zum Ärger von Rick, musste die Gruppe fast eine Stunde auf dem Polizeirevier verbringen.

Der Grund war der Umstand, warum fünf Jugendliche mitten in der Nacht von Zellerstein nach Markezei fuhren. Man hörte von der kriminellen Jugendtruppe in Zellerstein und man dachte, dass diese sechs dazugehörten.

Nach einem Anruf mit der Gildenmeisterin wurde das Missverständnis schnell geklärt.

Ganz befreit waren sie aber nicht, denn der Kommissar von Markezei namens Shoro Nukai kannte die Gilde nicht wirklich und er wollte ganz sicher gehen, dass die Gildenmeisterin kein Mitwisser war.

So hörte man irgendwann Linda am Telefon lautstark fluchen, als sie mit dem Kommissar redete, weil dieser immer wieder wirklich seltsame Fragen stellte.

Sein kleines Polizeirevier war gefüllt mit 20 Männer und nach der Erzählung eines freundlichen Streifenpolizisten nach, hatte Shoro Nukai, auch der Schwertpolizist genannt, die Stadt gut im Griff, die Kriminalitätsrate soll auf dem niedrigsten Wert aller Zeiten sein.

Diese Stadt soll angeblich frei von Dieben und Verbrechern sein.

Dazu hatte der Kommissar die Angewohnheit, dass er der Gruppe kein Wort glaubte. So belächelte er Rick nur, als er von Tina erzählte.

Es sei doch nur Geschwätz.


 

"Ich hasse es! Wieso stellt sich uns nur alles in den Weg? Warum hält uns alles auf?", wurde Rick lauter.

Die Gruppe saß im Warteraum nahe dem Ausgang.

Er war sichtlich frustriert und das auch zu Recht, denn so ging nur wertvolle Zeit drauf.

In der Zwischenzeit konnten viele schlimme Dinge passieren, darunter konnte auch Tina zu leiden haben, aber Max ließ seine Gedanken unausgesprochen. Der schwarzhaarige Junge bemerkte selbst, wie er gern öfters in eine Übertreibung verfiel, zum Glück meistens nur gedanklich.

"Beruhige dich Rick, wir wissen gar nichts. Vielleicht geht es ihr gut? Vielleicht hat uns der Magier angelogen? Vielleicht ist sie gar nicht hier?", versuchte Alina ihren Freund zu beruhigen.

"Denkst du das wirklich?", fragte er. Rick sah daraufhin Daniel an.

„Warte mal......., der alte Magier hat mir das wirklich so erzählt.“, verteidigte sich der Junge.

„Wo ist eigentlich Illan?“, fragte Daniel daraufhin, als er sich umschaute.

„Weg wie immer.“, murrte der braunhaarige Junge.

„Hoffentlich findet er Tina.“, fügte Rick hinzu.

Ein paar wenige Minuten der Stille vergingen.

"Ich mache mich jetzt auf die Suche! Hier zu warten bringt absolut nichts! Ich habe mich genug ausgeruht. Ich gehe, egal ob ich erfolglos sein werde oder ob die Polizei von Markezei mich festnimmt. Selbst wenn mich der Kommissar persönlich dafür einsperren will, ich gehe!", Rick stand auf und er verließ das Polizeirevier.

„Er hat Recht.“, meinte Julius. Er stand ebenfalls auf und ohne weitere Worte zu verlieren folgte er Rick.

Alina blickte kurz durch den Raum.

„Ja!“, begann sie lautstark.

„Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe.“, sie lief ebenfalls nach draußen.

Der Polizist, der auf die Gruppe aufpassen sollte, meinte erschrocken:

"Hey wartet! Wo geht der hin?", fragte er, aber der junge Polizist machte keine Anzeichen, dass er irgendwen aufhalten wollte.

„Wir retten unsere Freundin.“, erklärte Max, der fast direkt vor dem Polizist saß.

„Spiel dich hier nicht so auf.“, meinte Daniel und er ging nach draußen.

„Das ist kein aufspielen!“, verteidigte sich der schwarzhaarige Junge.

Der Kommissar trat aus seinem Zimmer und er kratzte sich am Kopf, daraufhin zog er seine braune Kopfbedeckung zurecht.

„Wenn ihr das so ernsthaft meint, dann will ich euch nicht aufhalten, aber merkt euch, dass wir ein Auge auf euch haben werden!“, daraufhin verließ auch Max das Polizeirevier.

Irgendwie glaubte Max dem Kommissar nicht.

"Teilen wir uns auf.", erklärte Julius, als der schwarzhaarige Junge das Gebäude verlassen hatte und auf die Straße trat.

Die Gruppe hatte sich daraufhin auch schon getrennt und wenig später stand Max allein vor dem Polizeirevier.

Seufzend meinte der Schwarzhaarige:

„Schon sind sie alle wieder weg. Wir haben noch nicht einmal Karte........, oder haben die anderen ein Karte und ich weiß nichts davon? Was ist eigentlich der Plan?“, überlegte Max. Er war ein klein wenig frustriert.

Da trat der junge Polizist nach draußen. Leise flüsterte er:

„Stimmt das mit dem Mädchen wirklich? Ich meine.........“, durch Maxs Nicken brach er seine Frage ab, daraufhin stellte sich der junge Polizist stolz auf:

„Dann lass mich euch helfen.“, der schwarzhaarige Junge sah verwundert auf.

„Einem Mädchen in Gefahr muss man stets helfen und unser Chef ist da manchmal ein wenig stur, aber ich glaube euch. Ihr seht mir nicht wie Kriminelle aus.“, erklärte der junge Polizist stolz, als wollte er ein Lob dafür hören.

„Ich werde den Chef davon abhalten euch eine Falle zu stellen.“, fügte der junge Mann hinzu.

„Eine Falle?“, fragte Max erstaunt, daraufhin zuckte der Polizist zusammen:

„Oh eh.............“, meinte er verlegen.

„Warte mal.........“, unterbrach ihn der schwarzhaarige Junge:

„Der Kommissar hat uns nur laufen gelassen, weil er uns in eine Falle locken wollte? Weil er immer noch denkt, dass wir Mitglieder dieser kriminellen Gruppe sind? Denkt der Kommissar, dass er etwas auffliegen lassen kann, weil........“

„Psssss........“, unterbrach ihn der junge Polizist in einer hektischen Stimmlage.

„Ja, das stimmt...........“, bestätigte der Beamte darauf im Flüsterton.

„Bitte rede nicht weiter darüber, denn ich will kein Ärger vom Chef.“, erklärte der junge Mann.

„Das ist schlecht....., ich muss den anderen davon sagen oder soll ich Linda anrufen? Ich habe nur die Nummer nicht......., ich muss deswegen unbedingt Rick finden!“, überlegte Max.

„Keine Sorge, Kleiner.“, begann der Polizist und der schwarzhaarige Junge sah ihn wieder verwundert mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Der Chef meint es auch nicht böse. Er ist nur sehr vorsichtig. Ihm ist das Wohl aller wirklich wichtig. Der Chef wird merken, dass ihr keine bösen Kinder seid.“, versuchte der junge Mann auf Max einzureden.

„Eure Gildenmeisterin am Telefon klang ja auch sehr sympathisch. Sie hat mich an meine Mutter erinnert. Wirklich eine schöne und sympathische Stimme und das selbst als sie wütend wurde. Wie hieß denn eure Gildenmeisterin nochmal und ähm......, was macht sie nochmal genau?“, der junge Mann lächelte den Jungen an und Max blickte daraufhin den Beamten gereizt und skeptisch an.

„Nicht nur das dieser Depp mich nicht Kleiner nennen soll. Er hält mich auch für ein Idioten!“, dennoch gab sich der schwarzhaarige Junge die Mühe normal zu antworten:

„Sie heißt Linda..........., Linda Westallya. Sie ist die Gildenmeisterin der Ranger Guild auf Ranger Island.“

Als hätte Max dadurch einen Schalter umgelegt, griff eine fremde Hand plötzlich nach seinem Arm mit dem Gildenarmband und zerrte ihn grob nach oben, sodass das Zeichen für alle Anwesenden zu sehen war.

Der blonde junge Mann, der dafür verantwortlich war, stellte sich neben den beiden auf.

Sein kräftiger Begleiter stand schweigend und mit finsteren Blicken hinter ihm.

„Woher kennst du diesen Namen?!“, brummte der blonde junge Mann den schwarzhaarigen Jungen an, während er ihm tief in die Augen sah. Dabei strahlte der Fremde eher eine gewalttätige und bedrohliche Aura aus, als würde ihm dies nicht passen.

Verschwunden XVII --- Erkenntnis

[Julius]
 

Immer wieder diese Ungewissheit und immer wieder keinen Plan. So langsam verlor selbst der sonst ehrgeizige und entschlossene hellbraune großgewachsene Junge die Motivation für die Suche.

Er war zwar bisher nur fünfzehn Minuten auf der Suche, seitdem der Junge aus dem Polizeirevier ging, aber seine Ahnung ließ ihn vermuten, dass dieses willkürliche Aufteilen und Absuchen verschiedener Stadtteile genauso wenig brachte, wie es in Zellerstein war.

Nicht das er aufgeben und Tina in Stich lassen wollte, keinesfalls, aber er bezog in Betracht, dass es so keinen Wert hatte.

Sie konnte schon längst woanders sein oder es könnte noch etwas viel schlimmeres passiert sein.

Auf die angebliche sechs Stunden gab er aber nicht viel, weil Julius glaubte, dass sich das Mädchen zurzeit in keiner solchen Gefahr befand. Sie war nicht schwer verletzt und dem Tode nah.

Tina war nur davongelaufen und jetzt irrte sie umher.

Der schlimmste Fall war, seiner Meinung nach, ihre Entführung wegen dem Kristall.

Julius konnte zwar seinen Gedankengang nicht durch Beweise stützen, aber er vertraute nun einmal seinem Bauchgefühl und er ließ sich nicht von irgendetwas beeindrucken, was sich von der Hand weisen ließ.

Einem alten Mann zu glauben, der angeblich ein ziemliches Arschloch sein sollte, gehörte nicht zu Julius Eigenschaften.

Außerdem plagte den Jungen etwas anderes.


 

Lieber wollte der neue Besitzer, des besonderen Katanas, trainieren gehen. Er wollte das Schwert ziehen und damit ein paar Tricks ausprobieren. Ein wenig herumfuchteln.

Wie die Helden aus den Romanen, wollte er auf einer Wiese ein paar Schrittübungen durchgehen. Julius hatte sich schon ausgemalt wie er da vorgehen wollte.

Mit dem Schwert Bäume zerteilen und imaginäre Feinde bekämpfen.

Ein Traum, den er schon seit eine Weile hegte und seitdem er ein echtes Schwert in der Hand gehalten hatte, war dieser Traum nicht mehr weit. Förmlich spürte er die metallische Klinge in seiner Hand. Wie er damit übte.

Immer wieder war der Junge versucht seinen Arm zu schwingen, als würde er das Katana schon gezogen haben.

Das Siegel verhinderte dies jedoch.

Überzeugt legte Julius seine rechte Hand um den Griff des versiegelten Katanas, welches immer noch in der Schwertscheide ruhte. Er fühlte das Kribbeln in seinen Fingern.

Angestrengt kämpfte er gegen sich selbst, da unterbrach plötzlich eine fremde männliche Stimme seine Gedankengänge.

„Hey junger Bursche............., wie wäre es mit einem kleinen Spiel? Kaum ein Risiko und ein großer Spaß.“

Mit genervten Blick sah der großgewachsene Junge zur Seite.

Julius sah ein Mann an einer Hauswand gelehnt. Vor ihm stand ein Tisch mit drei schwarzen Bechern.

Der Fremde war eingehüllt in einem braunen Mantel und ein schwarzer Schal schützte seinen Hals, sowie eine graue Mütze seinen Kopf verdeckt hielt, sodass man eigentlich nur seine tiefblauen Pupillen erkennen konnte.

Zwei weitere Personen standen ebenfalls in der Nähe. Sie sahen aus wie potenzielle Kunden, die tatsächlich überlegten zu spielen.

„Alles ganz fair und ehrlich. Doppelter Gewinn bei drei Siegen in Folge. Gerade eben hat einer junge Mann gewonnen. Er hat sogar vier Mal hintereinander gewonnen.“

Julius würdigte dem dubiosen Spieler kein weiteren Blick.

Es interessierte ihn nicht.

Julius ging einfach weiter und er widmete sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe.

In dieser Stadt war dies jedoch einfacher gesagt als getan.

Im Vergleich zu Zellerstein war Markezei eine reine Blockstadt. Ein Häuserblock nach dem anderen. Alle aus einem hässlichen brauen Ziegelstein. Die Dächer waren pechschwarz.

Die Straßen waren sauber, aber auch leer. Kaum eine Person verirrte sich auf die kleinen Straßen zwischen den Häuserblöcken.

Selbst die größere Fußgängerzone vor dem Polizeirevier war ungewöhnlich übersichtlich gewesen.

Für eine größere Kleinstadt war sie leblos.

Kaum ein Geschäft war zu sehen und so etwas wie eine größere Hauptstraße gab es auch nicht.

Die Stadt wirkte wie ein Endbahnhof, die außer Platz nichts bot.

Julius ließ den Glücksspieler zurück, der ihm wilde Beschimpfungen hinterher warf. Dass der Junge ein Feigling sei und ein Schwächling, aber Julius ließ diese Worte passieren, ohne darauf zu reagieren.

„Von wegen eine reine Stadt, die frei von Kriminalität ist.“


 

Der Junge bog wenig später nach links ab und dabei stellte der Junge fest, dass diese Richtung wieder zum Polizeirevier führte.

Am Ende der kleinen Straße entdeckte er wieder das große blaue Schild des Reviers.

Nun noch unmotivierter blieb er seufzend stehen.

„Mh........, dann wäre ich wohl wieder am Anfang.“, stellte Julius gedanklich fest.

Bevor er aber beschloss sich umzudrehen, sah der Junge in der Ferne ein bekanntes Gesicht.

Max war aber nicht allein.

Vier Personen standen dort. Der Polizist schien zurückzuweichen, während ein blond haariger junger Mann sich vor dem Schwarzhaarigen aufbaute.

Ein kräftiger und breiter junger Mann stand teilnahmslos daneben.

Julius beschloss dorthin zu laufen. Einfach nur, um Max wieder aus irgendwelchen Schwierigkeiten zu ziehen.


 

„Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass du in der Gilde von Linda wärst? Du bist völlig schwächlich. Keine Muskeln und keine Aura. Du bekommst doch noch nicht einmal ein C-Rang Auftrag hin, ohne deine Mutti um Hilfe zu fragen. Also warum belügst du mich, dass Linda irgendetwas mit dir zu tun hätte.“, beleidigte der blonde junge Mann.

„Wo hast du also das Armband gestohlen?“, wurde der Blonde grober.

Als Julius nähertrat, konnte man das dünne rote Stirnband um den Kopf des lautstarken Mannes erkennen.

An diesem Stirnbrand hingen zwei kleine Anhänger. Ein Kleeblatt und ein Wassertropfen.

Dazu trug er eine stabile schwarze Weste über seinem T-Shirt, aber seine Oberarme waren frei.

Der blonde junge Mann musste wohl ebenfalls viel trainieren, wie der Hüne neben ihm, denn seine Oberarme strotzten nur so von Stärke.

Das Auffälligste an ihm war jedoch an seinem Gürtel, der seine schwarze Hose am rechten Platz hielt. Er hatte dort ein Säbel festgeschnallt.

Julius hatte noch nie einen Mann gesehen, der mit einem Säbel kämpfte.

Für ihn waren das immer nur Kampfmittel der Piraten gewesen.

„Mach mal halb lang!“, verteidigte sich Max.

„Wieso kommst du so plötzlich zu mir hier und machst mich so blöd an? Außerdem lüge ich dich nicht an!“, brummte der Schwarzhaarige lautstark.

Der Blonde baute sich weiter auf:

„Willst du Stress? Ich schlage dich zusammen, bevor du überhaupt deinen kleinen Finger rührst.“, provozierte der junge blonde Mann.

„Nur plump mit Gewalt drohen.“, erwiderte der Schwarzhaarige.

„Mach mich nicht wütend! Du wirst das bereuen!“, drohte sein Gegenüber weiter.

Er war wohl wirklich wütend, denn es traten schon die Adern an seiner Stirn hervor.

Es erstaunte Julius ein wenig, dass sich ein junger Mann so provozieren ließ.

Die dunkelblaue Pupillen des aggressiven Blonden fixierte sich weiter auf Max und sie könnten als Waffe dienen, würden Blicke töten.

„Was wird das? Willst du mich beeindrucken? Auf so ein Niveau lasse ich mich nicht herab. Mit Gewalt eine Diskussion zu beenden, das ist so dumm.............. und unmännlich.“

Julius trat hervor, er drückte Max ein wenig zurück und meinte zu ihm:

„Lass es. So eine Diskussion ist unnötig.“

Völlig verständnislos wurde der Schwarzhaarige sauer:

„Was?!“, wurde er lauter:

„Er hat doch mit der verdammten Diskussion angefangen?! Er betitelt mich als Lügner!“, aber Julius beachtete Max nicht.

Sein gleichgültiger Blick traf den blonden Mann.

„Was willst du?“, folgte zugleich seine Frage.


 

„Komm Cedric........., wir sollten gehen. Da drüben ist die Polizei. Die werden noch sauer, wenn wir weiter laut sind.“, sprach der Koloss hinter dem aggressiven blonden Mann.

Er deutete auf das Gebäude hinter Max.

Der junge Polizist, der zuvor noch neben Max stand, war inzwischen verschwunden.

Julius wirkte für einen kurzen Moment überrascht, als er den Koloss kurz begutachtete, aber dies galt nur für das ungewöhnliche Aussehen.

Der Hüne trug von allen Anwesenden die interessanteste Frisur. Es war eine schwarze Stachelfrisur, wie von einem Igel, aber mit langen spitzen Stacheln. Sie sah zu unüblich aus, als wäre diese Frisur von Natur aus so.

Sein Körper war gestählt. Ein Berg eines Mannes. Ehrlich gesagt hatte Julius noch nie so einen durchtrainierten Oberkörper gesehen. Es sah aber schon so aus, als wäre das auch nicht mehr gut für die Gesundheit.

Die beiden mussten schon enorme Trainingsphasen absolviert haben, dabei wirkten sie gar nicht mal so alt.

Über seinem gestählten Körper trug der Hüne ein knappes schwarzes Muskelshirt, welches seine Brustmuskeln gut kennzeichnete, dazu trug er dunkelblaue Jeans, zudem erkannte man an seinem rechten Unterarm ein schwarzes Tattoo.

Es sah aus wie ein schwarzer Drache.

Seine hellbraune Pupillen wirkten sanft und ahnungslos, sowie zum Teil sein gesamter Gesichtsausdruck.

Es wäre hart ausgedrückt, aber der Hüne wirkte nicht unbedingt so, als wäre der Kerl mit Intelligenz gesegnet worden.

„Yannick....................“, fing der junge blonde Mann ruhig an, aber es war eher eine bedrohliche Stille. Eher wie die Ruhe vor dem Sturm.

„....................dieser Möchtegern soll angeblich das Gildenzeichen der neuen Gilde von Linda Westallya tragen. Wie kannst du da so ruhig bleiben, wenn du weißt, dass dieser Idiot deine Ideale beschmutzt. Die Gilde bestand niemals aus solch einem Kindergarten.“, brummte Cedric.

„Aber............, damals waren doch auch junge Mitglieder dabei.............. zum.......... Beispiel............, dieser kleine Junge................ und diese Mädchen................., ich habe die Namen vergessen.“, versuchte Cedrics Mitstreiter zu erklären.

Cedric wandte sich von seinem Begleiter ab. Sein Blick traf wieder auf den unbeeindruckten und gleichgültigen Gesichtsausdruck von Julius.

„Das ist was anderes. Rick war Lindas Adoptivsohn. Die beiden hier kenne ich nicht und sie streifen durch Festa. Sie könnten auch einfach nur Diebe sein, die sich als Gildenmitglied ausgeben. Siehst du das Gildenarmband an ihren Armen. Ganz klar, dass ich angelogen wurde. Linda hätte mir schon längst von einer neuen Gilde erzählt und die alte Gilde hatte früher einen großen Namen. Da hätten solche Kinder niemals Platz gefunden.“, behauptete der junge blonde Mann.

„Waren wir früher nicht auch..................?“, wollte Yannick fragen, da funkte Cedric harsch dazwischen:

„Schluss! Das hat hier nichts damit zu tun!“, dann setzte er sein grimmigen und zornigen Blick fort.

„Diese beiden hier kommen mir nicht davon.“, fügte der Blonde seiner Drohungen eine neue hinzu.

„Sie hat eine neue Gilde vor einem Jahr eröffnet. Ein paar wenige von Festa haben von ihr gehört. Die Ranger Guild. Die Geschichte mit Mr. S sollte doch genug Aufmerksamkeit erregt haben?“, erklärte Max. Er trat an Julius vorbei.

„Und nur weil du nicht fähig bist..............“, wollte der Schwarzhaarige beginnen, jedoch wurde er in dem Moment von Julius wieder zurück gedrückt.

„Erzählt was ihr wollt, aber ich hasse Leute, die mich verarschen wollen. Einfach jeder will mich verarschen. Ich kann das gar nicht ab. Leute erzählen viel. Ranger Guild hin oder her. Linda hätte mich angerufen und dann hätte ich das persönlich erfahren, also was anderes glaube ich nicht! Schon gar nicht von solchen Idioten wie euch.“, er trat ein Schritt auf Julius zu, der nicht zurückwich.

„Sie hat mich aber nicht angerufen und warum? Weil sie keine neue Gilde hat.“, brummte der Blonde, dabei fletschte er förmlich seine Zähne, als wollte er unbedingt beweisen wie hart er war.

„Oh............ ähm........... Cedric............. ich......................“, meldete sich der Hüne hinter Cedric verlegen zu Wort.

„Was?!“, brummte Cedric und er wandte sich gereizt zu seinem Begleiter um.

„Die Sache mit Lindas Nummer..........................“, begann Yannick langsam.

Er zögerte ein wenig, aber der Kerl mit der Stachelfrisur brachte dann doch den Mut auf:

„...............ich wollte sie vor einer Weile anrufen, aber ich habe dabei versehentlich die Nummer gelöscht. Ich hatte Angst es dir zu sagen..............., ich............., es................., es tut mir Leid, Cedric. Ich hatte Angst, dass..............“, begann der Hüne, ab der junge blonde Mann unterbrach ihn:

„Wirklich, Yannick?“, der Hüne sah zur Seite, dabei kratzte er sich am Hinterkopf.

„Du hast also mein Handy genommen............, einfach so?“, meinte Cedric in einem bedrohlichen und ruhigen Ton.

Die Hand des jungen Mannes verschwand in seiner Jackentasche, daraufhin zog er sein schwarzes Handy hervor.

Er tippte sofort in seinem Handy herum.

Nach wenigen Minuten färbte sich sein Gesicht rötlich. Die Adern traten weiter hervor.

„Du hast sie nicht gelöscht, Yannick! Du hast sie blockiert! Klar, dass sich Linda nicht mehr gemeldet hat! YANNICK! Wie hast du das hinbekommen? Bist du nicht einmal fähig ein Handy zu bedienen?!“

„Handys sind so kompliziert.“, meinte der Hüne leise. Er wirkte in diesem Moment gar nicht mehr so groß und bedrohlich.

Der Blonde dagegen war kurz vorm explodieren, da trat der Kommissar der Stadt aus seinem Polizeirevier heraus.

Mit lauter Stimme brüllte er:

„Verschwindet von hier! Wenn ihr noch weiter Lärm vor meinem Revier macht, dann buchte ich euch ein! Hier wollen Leute arbeiten!“


 

Max und Julius waren daraufhin schnell in die Stadt geeilt, um möglichst viel Abstand zwischen ihnen und den beiden Fremden zu schaffen.

„Weg von diesem Idioten.“, meinte Max währenddessen und sah ab und zu nach hinten.

„Macht der mich einfach von der Seite dumm an.“, beschwerte sich der Schwarzhaarige weiter.

„Was ist eigentlich sein Problem? Der hat mich einfach angeschrien, ohne das ich was gemacht habe! Einfach so!“, wurde Max lauter.

Julius ließ den Jungen reden, ohne darauf einzugehen, aber auch er musste zugeben, dass dieser junge blonde Mann eine sehr nervige Natur hatte.

Aber solche Typen weiter zu provozieren brachte nichts, deswegen wollte Julius sich wieder der eigentlichen Aufgabe widmen.

„Ihr wollt abhauen?“, brummte Cedric.

Er stand plötzlich wieder vor den beiden Jungs.

Julius wurde skeptischer. Wie hatte der Blonde das hinbekommen?

Der Junge hatte ihn nicht gesehen, wie er vorbei gerannt war.

Yannick tauchte wenig später hinter Max auf.

Er wirkte ein wenig aus der Puste.

„Was willst du jetzt schon wieder? Wir haben zu tun. Wir haben keine Zeit für solch ein Kinderkram.“, meinte Julius leicht genervt.

Der Blonde versuchte Julius auf die Brust zu tippen, da packte Julius die Hand des Blonden und drückte diese grob zur Seite, aber Cedric schien sich soweit zu beherrschen, dass er nicht gleich auf den Jungen losging.

Er lachte nur selbstgefällig und der blonde junge Mann meinte in einer bedrohlichen Stimmlage:

„Mache das noch einmal und ich dekoriere dir dein Gesicht um. Ein Säbel habe ich dabei.“

Julius zeigte sich wie immer unbeeindruckt.

„Ich will geklärt haben, ob ihr gelogen habt oder nicht! Ich kann keine Betrüger herumlaufen lassen, die den guten Ruf von Linda mit Füßen treten! Ich nehme so etwas immer persönlich.“, drohte Cedric, während er wieder auf Julius zeigte.

„Hast du nichts besseres zu tun, als uns zu nerven?“, fragte Julius.

Da zog der Blonde erneut sein Handy. Nach ein paar mal Drücken, legte er es an sein Ohr.

„Ja............ Hallo........... Linda. Ich bin es.................., Cedric.“, fing der junge Mann an.

„Ja..............., Yannick hatte die Nummer blockiert.................., keine Ahnung, wahrscheinlich Dummheit.............., was? Was soll ich denn dafür können?“, genervt blickte Cedric Julius in die Augen.

„Nein............., aber ich melde mich wegen was anderes..............., ja...................., nein.........., nein, wegen zwei angeblichen Mitgliedern, die behaupten, dass....................., was..................., wirklich?“, der junge blonde Mann wirkte für einen kurzen Moment erstaunt.

„Nein...................., wirklich nicht................, mich interessiert die Presse ein Scheiß und das Gelaber von anderen auch..............., und?................... Ja und?................ Mir doch egal................., also gut................., ja................... ja.................. ja.............., wir melden uns.“, daraufhin legte Cedric schnell auf und er steckte sein Handy zurück.

Julius hatte sich schon von ihm abgewandt und er wollte gehen, da brummte Cedric hinter ihm:

„Glück gehabt. Jedoch würde ich euch immer noch gern die Fresse polieren. Einfach nur, weil ich euch hasse.“, daraufhin wandte er sich ebenfalls ab.

„Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“, meinte Max genervt, aber der junge blonde Mann drehte sich nicht um, als er in die entgegengesetzte Richtung ging.

„Verzieh dich in deine Mülltonnen, Kleiner! Ihr solltet dringend mal so etwas wie Wasser über euch gießen lassen.“

Yannick dagegen wirkte nervös, aber er eilte anschließend seinem Mitstreiter hinterher.

Mit beleidigter Miene starrte der Schwarzhaarige Cedric nach.


 

„Wie konntest du das so ignorieren?“, fragte Max verständnislos, als er zu Julius aufgeholt hatte.

„Ist doch nur ein weiterer dieser Idioten.“, antwortete Julius. Daraufhin herrschte für ein paar Minuten Stille. Für Julius war dies angenehm, aber für Max wahrscheinlich nicht.

„Dass so ein Depp in der alten Gilde war? Linda sucht sich komische Leute aus.“, wollte der Schwarzhaarige ein neues Gesprächsthema beginnen, aber Julius zeigte gleich, dass er keine Lust auf so eine Diskussion hatte. So stoppte der Schwarzhaarige den Versuch.

Nach wenigen Minuten der Stille, unterbrach erneut eine männliche Stimme von der Seite diese Ruhe.

Schon wieder meldete sich der Glücksspieler und er wandte sein Wort an Julius.

„Ah........., du kommst zurück. Möchtest du jetzt spielen? Jetzt gibt es sogar ein Angebot und zwar der dreifache Gewinn für.............“, aber die beiden Jungs liefen an dem Mann vorbei, als wäre er gar nicht da. Wieder flogen wilde Worte hinterher.

Max brummte zornig, aber er hielt sich zurück.

„Wie gehen wir jetzt eigentlich vor? Habt ihr schon eine Idee wie wir uns aufteilen bei der Suche? Habt ihr eine Karte von der Stadt? Habt ihr eine Ahnung wo sie sein könnte?“, fragte Max.

„Karte? Wir suchen einfach, als hätten wir Zeit Pläne zu schmieden. Wir sind einfach alle in verschiedene Richtungen gerannt. Die Stadt soll ja nicht groß sein. Wir haben ja nicht viel Zeit, wie du weißt.“, meinte Julius. Er klang schlecht gelaunt.

„Ernsthaft? Und so soll das funktionieren?“, fragte der Schwarzhaarige erstaunt, aber er verkniff sich wohl weiter darüber auszulassen.

„Wir haben uns gesagt, wenn wir Orte in der Stadt finden, an denen Leute etwas wissen können, fragen wir nach. Was sollen wir sonst tun? Wir sind keine Agenten, die die nötigen Mittel haben.“, erklärte Julius.

„Du klingst gar nicht mehr so zuversichtlich, wie...............“, sagte Max, aber er wurde zum ersten Mal von einem zornigen Blick unterbrochen, den der Junge wahrscheinlich noch nie bei Julius gesehen hatte.


 

„HEY HELFT MIR!“, rief plötzlich eine kindliche Stimme aus der Ferne.

Sie kam aus einer Gasse, die sich zwischen zwei großen Mehrfamilienhäuser auftat.

Einige Meter in der schwach beleuchteten Gasse, in der auch nicht das Sonnenlicht komplett reichte, weil die Vordächer der Häuser die Gasse davor abschirmten, stand ein Mann mit einer schwarzen Wollmaske über den Kopf, der ein kleinen Jungen im Griff hatte, der sich versuchte zu befreien.

Es waren, bis auf die vier, keine weiteren Personen zu sehen, so waren die beiden Jungs momentan auf sich gestellt.

Julius erste Reaktion war der Griff zu seinem Katana, aber sein zweiter Gedanke unterbrach diese Aktion.

Sollte er jetzt das Katana ziehen, würde man es ihm das nur später wegnehmen. Das Siegel hatte das Katana bisher vor dem Entwenden geschützt.

Daraufhin wollte Julius zum Jungen eilen, aber da meinte Max:

„Warte.“

Sein Gildenkollege schaute ihn zunächst überrascht an.

„Da stimmt was nicht. Wir sollten nicht zu voreilig sein.“, fügte der Schwarzhaarige hinzu.

Julius wollte aber nicht nur herumstehen und den Jungen seinem Schicksal überlassen, deswegen setzte er zum Sprint an.

„WARTE!“, wurde Max lauter und Julius stoppte erneut.

„Wieso?“, fragte er gereizt.

„Ist er eigentlich gegen fast alles sofort misstrauisch? Dem Jungen muss geholfen werden. Es ist doch offensichtlich, dass der Junge von diesem Maskenmann entführt wurde. Solange er noch keine Waffe gezogen hatte, kann ich ihn umhauen.“

Bei diesem Gedanken wurde Julius jedoch selbst unsicher.

Der rufende Junge wehrte sich weiter und der Mann mit der Maske blieb weiterhin still.

„Helft mir doch!“, bat der Junge.

Es passierte jedoch nichts.

„Verdammt! Helft mir doch!“, bat der Junge erneut.

Er versuchte sich zu befreien, aber der Griff des Mannes war wohl zu stark.

„HELFT MIR DOCH, IHR VERDAMMTEN PENNER!“, brüllte der Junge.

Ein Grinsen schlich sich auf Maxs Miene.

Da merkte auch der zappelte Junge, dass er wohl ein Fehler gemacht hatte.

Der Junge ließ locker und er befahl seinem Entführer ihn loszulassen.

Julius war nicht wirklich beeindruckt, dass Max dieses Schauspiel so schnell durchschaut hatte.

Ihn nervte es nur gewaltig, dass schon wieder irgendwelche Ganoven versuchten angebliche dumme Jugendliche reinzulegen.

Der Mann mit der Maske zog zugleich seine obligatorische Schusswaffe.

„Dann eben so!“, brüllte er mit einer tiefen Stimme.

Der angeblich entführte Junge, der in Gefahr war, stellte sich neben seinem Komplizen auf. So wirkte er gar nicht mehr unschuldig. Es zeigte nur, dass man niemanden sofort trauen sollte.

„Gebt mir die Kristalle und ihr dürft leben.“, brummte der Schütze.

„Kristalle? Er weiß von den Kristallen?“, überlegte Julius überrascht.

„Ich schieße, wenn ihr sie mir nicht sofort gebt. Ich meine das ernst! Selbst hier in diesem Wohngebiet!“, der Mann klang sehr überzeugend, aber das dieser fast zehn Meter von den beiden Jungs entfernt stand und nicht näherkam, ließ Julius wieder Zweifel aufkommen.

„Würde er wirklich hier, in diesem Wohngebiet und in der Nähe des Polizeireviers ernsthaft schießen?“, murmelte Max.

„Verbrecher agieren auch irrational.“, erklärte Julius.


 

Ein Schatten huschte schnell über den Boden und Julius sah kurz nach oben. Er entdeckte ein weißen Vogel, der über den Spalt, welcher zwischen den beiden Vordächern lag und dem Himmel einen Blick in die Gasse ermöglichte, flog.

Während Julius sich wieder anschließend auf die beiden vor ihm konzentrierte, bemerkte er ein großer Mann im schwarzen Gewand, der direkt hinter den beiden Ganoven aufgetaucht war und auf Max und Julius zulief.

Er lief zügig zwischen dem Mann mit der Maske und dem Jungen hindurch, dabei bewegte er seine Arme so schnell, dass Julius es nicht wirklich verstehen konnte, was der Mann eigentlich gerade getan hatte.

Seine Bewegungen hatten zu dem geisterhafte Züge, die ein wirkliches begutachten des Äußerlichen des Mannes unmöglich machten. Es wirkte so, als wäre man plötzlich zu müde, um sich zu konzentrieren. Als würde ein Schatten den Mann vor Blicken schützen.

Der Mann mit der Maske und der Junge lagen anschließend bewegungslos auf dem Boden.

Es war das erste Mal seit langem, dass Julius so ein grässlichen Schauder bekam, der ihm ordentlich Angst machte.

Normalerweise zuckte der Junge nicht einmal bei der angeblich schauderhaftesten Horrorgeschichte von Ranger Island. Die Geschichte der fliegenden Fratze und der schwarzen Hand.

Nicht einmal, als damals Illan vor den drei Jungs trat oder die riesige Spinne sie alle töten wollte.

Aber hier war dieses Gefühle plötzlich mitten aus dem Nichts gekommen.

Der Mann im schwarzen Gewand lief zwischen Max und Julius hindurch, ohne das sich einer von ihnen überhaupt bewegen konnte.

Man fühlte sich paralysiert. Wie unter einem Bann.

Beim Vorbeigehen flüsterte der Mann lautstark:

„Sagt Linda, dass sie besser auf ihre Kinder aufpassen sollte. Immerhin besitzen sie wertvolle Artefakte, die heiß begehrt sind. Ich könnte sie euch abnehmen und euch töten, ohne dass ihr überhaupt mitbekommen würdet, dass ich schon längst nicht mehr hier bin. Ich komme aber wieder.“, daraufhin war der Mann auch schon von der Wildfläche verschwunden.

Als hätte man die Zeit wieder angestellt, musste Julius erst einmal durchatmen. Max hielt sich an der Außenmauer fest. Er musste wohl auch gerade ein Schock seines Lebens bekommen haben.

Es hatte sich gerade angefühlt, als hätte dieser Mann wirklich vorgehabt die beiden zu töten.

Als hätte man dem Tod ins Auge geblickt und man wäre von einer eisigen kräftigen Hand festgehalten worden. Die Klinge befand sich förmlich schon am Hals.

Max und Julius standen so einige Minuten. Die beiden Ganoven lagen weiterhin regungslos in der Gasse.

„Was zum Teufel war das?“, meinte der Schwarzhaarige extrem nervös. Viele Schweißperlen hatten sich schon auf seiner Stirn gebildet.

Selbst Julius bemerkte, dass er ebenfalls angefangen hatte zu schwitzen.

Jedoch blieb Julius kommentarlos.

Eines hatte diese skurrile Situation deutlich gezeigt.

Julius wusste jetzt ganz genau, dass eines nicht mehr gegeben war.

Und zwar das Gefühl, dass man weiterhin unbeschadet durch Festa bei der Suche nach Tina streifen konnte. Zumindest solange, wie die beiden Jungs die Elementkristalle noch bei sich trugen.

Selbst damals nach dem Kampf in der Wüste hatte er nicht diese Bedenken gehabt.

Diese Bedenken wurden jetzt noch zusätzlich bestärkt, da Julius ganz genau wusste, dass er so in diesem Zustand keine Chance gegen so etwas hatte.

Die Überlegungen mit dem Üben des Katanas war nun keine Spielerei oder ein Witz mehr, denn er musste jetzt wirklich anfangen zu trainieren.

Das nächste Mal könnte so ein Treffen tödlich enden.

Verschwunden XVIII --- Das Geschenk

[Rick]
 

"Schon wieder nichts.", jammerte Rick leise.

Er ging kopfschüttelnd aus dem Hotel.

Mit dem Kopf gesenkt setzte er sich auf eine Holzbank, welche in der Nähe des Hotels, nahe der Straße, stand.

Zurzeit fuhr kein Auto, daher war es still.

Nur der leichte Wind fegte über die Straßen und er brachte eine gewisse Kühle, welcher die Stimmung weiter senkte.

Alina setzte sich neben ihm und strich ihm sanft über die Schulter.

„Es wird schon alles gut werden.“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

Inzwischen versuchte Rick wirklich darauf einzugehen, denn er hatte ein wenig eingesehen, dass die reine Verzweiflung alles anderes als fördernd war und er vielleicht mehr die Hilfe der anderen annehmen sollte.

Rick versuchte wirklich positiv zu denken.

Nur machte ihnen das Schicksal immer wieder ein Strich durch die Rechnung.

Zuerst klangen die Gerüchte sehr zuversichtlich.

Man hatte angeblich ein Mädchen gesehen, welches von Zuhause weggelaufen war und nach einem Hotel gefragt hatte. Rick hatte gleich angenommen, dass es Tina sei. So suchten sie alle Hotels in der Nähe ab.

Und nun hatten Alina und Rick schon das dritte Hotel durchquert bzw. die Person am Schalter mit Fragen überhäuft.

Ein viertes Hotel war schon in Sicht, aber die Aussicht auf Erfolg schwand mit jeder Minute.

"Wo steckt sie bloß? Wo bist du nur?"

Rick versenkte sein Gesicht in seinen Armen. Diese Ungewissheit machte ihn fertig.

Der Countdown saß ihm zudem auch im Nacken, dabei erklärte Alina ihm jedes Mal, dass dies nicht hundertprozentig sicher sei, vielleicht ging es Tina ja gut. Der alte Magier könnte gelogen haben. Nach der Aussage von Daniel soll der Mann ein ziemliches Arschloch gewesen sein.

Vielleicht machte er sich ja wirklich ein Spaß daraus. Wer wusste das schon genau.


 

„Machen wir weiter, Rick. Deine traurige Miene, die macht mich selbst traurig.“, erklärte Alina.

„Ja, ich weiß. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich ermahne euch immer wieder, aber nun halte ich mich selbst nicht daran.“, erklärte er, daraufhin stand der Junge auf.

„Mach dir kein Kopf wegen mir. Ich sehe es ja selbst........................., selbst ich bin nicht so naiv. Ich muss mir an die eigene Nase fassen.“, meinte er zu seiner Freundin.

„Ich mache dir deswegen keine Vorwürfe.“, erklärte sie.

Der Junge schaute sie schwach schmunzelt an.

„Wir schaffen das! Wir werden sie finden“, gab Rick bekannt. Daraufhin nickte Alina.

Anschließend sah er seiner Freundin tief in die Augen:

„Auf zum nächsten Hotel. Wir haben noch viel vor uns.“, sein Blick wirkte wieder ein wenig entschlossener, sodass Alina ebenfalls kurz lächelte.

„Also, auf geht's! So gefällst du mir übrigens besser.“, erklärte Alina.

So suchten die beiden das Sonnensternhotel auf. Das vierte und letzte Hotel, welches in dieser Stadt lag. Alle anderen Gebäude dieser Art, sahen eher gefährlicher und dreckiger aus. Es waren Schlafräume, die sich über Kneipen befanden. So ging Rick schon von vornherein aus, dass Tina nicht dorthin gegangen war, zumindest nicht freiwillig. Wenn so ein Mädchen überhaupt in solche Gebäude durfte, was ja nach dem Gesetz nicht der Fall war.

Das Hotel lag abseits im Osten der Stadt. Die Umgebung wirkte ruhiger und die Atmosphäre entspannter, als im Westen beim Bahnhof.

An sich war dieses Hotel das letzte Gebäude der größeren Straße, aber ein breiter Pfad führte um das Gebäude herum. Dieser sah befahrbar aus.

Ein weiterer Pfad führte von der Straße aus direkt in den Wald, aber der Weg war zu schmal, um von Fahrzeug befahren zu werden, außerdem war es diesen untersagt dort entlang zu fahren.

Der schmale Weg führte in die Ferne in Richtung Berge.

Abgesehen von dem Hotel standen noch vereinzelt eher baufällige Wohnhäuser herum.

Das Hotel an sich sah auch nicht besonders prächtig aus, aber es tat seinen Zweck.

Mit drei Sternen war es immer noch eine gute Mittelklasse.

Im Vergleich zu den meisten Wohnhäusern, stach das Gebäude alleine schon damit heraus, dass die Farbe der Dachziegel hellrot war und einen prächtig angelegten Hintergarten besaß, den man von der Straße aus zum Teil betrachten konnte. Gepflegt wurde er definitiv.

Der andere Weg, der am Haus entlangging, wies Spuren auf, die darauf hindeuteten, dass dort gelegentlich ein Fahrzeug fuhr.

Dieser unebene Pfad führte ebenfalls in ein Waldstück, aber danach sofort einen steilen Abhang hinauf. Nur ein Jeep könnte dort hinauf fahren.

In einigen Meter Höhe, bei einer Holzhütte, endete der Weg.

Das Haus stand ziemlich Abseits von der Stadt und es bot bestimmt eine gute Aussicht von dort oben und bestimmt eine angenehme Stille.

Rick interessierte diese Hütte jedoch nicht. Er wandte sich dem Hotel zu.

„Ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Gebäude. Ich werde sie finden!“, machte sich Rick Mut, als er zur gläserner Eingangstüre trat, um diese anschließend zu öffnen.

Langsam ging er hinein und der Junge gelangte in den eher langweilig aussehenden Eingangsbereich.

Im Eck vegetierten ein paar große Pflanzen. Zwei große rote Sofas standen sich gegenüber und in der Mitte des Raumes stand die Rezeption und eine blonde Frau schien dort zu arbeiten.

Sie trug hochgebundenes blondes Haar, dazu eine saubere Arbeitsuniform.

Zwar sah das Gebäude von innen eintönig und einschläfernd aus, aber zumindest war es sauber, zudem war der Duft in der Luft sehr angenehm und man fühlte sich entspannter..

Die Mitarbeiterin wirkte nicht hektisch und als die Dame die beiden sah, lächelte sie sogar.

„Heute bekomme ich aber viel Besuch. Ihr seid nicht die Ersten.“, meinte die Empfangsdame erfreut.

Sie fing wieder an weiter zu arbeiten.

„Sie wird hier sein!“, Rick war fest entschlossen damit recht zu haben.

Er ging überzeugt und gezielt zum halbrunden Tisch, um dort mit der Dame zu sprechen.

„Wir sind auf der Suche nach einer Freundin. Ein junges Mädchen ungefähr in meinem Alter. Sie hat.............“, wollte Rick beginnen zu erklären, da unterbrach die Empfangsdame den Jungen zugleich:

„Ein Mädchen war zuvor hier. Sie wirkte sehr verwirrt und das arme Ding war auf der Suche nach jemanden. Das Mädchen sprach zu schnell, sodass ich leider nicht allzu viel verstand. Ich war froh, als dann wenig später ihre Familie kam, um sie abzuholen. Ich glaube ihr Onkel war hier? Komische Männer in schwarz. Wenn ich ehrlich bin, war das für mich ein wenig zu suspekt, aber was verstehe ich schon davon?“

„Warte was?“, unterbrach Rick.

Der Junge dachte, dass er sich verhört hatte.

„Ein Mädchen.........., sie schien müde und traurig zu wirken. Ich war zwar froh, dass............., wobei ich mir jetzt wirklich Gedanken mache. Sie ist nicht............“, die Frau schien zu überlegen.

„Da stimmt doch was nicht. Diese Geschichte gerade............., diese Männer.........“, Rick zweifelte. Er musste nachdenken.

Währenddessen mischte sich Alina ein:

„Wie sah das Mädchen aus?“

„So groß wie ihr............, ich schätze etwas längeres rotbraunes Haar, unschuldiger Blick. Sie wirkte geschwächt und das Mädchen hatte Angst, wobei ich mir jetzt sogar Sorgen mache................., diese Männer hatten das Mädchen schon ziemlich grob angefasst................“, die Frau an der Rezeption wirkte immer nachdenklicher.

„Verdammt nochmal! Sie wurde von diesen Männern verschleppt!“, Rick wurde lauter.

„WAS?! Diese Männer sollen Entführer sein? Das bedeutet ja................, von wegen Familie! Die Männer haben mich angelogen!“, bemerkte die Dame. Sie wirkte tatsächlich schockiert.

„Wo sind sie lang?“, wurde der Junge lauter.

„Was weiß ich............“, die Dame wirkte hektischer:

„Sie sind die Straße da entlang gefahren, also die neben dem Haus, aber die führt doch nur zur einer Holzhütte..............“, die Frau konnte nicht einmal zu Ende reden, da Rick schon aus dem Gebäude stürmte.

„Hey warte, Rick!“, rief Alina ihm hinter. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ihr Freund gleich losstürmen würde.

„Ich muss Tina da rausholen!“, sagte Rick sich immer wieder, während er den Weg entlang hetzte.


 

Der Weg zur Holzhütte war vielleicht insgesamt nur einen Kilometer lang, sodass Rick ein großen Wegessabschnitt in nur kurzer Zeit schaffte. Alina kam nur keuchend hinterher.

„Hey Rick! Sei vernünftig, verdammt! Wenn das wirklich Entführer sind, dann...........“, sie musste kurz durchatmen.

Ihr Freund wartete aber nicht, auch wenn er selbst schon völlig aus der Puste war.

Der Gedanke trieb ihn weiter an.

„Ich befreie sie! Ich hole sie da raus! Ich schulde ihr das! Ich bin verantwortlich für ihre Tortur und nur weil ich damals............“, machte sich der Junge immer weiter Vorwürfe.

Während Alina stehenblieb, um Energie zu tanken, eilte Rick zur Holzhütte.

Einige Meter vor der Gebäude blieb er jedoch stehen.

Ein schwarzer Jeep stand in der Nähe des Hauses.

Die Holzhütte war von der Nähe aus gar nicht so klein. Das Gebäude war zwei Stockwerke groß und bot zumindest Platz für eine handvoll Personen.

Es war still und es herrschte eine unangenehme und bedrohliche Stimmung.

Seine innere Stimme versicherte ihm, dass er am besten keinen Fehler machen sollte.

Einer dieser Fehler war das Betreten dieser Hütte, ohne Plan.

Wer wusste schon wie viele Entführer in diesem Gebäude waren.

Der Junge musste mit einem Plan vorgehen, aber mit welchem Plan? Rick hatte keinen.

Sollte er sich einen Ast aus dem Wald schnappen und die Männer einfach so attackieren?

Sollte er vielleicht die Polizei rufen?

Würden sie ihm überhaupt zuhören?

Würden die Entführer hierbleiben oder gleich wegfahren?

Blieb wirklich nur das Losstürmen übrig?

Aber was sollte der Junge sonst tun?

Da schoss ihm ein besserer Gedanke durch den Kopf:

„Linda informieren!“

Diese Idee war eine Überlegung wert. So zog er sein Handy hervor, um nur festzustellen, dass er vergessen hatte es zu laden.

Beinahe hätte der Junge deswegen lautstark geflucht. Wütend unterdrückte er seinen Ausbruch. Wieso hatte er das vergessen?


 

Plötzlich schauderte es den Jungen, als jemand gleichgroßes an ihm vorbeiging.

Kurz zuckte Rick, weil er bemerkte, dass es nicht Alina war. Es war aber auch kein Feind.

Illan war schweigend an ihm vorbei getreten:

„Ich habe nun sämtliche Bezirke außerhalb der Stadt durch und Tina befand sich nirgendwo. Einzelne Tagesdiebe versteckten sich, aber mehr auch nicht. Ich schätze mal stark, dass ihr sie gefunden habt?“, der Vampir sah Rick mit einer kühlen Miene an.

Darauf wandte Illan seinen Blick kurz auf die Holzhütte, um anschließend wieder Rick anzuschauen.

„Kannst du sie da rausholen?“, fragte der braunhaarige Junge.

Es war das erste Mal, dass er Illan um etwas bat.

Außerdem war es das erste Mal, dass Rick dies Anwesenheit des Vampirs nicht ablehnte.

Seine kühle und finstere Art hatte den Jungen immer gestört, aber nun war sie eher das Motivierende. Die Gewissheit, dass Illan sie heil zurückbringen würde.

Rick erinnerte sich an den Kampf gegen die Riesenspinne und an die Kraft und die Opfer, die der Vampir hingelegt hatte.

Der Junge erinnerte sich auch an die Verletzungen, an die Illan zu leiden hatte, aber dennoch hatte der Vampir niemals ein Vorwurf erhoben.

„Beenden wir die Ungewissheit.“, meinte der Vampir und schon ging er auf die Holzhütte zu, während Rick hinter ein paar Büschen Deckung suchte. Alina schloss inzwischen zu ihm auf.

„Wo kommt Illan denn her? Ich habe ihn zuvor gar nicht bemerkt.“, fragte sie verwirrt, während das Mädchen immer noch von dem Sprint erschöpft war. Keuchend stand Alina immer noch neben ihrem Freund.

Rick ging nicht direkt auf ihre Frage ein, stattdessen erklärte er:

„Für ihn ist es bestimmt ein Leichtes uns zu finden oder es war nur Zufall. Was auch immer, aber er kann sie da rausholen. Er schafft das.“, meinte Rick sehr zuversichtlich.

Er würde aber nicht still sitzen bleiben. Würde sich eine Chance ergeben, dann würde der Junge ebenfalls handeln.

„Ich bin stolz auf dich.“, begann Alina plötzlich und Rick schaute sie verwirrt an. Bevor er das erste Wort formulieren konnte, erklärte seine Freundin:

„Früher wärst du dumm in das Gebäude gerannt. Du hast zum ersten Mal ein kühlen Kopf bewiesen und das Feld jemand anderes überlassen. Das ist für mich völlig ungewöhnlich, aber es freut mich sehr.“

„Ich bin kein Idiot, auch ich bin fähig zu lernen.“, erklärte Rick und er sah zur Seite.

Ihm war das Lob ein wenig peinlich und es war ihm peinlich, darüber überhaupt nachzudenken, dass es ihm peinlich war.


 

Schon zersprang ein Fenster und jemand flog heraus. Es war ein Mann im mittleren Alter.

Er trug ein schwarzen Anzug, sowie eine schwarze Jeans. Sein Aussehen erinnerte an die Bodyguards von bekannteren Personen.

Der Gestürzte sah nach dem Absturz ziemlich mitgenommen aus.

Zudem landete ein Tisch neben ihm, als der Mann vom ersten Stockwerk auf die Wiese krachte.

Der Tisch wurde dadurch fast komplett zerstört. Die Splitter verteilten sich auf der Wiese.

Zugleich stand der Mann auf. Er wirkte sichtlich geschwächt.

„Scheiß Vampir! Ich muss Verstärkung rufen.“, brummte er und zugleich zog der Mann ein Telefon hervor.

Nun war das Signal da und Rick eilte zu diesem Mann, denn solange dieser abgelenkt war, konnte Rick diesen Anzugträger gut überraschen. Er durfte keinesfalls Verstärkung rufen.

„Was machst du da?!“, flüsterte Alina so laut, wie es ihr möglich war.

Schon hob der Mann eine Schusswaffe hervor, als er den Jungen auf sich zurennen sah.

Rick zuckte zwar vor Nervosität, aber er war zum Glück schneller, als der Schütze überhaupt auf den Jungen zielen konnte. Die Hand des Mannes schwankte stark beim Zielen. Seine Augen wirkten verschwommen.

So verpasste der Junge dem ein Kopf größeren Mann ein Bodycheck.

Dieser verlor das Gleichgewicht und schwankte nach hinten.

Erst jetzt sah man die Verletzungen des Schützen deutlich.

Der Fall durch das Fenster hat Schnittwunden an seinen Armen hinterlassen. Der Blutverlust war schon enorm, deswegen war seine Konzentration auch geschwächt.

Zudem konnte der Mann nicht einmal mehr ordentlich seine Waffe halten.

„Meine Chance!“, dachte Rick und er wollte den Mann mit einem weiteren Stoß umwerfen, aber der Schütze schlug zurück und er verpasste dem Jungen ein gezielten Treffer ins Gesicht.

Brummend wich Rick nach hinten. Zum Glück fühlte es sich eher nur wie eine Ohrfeige an.

Alina hatte aber nicht nur zugesehen, sie hatte genau in diesem Moment dem Mann ein Schlag mit einem abgebrochenen Stuhlbein verpasst, der dabei zerbrach. Der Schütze schwankte und Rick setzte trotz Schmerzen im Gesicht zu einem neuen Bodycheck an.

Dieses Mal zeigte es Wirkung und der Mann fiel nach hinten, dabei ließ er seine Schusswaffe fallen, die Rick gleich aufnahm und den Abhang, in einigen Meter Entfernung, hinunterwarf.

„Bleib unten!“, drohte Alina, als der Mann sich rühren wollte. Brummend starrte er die Blondine an.

Nach seinem Blutverlust zu urteilen, konnte er aufstehen womöglich auch nicht mehr so schnell.

„Kinder? Ihr solltet woanders spielen gehen.“, gab der Mann selbstsicher bekannt.

„Dann hättet ihr unsere Freundin nicht kidnappen sollen!“, konterte Rick, der sich vor dem liegenden Mann aufstellte. Das Grinsen des Anzugträgers verschwand nicht.

„Kidnappen? Als ob ihr eine Ahnung hättet. Sie kam freiwillig zu uns.“, meinte der Besiegte. Er wollte mit den Schultern zucken, aber das tat ihm wohl weh.

„Halt uns nicht für blöd. Tina kommt mit und ihr in den Knast.“, erklärte Rick zornig, dabei ließ er aber seine Stimme nicht lauter werden.

„Tina?“, fragte der Mann. Sein selbstsicherer Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.

„Kenne ich nicht.“, fügte er hinzu.

Rick ballte seine Hände zu Fäusten und ließ sie anspannen, dass sogar die Adern hervorstachen:

„Ich sagte, dass du uns nicht für blöd halten sollst!“

„Junge, komm mal runter. Was soll die Wichtigtuerei? Du tust so, als hätten wir ein Verbrechen begangen, aber das Mädchen da drin, gehört uns. Sie ist freiwillig und völlig legal bei uns. Sie hat eine Schuld, die sie begleichen muss............“, Rick stampfte wütend neben ihm auf den Boden und sein Gesicht kam ein wenig herab, um dem Mann besser in das Gesicht brüllen zu können:

„Tina kommt uns mit! Und du landest hinter Gitter!“

„Tina? Wer soll das eigentlich sein? Diese Göre heißt Kirylla, zumindest hat ihr Vater sie so genannt, bevor er sie an uns verkaufte.“, gab der Mann bekannt.

„Was............?“, gab Rick erstaunt von sich. Er wich nachdenklich zurück.

War er es tatsächlich gar nicht Tina? Hatte Rick sie doch nicht gefunden? Frustriert sah der Junge kurz zur Seite.

Bei den letzten Worten des besiegten Mannes wurde Alina jedoch fuchsteufelswild.

„Verkaufen? Ihr habt doch nicht etwa....................“, ihre Stimme wurde von lauten Sirenen übertönt, die vom Hotel aus den Weg den Abhang hinauffuhren.

Sie hatten erst später eingesetzt, denn die Fahrzeuge waren schon in Sichtweite.

„Verfluchte scheiße!“, brummte der Mann am Boden.

Zugleich raste der erste Wagen an den drei vorbei und dieser hielt vor der Hütte.

Shoro stieg aus und er stellte sich vor den Rick und Alina auf.

„Ihr beide! Rührt euch nicht! Denn ich verdächtige euch, dass ihr Mitglieder einer illegalen Gruppierung seid. Außerdem geht es hier um Entführung.“

„Was wieso? Aber wir.........?“, gab Rick überrascht und zugleich verständnislos von sich.


 

Illan blieb verschwunden, weil er vermutlich nicht von der Polizei gefunden werden wollte.

Die Polizei fand in dem Gebäude nur drei besiegte Männer, die teilweise schwer verletzt waren und eine weibliche Person in eines der Zimmer.

Ein Mädchen war im Hinterzimmer des ersten Stockwerkes eingesperrt worden.

Als der Kommissar dies herausfand, ließ er die Anschuldigung gegen Rick und Alina zunächst fallen, aber frei waren die beiden dadurch trotzdem nicht. Sie mussten noch ein Verhör erdulden.

Die Polizei brachte das sichtlich eingeschüchterte Mädchen aus dem Haus und dann zu einem ihrer Wägen, um sie wohl anschließend auf ein Revier zu bringen. Dabei wurde sie inzwischen von Seelsorgern und Ärzten betreut.

Das Mädchen trug ein Mantel und viele Händen gaben ihr Stützen.

Währenddessen wurde der verletzte Mann auf dem Boden versorgt und verhaftet.

Er war der einzige der Männer, der noch bei Bewusstsein war.

Als sie den Mann abführten, grinste er Rick an, als wollte er ihm damit noch eine letzte Botschaft übermitteln, bevor er in den Polizeiwagen einsteigen musste.

Für einen Moment fühlte sich der Junge unbehaglich, aber dieses Gefühl verstrich schnell.

Ricks Gedanken schweiften zu anderen Problem und eines der derzeitigen Probleme war das Mädchen.

Rick hatte das Mädchen nur ein einziges Mal gesehen, bevor er selbst in eines der Wägen einsteigen musste und zwar als er das Polizeifahrzeug an sich vorbeifahren sah, welches das Mädchen zum Revier geleiten sollte.

Dabei bemerkte er deutlich, dass dieses Mädchen jemand völlig fremdes war.

Rick ging dadurch in die Knie, denn diese Erkenntnis brachte die Befürchtung mit, dass es mit Tina vermutlich schon längst vorbei war.

Wütend schlug er auf den Boden ein, bis seine Hände blutig waren und die umstehenden Polizisten ihn festhalten mussten.

Es brauchte zehn Minuten bis Ricks Verzweiflung nachließ.

„Warum! WARUM WARUM, VERDAMMT!“, brüllte er lautstark.

Alina erklärte den Polizisten währenddessen warum ihr Freund am Ausrasten war.

Im Gegensatz zum Kommissar zeigten die Vertreter für Recht und Ordnung ein wenig Verständnis.

Trotzdem mussten die beiden mit, weil man sicherstellen wollte, warum die beiden überhaupt da oben waren.

Auch wenn alles einen guten Grund hatte, so sah Rick dieses Verhör nicht ein.

Für ihn war das alles eine unnötige Tortur. Die Polizisten versicherten den beiden, dass kein Verdacht bestünde, solange sich alle an die Anweisungen hielten.

Da das Mädchen später aussagte, dass Rick und Alina definitiv nichts damit zu tun hatten, durften die beiden das Revier verlassen.

Außerdem erfuhr man, dass die Dame an der Rezeption angeblich die Polizei benachrichtigt hatte.


 

Als man am späten Nachmittag die beiden gehenließ, befand sich Rick innerlich am Boden. Mit traurigen Blicken stand er vor dem Revier auf dem Gehweg und seine kühlen Augen betrachteten die Mülltonne vor ihm.

Der Countdown des Magiers war schon längst vorbei und bisher hatte sich keiner der anderen gemeldet, aber sein Handy war auch leer. Zudem wusste vermutlich niemand, dass Rick hier war.

Einige Minuten vergingen, während er und seine Freundin schweigend vor dem Revier standen.

Rick sah zu Boden, während Alina ihn still ansah. Man erkannte, dass sie litt, aber nur, weil Rick sich selber so fertigmachte. Seine Hände waren inzwischen verbunden worden.

„Und jetzt?“, fragte er. Es klang aber eher zynisch, als hätte der Junge schon längst die Hoffnung aufgegeben.

„Weitersuchen. Wir dürfen jetzt nur nicht den Kopf in den Sand stecken. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“, wollte seine Freundin ihm Mut machen, aber ihr motivierendes Lächeln verschwand, als er sie mit den kühlen und leeren Augen ansah.

In diesem Moment ging die Tür zum Polizeirevier auf und zwei junge Männer traten heraus. Ihre Schicht war wohl vorbei.

Sie plauderten, als die beiden an Rick und Alina vorbeiliefen, dabei konnte man deutlich mitanhören über was sie redeten:

„Das arme Ding. Was für eine grausige Geschichte. Verkauft vom eigenen Vater, weil dieser Schulden hatte. Jetzt wird sie nicht einmal von einem Heim genommen, weil diese Angst haben, dass das Heim anschließend von den Entführern überfallen werden könnte. Sie wollen ihre jetzigen Bewohner damit schützen. Es ergibt zwar Sinn, aber das Mädchen wird wohl so auf der Straße landen. Die Welt ist nun einmal egoistisch und grausam.“, auch wenn das Gesagte eher traurig und deprimierend klang, so lachten die beiden Polizisten, als wäre dies völlig normal und eher als Witz formuliert worden.

„Die Welt ist krank.“, meinte Alina mit zorniger Stimme. Sie blickte den beiden Polizisten grimmig nach.

„Aber wir nicht.“, antwortete Rick und bevor sich seine Freundin zu ihm umdrehen konnte, lief der Junge zurück in das Revier.

„Was machst du?“, fragte sie daraufhin verwundert.

„Ich werde Linda anrufen.“, antwortete er ihr, ohne sie dabei anzusehen.
 

Ein paar Stunden später:
 

Inzwischen war es dunkel geworden und die beiden hatten in einem billigen Hotel der Stadt ein Zimmer gemietet. Die Kosten würden von der Ranger Guild gedeckt werden.

Mit dem Kopf auf der Tischplatte in der kleinen Küche, schwieg Rick.

Die letzten Stunden hatten ebenfalls nichts ergeben und nun war er körperlich und geistig am Ende.

Keine weitere Spur war zu finden, die zu Tina führen könnte.

Die Polizei war der Meinung, dass nun diese Sache abgehakt sei. Sie ließen sich nicht auf eine weitere Diskussion ein. Die beiden sollten sich ausschlafen und nach Hause fahren.

Irgendwann verlor Rick die Kraft sich darüber aufzuregen.

„Ich habe versagt.“, verkündete er nach einigen Minuten der Stille.

„Du hast heute etwas gutes getan, Rick. Du hast das Leben einer Person gerettet.“, erklärte Alina.

„Das stimmt so nicht.“, erwiderte er.

„Doch!“, erwiderte Alina.

„Aber........“, wollte Rick kontern, aber seine Freundin sprach lauter:

„DOCH, RICK!“

Auch wenn sie unerbittlicher und lauter wurde, so verwöhnte seine Freundin ihn, indem sie ihm den Rücken massierte, deswegen hörte Rick auf zu diskutieren.

„Du hast genug getan. Sie wird bestimmt dankbar für deine Rettung sein.“, erklärte sie anschließend.

„Illan hat sie gerettet. Ich habe nur Linda angerufen und sie gefragt, ob sie helfen kann.“, erklärte der Junge. Er sah auf und dabei blickte er in die finsteren Augen seiner Freundin.

„Wir hatten das Thema mit dem Widersprechen.“, brummte sie.

„Ist ja schon gut.“, brummte Rick zurück.


 

Das entführte Mädchen hieß vollständig Kirylla Renowoll. Sie wohnte ursprünglich in Festa. Mehr hatte das Mädchen noch nicht bekanntgegeben. Ihre Art war extrem schüchtern und verschlossen. Zurzeit schlief sie im Zimmer nebenan.

Alina hatte versucht mit ihr zu reden, aber seine Freundin gab bekannt, dass sie Tina bei der Schüchternheit weit übertraf, außerdem sei Kirylla immer noch leicht traumatisiert, sodass sie vermutlich nicht einmal realisierte, was mit ihr geschehen war, deswegen hatte das Mädchen zunächst noch abweisend reagiert, als man ihr erklärte, dass sie nun frei war. Dass sie vermutlich nicht mehr Angst haben brauchte vor den Männern. Zumindest würde Linda gut darauf achtgeben.

"Hast du etwas über Tina herausgefunden?", fragte Illan. Der wie aus dem Nichts plötzlich neben Rick auftauchte.

Der Junge wäre aufgesprungen, wäre er nicht schon langsam daran gewöhnt, dass der Vampir immer wieder mitten aus dem Nichts kam.

„Nein!“, wurde Rick zornig, denn diese Frage bedeutete, dass Illan wohl auch nichts herausgefunden hätte.

Aber der braunhaarige Junge lag damit wohl falsch, denn der Vampir fing gleich an zu erklären:

"Ich habe ein paar Informationen bekommen. Teilweise, erwähnten sie ein baldiges großes Geschäft in Markezei. Ein Objekt soll aufgetaucht sein. Jemand soll ein wertvolles Artefakt verkaufen, der Käufer soll ein mächtiger Mann sein. Die Kleinganoven haben sogar Angst deswegen. Keiner wollte mir den Namen nennen. Sie hatten sogar keine Angst, wenn ich denen mit dem Tod gedroht hatte. Dieser mächtige Mann scheint wohl seine Finger im Untergrundgeschäft zu haben. Wir sollten uns vorsehen. Es könnte hier wirklich gefährlich werden."

„Und?“, fragte Rick müde.

„Das könnte auch einfach nur gestohlene Ware sein, die uns nicht interessiert.“, fügte der Junge hinzu. Er glaubte nicht mehr daran, dass sie Tina hier finden würden. Das Mädchen könnte inzwischen sonst wo sein oder tot.

„Was ist los? Gibst du auf? Das bist nicht du, Rick.“, meinte Illan in einem sehr gleichgültigen Ton.

Der braunhaarige Junge schaute den Vampir schweigend an.

Selbst für seine eigene dadurch aufkommende Wut war Rick zu müde. Er hätte am Liebsten dem Vampir seine Meinung darüber gesagt, aber er konnte es einfach nicht mehr.


 

Es klopfte an der Tür des Zimmers. Alina öffnete diese.

Es stellte sich heraus, dass es Julius und Max waren.

Alina hatte sie vor kurzem benachrichtigt, wo das Hotel war. Es bot genug Platz für alle. Notfalls schlief man einfach auf dem Boden, zumindest hatte sich das Alina so gedacht.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Daniel konnte sie aber nicht erreichen und auch die beiden angekommenen Jungs wussten nicht, wo er steckte.

Während Julius und Max es sich im Hotelzimmer gemütlich machten, erklärte Alina den beiden was alles passiert war, dabei erwähnte der schwarzhaarige Junge, was den beiden Jungs widerfahren war. Also, dass Julius und Max nur einen aggressiven blonden Mann getroffen hatten und eine schauderhafte Begegnung mit einem vermutlich gefährlichen Mann hatten, den sie aber nicht richtig erkennen konnte. Julius sagte dazu kein Wort. Er sah schlichtweg so aus, als hätte er keine Lust zu reden.

"Wir waren erfolglos, tut mir Leid.", erklärte Max daraufhin, als er vor Rick stand.

„Es ist sowieso alles egal.“, meinte der braunhaarige Junge mit trauriger Stimme.

„Wirklich? Hast du das jetzt wirklich gesagt? Du motivierst uns doch immer dazu?“, hakte der Schwarzhaarige verwundert nach.

Rick antwortete nicht darauf, denn es klopfte schon wieder an der Tür.

„Vielleicht ist es Daniel?“, murmelte Max.

Alina ging wieder zur Tür.

Als sie die Tür öffnete, wirkte das Mädchen sehr erstaunt, denn es trat ein bekanntes, aber unerwartetes Gesicht herein.

Engl kam in das Zimmer:

„Ihr seid ja alle noch in einem Stück.“, gab der Kampfsportler mit einem Grinsen im Gesicht bekannt.

Ob diese Worte gewählt waren, um die Gruppe zu motivieren oder ob Engl einfach nur ein Witz machen wollte, wusste Rick nicht, aber für ihn waren diese Worte einfach nur zweckfrei.

Für Witze war der Junge nicht in der Stimmung.

Rick drehte seinen Kopf in die andere Richtung.

„Mh.........., dann vermute ich wohl, dass ihr keine einzige Spur von Tina habt?“, hakte Engl nach. Wieder herrschte eine unangenehme Stille.

„Nun........., Linda hat mich hergeschickt, aber schon vor wenigen Tagen..............“, begann er.

„Ich hätte nicht so große Töne spucken sollen, als ich ihr..............“, unterbrach Rick demütig, da sprach Engl ihm ins Wort:

„Nein........, sie hat mich nicht geschickt, um euch unter die Arme zu greifen, solange es nicht nötig ist. Linda vertraut dir immer noch, dass du Tina finden wirst. Ich bin ursprünglich wegen etwas anderem hier, weil Linda sich absolut sicher war, dass du nicht daran denkst.“, erklärte der Kampfsportler.

„Und schon ein bisschen wegen der Vorsorge.“, fügte Engl hinzu.

Rick sah auf. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Müdigkeit und Neugier.

„Und wegen was jetzt?“, hakte der braunhaarige Junge nach.

„Warte........., davor solltest du aber noch einmal mit Linda selbst telefonieren.“, erklärte Engl und er nahm sein Handy hervor. Es sah neu aus, als hätte er es erst vor kurzem gekauft.

Der Kampfsportler tippte kurz darauf, hob es an sein Ohr und er sprach anschließend mit jemanden:

„Ich bin jetzt angekommen. Du kannst mit ihm nun sprechen.“, Engl überreichte das Handy anschließend Rick.

Verwundert hob dieser das Telefon an sein Ohr.

„Ja, Linda?“, fragte Rick zugleich.

„Ich wollte eigentlich warten, bis alles gut verlaufen wäre, aber ich sollte das noch tun, bevor dieser Tag vorbeigeht.“, begann die Gildenmeisterin.

„Von was redest du?“, fragte Rick verwundert.

Engl schob ihm währenddessen etwas über den Tisch. Seine Hand verdeckte das Objekt zunächst.

„Ach Rick........., dass du immer nur an andere denkst. Du solltest mehr an dich denken, sonst verzweifelst du mir noch.“, erklärte Linda.

„Bitte, Linda. Ich..........., ich will jetzt nicht über so etwas sprechen..................“, wollte Rick einwerfen, aber er wurde von Linda zugleich erneut unterbrochen:

„Alles Gute zum Geburtstag, Rick. Ich wünschte die Umstände wären glücklicher, aber ich habe dir ein Geschenk. Es ist etwas, was du dachtest verloren zu haben. Ich habe es vor drei Tagen gefunden und das Ding für dich wieder aufhübschen lassen. Ich glaube, dass dir das Geschenk helfen wird.“, als sie ihre Worte beendete, öffnete Engl seine Hand und ein golden farbiger Ring kam zum Vorschein.

Rick starrte den Ring einige Sekunden regungslos an.

Der Junge konnte es zunächst nicht glauben.

Diesen Ring kannte er nämlich gut, denn es war das letzte Geschenk, welches er von Elysa erhielt.

Es war ein golden farbiger Ring, welcher er von ihr zu seinem Geburtstag bekommen hatte. Ein paar Tage vor ihrem Tod. Es war ein Familienerbstück von ihrer Mutter gewesen.

Das Wichtigste war aber das, was sie damals zu ihm gesagt hatte, als sie ihm den Ring ansteckte:

„Der Ring soll dich auszeichnen, als der starrsinnigste und entschlossenste Junge auf Erden. Sollen diese Eigenschaften nie vergehen. Bevor du fragst, ich hatte leider keinen Orden oder eine Goldmedaille. Du musst damit klarkommen, denke einfach es wäre eine Auszeichnung. Alles Gute zum Geburtstag. Bleibe bitte wie du bist.“, diese Worten von ihr schwirrten ihm gerade durch den Kopf.

Rick hielt seine Trauer zurück, denn etwas anderes entfachte sich in ihm und als Antwort auf das Geschenk schlug er mit der anderen Hand flach auf dem Tisch, während er aufsah.

Von seinem müden, traurigen und demütigen Gesichtsausdruck war nun nichts mehr zu sehen.

Jetzt strahlte sein Blick pure Entschlossenheit aus.

Verschwunden XIX --- Knapp

[Daniel]
 

„Du willst doch bestimmt eine Runde spielen? Du musst nur raten unter welcher Schale sich die Nuss befindet und dann erhältst du den doppelten Gewinn. Wenn du mehr setzt, dann erhöhe ich den Einsatz.“, erklärte der ummantelte Mann, welcher mit seinen Händen wild gestikulierte.

Daniel blieb bei dem Angebot unbeeindruckt.

Er betrachtete nur den einfachen Tisch vor sich. Drei braune gleich aussehende Schälchen befanden sich darauf.

Das Einzige was ihn interessierte war die Tatsache, was die anderen Zuschauer an diesem offensichtlichen Betrug begeisterte? Sahen sie den Betrug etwa nicht?

Waren sie denn so blind?

„Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal wagen sollte.“, gab einer der Jugendlichen bekannt, die sich seitlich um den Tisch versammelt hatten. Der Junge war großgewachsen. Er war größer als Daniel, aber vermutlich war der Jugendliche auch ein paar Jahre älter.

Seine blonde Frisur war nach hinten gekämmt.

„Lass das besser, du bist eine absolute Niete im Glücksspiel.“, gab sein Kumpel bekannt. Seine zwei weiteren Kollegen grinsten dabei.

Der blonde Jugendliche hob drei Münzen hervor:

„Ich hatte schon zweimal Glück und das dritte Mal werde ich auch Glück haben. Ich bin mit Glück geboren worden.“

„Angeber.“, gab sein Kumpel unbeeindruckt von sich.

Daniel ging ein Schritt zur Seite, um dem Jungen den Vortritt zu lassen.

Schweigend betrachtete er das Ereignis.


 

Der ummantelte Mann trat ein Schritt hervor und er ließ eine Wahlnuss in seiner rechten Hand erscheinen, daraufhin ließ er sie unter einem der Schälchen verschwinden.

Der Jugendliche, der sich sicher war zu gewinnen, legte drei Münzen in einem Gesamtwert von 30 Sya auf den Tisch.

„Auf dein Glück oder deinem Können.“, gab sein Gegenüber bekannt.

Der Spieler grinste und schweigend beobachtete er die schnelle Hände, die das Schälchen zwar schnell, aber noch übersichtlich, bewegten.

Die drei Bedeckungen wanderten über den Holztisch, als hätte dieser Mann diese Technik schon über einen längeren Zeitraum einstudiert.

Nach wenigen Sekunden hob der ummantelte seine Hände und er erklärte:

„So und nun wähle Weise.“

Der Spieler zeigte auf das rechte Schälchen.

Er hätte damit auch recht gehabt, wenn der Mann die Nuss während dem Spiel nicht berührt hätte.

So offenbarte sich unter dem Schälchen, dass dort nichts war. Die Nuss befand sich plötzlich auf der anderen Seite.

„Was?“, gab der Jugendliche schockiert von sich.

Schnell kassierte der ummantelte Mann die 30 Sya ein.

Die restlichen Jugendlichen seitlich des Tisches lachten den Pechvogel aus.

Der Blick des ummantelten Mannes wanderte nun wieder auf Daniel:

„Willst du nun dein Glück versuchen?“, fragte er.

„Sicher.“, gab Daniel plötzlich bekannt. Sein Gegenüber wirkte für einen Moment erstaunt.


 

„100 Sya.“, erklärte Daniel und er legte zehn Münzen auf den Tisch.

Mit dieser Menge konnte man sich eine Woche lang beim Bäcker ernähren und es war Daniels momentaner Reichtum, abgesehen von seinen materiellen Wertgütern.

Zurzeit bewachte Alina das Geld der Gilde.

„Ich biete dir sogar das Dreifache wenn du gewinnst.“, versicherte der ummantelte Mann.

Die Jugendlichen neben dem Tisch wurden auf Daniel aufmerksam.

„Da haben wir ein Idiot, der wohl auf großkotzig spielen muss.“, brummte der Spieler, der gerade verloren hatte. Der blonde Jugendliche lächelte Daniel geringschätzig an.

Daniel bemerkte dies nicht einmal.

Konzentriert auf den Tisch ließ der Junge verlauten:

„Das Doppelte reicht, aber nur unter einer Bedingung.“

Der ummantelte Mann zuckte mit den Schultern und er meinte daraufhin:

„Deine Entscheidung, also was willst du?“

„Dass du dir deine Ärmel hochkrempelst, wenn wir spielen.“, erklärte Daniel in einem sehr gleichgültigen Ton. Seine Miene blieb ernsthaft.

Es herrschte für einige Sekunde eine seltsame Stille.

„Wie?“, fragte der ummantelte Mann nervös.

„Deine Ärmel. Ich möchte, dass du vor deinem Spiel die Ärmel hochkrempelst.“, wiederholte Daniel seine Bitte.

„Ansonsten spiele ich nicht.“, erklärte er im Anschluss.

„Warum?“, fragte der Mann. Er wirkte nervös.

Die Jugendlichen neben Daniel wurden skeptisch.

„Will der Junge jetzt einen auf.........“, wollte der blonde Pechvogel einwerfen, da wurde er von seinem Kollegen neben ihn mit einem leichten Griff unterbrochen. Der schwarzhaarige Jugendliche erwiderte:

„Nein......, ich finde das eine gute Idee.“, daraufhin sah er den ummantelten Mann misstrauend an.

„Ich habe Ausschläge an meinen Armen, die ihr wirklich nicht sehen wollt.“, erklärte der ummantelte Mann, während sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten.

„Als ob......“, erwiderte der Jugendliche.

Der Mann sah nervös zwischen dem Jugendlichen und Daniel hin und her.

„Ich glaube es wird spät. Ich muss zusammenpacken. Ich komme morgen wieder.“, versicherte der ummantelte Mann.

„Nicht so schnell!“, warf der Jugendliche ein und seine Begleiter stellten sich neben ihm auf. Nur der Pechvogel blieb im Hintergrund.

„Wenn er nicht will, muss er nicht. Ich möchte niemanden bloßstellen.“, erklärte Daniel. Er wollte sich da raushalten.

Der ummantelte Mann sah ihn skeptisch an.

„Der kommt uns nicht davon.“, meinte einer der Jugendlichen und dieser packte den mysteriösen Mann.

Wenn sich die Jugendlichen vor dem Mann aufstellten, wirkte dieser gar nicht mehr so mysteriös und geheimnisvoll, denn nicht nur das er ein ganzen Kopf kleiner war, als der größte, der Jugendlichen, auch unter seiner Kapuze befand sich nicht besonderes, außer einer Glatze.

Unter seinem Schal, den man ihm entriss, waren Brandflecken zu erkennen und unter seinem Mantel waren tatsächlich geschwollene Hautflecken an seinen Armen zu erkennen.

„Wäh!“, rief einer der Jugendlichen entsetzt.

„Der ist wirklich voller Krankheiten.“, der Junge wich zurück.

„Dann würde ich schnell nach Hause gehen und die Hände gut waschen, ansonsten wirst du es nicht mehr los.“, erklärte der Mann grinsend.

„Hauen wir ab. Ich möchte keine solchen Geschwüre haben.“, erklärte der Junge, der zurückgewichen war und daraufhin eilten die vier Jugendlichen die Straße entlang.

Der Blick des Mannes wich wieder zu Daniel, während er sich wieder den Mantel anlegte und den Schal um seinen Hals warf.

„Du scheinst mir vernünftig zu sein und das bin ich auch. Also was willst du für dein Schweigen. Das mit den Ärmeln war sicherlich nicht wegen dem Ausschlag gefragt.“

Daniel schwieg zunächst.

Seine Miene blieb ernst, aber in Wirklichkeit dachte er darüber nach. Außerdem wusste der Junge nicht, was er jetzt überhaupt tun sollte. Solange die Jugendlichen da waren, fühlte Daniel sich sicherer, aber so war er dem Mann eins zu eins ausgeliefert, falls dieser auf dumme Gedanken kommen sollte.

„Ich suche jemanden.“, kam es schließlich aus Daniel heraus.

„Ach...., Informationen. Dann bist du wohl ein Botenjunge? Wer hat dir erzählt, dass du damit zu mir kommen musst?“, der Blick des Mannes wurde skeptischer.

Daniel dagegen wurde nervöser, jedoch ließ er sich nichts anmerken.

Schweigend starrte er den Mann an.

Dieser hob plötzlich seine Hand und Daniel war kurz vorm zusammenzucken, da griff der Mann unter seiner Jackentasche und er zog eine Zigarre hervor:

„O.k, du bist wirklich ein Botenjunge.“, er grinste, bevor er die Zigarre mit einem Taschenmesser anritzte:

„Niemals würdest du mir so etwas preisgeben. Wer auch immer das wissen will, der testet dich nur. So läuft das in unserem Geschäft. Also gut, aber dann muss ich trotzdem wissen, nach was sich das richtet. Ich möchte nicht schon wieder in Schwierigkeiten geraten. Sag deinem Boss, dass er die Polizei bitte wieder beschäftigen soll. Dieser Idiot Shoro, der wird langsam lästig. Denn der Typ fängt wirklich langsam an zu arbeiten. Der macht seinen Job.“, der Mann steckte seine Zigarre an und er tauschte sein Taschenmesser mit einem Feuerzeug aus.

„Informant? Informationen? Ich darf jetzt nichts falsches sagen..........., nichts was.........., was verdächtig ist, aber was soll ich denn jetzt nur sagen?“, überlegte Daniel.

„Braunhaarig........ jung............ und schüchtern.“, gab der Junge von sich, dabei wollte er nur Tina beschreiben. Seine Nervosität war deutlich zu hören.

„Was sage ich da? Ach verdammt!“

Sein Gegenüber betrachtete den Jungen mit einem leichten Nicken:

„Abgesehen von dem und, was ich verzeihe, war der Code richtig. Anscheinend bist du schon mal fähiger, als deine Vorgänger.“, der Mann nahm seine Zigarre aus dem Mund und daraufhin sah er zur Seite.

Es befand sich niemand anderes auf der Straße.

So schaute der Informant wieder Daniel in die Augen:

„Die Auktion findet im Industriegebiet statt. In einem der Lagerhäuser. Du wirst schon wissen welches es ist, die entsprechende Symbole sind vorhanden. Vergiss den Code nicht. Ach und ich würde mich beeilen, vielleicht sind es noch gut dreißig Minuten, bis die Auktion beginnt und dann ist Sense.“

"Wie...?", fragte Daniel erstaunt. Er verstand nicht wirklich was um ihn herum gerade stattfand.

„Nun gut......, ich werde wieder weiterziehen. Ich muss mich wohl für ein paar Tage verdeckt halten, bevor dieser nervige Kommissar auf mich aufmerksam wird.“, erklärte der Mann. Er lachte leise und dabei rauchte er seine Zigarre.

Er ließ Daniel stehen. Aber bevor der Informant aus seinem Sichtfeld verschwand, drehte sich der Mann um und er zeigte mit seiner Zigarre auf Daniel:

„Warte, Junge!“

Daniel zuckte.

„War nicht erst vor kurzem jemand da, der genau dasselbe wollte? Wollte der Boss mal wieder auf Nummer sicher gehen? Das ist so typisch für ihn.“

Es herrschte wieder ein kurzes Schweigen und der Mann fing an zu lachen.

„Schweigsam wie ein Grab, mh? Pass auf, dass du nicht an die falschen Leute gerätst.“, daraufhin verschwand der Mann ums Eck und Daniel atmete erleichtert aus.

„Ich möchte am liebsten gar nicht verstehen was hier gerade passiert ist, aber vermutlich weiß ich jetzt wo ich Tina finden kann?“, Daniel kratzte sich am Kopf:

„Aber Boss, Code und Auktion? Was passiert hier nur in dieser Stadt?“, Daniel zog sein Handy hervor, aber als er darauf schaute, bemerkte der Junge, dass sein Telefon leer war.

„Und jetzt?“, überlegte der Junge.

„Jetzt habe ich eine Spur und die führt nun in so eine gefährliche Ecke. Ich kann doch da nicht einfach hingehen oder doch?“, Daniel zweifelte.

„Aber wenn Tina tatsächlich dort ist, kann ich jetzt nicht einfach wegsehen, weil ich Angst habe.“, überlegte er weiter.

„Dann muss ich wohl nachsehen, zumindest nur nachsehen. Ich muss......, ach verdammt.“, Daniel könnte verzweifeln, denn wenn er jetzt nur noch wenige Minuten Zeit hatte, dann konnte er nicht einmal vernünftig darüber nachdenken. Daniel wusste außerdem nicht, wo sich seine Kollegen befanden, so konnte der Junge keine Zeit vergeuden, wenn er sie suchen wollte. Sie könnten sich sonst wo in Markezei befinden.

Daniel musste somit Plan A riskieren. Er musste dorthin gehen und Tina suchen, zumindest herausfinden, ob sie dort war.

Daniel erinnerte sich dabei an den Kampf zwischen Illan und dem rothaarigen Koloss. Der Vampir hat sich dem Hünen auch ohne zu fragen in den Weg gestellt und weil er wusste, dass der alte Mann der Magier war. Ihm war es egal, was für Konsequenzen folgten.

Manchmal muss man einfach etwas riskieren.

„Auch wenn es dumm ist. Ich muss nachsehen.“, machte Daniel sich Mut.


 

Der Junge war in den Süden gelaufen, denn er hatte durch weitere Wegbeschreibungen von ahnungslosen Passanten erfahren, wo sich das Gebiet genau befand. Man musste nur der großen Straße in den Süden folgen, also war es wirklich keine Schwierigkeit.

Es gab aber ein anderes Problem.

Es wurde langsam dunkel, vermutlich wurde es Abend, somit wurde das Sichtfeld ein wenig eingeschränkt.

Ein kühler Wind fegte durch die einzige große Straße des Industriegebiet.

Spärlich waren vereinzelt Laternen aufgestellt worden.

Bis auf Daniel, befand sich niemand dort, zumindest konnte der Junge niemanden erkennen.

„Warum tu ich mir das an? Diese Gegend...........“, Daniels Zweifel wurden größer.

An der Straße standen in gleichmäßigen Abständen einige große gleich aussehenden Lagerhallen.

Jedes dieser Gebäude türmte sich auf, wie ein gefährlicher Riese, die auf den Jungen hinab starrten.

Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er wegrennen sollte, aber Daniel versuchte durch Nachdenken diese Angst loszuwerden.

"Wenn ich jetzt schon mal hier bin. Es sind nur noch knapp 10 Minuten.", dachte er sich.

"Jetzt muss ich nur nach Symbolen Ausschau halten.", überlegte er weiter.

Daniel sah sich um.

Fast jeder der großen Lagerhallen, die sich jeweils gegenüber standen, sahen nahezu identisch aus. Nur große blaue Ziffern über dem jedem großen Tor, zeigten den Unterschied.

Die großen Rolltore waren alle geschlossen und wiesen einige Roststellen auf.

Die goldenen Zeiten des Gebietes mussten schon längst vorbei sein, denn auch der Müll wurde teilweise nicht mehr von den Straßen geräumt.

Keine Menschenseele war hier zu sehen.

Die Straße war vielbefahren worden, denn Schlaglöcher taten sich auf, die mit Wasser gefüllt waren.

Ein paar Kratzer und Macken konnte man an den zusätzlichen Weglaternen erkennen, die vier Meter über dem Weg gespannt waren, jeweils zwischen den gegenüberliegenden Lagerhäusern.

Aber im Vergleich zu den stehenden Lichtquellen, waren diese alle aus.

Da die ganze Straße so gleich aussah und alles so düster wirkte, konnte man stark vermuten, dass hier nicht alles legal war, was hier gelagert wurde, zumindest ging Daniel davon aus.

Hier war außerdem kein Schild und auch keine sonstigen Hinweise.

„Was hier wohl gelagert wird? Nicht mal ein Firmenlogo ist zu sehen. Diese Gegend ist wirklich gruselig.“, stellte Daniel gedanklich fest.

Ratten huschten plötzlich über den Boden und der Junge zuckte unweigerlich.

"Dieser Ort ist schon sehr seltsam, ich meine............... der Ort strahlt so eine starke Negatives aus. Ich sollte nicht hier sein.", dachte der Junge beunruhigt und er sah sich deshalb öfters um.

Er entdeckte zum Glück niemand.

Niemand der sich anschleichen wollte.

Vorsichtig schlich Daniel weiter die Straße entlang.

Jedes Tor wies eine kleinere Extratür auf, sodass man nicht immer das Tor aufschieben musste, wenn man hinein wollte, aber vermutlich waren sie abgeschlossen.

Daniels Gedankengänge spielten damit, was sich hinter jedem Tor verbergen konnte.

Bei dem Gedanken, dass sich Personen hinter den Toren befanden und andere Personen festhielten, ließen den Jungen stehenbleiben.

"Was ist, wenn Tina hier tatsächlich ist und ich finde sie. Tina würde bestimmt nicht so einfach mitkommen können. Irgendwo lauern bestimmt üble Typen, die mir an die Gurgel gehen, wenn ich etwas versuche. Warum habe ich nicht früher darüber nachgedacht? Die machen mich fertig.", bei dem Gedanken schauderte es den Jungen.

Nervös kratzte er sich am Kopf.

Er hatte zwar eine Waffe dabei, denn er hielt das Feuermesser versteckt unter seiner Jacke bereit, aber bisher konnte er diese Waffe noch nicht ausprobieren. Er hatte auch keine Übung darin.

Daniel wusste genau, dass er lieber vorsichtig sein sollte. Blinde Messerangriffe gehen in der Regel nach hinten los.

Außerdem hatte Daniel noch nicht ganz verstanden, wie er das Feuermesser entflammen konnte.

Ein paar Mal hatte er es per Zufall hinbekommen, aber solange es per Zufall war, wollte er darauf lieber nicht vertrauen. Am Besten sollte der Junge keinen Kampf provozieren.

Jedes weitere unbekannte Geräusch ließ ihn noch mehr schwitzen. Der Schweiß perlte ihm den Nacken hinunter:

"Es passiert schon nicht. Ist doch ganz schön still hier. Man darf sich nur nicht wünschen, dass irgendetwas passiert. Wenn man sich selbst immer Angst macht, dann passiert auch so etwas, zumindest hat das Max immer gesagt.", machte Daniel sich weiter in seinen Gedanken Mut.

"Mörder, wilde Kreaturen, Ganoven, verrückte Spinner, die neugierige Jungs hinterrücks überfielen und auseinandernehmen, wenn diese zu neugierig werden und darüber nachdenken."

Seine Gedanken spielten ihm Streiche.

Daniel drehte sich nervös um, aber es war keiner zu sehen. Schweißgebadet lief er weiter.

Der Junge seufzte.

„Ich sollte weniger lesen..............“

Die Geschichten, die er zum Teil gelesen hatten, konnten teilweise wirklich gut detailliert beschreiben, was sich im Dunklen so alles verstecken konnte.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und entdeckte dabei eine offene Tür an einer der Hallen, die im nächsten Moment zuging.

Ein roter Strich war über das Tor gezogen. Es sah eher aus, als wäre dies durch ein Unfall passiert.

"Könnte dieses Tor das richtige sein?", überlegte Daniel.

„Zumindest habe ich jemand gesehen und dieser jemand will mich bestimmt nicht sehen, aber es könnte das richtige Tor sein?“

Seine Gefühlslage teilte sich, einerseits wollte er wissen was darin war, aber anderseits wollte er lieber leben. Neugier kann in so einem Fall tödlich sein.

Er konnte aber auch Tina nicht im Stich lassen, wenn sie sich darin befinden sollte. Aber anderseits brachte es ihr auch nichts, wenn er jetzt in eine Falle geriet.

Vorsichtig näherte Daniel sich der Tür. Er streckte seine Hand aus, aber diese zog er gleich wieder zurück:

"Nein, das ist zu riskant."

In diesem Moment ging die Tür von selber wieder auf und Daniel erschrak sehr.

Ein Junge mit einer Kapuze über dem Kopf sah heraus. Wegen der Dunkelheit konnte Daniel sein Gesicht nicht erkennen.

"Bist du der Kunde?", fragte der Junge.

"Kunde? Was meint er mit Kunde? Für die Auktion etwa?", dachte Daniel verwirrt. Der Fremde hob dem Jungen etwas vor seinem Gesicht.

Es war eine Tüte voll mit grünem Zeug, daraufhin steckte der Junge die Tüten zurück in seine Jackentasche.

"Mist, du bist es nicht. Verschwinde! Du störst meinen Deal!", der Junge verscheuchte Daniel mit einer Handbewegung.

"Was? Wollte der mir gerade etwas andrehen? War das etwa.........?!"

Rauschmittel!

Das musste es sein, der Junge dachte bestimmt das Daniel ein Kunde wäre und deswegen hier herumschlich. Zumindest sah Daniel nicht seriös aus, als er gerade diese Gegend durchwandert hatte, das musste er selbst zugeben.

"Ich bin geschickt worden, weil ich einer Auktion beiwohnen soll.", erklärte Daniel mit zittriger Stimme.

Sein Gegenüber schwieg ein paar Sekundenlang, daraufhin seufzte er.

„Ich sagte ihm doch, dass es keine Auktion ist......., aber nun gut. Du bist der neue Laufbursche? Wie lautet der Code?“, fragte der Junge.

„Braunhaarig, jung, schüchtern?“, antwortete Daniel. Seine Stimme klang zittrig.

Wieder herrschte eine kurze Stille und Daniels Nervosität stieg weiter an.

„Gut, du darfst eintreten. Ist dir jemand gefolgt?“, fragte Daniels Gegenüber.

Daniel sah zur Seite.

„Nein.“, antwortete er anschließend. Seine zittriger Stimme war immer noch da, aber anscheinend störte es sein Gegenüber nicht.

Dennoch zitterte Daniel vor Aufregung und wegen der Ungewissheit.

Was würde den Jungen in dieser Lagerhalle erwarten?

Wie viele Personen waren da, die mit so einem dreckigen Geschäft zu tun hatten?

Würde er Tina dorthin finden?

Was würde er tun, falls der Junge sie da drin tatsächlich findet. Er konnte sie ja nicht einfach so mitnehmen.

Vorsichtig und unsicher trat er in die dunkle Lagerhalle.

Durch den Wechsel zwischen der Helligkeit der Straßenlaternen und der totalen Dunkelheit in der großen, weiten und leeren Lagerhalle, konnte Daniel zunächst nichts erkennen, was sich am anderen Ende der Halle befand.

Nachdem er eingetreten war, drehte sich Daniel zur Seite und das nächste, was er sah, war etwas, was auf ihn zuflog und den Jungen sofort ins Reich der Träume schickte.

Verschwunden XX --- Hilflos

[Tina]
 

Was könnte mit ihr nur passieren?

Immer wieder kreisten ihr diese Gedanken durch den Kopf.

Das Mädchen hatte Angst und sie bereute es jemals diesen Schritt damals auf Ranger Island gegangen zu sein.

Momentan war Tina in einer heiklen Situation. Mehr verstand sie aber auch nicht.

Das Mädchen sah momentan nichts und auch bewegen war ihr untersagt. Sie konnte nur alles hören.

Zumindest wurde das Mädchen mit Wasser versorgt.

Aber nun war sie schon seit wenigen Stunden hier und ihr wurde kalt.

Ihre Augen, Arme und Beine waren verbunden. Sie kniete auf diesem harten Holzboden.

Wenn jemand sprach, dann hallte es.

Sie musste sich wohl in eine Art Gebäude befinden.


 

In der Ferne hörte sie jemanden reden und wenig später hörte das Mädchen einen dumpfes Poltern.

Irgendwann kam dann jemand auf sie zu.

Sie hörte die leichten Schritte über den knarrenden Holzboden.

Diese Person sprach mit jemanden, der schon seit einer Weile in der Nähe von ihr stand.

Dieser Jemand war auch derjenige, der ihr immer wieder etwas zu trinken gab.

"Der Junge ist vorübergehend außer Gefecht. Nur sollten wir uns beraten was wir mit ihm anstellen sollen.“, erklärte eine männliche Stimme. Es klang nach einem jungen Mann.

„Nun........, ich hatte mir auch ehrlich gesagt nicht vorgestellt, wie das mit den Drogen funktionieren soll? Damit verarscht du niemanden, wenn derjenige weiß wonach er hier suchen soll, außerdem hätte dieser Typ ein Bulle sein können. Daran hast du bestimmt nicht gedacht?“, meckerte eine weibliche und sehr dominante Stimme.

„Der Junge hat das Ding mit dem Dealer doch tatsächlich geglaubt.", erklärte er und klang ein wenig stolz.

Die weibliche Stimme unterbrach ihn sofort:

"Na wenigstens bist du überhaupt zu was Nutze, Bruder. Aber das nächste Mal, wenn du etwas versuchst, ohne mir Bescheid zu geben, dann verprügele ich dich. Du erinnerst dich noch an die Narben?", diese Stimme war die ganze Zeit schon zu allen sehr unfreundlich.

Diese Person war auch schon die ganze Zeit gemein zu Tina gewesen.

Die dritte Person, die die ganze Zeit schweigend neben Tina stand, meldete sich nun zu Wort:

„Nun und jetzt? Anscheinend wissen wohl Leute, die nichts wissen sollten, dass wir hier sind, außerdem sprach der Junge doch von einer Auktion? Wer hat dieses Gerücht verbreitet?“

„Nur weil du hier wichtig bist, kannst du mich nicht so dumm von der Seite anmachen, klar?!“, blökte die weibliche Stimme.

Es herrschte eine kurze Stille.

„Schwester, du solltest den Offizier nicht so provozieren, er kann doch............“, daraufhin hörte man ein dumpfen Schlag und jemand flog zu Boden.

„Wenn du jetzt anfängst zu heulen, Bruder. Dann trete ich dir so stark in die Fresse, dass du wirklich heulen musst.“, man hörte daraufhin nur ein kurzes Wimmern.

„Herr Offizier.........“, begann die weibliche Stimme. Ihre Stimme klang ein wenig höhnisch.

„............wir sind uns hier ja einig, dass wir uns nicht mit Samthandschuhen anfassen müssen?“

Nach ihrer Frage herrschte wieder eine kurze Stille.


 

„Mir ist es völlig egal was ihr zu mir sagt. Geschäft ist Geschäft und ich bekomme meinen Anteil, dann sehen wir uns nimmer wiedersehen. Shoro wird davon nicht erfahren und ihr könnt dann in Ruhe verschwinden. Das Mädchen bleibt aber hier. Es sind nämlich Personen in die Stadt gekommen, die sie gerne wiederhaben möchten.“, erklärte die männliche Stimme neben Tina.

„Personen, die mich wiederhaben möchten? Ist es vielleicht Rick? Sind sie tatsächlich hier? Wegen mir? Sind sie tatsächlich hier, um mich zu holen?“, Tränen bildeten sich und beinahe hätte sie geweint, weil ihre Gefühle zwischen Angst, Schuld und Freude hin und her kreisten.

Wenn Rick und die anderen jetzt tatsächlich ihr hinterher sind, konnte sie dann ihnen überhaupt noch in die Augen sehen?

Sie war doch die ganze Zeit nur ein Klotz am Bein gewesen und deswegen wollte sie ihnen auch nicht mehr zur Last fallen.

Das Mädchen war doch feige abgehauen, ohne den anderen in die Augen zu sehen.

Auch wenn es damals noch sinnvoll klang, war es nun eine bereute Entscheidung.

Tina hatte sich die ganze Zeit auf Ranger Island unerwünscht gefühlt und sie wollte ihre Probleme nicht auf andere abwälzen.

Damals hatte sich das Mädchen ein Entschluss gefasst.

Sie wollte selbst herausfinden was ihre Herkunft ist.

Niemand sollte wegen ihr irgendetwas erleiden und jetzt waren vermutlich Rick und die anderen doch hier und hatten sich bestimmt Mühe gegeben.

Was sollte Tina überhaupt sagen, wenn sie jetzt den anderen in die Augen sah?

Was nur?

Ihre Reue war groß.

Das Ärgerliche war, dass sie an dem Ganzen irgendwie selbst Schuld war.

Sie war naiv gewesen, als das Mädchen vor ein paar Tagen in Astera am Bahnhof ankam.

Die ganze Abwärtsspirale hatte angefangen, als Tina diesem fremden jungen Mann vertraut hatte, der sich zunächst als sehr freundlich ausgab.

Sie war versehentlich in seinen Laufweg gelaufen, sodass beide kollidierten und Tina zu Boden fiel.

Er hatte sich tausendfach entschuldigt, auch wenn es eigentlich ihr Fehler war.

Das Mädchen hatte sich dabei ein Schürfwunde zugezogen, die der Junge nicht so stehen lassen konnte. So suchte er für sie zugleich ein Arzt auf. Im Anschluss wollte er sie als Entschädigung in ein Cafe einladen.

Zuerst lehnte Tina ab, weil sie dafür viel zu schüchtern war, aber der Junge ließ sich nicht davon abbringen.

Man kam ins Gespräch und das Mädchen erzählte, warum sie in Astera war.

Seitdem hatte sich etwas an dem Jungen geändert. Er wirkte dann ein wenig interessierter.

Der Junge erzählte daraufhin seine Geschichte, dass er ein Waise war und dass er und seine Schwester in einem Waisenheim in Markezei lebten.

Man hätte dort angeblich auch Kinder mit dem selben Phänomen wie Tina es hatte.

Das Mädchen wurde neugierig und Tina dachte wirklich, dass dies die Chance wäre um etwas über ihre Vergangenheit herauszufinden.

So reisten sie zusammen bis nach Markezei.

Es dauerte ein paar Tage, bis sie dort ankamen.

Sie empfand ihn eigentlich als sehr sympathisch und sein Lächeln war zauberhaft gewesen, aber als sie in Markezei ankamen, zeigte er sein wahres Gesicht.

Zu dem einzigen Mädchen, welches er freundlich war, war seine Schwester.


 

In Markezei brachte er Tina nicht zu einem Waisenheim, er brachte sie zu den Lagerhallen und bevor das Mädchen überhaupt etwas realisierte, was überhaupt passierte, wurde sie gefangengenommen und gefesselt.

Seitdem waren ihre Augen auch verbunden.

Sie wusste nicht mehr wo sie war und am Anfang war sie so panisch geworden, sodass Tina nicht mal mehr sprechen konnte.

Es besserte sich ein wenig, als Tina ihre Gedanken wieder fangen konnte.

Eine kurze Zeit später sprach sie auch zum ersten Mal mit dem freundlichen Mann, welcher am sanftesten von drei mit ihr agierte.

Er gab ihr etwas zu trinken oder geleitete sie zu den Toiletten, welche sich hinter den Lagerhallen befanden. Zudem gab er ihr eine Decke, sodass sie wenigstens ein wenig Wärme bekam.

Er war auch der einzige Hoffnungsschimmer in dieser Dunkelheit gewesen, der sie glauben ließ, dass es womöglich noch ein gutes Ende gab.


 

So wie Linda es vorausgesagt hatte, so waren diese Personen hinter dem Elementkristall von ihr her.

Tina hätte in seiner Gegenwart den Kristall nicht erwähnen sollen.

So man ihr das Ding ab, als man sie fesselte.

Warum sie überhaupt noch lebendig war, hatte man ihr auch gesagt.

Sie sei zurzeit die einzige Person, die wüsste, wie man den Kristall aktivierte.

Tina hatte nichts dazu gesagt, denn in Wirklichkeit wusste sie gar nichts darüber.

Sie hatte Sasons immer nur zufällig beschworen.

Tina bekam Angst bei dem Gedanken, wenn man herausfinden würde, dass sie gar nichts wüsste.

Ob ihr dann der freundliche Mann neben ihr überhaupt noch helfen würde?

Namen wurden nie genannt und die dominante weibliche Stimme befahl auch immer, dass man ja in der Gegenwart der Entführten nie ein Namen fallen lassen sollte.

Deswegen fielen immer nur Synonyme, wie Offizier, Bruder oder Schwester.

Tina machte dieser Umstand ein wenig Angst, denn es fühlte sich dadurch an, als wären hier wirklich finstere Mächte am Werk.

Angst machte ihr vor allem die weibliche Stimme.

Diejenige schlug das Mädchen sogar ein paar Mal, sodass Tina schon ein paar Ohrfeigen einfangen musste.

Zitternd saß Tina da, wenn sie die Anwesenheit dieser Person spürte.

Diejenige versicherte der Gefangenen auch deutlich, dass jede Art von Widerstand schwer bestraft wurde.

Sollte Tina zum Beispiel schreien und wild rufen, würde man ihr einfach die Zunge herausschneiden.

Tina schwieg seitdem vor Angst.

Ihre derzeitige größte Sorge war nur Sasons. Sie wollte nicht, dass man ihr ihn wegnahm.

Das Einzige, was sie all die Zeit nicht verzweifeln ließ.


 

"Sei nicht so still.", brüllte die sadistische weibliche Stimme nach einer kurzen Phase der Ruhe und ein Fuß stieß Tina zu Boden.

Ein leises Wimmern kam von Tina.

„Er wird schon gleich kommen. Reagiere dich an deinem Bruder aus. Das Mädchen hat dir nichts getan.“, erklärte die männliche Stimme neben Tina.

Der Mann half ihr wieder auf eine Sitzposition.

„Ich kann machen was ich will!“, brummte die dominante weibliche Stimme.

„Sei nicht so vorlaut, auch wenn du die Tochter von sonst wem bist. Immerhin halte ich euch den Rücken frei. Ich könnte mich auch zurückziehen.“, erklärte der Mann.

Es herrschte ein kurzes Schweigen, bis sich die weibliche Stimme wieder äußerte:

"Egal.“, sagte sie in einem langgezogenen Ton.

„Und du?! Warum starrst du mich die ganze Zeit an?", schon wieder hörte mein ein dumpfes Geräusch.

"Es tut mir Leid, Schwester. Es kommt nicht wieder vor.", kam es von ihm.

Daraufhin herrschte wieder Ruhe.

„Das was ihr seid, das ist widerlich.“, kam es vom Mann neben Tina.

„Was wir machen kann dir egal sein. Deine Aufgabe ist nur das mit der Polizei.“, zischte die dominante weibliche Stimme.

"Das ist richtig, Schwester.", erklärte die andere männliche Stimme.

Tina hörte, wie jemand an ihr vorbeilief.

Es waren leichte Schritte.

Plötzlich zuckte Tina, als sie den Atmen von jemanden wahrnahm, der nah an ihrem rechten Ohr war:

"Solltest du nicht damit aufhören meinem Bruder schöne Augen zu machen, werde ich dafür sorgen, dass dich kein Junge mehr ansehen will.", drohte sie leise.

Daraufhin stand diese Person wieder auf.

Eine kurze Zeit später bekam Tina ein Stoß von vorn, wodurch sie nach hinten flog, dabei rutschte ihre Augenbinde nach oben.

Nun konnte Tina wieder sehen. Sie sah die umstehenden Personen und die hölzerne Decke der Lagerhalle.

Erschrocken starrte Tina die junge Frau an, die grimmig auf das Mädchen herabstarrte und knirschte.

„Das war ein Fehler.“, brummte die Frau. Sie hob daraufhin ihren rechten Fuß und wollte Tina ins Gesicht treten, aber der Mann, welcher links von Tina stand, hielt die Dame fest und meinte:

„Das lässt du schön bleiben. Wenn du ihr wehtust, dann kann ich die Sache nur unnötig schwerer vertuschen.“, erklärte der Mann.

Tina konnte ihn zum ersten Mal sehen und von seiner Stimme her, hätte sie ihn ganz anders vorgestellt.

Längeres schwarzes Haar.

Ein trauriger Blick betrachtete das Mädchen.

Sein Gesicht war wie langgezogen und vereinzelte Narben waren zu erkennen.

„Wobei sie jetzt auch mein Gesicht gesehen hat.“, gab der Mann bekannt und für einen Moment blieb das Herz von Tina stehen.

Diese Worte klangen schärfer und bedrohlicher, als jedes Wort dieser dominanten Frau.

"Und? Dann ist halt ein Mädchen verschwunden. Es ist ja nicht so, als wäre dies etwas besonderes. Sie hat einfach zu viel gesehen. Sieh das ein!“, meinte die Dame lächelnd. Sie versuchte ihm wohl den grausigen Gedanken schmackhaft zu machen.

„Ich überlege mir eine Alternative, aber wenn uns nichts einfällt, dann kann ich es wohl nicht ändern.“, erklärte der Mann. Er klang gleichgültig.

In diesem Moment kam die Dame mit ihrem Gesicht wieder Tina näher.

Hellblaue Pupillen starrten Tina bedrohlich an.

Ihr purpurfarbenes Haar hing Tina ins Gesicht.

„Schön, dann kann ich mir ja solange etwas einfallen lassen, wie ich dich schön zum schreien bringen kann. Ich hasse solche Schönheiten wie dich.", gab die junge Dame von sich.

„Bitte nicht.“, wimmerte Tina.

„Habe ich nicht gesagt, dass du still sein sollst?“, das Grinsen der Dame verschwand.

Sie sah anschließend zu dem Jungen, welcher etwas entfernt stand.

Es war vermutlich ihr Bruder.

Ein dürrer junger Mann mit kurzem brauen Haar.

„Gib mir mal das Messer.“, befahl sie in einem strengen Ton.

Der Junge trat näher und überreichte seiner Schwester ein silbernes Messer.

„Was hast du vor?“, fragte der Mann, der immer noch neben den beiden stand.

„Mir ist langweilig. Ich hasse warten!“, erklärte die junge Dame.

Zwar wirkte der schwarzhaarige Mann beschützend, aber er machte ansonsten keinen Anstand sich jetzt zu bewegen.

Als die Dame wieder ihren Blick auf Tina lenkte und sich zwischen den beiden Gesichtern höchstens nur noch ein halber Meter Abstand befand, fing Tinas Herz extrem stark zu pochen.

Schweiß perlte sich von ihrer Stirn und sie begann zu zittern.

„Perfekt, jetzt verstehst du endlich deine Lage.“, erklärte die Dame wieder schmunzelnd.

Sie hob das Messer hoch, aber in dem Moment, als sie mit der Klinge näherkam, unterbrach ihr Bruder sie:

„Er ist da!“, verkündete er in einem nervösen Ton.

Die junge Dame mit der rosafarbenen Frisur schaute auf. Sie wandte sich dem Gast zu.

„Wann hast du ihn reingelassen?“, fragte sie ihren Bruder zugleich.

„Gar nicht. Er ist einfach da gewesen.“, erklärte er.

„Dann bist du wohl dieser Lakai von Prof. Dorn?“, meinte die Frau mit abwertender Stimme.

Sie ging ein paar Schritte von Tina weg, sodass das Mädchen zumindest jetzt erkennen konnte, wer da aufgetaucht war.

Es war eine große unheimliche Person getarnt mit einem braunen Mantel. Nur sein Gesicht war zu erkennen.

Diese Person schwieg zunächst.

Nach seiner Gesichtsfarbe zu urteilen, musste er südländischer Herkunft sein.

Er trug eine Narbe quer über seinem linken Auge, jedoch konnte er noch sehen, zumindest wirkte es so.

Das Unheimlichste hielt er in seiner rechten Hand. Ein langer hölzerner Speer, der jedoch ab und zu Elektrizität erzeugte, indem Funken zu Boden sprangen.

„Ich sehe, dass du nichts bei dir hast? Wo ist das Geld?“, fragte die Dame zugleich.

Der Fremde machte keine Mühe darauf zu antworten.

„Vielleicht will er, dass du den Kristall demonstrierst?“, meinte ihr Bruder.

Als Antwort bekam er ein Stoß von seiner Schwester, jedoch schien sie der Frage nachzukommen.

Die Dame nahm den orangefarbenen Kristall in die rechte Hand.

Sie schaute sich den Kristall eine Weile an, dann wandte sich die Frau der Gefangenen zu.

Abwertend schaute sie von oben auf Tina herab:

"Also, erkläre mir mal, wie du diesen Kristall aktivierst?"

Tina schwieg, denn sie wusste es wirklich nicht, außerdem hatte das Mädchen Angst zu sprechen.

Sie wünschte sich in diesem Moment wirklich, dass jemand aus ihrer Gilde auftauchen würde und sie rettete.

"Also Schweigen?", meinte die Frau in einer bedrohlichen und stillen Tonlage.

Die Dame ging in die Hocke und wieder hielt sie das Messer über Tinas Gesicht.

"Vielleicht redest du dann, wenn ich dich ein bisschen aufschneide?"

"Nicht sehr professionell in der Gegenwart des Geschäftspartners.", meinte der Mann neben ihr, aber sie ignorierte ihn zunächst mit einem grimmigen Gesichtsausdruck.

Die Dame antwortete dann doch:

"Halt dich da raus! Ich werde diese Göre jetzt zum Sprechen bringen!"

Sie hielt die Schneide nahe ihrer rechten Backen:

„Also sprich, Mädchen!“

"Ich......... ich weiß es nicht!", gab Tina weinerlich bekannt, daraufhin wurde die Dame zornig und sie holte aus, aber als sie gerade zuschlagen wollte, hörte man ein schauderndes Geräusch.

Etwas drang irgendwo in Fleisch ein und etwas traf Tinas Gesicht.

Es fühlte sich nass an, als hätte ihr jemand Wasser ins Gesicht getröpfelt.

Erschrocken schloss Tina die Augen, aber wenig später blinzelte sie wieder, als nichts weiteres passierte.

Als Tina dann schließlich erkannte, was gerade vor ihr passiert war, musste sie ungewollt kurz aufschreien.

Sie blickte in das Gesicht der jungen Dame, während ihr Blut aus dem Mund lief und dieses auf Tina tropfte.

Ein Speer kam der Sadistin aus der Brust, welcher im nächsten Moment zurückgezogen wurde. Die Sadistin kippte zur Seite und Tina sah sie verängstigt an. Man konnte förmlich sehen, wie der Dame das Leben aus dem Körper wich.

Das Blut verteilte sich auf dem Boden und der Körper zuckte noch ein paar Mal.

"SCHWESTER!", brüllte der junge Mann erschrocken.

Im nächsten Moment hörte man ein metallisches Geräusch und ein kurzes Sausen, daraufhin hielt sich der junge Mann sich am Hals, während das Blut unter seinen Händen hervorquoll.

Er konnte nicht mehr sprechen und er ging in die Knie. Die Augen repräsentierten sein Entsetzen. Das Blut verteilte sich über seine ganze Kleidung und nach wenigen Sekunden mit dem Ringen des Todes, kippte er zur Seite und zuckte nur noch kurz.

Aus seinem Hals kam eine weitere Menge Blut.

„Wow....., ich habe damit nichts zu tun.“, kam es von dem schwarzhaarigen Mann, welcher neben Tina stand.

Er wich daraufhin einige Schritte zurück, während er seine rechte Hand an seinen Gürtel hielt. Wahrscheinlich auf seine Schusswaffe.

Der Mann mit dem Speer blickte den Schwarzhaarigen an, dabei verlor er kein einziges Wort.

„Ich schieße, wenn du näher kommst, ansonsten halte ich mich hier raus.“, erklärte der schwarzhaarige Mann.

Entsetzt beobachtete Tina, wie der ummantelte Mann, welcher inzwischen mit Blut bespritzt war, auf den Schwarzhaarigen zutrat. Dieser zog seine Schusswaffe und schoss drei Mal auf den Mann.

Die Kugel flogen auf den Speerträger zu, zeitgleich sprangen Funken vom Speer auf die Kugeln über und lenkten diese somit ab.

Die Kugeln wurden in den hölzernen Boden gefeuert.

Bevor der schwarzhaarige Mann erneut abfeuern konnte, ließ der ummantelte Mann sein Messer gleiten, sodass es über den Oberkörper des schwarzhaarigen Mannes glitt.

Dieser verzerrte sein Gesicht und er verzog seinen rechten Arm, sodass er mit seiner Pistole an dem ummantelten Mann vorbeischoss.

Dieser Zeitraum nutzte dieser und stach dem schwarzhaarigen mit seinem Speer durch die Brust, sodass dieser nach dem Herausziehen nach hinten flog und leblos liegen blieb.

Wieder verteilte sich Blut auf dem Boden.

Das Wimmern des Mädchens wurde lauter.


 

Vor Tina stand nun jetzt der Mörder mit dem elektrisierten Speer in der rechten Hand.

Seine Pupillen, die völlig leblos schienen, zeigten die Herzlosigkeit, die wohl in diesem Mann steckten, denn er hatte sich nicht einmal zu den Morden geäußert.

Er nahm zuerst den blutverschmierten orangenen Kristall auf.

Einen Blick später, holte er schon mit dem Speer aus, um damit wohl Tina ein Ende zu bereiten.

Ein Pfeil, welcher plötzlich durch seinem Unterkörper schaute, unterbrach den Angriff.

Brummend drehte er sich um und schlug den nächsten Pfeil mit seinem Speer zur Seite.

Halb benommen und völlig entnervt konnte Tina zwei weitere fremden Personen am Hallenende wahrnehmen.

"Wen haben wir da. Die Schüsse waren wirklich nicht zu überhören.", gab die linke der beiden bekannt. Es war eine weibliche Stimme.

„Auf seinen Kopf sind 50 000 Sya ausgesetzt. Die Zusammenkunft der Ordnung würde ihn gerne tot sehen.“, erklärte die rechte der beiden, diese Stimme klang auch weiblich.

Beide Personen waren gleich groß und trugen Ganzkörpermantel in schwarzer Farbe. Sie selber trugen Masken.

Die linke war in einem schlichten Grün, die andere Maske in einem schlichten Rot.

Der ummantelte Mann zog sich den Pfeil heraus, ohne dabei zu murren, daraufhin holte er mit seinem Speer aus. Er ließ seinen Speer auf die Person mit der grünen Maske zufliegen, dabei stieß der Speer Blitze in alle Richtungen aus.

Der Mann rannte dem Speer mit gezogener Klinge hinterher. Er besaß ein gutes Tempo.

Der Mantelträger mit der grünen Maske wich dem Speer mit einem Hechtsprung aus und sie zog daraufhin eine kleine Armbrust unter ihrem Mantel hervor. Die Person mit der roten Maske holte ebenfalls eine Armbrust hervor.

Beide schossen zugleich auf den Angreifer.

Der Mann machte sich zum Teil nicht einmal die Mühe den Pfeilen auszuweichen. Nur die bedrohlichen wehrte er ab, der Rest blieb in seinem Körper stecken, dabei zuckte der Mann nicht einmal.

Der Angreifer hob beide Hände zusammen und als er diese auseinander zog, bildete sich ein kleiner Blitz. Der Speer flog daraufhin in die Luft und er machte eine Kehrtwende, sodass dieser zum ummantelten Mann zurückflog.

"Ein Meister der Speerkunst, wie die Gerüchte sagen. Ich weiß zwar nicht woher dein Arbeitgeber immer diese legendäre Waffen her nimmt, aber die sind ebenfalls besonders lukrativ auf dem Schwarzmarkt. Bringt ein gutes Sümmchen ein.", erklärte die Person mit der grünen Maske.

Der Angreifer schwieg und schleuderte durch das Schwingen des Speers Blitze auf die beiden, aber keiner schlug bei den Maskenträger ein, weil die beiden sich ebenfalls schnell hin und her bewegten. Es schien aber immer wieder knapp zu sein.

Die Mantelträger schienen sehr athletisch zu sein.

"Genug gespielt.", gab die Person mit der roten Maske nach wenigen Minuten bekannt.

"Erledige das jetzt.", befahl sie anschließend der anderen Person.

Diese versteckte ihre Armbrust wieder und legte beide Hände flach aneinander.

Ihre Arme verzierten sich plötzlich mit schwarzen Linien in Spiralform bis zur Hand.

Der hölzerne Boden brach im nächsten Moment auf. Ranken schoss aus allen Spalten und ergriffen den ummantelten Mann. Dieser wurde dadurch fast bis zur Decke getragen.

Seine Füße, sein Körper und sein Hals waren im Griff der Ranken, aber er hatte den Speer noch in die Hand.

Die elektrischen Blitze vervielfachten sich und als er den Speer auf die Person mit der grünen Maske warf, erschien ein weißer Drache aus den Blitzen, welcher sich anschließend um den Speer legte.

Bevor dieser elektrische weiße Drache den Maskenträger erreichte, agierte die Person mit der roten Maske. Sie warf eine magisch erzeugte schwarze Kugel aus ihren Händen. Diese Kugel explodierte in einem Lichtblitz, als sie den weißen Drachen berührte und löste diesen dadurch auf.

Der Speer schlug in der Wand hinter den beiden ein.

Zeitgleich faltete ihre Begleiterin beide Hände wieder zusammen und murmelte:

"Dann stirb jetzt halt elendig! Selber Schuld!", die Ranken zog sich zusammen und man hörte deutlich wie Knochen brachen.

Im nächsten Moment ließ die Beschwörerin die Ranken wieder verschwinden und der ummantelte Mann flog zu Boden. Ihre schwarzen Verzierungen verschwanden ebenfalls.

Der Mann rührte sich nicht mehr. Vermutlich war auch bei ihm das Leben erloschen.

Der Speer steckte weiterhin in der Wand, bis die Person mit der grünen Maske ihn herauszog.

"Und was machen wir jetzt mit ihr? Oder mit dem Jungen, also der mit der Beule auf der Stirn? Er sieht nicht so aus, als würde er zu den Händlern gehören?", fragte sie anschließend ihre Begleitung, als diese die verstörte Tina interessiert ansah.

Die Fremde mit der roten Maske lief zu dem Mädchen hin und ignorierte die Frage ihrer Begleitung. Sie ging in die Hocke.

Tina konnte nicht einordnen, ob diese Person eine gute Gesinnung hatte.

"Einen interessanten Kristall hat sie dabei.", die fremde Person hielt den orangenen Kristall in der rechten Hand. Sie hatte ihn vermutlich gerade erst aufgehoben.

"Ich habe mich entschieden.", gab sie plötzlich bekannt.

"Was? Was hat sie entschieden?", dachte Tina verängstigt, als die Dame näherkam.


 

Die Fremde ging nah an Tina heran und nahm die Maske ab.

Da Tina aber vor Angst die Augen schloss, hatte sie ihr Gesicht nicht gesehen.

Als Nächstes vernahm sie plötzlich Lippen, welche sich an ihre drückten.

Das gefesselte Mädchen öffnete erschrocken ihre Augen und blickte in das Gesicht einer jungen Frau, welches im nächsten Moment Linda ähnlich sah, aber im darauffolgenden Moment nicht mehr, aber sie mussten zumindest fast im gleichen Alter sein.

Die Fremde lächelte Tina sympathisch an, während sie wieder ihre rote Maske aufsetzte.

"Das Gift sollte nun neutralisiert sein. Diese schwarzen Punkte in ihren Augen waren schon fortgeschritten. Unmenschlich so einem Mädchen so etwas anzutun. Schreckliches, diese schleichende Gifte.", erklärte die Fremde, die Tina gerade geküsst hatte.

"Welches Gift? Was für ein Gift?", dachte Tina erschrocken.

Das Mädchen hatte gar nicht bemerkt, dass man sie vergiftet hatte.

Deswegen wollte Tina vorsichtig nachfragen, aber plötzlich spürte sie einen Hieb gegen den Nacken und dadurch wurde das Mädchen schnell ohnmächtig:

"Denke bitte nicht so schlecht von uns, falls wir uns wiedersehen sollten, falls.............", hörte sie die Stimme von der Fremden mit der roten Maske sagen, bevor Tina endgültig das Bewusstsein verlor.

Die Randmission --- Abgenommene Last

[Rick]
 

Es war am frühen Morgen.

Die Sonne strahlte erst gerade über den Horizont hinweg, da klopfte es schon an der Hotelzimmertür.

Halb verschlafen lief Alina zu dieser hin und öffnete sie.

Rick, der nicht schlafen konnte, saß immer noch am Tisch und betrachtete eine Karte von Markezei.

Er hatte sich überlegt, wo die Suche noch Erfolg habe könnte.

Als Alina die Tür ganz geöffnet hatte, sah Rick ein junger Mann in Uniform, der mit einem Nicken die beiden begrüßte.

„Ich habe Neuigkeiten für euch, die euch übermitteln soll, sowie ich euch bitten mitzukommen. Es ist nichts schlechtes. Wir haben nämlich heute Nacht ein Mädchen gefunden, welches auf eure Beschreibung passt. Es könnte eure Vermisste sein.“

Zuerst dachte sich der braunhaarige Junge, er habe sich verhört, aber dann stand er blitzschnell auf.

Bevor er seine nächsten Fragen äußern konnte, erklärte der junge Mann:

„Alles in Ordnung. Du musste nicht hektisch werden. Ihr geht es gut. Sie ist in keiner ernsten Lage. Man hat sie untersuchen lassen.“

„Ich muss zu ihr!“, warf Rick ein.

„Hey! RICK!“, wurde Alina lauter und griff ihm fest um den rechten Arm, während seine Freundin ihn unzufrieden anschaute.

„Jetzt reiß dich zusammen!“, daraufhin wurde Rick tatsächlich ruhiger.


 

„Habe ich richtig gehört, dass ihr sie gefunden habt?“, meldete sich Engl. Er kam aus der kleinen Küche des Hotelzimmers.

„Jemand rief mitten in der Nacht an und legte sofort wieder auf, anschließend klingelte jemand an der Türe des Reviers und als die Nachtwache nachgesehen hat, fand man ein Mädchen schlafend vor dem Haus.“

„Wir müssen da jetzt hin.“, meldete sich Rick zu Wort. Er zog sich seine Jacke über.

„Nun gut.“, begann der Kampfsportler:

„Ich bleibe solange hier. Ich versuche mich heute mit dem anderen Mädchen zu unterhalten, welches ihr gerettet habt. Vielleicht kann ihr Rossya helfen.“

Rick nickte. Ihm war in diesem Moment egal, was die anderen machen. Er wollte hauptsächlich weg von hier, um so schnell wie möglich zum Polizeirevier zu gelangen.
 

Eine kurze Zeit später:
 

Beinahe wäre er einfach hineingestürmt und nachzusehen, ob sich Tina wirklich darin befand.

Diese Gewissheit, ob das wirklich wahr war, ließ ihn absolut nervös werden.

Alina half ihm dabei die Ruhe zu bewahren.

Als man das Gebäude betrat, stieß Rick beinahe mit einem älteren Mann zusammen, der ihn böse anstarrte:

„Pass auf, Junge!“, zischte er, bevor er das Revier verließ.

Rick ignorierte den Mann und der Junge ging weiter.

"Wo ist sie?", fragte er zugleich einen Polizisten, der im Warteraum stand und zu warten schien.

„Wer bist du?“, fragte dieser den Jungen zugleich.

Genervt antwortete Rick:

„Ein guter Freund des Mädchens, welches ihr heute Morgen gefunden habt.“

„Ah ha............, hast du dann vielleicht damit zu tun?“, fragte der Mann. Es klang aber eher wie ein Vorwurf, den Rick nicht sofort verstand.

Der Polizist war ein Kopf größer, als der Junge, sodass er ihn von oben herab anstarren konnte.

„Willst du mir irgendetwas gestehen?“, fügte er hinzu.

Grimmig brummte Rick:

„Nein! Ich habe nichts damit zu tun. Ich will sie nur endlich sehen.“, erklärte der Junge.

„So.........., du machst dich gerade sehr verdächtig.“, erklärte der Mann.


 

Bevor die Situation weiter zu eskalieren drohte, kam der junge Polizist herein, der Rick und Alina abgeholt hatte.

„Die beiden gehören zu mir. Das sind die beiden von dem Shoro geredet hat.“

Sein Kollege nickte:

„Dann ist es wohl in Ordnung.“, meinte er. Der Mann klang aber noch nicht überzeugt.

„Wo ist sie?“, wiederholte Rick die Frage.

„So ein ungeduldiger ungehobelter Junge.“, beschwerte sich der Mann, welcher vor Rick stand, zugleich.

"Sie ist gerade bei einem Psychologen. Du kannst gerade nicht mit ihr reden.", erklärte der unhöfliche Polizist.

Rick wurde unzufrieden. Erst bat man ihn hierher und nun durfte er schon wieder warten?

Alina übernahm die nächste Frage:

„Wie lange ist sie noch dort, Herr Offizier?“

Grinsend meinte der Mann:

„Wie höflich.“, begann er.

„Nun............, sie wird wahrscheinlich noch ungefähr eine Stunde dort sein, aber ich weiß nicht wie lange so eine Arbeit braucht. Psychologie ist kein Kinderspiel.“, erklärte er.

Der Polizist klang dabei ein wenig großkotzig.

Sein rechte Zeigerfinger schnellte hervor und er zeigte auf die Sitzreihe hinter den beiden.

„Ihr könnt dort warten, bis sie fertig sind.“, erklärte er, dabei schmunzelte der Mann.

Rick blickte den Polizisten schweigend für ein paar Sekunden lang an, aber der Junge hielt sich zurück, um keine weiteren Schwierigkeiten zu bekommen. Vor allem wollte er Alina nicht in irgendetwas hineinziehen, aber dennoch war es für ihn eine reine Provokation, dass er nun auf diesem Platz warten musste.

Er wollte unbedingt wissen, ob es tatsächlich Tina war und ob es ihr gutging.

Der Junge konnte innerlich keine Ruhe geben.
 

Eine gewisse Zeit später:
 

"Mh! Das dauert jetzt schon lange.", murrte Alina.

Seine Freundin wirkte unzufrieden und deswegen verschränkte sie ihre Beine.

Die Stühle waren aber auch nicht bequem. Nach einer Weile tat der Rücken weh.

„Man bekommt hier nur Kopfschmerzen.“, beschwerte sie sich.

"Was weiß ich........, ich will auch nicht länger warten.", meinte Rick und sein Fuß zitterte. Er war extrem nervös.

Durch seine Nervosität verschränkte er seine Arme und damit strahlte der Junge eine ablehnende Haltung gegenüber allen Betrachtern aus.

Der Geduldsfaden wurde dünner und er drohte förmlich zu reisen, da ging die Türe zum Verhörzimmer auf und Tina trat heraus. Erstaunt und erleichtert sprang Rick auf.

Der Junge brauchte eine Weile, bis er wirklich realisierte, dass Tina vor ihm stand.

Es fühlte sich fast schon unnahbar an, als wäre alles nicht echt. Als wäre alles nur ein Wunschtraum.

„Tina?“, fragte er unbeabsichtigt, weil er in sich noch mit sich rang, ob dies der Realität entsprach.

Nach all diesen Mühen und Fehlschlägen endlich am Ziel zu sein.

Kurz darauf realisierte er die Situation.

"Tina!", rief er erleichtert.

Alina stand ebenfalls auf, jedoch wirkte sie momentan nicht sehr glücklich.

„Ich bin so froh, dass es dir gutgeht. Wir dachten schon, dass wir zu spät sind.“, erklärte er.

Das rot braunhaarige Mädchen schwieg. Traurig sah sie zur Seite.

Rick bemerkte ihre zurückhaltende Art, deswegen versuchte er einen anderen Ansatz.

"Wie geht es dir?", fragte er.

Rick versuchte ruhiger zu klingen, aber sein Fuß zitterte immer noch, was ihn wieder nervös machte.


 

Bevor Tina sich zu Wort meldete, trat der Kommissar hinter ihr aus dem Raum.

"Eure Gilde hat ein interessanten Ruf. Ich wusste gar nicht, dass die Ranger Guild der Nachfolger der berühmten Gold Guild ist.“, dann schnellte seine rechte Hand nach oben.

„Außerdem ist eure Gildenmeisterin begabter, als ich es vermutet hätte. Sie hat mich geben, nachdem ich sie angerufen hatte, dass ich das Mädchen mit ihr telefonieren lassen soll und nun ist ihr seelischer Zustand stabil. Unserer Psychologe hat schon aufgegeben und gemeint, dass euer Mädchen in eine Klinik muss. Sie scheint etwas grauenhaftes erlebt zu haben. So ein Zustand sehe man nur bei Entführungsopfern. Fünfzehn Minuten mit euer Gildenmeisterin und dann wirkte das Mädchen so, als würde ihr das nichts mehr ausmachen. Was auch immer da geschehen mag, es war exzellente Arbeit.", er sah ein kurzen Moment zu Tina und meinte dann:

„Ich denke, ich kann sie euch übergeben. Meine Arbeit ist hiermit getan.“

„Dann können wir das Kapitel endlich abschließen.“, meine Alina mit kühler Stimme, als würde sie etwas verbergen.

Rick versuchte diesen Umstand zu ignorieren und sich momentan nur auf Tina zu konzentrieren.

Ihr Blick wirkte immer noch niedergeschlagen.

„Willkommen zurück.“, erklärte er mit einem sanften Lächeln.

„Du bist nicht sauer auf mich?“, fragte sie vorsichtig. Das Mädchen schaute den Jungen dabei aber nicht an.

„Nein und momentan ist es nicht wichtig, was geschehen ist. Wir können später über alles reden, aber jeder wird froh sein, dass du in Ordnung bist.“, erklärte er.

Tina lächelte. Ihr Strahlen wirkte aber ein wenig müde, aber wahrscheinlich weil sie ausgepowert war und ein paar kleinere Verletzungen trug. Die blauen Flecken waren nicht zu übersehen, aber Rick wollte nicht unbedingt nachhaken.

"Dann bin ich froh.", formulierte sie vorsichtig, dabei stiegen Tränen in ihre Augenwinkel.

„Nun.........., könnt ihr das auf später schieben. Wir müssen hier Ermittlungen durchführen.“, der Kommissar pausierte kurz, bevor er sich Rick zuwandte:

„Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich verdächtige euch nicht mehr, da ihr ein handfestes Alibi habt und das Mädchen scheint nur am falschen Fleck, am falschen Ort gewesen zu sein. Wir wissen nicht was mit ihr passiert ist, aber wir haben momentan keine Mittel das herauszufinden. Wir müssen gerade ein schweres Verbrechen aufklären, was unsere ganze Aufmerksamkeit benötigt. Ich würde euch also raten uns nicht im Wege zu stehen.“, mit seiner Worte hallte eine leichte Drohung mit, die deutlich aussagte, dass er es ernst meinte.

„Dann gehen wir zurück zum Hotel.“, meinte Alina.

„Das wäre wohl das beste.“, stimmte Rick zu. Sein Blick schweifte ein weiteres Mal durch den Raum, dabei blickte er den Kommissar skeptisch an, während dieser sich mit seinen Kollegen unterhielt.
 

Ein wenig später im Hotel:
 

Die Erleichterung war groß, als Tina im Hotel ankam.

Zwar wirkte sie immer noch zurückweichend und eingeschüchtert.

Immer wieder gab sie kund, wie Leid ihr alles tat.

„Schön, dass du zurück bist.“, erklärte Max.

„Mädchen, was machst du denn für Sachen.“, meinte Engl, während er sich Kaffee einschenkte. Seine Aussage klang so, als wäre sie nicht ganz ernstgemeint.

„Es tut mir Leid.“, wiederholte Tina. Sie sah betrübt zu Boden.

„Wir sind froh, dass du in einem Stück bist.“, erklärte Engl daraufhin.

Für einen kurzen Moment blieb es still.

„Und jetzt?“, hakte Alina nach. Sie klang müde und ein wenig gereizt.

„Ihre Stimmung hat sich aber schon wieder schnell geändert. Vor kurzem macht sie mir Mut und jetzt wirkt sie selber nicht mehr glücklich und motiviert. Ist sie etwa immer noch neidisch auf Tina?“, stellte Rick gedanklich fest.

„Ich denke wir werden bald wieder zurückreisen.“, beantwortete Rick ihre Frage, zumindest hatte er das vor.

„Wir können ja jetzt versuchen das Missverständnis aufzuklären? Vielleicht können wir so klären, warum..........“, fragte Max, aber er wurde von Engl unterbrochen:

„............nun für die Rückreise wäre schon gesorgt. Ich habe mit Linda schon darüber geredet, aber sie wollte, dass ihr sie noch einmal anruft. Sie meinte, ihr solltet noch etwas kleines erledigen. Ich würde zumindest bei meiner Heimreise Kirylla mitnehmen. Rossya hat schon mit ihr geredet, aber anscheinend würde es helfen, wenn sie das direkt, ohne Telefon, tut. Das arme Mädchen musste wohl viel erleiden in letzter Zeit.“

„Kirylla?“, fragte Tina verwundert.

„Ein neues Mitglied.“, meinte Max.

„Wissen wir noch nicht, Max. Also behaupte nicht alles so schnell.“, meinte Rick.

„Alles?“, wiederholte der Schwarzhaarige.

„Gut, dass hier das angesprochen wird. Ich muss nach Lorram um dort etwas zu erledigen. Tina scheint ja jetzt in Sicherheit zu sein.“, erklärte Illan.

Der Vampir war schon wieder mitten aus dem Nichts am Tisch aufgetaucht.

Keiner wirkte deswegen erstaunt, außer Tina, die sich deswegen fast zu Tode erschrak.

„Ach stimmt, ihn kennst du ja nicht.“, meinte Rick.

„Ich bin Illan Serfay. Ein alter Bekannter von Linda.“, stellte sich der Vampir vor.

„Schön dich kennen zu lernen.“, erklärte Tina mit einem leichten Lächeln. Ihr Blick verriet jedoch, dass sie immer noch ein wenig unsicher gegenüber Illan fühlte.

„Dann werde ich jetzt wohl mit Linda telefonieren.“, meinte Rick nach einem kurzen Moment der Ruhe.

„Bevor du gehst, möchte ich an Tina noch eine wichtige Frage stellen.“, begann Engl, dabei sah er das Mädchen an, während sie fast deswegen förmlich zu Stein erstarrte.

„Willst du eigentlich bei uns bleiben?“, die Frage ließ auch Rick nachdenklich werden.

Tina zögerte kurz, aber wohl nur, weil es ihr peinlich war.

„Ja........., es tut mir alles so Leid. Ich habe euch so viele Probleme bereitet, ich...........“, wollte Tina beginnen, da meinte Engl:

„Das reicht mir. Warum du das getan hast, das ist ein anderes Blatt. Zuerst müssen wir wieder heil zurückkommen.“, erklärte er und Tina nickte.

Sie sah daraufhin zu Boden.

Das Mädchen griff währenddessen in ihre Umhängetasche. Sie hielt den orangenen Elementkristall empor:

„Die Entführer wollten diesen Kristall verkaufen. Ich hätte auf Linda hören sollen. Ich war dumm. Ich hätte nicht weglaufen sollen. Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen.“

Wieder war es einen Moment lang ruhig.

Alina hatte schon Tina zuvor ein wenigausgefragt, was alles passiert war und Stück für Stück hatte Tina dies preisgegeben. Bestimmt wussten Linda und Rossya auch schon Bescheid. Mit Sicherheit auch Engl.

„Entführer? Was ist eigentlich passiert? Wer sind die..........“, wollte Max fragen, aber Alina unterbrach ihn.

"Wer hat dich gerettet?", fragte sie Tina.

Tina sah zu Boden.

"Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht wer sie waren. Ich kann mich nicht mehr erinnern.", sie wurde plötzlich rot, als würde das Mädchen doch etwas wissen, aber Rick wollte nicht nachhaken.

„Ach übrigens ist Daniel vorher aufgekreuzt.“, begann der Schwarzhaarige plötzlich.

„Was ist mit ihm?“, fragte Rick.

„Er hat eine große Beule auf der Stirn, ansonsten nur Kopfschmerzen. Er sagte, dass er keine Ahnung mehr hatte, was gestern passiert sei. Heute Morgen sei er auf einer Parkbank aufgewacht. Jemand hatte ihn eingedeckt und nichts sei gestohlen worden. Nun pennt er im Zimmer da hinten.“, erklärte Max.

Daraufhin wandte sich Rick ab, denn er wollte telefonieren.


 

Der Junge ging in das Schlafzimmer und er schloss die Türe hinter sich.

Daraufhin zog er sein Handy hervor und er wollte die Nummer eintippen, da klopfte es an der Tür.

„Was denn? Ich will eigentlich telefonieren.“, erklärte er, dennoch öffnete sich die Türe.

Tina trat vorsichtig in einer leicht gebückten Haltung rein.

„Ich will mit dir reden.“, erklärte Tina vorsichtig.

„Nun gut.“, lenkte Rick ein.

Tina nickte zustimmend, daraufhin schloss sie die Türe hinter sich.

Im nächsten Moment verbeugte sich Tina tief:

„Es tut mir so Leid! Ich habe mir eingeredet, dass ich euch allen eine Last bin und dennoch seid ihr mir gefolgt. Ihr habt mich bis hier aufgesucht und.................“, Rick unterbrach sie:

„Tina.........“, begann er. Er fasste Tina sanft an die Schultern, sodass sie erschrocken aufschaute.

Der Junge umarmte sie.

Tina machte keine Anstanden sich zu wehren, eher wirkte sie erleichtert.

Durch ihr Zittern bemerkte man deutlich, dass ihr das vermutlich auch peinlich war.

Sie zitterte ein wenig, während Rick zur geschlossenen Türe starrte:

„.............wir haben alle unsere Fehler dazu beigetragen. Ich hätte zum Beispiel mehr Rücksicht nehmen sollen und ich habe es nicht bemerkt, dass du dich allein fühlst. Wir haben dich immer so besonders behandelt, dabei war ich selbst einmal ein Außenstehender.“, erklärte Rick.

„Ich weiß was du für mich empfindest, deswegen werde ich dir jetzt ganz direkt sagen, dass ich Alina liebe und mit ihr zusammen sein will, aber desto trotz bist du mir nicht weniger wichtig. Du hast mir immer das Gefühl vermittelt eine kleine Schwester zu haben, die absolut ehrlich mit mir ist. Ich will, dass du weißt, dass du immer auf mich zählen darfst, egal was du für mich fühlst. Nur weil ich deine Liebe nicht erwidern kann, bist du mir nicht weniger wichtig. Du bist ein Mitglied unserer Familie. Deswegen, Tina, renne bitte nie wieder fort. Ich will nicht schon wieder so eine Tortur durchstehen müssen.“, er ließ daraufhin das Mädchen los und völlig errötet schautet Tina zur Seite.

„Ich verspreche es.“, murmelte sie nach einer Weile.

Einen kurzen Moment später schaute sie Rick entschlossen in die Augen:

„Ich verspreche es!“, dieses Mal lag eine stärkere Betonung in ihrer Stimme. Rick nickte lächelnd, sodass auch Tina lächeln musste.

Sie öffnete daraufhin die Türe und Rick konnte Alina im Gang erkennen, wie sie den Jungen prüfend ansah. Wahrscheinlich um zu prüfen, ob Rick auch nichts unsittliches getan hat.

„Ohne ihre Erlaubnis, hätte Tina wohl nie den Mut gehabt hier reinzugehen. Ich denke, ich muss mich später bei Alina bedanken.“

Tina schloss die Türe und der Junge konnte sich endlich dem Telefonat widmen.


 

Es tutete kurz, als er das Telefon nach dem Einwählen an sein Ohr ob und schnell war Linda am Apparat.

„Schön von dir zu hören, Rick.“, begann sie.

„Das bin ich auch. Ich bin froh, dass wir Tina gefunden haben. Es ist so eine Erleichterung für mich.“, erklärte er.

„Das denke ich mir.“, stimmte Linda zu.

„Du wolltest mich sprechen?“, fragte der Junge.

Einen kurzen Moment meldete sich die Gildenmeisterin nicht.

„Ja.“, antwortete sie nach ein paar Minuten.

„Es ist aber nichts großes.“, fügte sie hinzu.

„Ich will euch nicht belasten oder euch jetzt weiter strapazieren. Es ist sogar etwas, was euch vermutlich guttun wird.“, erklärte Linda.

Rick horchte ein wenig interessiert auf.

„Es ist sozusagen ein kleiner Urlaub, den ihr euch verdient habt. Ein kleiner Urlaub, mit einer kleinen Randmission. Wahrscheinlich werdet ihr dazu durch die schönen Berge nördlich wandern müssen, aber das ist nichts schlechtes.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Aber im Grunde will ich dir nur sagen, dass ich stolz auf dich bin, Rick. Ich habe dir ja gesagt, dass du das hinbekommen wirst. Du hast dein Versprechen gehalten und das zeigt mir, dass du in den letzten Monaten ziemlich erwachsen geworden bist. Gut gemacht, Rick.“, fügte Linda hinzu und der Junge fühlte in diesem Moment wie ihm die ganze Last der letzten Tage mit einem Schlag genommen wurde. Endlich hatte das Schicksal es mit ihm gut gemeint.

„Danke, Linda.“, antwortete er ihr.

Die Randmission II --- Lügen

[Rossya]
 

„Hattest du wirklich keine Finger im Spiel? Hast du sie wirklich sich selbst überlassen?“, hakte Rossya nach. Sie schaute ihre Freundin aus alten Zeiten lächelnd an.

Linda schwieg, während sie aus der weißen Kanne den Tee nachschenkte.

Die beiden saßen wieder im Hintergarten und sie genossen die Stille, die nach diesem anstrengenden Morgen wirklich erholend war.

Zurzeit schien die Sonne und der Himmel war frei von Wolken.

„Ich kenne dich Linda. Du wirst doch nicht deine Schützlinge unbeobachtet lassen?“, fragte die Forscherin weiter.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin lächelte nur leicht, währenddessen trank sie ihren Tee.

Sie stellte daraufhin ihre Tasse ab.

Linda setzte zwar zu ein paar Worten an, aber sie brach schnell wieder ab. Sie schien zu überlegen.

„Ich denke, du wirst wissen was du tust. Ihnen geht es ja glücklicherweise gut und daher denke ich, dass du alles unter Kontrolle hattest.“, lenkte Rossya ein. Sie vertraute Linda in solchen Angelegenheiten.

Die weißhaarige Dame trank daraufhin ebenfalls aus ihrer Tasse.

Heute besaß Tee ein angenehmes süßes Aroma.


 

„Ich bin froh.“, begann Linda nach ein paar Minuten der Stille.

„Aber ich war mir sicher, dass sie so eine Aufgabe bewältigen können. Immerhin wissen sie jetzt auch, was sie leisten können. Was sie erreichen können, wenn sie zusammenarbeiten. Das eine oder andere habe ich mir natürlich nicht so gewünscht und ich hätte mir gewünscht, dass manches denen erspart bliebe. Ich bin aber wirklich froh, dass ihnen nichts zugestoßen ist und dass sie alle heil zurückkommen. Ebenso, dass sie alle eine Stück erwachsener geworden sind.“, erklärte die Gildenmeisterin.

Rossya hörte ihr schweigend zu.

„Nun kann ich sie auf die nächste Phase vorbereiten. Noch ein bisschen mehr Zeit und eine bessere Schulung, dann wären sie ein perfektes Team, welches bald oben mitspielen wird.“, fügte Linda hinzu.

„Du willst also wirklich die Gilde für das B-Turnier in vier Jahren vorbereiten?“, fragte Rossya nach.

Linda überlegte kurz.

„Ja....., das habe ich, aber das hat noch glücklicherweise Zeit. In vier Jahren werden sie soweit sein, aber zuerst muss ich dafür Sorgen, dass die nächsten vier Jahre die Gruppe stärkt. Ich hatte mir überlegt, dass jeder von ihnen besonders darauf vorbereitet wird.“, Linda setzte zum nächsten Schluck an.

„Aber zuerst wird die Gruppe einen kurzen Urlaub genießen können. Ein kleine Belohnung haben sie nach so einer Tortur verdient.“, Linda hob ihre rechte Hand, um sich durch ihr Haar zu streichen:

„Und natürlich damit ich mehr Zeit habe. Meine Vorbereitungen brauchen leider viel Zeit und ich muss aufpassen, dass alles funktioniert. Solange sie nicht hier sind, kann ich mich besser darauf konzentrieren.“

"Du bist da wohl sehr genau? Aber verraten tust du mir trotzdem nichts?", fragte Rossya mit einem sanften Lächeln. Sie war wie immer neugierig.

Linda nickte kurz.

Rossya tippte nervös mit ihren Finger auf den Tisch:

„Was hast du dir denn für ein Urlaub überlegt? Du schickst sie ja nach Jillwa, soweit ich weiß?“, wollte die Forscherin wissen.

Sie wartete darauf, bis Linda ihr antwortete.

„Ganz genau. Jillwa ist doch für ein kurzen Trip ein schöner Ort. Außerdem liegt der in der Nähe von Markezei.“, erklärte die Gildenmeisterin.

"Und ich hatte mir noch überlegt, dass sie dort zum größten Einkaufzentrum von Festa gehen können. Die Renovierungen sind erst jetzt fertig geworden. Ich denke, sie werden dort auch ihren Spaß haben können. Vielleicht könnten sie noch dazu das Schwimmbad besuchen. Was denen halt einfällt. Sie haben sich das jedenfalls verdient. Ich überlasse es denen, was sie tun wollen.“, erklärte Linda.

Die Gildenmeisterin schaute zur Seite, aber ihr fiel wohl noch etwas ein, deswegen fügte sie schnell hinzu:

„Zudem können sie noch nebenher ein kleinen Auftrag erledigen. Es ist aber nichts besonderes. Sie sollen nur ein Paket abholen. Es ist ein bisschen kompliziert, warum derjenige es nicht per Post schicken kann, deswegen trifft sich das wunderbar, dass sie genau dorthin gehen können.“

Rossya nickte, aber die weißhaarige Dame wusste nichts von dem Paket, aber diese Sache interessierte sie auch nicht.


 

„Aber der beste Weg von Markezei nach Jillwa ist doch über die Berge und an dem See vorbei, nicht?“, fragte die weißhaarige Forscherin.

Linda nickte erneut.

„Ich denke, das hilft ihnen ein wenig zu entspannen, nach all diesen schrecklichen Ereignissen. Außerdem brauchen sie Zeit für sich. Ruhe, die frische Bergluft und einfach mal zu laufen sind gute Aspekte, die zur Bewältigung hilfreich sein können, außerdem muss sich Tina wieder rein finden. Ich war ja schon erstaunt wie gut Tina das weggesteckt hat, abgesehen von deiner Hilfe, Rossya. Du hast übrigens wieder gute Arbeit geleistet. Das Mädchen klang danach viel entspannter und fröhlicher, als du mit ihr geredet hast."

Rossya lächelte.

„Aber es war schon nicht einfach. Ich kann auch nicht in dieser Hinsicht zaubern, da der menschliche Verstand Grenzen hat. Es liegt meistens an der Person selbst. Sie müssen von sich aus die Situation verarbeiten können, ansonsten kann ich nichts tun. Ich kann sie nur unterstützen.“, erklärte die weißhaarige Forscherin.

Dieses Mal lächelte Linda wirklich.

„Nun gut, dann sollte ich wieder an die Arbeit gehen. Es war wie immer schön mit dir.“, erklärte ihre Freundin. Sie wollte daraufhin aufstehen.

"Übrigens.....", begann die Forscherin und Linda drehte sich neugierig um, als sie aufgestanden war:

"Was ist eigentlich aus deinem Date geworden?", ein Grinsen schlich sich auf Rossyas Gesicht.

Linda sah kurz verlegen zur Seite, daraufhin schmunzelte sie, als hätte die Dame ein paar interessante und schöne Erinnerungen gesammelt.

Im Anschluss blickte sie die Weißhaarige an.

"Das bleibt ein Geheimnis.", erklärte Linda.

„Meine liebe Linda, ich kann mir schon denken, wie der Abend verlaufen ist. Dein Gesicht erzählt mir alles.“, dachte sich Rossya, während sie weiter schmunzelte.

"Also ist da mehr daraus geworden?", fragte die Weißhaarige anschließend.

Linda strich sich wieder durch ihr Haar und sie verzog ihre Mundwinkel nach unten, während die Gildenmeisterin ihre Augen schloss und ihren Kopf leicht hin und her bewegte.

"Du hast eine blühende Fantasie, Rossya. Ich habe mich nur mit ihm getroffen, wegen geschäftlichen Verhandlungen natürlich. Was soll denn daraus mehr passiert sein?", verneinte sie die Frage.

In den Ohren der Forscherin klang dies aber nicht wirklich glaubhaft.

"Also ob! Du willst mir nur nichts erzählen, weil es dir peinlich ist. Wahrscheinlich auch, weil du glaubst, dass ich so etwas weitererzählen würde.", dachte Rossya.

Aber Linda war in dieser Hinsicht schon immer schweigsam.

Mit einem Schulterzucken gab sich Rossya damit zufrieden.


 

"Ich habe auch mitbekommen, dass du mit ein paar Mitglieder der alten Gilden telefoniert hast. Hast du sie gebeten zurückzukommen? Was haben sie gesagt?“, fragte die weißhaarige Forscherin interessiert.

„Was du alles mitbekommst? Ich habe dir davon ja gar nichts erzählt.“, fragte Linda erstaunt.

Rossya grinste.

„Nun......., ich habe tatsächlich vor, die alten Mitglieder zurückzuholen, außer sie haben schon ein neues Zuhause gefunden. Jedoch hoffe ich, dass sie alle zurückkommen werden.“, Linda blickte traurig zur Seite, aber schnell schaute sie ihrer Freundin wieder in die Augen:

„Zumindest habe ich schon mit zwei telefonieren können, die zugestimmt haben. Sie kommen bald, aber die Jungs müssen noch etwas erledigen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Aber ich hatte ein kleinen Erfolg, was die Lehrmeister angeht.“, erklärte die schwarzhaarige Dame.

„Mit Tozzen und Zickzack konnte ich schon reden, aber mit den anderen wird es wohl noch dauern.“, erklärte Linda weiter.

„Mh........., du scheinst in letzter Zeit ziemlich aktiv zu sein, überarbeite dich bitte nicht. Ich weiß, dass du so etwas gerne tust. Manchmal ist zu viel Arbeit der falsche Schritt.", meinte Rossya.

Linda schien zuerst nicht zugehört zu haben, denn die Gildenmeisterin ging zur nächsten Gießkanne, die an der Häuserwand stand und sie goss die Blumen am Fenster, anschließend entfernte sie noch das Laub vom Fensterbrett.

Anschließend stellte sie die Gießkanne wieder zur Seite.

Erst dann wandte sich die Gildenmeisterin wieder um und meinte:

„Du könntest ein bisschen mehr helfen, meine liebe Freundin. Solange Engl und Noju nicht da sind und Dr. Drogan wieder einmal seine Schichten im Krankenhaus schiebt, haben wir hier viel zu tun.“, belehrte die Gildenmeisterin ihre Freundin.

„Ja ja.........., ist schon gut, Linda.“, beschwichtigte die Forscherin.

Linda tat wirklich viel für die Gilde. Sie deswegen in irgendeiner Art und Weise zu kritisieren, war wirklich keine gute Idee, nicht einmal ansatzweise. Rossya tat diesen Fehler leider viel zu oft.


 

Die Forscherin gab sich aber damit zufrieden und die Dame goss weiter den Tee in ihre Tasse, bis die Kanne leer war. Bald war der Tee weg und die harte Arbeit wartete schon.

"Ich will die Ranger Guild wieder groß raus bringen. Ich möchte sie wieder so groß machen, wie die alte Gilde.“, erklärte Linda.

„Ich bin es irgendwie schuldig.“, fügte sie leise hinzu.

Für einen Moment schaute die Gildenmeisterin wieder betrübt zur Seite.

„Vermutlich, weil es ihr Leid tut, dass sie die Gilde ihres Vaters so in den Sand gesetzt hatte.“, überlegte Rossya, aber sie trank weiter ihren Tee, ohne Worte darüber zu verlieren.

„Diesen Ansatz schaffe ich aber nicht alleine, deswegen müssen wir das alle zusammen tun. Aber bevor ich Hilfe benötige, werde ich meinen Teil dazu beitragen, indem ich die Vorbereitungen treffe, um diesen Ansatz überhaupt erst möglich zu machen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

Anschließend wandte Linda sich der Hintertüre der Gilde zu. Ihre rechte Hand wanderte zum Knauf.

"Gehst du wieder weg oder bleibst du im Hauptquartier? Oder triffst du dich wieder mit ihm?", fragte die Weißhaarige.

Man konnte ein Seufzen hören.

"Vorbereitungen Rossya, Vorbereitungen. Was denkst du schon wieder von mir?", erklärte ihre Freundin. Sie öffnete anschließend die Türe.

Die Weißhaarige sah ihr nach, wie Linda die Türe hinter sich schloss.

„Nun ja, dann sollte ich auch anfangen. Sonst beschwert sich Linda wieder.“, überlegte die Weißhaarige.

Sie stand ebenfalls auf.

Anschließend schob Rossya den weißen Gartenstuhl unter den Tisch und sie nahm die Tassen und die Kanne.

Heute stand noch viel an.

Zuerst musste die weißhaarige Dame zur Küche und im Anschluss noch in die Stadt.

Rossya betrat ebenfalls durch die Hintertür den Heizraum, um dann in die Eingangshalle zu gelangen.

Jedoch entdeckte sie Linda, als Rossya die Halle betrat, wie sie vor dem offenen Briefkasten stand, welcher sich außerhalb in der Nähe der gläsernen Eingangstüre befand.

Linda starrte blass für ein paar Sekunden etwas an.

„Ist etwas im Briefkasten?“

Rossya stellte die Tassen und die Kanne in der Küche ab.

Die Küche befand sich vom Eingang aus links neben dem Heizraum.

Daraufhin eilte Rossya zu ihrer Freundin, die immer noch blass vor dem Briefkasten stand.

Irgendetwas stimmte nicht.


 

Linda erschrak, als Rossya die Tür öffnete.

„Was ist los, Linda? Warum bist du so nervös?“, fragte die Forscherin vorsichtig.

„Nichts.“, erwiderte die Gildenmeisterin sofort. Sie versteckte einen blauen Umschlag unter den anderen.

„Ein Liebesbrief?“, meinte die Weißhaarige schmunzelnd.

Lindas Blick blieb jedoch ernst.

„Ja........“, meinte sie nach einer Weile. Das Zögern ließ Rossya weiter skeptisch werden.

„............ es ist etwas persönliches.“, fügte Linda hinzu.

Sie schaute kurz zur Seite.

„Ich muss in mein Zimmer.“, erklärte die Gildenmeisterin daraufhin.

„Linda.“, betonte Rossya scharf, bevor sich die schwarzhaarige Dame in Bewegung setzte.

Die Forscherin zeigte auf den blauen Umschlag, welcher unter den Stapel in den Händen der Gildenmeisterin hervorschaute.

„Was ist in diesem blauen Umschlag? Was ist das für ein Brief? Ich sehe es doch an deinem Blick, dass du über etwas.............“, Linda unterbrach ihre Freundin mit lauter Stimme:

„Rossya!“, zischte sie. In ihrem Blick befand sich etwas, was Rossya tatsächlich nicht definieren konnte.

„Dieser Brief ist mein privates Eigentum. Es ist nichts schlimmes oder dergleichen. Nichts ist an diesem Brief erschreckend. Ich weiß nicht was du denkst, also bitte interpretiere nichts. Dieser Brief ist harmlos. Er geht einfach nur niemanden etwas an. Ich bitte dich, Rossya! Lasse mich einfach allein. Ich komme nachher wieder. Geh solange in die Stadt oder mache sonst was. Tut mir Leid, Rossya.“, erklärte Linda. In ihrer Stimme schwangen traurige Züge mit.

Daraufhin lief sie an Rossya vorbei und eilte zügig die Treppen zum ersten Stock hinauf.

Die weißhaarige Forscherin schaute ihrer Freundin mit besorgter Miene nach.

„Linda, du konntest schon immer eines nicht.“, Rossya schaute in den Himmel.

„Gut lügen......................, meine liebe Freundin.“, aber Rossya sah ein, dass weiteres nachfragen wohl nichts bringen würde.

Was auch immer in diesem blauen Umschlag steckte, es hatte der Gildenmeisterin ordentlich Angst eingejagt.

Die Randmission III --- Die Warnung

[Tina]
 

Seit ihrer Ankunft im Hotel war ein halber Tag vergangen.

Sie hatte dadurch viel Zeit zum Nachdenken und auch Zeit mit verschiedenen Gildenkollegen zu reden.

So hatte sie nicht nur ein klärendes Gespräch mit Rick, welches sie zwar irgendwie traurig stimmte, aber zeitgleich ihr bestätigte, dass das Mädchen trotz ihres Fehlers zurück in die Gilde durfte und keiner ihr wirklich sauer war, sondern sie sprach auch mit Engl und Max. Mit Alina nur relativ kurz. Daniel und Julius meinten, dass sie keine Lust zum reden hatten, aber das Tina sich keine Gedanken darüber machen müsste, ob sie hier willkommen sei, denn dies sei selbstverständlich.

Nur das Ergebnis zählte und vielleicht was man daraus gelernt hatte.

Max dagegen versicherte ihr noch zusätzlich, dass er jederzeit für ein Gespräch bereit wäre, sollte Tina wieder Zweifel hegen und bevor wieder etwas schlimmes passieren würde.

Der Junge war der Überzeugung, dass er die Gefühle von Tina ein wenig nachvollziehen konnte.

Immerhin verband eine gemeinsame Vergangenheit die vier und deswegen fühlte sich Max in gewisser Hinsicht auch schuldig.

Tina hatte eigentlich so noch nie darüber nachgedacht.

Die unfreiwillig vergessene Vergangenheit.

Ein schmerzliches Gefühl, welches sie alleine ließ. Aber ob die drei Jungs ebenfalls so darüber nachdachten, das wusste Tina nicht. Vielleicht wäre es klüger gewesen, jemals deswegen nachgefragt zu haben.


 

Die Gruppe beriet sich im Café gegenüber von ihrem Hotel.

Engl war mit Kirylla schon abgereist. Tina hatte das Mädchen nur kurz gesehen, aber sie machte körperlich, sowie geistig kein guten Eindruck.

Blass und müde starrte das Mädchen die ganze Zeit zur Seite.

Niemals hatte sie sich getraut jemanden ins Gesicht zu schauen.

Tina bekam jedes mal ein schlechtes Gefühl, wenn sie Kirylla beobachtete. Am liebsten wollte sie dem Mädchen helfen. Nur wusste Tina nicht wie.

Illan, der seltsame junge Mann, war ebenfalls verschwunden.

Max hatte daraufhin erklärte, dass der junge Mann ein Vampir sei und was seine Geschichte war, zumindest das, was man über ihn wusste.

Um so länger das Mädchen darüber nachdachte, um so schneller verschwand das Schaudern, welches das Wort Vampir bei ihr verursachte.

Auch wenn er ein solcher Vampir war, so musste er ja der Gruppe viel geholfen haben.

Für Tina war das dann ein guter Mensch. Illan wirkte bisher auch sehr normal, auch wenn seine Art ein wenig eisig war.


 

"Wir müssen jetzt wirklich noch zu dieser Stadt?", fragte Julius. Er klang ein wenig unmotiviert.

Was Tina besonders überrascht hatte, dass er neuerdings ein versiegeltes Katana trug, sowie Max.

Warum es versiegelt war, hatte sie vom schwarzhaarigen Jungen erfahren.

„Linda meinte, dass wir in Jillwa machen können, was wir wollen. Sie erwähnte ein Einkaufszentrum.........“, Alina horchte interessiert auf, zuvor saß sie nur die ganze Zeit in einer ablehnenden Haltung am Tisch. Ihre verschränkten Arme verblieben jedoch in ihrer Position.

„.................., ein Schwimmbad oder auch so etwas wie ein Kinobesuch.“, Rick kratzte sich ein wenig am Kopf:

„So etwas gibt es leider bei uns auf der Insel nicht. Es würde mich schon reizen dorthin zu gehen.“

„Und wo ist der Haken?“, fragte Max.

Rick blickte ihn verwundert an.

Der Schwarzhaarige richtete sich auf, er hatte bisher ebenfalls die Arme verschränkt gehabt:

„Du hast vorher noch von einer Randmission geredet.“, erklärte Max.

„Das ist aber dann kein Haken. Es ist nur eine Kleinigkeit, die wir noch zusätzlich erledigen sollen.“, klärte Rick auf.

Max schwieg daraufhin.

"Jillwa. Es soll nicht weit weg sein, jedenfalls von hieraus. Wir könnten mit dem Zug in zwei Tagen dort sein.", meinte Daniel. Er tippte auf seinem Handy herum.

„Was machst du da?“, fragte Rick.

Daniel schaute auf.

„Ich suche im Internet. Man kann sich hier kostenlos anmelden. Kennst du das nicht?“, Daniel sah seine Gildenkollegen an.

„Interessiert ihr euch gar nicht für Technik?“, fragte Daniel erstaunt.

„So etwas kann ich mir nicht leisten.“, erklärte Rick nur und er gab damit das Thema wieder ab.

Daniel zuckte mit den Schultern und er lehnte sich wieder zurück.

„Aber um das zu beantworten, was du gerade gesagt hast. Wir werden durch die Berge wandern.“, erklärte Rick. Daniel sah erstaunt auf.


 

Der braunhaarige Junge rollte eine Karte über den runden Tisch aus.

Die Karte war so groß, wie ein DINA3 Blatt. Es zeigte den Norden von Festa.

Man konnte Teile der gigantischen Dornenhecke am rechten Rand erkennen.

Im Süden grenzte die Wüste die Karte ab. Im Westen das Meer.

Im Norden befand sich eine grüne Steppe.

Rick zeigte auf das gesuchte Dorf. Es befand sich leicht nordwestlich von Markezei, aber hinter einer Gebirgskette.

Es führte keine größere Straße dorthin, aber ein Wanderweg war eingezeichnet.

"Jillwa liegt da und dort sind wir. Wir müssen nur da über die Berge und wir sind in weniger als einem Tag da, zumindest hat das Linda behauptet.“, erklärte Rick.

„Das Problem ist, dass wir uns es auch nicht mehr leisten können für deine Zugfahrt so viel Geld auszugeben. Ich weiß nicht einmal, ob wir genügend zusammenbekommen, wenn wir in Jillwa etwas unternehmen wollen.“, erläuterte er seine Probleme.

„Nun ja, zumindest haben wir kein Zeitdruck mehr, somit können wir länger darüber nachdenken.", meinte Max.

"Und besser als sich in enge Züge zu hocken.", meinte Julius und er lehnte sich zurück.

„Ja, diese hektische Tour hierher, die ging schon auf die Knochen. Ich bin auch froh, dass wir endlich ein Gang zurückschalten können.“, erklärte Daniel.

"Sie haben alle nach mir gesucht und so viel getan, aber trotzdem sind sie nicht sauer auf mich, stattdessen tun sie so, als hätte ich gar nichts getan.", dachte Tina traurig darüber nach.

„Wann hast du vor loszugehen?“, fragte der Schwarzhaarige Rick.

Rick dachte kurz darüber nach.

„Ich denke morgen früh. Jetzt los zu wandern, um dann mitten in der Nacht in einer Gebirgskette zu stehen, klingt nicht sehr vernünftig.“, erklärte der braunhaarige Junge.

„Sehe ich auch so.“, stimmte Max zu.

Kurz bevor Stille eintrat, hob der schwarzhaarige seine Hand und er sah wieder Rick an:

„Was ist das eigentlich für ein Auftrag? Was hat Linda darüber gesagt?“

Rick sah ihn kurz schweigend an.

„Wir sollen etwas abholen. Ich soll sie später noch einmal anrufen. Sie sagt mir dann die genaue Adresse.“, erklärte er.

Max nickte nur und wieder lehnte er sich zurück.

"Gut, dann bereiten wir uns vor, damit wir morgen schnell von hier wegkommen",meinte Rick als Abschluss und daraufhin stand er auf.
 

Eine kurze Zeit später im Hotel:
 

Tina sah aus dem Fenster, man konnte durch das Fenster der Straße fast bis zum Horizont folgen.

Man sah kaum jemanden. Markezei wirkte ruhig und auch ein wenig verlassen.

Das interessierte Tina aber nicht, denn sie sah eigentlich nur aus dem Fenster, um über ihre Zukunft bzw. Vergangenheit nachzudenken.

„Machst du dir immer noch Gedanken darüber?“, fragte Rick plötzlich.

Er brachte damit Tina kurz zum Zittern.

„Oh...., ich wollte dich nicht erschrecken.“, erklärte der Junge und Tina drehte sich lächelnd um.

Sie war einen Moment lang verlegen.

Für das Mädchen war es immer noch ein unangenehmes Gefühl mit dem Jungen zu sprechen, ohne das jemand in der Nähe war.

„Nein.............“, begann Tina leise.

„.............ich habe mittlerweile verstanden, dass ihr mich erst gar nicht aufgesucht hättet, wenn ich euch egal gewesen wäre. Es tut mir Leid.“, entschuldigte sich das Mädchen.

„Ach Tina.“, meinte Rick. Er machte Andeutungen einer Umarmung, aber er hielt sich wohl zurück.

„Es ist nun mal geschehen und wer wie Schuld hatte, das weiß auch keiner. Mir ist das völlig egal. Dass du in Sicherheit bist und dass wir darüber geredet haben, das sind die einzigen Gründe für mich, die wichtig sind.“, erklärte der braunhaarige Junge und wieder sah Tina verlegen zur Seite.


 

Alina kam in diesem Moment ums Eck. Sie war wahrscheinlich im Bad gewesen.

Unzufrieden blickte sie Tina und dann Rick an.

Zumindest flippte sie nicht mehr aus, wenn sie Rick und Tina innerhalb eines Meter zueinander stehen sah.

Zugleich eilte Ricks Freundin zu ihm.

„Wir können uns darauf einigen, dass du einfach nicht mehr solche Dummheiten tust, Tina?“, meinte Alina, aber ihre Stimme klang nicht so vorwurfsvoll, wie ihre Worte gemeint waren.

Tina konnte nachvollziehen, warum Alina dies gesagt hatte.

Es waren im Grunde auch die ersten ehrlichen freundlichen Worte, die Tina von ihr hörte.

Diese Tatsache machte Tina ein wenig glücklich.

„Hat einer von euch die Klimaanlage runter gedreht?“, fragte Max, als er in den Raum trat.

Er kam vom Wohnzimmer aus.

„Es gibt keine Klimaanlage in diesem Hotelzimmer.“, hörte man die Stimme von Daniel, der wohl immer noch im Wohnzimmer saß.

Rick schaute Max verwundert an, aber er schien selbst etwas zu bemerken.

Selbst Tina fühlte plötzlich eine gewisse Kälte auf der Haut.

Der braunhaarige Junge drehte sich dann zu seiner Freundin:

„Hast du ein Fenster geöffnet?“, Alina schaute ihn schweigend an, dann sah sie aus dem Fenster.

Tina bemerkte, dass es draußen hell war und ein wolkenfreier Himmel herrschte. Es war nicht sichtlich kälter geworden.

Also woher kam denn dann plötzlich diese Kälte?

Tina drehte sich zu Rick um und sie erstarrte förmlich zu Stein.

Jemand stand, wie mitten aus dem Nichts, im Raum.

Er war bestimmt zwei Meter groß und sein Körper war ummantelt mit einem schwarzen Nebel, sodass man nicht mal definieren konnte, wie seine Statur war.

Seine Aura strahlte aber bedrohliche Schwingungen aus.

Zitternd und schwer atmend stand Tina plötzlich da.

Sie konnte sich nicht mehr bewegen, ohne dass jemand sie festhielt.

Rick hatte sich nur umdrehen können, aber als er den Mann erblickte, erstarrte er selber und Schweißperlen strömten über sein Gesicht hinunter.

Selbst Alina war plötzlich schweißgebadet.

Keiner brauchte mehr Worte zustande.

Max sah zur Seite, auch er zitterte.

Julius trat in diesem Moment aus dem Wohnzimmer und selbst ihm stockte der Atem.

„Was ist los, Julius? Warum bist du plötzlich so blass?“, hörte man Daniel fragen. Man hörte ein Stuhl zur Seite rücken.

„Bleib zurück! Dieser Mann............., wir haben ihn vor kurzem in der Stadt gesehen. Er kann alle zum erstarren bringen.“, erklärte der schwarzhaarige Junge. Max sah immer noch zu Boden.

Daniel hörte aber wohl nicht auf den Ratschlag seine Freundes und er trat deswegen ebenfalls in den Raum.

Auch Daniel war plötzlich übersät mit Schweißperlen und ein Zittern machte sich bemerkbar.

Keiner sprach mehr ein Wort. Nur der Mann stand oder schwebte mitten im Raum.

Sein Nebel machte es unmöglich ihn genauer zu definieren.

Tina konnte nicht über ihn nachdenken, eine schreckliche Angst lähmte sie.

„Ihr begebt euch auf ein gefährliches Feld. Ich warne euch ein letztes Mal. Denn irgendwann wird der Schutz fallen und dann werde ich wiederkommen. Dieser Tag wird euer letzter sein!“, erklärte der Mann mit einer schattenhaften und dämonischen Stimme.

Im Anschluss war der Mann wieder verschwunden und er ließ alle wieder aufatmen.

„Ich habe Angst.“, dachte Tina verängstigt.

„Was zum Teufel...............“, brachte Rick nur heraus. Er schien sich schwer zu tun sich damit abzufinden..

„Ich habe mich überhaupt nicht mehr bewegen können.“, erklärte der braunhaarige Junge entsetzt.

„Er kann auch einfach so hier auftauchen. Der Typ ist gefährlich.“, stellte Julius fest.

Tina zitterte bei diesem Gedanken. Sie hatte immer noch Angst.

„Wir sollten so schnell wie möglich weg von hier. Zumindest lass uns so früh wie möglich aufbrechen.“, murmelte Max und keiner widersprach seinen Worten.
 

Am nächsten Tag, am frühen Morgen:
 

Es war noch dunkel draußen und keiner hatte so richtig schlafen können.

Vermutlich hatte jeder über das kurze Grauen von gestern nachgedacht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte jeder die Befürchtung, dass der Mann wieder auftauchen könnte.

Trotzdem bereitete man sich vor.

Während sich die Gruppe fertiggemacht hatte, hatte auch keiner mehr ein Wort darüber verloren.

Jeder wollte vermutlich einfach nur so schnell wie möglich weg von Markezei.

So waren sie schon außerhalb der Stadt in Richtung Wald, welcher zur Gebirgskette führte, während gerade die Sonne am Horizont aufging.

Da es nur eine Straße gab, mussten sie so nur der Straße nach Nordosten folgen.

Die erste halbe Stunde lang herrschte Ruhe, bis Daniel sich zu Wort meldete.

„Wusstest ihr, dass die Gebirgskette auch das Lila Gebirge genannt wird?“, fragte er.

Er schien etwas zu lesen, während er der Gruppe folgte.

„Was liest du da?“, fragte Max ihn.

„Ich dachte mir, ich nehme mir ein Prospekt mit. Die standen da so herum und ich habe jetzt zumindest was zum lesen. Es ist auch eine Wegbeschreibung dabei.“, erklärte der Junge.

„Ah ha.“, meinte der Schwarzhaarige nur und mit einem Schulterzucken wandte er sich von Daniel ab.

Nach einem kurzen Moment der Ruhe, fragte Tina neugierig nach:

„Und warum heißt es Lila Gebirge?“, Daniel schaute sie erfreut an:

„Das stand auch drin.“, er zeigte auf seinen Prospekt und man konnte die Gebirgskette erkennen und darüber war ein lila Schleier zu sehen.

„Es soll eine Lichtspiegelung sein, die nur einmal im Jahr auftaucht. Im nächsten Winter soll es wieder so weit sein.“, erklärte er.

Tina empfand die Farben auf dem Bild als schön. Gern würde sie dieses Phänomen live erleben.


 

Der lange und weite Weg bis zum Gebirge verlief ohne Probleme.

Während des Wanderns dorthin, konnte man beobachten, dass sich zuerst Abhänge westlich und östlich des Weges auftaten.

Eine gewisse Zeit später standen sie vor einer hohen Felswand und der Eingang eines Tunnels war zu erkennen.

Schwache Lichter waren an den Wänden montiert, sodass der Weg nicht ganz im dunklen lag, jedoch herrschte eine unwohle Atmosphäre, wenn man in den Tunnel sah.

"Mh, nicht wirklich vertrauenswürdig.", meinte Max.

Rick sah auf die Karte.

"Aber hier steht, dass es der normale Wanderweg ist.", erklärte er.

"Ist doch nur ein Tunnel, was soll da drin schon lauern?", meinte Julius und er ging zügig voran. Max folgte ihm zuerst. Daniel nur mit einem kurzen zögern.

"Ja. Julius hat recht, was soll schon passieren, wenn der Weg, als offizieller Wanderweg, eingezeichnet ist?", meinte Alina. Sie zog ihren Freund mit sich.

Tina wollte natürlich nicht alleine bleiben, sodass sie schnell der Gruppe folgte.


 

Der Tunnel erwies sich ebenfalls als unspektakulär, denn es war nur ein holpriger Weg der geradeaus führte und immer wieder waren rote Pfeile an die Wand gemalt worden, damit auch jeder Wanderer kapierte, dass dies der offizielle Wanderweg war.

"Auch wenn alles ruhig wirkt, die dunkle Höhle sieht immer noch beängstigend aus.", dachte Tina.

Aber sie äußerte sich nicht dazu.

Die Gruppe kam nach einigen Minuten bald bei einer nicht verzeichneten Abzweigung an.

Der Weg auf der Karte verlief leicht westlich, aber man konnte nicht genau bestimmen, ob der Abzweig nach links auch der Richtige war, zudem war hier nichts ausgeschildert. Es waren dieses Mal auch keine roten Pfeile zu sehen.

"Links.", meinte Julius sofort.

"Es könnte auch Rechts sein.", vermutete Max.

"Der Weg geht nach links.", erwiderte Julius.

Der schwarzhaarige sah in den westlichen Abzweig und dann in den östlichen Abzweig, der leicht nach oben ging. Es war ein Aufstieg, der in der Ferne in einem hellen Schein endete.

"Mein Gefühl sagt mir, dass der östliche Weg der Richtige ist.", erklärte Max.

"Dann bist du der einzige.", meinte Rick genervt und er ging nach links. Alina und Tina folgten ihm. Daniel zuckte mit den Schultern und folgte Rick.

„Wollt ihr euch nicht lieber vergewissern? Im linken Tunnel erkenne ich zum Beispiel gar kein Licht und somit bin ich mir nicht sicher, dass......................“, wollte Max erklären, aber Julius unterbrach ihn:

"Du kannst ja gerne diesen Weg gehen. Du brauchst nicht wegen mir hier anfangen zu diskutieren, zumindest nicht mit mir.", erklärte Julius.

Er hatte sich beim Reden nicht einmal umgedreht.

Tina erblickte, wie Max seine Mundwinkel nach unten zog.

Sie sah betrübt nach vorn und dann zu Julius und Daniel, die ohne zögern weiterliefen. Selbst Rick und Alina machten keine Anstalten sich umzudrehen.

Tina drehte sich wieder um, aber Max war schon verschwunden.

"Wo ist er hin?", fragte sie erstaunt.

"Keine Ahnung, aber soll er doch das machen, was er nicht lassen kann.", meinte Rick. Er klang genervt.

"Ich mache mir trotzdem sorgen.", dachte Tina und sie sah betrübt zu Boden.

Das Mädchen war kurz stehengeblieben, aber Alina schubste Tina leicht nach vorn, sodass sie wieder anfing zu laufen.

„Er ist alt genug, wenn er seinen Starrkopf unbedingt durchsetzen will, dann soll er selbst gegen die Wand laufen.“, erklärte Alina.

Tina sah ein weiteres Mal nach hinten und dann wieder nach vorn.

Momentan blieb ihr nichts anderes übrig, als der Gruppe zu folgen.

Vielleicht wusste der Junge ja, was er tat.

Die Randmission IV --- Das Anwesen

[Max]
 

Beleidigt eilte er den steilen Weg nach oben. Er war nicht sonderlich fest. Immer wieder rutschte der Junge über die losen Steine, aber jedes Mal fing er sich wieder.

Der Weg war aber beleuchtet, als konnte er schon mal nicht so falsch sein, zumindest hoffte Max das.

Auch wenn der Weg gerade nur steil nach oben führte und in einem hellen Lichtstrahl endete, der sowieso immer größer wurde, umso näher Max ihm kam, so empfand er die Umgebung immer noch als gruselig. Vor allem weil der Junge momentan alleine war.

Max war sowieso allgemein ein nervöser Mensch. Immer hatte er ein Auge auf die Umgebung.

Es gab ja aber hier keine Abzweige, so konnte ja nichts von der Seite herbei huschen, auch wenn ihm seinem Gedanken immer dies weismachen wollten.

Desto trotz wollte Max nicht umkehren.

Da er sowieso fast am Ziel war und weil der Junge auf keinem Fall den anderen den Gefallen tun wollte, dass sie recht haben könnten. Max wollte beweisen, dass seine Entscheidung kein Fehler war.


 

Der Junge war sich sicher, dass er schnell aus dieser Höhle kommen würde und so den anderen damit zeigte, dass er die Karte doch richtig gelesen hatte.

Momentan hatte Max zwar keine Karte dabei, aber was sollte denn jetzt noch bitte schiefgehen?

Einige Schritte später erreichte Max das Ende der Höhle.

Der steile Weg führte auf eine Lichtung. Einer schönen grünen Ebene, die viele verschiedene Blumen bot. Es war allgemein ein schöner Anblick.

Sein Herz fühlte sich plötzlich viel leichter an und seine Nervosität verschwand. Er hatte doch recht gehabt. Dieser Weg führte tatsächlich wieder hinaus.

Max Blick fiel in alle Richtungen und er bemerkte, dass sich der Junge wohl gerade auf einen der Spitzen des Gebirges befand. Zwar ging es östlich von ihm noch einen steilen Hang hinauf, aber nach Westen konnte man in der Ferne schon ein großen See erkennen, sowie den Rest des Gebirges. Max vermutete, dass er sich wohl nun mitten im Gebirge befand.

Der Weg, welchen er folgen konnte, führte wieder leicht bergab und man sah von oben aus, dass der Weg zum See führte, aber es würde bestimmt noch einige Minuten dauern und der Tag wird auch bald zu Ende gehen, zumindest waren es noch ein paar Stunden.

Seufzend machte sich der schwarzhaarige Junge auf dem Weg.

Zum Glück schien momentan die Sonne und es war dadurch warm.


 

Als Max um ein großen Felsbrocken lief, der fast schon mitten auf dem Weg lag, entdeckte er dahinter, dass einige Meter entfernt eine große Mauer gebaut war. Große Eisenspitzen befanden sich darauf.

Die Mauer lief mit den Abhang hinauf.

Seltsamerweise hatte man diese, vom Ausgang der Hölle, gar nicht gesehen.

Max lief zu dieser Mauer und klopfte leicht daran.

Sie war massiv und nicht hohl.

So beschloss der Junge dieser Mauer, entlang des Weges, vorsichtig zu folgen und bald erreichte er ein eisernes Tor, welches aber offen stand. Man könnte so in das Gebiet hinter der Mauer gelangen.

Skeptisch blickte der Junge das Tor an. Er misstraute der Sache.

Max Blick schweifte zwischen den Mauern, durch das offene Tor, den Hang hinauf.

Er konnte ein gepflegten Steingarten erkennen. Vereinzelt befanden sich auch Brunnen und Skulpturen darin. Man konnte gut erkennen, dass dieser Garten gepflegt wurde. Es war auch ein schöner Anblick.

In höherer Lage war eine große weiße Villa zu erkennen. Ein prachtvolles Gebäude. Bestimmt wohnten dort sehr reiche Leute, die aber wohl ihr Gartentor unbeaufsichtigt offen ließen.

An der Mauer, links neben dem Tor, war ein goldenes Schild zu erkennen. Auf diesem Schild stand ein Name in schwarzer Farbe.

Harmonya stand darauf.

Der Name sagte Max aber jedoch nichts.


 

"Wer sind sie?", hörte er plötzlich hinter sich sagen und er drehte sich erstaunt um. Ein Mädchen ungefähr in seinem Alter stand vor ihm.

Sie wirkte verunsichert und zurückhaltend, aber trotzdem lächelte sie. Sie trug langes purpurfarbenes Haar, besaß gelbbraune Pupillen, ein runde Gesichtsform und leicht errötete Backen.

Sie war dünn, aber das Mädchen besaß jedoch unüblich kräftige Oberarme, zumindest für ein Mädchen. Was ihr schönes Aussehen aber nicht schmälerte.

Aber trainierte sie etwa?

Das Mädchen trug ein blauen Rock, welcher ihr knapp bis zu den Knien ging, dazu eine dunkelblaue Bluse.

Sie stand mitten auf der Wiese und in ihrer rechten Hand trug sie ein paar Blumen.

Ihr Blick wirkte unschuldig. Man könnte von ihr nichts böses vermuten.

"Ich.......... ich bin nur ein Reisender und ich wollte eigentlich nur nach Jillwa. Ich....... Ich wollte hier nichts.", erklärte Max sofort. Er hätte beinahe keine Worte gefunden.

Seine Nervosität stieg stark an.

"Ach so.", meinte sie zufrieden und ihr Lächeln wurde freundlicher.

Verwundert sah Max sie an.

„So einfach?“

"Ich dachte schon, sie seien so ein böser Mensch, wie diese Verbrecher, die nachts um unser Haus schleichen.", sie erklärte das so betont, dass sich Max wunderte, wieso sie dann hier draußen war.

"Verbrecher? Und warum bist du dann hier allein draußen? Ich meine, vielleicht wollen sie in das schicke Haus da einbrechen?", fragte der schwarzhaarige Junge.

Er sah um sich. Nicht, dass genau jetzt diese Typen irgendwo warteten bzw. auftauchten.

"Ach keine Sorge, Fremder.“, dabei fiel dem Mädchen wohl etwas wichtiges ein.

„Oh wie unhöflich von mir. Wie darf ich sie ansprechen?", fragte sie und das Mädchen verbeugte sich.

Max war diese Situation ein wenig peinlich:

"Ah äh ähm.............. nenne mich einfach Max. Max Maxxus aus der Ranger Guild von Ranger Island.", er hoffte nichts vergessen zu haben.

Das Mädchen wirkte begeistert:

"Ah wie schön! Du bist in einer Gilde?", fragte sie neugierig.

Max sah verwundert auf. Sie interessierte sich wohl für die Gilde?

"Oh ja, ich bin in einer Gilde...............", wollte er anfangen zu erklären, aber plötzlich hörte er fremde Stimmen den Weg hinab, die ein Schauer über den Rücken verursachten.

"Seht euch das an, die Kleine ist tatsächlich hier draußen. Gregory! Du hattest einfach mal recht gehabt.", daraufhin hörte man eine andere Stimme lautstark sagen:

„NATÜRLICH HABE ICH RECHT!“, diese Stimme brüllte förmlich.

„Ruhe! Wir dürfen keine zu große Aufmerksamkeit erregen, bevor die Herrschaften in der Villa davon mitbekommen.“, erklärte eine dritte Stimme.

„Ja.... ja....., Boss.“, stimmte eine vierte Stimme zu.

Vier größere junge Männer kamen den Weg entlang gelaufen. Sie waren nicht mehr weit entfernt.


 

Extrem nervös starrte Max die vier Männer an. Man musste schon blind sein, um nicht zu kapieren, dass die vier keine gute Absichten hatten.

Alle aus dem Quartett trugen schwarze Klamotten und hatten fast den selben Gesichtsausdruck. Ein selbstsicheres Grinsen.

Zudem trugen sie Messer, Seile, Klebeband und ein nasses Tuch in den Händen, während sich der vierte die Hände rieb.

„Warum? Warum musste ausgerechnet das passieren, warum jetzt? Warum genau das, was ich nicht wollte, dass es passieren sollte.“, jammerte Max innerlich. Er konnte lautstark fluchen, dass ihm schon wieder die Ironie ein Strich durch die Rechnung machte.

Bestimmt lachte da oben irgendjemand über ihn.

Vorsichtig legte der Junge seine Hand auf sein Katana, aber er bemerkte das Siegel, also griff Max anschließend zu seinem Eiskristall.

Die vier Männer waren inzwischen sehr nahe gekommen, aber sie taten so, als wäre der schwarzhaarige Junge gar nicht da.

Einer der vier murrte Max dann doch an:

"Geh mir aus der Sonne!", und er stieß den Jungen zur Seite.

Beleidigt wollte der schwarzhaarige Junge seinen Eiskristall nutzen um Ark zu beschwören, da bemerkte er im Augenwinkel, wie das Mädchen ebenfalls in ihre Tasche griff und etwas gelbes hervorholte.


 

Sie zog ein gelben Kristall hervor.

"Sie hat ja auch so einen Kristall, wie ich?!", dachte Max überrascht.

Das Mädchen ließ diesen Elementkristall aufleuchten und beschwor damit zugleich ein gelben Lichtblitz, der in den Himmel schoss.

Aus diesem Lichtblitz entstand eine gelb leuchtende Schwalbe, die sofort aggressiv auf die vier Männer zuflog.

Der Vogel gab Funken von sich und als die Schwalbe zwischen den vier Männer mehrmals hindurch flog, verpasste diese den Männern mehrere elektrische Schläge.

Zitternd und irritiert tanzend die vier Männer unfreiwillig für kurze Zeit.

Anschließend landete der kleine Vogel auf der rechten Schulter des Mädchens.

"Krasser Vogel, der kann wohl Blitze verursachen und Elektrizität ausstoßen?", gab einer der vier Männer blass bekannt. Dieser musste daraufhin seinen Kopf schütteln.

Die anderen taten das Selbe.

Inzwischen konnten sich wohl alle aus ihrer Paralyse befreien.

Einer der Männer sprang daraufhin auf das Mädchen zu, die erschrocken aufschrie.

"Du kleine GÖRE! Dafür bekommst du von mir eine!", er wollte mit seiner Hand ausholen, da hört man plötzlich ein Schuss.

Vor den Füßen des Angreifers war im Erdboden ein kleines Loch zu erkennen.

Der Schütze kam in diesem Moment den Weg, von der Villa aus, hinuntergelaufen.

Es war eine große, schlanke und ältere Person, die ein Gewehr in der Hand trug und dieses gerade wieder nachlud.

"Ich gebe euch fünf Sekunden, ansonsten durchlöchere ich euch!“, daraufhin zielte der ältere Mann wieder auf die vier Verbrecher.

Mit bedrohlicher Miene entsicherte der Mann wieder das Gewehr:

„Solltet ihr noch einmal die Tochter des Hauses anfassen, dann war das euer letzter Tag. Das schwöre ich, als Butler des Hauses Harmonya.", drohte der Mann und sein böser Blick zeugte von seiner Drohung. Er meinte es ernst.

Die vier wurden sichtlich nervös und anschließend suchten sie dadurch das Weite auf.

Jedoch fluchten sie währenddessen lautstark.

Sie drohten zudem noch, dass der Butler auf sich aufpassen sollte, sollte er das nächste Mal in der Stadt auftauchen.

Daraufhin waren sie in der Ferne verschwunden.


 

Der alte Mann scherte sich nicht darum, er entsicherte seine Waffe.

Sein starrer böser Blick blieb jedoch.

"Mit dem Butler sollte man sich wohl lieber nicht anlegen?", dachte Max nervös.

"Vielen Dank.", bedankte sich das Mädchen und der Junge wurde wieder ein Moment verlegen.

"Was wieso? Ich habe doch gar nichts gemacht.", gab Max zu.

„Das stimmt doch gar nicht.“, meinte sie.

"Ich stand doch nur den vier Männern im Weg.", erwiderte der schwarzhaarige Junge.

Der Butler kam näher:

"Alles in Ordnung, Miss Harmonya? Dürfte ich erfahren, was sie hier draußen zu suchen hatten? Und wer dieser junge Mann ist? Ich habe ihn hier bisher noch nie gesehen.", die Worte des Butlers klangen eher wie ein Vorwurf und Max fühlte sich momentan schuldig.

"Alles in Ordnung, der Junge ist ein Guter.“, meinte das Mädchen und sie sah Max lächelnd an.

„Er wollte mich bestimmt beschützen...........“, daraufhin fiel ihr wohl wieder etwas wichtiges ein:

„Oh je, ich bin so eine unhöfliche Gastgeberin. Sie kennen ja nicht einmal meinen Namen und ich habe nach ihren Namen gefragt.", begann das Mädchen. Sie verbeugte sich leicht.

"Ach kein Problem, das ist nicht nötig.........", wollte Max beginnen, aber er wurde von ihr unterbrochen.

"Doch doch, das gehört doch zu meinen Pflichten..........., also mich stets vorzustellen.", daraufhin lächelte das Mädchen erneut und sah dem Jungen tief in die Augen.

"Ich heiße Maike Harmonya. Ich freue mich sehr sie kennenzulernen.", sie verbeugte sich ein weiteres Mal vor ihm und schon wieder war Max die Situation peinlich.

Die Randmission V --- Der Doppelgänger

[Linda]
 

„Du willst also noch in die Stadt, Linda?“, fragte Rossya, während sie einen Korb voller Schmutzwäsche in die Waschküche bringen wollte.

Sie eilte dabei fast schon unnachsichtig die Treppen hinunter.

Die Waschküche befand sich im hinteren Teil des Heizraumes, welcher sich rechts von den breiten Treppen befand. Da der Raum dort schön warm war, konnte die Wäsche dort schnell trocknen.

Diese Woche war Rossya mit der Wäsche dran und sie schien schon die ganze Zeit sehr eifrig ihrer Aufgabe nachzugehen.

Entweder machte es ihr Spaß oder die weißhaarige Forscherin hatte einfach nichts zu tun.

Seit einiger Zeit ging sie auch nicht mehr ihrer üblichen Aufgabe nach, das Forschen.

Die Dame hatte ihr Labor verkauft, bevor sie von der Insel abgereist war.

Sie hatte aber kein neues mehr organisiert und die Alternative war in Flammen aufgegangen.

Es konnte aber auch sein, dass die schmerzlichen Erinnerungen an Wills Tod sie davon abhielten sich ihrer eigentliche Aufgabe zu widmen.


 

Rossya tat viel für die Gilde. Man konnte ihr da nichts vorwerfen. Keinesfalls.

Linda bekam sogar schon deswegen ein schlechtes Gewissen.

„Ja, das werde ich tun. Brauchst du etwas?“, fragte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Die Forscherin schien tatsächlich kurz darüber nachzudenken.

„Oh ja klar.....!“, meinte sie plötzlich überrascht.

Die weißhaarige Dame sah ihrer Freundin in die Augen:

„Wir brauchen unbedingt noch weißen Enzian.............“, während sie diese Worte aussprach, stoppte die Forscherin abrupt und ihr Blick streifte zur Seite.

Ein Moment lang blieb die Frau still.

„Entschuldige........“, meinte die Forscherin nach wenigen Sekunden.

Daraufhin ging Rossya ohne ein weiteres Wort zu sagen in den Waschraum.

Linda sah ihr nach.

„Enzian......., es war schon immer ihr Liebling gewesen.“, Linda seufzte leicht betrübt.

„War das nicht der Duft des Parfüms von...........“, überlegte die Gildenmeisterin, während sie die Eingangstüre öffnete.

Ihr Gedankengang wurde unterbrochen, als aus ihrer rechten Hand ein weißer Zettel zu Boden flog.

„Ach herrje.“, meinte Linda ein wenig überrascht und sie griff nach dem Zettel, dabei wurde der Dame ein wenig schwindelig.

Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte, dachte Linda kurz darüber nach, aber sie beschloss dann in die Stadt zu gehen, um ihre Einkäufe zu erledigen.
 

Eine kurze Zeit später:
 

Einen Moment lang blieb die schwarzhaarige Gildenmeisterin vor dem Blumenladen stehen, aber die Dame beschloss doch nicht für ihre Freundin die Blumen zu kaufen, weil sie nicht wusste wie gut das ankommen würde. Rossya hatte ja ihre Aussage am Ende doch noch zurückgezogen.

Ihre weißhaarige Freundin hatte sich bisher auch noch nicht darüber geäußert, wie sie wirklich über den Verlust von Will Zentaler dachte.

Zwar konnte die Forscherin Will am Ende nicht mehr leiden, aber so eine Tragödie zeigte meistens den wahren Ausmaß.

Linda wusste auch, dass Rossya in letzter Zeit den Friedhof immer wieder besuchte.

So wandte sich die Gildenmeisterin von dem Blumenladen ab und sie machte sich auf dem Weg zurück zum Hauptquartier.

Den Rucksack fest auf dem Rücken geschnallt.

Das Sonnenlicht wurde in diesem Moment wieder von einer Wolke freigegeben und Linda konnte in dem Schaufenster sich spiegeln sehen.

„Mein Morgentraining zeigt endlich Wirkung.“, dachte die Gildenmeisterin zufrieden.

Sie betrachtete sich eine Weile.

Mit Stolz lächelte sie ihr Spiegelbild an, bis ihr Verstand etwas Düsteres bemerkte.

Für ein Moment dachte Linda, sie hätte den schwarzen Schweif eines Dämon bei sich aus der Hüfte gesehen, dadurch erschauderte die Gildenmeisterin kurz.

Sie musste sich abwenden.

Da Linda sich zu schnell nach rechtes wandte, wäre die Dame beinahe mit jemand aneinander gestoßen, jedoch wich die schwarzhaarige Dame der Person schnell aus.

„Entschuldige Will.“, sagte Linda im Vorbeigehen, während sie schnell weiterlief.

Nicht einmal eine Minute später drehte sich die schwarzhaarige Dame erschrocken um und sah nach, wen sie eigentlich angerempelt hätte, aber diese Person war schon in der nächsten Gasse verschwunden.

Der Angerempelte hatte sich mit einem braunen Mantel getarnt, um wohl so verdeckt zu bleiben.

Nun rannte er davon, was ihn ziemlich verdächtig machte.

Den Rucksack noch fester um sich geschnallt, eilte die Gildenmeisterin der verdächtigen Person hinterher.

„Ich habe mich nicht geirrt..........., ich habe deutlich sein Gesicht gesehen!“, dachte Linda ein wenig verärgert.

Sie bog in die Gasse ein, aber dort befand sich niemand, jedoch endete der Weg nicht in einer Sackgasse, sondern eine bläuliche Türe führte in einer der Häuser.

Die Tür stand halb offen und Linda eilte ohne nachzudenken hinterher.

„Er kann es nicht sein. Wir haben seine Leiche gesehen. Er war definitiv tot. Definitiv!“

Der Verdächtige eilte in diesem Moment durch das Fenster nach draußen. Warum er nicht durch die andere Haustüre nach draußen floh, wurde nicht geklärt, aber Linda eilte ebenfalls durch das Fenster.

Der Verdächtige bewegte sich unbeholfen, so als wäre er nicht ganz seinem Körper mächtig.

„Habe ich dich gleich!“, Linda rannte in einem hohen Tempo auf ihren Verfolger zu.

Der Mantelträger schob Panik und er versuchte dadurch schneller zu rennen, dabei stolperte er über eine Kante im Boden, jedoch wurde er, vor dem Fall, noch von Linda gepackt und gegen die Häuserwand, welches sich links von den beiden befand, gedrückt.

Zornig erhob die Gildenmeisterin ihre Stimme:

„Wer bist du?“, dabei klang Abscheu in ihrem Ton.

„Ich........... ich.......... kann............ mich......... eeerrrrklllääärrreeeennnn.“, stotterte die Stimme. Es klang unbeholfen.

Zuerst war die fremde Stimme sehr hoch, ungewöhnlich hoch, aber schnell klang die Stimme wieder vertraut, als hätte tatsächlich Will Zentaler gesprochen.

Vorsichtig ließ Linda den Verdächtigen los und ließ ihn sich langsam umdrehen.

Zitternd stand der Mantelträger vor ihm und Linda befahl ihm die Kapuze runter zu ziehen.

Die Gildenmeisterin staunte sehr, als sie doch das Gesicht von Will sah.

Sie hielt das für unmöglich, aber die schwarzhaarige Dame erkannte das Gesicht, aber dennoch wirkte die Person im ersten Moment so, als wäre sie Linda völlig fremd.


 

„Wer bist du!“, betonte Linda lautstark. Ihre Stimme hatte ein harschen Klang.

Sie drückte bedrohlich ihre Hand gegen die Ziegelsteinwand, während die Dame mit ihrer Körperhaltung deutlich machte, dass ihr Gegenüber lieber keine falsche Bewegung machen sollte.

Sie war ein wenig größer als ihr Gegenüber.

„Ich......... ich..... ich bin........... Will Zentaler.“, erklärte der Mann.

„Falsch!“, zischte Linda.

„Er ist vor kurzem gestorben und zwar ziemlich qualvoll. Man hat ihn umgebracht! Du bist definitiv ein Imitator und ein Betrüger! Vielleicht sogar der Mörder! Also erkläre dich!“, forderte die schwarzhaarige Dame.

„Deswegen.............. ich..... ich.... ich bin er.“, erklärte der Mantelträger. Er war ziemlich nervös.

„Was erzählt er da? Er ist nicht er, definitiv nicht!“

„Ich verstehe nicht.“, fragte Linda in einer stillen und unheilvollen Tonlage. Ihre Pupillen fixierten sich auf ihr Gegenüber, als wäre sie ein Raubtier.

Ein falsches Wort konnte hier nicht gut für den Imitator enden.

„Ich........ bin................ kein Mensch, aber....... ich bin Will Zentaler. Wirklich....... ich.....“, erklärte der Mantelträger.

Zuerst hielt Linda dies für eine Lüge, aber die Gestik und die Ausstrahlung des Mannes wirkten echt und natürlich. Er log nicht, aber es war alles zu konfus. Die Geschichte war zu seltsam.

„Was bist du dann, wenn du nicht menschlich bist?“, hakte Linda nach. Ihre Stimme befand sich immer noch in der selben Tonlage.

Der Mantelträger zögerte zunächst und sah zur Seite, als wollte er nicht darüber reden.

„Wenn du noch weiter zögerst, dann wird das übel für dich enden.“, erklärte Linda.

Eigentlich verstand die Dame nicht einmal selbst, warum sie gerade so erbost war?

Ihr Gegenüber hatte ja noch nichts verbotenes getan, zumindest bis jetzt nicht und selbst wenn es dafür ein guten Grund gab, so war ihre harsche Reaktion unnatürlich. Was stimmte mit ihr nicht? Woher kam der Zorn?

Der Mantelträger äußerte sich zu ihrer Frage, aber mit einem längeren Stottern:

„Ich....... ich...... ich.... bin............. ein.......... Gemini.“, erklärte er.

Linda brauchte ein paar Sekunden bis sie wusste, was das eigentlich war.

Daraufhin ließ sie von der Ziegelsteinmauer ab und ihre Haltung normalisierte sich ein wenig, aber dennoch behielt die Dame ihrem skeptischen Blick treu.

Irgendetwas in ihr fühlte sich von ihrem Gegenüber provoziert, auch wenn dieser eigentlich gar nichts tat.


 

Gemini, das Wort war ihr geläufig. Aber es war der Rubrik magischer Wesen zuzuordnen, die ab und zu in alten Geschichten erwähnten wurden.

„Meinst du die magischen Wesen, die als Glühwürmchen um magische Orte schwirren? Ich dachte, dass sie nur ein Mythos wären?“, hakte Linda nach.

Ihr Gegenüber meinte bestimmt kein Zwilling im klassischen Sinne, sondern die magischen Imitatoren, die als Lichtkugel über magische Quellen schwirrten.

Selbst wenn dies wahr sein sollte, was machte ein Imitator hier und warum eilte er als ein Toter durch die Stadt?

„Bitte fresst mich nicht.“, bat ihr Gegenüber plötzlich und Linda sah erstaunt auf.

Zunächst war die Gildenmeisterin verwirrt.

Sie wollte ihre nächste Frage formulieren, da meinte der Mantelträger:

„Eure Art verspeist unsere...................., wenn sie uns sehen, weil wir...............“, Linda unterbrach den Mantelträger:

„Du erkennst, was ich in mir habe?“, fragte die schwarzhaarige Gildenmeisterin. Sie sah um sich, ob jemand das Gespräch mit anhörte, aber es war niemand in der Nähe.

„Eigentlich weiß ich nicht, ob ich endlich frei von dem bin, aber anscheinend noch nicht. Woher wusste er das nur? Sagt er tatsächlich die Wahrheit?“, stellte Linda gedanklich fest.

„Ich.......  ich spüre.......... die Energie, aber sie ist schwach. Bist du etwa keiner? Ich verstehe das nicht. Du trägst so viel positive Energie mit dir herum und trotzdem habe ich Angst.“, fragte der Mann nach.

Linda bekam langsam ein wenig Mitleid. Ihr Gegenüber verhielt sich wie ein Kind.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich irgendetwas in dieser Richtung tun würde. Ich verspeise nichts lebendiges. Ich bin keiner von denen.“, meinte Linda.

„Ich bin ein Mensch.“, fügte sie hinzu.

Ihr war die Situation ein wenig peinlich, aber dafür wusste sie jetzt, dass der Mann tatsächlich ein Gemini sein könnte, denn er könnte bestimmt nicht aus Zufall geraten oder diesen Umstand gewusst haben. Will Zentaler wusste nämlich diesen Umstand nicht.

Aber ein Beweis für die Wahrheit, war das Ganze noch nicht.


 

Auch wenn Linda die Antwort schon wusste, so wollte sie es noch einmal aus seinem Mund hören. Ihr Blick fixierte sich dabei wieder auf ihn und der Mann schauderte leicht.

„Was ist ein Gemini?“, fragte Linda nach.

Der Mantelträger zeigte sich erstaunt, aber er zögerte nicht weiter.

„Ich......... ich bin ein Wesen vom Ursprung der Magie. Das Corezentra. Erschaffen, um die magischen Wesen den Weg zu weisen. Unsere Heimat sind die Corequellen, aber die sind schon lange versiegt. Deswegen gibt es nur noch wenig Artgenossen von uns.“, der Mann sah kurz zur Seite, als würde er kurz trauern.

Er sah dann wieder zu ihr:

„Ich ernähre mich von positiver Energie. Diese Energie wird von allem ausgestrahlt, was eine gute Gesinnung hat. Am Tag ist es das Sonnenlicht und in der Nacht das Mondlicht, aber es reicht nicht für uns aus.“, erklärte der Mann.

„Zu Beginn sind wir nur kleine leuchtende Wesen, die weder sprechen, denken noch handeln können. Wir werden von positiver Energie angezogen. Wir leben nach unserem Prinzip, also den Weg zu weisen.“

„Also bist du etwas besonders, weil du als Mensch umher wandelst?“, hakte Linda nach.

Der Imitator nickte:

„Ich weiß nicht, warum uns diese Gabe gegeben wurde, aber bauen wir ein Bezug zu einer Person auf, welche durchtränkt von positiver Energie ist, dann werden wir von dieser Person angezogen. Wir leben dann bis zu unserem Ende dort. Wir kommen ab von unserer ursprünglichen Aufgabe. Unsere neue Aufgabe besteht dann darin, die Seele dieser Quelle am Ende ins Licht zu geleiten. Schweift die Seele jedoch in die endlose Dunkelheit ab, dann löschen wir die dunkle Energie aus und waschen die Seele rein, dazu müssen wir den Körper dieser Seele besetzen. Wir können das aber nur tun, wenn wir das Spiegelbild dieser Person übernehmen. Wir werden zu dieser Person, damit die Seele dieser Quelle ins Licht gelangen kann.“, der Mann zeigte auf seinen Körper:

„Dies ist unserer Tribut, den wir entrichten müssen, wenn wir die Seele reinigen möchten, die uns am Herzen liegt. Wir geben unsere Bestimmung als Gemini auf. Nun bin ich Will Zentaler.“, erklärte der Imitator.

Er klang ziemlich glaubhaft, aber dennoch musste Linda am Ende darüber nachdenken.

„Also war Will Zentaler dieser Bezug? Er war der Pol der positiven Energie, der dich angezogen hat?“, fragte die Gildenmeisterin.

Der Mann nickte erneut.

„Und ihr könnt die Form eines Menschen annehmen, wenn ihr gesättigt seid von dieser positiven Energie?“, fragte Linda weiter nach, aber ihr Gegenüber schüttelte leicht den Kopf.

„Nein, wir werden nur zu ihm, wenn wir die dunkle Energie austreiben. Wenn die positive Energie mit einem Schlag in das Dunkelste umgewandelt wird, was möglich ist, dann versuchen wir die Seele zu reinigen. Wir opfern unsere ursprüngliche Form, aber durch die Gnade dürfen wir als unser neues Ich weiterleben.“, erklärte der Mann.

„Dann meint er wohl den Moment als Will gestorben ist? Und die dunkle Energie ist dann der Schicksalsschlag, also der Mord bzw. der Moment, wenn die Seele dem Körper entrissen wird?“, dachte Linda darüber nach.


 

Sie hatte genug gehört.

Die Dame verstand jetzt, wieso ihr Gegenüber wie Will Zentaler aussah und sich so seltsam benahm.

Zwar wurde die Sache geklärt, dennoch war es für Linda kein eindeutiger Beweis, dass ihr Gegenüber nicht gelogen hatte.

Jedoch ergab sich dadurch ein anderes Thema, welches für Probleme sorgen könnte:

„Die Stadt denkt, du wärst gestorben. Dein Gesicht kennt man hier. Ist dir das bewusst?“, fragte Linda. Sie klang dabei ein wenig vorwurfsvoll.

„Ja.........“, begann der Mann. Er sah zu Boden.

„Aber ich kann nicht weg von dieser Insel. Ihr handelt mit Geld und ich habe keines, außerdem wüsste ich nicht wohin. Ich weiß nicht, was meine jetzige Bestimmung ist. Ich habe keine Richtung mehr.“, erklärte der Mann. Er klang traurig.

Linda dachte ein kurzen Moment darüber nach. Sie war noch nicht ganz zufrieden mit der Geschichte.

„Eine Frage hätte ich da noch.“, meinte Linda, während sie den Mann anschaute.

Dieser schaute verwundert zurück. Er wurde nervös.

„Hast du nur sein Körper übernommen oder auch seine Erinnerungen? Weißt du, was an seinem letzten Tag geschehen ist bzw. was ist dein Wissenstand? Wer ist der Mörder?“, fragte die Gildenmeisterin. In ihren Augen konnte man ihre Neugier deutlich erkennen. Sie wollte es unbedingt erfahren.
 

Einige Stunden später:
 

Linda kam erst spät am Abend wieder am Hauptquartier an.

Will Zentaler oder Gemini, wie sie ihn jetzt nannte, hatte sie zum verlassenen Hauptquartier geschickt, welches im Wald immer noch vor sich hin bröckelte.

Das Gebiet gehörte inzwischen wieder der Stadt. Der Bürgermeister hatte sich zwar die Rechte gesichert, aber bisher hatte er keinen Finger gerührt irgendetwas mit diesem Gebäude zu tun.

Karstoll würde wohl eine Weile dieses Gebäude in Ruhe lassen, zumindest hoffte das Linda.

Und so wie die Gildenmeisterin es verstanden hatte, brauchte der Imitator keine feste Nahrung oder zumindest kaum welche, so musste sie den Mann nur in unregelmäßigen Abständen besuchen und sich währenddessen überlegen, was sie mit ihm eigentlich machte.

Die Biologie dieser Wesen war ihr ebenfalls noch völlig fremd, aber inzwischen glaubte die Gildenmeisterin, dass dieses Wesen völlig unschuldig war.

Ihr tat das Gemini immer mehr Leid.

Rossya würde sie aber erst zu einem günstigen Zeitpunkt davon erzählen. Zuerst musste Linda noch mehr über den Imitator in Erfahrung bringen und was dieses Corezentra eigentlich war.

In den ganz alten Geschichten wurde dieser Ort mehrmals erwähnt. Es soll der Ursprung der Magie sein, aber es war nur ein Mythos und es existierte angeblich nicht in dieser Welt.

„Guten Abend............, du warst ja ziemlich lange weg.“, meinte Rossya.

Sie schaute kurz auf ihre Armbanduhr.

Die Forscherin war aus der Küche gekommen.

„Ach.... je....., schon wieder so spät?“, meinte Linda überrascht.

Die Forscherin nickte, dabei schien der weißhaarige wohl etwas wichtiges einzufallen.

„Ich habe vor kurzem ein Anruf von Engl bekommen. Er meinte, dass er bald da sein würde. Vielleicht sogar schon morgen.“, erklärte Rossya.

Linda schaute ihre weißhaarige Freundin an.

„Bringt er sie mit?“, fragte die Gildenmeisterin und die Forscherin nickte erneut.

„Wie geht es ihr?“, war die nächste Frage der schwarzhaarigen Dame.

„Sie soll ziemlich schwer angeschlagen sein, aber körperlich geht es ihr gut.“, meinte Rossya und sie sah kurz zur Seite.

„Ich werde mich um sie kümmern. Das Mädchen hat viel miterlebt. Ich denke, dass das Ganze eine Zeit braucht, aber sie braucht auf jeden Fall Hilfe.“, erklärte Linda.

„Aber überarbeite dich nicht.“, meinte Rossya.

„Du erledigst im Moment schon so viel und dich scheint irgendetwas zu bedrücken. Du solltest lieber einen Gang zurückschalten. Du kannst nicht gleichzeitig die Lehrmeister für die Kinder organisieren, die Sache mit dem Turnier, auch wenn es erst in vier Jahren ist und du jetzt noch dich um das Mädchen kümmern wirst. Du leitest eine Gilde, Linda. Ich will nicht, dass du eines morgens mit einem Herzinfarkt auf dem Tisch liegst.“, erklärte Rossya.

„Ach verflucht......“, meinte die Forscherin demütigt. Sie sah verlegen mit traurigen Blicken zur Seite.

„Entschuldige.....“, begann Rossya.

„Mache dir keine Sorgen, Rossya. Ich bin schon darüber hinweg.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Ich verstehe dich aber, Rossya. Ich weiß wie deine Worte gemeint waren, außerdem ist es gar nicht so viel Arbeit, denn ich habe schon mit den meisten Lehrmeister gesprochen. Das Training der Truppe wird bald beginnen und dann werden sie erst einmal eine lange Zeit nicht hier sein. Das Turnier ist erst in vier Jahren, daher mache ich mir deswegen keinen großen Stress und das Mädchen braucht Hilfe, da kann ich nicht an mich selbst denken, Rossya.“

Die Forscherin schien zunächst keine Widerworte zu finden, aber sie zeigte sich auch nicht wirklich einverstanden damit.

„Mit dem Mädchen gebe ich dir absolut recht, aber.........“, sprach ihre weißhaarige Freundin, jedoch stoppte die Forscherin, ohne weiterzureden.

Rossya meinte es ja nur gut und Linda schätzte es sehr, dass sie so eine gute Freundin hatte.

Der Blick der Forscherin legte sich wieder auf Linda.

„Aber du verheimlichst mir jetzt nicht noch etwas?“, hakte die Forscherin nach und es herrschte für einen Moment eine unbehagliche Stille, aber Rossya beendete diese zugleich, indem sie ihre Frage selbst erklärte:

„Du organisiert jetzt nicht noch heimlich eine Tour zum A-Turnier in zwei Jahren. Nicht dass Engl, Noju und Dr. Drogan noch da hingehen und den A-Rang machen, weil sie dann theoretisch alle Aufträge auf der Welt annehmen dürfen, um wirklich viel Geld zu kassieren. Wie waren die neuen Richtlinien der Regierung jetzt? Bei A-Rang Träger wird der Zuschuss um 25% erhöht?“

„30%!“, korrigierte Linda:

„Und nein, Rossya. Ich habe nicht vor noch zusätzlich eine Tour zum A-Turnier zu planen. Erstens, weil unser nächstes A-Turnier erst nach dem B-Turnier kommt und zweitens sind Engl und Noju die nächsten Monate ebenfalls nicht da. Sie haben mich angefragt, ob sie für knapp zwar Jahre verreisen dürfen. Anscheinend haben die Jungs noch etwas sehr wichtiges zu erledigen, aber sie haben versprochen, dass die beiden dann ab sofort in der Gilde verweilen. Ich habe zugestimmt. Sie meinten, dass sie hier endlich eine Art Heim gefunden habe, das hat mich gefreut.“, erklärte Linda mit einem zufriedenen Lächeln.

Rossya brauchte wohl ein paar Sekunden, um alle Informationen zu verarbeiten, aber sie nickte anschließend zustimmend.

Daraufhin wandte sich die Forscherin den Treppen zu. Sie schien müde zu wirken, wahrscheinlich wollte die weißhaarige Dame auf ihr Zimmer gehen. Heute hatte sie schon viel gearbeitet.

Man konnte Rossya auch ansehen, dass ihr der Schlaf fehlte.

Konnte sie etwa in letzter Zeit nicht gut schlafen?

Rossya hatte ihr nichts davon erzählt, aber Linda wollte sich kein Hehl daraus machen, weil jeder Privatsphäre brauchte, außerdem würde es nerven, wenn man andauernd gefragt wurde.

Linda war ja selbst keinen Deut besser.


 

Es herrschte wieder Stille und Rossya stieg die ersten Stufen hinauf.

Linda wollte sich dann der Küche widmen, um ihren Einkauf aufzuräumen, da meinte Rossya, während sie stehenblieb:

„Es gibt noch eine Sache, die ich mit dir bereden wollte.“, wieder zog eine unbehagliche Stille auf.

„Wir sollten anfangen uns weniger vorzuenthalten. Es gibt in letzter Zeit immer mehr Dinge, die mir ein unbehagliches Gefühl verleihen. Bitte tu nichts gefährliches, Linda. Egal was du mir auch nicht erzählen willst.“, erklärte die Forscherin mit kühler Stimme. Es schwang ein wenig Trauer mit.

„Ich werde es versuchen, Rossya. Ich verspreche dir, dass ich nichts gefährliches oder etwas in der Art tue.“, meinte Linda, während sie ihrer Freundin in die Augen schaute, aber Rossya zeigte sich damit nicht zufrieden.

„Ich bitte dich einfach nur, Linda.“ erklärte Rossya. Sie klang vorwurfsvoll.

Kurz bevor Linda darüber nachdenken wollte, erschrak ihre weißhaarige Freundin fast zu Tode.

Sie starrte bleich zur Eingangstüre.

Ihr Gesicht wurde blasser und für einen Moment wirkte Rossya völlig überwältigt. Sie brachte nicht einmal mehr Worte heraus.

Linda wandte sich nervös zur Eingangstür, mit dem starken Gefühl, dass dort etwas wartete und im nächsten Moment hätte sie lautstark geseufzt, als ein bekanntes Gesicht aufgetaucht war und vor den Eingangstüren wartete.

Ein Mann in einem braunen Mantel und mit dem Gesicht von Will Zentaler stand nervös vor den Glastüren und er schien unbeholfen zu wirken.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wollte er nicht alleine sein, weil das Gemini im Allgemeinen Gefallen an positiver Energie fand und nun war wohl Linda der Pol der positiven Energie geworden, der das Gemini anzog.

Was hatte das Wesen nochmal erwähnt? Die Geminis bauen einen Bezug zu ihrer Quelle auf und bleiben bis zum Lebensende dort.

Die Randmission VI --- Unnötig

[Julius]
 

Der Weg der Höhle schien kein Ende zu nehmen. Immer wieder ging es nach rechts und nach links, aber zumindest waren die Abzweige gekennzeichnet.

Die rote Pfeile waren noch schwach zu erkennen, außerdem waren die Abzweige, die wahrscheinlich in die Irre führten, nicht beleuchtet.

Willkürlich waren an den Wänden teilweise die Lichter platziert worden. Weiße Kabel gingen von Licht zu Licht und endeten in einem grünen Kasten, aus dem es brummte. Wahrscheinlich war das der Motor. Also musste ja irgendwer diesen Weg warten?

Nach der Karte sollte die Gruppe bald den Ausgang erreicht haben, aber bisher war davon nichts zu sehen. Zu oft bog der Weg ab, der von den roten Pfeilen beschrieben wurde.

So ergab sich ein ermüdender und langer Weg, der durch eine schwach beleuchtete und unbequeme Höhle führte.

Dazu kamen noch andere Faktoren, die einem mächtig den Nerv rauben konnten.

„KRRYYAAHHHH!!!!“, schallte es wieder einmal durch die Höhle und jedes Mal schrie Tina vor Schreck mit auf.

Der Schrei ging durch Mark und Bein.

Wieder flatterte etwas über den Köpfen der Gruppe hinweg.

Es waren Fledermäuse, aber es war die Sorte, die laut aufschrie, wie Fingernägel auf der Tafel, wenn man die Ruhe der Biester störte.

Das war jetzt schon das fünfte Mal und langsam verlor Julius die Geduld. Es war einfach zu nervig für ihn.

Er erschreckte sich zwar nicht, aber der schrille Ton ging nun einmal aufs Gemüt.

„Blöde Mistviecher.“, beschwerte sich Alina lautstark.

„Die machen noch mein Gehör kaputt.“, meinte das Mädchen anschließend.

„Ja, da hast du Recht, Alina. Ich weiß nicht was das überhaupt bringen soll?“, meinte Rick. Er klang leicht verärgert.

Der Junge sah an die Decke.

„Ich denke, vielleicht zum Schutz. Wenn ein Fressfeind ankommt, dann können die Fledermäuse diejenigen kurz paralysieren.“, erklärte Daniel.

Als Antwort zuckte Rick nur mit den Schultern.

„Klingt logisch.“, meinte Tina. Sie schien tatsächlich darüber nachzudenken.

„Trotzdem sind das für mich doofe Tiere.“, erklärte die Blondine, daraufhin strich sie sich durchs Haar. Immer wieder bröselte Dreck von der Decke und dieser verhakte sich in den Haaren, vor allem wenn man wieder mal längere Haare trug.


 

Die Gruppe bog erneut rechts ab.

„Wie weit ist es denn jetzt noch?“, fragte Alina anschließend.

„Keine Ahnung, aber ich sehe noch nicht das Ende der Höhle. Wir laufen gerade einem Bogen entlang. Irgendwann müsste es ja wieder rausgehen.“, erklärte Rick.

„Glaubst du, dass wir falsch abgebogen sind?“, fragte Daniel.

„Glaube ich nicht.“, meinte Julius sofort.

Er zeigte in die Ferne. Hinter einem mittelgroßen Felsen drangen vereinzelt Lichtstrahlen in die Höhle.

„Na endlich.“, meinte Alina daraufhin erleichtert.

Sie ging als erstes mit schnellen Schritten voran. Kurz bevor sie den Felsen erreichte, kreischte erneut etwas von der Decke und flatterte davon.

„VERFLUCHT!“, rief Alina zornig. Sie hatte sich erneut erschreckt.

Beleidigt starrte sie zu Rick, als würde sie ihm einen Vorwurf machen, weil er dagegen gar nichts getan hatte.

Julius war froh zurzeit keine Freundin zu haben. Für ihn wäre das Ganze einfach zu anstrengend.


 

Um aus der Höhle zu gelangen, musste man um den Fels klettern. Es war zwar nicht unmöglich, aber für müde bzw. alte Knochen war dies fast nicht zu bewerkstellingen. Wurde dieser Weg überhaupt gewartet? Oder gab es noch andere Wege?

Was machen die älteren Leute, wenn sie hier entlang laufen?

Der Fels schien aus der Wand gebrochen zu sein und seitdem blockierte er wohl den Weg.

Zumindest konnte die Gruppe um ihn herum klettern und nun standen sie im Freien.

Es fühlte sich gut an.

Es waren einige Minuten seither vergangen und die frische Luft ließ den Körper wieder aufatmen.

Das Ziel war damit aber dennoch nicht erreicht.

Der Weg nahm eine scharfe Biegung nach rechts. Geradeaus würde man in einen blauen See laufen, der im Moment stark schimmerte. Das Sonnenlicht ließ ansehnliche Lichtspiegeln entstehen, außerdem verbreitete sich angenehme kühle Atmosphäre und der Anblick auf den See bot für einige Sekunden ein schönes Gefühl.

Der See war aber nicht klein und der Weg führte um ihn herum. Man musste also um den ganzen Radius laufen, um wohl wieder zu einer Höhle zu gelangen, die hoffentlich nach Jillwa führte.

Es würde mit Sicherheit mindestens eine Stunde dauern. Julius versuchte die Dauer abzuschätzen.

„Meinst du, dass Max auch ein Ausweg gefunden hat?“, fragte Daniel, der neben Julius stand und auch auf den See blickte.

„Es war seine Entscheidung.“, meinte Julius und damit war für ihn das Thema schon abgehakt.

Aber jedoch wohl nicht für Daniel.

„Nun ja........“, begann er:

„..... es bringt ja uns nicht viel, wenn wir ohne ihn zurückkehren.“, erklärte der Junge.

„Wenn er den anderen Weg entlang gehen wollte, dann soll er seine Erfahrungen selbst machen. Ich denke, dass er selbst klarkommt. Er würde dann auch nach Jillwa kommen oder anrufen.“, meinte Rick, der hinter den beiden Jungs stand.

„Ist seine Sache.“, antwortete Julius nur.

Der Junge wandte sich dann dem Weg zu und lief diesen weiter.

Die anderen blieben jedoch noch vor dem See stehen und betrachteten diesen.

Vor allem zeigte sich Tina fasziniert.

„Er ist wunderschön.“, meinte sie anschließend.

„Ist doch nur ein See.“

Julius wollte eigentlich nun endlich in Jillwa ankommen und nicht sinnlos herumstehen.

Insgeheim wollte er zurück nach Ranger Island, um endlich sein neues Katana auszuprobieren.


 

„Ich habe Hunger. Lass uns eine kleine Pause machen.“, erklärte Alina.

Julius seufzte und er drehte sich um.

Die Blondine hatte sich auch schon zugleich den neuen Rucksack ihres Freundes geschnappt und daraufhin überreichte sie, aus dessen, Rick ein paar Utensilien.

„Wenn wir noch heute in Jillwa ankommen wollen, dürfen wir keine Zeit verlieren.“, erklärte Julius mit unzufriedener Miene.

Alina schaute ihn verwundert an.

„Hast du denn kein Hunger?“, fragte sie grinsend.

„Nein.“, antwortete er kühl und Alina verzog ihre Mundwinkel nach unten. Sie hatte wohl mit einer anderen Antwort gerechnet bzw. hatte sie wohl geglaubt klüger zu sein.

Verärgert stiefelte sie in schweren Schritten auf den großen Jungen zu.

„Hör mal!“, brummte sie.

In diesem Moment hörte Julius etwas Beunruhigendes.

Es war wie das Rutschen von Gesteinsbrocken.


 

Reflexartig sprang er nach vorn und er stieß Alina mit sich zur Seite.

Hinter ihnen schlugen kleinere Felsbrocken auf den Weg ein. Sie hatten die Größe eines Fußballs.

Erschrocken sprang Daniel nach hinten und beinahe wäre er dadurch in den See gerutscht.

„ALINA!“, rief Tina schockiert.

Rick half ihr gleich auf. Julius stand ebenfalls wieder.

Entsetzt und blass starrte Alina auf die Felsbrocken, die gerade eben von der Felswand auf den Weg gekracht waren. Sie hätten das Mädchen locker erschlagen. Alina schluckte nervös.

„Danke Julius. Du hast eine schnelle Reaktion.“, bedankte sich Rick.

Alina schien noch zu entsetzt zu sein, um zu antworten.

Julius brauchte sowieso kein Dank dafür.

„Dann sollten wir wohl hier besser nicht picknicken.“, meinte Daniel und nervös starrte der Junge hoch zu den Felswänden, als könnte im nächsten Moment wieder etwas hinunter krachen. Deshalb hielt er auch Abstand zur Felswand und lief so lieber nahe am See. Jedoch würde er bestimmt in den See rutschen, weil der Boden dort relativ rutschig war.

Rick steckte die Utensilien zurück in seinen Rucksack.

„Gehen wir lieber weiter.“, meinte er anschließend.

Julius erblickte plötzlich zum ersten Mal ein Preisschild am Rucksack des braunhaarigen Jungen. Rick hatte es wohl nicht entfernt, nachdem er in Markezei spontan einen Rucksack gekauft hatte, weil seine Freundin meinte dringend einen zu benötigen.

„Du hast übrigens noch das Preisschild an deinem Rucksack. Es ist mir aber gerade erst aufgefallen.“, meldete sich Daniel zu Wort.

Julius zeigte sich kurz erstaunt, dass Daniel genau dann reagiert hatte, als Julius dies aufgefallen war, aber so war es auch gut, denn so musste Julius schon nichts sagen. Ihm war das eigentlich sowieso egal. Es war ja nicht sein Rucksack.

„Oh............. ja..........“, meinte Rick überrascht.

Er schaute sich das Preisschild an.

Der Junge wollte es wegreißen, aber es schien aus einem stabilen Material zu sein.

Fragend sah er die anderen an:

„Hat jemand von euch eine Schere dabei?“, aber Rick erhielt keine Antwort.

Dann sah der Junge zu Julius und er zeigte auf sein Schwert:

„Bekomme ich.............“, aber der Schwerträger meinte sofort:

„Nein! Mein Schwert bekommst du nicht.“, erklärte Julius in einem harschen Tonfall.

„Was warum?“, fragte Rick verwundert.

„Es ist nicht dafür da, um als Schere zu dienen.“, erklärte der großgewachsene Junge.

„Aber für was trägst du es dann mit dir herum? Du ziehst es ja nicht einmal?“, der braunhaarige Junge überlegte kurz:

„Warte mal............, sagtest du nicht einmal etwas von einem Siegel?“, fragte Rick, aber Julius sah ihn nur gleichgültig an.

So widmete sich der braunhaarige Junge wieder seinem Rucksack. Er versuchte daraufhin das Preisschild wegzureißen.

„Wie schwach bist du eigentlich?“, meinte Alina plötzlich.

Sie nahm das Preisschild und mit ein wenig Mühe riss sie es ab.

„Du solltest unbedingt mehr trainieren.“, warf die Blondine ihrem Freund vor.

Schmollend meinte Rick:

„Es war schon angerissen.“, erklärte er.

Als Antwort erntete er ein beleidigten Blick seiner Freundin.


 

Anschließend lief die Gruppe den Weg weiter entlang, dabei behielt fast jeder immer die Felswand im Auge, ob sich nicht noch etwas weiteres löste, aber es blieb ruhig.

Nach ein paar Minuten senkte sich die Felswand immer weiter ab und ein weiterer Weg kam zum Vorschein.

Drehte man sich um und folgte dem Weg, so konnte man in der Ferne eine Art Villa erkennen, aber weil dies nicht die Zielrichtung war, war das uninteressant, zumindest für Julius.

So wandte man sich wieder der eigentlichen Richtung zu.

Einige Meter voraus vereinten sich die beiden Wege zu einem.

Rechts davon befand sich dann wieder eine höhere Steilwand. Der See war somit eigentlich rund herum von Steilwänden umringt. Es ähnelte eher einem größeren Vulkansee, jedoch waren die Spitzen drum herum nicht allzu hoch.

Ob das Wasser eigentlich warm war? Die Atmosphäre war es zumindest.

Man könnte es bestimmt herausfinden, ob es vielleicht ein Vulkan war?

„Diesen Purpur.......... oder lilafarbenen Schleier über den Bergen, den würde ich schon gerne einmal sehen.“, meinte Daniel, aber er erhielt keine Antwort vom Schwertträger.


 

„Da steht jemand!“, meinte Tina plötzlich mit ängstlicher Stimme.

Julius schaute voraus und tatsächlich, am Punkt, an dem sich die beiden Wege vereinten, hatten sich vier Männer in einem Kreis aufgestellt und sie schienen zu diskutieren, zumindest teilweise, bis sie die Gruppe erblickten.

Die Intuition von Julius ließ gleich Alarm schlagen. Diese vier Gesellen waren keine friedfertigen Menschen.

Zwei der Männer warfen ihre Blicke auf die Gruppe, während zwei andere sich immer noch lautstark unterhielten:

„Dein Plan war für den Arsch, Gregory.“, brummte ein großer dünner junger Mann. Er trug ein weißes Hemd, welches aussah, als wäre es nassgeschwitzt. Seine schwarze Frisur war nach hinten gekämmt.

„Du hättest dich ja wenigstens vergewissern können.“, fügte der Hemdträger anschließend hinzu.

„Mein Gott, dann habe ich mich halt verrechnet, aber wir hätten sie fast gehabt. FAST! Wir hätten einfach nur schneller oben sein müssen. Wer hätte gedacht, dass dann der alte Opa mit seinem Gewehr kommt und............“, wollte sein Gegenüber erwidern, aber er wurde zugleich von einem weiteren Kollegen unterbrochen:

„Ruhe, Gregory!“, brummte dieser.

Daraufhin verstummte Gregory und er verschränkte seine Arme.

Der Hemdträger rieb sich sein Kinn und er wirkte nachdenklich. Aber als er seine Lippen leckte erschauderte Tina.

Nun lagen alle vier Blicke auf der Gruppe und es herrschte für ein kurzen Moment eine unheimliche Stille.

„Die schauen so böse.“, meinte Tina nervös.

Ein Mann mit kurzen schwarzen Haar, leichtem Barwuchs und einem schwarzen Anzug trat näher heran. Er rieb sich beide Hände aneinander und meinte mit sanfter Stimme:

„Wenn ihr weitergehen wollt, Kinder, dann müsst ihr Wegzoll entrichten.“, einer der anderen Männer, hinter ihm, lachte leise vor sich hin.

Alina trat vor, ohne das Rick sie aufhalten konnte. Sie kam dicht an den Mann heran.

„Alina!“, brummte Rick zornig. Er wollte sie greifen, aber der Junge erwischte seine Freundin nicht.

„Wenn ihr uns nicht aus dem Weg geht, dann werdet ihr uns gleich Wegzoll entrichten müssen!“, erklärte die Blondine mit überzeugten Blicken.

Der Mann neigte seinen Kopf leicht zur Seite und meinte:

„Wohl eine ganz mutige Dame? Vielleicht sollte ich dir Manieren beibringen?“, im gleichen Moment wollte er sie an der Kehle packen, jedoch hatte Alina wohl damit gerechnet. Sie stieß ihn mit ihrer rechten Faust zuerst in den Magen, dann verpasste das Mädchen dem gleichgroßen Herren ein Knie in sein Eingemachtes und anschließend verpasste sie dem Anzugträger noch eine Ohrfeige, auch wenn diese eigentlich schon längst gar nicht mehr notwendig gewesen wäre. Sie musste wohl ihre Aggression ausleben. Vielleicht hatte der Anzugträger auch dies verdient.

Gekrümmt kauerte der Mann auf dem Boden und zornig wollten die restlichen drei Männer auf Alina losgehen.

Da hatte Julius schon längst sein Feuervogel beschworen und ließ ihn ein Flammenstrahl direkt vor die Füße der Männer in den Boden schießen. Erschrocken wich zumindest ein Mann zurück.

„Auch schon wieder so ein scheiß Vogel!“, meinte dieser.

„Verschwindet! Oder ihr werdet genauso enden, wie dieser Mistkerl!“, drohte Alina.

„Als ob eine Göre...........“, wollte einer der beiden Männer sagen, die nun auf die Blondine losgehen wollten, aber in diesem Moment sprang Alina nach vorn und die beiden Männer zuckten kurz.

Daraufhin schienen sie nur noch verärgerter zu sein, sodass einer der beiden Männer ein Kampfmesser hervorhob.

Sofort griff Julius ein und er trat ein großen Schritt vor. Mit tiefer Stimme und einem sehr einprägsamen Gesichtsausdruck drohte er betont und mit langsamer Stimme:

„Verzieht euch! Das nächste Mal lass ich euch abfackeln. Glaubt ja nicht, dass ich mich zurückhalten werde.“, Lav kreiste bedrohlich über den Köpfen der Gruppe. Mit bösen Blicken bestrafte der Vogel seine Feinde.

Nach wenigen Sekunden meinte der Mann mit dem Kampfmesser:

„Ich schlitze deine liebe Freundin auf, bevor du............“, in diesem Moment stand der Anzugträger wieder auf und hielt seinen Kollegen zurück.

Der Mann mit dem schwarzen Anzug meinte daraufhin:

„Gehen wir................“, er zeigte auf das Gildenarmband von Julius.

Anschließend humpelte der Mann davon und die anderen drei folgten ihm mit einem kurzen Zögern.

Immer wieder wurden noch Blicke gewechselt, aber als das Quartett außer Sichtweite war, meinte Alina zornig:

„Immer diese Möchtegern Verbrecher! Immer meinen die, dass sie die vermeintlich Schwächeren ausrauben können!“

„Alina!“, wurde Rick zornig und seine Freundin schaute ihn verwundert an.

„Das war gefährlich! Er hätte dich aufschlitzen können! Er hatte ein Messer!“, erklärte ihr Freund vorwurfsvoll.

Beleidigt meinte das Mädchen:

„Ich habe genau gesehen, dass er beide Hände vor sich hatte. Hätte er reagiert, hätte ich ihm seine wichtigen Bereiche zertrümmert!“, sie demonstrierte einen schnellen Tritt.

„Hätte bestimmt wehgetan.“, meinte Daniel nervös.

„Und die anderen?“, fragte Rick.

„Die anderen hätten dich währenddessen angreifen können! Nachher liegt noch einer von uns tot auf der Straße! Was hätte Linda dann gesagt? Sie würde uns dann nie verziehen.“, erklärte Alinas Freund, dabei betonte er immer mehr seine Worte.

„Ich habe das richtige getan! Ich habe uns geschützt! Solchen Menschen muss man glasklar die Meinung geigen. Ein bisschen Schwäche und sie fallen über dich her.“, erklärte sie mit Nachdruck.

„Nein, du hast dich nur unnötig in Gefahr gebracht!“, erwiderte ihr Freund.

„Ach?! Weil du natürlich das viel besser hättest machen können, wie? Weil ja der große Rick alles hinbekommt!“, ihre Stimmlage rutschte immer weiter höher.

„Benimm dich, Alina! Du bist fast ein Jahr älter wie ich, aber ich habe das Gefühl, dass man immer noch auf dich aufpassen muss.“, meinte Rick. Er verschränkte seine Arme, zudem klang er beleidigt.

„Ich kann auf mich selbst aufpassen! Und du weißt das, Rick! Sag nie wieder so etwas!“, meinte sie lautstark und zeigte auf ihren Freund, anschließend baute sich Alina vor ihm auf.

„Es hat kein Sinn jetzt mit dir darüber zu diskutieren, vor allem wenn du dich jetzt so aufspielst!“, erklärte er und der Junge schaute genervt zur Seite.

„Sei mal ein Mann, Rick! SEI MAL EIN MANN!“, brummte Alina immer noch lautstark.

Zornig ballte Rick seine Fäuste, aber er ging einfach, ohne ein Wort zu sagen, an ihr vorbei.

„Gehen wir weiter!“, brummte er lautstark. Alina sah ihm beleidigt nach.

„Was für ein Gezanke um nichts. Die beiden sollten sich echt einmal beherrschen.“, dachte Julius genervt.

Daraufhin setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung. Schon wieder war Zeit vergeudet worden und dabei wollte man auf keinem Fall im dunklem durch dieses Gebirge laufen.

„Ich hoffe, dass Max diesen Männern nicht begegnet ist.“, meinte Tina plötzlich.

„Ach was........, das glaube ich nicht. Der Junge irrt bestimmt noch durch die Höhle.“, erwiderte Rick. Er klang aber nicht wirklich besorgt.

„Aber dann............“, wollte Tina erwidern.

„Er kommt schon zurecht.“, unterbrach Rick das Mädchen.

„Wenn du meinst.“, meinte das Mädchen mit trauriger Stimme. Sie schaute kurz nach hinten. Zuerst zu der Höhle, aus der die Gruppe kam und anschließend den anderen Weg hinauf.

Ihr Blick blieb für einen Moment bei dem entfernten Anwesen hängen.

„Komm Tina. Wir müssen uns jetzt wirklich langsam beeilen.“, erklärte Rick, der schon ein ganzes Stück weiter vorne war. Die Geschwindigkeit der Gruppe hatte sich erhöht. Dies fand Julius wiederum gut.

„Ich hoffe so sehr, dass du recht hast. Ich habe halt einfach nur so ein schlechtes Gefühl.“, murmelte sie.

„Wir haben noch ein Stück vor uns und ich will endlich Jillwa erreichen, bevor es wieder Abend wird.“, murrte Rick. Er war wohl immer noch beleidigt.

Seine Freundin hielt Abstand zu ihm. Schmollend lief die Blondine mit verschränkten Armen an ihrem Freund vorbei.

Lav meldete sich kreischend zu Wort.

Julius hatte sein Feuervogel noch nicht zurückgerufen und gerade in dem Moment, in dem er dies tun wollte, meldete sich der Vogel wieder zu Wort.

Er deute durch seine Laute den Hügel hinauf und Julius drehte sich dadurch um.

Tatsächlich war jemand dort aufgetaucht und dieser schien in diesem Moment den Hügel hinunterzueilen.

Die Randmission VII --- In Freiheit!

[Maike]
 

Tagein, tagaus lernen und lernen. Nichts anderes hatte das Mädchen getan, als nur zu lernen und zu üben.

Maike wurde von Privatlehrern ausgebildet, sodass sie bald einen guten Abschluss machen konnte. Zwar fehlt ihr noch mindestens ein Jahr, aber auch dies war nur eine Frage der Zeit.

Außerdem bestanden ihre Nachmittage daraus, dass das begabte Mädchen mit anderen ausgezeichneten talentierten Leuten musizieren musste.

Jedoch war das nie ihr wirklicher Spaß gewesen. Für Maike war das alles erzwungen.

Die Aufgabe, die sie von ihren Eltern bekommen hatte. Ihre Mutter hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen und ihren Vater auch nicht wirklich.

Ihre Lieblingsbeschäftigung dagegen war die Gartenarbeit und der Kampfsport. Zumindest zum Teil, vor allem der Bereich, der sie wie eine starke Kämpferin aussehen ließ.

Ihr Vater hatte mitbekommen, dass ihre Tochter den Selbstverteidigungskurs erweitert hatte. Maike wollte unbedingt noch ein wenig Karate lernen. Dies fand er überhaupt nicht lustig und so wurde sie zum Anwesen im lila Gebirge verbannt. Niemand sollte erfahren, dass die Tochter der Harmonyas eine kämpferische Natur war. Es war nicht gut für das Image.

Offiziell war es keine Verbannung, aber jedes Familienmitglied wusste genau, was eine Abschiebung in ein Nebenanwesen bedeutete.

Eine ganze lange Zeit allein zu sein. Nur Bedienstete waren da.


 

Maike hatte zwar keine Schwestern, dafür eine Vielzahl von Brüdern und etliche Cousin und Cousinen. Sie war somit nur eine kleine Nummer. Ein kleines Zahnrädchen.

Zu gern hätte sie so viel erlebt, aber das Mädchen glaubte, dass sie wohl für den Rest ihres Lebens hier oben verbringen musste.

Zumindest waren die Bedienstete nett.

Der alte Butler, der dicke Koch, der schräge Gärtner oder die talentierten Kampfsportler Hausmädchen, die auch zeitgleich für ihren Schutz zuständig waren.

Ironischerweise waren genau alle Hausmädchen auf einer Fortbildung, als Maike auf die Blumenwiese wollte, um ihre Lieblingsblumen zu pflücken.

Das genau heute so etwas aufregendes und interessantes passieren würde, das hätte sich das Mädchen nicht erträumen können.

Maike hatte das kleine sehr kurze Abenteuer sehr gefreut. Es war wesentlich spannender, als alle Abenteuerromane zusammen, die das Mädchen bisher gelesen hatte.

Und es waren einige.

Aber nun war das Abenteuer zu Ende und mit großer Sicherheit würde sie wieder für eine Weile im Anwesen herumsitzen und lesen dürfen.

Wenn ihr Vater davon erfuhr, dann würde die Hölle wieder auf Erden wandeln.

Eigentlich hatte sie Angst davor.

Sollte das Mädchen deswegen wieder bestraft werden, dann würde es mit großer Sicherheit weiter schrecklich langweilig werden.


 

„Ist das ein Schwert an seiner Hüfte? Ein richtiges Schwert?“, überlegte das Mädchen. Sie starrte den Schaft der Schwerthülle an, daraufhin starrte sie den Schwerträger an.

Nach einer Weile wurde der Junge rot. War es ihm unangenehm?

Sie schien es gar nicht wirklich zu bemerken. Ihre Gedanken waren woanders.

Maike stellte sich vor, wie es sein würde, mit einem Schwert herumzufuchteln. Abenteuer zu erleben. Freunde zu finden und gegen Bösewichte zu kämpfen.

„Miss Harmonya.“, unterbrach der Butler ihre Gedanken.

„Ich bitte sie, dass die ehrenwerte Dame wieder in das Anwesen geht. Wir wissen nicht, ob sich diese Rüpel noch in der Nähe befinden. Wir dürfen sie in einer Gefahr lassen. Der Herr der Hauses wäre extrem bestürzt.“, erklärte der ältere Mann. Er machte dabei eine höfliche Geste, aber sein Blick blieb streng und undurchschaubar.

„Jahmal, ich schätze ihre Vorsicht, aber würde mein Vater sich um mein Wohlergehen interessieren, dann hätte er mich nicht hierher gebracht.“, der Blick des Butlers verfinsterte sich, als hätte er genau dies nicht hören wollen. Er schnaubte verärgert.

„Ehrenwerte Dame!“, wurde er lauter:

„Es ist zwar ihr Vater, aber solche Töne sind einer eleganten Dame, wie sie es sind, nicht würdig. Ich bitte sie ihre Denkweise nochmal zu überschauen. Ihr Vater würde niemals so rücksichtslos handeln. Sie sind hier, weil sie hier in der besten Umgebung ihre Fertigkeiten verfeinern können. Sie machen übrigens erstaunlich gute Fortschritte. Bald wären sie soweit...........“, wollte der ältere Mann erklären, aber Maike meinte plötzlich:

„Momentan möchte ich noch ein wenig die frische Luft genießen. Ich werde schon nicht so unvorsichtig sein. Aber jetzt möchte ich mich mit meinem neuen Gast unterhalten, das ist mein Recht, Jahmal. Ich bitte, dass sie uns für einen Moment alleine lassen.“, erklärte das Mädchen mit höflicher Stimme.

Der Butler verbeugte sich leicht:

„Wie sie wünschen, aber bitte tun sie dies auf der Bank dort drüben. So kann ich dem Herr wenigstens eine kleine Sicherheit seiner Tochter garantieren.“, erklärte der ältere Mann.

Es wirkte schon zum Teil paradox, wenn der höfliche ältere Mann mit so einer gefährlichen Waffe umherlief und dabei mit strengen Blicken alle umstehenden Leute bestrafte, jedoch freundlich blieb, wenn man ihm widersprach.

Jahmal konnte nett sein, aber er ging seiner Arbeit einfach zu streng nach. Die anderen Bediensteten waren nicht so streng, zumindest nicht mit ihr.

Der Butler wandte sich ab und mit langsamen bzw. zögerlichen Schritten lief er zur Villa hinauf.

Maike sah ihm kurz nach, dann bot sie dem Jungen an, der sich als Max vorgestellt hatte, dass dieser sich gern auf die weiße Bank im Vorgarten setzen durfte. Das Mädchen würde den restlichen Bediensteten, die sich scheinbar im Vorgarten mehr oder weniger tarnten, weil man ja doch die ehrenwerte Dame mit einem Fremden nicht alleine lassen wollte, befahlen einen Tee aufzusetzen.

Zugleich tauchte ein junge gutaussehende Frau in der Kleidung einer weiblichen Dienerin auf und sie verbeugte sich vor Maike.

Violina gehörte ebenfalls zu den fleißigsten Dienerinnen des Hauses.

Sie trug heute ihr hüftlanges Haar offen und mit einem freundlichen Lächeln stimmte sie dem Mädchen zu, aber Max lehnte höflich ab, er meinte, dass er zurzeit keinen Durst hätte. Maike akzeptierte die Antwort und sie würde höflicherweise ebenfalls keinen trinken.

So ging Violina zurück, ohne einen Auftrag erhalten zu haben.


 

Nach ein paar Minuten des schweigsamen Sitzens an dem weißen Gartentisch in der ruhigen Atmosphäre des gepflegten Vorgartens, zeigte Maike mit leichtem Zittern vor Nervosität auf das Schwert des Jungen:

„Was........ was...... was für ein.........“, der Junge schaute sie zunächst verwundert an.

„Warum bin ich so nervös? Es ist doch nur Gast, oder?“

„Was............. für ein tolles Schwert.“, meinte Maike.

„Katana.“, korrigierte Max, aber daraufhin meinte er sofort:

„Ah ja, aber ich darf es nicht benutzen, weil es versiegelt ist. Erst wenn ich alt genug bin, deswegen trage ich es zurzeit nur als Zierde. Es war ein Geschenk.“, erklärte der schwarzhaarige Junge mit einem leichten Lächeln im Gesicht.

„Es muss trotzdem ein tolles Gefühl sein, wenn man mit einem Schwert herumrennen darf.“, dachte Maike. Sie stellte sich immer noch vor mit einem Schwert gegen Monster zu kämpfen.

„Dürfte ich auch eine Frage stellen?“, fragte Max.

„Aber natürlich!“, meinte Maike neugierig.

„Du hast da ein Elementkristall bei dir? Ich.................“, meinte der Junge und er griff in seine Tasche. Er holte ein bläulichen Kristall heraus.

„Er hat auch so einen Kristall!“, dachte Maike überrascht.

„Und ich dachte, dass so etwas sehr selten ist.“, sie lächelte zufrieden.

„Schön, dass ich nicht die einzige bin.“, meinte das Mädchen und der Junge wurde wieder rot im Gesicht.

„Es...... es ist.......... es ist ein kleiner Eisvogel. Er heißt Ark.“, erklärte der Junge, daraufhin ließ er den Kristall leuchten und ein kleiner blauer Vogel flog heraus.

Der bläuliche Vogel stieg sofort in die Lüfte und mit einem lauten krächzen machte er auf sich aufmerksam. Stolz flog er seine Runden über den Vorgarten.

„Woah............ cool!“, meinte Maike überrascht.

Zugleich griff sie ebenfalls zu ihrem Kristall und schon beschwor sie erneut den gelblichen Vogel, welcher ein ganzes Stück größer war, als sein bläulicher Kollegen, wenn sie im Vergleich nebeneinander flogen.

Dass die Schwalbe größer war, passte dem bläulichen Vogel gar nicht. Sichtlich versuchte er sich groß zu machen, aber der gelbliche Vogel schien das nicht zu interessieren.

Friedlich landete er auf dem Kopf des Mädchen, die dadurch zuerst zusammenzuckte:

„Ah Zap! Ich habe dir schon oft gesagt, dass du schwer geworden bist.“, daraufhin hob Maike den Vogel auf den Tisch. Als Antwort krächzte er nur beleidigt.

Maike tätschelte seinen Kopf. Es schien der gelblichen Schwalbe zu gefallen.

„Du erinnerst dich doch, woher du kommst?“, fragte der Junge plötzlich und Maike sah ihn verwirrt an:

„Was? Wie meinst du das?“

Dem Jungen stieg die Verlegenheit weiter bis in die Stirn und Maike schien dadurch nur verwirrter zu sein.

„Wie meint er das? Erinnern woher ich komme? Ich verstehe nicht?“

„Ach nichts........, ich habe gerade nur wieder das eine sagen wollen und was anderes gedacht und zusammen ergab es wieder nichts.“, erklärte Max. Er schaute kurz zur Seite.

„Ach so.“, verstand Maike. Sie lächelte.

„Und woher stammst du?“, fragte das Mädchen mit den purpurfarbenen Haaren:

„Keine Ahnung?“, meinte Max. Er kratzte sich am Kopf.

„Keine Ahnung? Du weißt nicht woher du stammst? Das ist ja sehr traurig. Ich........“, meinte Maike überrascht.

„Ähm.........., nun ja, ich leide an Amnesie und ich wohne deswegen erst seit einiger Zeit bei einer Gilde namens Ranger Guild. Sie lauft Ranger Island, also westlich von Festa.“, der Junge zog sein Armband hervor. Maike hatte es davor noch nicht bemerkt.

„Gilde? Eine richtige Gilde!“, meinte Maike mit begeisterter Stimme.

„Du erlebst Abenteuer und reist um die Welt? Besiegst Monster und rettest Städte vor dem Untergang?“, fragte sie zugleich. Ihre Augen funkelten vor Begeisterung.

Der Junge kratzte sich erneut am Kopf:

„So ungefähr.“, meinte er.

„Das ist ja mega cool!“, sprach sie lautstark.

„Was ist das denn für ein Benehmen, junge Dame?“, hörte man ihren Butler sagen. Der alte Mann kam herbeigelaufen und wieder bestrafte er den Jungen mit skeptischen Blicken.

„Entschuldige, Jahmal.“, meinte Maike und senkte betrübt ihren Kopf.

Daraufhin wandte sich der ältere Mann dem Jungen zu:

„Und für sie wird es langsam Zeit zu gehen. Es wird bald Abend werden und die ehrenwerte Dame muss noch das musizieren üben. Es ist ihre Pflicht.“

Demotiviert senkte Maike ihren Kopf.

„Also dann muss er schon wieder gehen?“, fragte sie ihren Butler.

Bevor der Butler antwortete, meinte Max:

„Ich will nicht weiter stören. Meine Freunde warten bestimmt schon auf mich. Ich sollte mich nicht verspäten.“, erklärte er und der schwarzhaarige Junge stand auf.

Er lief zum Gartentor und warf ein weiteres Mal ein Blick zurück.


 

„Ranger Guild!“, rief sie ihm hinterher und der schwarzhaarige Junge nickte.

„Dann verspreche ich, dass ich auf jeden Fall diese Gilde besuchen werde!“, erklärte das Mädchen.

„Das hat euer Vater zu entscheiden. Sie dürfen ohne seine Erlaubnis nirgends wohin erfahren. Es tut mir sehr Leid dies ihnen sagen zu müssen, aber ich habe meine Vorgaben.“, erklärte Jahmal mit deutlicher Betonung.

„Es wird ja auch erst in ein paar Jahren sein.“, murmelte Maike. Sie schaute wieder zu Max.

Das Mädchen lächelte erneut.

„O.k, dann sehen wir uns vielleicht. Ich wünsche euch auf jeden Fall noch ein schönen Tag.“, erklärte der Junge ebenfalls mit einem Lächeln.

„Auf jeden Fall!“, versicherte sie ihm, bevor er rechts um die Mauer verschwand.

Nach wenigen Sekunden meinte der Butler:

„Wir sollten das Gartentor austauschen und durch ein sicheres ersetzen. Ich werde den Herr des Anwesens nach seiner finanziellen Unterstützung bitten. Es geht hier um die Schutz seiner Tochter.“, erklärte Jahmal.

„Ich kann auf mich selbst aufpassen und mein Vater würde niemals Geld in mich investieren, zumindest nicht viel.“, erklärte Maike. Sie wandte sich um und das Mädchen lief allein den Weg hinauf.

Es war ein wenig steil zur Villa und auf das musizieren hatte das Mädchen gar keine Lust.

Lieber würde sie Abenteuer erleben. In einer Gilde sein. Frei von diesem Zwang hier.

Freunde finden und keine Befehle befolgen, zumindest keine solchen.

Ein letztes Mal warf sie ein Blick in die Ferne, bevor sie durch die große weiße und veredelte Eingangstüre in die Villa ging. Dem Gefängnis, in dem sie zurzeit wohnte.

Die Sonne widmete sich tatsächlich langsam dem Horizont zu.

„Ranger Guild.“, der Name ging ihr währenddessen durch den Kopf.

Das Mädchen war sich sicher, dass sie nie diesen Namen vergessen wird und ihr Versprechen würde sie auch halten, denn dieses kurze Treffen hatte ein kleines Feuer in ihr entfacht.

Sie wollte doch nicht für den Rest ihres Lebens hier bleiben. Irgendwann würde das Mädchen ausbrechen.

In ein paar Jahren wird Maike zu dieser Gilde hingehen, auch ohne die Erlaubnis ihres Vaters und dann für immer dortbleiben. In Freiheit!

Die Randmission VIII --- Beat Up Magic

[Jessica]
 

„Was für elendige Penner!“, meinte sie schlechtgelaunt, während sie ihre Hände knacken wollte, aber ihr taten die Knöchel weg.

Sie waren aufgeschlagen, denn das Mädchen hatte ein paar Mal ordentlich zuschlagen müssen.

Jessica schaute noch ein weiteres Mal den Weg zurück, aber dort war niemand mehr zu sehen.

Anschließend schaute das Mädchen auf ihre Bluse, dort waren ein paar kleine Blutflecken zu sehen.

„Oh......., jetzt ist meine Bluse ruiniert! Dachten die einfach, sie könnten sich mit mir anlegen!“, murrte Jessica in Gedanken mit heruntergezogenen Mundwinkeln.

Kurz darauf setzte sich jedoch ein leichtes Schmunzeln der Schadenfreude auf. Sie griff in ihre Tasche und holte ein paar Geldscheine heraus.

„Gut, dass sie was dabei hatten. Ich hätte sie sonst noch weicher geklopft.“, sie grinste noch mehr.

„Damit kann ich mir mein Abendessen finanzieren.“

Jessica überlegte schon, was sie alles zum Essen holen könnte?


 

In Gedanken versunken lief sie den steilen Pfad weiter hinauf.

Von Hemlog aus, wo sie zuvor ein paar Tage gewesen war, weil dort ihre Lieblingsband einen kurzen Auftritt gehabt hatten, sah der Hang gar nicht mal so steil aus, aber dass man dann doch noch fast förmlich klettern musste, das hatte sie nicht erahnen können. Nun konnte Jessica das auch nicht mehr ändern.

Was tat man doch nicht alles für seine Lieblingsband?

Ihr nächster Zielort war Jillwa. Dort würde demnächst wieder ein Auftritt stattfinden.

Jessica musste dazu aber durch das Lila Gebirge, um so nach Jillwa zu gelangen.

Von Hemlog, der östlichsten Kleinstadt von Festa, war nun einmal der direkte Weg nach Jillwa durch dieses Gebirge.

Auch wenn es auf der Karte kurz aussah, es war trotzdem eine Qual für sie. Jessica mochte das Wandern nicht so gern.

Seufzend und mit hängenden Schultern lief sie weiter den Weg entlang.

Zumindest motivierte es sie, dass das Mädchen noch vor Ankunft der Dunkelheit in Jillwa ankommen wollte. Wer wollte schon nachts durch so ein Gebirge laufen?

Bis auf den Zusammenprall mit diesen vier Möchtegern Verbrechern, war nichts interessantes geschehen.

Jessica gähnte lautstark, ohne ihre Hand vor dem Mund zu halten. Es war ja sowieso keiner da, der ihr das verbieten konnte.

Immer wieder kickte sie während dem Laufen kleines Geröll über den Weg und irgendwann nach einem größeren Abzweige tat sich eine größere längere Höhle vor ihr auf. Neben dran war ein gigantischer See.

Die Höhle vor ihr sah wie ein Tunnel aus, der schräg nach unten verlief. Ganz am Ende konnte man etwas weißes erkennen.

Ein älteres Holzschild war an die Felswand genagelt worden.

Es deutete auf Jillwa hin. Man musste also nur durch diesen Tunnel gehen, dann war man schon da.

Sie machte den ersten Schritt, da krabbelte etwas aus der Höhle.

„Nein........!“, kam es langgezogen von Jessica.

Sie konnte nicht glauben, was da gerade heraus gekrabbelt war.

Eine übergroße schwarze Spinne mit zwei großen roten Augen, die das Mädchen anstarrten.

Man konnte aber nicht sagen, was die Spinne vermutlich dachte. Ob sie jetzt aggressiv oder friedlich war.

Jessica wusste jedoch eines. Sie kam im allgemeinen nicht gut mit Spinnen klar und dieses Vieh war einfach mal zehnmal so groß, wie die Hausspinnen im Hotel.

Plötzlich zuckte die Riesenspinne zusammen und eilte zurück in die Höhle

Sie verschwand in das Dunkle des Tunnels.

„O.k.........“, meinte Jessica unzufrieden. Sie seufzte anschließend.

„Also zurück nach Hemlog und den mehrstündigen Bus nehmen. Geld habe ich ja jetzt.“

Das Mädchen drehte sich zur Seite und wollte den Weg zurückgehen, aber nur widerwillig bewegte Jessica sich fort, weil sie daran denken musste, wie weit der Weg doch eigentlich war.

Ihr Blick wich dadurch zum Abzweig, anschließend zum See.

Und wohin führte wohl der andere Weg, also bei dieser Abzweigung? War das vielleicht eine Alternative nach Jillwa?

Aber auf dem Holzschild beim Abzweig stand deutlich eine andere Stadt. Markezei.

So schaute das braunhaarige Mädchen wieder einmal über den bläulichen See, der durch das schwachen Farbenspiel der Abendsonne eigentlich einen schönen Anblick bot.

Außerdem war die Atmosphäre angenehm warm. Es schien so, als würde das Wasser warme Luft abstoßen.

Sie verlor immer mehr die Lust zum Umkehren.

„Verflucht!“, brummte sie lautstark.

Sie starrte wieder in den Tunnel.

Viel Zeit blieb ihr aber nicht mehr.

Ihre Lieblingsband würde bald einen Auftritt in Jillwa haben und sie musste dorthin, bevor der Bus mit den ganzen kreischenden Fangirls dort ankam.

Jessica wollte unbedingt ein Autogramm haben und dazu musste sie als Erstes zum Hotel der Band.

Nach einer kurzen Recherche hatte das Mädchen herausgefunden, wo die Band genau übernachtete.

Sie musste dieses Wissen nutzen, um einen Vorsprung zu erhalten.

Die anderen Fans wussten das noch nicht, zumindest jetzt noch nicht.


 

Mutig baute sich Jessica vor dem Tunnel auf.

„Ich gehe jetzt da rein und..........!", wollte sich das Mädchen Mut machen, da meinte jemand von der Seite:

„Ach! Da siehst man sich wieder! Ist schon wirklich lange her.“, hörte sie eine männliche Stimme sagen. Diese Stimme klang aber vertraut.

Das Mädchen blickte diese Person an und dabei bemerkte sie eine ganze Gruppe.

Es waren die Mitglieder der Ranger Guild.

Max, Daniel, Julius, Rick, Alina und Tina.

Warum sie jetzt genau in diesem Moment hier waren, das überraschte das braunhaarige Mädchen.

„Ihr hier?“, meinte Jessica überrascht.

Max nickte.

„Es ist zwar schön euch zu sehen, aber warum seid ihr hier genau? Ist ja kein Ort, an dem man häufig jemand trifft, den man kennt, denke ich.“, meinte Jessica verwundert.

„Das Gleiche könnten wir auch dich fragen, außerdem warum sind da Blutflecken?“, meinte Alina. Sie schaute Jessica skeptisch an. Irgendwie wirkte die Blondine gereizt.

„Nun..........“, begann Jessica:

„.......ich komme von Hemlog, also einer Stadt im Osten Festas und ich wollte eine Abkürzung durch diesen Tunnel nach Jillwa nehmen. Die Stadt liegt gleich dahinter.“, das braunhaarige Mädchen sah auf ihre Bluse:

„Nun da waren aber noch vier Typen, die wollten sich wohl an mir vergreifen. Ich denke die fressen jetzt alle Staub, zumindest bis sie wieder aufgestanden sind, wenn sie das noch können. Zwei von denen sind ja feige abgehauen.“, erklärte Jessica stolz.

„Alles klar.........“, gab Alina mit einer ironischen Stimmlage von sich:

„Übertreib nicht!“, betonte die Blonde. Jessica war nicht begeistert von Alinas Unfreundlichkeit. Jedoch wollte Jessica nicht auf das Geblöke von diesem Mädchen eingehen.

„Wir müssen auch nach Jillwa. Lustig wie die Ironie spielt.“, meinte Max. Er zeigte in den Tunnel.

Daraufhin wollte Julius einfach weitergehen, bis Jessica ihm zurief:

„Warte! Da drinnen lauern riesige Spinnen, deswegen warte ich ja hier draußen.“

Statt stehenzubleiben, lief Julius einfach weiter.

„Hast du nicht zugehört? Da drinnen ist ein Monster!“, rief ihm das Mädchen hinterher.

Julius reagierte immer noch nicht, sondern betrat die Höhle mit gelassener Miene.

„Hallo?! Was ist mir dir los? Da drin sind riesige Spinnen!“, wurde Jessica lauter.

„Riesige Spinnen?“, meinte Tina nervös.

„Na toll........“, murrte Rick.

„Wie viele sind es denn?“, fragte Daniel.

„Weiß ich nicht. Ich habe nur eines gehen.“, erklärte Jessica.

„Also kannst du nicht einmal sagen, ob da drin überhaupt eine Gefahr ist?“, fragte Max.

„Da ist Gefahr! Riesenspinnen sind gefährlich!“, brummte das braunhaarige Mädchen.

„Hast du das getestet?“, hakte der schwarzhaarige Junge nach.

„Was fragst du jetzt da nach? Als ob ich so lebensmüde bin!“, beschwerte sich Jessica.

„Ich mein ja nur.“, erwiderte Max.

Julius kam in dem Moment wieder aus dem Tunnel.

„Da sind tatsächlich über ein Dutzend von diesen Viechern. Ich bin nicht sicher, wie sie reagieren, wenn wir da durchlaufen.“, meinte er kühl. Der Junge klang so, als wäre es ihm eigentlich egal.

„Gibt es noch ein alternativen Weg?“, fragte Tina.

Jessica schüttelte den Kopf:

„Wahrscheinlich nicht.“

„Der einzige Weg von hier aus nach Jillwa ist durch diesen Tunnel.“, erklärte Rick. Er zeigte auf seine Karte, die der Junge wohl dabei hatte.

„Können wir sie vielleicht raus locken?“, fragte Daniel.

„Du willst was?“, meinte Alina entsetzt. Sie baute sich vor Daniel auf, während die Blondine in den Tunnel zeigte:

„Ich möchte diese Dinger nicht in meiner Nähe haben.“, erwiderte sie sofort.

„Hast du etwa Angst vor Spinnen?“, fragte Rick. Sofort zeigte seine Freundin auf ihn:

„Ruhe! Mit dir habe ich sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen!“, wurde Alina lauter.

„Das mit dem raus locken könnte unsere einzige Alternative sein, oder?“, meinte Max. Er schien tatsächlich darüber nachzudenken.

„Mir fällt nichts anderes ein.“, stimmte Daniel zu.

„Das ist eure Sache! Ich möchte nichts mit Spinnen zu tun haben.“, erwiderte Alina sofort.

„Wie bist du denn drauf? Komm mal ein bisschen runter.“, sagte Jessica abwertend und währenddessen schüttelte sie ihren Kopf.

„Was willst du? Misch dich hier nicht ein!“, murrte Alina das andere Mädchen an.

„Benimm dich, Alina!“, brummte Rick.

„Du hast mir nichts zu sagen!“, wurde Alina lauter.

„Wir können hier noch gerne weiter sinnlos diskutieren, aber wir müssen weiter.“, erklärte Julius.

„Er hat Recht. Wir werden es einfach ausprobieren.“, stimmte Max hinzu.

„Hat jemand etwas dabei, mit dem wir die Spinnen raus locken können?“, fragte Daniel erneut. Er sah jeden kurz an. Alina schaute genervt zur Seite. Sie starrte zum See.

„Wir könnten den Biestern einheizen?“, meinte Julius und er zog sein dunkelroten Kristall hervor.

„Ah.........., das sind doch diese Elementkristalle bestimmt? Ich habe von ihnen gehört.“, erstaunt sah Jessica mit an, wie Julius aus diesem Kristall in einem rötlichen Lichtstrahl ein brennenden Vogel beschwor, der lautstark in der Luft kreischte, während er im Kreis flog.

„Ich habe diese Dinger noch nie aus der Nähe gesehen.“, murmelte Jessica fasziniert von der Kreatur.

„Damit könnten wir den Monstern gut einheizen.“, zeigte sich Daniel begeistert.

„Und wenn wir nicht alle erwischen? Was ist wenn sie aggressiv auf uns werden?“, bezweifelte Max.

„Ach......., hast du ein besseren Vorschlag? Und du weißt das selbst gar nicht so genau, oder?“, meinte Jessica zu dem schwarzhaarigen Junge.

„Man darf doch auch mal Zweifel äußern dürfen?“, erwiderte Max uneinsichtig. Er klang beleidigt.

„Der ist ja immer noch so schnell beleidigt. Der verträgt einfach keine Kritik.“

„Wir müssen es halt ausprobieren.“, meinte Jessica während sie zum Tunnel schaute.

Das Mädchen grinste und meinte selbstsicher:

„Aber Feuer ist auf jeden Fall die Lösung!“, sie klang überzeugt.

„Gut.“, meinte Julius und er wies seinen Feuervogel an, dass dieser einen Feuerstrahl in den Tunnel schießen sollte.


 

Der Vogel kreiste über die Felswand hinweg und nach einem weiteren Looping öffnete er sein Schnabel, daraufhin erzeugte dieser ein kleiner Strahl aus Flammen. Der Flammenstrahl hatte die Größe eines Wasserstrahls aus einem durchschnittlichen Feuerschlauch. Die Flammen erhellten die Höhle und man hörte die Wucht von Flammen wie sie in die Wände und Böden einschlugen.

„Das ist brutal........“, meinte Tina traurig.

„Sollen bloß alle Viecher abfackelt werden!“, betonte Alina lautstark.

Nach wenigen Minuten beendete Lav seinen Angriff und es herrschte für einen Moment eine beunruhigende Stille. Ein Gestank von Verbranntem setzte sich in der Luft ab.

Nicht einmal ein paar Sekunden später kreischte ein ohrenbetäubender Schrei aus dem Tunnel.

Etwas kam herbeigeeilt. Man konnte es nicht sehen, aber förmlich spüren. Etwas großes kam.

„Da kommt was!“, meinte Max beunruhigt.

„Scheiße!“, fluchte Rick.

„Es hat überlebt!“, gab Daniel entsetzt von sich. Im nächsten Moment sprintete ein zwei Meter großes Insekt aus der Höhle. Es war eine noch größere Spinne.

„Ach du Schreck! Dann war das vorher wahrscheinlich ihr Kind?“, dachte Jessica geschockt.

Julius sprang zur Seite, um nicht im Weg zu stehen.

Tina schrie lautstark auf.

Die Spinne kreischte ebenfalls.

Aber bevor sie jemand mit ihren Maul zerreißen konnte, stellte sich Jessica ihr in den Weg. Das Mädchen hatte ihre Kopfhörer aufgesetzt und diese waren verbunden mit ihrem Handy.

Sie hörte ein Lied und summte es nach, währenddessen streckte das Mädchen beide Hände aus und eine purpurfarbenen dünne Schicht bildete sich um ihren Körper.

Die Spinne biss in diese Barriere, aber sie prallte daran ab.

Jessica breite anschließend ihre Arme auseinander und die Barriere wurde größer.

Sie summte lauter und das purpurfarbene Licht schimmerte.

Die Barriere nahm schlagartig an Größe zu und schleuderte die Spinne somit gegen eine Felswand.

Die anderen blieben von der Barriere unberührt. Sie ging einfach durch Daniel hindurch, ohne dass dieser bewegt wurde, aber der Junge sah erschrocken aus.

„Jetzt!“, gab Jessica lautstark bekannt und Julius sprang auf. Er ließ seinen Feuervogel ein weiteren Strahl abfeuern, aber dieses Mal direkt auf das gigantische Ungeheuer.

Jessica tippte währenddessen auf einen Schalter an ihrem Kopfhörer und ein anderes Lied war zu hören.

Sie summte diese Melodie nach und währenddessen faltete das Mädchen beide Hände einander.

In binnen von Sekunden hatte sich um den Flammenstrahl eine bläuliche Spirale gebildet und ließ den Flammenstrahl trichterförmig größer werden.

Der Angriff setzte das Biest komplett in Brand. Es war ein kurzweiliges großes Feuer. Die Stichflamme ging bis zur Decke.

„Das ist grauenhaft.“, meinte Tina entsetzt.

„Besser, als wenn es uns gefressen hätte.“, erwiderte Alina. Sie grinste zufrieden.

„Da gebe ich Alina recht.“, stimmte Rick zu, aber er starrte mit unzufriedener Miene das Feuer an.

„Es tut mir trotzdem irgendwie Leid.“, murmelte Tina. Sie konnte nicht mehr hinsehen.

Wenn Jessica ehrlich zu sich selbst war, dann war sie auch nicht stolz auf ihre Tat.

Am Ende blieb nur Asche übrig und der Gestank in der Luft war immer noch da.


 

„Zum Glück ist das jetzt geschafft, hoffe ich.“, meinte Rick.

„Das sehen wir gleich.“, erklärte Julius. Er wollte ein weiteres Mal ein Feuerstrahl in den Höhle schießen lassen, da murrte Tina leise:

„Bitte lass das. Ich meine.................. bitte...........“, sie sprach aber nicht weiter.

Julius ließ es jedoch sein und er beschwor Lav zurück in seinen Kristall.

„Was war das eigentlich gerade für eine Magie?“, fragte Daniel interessiert, während er zu Jessica schaute.

Darauf hatte Jessica gewartet.

Stolz setzte sie ihre Kopfhörer um ihre Nacken und lächelnd zeigte sie auf ihr Handy.

„Das ist die Beat Up Magic.“

„Die was?“, unterbrach Max.

„Unterbrich mich nicht!“, zischte das braunhaarige Mädchen.

„Also.............., diese Magie ist ein wenig komplex zu erklären, aber ich werde sie für euch zusammenfassen.“, begann Jessica.

Sie hob ihr Handy in die Luft. Es war ein neueres Modell.

„Darauf habe ich viele meiner Lieblingslieder gespeichert. Jedem Lied kann man ja ein Gerne zuordnen. Rock, Pop, Gothic, Classic......... usw. Wenn man ja ein gutes Lied hört, dann hat man in der Regel ein Ohrwurm danach, nicht?“, Daniel nickte und Max zuckte nur mit den Schultern.

„Mit einer speziellen Magie, die sich mit den Partikeln in der Luft auseinandersetzt, kann man die Schallwellen, die unsichtbar durch alles fließen, mit einem Rhythmus versehen und sie somit kurzzeitig um eine Eigenschaft bereichern, aber dazu muss der Rhythmus stimmen. Es ist wie ein Geheimrezept. Ein Ohrwurm ist da immer sehr hilfreich. Jedenfalls kann ich damit andere Magiearten verstärken oder sogar annullieren. Ich kann eine Barriere erzeugen und vergrößern. Ich könnte jetzt auch meine Faustschläge verstärken, sodass ich ganze Bäume um holzen kann und ja ich habe das schon ausprobiert.“, erklärte Jessica, dabei grinste das Mädchen von sich überzeugt.

„Ah...... so hast du die vier Typen also besiegt?“, meinte Daniel und er nickte zufrieden.

„Nein.“, widersprach Jessica.

„Die habe ich ohne Magie plattgemacht.“, erklärte das Mädchen. Daniel stand mit offenen Mund da.

„Wo hast du das gelernt?“, fragte Max.

„Das bleibt ein Geheimnis.“, erklärte Jessica grinsend. Der schwarzhaarige Junge sah sie unzufrieden an, aber Jessica wollte es ihm nicht verraten. Außerdem gab es sowieso nicht viele Nutzer, die diese Magie beherrschten. Jessica wollte in dieser Hinsicht einzigartig bleiben.


 

„Wo ist eigentlich Julius, Rick und Alina?“, fragte Daniel erstaunt und er sah sich um.

Die anderen beiden taten dies ebenfalls.

Dabei bemerkte Jessica wie dunkel es eigentlich schon geworden war.

Tina stand am Eingang der Höhle.

„Die sind schon hineingegangen und sie haben mir zugerufen, dass dort nichts mehr lauert.“, erklärte das Mädchen. Sie klang dabei ein wenig traurig.

„Die haben mich einfach ignoriert?!“, meinte Jessica entsetzt.

„Zumindest ist eine sehr interessante Magie, die kannte ich bisher noch nicht.“, erklärte Max.

„Ja! Sie ist auch nicht einfach zu beherrschen.“, meinte das braunhaarige Mädchen stolz.

„Wir sollten ihnen hinterher, bevor wir sie nicht mehr finden.“, meinte Daniel und die anderen stimmten ihm zu.

So versuchten sie die anderen einzuholen, auch wenn Jessica diese Art der drei als sehr unfreundlich empfand.

Die Höhle war innerhalb von fünfzehn Minuten durchquert, wenn man sich beeilte.

Der Tunnel endete dann an einem steilen Hang. Von dort führte ein Weg immer von links nach rechts der Steilwand entlang. Es war definitiv kein Ort für schwache Gemüter.

Wer hier keine Höhe mochte, der sollte lieber nicht hinuntersehen.

Wahrscheinlich klebte deswegen auch Max förmlich an der Wand. Er ging nur Hand in Hand mit der Steilwand, den ein Meter breiten, Weg hinab.

Zumindest waren die Wege abgesichert, also nur ein zwei Meter großer Mensch konnte über das Holzgeländer fallen.

Von da oben aus, war im Tal eine große Stadt zu erkennen. Es war zwar bestimmt noch ein Kilometer bis dorthin, aber dieser schien nur noch durch ein kleinen Wald zu führen. Bald waren sie also da.

Die Stadt strahlte in einem hellen Licht und vor allem jetzt in der leichten Dunkelheit konnte man die Lebendigkeit förmlich spüren.

Das Auffälligste war der große Turm, der ungefähr in der Mitte der Stadt stand.

Durch die seitlichen Schriftzüge auf dem Gebäude, sah er aus wie ein Hochhaus oder Einkaufszentrum.

„Da ist ja schon Jillwa, also sind wir bald da.“, meinte Rick erleichtert.

„Ja......, zum Glück.“, stimmte ihm Max zu.

In weniger als 15 Minuten hatten sie die Steilwand gemeistert und in weiteren 15 Minuten waren sie durch das kurze Stück Wald gehetzt.

Man konnte sich ja nicht verirren, denn der letzte Abschnitt war deutlich gekennzeichnet.

Jessica verabschiedete sich daraufhin von der Gruppe, als diese ihr gewünschtes Hotel erreicht hatten.

Für das Mädchen war der Abend, aber noch nicht vorbei, denn sie musste noch einer Gruppe einen Besuch abstatten. Auch egal, dass es eigentlich schon ziemlich spät geworden war.

Ihre Vorfreude auf das Treffen war jedenfalls nicht zu bremsen. Sie würde sich definitiv nicht abwimmeln lassen. Ihr Autogramm würde sie auf jeden Fall noch heute bekommen.

Die Randmission IX --- Warum so anders?

[Tina]
 

Die Nacht ging leider schneller vorbei, als gedacht, denn Tina fühlte sich am nächsten Morgen so, als hätte man ihr ein Teil der Kräfte geraubt.

Statt Erholung fühlte sich das Mädchen müder, als gestern Nacht.

Mit müden Augen stand sie dann doch schließlich auf.

Tina schaute aus dem Fenster und so konnte das Mädchen die Stadt das erste Mal bei Tageslicht sehen.

Es war ein schöner Anblick und irgendwie fühlte sich dieser Moment sehr befreiend an.


 

Gestern hatte man noch schnell in einem günstigen Hotel eingecheckt und dann waren alle schon schlafen gegangen.

Tina konnte aber nicht einschlafen, denn sie hatte die ganze Zeit an die letzten Tage denken müssen und an die riesige brennende Spinne. Ihr tat das immer noch Leid. Das arme Monster hatte dies nicht verdient, auch wenn ihr klar war, dass das Monster wahrscheinlich nicht freundlich gewesen wäre.

Zwar war Tina nicht ausgeschlafen, aber zumindest war das Hotelbett weich gewesen. Kurz konnte sie schön träumen.

Eigentlich würde das Mädchen noch gerne eine Weile liegen blieben, aber ein Blick auf die Uhr reichte schon aus, denn Rick hatte eine Uhrzeit gesagt, an der sich alle unten in der Lobby treffen sollen.

So bereitete sich Tina vor, denn sie wollte nicht zu spät kommen.

Linda hatte der Gruppe ja noch einen kleinen Auftrag erteilt, den sie heute erledigen sollten und Tina wollte ja nicht die Person sein, die für das Trödeln verantwortlich war.

Sie beeilte sich im Bad, aber dabei war das Mädchen mehr tollpatschig, als schnell.

Tina schürfte sich mehrmals unglücklich auf. Am Ende stand sie mit traurigen Blicken vor dem Spiegel.

Während Tina sich anschaute, dachte sie wieder an die Zeit von Ranger Island.

Zwar machte sie dieser Gedankengang noch trauriger, aber zeitgleich auch irgendwie glücklich.

Es klang paradox, aber langsam wollte das Mädchen immer mehr zurück. Zurück nach Ranger Island. Zurück zu ihrem Zuhause und nicht zudem, was sie sich erhofft hatte zu finden. Wahrscheinlich war es gar nicht mehr da.

Ihr jetziger Wunsch war aber klar und dank den anderen, war ihr das auch nun bewusst geworden.

Zurück zu Linda, um sich zu entschuldigen.

Betrübt sah Tina in das Waschbecken.

Wieso war sie damals eigentlich überhaupt davongerannt? Was war nochmal der Grund dafür gewesen? Was hatte sie angetrieben?

Hatte das Mädchen damals nie wirklich darüber nachgedacht? War sie blind und naiv damals?

Ihre Freunde kamen sie holen. Sie reisten mehrere Tage. Sie brachten sich in Gefahr und dann verziehen sie Tina alles. Einfach so.

Das Mädchen schüttelte ihren Kopf. Sie sah wieder in den Spiegel.

Tina wollte sich dafür revanchieren. Ihr tat es in der Seele weh, dass dieses Thema einfach so abgehakt wurde. Niemand beschwerte sich. Niemand!

Sie konnte es doch nicht einmal sich selbst verziehen, also warum konnten die anderen es? Warum war das so?

Tina verstand das alles nicht, auch wenn es sie eigentlich sehr froh machte.

Nur fürchtete sich das Mädchen davor, was Linda wirklich davon denken könnte, wenn die Gildenmeisterin und sie sich wiedersahen. Was würde sie wohl als Erstes zu ihr sagen?

Wäre sie zuerst böse oder wäre sie zuerst glücklich? Oder traurig? Wie wäre Linda wohl?

Tina hatte Angst davor dies zu erfahren. Sie hatte irgendwie Angst, auch wenn es ihre Schuld war.

Wäre sie einfach nur nie blind davongerannt, dann wäre all die Anstrengung für jeden erspart geblieben. Niemand hätte sich Sorgen machen müssen.

Tina sah ein, dass sie völlig dumm gewesen war und dass sie solche gute Freunde hatte.


 

Das Mädchen erschrak plötzlich, als es wild an der Türe des Badezimmers klopfte. Jemand war in ihr Hotelzimmer gekommen.

„Bist du schon fertig, Tina? Wir müssen uns beeilen!“, es war Rick.

„Rick!“, wurde Tina kurz laut, als sie errötete.

„Wieso bist du in mein Zimmer gekommen?“, meinte sie mit hoher Stimme.

Ihr war es peinlich, denn das Mädchen stand noch halb angezogen im Bad.

Es herrschte eine kurze Stille, daraufhin fragte Rick:

„Wieso? Bist du denn noch nicht fertig? Wir warten schon alle in der Lobby?“

Er schien es nicht zu bemerken.

„Ich bin doch zu langsam. Ich muss mich beeilen!“

„Ich........ ich komme gleich!“, gab Tina bekannt.

„In Ordnung, ich komme dann wieder hoch. Bitte beeile dich.“, daraufhin hörte man, wie er das Zimmer verließ.

Vorsichtig schaute das Mädchen heraus und der Raum war tatsächlich leer.

„Ich muss mich wirklich beeilen!“


 

Tina zog sich heute etwas lockeres an, aber nur weil die Sonne am Morgen schon so extrem stark auf die Fenster geschienen hatte. Es war bestimmt warm draußen, jedenfalls sah es danach aus.

Das Mädchen ging zur Tür auf den Gang.

Bevor sie die Tür öffnete, hörte das Mädchen Alina und Rick reden.

„Du warst gerade bei ihr im Zimmer, nicht?“, warf seine Freundin ihm vor.

„Ja........., hast du mich etwas dabei beobachtet?“, fragte Rick.

„Das ist meine Sache, aber ich warne dich! Du solltest nicht in meiner Gegenwart in Zimmer von anderen Frauen treten, ohne anzuklopfen. Sie hätte nackt sein können! Das wolltest du doch, oder?“, betonte Alina deutlich.

Tina errötete und ihre Hand zitterte. Die Vorstellung daran ließ das Mädchen erstarren.

„Ach was.........., ihre Türe war doch offen. Ich dachte halt, wenn sie schon ihre Türe aufgeschlossen hatte, dann muss sie schon fertig sein.“, erklärte Rick.

„Was.........? Ich habe vergessen meine Türe abzuschließen? Es hätte die ganze Zeit jemand hereinkommen können?!“, dachte Tina schockiert.

Plötzlich war das Gefühl der Sicherheit verschwunden und sie ärgerte sich darüber, aber nur kurz, denn Alina meldete sich wieder zu Wort:

„Ich weiß, dass du anderen Mädchen hinterher starrst! Du bist auch nicht mehr so freundlich zu mir!“, warf sie Rick vor.

„Ich bin nicht dein Diener, außerdem mache ich das nicht.“, erklärte Rick. Er klang genervt.

„Ich warne dich! Mit mir kannst du nicht machen, was du willst.“, erklärte Alina lautstark.

„Mir ist das hier zu blöd. Ich gehe zurück in die Lobby.“, erklärte ihr Freund, daraufhin herrschte wieder Stille.

Nervös öffnete Tina die Tür und sie sah auf den Gang, aber niemand war dort.

Das Mädchen war froh nicht in einen Konflikt geraten zu sein.

„Die beiden streiten sich aber häufig.“, dachte Tina besorgt.

„Ob sie das wegen mir tun?“, überlegte das Mädchen anschließend. Sie würde ein sehr schlechtes Gewissen bekommen, wenn dies der Grund dafür wäre.


 

Tina eilte nach unten.

Die Gruppe wartete schon unten an der Rezeption.

Max saß auf einem Sessel und er wirkte gelangweilt. Daniel stand bei den Broschüren und er las sich gerade eine durch.

Julius stand schon am Eingang, als wollte er gleich schon aufbrechen.

Rick stand in der Mitte der Lobby, er schien auf Tina zu warten. Alina stand mit verschränkten Armen in der Nähe ihres Freundes. Sie schaute aber nicht besonders freundlich zu dem ankommenden Mädchen.

„Sie ist da, also können wir gehen.“, erklärte Rick. Max stand auf und Daniel steckte die Broschüre in das Regal.

„Dann machen wir es so, wie du es vorgeschlagen hast?“, fragte der schwarzhaarige Junge Alinas Freund.

Rick nickte, dann wandte er sich wieder Tina zu.

„Bist du fertig? Hast du alles erledigt?“

Tina nickte.

„Gut.....“, begann der braunhaarige Junge zunächst, dann sah er kurz zu den anderen:

„Ich habe den anderen erklärt, dass wir heute den Auftrag schnell erledigen und vielleicht anschließend in Schwimmbad gehen. Es kam die Idee auf, dass Alina und du in das schöne große Einkaufszentrum gehen könnt. Nach der Tour der letzten paar Tage ist so eine Abwechslung eine ziemlich gute Idee.“, erklärte Rick.

„Warte, Rick!“, unterbrach Alina ihren Freund:

„Ich wollte eigentlich mit dir ins Einkaufszentrum!“, betonte die Blondine.

Rick sah sie gleichgültig an.

„Ich habe kein Interesse an einen Einkaufsbummel. Ich finde so etwas uninteressant. Es macht mir kein Spaß und du hast mich doch schon den ganzen Tag damit genervt, dass du unbedingt dahin willst.“, erklärte der braunhaarige Junge.

„Nicht ich!“, fügte er hinzu.

Alinas Mundwinkel zogen sich weiter nach unten. Sie hob ihren rechten Arm:

„Jetzt habe ich auch keine Lust mehr mit dir dahin zugehen. Ich nehme da doch lieber Tina mit, als dich! Nicht, dass du heimlich mit ihr Einkaufen gehst. Ich weiß was in deiner Birne gerade vorgeht! Du denkst bestimmt die ganze Zeit an Tina, nicht?!“, erklärte die Blondine.

Tina errötete wieder stark, vor allem weil die anderen im Raum waren und das mitanhörten.

Man hörte Max seufzen.

Daniel kratzte sich am Kopf und Julius schien gar nicht mithören zu wollen.

„Mach was du willst, aber ich habe Linda heute morgen versprochen, dass ich euch einen schönen Tag schenke. Der Auftrag kann auch nur von uns vier erledigt werden. Wenn wir fertig sind, können wir ja kurz bei euch vorbeischauen. Ins Schwimmbad können wir auch alle gemeinsam gehen. Und Alina! Benimm dich!“, erklärte Rick.

„Ne!“, wurde Alina lauter.

„Jetzt habe ich schon keine Lust mehr mit dir was zu unternehmen. Vielleicht gehe ich mit Tina alleine ins Schwimmbad und ihr könnte solange die Arbeit machen.“, erklärte die Blondine lautstark.

Rick seufzte genervt.

Bevor er aber antworten konnte, brummte Julius:

„Habt ihr es bald? Wir wollen gehen.“, forderte der Junge.

Rick sah kurz zu ihm, daraufhin wanderte sein Blick wieder zu Tina und dann zu Alina.

„Ja......, er hat Recht.“, stimmte der braunhaarige Junge zu.

Bevor Rick einen Fuß in Richtung Ausgang setzen konnte, packte Alina Tina und zog sie zuerst zum Ausgang.

„Komm Tina! Wir machen uns ein schönen Tag. Lassen wir die Jungs ihre Männlichkeit zeigen, indem schön die Drecksarbeit machen!“, meinte Alina abwertend.

Tina meinte nur leise:

„Ja.“, sie könnte Alina sowieso nichts erwidern.


 

Es war ein seltsames Gefühl, denn vor einiger Zeit war die Blondine noch extrem neidisch auf Tina gewesen und nun will sie mit ihr einkaufen gehen.

Oder war das alles nur, weil sie Rick eins rein drücken wollte? Wollte sie Rick irgendetwas beweisen?

Oder wollte seine Freundin nur Tina von Rick fernhalten?

Was sollte das überhaupt heißen?

Tina wurde roter, als darüber nachdachte, während sie Alina folgte, die zügig durch die Straßen lief.

„Wir vertragen uns doch?“, fragte die Blondine das braunhaarige Mädchen plötzlich und Tina schaute erstaunt auf.

„Ja.“, meinte das braunhaarige Mädchen nach einer kurzen Pause. Sie war verwirrt. Was sollte Tina auf so eine Frage antworten? War Ja die richtige Entscheidung?

Alina nickte nach einem kurzen Zögern:

„Dann ist ja gut. Ich muss mir ja dann keine Sorgen wegen Rick machen, nicht?“, ihr letzten Worte betonte die Blondine wieder und sah kurz zu Tina.

Das braunhaarige Mädchen nickte eifrig.

Zufrieden schmunzelte Alina, daraufhin zeigte sie in die Ferne.

„Da hinten steht das Einkaufszentrum. Es wurde vor kurzem erst restauriert und da heute ein Wochentag ist, sollten auch nicht so viele Besucher dort sein. Es gibt viele Angebote.“, Tina sah den Turm entlang nach oben:

„Wow! Der ist ja hoch.“, murmelte sie.

„Ja........., ganze sechzehn Stockwerke groß. Es gibt vier Stockwerke allein nur für Frauen. Stell dir nur mal die Auswahl vor! Wobei das sechzehnte Stockwerk gerade noch renoviert wird.“, erklärte Alina stolz.

„Woher weißt du das alles?“, fragte Tina verwundert.

„Daniel hat das erzählt, als wir das Gespräch vorher kurz hatten.“, erklärte die Blondine, daraufhin eilte sie über die Straße.

Nun waren sie nur noch wenige Meter vom Eingang entfernt.

Der rote Schriftzug, der auf einer der Seiten des Einkaufszentrum zu sehen war, sah von unten gigantisch aus. Jeder Buchstabe war so groß wie ein ganzes Stockwerk.

„Hat bestimmt viel Geld gekostet............“, daraufhin schaute sie zu Alina, die gerade die gläsernen Türen öffnete:

„Haben wir eigentlich Geld?“, fragte Tina, denn sie selber hatte kaum etwas dabei.

„Linda hat uns versichert, dass wir bei günstigen Produkten, die Kosten auf das Gildenkonto überschreiben dürfen. Sie würde es dann von unserem nächsten Gehalt abziehen. So müssen wir nicht die ganze Zeit Geld mitnehmen.“, erklärte Alina, daraufhin meinte sie ungeduldig:

„Aber jetzt hör auf zu fragen, denn wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit.“, sie grinste.

Tina nickte und sie eilte der Blondinen hinterher, die sich zugleich einem großen Plan zuwandte, der nach dem Eingang an die Wand geschraubt worden war.

Der Plan erläuterte den Aufbau des Einkaufszentrum.

Jedes Stockwerk hatte wirklich sein speziellen Bereich.

„Das fünfzehnte Stockwerk!“, erklärte Alina und sie zeigte auf den Plan.

Tina schaute dorthin.

Dort war der Bereich für Schuhe und Jacken. Auch was Tina sehr interessierte.

Sie nickte erneut.


 

Um zu den höheren Stockwerken zu gelangen, war in der Mitte jedes Stockwerkes vier Rolltreppen. Zwei fuhren hoch und zwei fuhren hinab. Man musste nur jedes Mal einmal um die Mittel laufen, dann konnte man hinauf- oder hinabfahren.

Am Rand gab es noch normale Treppen, aber Alina eilte zugleich zu der bequemen Möglichkeit.

Langsam stiegen die beiden somit Stock für Stock aufwärts, dabei betrachtete Tina die einzelnen Bereiche jedes Stockwerkes.

Es war alles bunt und schön hergerichtet worden. Es war wirklich schön mitanzusehen. Es machte eine gewisse Freude hier zu sein.

Manchmal nahm sie den Duft von Süßigkeiten war oder fertigen Essen. Einmal war der Duft von Parfum zu riechen, von Herren, sowie von Damen.

Nach einigen Minuten waren die beiden auch im gewünschten Stockwerk.

Dort oben befanden sich kaum noch Besucher. Man fühlte sich fast allein dort.

Erstaunt, aber völlig planlos schaute Tina um sich. Es waren so viele Läden, die viele tolle Produkt boten.

Zur Schau standen zum Beispiel Handtaschen oder die neusten Schuhe vor dem Schaufenster.

Alina war kaum noch zu halten.

Sie blickte ein weiteres Mal zu Tina, dabei strahlte die Blondine voller Vorfreude.

„Komm schon, Tina! Ein wenig mehr Freude bei der Sache. Immerhin sind wir jetzt hier und wir haben keine nervigen Jungs bei uns. Wir können uns austoben. Wir können alles ausprobieren. Endlich können wir machen, was wir wollen, ohne nervige Zwischenkommentare!“, freute sich Alina lautstark.

Sie hüpfte förmlich vor Freude und zugleich eilte sie zu dem ersten Paar Schuhe.

Eine Mitarbeiterin kam aus dem Laden heraus und erklärte dem Mädchen, dass sie alle Fragen beantworten würde.

Alina nickte zufrieden.

Tina sah weiterhin leicht verwirrt um sich. Was wollte sie sich eigentlich als Erstes ansehen?

„Hey Tina!“, rief Alina sie her.

Die Blondine verwies auf die Mitarbeiterin des Ladens.

„Du siehst perfekt für die Schuhe aus, die wir heute ausnahmsweise im Angebot haben. Es ist eigentlich ein teures Markenprodukt, aber wir feiern heute uns einjähriges Jubiläum.“, erklärte die Mitarbeiterin stolz. Sie zeigte auf ein paar braune Schuhe. Die Absätze waren breit und tief, sodass man damit wohl gut auf Straßen unterwegs sein konnte, zudem war der Stoff angenehm weich, aber dennoch stabil, außerdem war die enthaltenen Sohlen flauschig.

„Die Schuhe passen zu dir.“, meinte Alina zufrieden.

„Das stimmt, damit punktet man mit Garantie bei Jungs. Ich weiß das aus einer sicheren, aber geheimen Quelle.“, lächelte die Mitarbeiterin.

Tina errötete leicht.

„Ah......, ich sehe. Du hast wohl schon ein Verehrer?“, stichelte die Mitarbeiterin ein wenig nach.

„Was!“, meinte das braunhaarige Mädchen überrascht.

„Nein............ nein.........., nein........., da ist nichts. Das ist nicht so. Da ist nichts mit Jungs!“, sie schüttelte ihren Kopf.

„Ach so?“, meinte die Mitarbeiterin verwundert.

Sie sah kurz zu Alina und dann wieder zu Tina.“

„Ich entschuldige mich............, ich wollte nicht so altmodisch denken. Natürlich muss ein Mädchen nicht gleich immer ein Freund haben, manchmal fliegt die Liebe auch auf das selbe Geschlecht.“, der Blick der Mitarbeiterin fixierte sich weiter auf Tina:

„Ich verstehe dich voll und ganz. Manchmal kann auch eine Frau nur die wahre Liebe erwidern.“

„Bitte was?“, meinte Tina mit hoher Stimme. Sie sah kurz zu Alina und daraufhin versank das braunhaarige Mädchen förmlich im Boden.

„Warten sie........., ich habe einen Freund.“, erklärte Alina. Sie war für einen kurzen Moment verlegen.

Alina schloss ihre Augen und daraufhin schüttelte das Mädchen ihren Kopf, bis sie wieder zu Tina sah und noch einmal errötete.

„Oh.........“, meinte die Mitarbeiterin erschrocken. Sie sah kurz zur Seite.

Es klingelte in diesem Moment ein Telefon und die Mitarbeiterin eilte schweigend in den Laden.

Nun standen die beiden Mädchen vor dem Laden und es herrschte eine unangenehme Stille,

bis Alina ermutigend wieder meinte:

„Lass uns weiter einkaufen und nicht darüber nachdenken...........“, Tina nickte nur langsam.

Das Mädchen bekam die Vorstellung nicht aus dem Kopf, statt mit Rick, mit Alina in einer Beziehung zu sein. Wie kam die Frau nur auf so einen Gedanken? Wieso hatte sie das laut ausgesprochen? Tina war der Moment so peinlich, dass sie sich am Liebsten weg wünschte.


 

Auch nach einigen Minuten stand das braunhaarige Mädchen noch völlig paralysiert vor dem Klamottenladen, der heute schwarze Jacken im Angebot hatte.

Daraufhin kam Alina durch die Tür zu Tina.

Sie präsentierte sich in einer schönen blauen Jacke. Sie war innen ein wenig gepolstert und am Kragen war sie mit Wolle verstärkt. Es war deutlich eine Winterjacke.

„Ist das nicht ein wenig warm da drin?“, fragte Tina vorsichtig nach.

„Ja schon, aber eine Winterjacke kann man nie zu früh kaufen!“, erklärte Alina stolz.

„Aber..........“, meinte sie anschließend.

„..........juckt die ein wenig..........., ich denke, ich nehme sie nicht.“, daraufhin ging Alina wieder in den Laden.

„Außerdem steht dir blau nicht, du siehst schöner aus wenn du weiterhin dein grün trägst...............“, murmelte Tina vor sich hin.

Alina blieb stehen und drehte sich lächelnd um:

„Du bist wie immer ehrlich, dass schätze inzwischen an dir. Ich hatte wohl am Anfang nicht ganz darauf geachtet.“, erklärte die Blondine, anschließend ging sie weiter.

Tina stand wieder völlig errötet da und dachte nach:

„Warum ist das plötzlich so anders? Warum ist sie so anders? Früher hat sie mich doch gehasst, immer gehasst, aber heute..............? Was ist............, ich verstehe nicht..................?“, das Mädchen brachte kein klaren Gedanken mehr zusammen.


 

Eine Lautsprecherdurchsage brachte Tina wieder aus ihren Gedanken;

„Liebe Kundinnen und Kunden! Heute dürfen wir ihnen mitteilen, dass es eine zweistündige Autogrammstunde der Band 'Hotelbewohner' im östlichen Flügel des vierten Stockwerkes gibt. Die ersten hundert Besucher bekommen sogar ein Foto mit ihrem Lieblingsbandmitglied.“, verkündete die weibliche Stimme stolz.

Plötzlich eilten aus den Läden vereinzelt Frauen, die zugleich die Rolltreppe hinabfuhren.

Auch ein paar Mitarbeiterinnen konnten sich wohl nicht halten.

„War das nicht die Band von damals? Die Band auf der Insel? Die ist heute hier? Was für ein Zufall.“, Tina musste für einen Moment an das Konzert denken und an die Geschehnisse mit Mr. S, also dieser großen Bestie.

Ihr machte es aber seltsamerweise kein Kummer mehr, darüber nachzudenken. Aber wieso?

Dieses Biest war unheimlich gewesen. Tina wusste noch, dass sie damals so große Todesangst hatte, sodass sie nichts mehr tun konnte.

Plötzlich fiel dem braunhaarigen Mädchen die unheimliche Stille auf, die auf einmal im Stockwerk herrschte.

Es schauderte sie plötzlich und das Mädchen sah sich um.

Etwas stimmte hier ganz und gar nicht, aber was war es?

Sie hörte das Gerenne von mehreren Leuten über ihrem Stockwerk, aber war der Zugang nach oben nicht gesperrt? Ein Schild bei den Rolltreppen verwies doch darauf? Außerdem waren wohl heute keine Bauarbeiten dort oder nicht?

Hatten die Arbeiter da oben nur eine Pause gemacht? Hatten sie so still gearbeitet?

Man konnte aber jetzt deutlich Schritte wahrnehmen und dann erkannte Tina noch etwas.

Sie erkannte ein Trupp von fünfzehn maskierten Männern, die von der oberen Rolltreppe hinabfuhren und das braunhaarige Mädchen anstarrten, als sie sie entdeckten.

„Oh nein.............!“, dachte Tina entsetzt.

Stark zitternd versuchte sie in ihre Tasche zu greifen, um Sasons zu beschwören, aber sie vergaß, dass der Reißverschluss zu war und sie somit erst daneben griff.

„Hände hoch, Mädchen!“, sprach zugleich einer der fünfzehn Maskierten.

Als Tina zu ihm sah, erstarrte sie. Der Mann hatte eine Schusswaffe auf Tina gerichtet und er kam immer näher. Ein Teil der anderen schickte er nach unten. In diesem Moment kamen von oben auch wieder fünf Stück nach unten.

Schritt für Schritt kam der Mann näher.

Langsam wanderten die Hände des Mädchen nach oben.

„Du wirst als Geisel dienen, auch wenn du das Recht hättest zu sterben!“, betonte der Mann mit einer harschen Stimme.

Die Worte gingen durch Mark und Bein.

In dem Moment kam Alina aus dem Laden und attackierte den Mann mit einem gezielten Schlag ins Gesicht, aber bevor sie ihn getroffen hätte, ließ dieser seine Waffe fallen und wich nach hinten. Zeitgleich ließ er sein Fuß zur Seite schwenken, sodass er in einem Drehsprung ihr ein Tritt ins Gesicht verpassen konnte.

Es schmerzhaft aus und Alina flog mit Wucht zurück.

Bewusstlos und blutend aus der Nase lag Alina da.

„ALINA! NEIN!“, rief Tina entsetzt und sie wollte zu ihr eilen, da spürte Tina den festen Griff des Mannes um ihrem Hals:

„Ein Schritt noch und deine Freundin stirbt! Ich erweise euch die Ehre, dass ihr das Tribut für unser Hauptspektakel werdet, also haltet still!“, daraufhin warf der Mann sie zu Boden und zwei weitere Maskierte fesselten die Mädchen anschließend.

Niemand war in der Nähe, der den beiden helfen konnte.

Tina fühlte sich deswegen plötzlich ganz allein und daher wünschte sie sich, dass jemand kommen würde, der Alina oder ihr half, vor allem Alina. Sie war verletzt.

Hoffentlich ging es ihr gut. Sie hatte ein heftigen Tritt abbekommen und dabei hatte sich das Mädchen schützend vor Tina gestellt. Etwas was das braunhaarigen Mädchen unendlich traurig machte.

„Rick.........., bitte.............., bitte komm her und hilf uns............, bitte..........!“, dachte Tina mit Tränen in den Augenwinkeln, als sie von einem kräftigen Mann auf die Schulter geworfen und in das nächst obere Stockwerk gebracht wurde.

Die Randmission X --- Elegant durch den Park

[Rosanna]
 

Sie hatte in letzter Zeit viel Geld gemacht und nun wusste die Dame nicht mehr, wohin mit dem ganzen.

Viel hatte die Diebin in letzter Zeit ausgegeben. Es war dieses Mal zum Teil tatsächlich ehrliches Geld gewesen.

Sie hatte sich eine teure Massage gegönnt, war schick Essen gegangen und nun trug sie teure und gute Kleidung, aber kein Schmuck.

Es konnte nicht schöner sein.

Auch der heutige Tag, war ein schöner und heißer.

Die Schweißperlen wischte sie sich immer wieder ab, während sie durch die Stadt schlenderte.

Rosanna fühlte sich in letzter Zeit aber müde und ausgepowert.

Viel hatte die Dame einstecken müssen und ihre tägliches Brot war auch keine ungefährliche Arbeit.

Aber heute wollte sie sich noch einmal richtig verwöhnen und dazu war Jillwa die perfekte Stadt.

Vielleicht ging sie ja heute auch ins Einkaufszentrum? Dort soll angeblich eine Band auftreten?

Jedoch interessierte sich die Diebin nicht besonders für Musik. Eine Erwähnung war es trotzdem wert.


 

Sie lief heute durch den östlichen Park, wenn man das Einkaufszentrum als Zentrum der Stadt betrachtete.

Dort befanden sich heute viele Familien, die ihre Kinder an den Spielgeräten spielen ließen.

Auch fiel der Dame auf, wie vereinzelt die Männer die Diebin anblickten. Ab und zu nahm Rosanna ein Pfiff war und auch wie die Männer im Gesamten ihr hinterher starrten. Die Blicke hafteten förmlich an ihrem Körper.

Natürlich war dies beabsichtigt. Rosanna genoss die Aufmerksamkeit.

Durch ihre heutige knappe Kleidung provozierte sie manch ein Gemüt und dennoch würde man sie nicht erkennen.

Diese Outfit diente auch nur zur kurzen Aufmerksamkeit, aber die Diebin hatte sowieso die Einstellung, dass der Mainstream der Gesellschaft langweilig und spießig war.

Manchmal würde es nicht schaden, wenn man die Gesellschaft ein wenig provozierte.

So provozierte sie hier die Frauen, dessen Männer herübersahen.

So lächelte Rosanna selbstbewusst, als sie über die Wege des Parks stolzierte.


 

Ein wenig später fiel ihr Blick auf ein paar spielende Kinder. Einer der Jungs gab großzügig an:

„Diese Uhr hat mir mein Großvater vermacht! Sie ist viel wert! Das hat er zu mir gesagt. Ja, das hat er!“, der Junge präsentierte den anderen Kindern eine goldene Taschenuhr.

Auf den ersten Blick erkannte Rosanna sofort, dass es nur ein Replikat war, aber auch so, stahl sie nichts von Kindern. Es gab eine andere Zielgruppe, die zu viel Geld hatte und es gab genug Zielgruppen, die es in ihren Augen nicht verdient hatten.

Als hätte die Dame es heraufbeschworen, liefen zwei Männer an ihr vorbei, die sich nicht die Mühe machten ihre Blicke zu verbergen. Einer der beiden schaute ihr sogar eine Weile nach, als wäre er benebelt, dabei grinste er dreckig.

Rosanna lächelte ihm zurück und er grinste noch schelmischer.

„Die Männer sind alle gleich.“, dachte die Diebin und versteckt hob sie ein schwarzen Geldbeutel hervor. Sie zog daraus 500 Sya. Es war viel Geld für einen Mann, der seelenlos durch den Park schlenderte, aber er hätte seine Augen woanders haben sollen.

Rosanna warf den Geldbeutel anschließend in einen der Mülltonnen am Wegesrand. Das Geld steckte sie zufrieden ein.

Plötzlich wurde sie von jemand angerempelt, als sie wieder einmal zur Seite schaute, um den Kopf eines Mannes zu verdrehen.

Sie spürte sehr kurz, wie die Hand eines Fremden versuchte in ihre Tasche zu greifen. Schnell packte ihre rechte Hand die fremde und sie zischte leise:

„Das nächste Mal schneide ich dir ein Finger ab, mein Lieber. Du solltest deine Griffel bei dir behalten!“, drohte Rosanna.

Schnell wurde die Hand zurückgezogen und sie konnte kurz in das Gesicht des Fremden blicken.

Ein junges sportliches Gesicht lächelte sie zufrieden an.

„Nicht schlecht, Mademoiselle. Sie scheinen gute Augen zu haben. Es hat hat mich überrascht.“, erklärte der junge Mann.

Rosanna hielt eine schwarze Armbanduhr in die Luft und der braunhaarige Mann staunte kurz auf.

„Wow, das ist meine!“, meinte er und der junge Mann sah sich seine Arme an.

Daraufhin warf sie ihm die Uhr zu.

„Bestehle nie die Falschen und überschätze dich nicht! Übe erst einmal ein wenig, Grünschnabel.“, belehrte sie ihn, daraufhin wandte sich Rosanna von ihm ab.

Sie lief noch ein Stückchen weiter, bis sie ein wenig später eine Parkbank sah.

Zufrieden setzte sich die langhaarige Blondine hin.

Das Sonnenlicht strahlte ihr ins Gesicht, deswegen setzte sich Rosanna eine schwarze Sonnenbrille auf.

Schweigend blickte die Dame in den Himmel. Sie genoss den Moment der Ruhe.


 

So vergingen einige Minuten und Rosanna vergaß die Zeit.

Sie wurde jedoch wieder aufmerksam, als sich jemand neben ihr setzte.

Es war der gutaussehende junge Mann mit den etwas längeren braunen Haaren.

Er legte ein Bein auf das andere und lächelnd sprach er Rosanna an:

„Sie scheinen etwas von dem Handwerk zu verstehen. Ich habe eine gepeinigte Seele gesehen, die panisch ihr Geldbeutel sucht. Mein Gespür sagt mir, dass der Peiniger wohl nicht weit von mir ist.“, er schaute in den Himmel.

„Nihil sine causa.“, sprach Rosanna aus.

Der Mann schaute sie verwirrt an:

„Bitte was?“, hakte er nach.

Aber die Diebin schwieg.

„Egal..........“, wandte sich der braunhaarige ab.

Er griff in seine Tasche und der junge Mann zog eine goldene Taschenuhr heraus. Er hielt sie in die Luft.

Der Mann meinte selbstgefällig:

„Ich muss tatsächlich noch ein wenig üben. Ich habe mich vom Glanz täuschen lassen, aber dieser Schrott ist nur ein Replikat. Hätte dieser Bursche nur mal seine Klappe gehalten, denn jetzt habe ich mich umsonst angestrengt.“, er wollte es wegwerfen, da erstarrte der Mann, als dieser den bösen Blick der Diebin wahrnahm.

„Gib mir das! Sofort!“, forderte sie auf.

„Nein!“, meinte der junge Mann und er stand auf.

Der Mann grinste die Blondine an und meinte plötzlich mit spöttischer Stimme:

„Dann hol es dir doch............“, bevor er zu Ende sprach, stand Rosanna schon vor ihm und verpasste dem Mann ein Schlag gegen die Nieren und zeitgleich eine Ohrfeige, sodass es aussah, als hätte dieser Mann die Frau belästigt.

Zugleich eilte ein Trupp von drei Männern herbei, die zufällig in der Nähe standen.

Natürlich hatte Rosanna darauf spekuliert.

„Alles in Ordnung, Miss? Hat der Mann sie belästigt?“, fragte einer der drei Sportler.

Es war eine günstige Chance für Rosanna.

Sie hielt sich den Handrücken an die Stirn und meinte mit leicht hoher Stimme:

„Er wollte mich begrapschen, nachdem ich ihn abgelehnt hatte. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Ich bin völlig überfordert. Er war so grob zu mir. So ungehobelt!“

Die drei Männer gingen direkt darauf ein und bauten sich vor dem braunhaarigen jungen Mann auf.

„Ich höre da richtig? Du begrapscht einfach solche Schönheit? Hier mitten im Park? Während Kinder anwesend sind? Was für ein Vorbild bist du eigentlich? Brauchst du mal eine dringende Lektion? Eine Lektion, die dir Manieren beibringen wird?“, brummte der Vorderste der drei Männer. Er ließ daraufhin seine Hände knacken.

„Äh......... ich.......... äh............. ich muss weg!“, meinte der junge Mann und eilte davon. Die drei Männer ihm hinterher.

„Bleib stehen! Du wirst mir nicht entkommen, Freundchen!“, brüllte ihm der muskulöse Mann hinterher.

Grinsend sah Rosanna ihnen nach, während sie in ihren rechten Hand die goldene Taschenuhr festhielt.


 

So lief die Diebin zurück zum Spielplatz. Dort erkannte sie schnell die Lage.

Ein weinerlicher Junge stand heulend am Rand und wohl seine Mutter versuchte ihn zu beruhigen.

Rosanna räusperte sich kurz und meinte anschließend:

„Ich habe hier eine komische Uhr gefunden? Gehört sie zufällig jemand?“, die Mutter schaute erstaunt auf und eilte zugleich zu der blonden Dame.

„Ja.......... ja!“, meinte sie erfreut.

„Ich danke ihnen! Sie haben die Uhr meines Sohnes gefunden. Er war schon völlig entsetzt. Ich danke ihnen vielmals.“, erklärte die Mutter mit einem freuten Strahlen im Gesicht.

Zufrieden überreichte Rosanna die Taschenuhr und mit einem Nicken wandte sich die Dame ab.

Der Junge erstrahlte sofort und vor Freude sprang er in die Luft.

Schweigend ging die Blondine davon.

Sie wollte zurück zum Hotel gehen.


 

Dazu musste die Dame durch eine Fußgängerzone laufen und dann in eine kleine Gasse abbiegen. Es war der Beginn des Wohnviertels.

Dieser bestand aus regelmäßigen Häuserblockes und Kreuzungen.

Dort liefen aber nicht mehr allzu viele Menschen umher und Autos fuhren auch kaum noch.

Das Hotel lag am anderen Ende des Wohnviertels.

Sie hatte genau das gewählt, weil es die beste Ruhe bot, außerdem war dort die Wahrscheinlichkeit geringer überrascht zu werden, dazu konnte die Diebin schneller fliehen, falls es gefährlich werden würde.

„Dann morgen in das Einkaufszentrum. Ich bin heute irgendwie nicht mehr in Stimmung.“, dachte Rosanna nach. Sie überlegte auch, ob sie morgen wieder in das schicke Restaurant gehen sollte? Inzwischen hatte sie ja dafür auch wieder Geld gefunden.

Sie grinste.

Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre rechte Schulter.

Schnell versuchte sie die Hand zu packen, egal von wem sie war, aber es konnte kein Freund sein.

Derjenige wich zurück und es zeigte sich, dass es der junge Mann mit den braunen Haaren war.

Jedoch trug er blaues Auges und eine aufgerissene Lippe. Blut lief ihm am Mundwinkel herunter und seine Augen trugen den puren Zorn.

„Ich mach dich kalt, dafür, dass du mich verarscht hast!“, drohte er.

Rosanna wehrte den nächsten Griff ab und stieß ihn weg, darauf griff der junge Mann in seine Tasche.

„Hah!“, brüllte er und er warf ihr eine Ladung Sand ins Gesicht.

Sie hatte das nicht kommen sehen, so musste sie deswegen zur Seite sehen und so bekam die Diebin wegen der fehlenden Konzentration ein Schlag in den Magen ab.

Keuchend zuckte sie kurz zusammen und schwer atmend hielt sich Rosanna an der Mauer neben ihr fest.

Der junge Mann wollte ein weiteres Mal zuschlagen, da sah Rosanna rot.

Sie wehrte den plumpen Schlag mit einer antrainierten Verteidigungstechnik ab, indem sie den schlagen Arm mit ihrem Oberarm zur Seite drückte, ihn anschließend packte und den Schwung des Angreifers nutzte, um die freie Hand, in Faustform, dem Angreifer ins Gesicht zu schlagen.

Es war ein Volltreffer, auch wenn ihre Hand danach entsetzlich wehtat. So ging sie schnell in Plan B über und beendete den Angriff mit einem Tritt in die Leiste.

Keuchend sackte der braunhaarige Mann zusammen.

„Das ist unfair!“, piepste er.

Rosanna nutzte die Chance und sie eilte davon.

Die Diebin rannte einige Straßen weit, bis ihr plötzlich schwindelig wurde, weil sie immer noch so schwer keuchte.

Sie griff in ihre Tasche.

Rosanna holte ein Spray heraus, aber kurz bevor sie es ansetzte, kippte Rosanna zu Boden und dadurch verlor die Dame für ein paar Sekunden das Bewusstsein.

Ihre Ohre klangen und sie brauchte ein paar Sekunden, bis die Diebin wieder klar denken konnte.

Sie erkannte das ihr Spray einige Meter entfernt lag.

Rosanna atmete aber so schwer, dass sie dadurch keine Luft mehr abbekam und kaum noch Kraft aufwenden konnte.

Es fühlte sich so an, als würde sie innerlich ersticken.

Mit den letzten Kräften versuchte sie das Spray zu erreichen, aber ihr Körper wollte nicht.

Da hob jemand das Spray auf und überreichte es ihr so schnell wie möglich.

Ohne nachzudenken setzte sie das Spray an und drückte auf den Auslöser, danach schüttelte sie es und setzte das Spray erneut an.

Diesen Vorgang wiederholte sie dreimal, bis ihre Atmung einigermaßen wieder in Ordnung war.

Leicht keuchend sah sie zu Boden und dann zu dem Fremden, der ihr geholfen hatte.

„Asthma, nicht?“, fragte eine, ihr bekannte, männliche Stimme.

Sie sah auf.

Rosanna erkannte den schwarzhaarigen Jungen, den sie nun schon das dritte Mal zufällig traf.

Die Diebin stand auf und ließ das Spray in ihre Jackentasche verschwinden.

Der Moment ärgerte sie ein wenig, aber Rosanna brachte trotzdem ein kleines Danke heraus:

„Ich danke dir.“

Sie blickte ihn daraufhin erneut an.

„Wie heißt du eigentlich, Junge?“, fragte die Diebin.

„Ich bin Max Maxxus. Ein Mitglied der Ranger Guild.“, stellte er sich vor. Der Junge klang dabei ein wenig stolz.

„Ach ha, nun gut, aber jetzt trennen sich wieder unsere Wege. Ich will kein Gequatsche und so weiter, du verstehst?“, erklärte sie. Rosanna war momentan ein wenig schlechtgelaunt.

Da meinte der schwarzhaarige Junge:

„Ich verstehe schon.“, er nickte dazu, aber der Junge schien noch nicht fertig zu sein:

„Ich bin auch nicht hier, um eine Unterhaltung zu führen. Ich bin hier, weil ich eine Bitte habe und weil ich dich zuvor gesehen habe, wie du durch die Straßen geschlendert bist. Ich dachte, dass du jetzt die Einzige bist, die uns noch helfen könnte.“

„Wow warte mal, Junge. Ich entscheide, was ich will und dich kenne ich nicht, also stecke dir deine Bitte sonst wohin.“, erklärte sie harsch.

Rosanna blickte anschließend in ein unzufriedenen und beleidigten Gesichtsausdruck.

Ein wenig später seufzte sie.

„Also gut..........., ich entschuldige mich für meine Wortwahl. Ich bin gerade ein wenig mies drauf.“, die Dame seufzte erneut:

„Weil du mir geholfen hast, werde ich dir zuhören, aber nur dieses eine Mal, klar?“, forderte die Dame und der schwarzhaarige Junge nickte.

„Ich danke dir und es ist auch nicht illegales, zumindest nicht im groben Sinne. Es ist etwas Wichtiges, was wir dringend benötigen. Es liegt in der Nähe in einem Haus, indem wir nicht hineinkönnen und ich kenne keinen, der das sonst so schnell erledigen könnte. Es war halt ein großer Zufall, dass genau du vorher in diesem Moment.......“, erklärte er.

„Es ist also ein Einbruch?“, unterbrach die Diebin und der Junge nickte.

„Es ist etwas, was uns eigentlich gehört und wir das genau jetzt dringend benötigen.“, fügte er hinzu.

Rosanna meinte:

„Ein Einbruch? Hier in einem der Häuser? Das wird ein Kinderspiel.“, daraufhin blickte sie wieder mit einem ernsten Gesichtsausdruck den Jungen an.

„Aber das es keine krumme Sache wird, die nur ungut enden kann. Du verstehst was ich meine?“, der Junge nickte ein weiteres Mal:

„Ich verspreche es!“, betonte er lautstark.

„In Ordnung, dann zeig mir das Haus.“, forderte Rosanna auf und der schwarzhaarige Junge wies mit einer Handbewegung in die entsprechende Richtung.

Zwar hatte Rosanna gar keine Lust darauf, aber die Dame hielt sich an Versprechen, die sie gab und diese kleine Sache würde sie im Handumdrehen erledigt haben.

Irgendwie war doch heute ein guter Tag für sie und nach dem kleinen Zwischenfall mit dem Idioten brauchte sie wieder ein Erfolg.

Vielleicht würde die Sache doch noch ganz interessant werden? Immerhin gab sie auch gerne mit ihren Fertigkeiten an.

Die Randmission XI --- Schiefgehen

[Rick]
 

Genervt sah er mit an, wie Alina Tina nach draußen zog und ihm ein beleidigten Blick zuwarf.

Daraufhin waren die beiden Mädchen auch schon verschwunden und gereizt blickte der Junge zur Decke. Seufzend sah er wieder hinab.

Schnell konnte er sich wieder fangen, aber im inneren brodelte es immer noch ein wenig.

Rick sah anschließend sich ein letztes Mal um und meinte dann anschließend:

„Erledigen wird das schnell. Ich habe genug von der ganzen Nörgelei. Ich will endlich meine Ruhe.“, erklärte er, während sich der Junge wieder von seinen Gildenkameraden abwandte und sich zur Eingangstüre begab.

Julius begab sich ebenfalls wortlos zum Eingang. Gefolgt von Daniel und Max. Rick öffnete daraufhin die Tür.


 

„Ich verstehe nicht, warum sie in letzter Zeit so aggressiv ist? Ich dachte, es hätte sich alles geklärt? Ich verstehe das Mädchen einfach manchmal nicht.“, grummelte Rick, während er gedanklich über die Straßen schweifte.

Er gab Daniel die Adresse des Zielortes, denn Daniel war der Meinung, dass er diese schnell finden würde.

Mithilfe seines Handys war die Adresse auch schon schnell gefunden.

Rick wollte erst gar nicht nachfragen, woher der Junge die Zeit nahm, so etwas herauszufinden bzw. so gut mit der modernen Technik umzugehen.

Er selber interessierte sich nicht wirklich für den tollen technischen Fortschritt.

Man lief nämlich zeitgleich an ein paar Elektronikgeschäften vorbei und in den Schaufenster wurden mit knallbunten Schildern die neusten Errungenschaften beworben.

Vom Sondermodell der angeblich besten Marke, der Smartphonehersteller, Attel, bis hin zur neusten Heimkonsole, der BS4000X von Lony.

Aber es waren die Preise, die Rick erschreckte.

Auf seiner Heimatinsel gab es solchen Kram allerhöchsten zur Weihnachtszeit, aber auch nur ganz selten. Wenn überhaupt war der PC schon der höchste Punkt der Gefühle, mit dem sich Rick beschäftigte, auch wenn nicht sehr gut. Linda bzw. Rossya nutzte einen, um wohl die Daten der Gilde zu erfassen, aber nicht um irgendetwas zu spielen.

Aber auf Ranger Island war sowieso nicht alles so teuer. Natürlich wenn man kein Tourist. Die Touristengeschäfte interessierten ihn nicht.

Jedenfalls waren die Läden in dieser Stadt jetzt voll mit Leuten und trotzdem stellten die Ladenbesitzer dreistellige Preisschilder auf. In Jillwa floss wohl das Geld? Für Rick immer noch große Summen, die ihn zum Erstaunen brachten.

„Was ist los, Rick?“, fragte Daniel interessiert, als dieser wohl bemerkt hatte, wie der Junge in einer der Schaufenster starrte.

„Ist das Angebot der neuen Grafikkarte nicht unglaublich? Die Vinedia980N11? Ich..........“

„Daniel!“, unterbrach Rick in einer ernsten Tonlage.

„Ich habe mich nur umgeschaut. Dieses ganze moderne Zeug interessiert mich nicht!“, Daniel senkte den Kopf und ging wieder nach vorn.

„Na ja, aber ich denke, dass man schon mit der Zeit gehen muss. Ich meine, dass man irgendwann doch damit zu tun haben wird. Vor allem später, wer weiß wie wir dann leben werden?“, erklärte Max. Der schwarzhaarige Junge zeigte auf eine Werbeplakat, welches an einer Hauswand hing.

Hier wurde die neuste Armbanduhr beworben, die ebenfalls Adressen aufsuchen konnte.

„Ich muss das nicht. Kein Hersteller kann mir vorschreiben, wie ich zu leben habe. Ich habe bisher kaum so etwas gebraucht, also wird das in Zukunft auch so sein. Moderner Schnickschnack ist einfach nur teuer und es geht schnell kaputt.“, mit einer Handbewegung machte Rick klar, dass er darüber nicht mehr weiter reden wollte.

Max zuckte nur mit den Schultern, daraufhin wandte er sich wieder nach vorn.

Währenddessen tat sich auf der anderen Straßenseite ein großer länglicher Park auf.

Grün und gefüllt mit allerlei Bänken, Wege, Brunnen und Skulpturen.

Man konnte schon von hier aus in den Park schauen und man entdeckte dort eine Menge Leute. Mütter mit ihren Kindern, Sportler, Jogger, Pärchen, die auf der Wiese picknickten und noch vereinzelt andere Leute.

Es würde bestimmt länger dauern, wenn man sich dadurch quälen wollte, aber zumindest mussten die vier nicht dorthin. Der Weg führte woanders entlang, aber auf die Umgebung achtete Rick auch nicht allzu sehr.

Der Park war nichts im Vergleich zu der Natur auf Ranger Island. Der Junge mochte es lieber, wenn die Natur unberührter war.


 

Rick unterschätzte jedoch die Entfernung zum Zielort, trotz des kleinen Umweges um den Park, denn jetzt waren sie schon fast 30 Minuten unterwegs und Daniel meinte, dass es immer noch ein kleines Stück wäre.

Aber die vergangene Zeit nutzte Rick auch, um über vieles nachzudenken, denn dies tat er in letzter Zeit häufiger, wenn auch unfreiwillig, aber die letzten Erlebnisse brannten sich in seine Gedanken.

Nur hatte sich Rick dies bisher kaum anmerken lassen. Er wollte nicht, dass sich andere bei dieser Sache einmischten.

Zwar fühlte sich der Junge zurzeit von allem genervt, doch wenn er ehrlich war, dann war er verdammt froh, dass keinem irgendetwas schlimmes widerfahren war.

Mit Ausnahme der drei Magier, bei dieser Sache gab sich der Junge immer noch die Schuld, kamen alle heil davon.

Rick war auch extrem froh, dass es Tina gutging.

Auch wenn die Sache vielleicht schon geklärt war, so kam er bestimmt um ein weiteres Gespräch nicht mehr herum. Linda würde bestimmt darauf hinauswollen, dass man sich in allen Punkten aussprach.

Aber was sollte er jetzt noch dazu sagen? Es war doch schon alles gesagt?

Er hatte Tina verstanden und er hatte ihr gesagt, dass es nichts mehr gab, worüber sie sich Sorgen machen müsste.

Jede Seite zeigte sich einig und so war sich Rick auch bewusst, dass er damals einen großen Fehler gemacht hatte.

Selbst Alina hatte sich Einsichtig gezeigt und sie würde hoffentlich Tina nicht mehr schlecht behandeln. Diese Einkaufstour war ja erst der Anfang und deswegen war der Junge auch zufrieden, dass die beiden Mädchen endlich ein Tag für sich haben konnten.

„Bald sind wir da.“, erklärte Daniel und Rick schaute auf.

Er wurde zwar damit aus seinen Gedanken gerissen, aber zeitgleich bemerkte der Junge, wie sehr er  sich wieder abgelenkt hatte.

Leicht seufzend sah sich Rick um.


 

Die Vier waren nun in einem Wohnviertel gelandet. Dort sahen die Häuser zumindest fast alle gleich aus. Wahrscheinlich waren es vorgefertigte Bauhäuser, die in wenigen Tagen zusammengezimmert wurden. Jedes von denen hatte einen langweiligen Vorgarten. Nichts mehr stach wirklich heraus.

Aber auch keine nervige Werbung war mehr in Schaufenster platziert, geschweige waren Läden zu sehen.

Außerdem war die Anzahl der Leute gesunken, die zurzeit unterwegs waren.

Das Wohnviertel wirkte einfach leerer.

„Waren wir nicht noch eben neben einem Park?“, fragte Rick verwundert. Er sah sich um.

Sie waren schon ein Stück voran gekommen, der Park war nicht zu sehen und die Zeit war auch schon wieder wie im Flug vergangen.

„Du hast eine Zeitlang leer vor dich hingestarrt.“, erklärte Max.

„Ich war kurz in Gedankenversunken.“, meinte Rick schnell, denn er wollte gleich auf das Gebäude eingehen, welches vor dem die Gruppe nun stand.

Es hatte auch einen kleinen Garten, welcher aber nicht besonders gepflegt war. Der größte Teil bestand aus Gartenzwerge und lieblos gesetzten Steinen.

„Scheint wohl kein Naturliebhaber zu sein?“, meinte Max mit seinem sarkastischen Unterton.

„Ist ja egal, wir müssen nur das Paket abholen.“, meinte Rick und zugleich klingelte er ohne zu zögern an der einzigen Klingel neben dem schwarzen Gartentor, welches auch schon zum Teil mit Rost überzogen war.

Dann warteten sie auf eine Antwort.


 

Erst nach gut zehn Minuten, nachdem Rick auch es noch ein weiteres Mal probiert hatte, aber dieses Mal durch längeres Klingeln, rauschte es aus dem Lautsprecher, welcher sich über der Klingel befand.

Ein leises:

„Ja?“, war zu hören. Es klang nach einer männlichen Stimme. Sie war zudem tief und rau.

„Hier spricht Rick von der Gilde Ranger Guild, unsere Gildenmeisterin Linda hat uns geschickt, um etwas Bestimmtes abzuholen. Es war, glaube ich, ein Päckchen?“, erklärte der Junge in einer genervten Stimmlage.

Wieder herrschte Stille und Rick sah ungeduldig zu Boden. Mit einem nervösen Fuß tippte er auf dem Boden herum.

„Und?“, fragte die männliche Stimme anschließend.

„Und was?“, antwortete Rick genervt zurück. Er versuchte sich aber zurückzuhalten.

„Der Beweis?“, folgte als weitere Frage und der Junge sah erstaunt auf.

Rick sah zu den anderen und Max zuckte wieder nur mit den Schultern. Daniel schaute ebenfalls fragend zurück.

„Der Beweis?“, wiederholte Rick verwundert, während er sich wieder der Klingel zu wandte.

„Also.........., sie könnten unsere Gildenarmbänder sehen, wenn sie ein Beweis brauchen.“, versuchte der Junge höflich zu bleiben.

„Dann müsste ich ja rausgehen und das will ich nicht.“, erklärte der Mann und wieder war ein Rauschen zu hören.

„Bitte was?“, fragte Rick nach. Doch hörte man nichts mehr. Nicht mal mehr ein Atmen.

„Hallo?“, sagte der Junge gereizt.

„HALLO?!“, rief er lautstark in den Sprechanlage, aber es blieb alles stumm.

„WAS SOLL DAS DENN JETZT?“, brüllte Rick.

„Komischer Kauz.“, meinte Daniel.

„Sind wir auch richtig? Haben wir uns nicht geirrt?“, fragte Max.

„Ja, ich denke schon, dass wir richtig sind.“, erwiderte Daniel.

„Die Adresse stimmt.“, bestätigte Julius.

„Dann soll er uns jetzt auch endlich das Paket geben!“, brummte Rick. Er klingelte ein weiteres Mal und dann noch einmal, aber dieses Mal besonders lang.

Wieder vergingen zehn Minuten.

Kurz bevor der braunhaarige Junge seine Hoffnung aufgab und genervt seinen Kopf senkte, während er am Gartentor rüttelte und sein Griff schon zum Handy wanderte, da er Linda anrufen wollte, rauschte es wieder aus der Lautsprecheranlage:

„Wenn ihr nicht sofort weggeht, dann rufe ich die Polizei!“

„Wir wollen nur das Paket abholen, welches sie für Linda hier haben! Mehr nicht!“, erklärte Rick mit lauter Stimme. Am Liebsten wollte er Brüllen.

„Netter Versuch, aber heute muss man auf alles achtgeben! Linda wollte persönlich vorbeikommen! Also verschwindet oder ich rufe die Polizei. Ich habe den Hörer schon in der Hand!“, erklärte der Mann.

„Verflucht!“, fluchte Rick lautstark.

„So kommen wir nicht weiter.“, stellte Max fest.

„DAS WEIß ICH, VERDAMMT!“, zischte Rick den schwarzhaarigen Jungen an.

„Du brauchst jetzt nicht so bockig auf mich zu sein.“, erwiderte Max sofort.

Rick ballte wütend seine Faust, aber er hielt sich zurück.

„Streiten bringt uns auch nicht weiter. Wir werden einfach Linda anrufen und nachfragen.“, erklärte Julius mit kühler Stimme.

„Das ist eine gute Idee!“, stimmte Daniel begeistert zu.

„Ja............, besser ist das.“, brummte Rick.

Daraufhin wandten sich die vier ab.

„Dann zurück zum Hotel?“, fragte Max.

„Nein.“, erwiderte Rick sofort.

„Wir werden nur ein paar Meter weggehen, sodass der Typ uns nicht mehr sieht und dann rufe ich Linda an.“, erklärte er.

So eilte Rick über die Straße, gefolgt von den anderen.

Sein Griff wanderte zum Handy.

Dieses Mal war es geladen. Er machte diesen Fehler nicht noch einmal.

Kurz bevor er die Nummern eintippen wollte, bog ein Polizeiwagen ein und für einen Moment bekam Rick kurz Panik. Er dachte, dass der Wagen wegen den Jungs in die Straße eingebogen kam, aber der Polizeiwagen schoss mit Blaulicht und Martinshorn an den Jungs vorbei.

Der Wagen bog daraufhin wieder schnell in die nächste Ecke ein.

„Glück gehabt.“, meinte Daniel erleichtert. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Daraufhin wollte der Rick wieder die Nummer von Linda eintippen, da klingelte sein Handy und der Junge hätte es vor Schreck fallengelassen.

Es war Alina, die im Moment anrief.

„Oh ne!“, dachte Rick zugleich.

„Hoffentlich ist sie jetzt besser gelaunt, aber warum ruft sie an?“

Der Junge drückte auf Annahme und er wartete ein Moment ab, während er das Handy an sein rechtes Ohr hob und sich ein paar Schritte von den anderen entfernte.

Aber irgendetwas stimmte nicht.


 

„Alina?“, fragte Rick nach ein paar Sekunden, nachdem nichts zu hören war, dann schaute er auf sein Display, aber der Anruf war noch verbunden.

„Alina?“, wiederholte der Junge seine Frage.

Plötzlich erstarrte Rick, als er eine männliche Stimme wahrnahm. Eine tiefe, raue und angsteinflößende Stimme.

„Wie schön. Ein wirklich schöner Name. Alina...........“, er betonte den Namen stark.

„Wer ist da?“, rief Rick lautstark und zugleich kamen Julius und Daniel herbeigelaufen.

„Du bist also ihr BF? Zumindest steht, dass als dein Name. Das wunderschöne Mädchen wollte jemanden anrufen. Ich habe mich natürlich nur dafür interessiert, wen sie in dieser Situation anrufen wollte? Die Polizei ist ja schon hier.“, man hörte ein kurzes Lachen.

„WER IST DA?!“, wurde Rick zorniger.

„Immer freundlich bleiben. Deine geliebte Freundin ist nicht so essentiell. Wir haben ja zum Glück noch fünf weitere Damen, also wäre ich................ höflicher.“, erklärte die männliche Stimme.

Ein Schauder ging Rick über den Rücken.

Ein Schuss hallte plötzlich durch den Hörer. Der Atmen des Jungen stockte für einen Moment.

„ALINA!“, brüllte Rick.

„Oh je........., mein Fehler. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich musste nur meinen Männer Manieren beibringen.“, wieder war ein kurzes Lachen zu hören.

„Ich wiederhole mich ein weiteres Mal. Wer ist da und was ist mit Alina? Was zum Teufel.........“, aber der Junge wurde unterbrochen:

„Bist du vielleicht weltfremd? Sind die heutigen Nachrichten nicht immer so schnell? Sind nicht die sozialen Netzwerke so aktuell? Ist die Welt denn nicht so verblendet von den Nachrichten der Großen? Oder wird das hier von der Presse verschwiegen. Es wäre nichts neues, aber das wäre nicht gut. Wir haben uns sehr Mühe gegeben, damit es jeder mitbekommen soll. ZENSUR dulde ich hier nicht!“, erklärte er in einem scharfen Ton.

Der Mann hatte keine einzige Frage von Rick beantwortet.

„Was ist mit Alina? Ich will Alina hören! Was zum Teufel willst du?“, bombardierte Rick den Mann mit Fragen, während er sein Handy fester umklammert.

„Fühle dich geehrt, aber bald wird die Zeremonie stattfinden, die der Welt zeigen wird, wo ihr eigentlicher Platz ist. Die Verblendung wird beendet und wir werden sie wieder auf den richtigen Pfad führen. Auf den Pfad der Erleuchtung. Der Pfad, der die Welt wieder ins Reine bringen wird. Wir müssen die Versuchung aufhalten......................... deine allerliebste Freundin wird dafür der nötige Schlüssel sein. Sei am Besten................ einfach da, wenn die Opferung stattfindet, die Presse und die Polizei versammelt sich schon in Scharen vor dem Turm. Ach.......... und........... sag es deinen Freunden, wir brauchen möglichst viele Zuschauer. Viele sollen es erfahren! Am besten die gesamte Welt!“, erklärte der Mann. Nach einem kurzen Lachen legte er auf und Rick brüllte noch mehrmals in den Hörer, aber nichts war zu hören.

„VERDAMMT! ICH MUSS ZUM EINKAUFSZENTRUM!“, rief der Junge.

Die Stimme des Mannes klang nämlich alles andere, wie ein Scherz, deswegen wusste Rick in diesem Moment ganz genau, dass dies alles kein Spaß war. Dies war purer Ernst gewesen.

„Rick, was ist los?“, fragte Julius. Er klang immer noch kühl.

„Es scheint, dass jemand Alina entführt hat oder so etwas. Wir müssen zum Einkaufszentrum! Irgendetwas schlimmes wird dort passieren!“, erklärte Rick außer sich.

„Hatte der Polizeiwagen etwa damit zu tun?“, überlegte Daniel.

„Keine Zeit für so etwas, ich muss da hin!“, sofort stürmte Rick an den beiden Jungs vorbei und wie ferngesteuert eilte er in einem schnellen Tempo zum Einkaufszentrum, der Dank seiner Höhe, gut zu sehen war.

Während er durch die Straßen eilte und fast schon aus der Puste war, schossen wieder viele Gedanken quer durch seinen Kopf.

„Das darf doch nicht wahr sein! Niemals! Wir können doch nicht immer in solche Situationen geraten? Das ist doch alles nur ein schlechter Witz, oder? Wieso muss immer alles schiefgehen? Warum verdammt?!“

Wieder war in seiner Abwesenheit etwas passiert, was er hätte vielleicht verhindern können. Hätte er sie nur nie alleine fortgeschickt.

Rick nahm an Geschwindigkeit zu.

Wie konnte er so in Zukunft Linda beweisen, dass er erwachsen geworden war? Wie konnte er nur beweisen, dass der Junge fähig war auf andere aufzupassen.

Im Inneren hoffte Rick stark, dass es vielleicht doch ein übler Scherz gewesen war, aber als er dann das Polizeiaufgebot vor dem Einkaufszentrum sah, da wurde es dem Jungen bewusst.

Wieder war das Schicksal grausam gewesen und hoffentlich wurde es nicht noch grausamer.

Die Randmission XII --- Dem Tod ins Auge geblickt!

[Tina]
 

Es verging alles viel zu schnell.

Bevor das rotbraun haarige Mädchen überhaupt realisieren konnte, was mit ihr geschah, hatte man sie schon gefesselt und ihr somit jede Möglichkeit genommen zu entkommen.

Tina hätte aber sowieso viel zu viel Angst dafür und stark genug, wäre sie eventuell auch nicht gewesen.

Schließlich ohne Gegenwehr hatte sich Tina mitnehmen lassen.

Der maskierte Übeltäter, der sie momentan mitzog, machte ihr einfach viel zu viel Angst.

Grob schleppte er sie nach oben, dabei begegnete ihr eine Vielzahl anderer maskierter Männer oder sogar Frauen, erkennbar an ihrer Figur, dennoch waren alle schwer bewaffnet.

Durch die Masken konnte man die Pupillen noch sehen und alle wirkten angespannt oder sogar völlig losgelöst von dieser Welt, als wären diese Person nicht bei Sinnen.

Was war hier nur los? Was ist hier nur gerade passiert?

Ein Maskierter nach dem anderen sah grimmiger, unzufriedener und grober, wie der vorherige aus, dabei trugen sie alle diese Masken. Die meisten waren plump und nur schwarz, jedoch gab es einzelne, die dabei herausstachen.

Entweder war es ein Motiv eines Tieres oder ein Symbol von etwas anderen.

Manchmal waren auch religiöse Symbole dabei, aber alle hatten eine abschreckende Wirkung, wenn man ihnen ins Gesicht sah.


 

Während man die beiden Mädchen unsanft nach oben brachte, Alina war immer noch bewusstlos und das Blut, welches kurzzeitig hervortrat und aus ihrer Nase lief, machte Tina mehr als Sorgen, stürmten ein Teil der maskierten Leute nach unten. Bis an die Zähne bewaffnet rannten sie brüllend die Stockwerke nach unten. Es war ein Kriegsgeheul. Etwas was Tina noch nie gehört hatte und nie wieder hören wollte.

Ein angsterfülltes Geheul durch schallte anschließend das Einkaufszentrum. Von unten hörte man Gebrülle und panische Leute.

Es war wie ein Albtraum und aus diesem wünschte sich das Mädchen heraus. So schnell wie möglich.

Stattdessen näherte man sich dem oberen Stockwerk, welcher für die Besucher nicht zugänglich war. Im Groben bestand er aus vereinzelten Räumen, die restauriert wurden und einem langen Gang, der wohl zur Geschäftsleitung führte.

Ein Hinweisschild war an die Wand geklebt worden, dass die Geschäftsstelle momentan im vierten Stockwerk war.

Tina und Alina brachte man durch eine große Doppeltüre, in einen Raum, der großflächig und leer war. Es sah aus wie ein großes Büro, in dem die Möbel alle zur Fensterfront gerückt waren. Die Fensterfront war so breit wie der Raum und durch die Fenster bot die Aussicht eine gigantische Übersicht über die Stadt. Zurzeit war aber die Fensterfront blockiert, durch die Möbel, man konnte nur teilweise durch vereinzelte Spalte vorbei sehen bzw. hindurch.

In der Ferne war das Meer zu sehen und eine kleine Hafenstadt.


 

Ein ohrenbetäubender Lärm war plötzlich zu hören und irgendetwas wurde lauter.

Das Geräusch war aber außerhalb des Gebäudes und es befand sich vor der Fensterfront.

Es war wie ein Rattern. Ein extrem lautes Rattern.

Ein Helikopter tauchte hinter der Fensterfront auf. Er stieg höher.

Dieser Helikopter war gekennzeichnet und deutlich konnte man somit erkennen, dass er von der nationalen Sicherheit von Festa geflogen wurde. Der SFFS. Spezialeinheit Festas für Sicherheit.

Ebenfalls schwerbewaffnete Männer saßen im vollkommenen schwarz hinter dem Steuer, aber womöglich gut geschützt, denn der Helikopter sah aus, als wäre er schwer gepanzert worden.

Er tat jedoch nichts anderes, als herumzufliegen. Wahrscheinlich wartete er ab.

Vermutlich konnte der Helikopter nichts tun, weil die Entführer die Geiseln im Raum verteilt hatten und somit ein Sperrfeuer seitens der Polizei bzw. der Sicherheitskräfte von außen verhinderte, zumindest momentan.


 

Im Raum standen ein dutzend Personen und ein auffälliger Mann, der lautstark telefonierte.

Alle Personen trugen schwarze Kutten, dessen Kapuzen über die Köpfe gezogen waren.

Nur der telefonierte Mann trug seine Kapuze nicht über dem Kopf, daher war sein schwarzes Haar zu sehen, welches kurz geschnitten war.

Er redete lautstark und oft von seltsamen religiösen Andeutungen z.B., dass die Menschheit auf den falschen Weg sei und man sie erlöse müsste. Man müsse ihnen eine Lektion erteilen, um sie wieder auf den rechten Pfad zu führen.

Tina verstand nicht alles und eigentlich wollte sie es auch gar nicht verstehen.

Dieser Mann stach auch anderweitig heraus, da er eine weiße Tigermaske trug und fast schon leuchtende blaue Pupillen besaß, die böse durch den Raum starrten, wenn er wohl seinem Gesprächspartner am Telefon zuhörte.

Jeder seiner Männer zuckte ein wenig, wenn sein Blick auf diesem ruhen blieb, dabei war man sich nicht mal sicher, ob dieser überhaupt zu dieser Person hinsah oder einfach nur zufällig in diesem Moment in die entsprechende Richtung schaute.

Jeder seiner Männer sah zum Teil ähnlich, wie sein Nächster, aus und durch die einfachen schwarzen Masken, stachen auch nur die wenigsten von ihnen hervor. Nur die Statur ließ die Männer voneinander unterscheiden.

Nur ein zwei Meter großer Hüne fiel auf, da er seine Mitstreiter weiter überragte.

Stumm, wie jeder andere, starrte er durch den Raum oder die Geiseln an bzw. schaute eingeschüchtert zum vermutlichen Anführer.

Der Hüne wirkte nicht so nervös, wie seine Mitstreiter, stattdessen hielt er sein Gewehr fest in der Hand, ohne verkrampft zu wirken.

Plötzlich murrte der große Mann, als Tina ihn anstarrte, dabei erschrak sie und sah wieder zur Seite.

Tinas Blick wich nun ebenfalls wieder durch den Raum.

Fünf Geiseln konnte sie sehen, die verteilt im Raum saßen.

Tina und Alina ließ man im gleichen Eck sitzen und ihre Taschen im gegenüberliegenden Eck.

Sasons befand sich momentan dort drin, ruhend in seinem Kristall.

Ein Glück hatten die Männer ihre Taschen noch nicht durchsucht.

Die Gruppe schien sowieso nicht auf Wertgüter aus zu sein.

Was sie aber dann wollten, dass war nicht wirklich zu erkennen, dies verunsicherte das rotbraun haarige Mädchen ein wenig und die Tatsache, dass es in diesem Raum ziemlich dunkel war.

Auch wenn das Licht der Nachmittagssonne durch die zwei Meter hohe Fensterfront schien, so wirkte der Raum, wie am späten Abend. Die Möbel deckten fast 90% der Scheibe ab.


 

Der dürre Kampfsportler, der Alina zu Boden geschlagen hatte, baute sich vor Tina auf.

Er ließ sein Kopf zweimal knacken, dann lockerte er seine plumpe schwarze Maske und seine braune Pupillen starrten auf das Mädchen herab.

Er ging in die Hocke und sein Grinsen machte dem Mädchen Angst.

Der Mann leckte sich die Lippen und verursachte damit ein Schaudern seitens des Mädchens.

Sein kurzes dunkelbraunes Haar wirkte ungepflegt und sein Dreitagebart hatte er ebenfalls nicht gewaschen.

Zuvor wirkte dieser Mann noch geheimnisvoll, angst einflößend und gefährlich. Ein gewisser Respekt war dagewesen, aber nun war Tina nur noch angewidert von dieser Person.

Natürlich hatte sie immer noch Furcht.

„Du trittst unseren geheiligten Monarchen mit Füßen? Sind dir seine Gesetze nicht heilig?“, sprach plötzlich eine sanfte, aber bedrohlich klingende männliche Stimme und der Mann, mit der weißen Tigermaske, tauchte neben dem Kampfsportler auf.

„Ah Boss..........., ich habe hier diese Gören überwältigt. Sie werden doch ein gutes Opfer darbieten nicht? Du wolltest doch ein fähigen Tribut? He he......“

Sein Gegenüber antwortete ihm nicht, sondern ermahnte stattdessen mit lautstarker Stimme:

„Setze deine Maske wieder auf! Wenn die Tore des Monarchen vor der Öffnung stehen, darf niemand ihm sein Gesicht zeigen, bevor derjenige sich nicht bewiesen hat. Es ist die Pflicht jeden Rechtschaffenen dieses Gesetz einzuhalten! Ansonsten gilt er als Ketzer!“

„Aber es ist so stickig unter der Maske, deshalb dachte ich............“, wollte der dürre Mann erwidern, während er mit den Schultern zuckte, da hallte ein lautstarker Knall, gefolgt von einem starken Rumpfs, sowie einem kurzen Aufschrei der Geiseln.

Tina erschrak ebenfalls, als sie den leblosen Körper des Mannes vor sich liegen sah, der sie gerade noch schelmisch angegrinst hatte.

Währenddessen steckte der Mann mit der weißen Tigermaske seinen Revolver wieder ein, zeitgleich widmete er sich wieder seinem Telefonat, als wäre nie etwas gewesen.

Der Mann hatte Tina nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Seelenruhig widmete er sich wieder seinem Gespräch.

Dabei hatte er gerade doch einen Mann erschossen.

Das Mädchen verstand nicht, wie man so gleichgültig und eiskalt reagieren kann.

Tina schluckte, als sie dieser Person mit den Blicken folgte, wie dieser lässig erneut zur Mitte des Raumes lief.

Er strahlte während seines Ganges eine sehr beängstigende Aura aus.


 

Ein wenig später räumten zwei andere Männer den Toten davon.

Wo auch immer sie hin brachten, aber Tina war froh, dass sie ihn nicht mehr sah.

„Ich......... ich muss die............... die Ruhe bewahren................., ich......... ich war schon einmal............... in so eine Situation..........., denke ich, aber................. einfach........... ruhig bleiben, denn................. Panik................. ist nicht so gut.“, versuchte Tina ihre Gedanken zu ordnen. Immer wieder knallte nachhallend der Schuss durch ihre Gedanken.

Nervös sah sie zu Alina, die immer noch bewusstlos auf dem Boden lag.

Plötzlich gab das blonde Mädchen ein Laut von sich, als hätte sie ein schlechten Traum gehabt. Einerseits beruhigte es Tina ein wenig, dass es Alina nicht allzu schlecht ging, anderseits wollte sie reflexartig nach ihrer Freundin greifen, dabei bemerkte das rotbraun haarige Mädchen, dass die Fesseln, welche einfach nur dünne Seile waren, gar nicht so festsaßen, wie sie es zuerst angenommen hatte. Sie hätte beim reflexartigen Greifen beinahe die Fesseln gelockert.

Jedoch hielt sich Tina zurück irgendetwas zu unternehmen, aber theoretisch könnte sie aus den Fesseln schlüpfen.

Waren ihre Entführer so nachlässig oder war es ihnen schlichtweg egal?

Wieder gab das blonde Mädchen ein Geräusch von sich und sie öffnete ihre Augen.

„Mein Schädel.........“, brummte sie, bis Alina realisierte, wo sie eigentlich war.

Zugleich starrten wieder einige Augen in die Richtung der beiden Mädchen.

Alina rüttelte sofort an ihren Fesseln und das Mädchen beschwerte sich leise:

„Macht mich frei!“, befahl sie.

„Ruhe......, Göse!“, zischte einer der Männer, der schon die ganze Zeit auf die beiden Mädchen aufpasste. Er sah wieder nach vorn.

„Tina..............“, kam es leise von Alina und sie zerrte an ihren Seilen.

„ISCH SCHAGSCHE RUHE!“, zischte es von dem Entführer erneut.

„Ich will mich nur aufsetzen!“, brummte die Blondine.

Nach ein wenig zerren, schaffte sie es sich aufzusetzen. Beleidigt starrte sie den etwas kleineren Mann an.

„Du bist wohl nicht so ganz helle? Behandelt man so eine junge Dame?“, beschwerte sich Alina.

Die Blondine war sichtlich schlechtgelaunt und womöglich war ihr auch klar, was passieren würde, wenn sie versuchte ihn weiter zu provozieren, dennoch hinderte es Alina nicht daran, weiter auf den Mann einzuhacken:

„Hallo? Ich rede mit dir!“, wurde sie lauter.

„Alina bitte!“, jammerte Tina. Sie hatte Angst um ihre Freundin.

„SCHEI ENDLISCH SUHISCH! SCHONSCH KLASCHE ISCH DIS EINE!“, brüllte der Mann. Er stampfte währenddessen wütend auf den Boden.

Einer seiner Kollegen kam herbei.

Ein großer dürrer Mann mit leicht gelben Pupillen, aber einer ebenso schwarzen Maske, wie seine meisten Mitstreiter:

„Schaffst du es nicht die Gefangenen unter Kontrolle zu halten? Was ist los? Verweichlicht?“, warf er seinem Kollegen vor.

„DIE DA! DIE ISCHS VOSLAUSCH!“, erklärte der kleinere Mann.

Im Vergleich zu seinem dürren Kollegen wirkte er nur halb so groß.

„Werden hier Unsittlichkeiten in der Gegenwart des großen Monarchen ausgetauscht? Der Moment ist nah, bald sehen wir alle die Tore zu seinem Reich und ihr verschwendet den Moment mit den Opfergaben zu reden?“, erklärte plötzlich wieder eine sanft, aber bedrohliche Stimme.

Der Mann, mit der weißen Tigermaske, war wieder aufgetaucht.

Sofort erstarrten die beiden Männer, mit der schwarzen Maske und nervös meinte der kleinere Mann:

„Wir............. werden......... weiter auf die Ankunft warten...........“, erklärte er, dabei zitterte seine Stimme stark.

„Ich sehe ein Willen in euch beiden, daher wird euch der Monarch vergeben.“, daraufhin hob der Mann seine beiden Hände zur abgedeckten Fensterfront.

„Bald ist es soweit, bald wir das rote Licht und eine Treppe zur Tür weisen. Die Wahrheit steht dann vor der Tür. Wir müssen den Moment nur mit Geduld warten und ihm zeigen, dass wir würdig sind.“, erklärte der Mann.

„Du bist ja verrückt.“, kam es von Alina und zugleich erzitterten die beiden Männer vor ihr.

Sie sprangen zur Seite, als wollten die beiden nicht im Weg stehen.

„SCHEI SUHISSSSCHHHH!!!!“, zischte der kleinere Mann, dabei war sein Gesicht plötzlich völlig verschwitzt. Die Angst war ihm vom Gesicht abzulesen.

Der Mann, mit der weißen Tigermaske, stand still vor Alina und sah das erste Mal auf ihr herab.


 

Nach wenigen Minuten meldete er sich dann doch zu Wort:

„Der Monarch wird starke Seelen gern als Tribut für seine Reise annehmen. Ein Tribut muss nicht verstehen, ein Tribut muss nur Bereit sein.....................“

„Bereit für was? Ich bin kein Tribut! Und ich werde nicht irgendetwas tun, um deinen geliebten Monarchen sonst noch was zu können!“, erklärte Alina lautstark.

„Alina..........“, kam es wieder kleinlaut aus Tina heraus.

Das Mädchen wollte unter keinen Umständen, dass das Gleiche passierte, wie mit dem dürren Kampfsportler.

Der Mann starrte das blonde Mädchen eine Weile an, dann drehte er sich plötzlich um und der Mann ging zurück an seine ursprüngliche Position.

„Der Monarch dankt uns für solch eine starke Seele. Es war ein pures Wunder, dass genau heute, genau an diesem Tag, alles so glatt verläuft. Die Prophezeiung war korrekt. Heute ist der Tag. Bald ist es soweit!“, erklärte er lautstark, während jeder andere im Raum schwieg.

Seine Stimme war einprägsam, aber nicht schrill. Man könnte ihm Geschichten vorlesen lassen und allein von seiner Sprechweise her, könnte er die Geschichte schon spannend gestalten.

Wäre da nicht der Aspekt, dass dieser Mann ein eiskalter Mörder war.

Er besaß ständig diese beängstigende Aura. Alles in seiner Umgebung wirkte dadurch eingeschüchtert.

Tina hatte natürlich ebenfalls auch Angst vor ihm. Noch nie hatte sie so einen Mann gefürchtet.

Sie hatte die skrupellosen Augen gesehen, die ohne zu zucken den Tod des Mannes im Kauf genommen hatten.


 

In der Ferne waren plötzlich Schusswechsel und wildes Kampfesgebrüll zu hören.

In den unteren Stockwerken wurde wohl gekämpft?

Es war ein schauriger Gedanke.

„Wo bin ich nur gelandet? Warum ist das hier so grausig?“

Tina wollte nur noch weg von hier.

Mit jeder Minute wurde sie zerwühlter und dabei hatte der Tag so schön angefangen.

„Bald!“, brüllte der Mann und seine Hand wich zu zwei seiner Kollegen.

„Die Öffnung steht Bereit. Das rote Licht hat seinen Weg schon eingeläutet. Nun beginnt mit der letzten Phase.“, verkündete der Maskenträger, daraufhin sah er sich um und am Schluss nickte er den Gefangenen zu, dabei musste Tina kurz schaudern.

„Beginnt die Opf........“, wollte der Mann befehlen, da betraten zwei neue Personen den Raum.

Zwei weitere Maskenträger, die eine neue Geisel mit zerrten.

Es war ebenfalls ein junges Mädchen, welches völlig überfordert in eine andere Ecke gebracht wurde.

„Boss, wir stoßen immer mehr auf Gegenwehr. Viele untere Etagen sind nun in der Hand der Spezialkräfte. Wir können sie nur schwer in Schach halten, aber wir konnten eine weitere Geisel machen. Sie versteckte sich in einem der Läden.“, erklärte einer der beiden Männer.

„Es ist keine starke Seele!“, unterbrach der Mann, mit der weißen Maske und er zog seine Waffe.

„Bitte nicht........!“, stach er plötzlich aus Tina heraus, dabei erschrak das rotbraun haarige Mädchen selbst.

„Was habe ich nur getan? Ich..... sollte....... nicht........“

Der Blick des Mannes ruhte nun auf Tina:

„Noch eine starke Seele? Heute ist der Monarch aber wirklich gnädig mit uns. Er will, also dass wir in sein Reich gelangen dürfen..............“, sein Blick ruhte wieder auf der neuen Geisel, die er mit einem kurzen Nicken in Ruhe ließ.

„Sie ist die Tochter eines Vorsitzenden.“, erklärte einer seiner Mitstreiter.

„Das ist für die Seele irrelevant, aber lasst sie am Leben. Vielleicht war ist dies auch unser zugewiesenes Schicksal.“, flüsterte er in einer leisen und unheimlichen Tonlage.


 

Wieder stürmte ein Mann durch die Doppeltüre, dieser war aber leicht verletzt und schwer außer Atem.

Während er schwer keuchte hielt er sich verkrampft am Türrahmen fest.

„Boss!“, brüllte er so laut, wie der Mann vermutlich konnte.

„Es ist ein Notfall! Ein glatzköpfiger älterer Mann ist aufgetaucht und er hat innerhalb von Minuten ein Dutzend unserer Männer getötet. Dieser Magier schleudert Blitze, als wäre er ein Kraftwerk. Es scheint der ehemalige Vize zu sein. Die Spezialeinheit kommt immer höher, bald haben sie dieses Stockwerk erreicht.“

„Dann jagt diesen Turm in die Luft. Wir brauchen ihn sowieso nicht mehr!“, antwortete der Anführer, daraufhin begann er zu lachen.

Seine Hände schwenkte er anschließend in Richtung der Fensterfront:

„Und räumt gleich ein paar Möbel zur Seite. Wir müssen auf dem roten Licht wandeln, wenn der Moment da ist. Es soll alles perfekt sein.“, daraufhin lachte der Mann umso mehr.

„Er ist verrückt!“, stellte Tina schockiert fest.


 

Für einen Moment herrschte eine beunruhigende Stille und die Nervosität des hereingestürmten Mannes stieg. Schweißperlen perlten sich von seiner Stirn ab und flossen an seinem Gesicht entlang. Sie tropften schließlich auf den Fließboden.

Die Anspannung aller Anwesenden war vermutlich gestiegen oder Tina bildete es sich nur ein, weil ihr extrem lauter Herzschlag ihr Verstand vernebelte.

„Er will was machen? Den Turm.......!“, murmelte Alina nervös.

„Los! Der Monarch wartet nicht! Stoßt diese Ketzer zurück!“, ermahnte der Mann, mit der weißen Maske.

Ein Teil der Männer, die im Raum standen, fingen an zu brüllen und völlig motiviert rannten sie in den Gang.

Der Anführer winkte den größten Mann, der im Raum war, zu sich herbei.

„Töte alle, die sich in deinem Weg befinden. Zünde den Zünder, wenn der Moment nah ist. Der Monarch wird dich empfangen. Er ehrt jeden Gläubiger, der für die Sache gekämpft hat. Wandle auf dem rötlichen Licht.“, erklärte der Maskenträger und daraufhin nickte sein Gegenüber.

So stürmte wieder ein kleiner Trupp nach draußen.

Es gab dabei ein großes Geheul, welches begleitet wurde mit einem lauten Stampfen.

So verblieben nur noch drei Männer und der Anführer im Raum.

Der kleine Mann, der wohl ein Sprachfehler hatte und die beiden Männer, auf die der Maskenträger zuvor gezeigt hatte.


 

Die Hand des Anführers wanderte erneut zur Fensterfront:

„Räumt endlich die Möbel weg, denn ich brauche Sicht. Der Monarch wartet nicht!“, erklärte er.

„Aber Boss! Der Helikopter wird auf uns schießen, sollten wir............“

„Du widersprichst dem Monarchen?“, beschuldigte der Mann seinen Mitstreiter, während er ihn mit  seinem Revolver bedrohte.

„Ich........... ich räume die Möbel sofort weg!“, gab der Mann, mit der schwarzen Maske, klein bei. Sofort eilte er und ein Mitstreiter zu den Möbel.

Sie wollten den großen Schrank greifen und ihn umwerfen, da hallte die Stimme des Anführers erneut den Raum und die beiden stoppten abrupt.

„Wartet! Ich höre etwas........“, begann er und sein Kopf drehte sich zu den Geiseln. Genauer gesagt zu Alina.

Ein leises Lachen war von ihm zu hören, daraufhin lief er langsam auf das blonde Mädchen zu.

„Genau du, Tribut!“, wurde er lauter, dabei zeigte er mit der Mündung seiner Schusswaffe auf das Mädchen.

„Was hast du in der Hand? War dies ein Telefon?“, fragte er.

Tina schaute erstaunt zu ihrer Freundin und sie erkannte, dass Alina sich inzwischen von ihren Fesseln befreit hatte und sie wohl noch ein Handy bei sich gehabt hatte.

Mit der rechten Hand hielt sie das Telefon in der Hand, anscheinend wollte sie eine SMS schicken, aber es blieb wohl vergebens, denn der Anführer hatte dies mitbekommen.

Warum hatte Alina dies überhaupt getan? Wen wollte sie eine SMS schreiben? Tina verstand es nicht.

Grimmig starrte die Blondine den Mann an.

Das Mädchen zeigte sich nun ein wenig nervöser, als die Mündung ihr entgegengehalten wurde.

„Gib mir das Handy. SOFORT!“, forderte der Mann.

Alina hob ohne zu zögern das Handy in die Luft, sodass der Mann es leicht greifen konnte.

Die Waffe blieb in ihrer Position, während er sich wohl die Botschaft auf dem Telefon durchlas.

„Ist das dein Freund?“, fragte er nach kurzer Zeit, als er wieder zu Alina schaute.

„Sie wollte Rick schreiben? Warum?“, dachte Tina erstaunt.

Alina schwieg.

„Finden wir doch heraus, was du deinem Freund jetzt genau schreiben wolltest?“, dabei huschten seine Pupillen über das Display hinweg.

„Interessant......“, murmelte er anschließend.

Daraufhin fügte der Mann hinzu:

„Diese abhängige Welt ist doch immer wieder etwas erstaunliches.“, erklärte der Maskenträger belustigt, dabei klang er so, als würde der Mann selbst gar nicht in dieser Welt leben.

Er tippte auf nur eine Taste und hielt es anschließend an sein Ohr.


 

Nach wenigen Minuten grinste der Mann umso mehr.

„Du bist also ihr BF? Zumindest steht, dass als dein Name. Das wunderschöne Mädchen wollte jemanden anrufen. Ich habe mich natürlich nur dafür interessiert, wen sie in dieser Situation anrufen wollte? Die Polizei ist ja schon hier.“, begann er.

„Er telefoniert mit jemanden!“, Tina wurde noch nervöser.

Alina blieb zunächst still, aber man konnte erkennen, wie sie anfing zu zittern. Wahrscheinlich vor lauter Zorn.

„Redet er gerade mit Rick? Hoffentlich......... hoffentlich gerät er dadurch nicht auch in Gefahr. Dieser Mann ist verrückt und sehr gefährlich.“, dachte Tina besorgt.

„Immer freundlich bleiben. Deine geliebte Freundin ist nicht so essentiell. Wir haben ja zum Glück noch fünf weitere Damen, also wäre ich................ höflicher.“, erklärte der Anführer.

Der Maskenträger sah sich kurz um.

Mit seiner Art brachte er Alina weiter in Rage:

„Was! HEY! Was soll das heißen! DU MIESER......!“

„Alina, bitte!“, flüsterte Tina zur Beruhigung. Sie wollte immer noch nicht, dass ihrer Freundin ebenfalls etwas Schreckliches widerfuhr.

Der Anführer schien weiterhin in sein Gespräch vertieft zu sein, sodass er auf das blonde Mädchen zunächst nicht reagierte.

„HEY!“, brüllte Alina ihn weiter an.

„SCHEI ENDLISCH SUHISCH, DU DUMME KUH!“, brüllte eine männliche Stimme von der Seite.

Einer seiner anderen Männer war direkt zu dem blonden Mädchen gelaufen.

Es war der kleine Mann von zuvor, nur wirkte dieser plötzlich sehr aggressiv.

„Bevor ich dem Monarchen gegenübertrete, werde ich dich noch für dein Verhalten bestrafen!“, erklärte er.

Alina ignorierte ihn und sie rief weiterhin dem Anführer hinterher:

„GIB MIR MEIN HANDY, DU ELENDIGER..........!“, zischte Alina, da packte der kleine Mann das Mädchen und wollte ihr eine Ohrfeige geben:

„Niemand ischnoschiescht misch! ISCH BIN SCHEMANS! ISCH WERSE IN SAS LANS EINSCHESEN! UNS SCHU WIRSCHS SCHERBEN!“, da fiel plötzlich wieder ein Schuss und ein lautes Plumpsen war die Folge.

Der Mann, der gerade eben Alina eine Lektion erteilen wollte, fiel leblos zu Boden und Alina starrte den Erschossenen an, dabei verriet ihr Gesicht nicht, ob sie schockiert oder unerschrocken war.

Tina hatte sich zumindest wieder sehr erschrocken und wieder musste sich das Mädchen abwenden, sie konnte nicht noch mehr verkraften.

Warum war dieser Mann, mit der weißen Tigermaske, so grausam?

Die anderen beiden Männer im Raum schauten teilnahmslos, als würde sie so etwas gar nicht interessieren.

Stattdessen telefonierte der Mann, mit der weißen Tigermaske, weiter:

„Oh je........., mein Fehler. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich musste nur meinen Männer Manieren beibringen.“, erklärte der Anführer und mit einem boshaften Lachen lief er durch die Blutlache. Er hinterließ eine blutige Fußspur.

Nach wenigen Sekunden sprach der Mann weiter, aber er wirkte verärgert:

„Bist du vielleicht weltfremd? Sind die heutigen Nachrichten nicht immer so schnell? Sind nicht die sozialen Netzwerke so aktuell? Ist die Welt denn nicht so verblendet von den Nachrichten der Großen? Oder wird das hier von der Presse verschwiegen. Es wäre nichts neues, aber das wäre nicht gut. Wir haben uns sehr Mühe gegeben, damit es jeder mitbekommen soll. ZENSUR dulde ich hier nicht!“

„Was redet dieser Mann nur?“, Tina verstand nichts mehr. Sie wollte ihm nicht mehr zuhören.

Das Mädchen wollte nur noch von hier weg oder der Mann sollte endlich verschwinden.

„Jemand muss diesen Irren einfach aufhalten! Irgendwer......?!“

Dies wusste wohl ebenfalls Alina, denn sie schwieg und starrte bedrohlich den Mann an, dabei ballte sie ihre Hände zu Fäuste, als würde das Mädchen ihn gleich attackieren wollen, wie eine Katze vor dem Mauseloch wartend.

„Fühle dich geehrt, aber bald wird die Zeremonie stattfinden, die der Welt zeigen wird, wo ihr eigentlicher Platz ist. Die Verblendung wird beendet und wir werden sie wieder auf den richtigen Pfad führen. Auf den Pfad der Erleuchtung. Der Pfad, der die Welt wieder ins Reine bringen wird. Wir müssen die Versuchung aufhalten......................... deine allerliebste Freundin wird dafür der nötige Schlüssel sein. Sei am Besten................ einfach da, wenn die Opferung stattfindet, die Presse und die Polizei versammelt sich schon in Scharen vor dem Turm. Ach.......... und........... sag es deinen Freunden, wir brauchen möglichst viele Zuschauer. Viele sollen es erfahren! Am besten die gesamte Welt!“ , daraufhin warf der Mann das Handy durch den Raum, sodass es beim Aufschlag in tausend Teile zersprang.

„Du Elendiger! Du bist der irrsinnigste und verblendetste Mann, den ich je gesehen habe.“, brummte Alina erneut.

„Alina.“, flüsterte Tina lauter. Sie wollte ihre Freundin wieder davon abhalten leichtsinnig zu sein, denn der Anführer wandte sich wieder der Blondine zu, dabei hielt er wieder in seiner rechten Hand den Revolver bereit.

„Rede so viel du willst, aber der Opferung wirst du nicht entgehen können. Um so mehr Ärger du ausstrahlst, um so reicher bist du für den Monarchen. Er brauchte eine sündige Seele.........“, ein rötlicher Sonnenstrahl strahlte zwischen den Möbeln hervor und traf dem Maskenträger fast im Gesicht.

„Es ist soweit!“, verkündete er hocherfreut.

Seine Waffe richtete sich wieder auf Alina:

„Nun.........., dann wollen wir beginnen!“, verkündete er.

Der Mann wandte sich aber wieder für einen Moment ab und starrte zu seinen Mitstreitern:

„RÄUMT ENDLICH DIE MÖBEL WEG, VERDAMMT!“, brüllte er und die beiden Männer, die die ganze Zeit perplex der Sache zugeschaut hatten, schmissen nun endlich den Schrank um.

Nun richtete sich seine Waffe wieder auf Alina, zumindest hatte er dies so vorgehabt, doch plötzlich war seine Sicht versperrt.

Tina stand zwischen ihm und Alina.

„Bitte nicht!“, bat sie lautstark mit Tränen im Gesicht. Im Moment begann sie zu weinen.

Sie hatte noch nie so eine Angst gehabt. Zitternd und dennoch großflächig stand sie vor Alina und verhinderte somit ein klares Schussfeld für den Mann.

„Bitte tu ihr nichts! Bitte tu ihr nichts! BITTE TU IHR NICHTS!“, bat Tina erneut mit weinerlicher Stimme. Ihre Stimme zitterte dazu immer mehr und im Moment verstand das Mädchen nicht, wie sie es geschafft hatte aus den Fesseln zu entkommen und vor den Mann zu springen.

Die Seile lagen auf dem Boden.

„TINA!“, rief Alina entsetzt. Sie klang erschrocken, als wäre das Mädchen komplett überrascht.

„Ich will nicht, dass sie stirbt!“, rief Tina erneut. Sie konnte sich aber auch nicht mehr bewegen. Wie versteinert, stand das Mädchen vor dem zwei Kopf größeren Mann, der sie weiterhin belanglos anschaute.

„Welche Seele zuerst geht, das ist irrelevant.“, erklärte er und seine Schusswaffe wanderte stattdessen auf Tina.

Für einen Moment erstarrte auch ihr Herz und für das Mädchen vergingen die nächsten Sekunden wie Minuten. Sie hörte ebenfalls, wie Alina hinter ihr nach dem Mädchen rief und vermutlich versuchte aufzustehen oder sie wegzuzerren, aber dies würde alles nicht schnell genug sein, um Tina vor der Kugel zu schützen.

„Es tut mir Leid, Rick und ihr anderen. Ihr habt mich alle gerettet und jetzt tu ich doch so etwas leichtsinniges. Etwas leichtsinniges, was alles zunichte macht. Ich wollte mich entschuldigen, mich richtig entschuldigen. Bei euch allen! Nicht nur bei dir, sondern auch bei Linda und allen anderen, aber nun wird es wohl nicht so sein? Es tut mir Leid. Es tut mir Leid für alles!“, sie schloss ihre Augen, während der rechte Zeigefinger des Mannes sich nach hinten bewegte, um somit den Auslöser für den Schuss zu betätigen. Der Abzug bewegte sich und der Revolver setzte sich in Gang.

Der längste Atemzug begann und er endete auch in einem langen Ausatmen.

Die nächsten Sekunden vergingen ewig. Das Herz förmlich zu Stein erstarrt.


 

Mit dem nächsten Pochen war der Bann gelöst.

Tina öffnete ihre Augen und nach wenigen Sekunden, als sie ausgeatmete hatte, setzte ihr Verstand wieder ein.

Ihr Herz klopfte extrem stark und laut. Der Schweiß floss in Strömen und ihr Zittern hatte sich noch weiter gesteigert.

Sie starrte immer noch auf die Schusswaffe und der Abzug war gedrückt, aber der Verschluss rutschte nicht mehr nach vorn.

„Was?!“, rief der Anführer verärgert und er starrte auf seinen Revolver.

„Jetzt? Jetzt verhakt sich das Scheißding?!“, fluchte er und dabei zerrte er am Abzug. Es passierte jedoch nichts.

Daraufhin warf der Mann die Waffe zu Boden und der Schuss löste sich. Die Kugel schoss durch den Raum und diese durchschlug dadurch das Fenster, welches kurz zuvor von den beiden Männern freigeräumt wurde.

Die Glasfront bekam ein Riss und anschließend zerbrach das Fenster in größeren Teilen.

Der Helikopter flog in diesem Moment auf die entsprechende Höhe und er drehte sich zur Seite, sodass zwei Männer zum Vorschein kamen, die kleine Seitenfenster schon längst geöffnet hatten und mit ihren Scharfschützengewehren auf die übrigen Männer zielten

Keiner der Maskierten konnte schnell genug reagieren und sie standen vor der zerstörten Fensterscheibe, wie auf dem Präsentierteller.

So wurden die beiden Männer schnell niedergeschossen.

Nur der Anführer überlebte, da die Sicherheitskräfte das Feuer einstellten, denn der Maskenträger schnappte sich Tina und hielt ihr ein Messer an die Kehle.

„FEUER EINSTELLEN oder dieses Mädchen wird mit mir sterben!“, erklärte er und die Schützen blieben still. Sie senkten aber auch nicht ihre Waffen, stattdessen warteten die Männer ab.

„DIE WAFFEN NIEDERLEGEN! Oder ich töte die beiden. Die hier und das blonde Mädchen. Ich werde mich nicht zurückhalten! ICH WÜRDE JEDEN TROPFEN VERGIEßEN!“, erklärte der Anführer lautstark. Das Messer näherte sich mit seiner Schneide der Haut und Tina spürte ein kurzen Schmerz.

Wieder passierte nichts.

„WENN IHR NICHT DIE WAFFEN NIEDERLEGT, DANN WERDE ICH MIT MEINEN STIEFEL DAS GESICHT DIESES MÄDCHEN EINTRETEN!“, drohte er lautstark.

Tina wollte sich nicht vorstellen, wie er das Alina antun würde. Dieser Irre soll ihr nichts tun.

Das Mädchen wurde trotz ihrer großer Angst, ein zornig.

Zeitgleich schoss aus Tinas Tasche, welche sich im anderen Eck des Raumes befand, in dem auch die anderen Rucksäcke oder Taschen, der anderen Geisel lagen, ein orange farbiger Strahl und Sasons erschien aus diesem.

Da das brennende Hündchen direkt neben dem rechten Bein des Maskenträger erschien, schien dieser tatsächlich für einen Moment irritiert bzw. erstaunt zu sein. Somit entfernte sich die Klinge ein paar Millimeter von ihrem Hals.

Sofort biss Sasons in den Unterschenkel des Mannes und dieser biss sich dadurch auf die Zähne

Sichtlich unterdrückte er einen großen Schmerz. Seine rechte Hand verkrafte sich dadurch und die Schneide entfernte sich immer weiter von ihrem Hals.

Diese wenigen Sekunden, die er dadurch abgelenkt war und das Messer nicht mehr nah an ihre Kehle hob, nutzte Alina, die nun von der Seite kam, um den Arm des Mannes zu packen.

Sie wollte ihm den Arm auf dem Rücken drehen, dabei überschätzte sich das Mädchen ein wenig, denn der Anführer trat Alina stattdessen zurück, dabei schüttelte er Sasons ab, jedoch ließ er auch Tina frei, die nach vorne stolperte und unsanft zu Boden flog.

Im nächsten Moment war ein Schuss zu hören und der Anführer wurde zurückgestoßen.

Man hörte ein starkes Rumpeln und dann herrschte Ruhe.

Leblos lag er anschließend auf dem Boden und Tina wusste sofort, dass es nun vorbei war.

Der schockierte Gesichtsausdruck des getroffenen Mannes, bestätigte ihre Vermutung und es mischten sich Gefühle von Freude und Entsetzen.

„Ist es wirklich vorbei?“, fragte sich Tina erstaunt. Es war so schnell gegangen?

„Der steht nicht mehr auf.“, bestätigte Alina, als sie den Körper des Mannes anstarrte, dabei blieb sie gelassen, stattdessen schlich sich kurz ein Lächeln auf ihre Lippen.

Den beiden Mädchen wurde aber keine Ruhe geboten, denn sofort schaute ein fremder Mann um die Ecke. Er trug ein Helm und eine schwere Weste, anschließend rief dieser irgendwem etwas zu und daraufhin stürmten über ein Dutzend schwer bewaffnete Spezialkräfte in den Raum.

Gefolgt wurde dieser Trupp von einem älteren Mann, der nicht allzu gepanzert war und einem etwas jüngeren Mann.

Dieser Mann erinnerte eher an einen Kommissar, weil er einen typischen langen braunen Ledermantel trug. Vermutlich war dieser Mann tatsächlich einer.

Zugleich als er die Geiseln sah, befahl er ein paar Leuten, die Gefangenen zu befreien.

Er selber wandte sich den beiden Mädchen zu, die als einzige Geiseln im Raum standen.

Mit einem skeptischen Blick starrte er die beiden Mädchen an.

Der Mann sah aus der Nähe ein wenig unheimlich aus. Er wirkte relativ jung, vielleicht gerade mal über die dreißig, dennoch bestand sein Gesichtsausdruck aus purer Kälte und fehlender Freude.

Tina hatte jetzt schon großen Respekt vor diesem Mann, bevor dieser überhaupt ein einziges Wort mit den beiden gewechselt hatte.


 

Die Fragen des Kommissars überschnitten sich mit den gängigen Fragen, die Tina und Alina schon einmal gehört hatten. Wahrscheinlich war dies der Standard.

Der ältere Mann, der als Vize von den Umstehenden betitelt wurde, war tatsächlich der ehemalige Vizepräsident von Festa. Jedoch verschwand er schnell wieder, nachdem die Polizei alles unter Kontrolle hatte.

Im Anschluss kam ein Trupp, aus Ärzten und vermutlich Seelsorgern, in den Raum, die ebenfalls die Mädchen mit Fragen nicht in Ruhe ließen.

Zwar brannten sich die Erlebnisse schwer in ihren Kopf, dennoch war das rotbraun haarige Mädchen froh, dass jede Geisel heil aus dieser Entführung gekommen war, dennoch war der gesamte Vorfall nicht gut geendet.

Am Ende hieß es, dass es mindestens 13 Tote auf Seiten der Polizei gab, so wie neun Zivilisten erschossen wurden. Ganze 34 Terroristen, so nannte die Presse die Männer, wurden getötet. Angeblich soll einer von ihnen geflohen sein, aber dies konnte nicht bewiesen werden. Zeugen hatten angeblich ein großen Mann gesehen, der maskiert und mit einem kleinem Gerät unter dem Arm aus einem Gullydeckel mitten in der Stadt stieg und davonrannte. Man fand einen Durchgang vom Heizraum des Gebäudes zur Kanalisation. Dort hatten Männer die Wand eingerissen. So waren die Terroristen vermutlich in den Turm gekommen.

Trotz schwächerer Verletzungen wurden die Mädchen sofort in ein Krankenhaus gebracht und dort mussten sie zumindest die folgende Nacht und die Hälfte des nächsten Tages verbringen.

In dieser Nacht hatte ebenfalls Linda angerufen und sich erkundigt, zugleich musste Tina auch erneut mit Rossya telefonieren. Danach fühlte sich das Mädchen erneut viel befreiter, auch wenn es ihr noch im Magen saß. Die seltsame Art und Weise von Rossya war immer so beruhigend.

Rick und die anderen durften erst nach der Anhörung durch die Polizei zu den beiden Mädchen und Tina war dann endlich froh, dass sie von dem Übel erlöst wurde.

So einen Irren wollte sie nie wieder treffen, aber leider würde es vermutlich noch mehr von solchen Leuten auf der Welt geben.
 

Der nächste Tag:
 

Sie hatte zwar schlecht geschlafen und wahrscheinlich würde das Mädchen noch ein paar Tage schlecht schlafen, aber im Inneren war Tina nicht mehr so zerwühlt, wie kurz nach dem Vorfall bzw. vorgestern.

Es wunderte sie aber ein wenig und zeitgleich verängstigte sie es auch, wie schnell sie doch diese schreckliche Ereignisse verarbeiten konnte. Ob das alles das Werk von Rossya war?

Tina befürchtete schon ein wenig, dass sie eventuell abgestumpft war oder redete sich das Mädchen nur etwa ein? Zumindest wollte sie nicht mehr darüber nachdenken.

Das Mädchen war sich nicht einmal sicher, wie sie dieses Thema in Zukunft überhaupt angehen sollte.

Momentan wollte sie einfach nur wieder nach Hause. Zurück nach Ranger Island. Endlich weg von allem Übel.


 

Es klopfte an der Tür und das Mädchen erschauderte kurz.

Kurz darauf öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer und Rick schaute hinein.

„Komm rein.“, meinte Tina, während sie lächelte.

Der Junge nickte und er trat in das Krankenzimmer.

Langsam schloss Rick die Tür hinter sich und er trat weiter in den Raum.

„Wie geht es dir?“, fragte der Junge vorsichtig.

„Mir geht es schon besser. Du brauchst dir deswegen keine Sorgen machen. Ich habe schon mit Linda und Rossya telefoniert. Ich fühle mich wirklich besser.“, erklärte das Mädchen.

„Linda tut wirklich viel für uns? Aber du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.“, meinte Rick und Tina nickte verlegen.

„Wie geht es eigentlich Alina? Warst du bei ihr?“, lenkte das Mädchen ab.

Rick schwieg zunächst und meinte:

„Ihr geht es auch gut. Wir haben lang geredet. Sie hat mir etwas interessantes erzählt, über das ich mit dir reden wollte.“, erklärte er.

Tina wurde nervös.

„Über was will er reden? Hoffentlich nichts schlechtes? Habe ich etwas falsch gemacht?“

Die beiden sahen sich eine Weile an, bis Rick wohl seine ersten Worte fand:

„Ich habe von Alina erfahren, dass du dich ohne zu zögern vor ihr gestellt hast und dass du dich opfern wolltest.“, begann er.

Tina fuhr sich über die Arme, während sie ihm zuhörte.

„Tu das nie wieder!“, wurde er plötzlich lauter und das Mädchen schreckte kurz auf.

„Ich meine..........“, korrigierte er sofort:

„........., ich finde das und Alina natürlich auch, bewundernswert, dass du so etwas getan hast, aber du hast ihr und auch mir damit ein großen Schrecken eingejagt. Wie hätte Alina sich gefühlt, wenn dir etwas passiert wäre?“, fragte er.

„Ich wollte sie retten. Ich wollte nicht, dass sie stirbt.“, erwiderte Tina leise.

Das Mädchen sah anschließend betrübt zur Seite:

„Ich weiß aber nicht, wie ich das geschafft habe, ich...........“, sie wurde unterbrochen.

„Ich weiß.“, meinte Rick sofort und daraufhin umarmte er das Mädchen und drückte sie an seine Brust.

Völlig überfordert und atemlos, starrte Tina errötet zur Seite.

„Du scheinst dir immer noch Sorgen zu machen, dass wir böse auf dich wären, weil du abgehauen bist und wir deswegen diese Probleme hatten, aber das ist nicht so. Wir alle sind uns einig und das habe ich dir schon mal gesagt, dass wir alle unsere Schuld tragen. Damals haben wir dir auch nicht zugehört, deswegen, bitte, glaube uns oder zumindest mir, dass du unsere Freundin bis zum Lebensende sein wirst. Selbst wenn dich wieder etwas kränkt und du deswegen fortgehst, dann werden wir dir wieder helfen oder sogar dich dies gar nicht tun lassen. Das verspreche ich. Absolut!“

„Danke........., das ist schön zu hören.“, unterbrach Tina ihn, dabei versuchte sie zu lächeln.

„Es ist........“, meinte sie daraufhin zögerlich.

„..............es ist schwer für mich. Ich fühle mich schlecht deswegen und zwar immer noch. Es wird wahrscheinlich auch noch eine Weile so bleiben. Ich war damals blind und naiv und ich kann das nicht einfach so abtun, als wäre nie etwas gewesen. Irgendwie bekomme ich das nicht hin, ich............“, die Umarmung von Rick wurde stärker, dadurch stockte erneut der Atem von Tina. Sie brachte kein Wort mehr heraus.

„Wollen wir später auf Ranger Island mit Linda darüber reden. In aller Ruhe? Dann wenn wir alle wieder unsere Ruhe gefunden haben und wir wieder in unserer Heimat sind. Wenn kein Typ mehr uns unterbrechen kann?“, fragte er.

Nach einem kurzen zögern antwortete Tina:

„Das ist vermutlich das Beste.“, sie sah zur Seite, denn das Mädchen war immer noch verlegen.

Ein kurzer Moment verstrich, bis Rick die Umarmung wieder löste und Tina nickend zu ihm meinte:

„Danke dir......., ich versuche ab sofort nicht mehr negativ darüber zu denken. Ich vertraue.....“, daraufhin sah sie ihm entschlossener in die Augen:

„Ich verspreche es sogar! Ich verspreche nicht mehr traurig zu sein! Das ist mein Versprechen!“, betonte sie lautstark. Rick nickte zufrieden, dabei lächelte er sogar, sodass Tina ebenfalls lächeln musste.


 

Es klopfte daraufhin erneut an der Tür und zugleich kam Alina hineingestürmt.

Sie wirkte erstaunlich munter und irgendetwas schien ihr nicht zu gefallen.

„Ist sie auf mich sauer?“, überlegte Tina erschrocken, als sie in das zornige Gesicht sah.

„Die wollen mich noch drei Tage hier behalten, aber ich habe denen gesagt, dass ich das nicht will!“, beschwerte sich die Blondine lautstark.

Zugleich kamen zwei Krankenschwestern hineingelaufen, die sofort auf Alina einreden wollten, aber das Mädchen drehte sich um und brummte lautstark:

„Ich habe euch schon gesagt, dass ich nicht hierbleibe! Ich kann mich auch zuhause erholen!“, aber die Krankenschwestern schienen mit dieser Antwort nicht zufrieden zu sein.

Alina trug eine Binde um ihrer Hüfte und die Kratzer an ihren Oberarmen und im Gesicht waren mit Pflaster geschützt.

„Es ist zu gefährlich zu reisen. Du hast Prellungen am ganzen Körper und ein paar Blutergüsse. Es könnte..........“, aber Alina warf sofort ein:

„NEIN! Ich will nicht hierbleiben! Ich will nach Hause gehen! IHR KÖNNT MIR DAS NICHT VERBIETEN!“

Ein größerer Mann in einem weißen Kittel trat herein. Er war schon im höheren Alter.

Der Mann schien wohl sichtlich ein erfahrender Arzt zu sein.

Kurz, das blonde Mädchen anblickend, sah er anschließend zu Tina und dann zu den Krankenschwestern:

„Beide Patienten wirken gesund. Seelisch kann ich dies zwar nicht sagen, aber körperlich sollten sie sich schnell erholen. Soweit ich es verstanden habe, ist der Zielort Ranger Island? Daher kann ich sagen, dass eine anstrengende Reise nicht gesund wäre, aber nach meinem Gefühl zu urteilen, kann ich versichern, dass weitere Tage in diesem Krankenhaus auch nicht nötig wären.“

„Aber.........“, wollte einer der Krankenschwestern erwidern.

„Führt eine erneute Schnelluntersuchung durch, sollten sich keine Probleme ergeben, schickt sie los. Wir haben noch ernsthaftere Fälle.“, erwiderte der Mann sofort und schnell war er wieder aus dem Raum verschwunden.

Leicht verwundert sahen die Krankenschwestern ihm nach, aber sie hielten sich an das, was der Mann befahl.


 

So waren die beiden Mädchen am Abend wieder draußen.

Nun aß man noch etwas in einer örtlichen Bäckerei.

Rick hatte währenddessen erzählt, dass er inzwischen mit Linda telefoniert hatte und sie hätte ihm gesagt, dass sie die Schifftickets schon gebucht hätte. Man sollte nun zum Hafen reisen, der sich ein wenig nördlich von Jillwa befand. Eine Busverbindung fuhr ohne Umwege direkt dorthin.

Also wurde dies nun so geplant.

Rick telefonierte anschließend noch mit den anderen Jungs, bevor es auf den Weg zur Haltestelle weiterging.

Während die drei zur Bushaltestelle liefen, fragte Tina, was aus dem ursprünglichen Auftrag von Linda wurde.

Rick meinte, dass Max, der für eine gewisse Zeit spurlos verschwunden war, sich darum gekümmert hätte.

Daniel hatte dazu gemeint, seitdem sie bei dem komischen Mann gewesen waren, war Max plötzlich verschwunden, erst dann hatte Rick den Anruf von diesem Irren bekommen, aber der Junge hatte dennoch nichts vom Verschwinden mitbekommen, was ihm eigentlich auch ziemlich egal war.

Max tauchte irgendwann wieder auf und der Junge hielt das Päckchen zufrieden in seinen Händen.

Der schwarzhaarige Junge hatte dabei versichert, dass er nicht eingebrochen war. Die ganze Sache wäre nicht so schlimm gewesen. Wie auch immer er das gemeint hatte.

Rick war da skeptisch gewesen, aber er war auch froh, dass der Auftrag zumindest erfüllt worden war.

Wie jetzt genau Max dies hinbekommen hatte, wollte der braunhaarige Junge eigentlich auch gar nicht wissen.

So hatte er Tina erzählt, dass dies wahrscheinlich auch keine größere Rolle spielte, denn, ehrlich gesagt, wollte der Junge eigentlich auch nur endlich nach Hause und seine Ruhe haben.

Tina stimmte ihm da nickend zu.


 

Während die drei an der Haltestelle warteten und nach und nach die anderen ankamen, wurde es dunkler und auch kühler.

Einer der Ersten war Daniel, der sofort erklärte, was er Interessantes gehört hatte.

Die Presse hatte schon viele Informationen über den Vorfall im Einkaufszentrum herausgefunden und gedruckt.

So waren die Terroristen einer Sekte zuzuordnen, die an das Ende der Welt glaubte.

Natürlich versicherte die Sekte an sich, dass sie damit nichts zu tun hatte. Diese verirrten Schäfchen hätten sich ihren eigenen Kopf gemacht und hätten die Thesen der Sekte missverstanden.

Daniel erwähnte dazu aber, dass man in den letzten Jahren immer wieder Vorfälle hat, mit der diese Sekte zu tun hätte.

Diese Gruppierung nannte sich übrigens 'the blessed saints'.

Tina schauderte es ein wenig, als sie den Namen hörte. Auch wenn er eigentlich gut klang, so hatte diese Bezeichnung etwas unheimliches.

Daniel erzählte weiter.

Unter den Entführungsopfer war sogar die Tochter eines Vorsitzenden der Stadt gewesen. Higa, von der Familie Sena, war an dem Tag im Turm gewesen. Tina hatte sie sogar gesehen.

Ihr war zum Glück nichts zugestoßen, aber ihr Vater Genos Sena hatte angekündigt, dass er dafür Sorgen würde, weltweit gegen diese Sekte vorzugehen. Er war sich absolut sicher, dass diese Gruppierung Dreck am Stecken hatte. Er würde ab sofort viel und stark auf die Politik einwirken, um diese Sekte aufzulösen, zumindest hatte der ältere Mann dies behauptet.

Der ältere Mann, der Vize genannt wurde, also der ehemalige Vizepräsident von Festa, war angeblich nur zufällig hier gewesen und zum Trotz seiner Bodyguards, war in den Turm gerannt und zugleich hatte er die Terroristen bekämpft. Der Presse erklärte er danach, dass er kein Mann des Zuschauens sei. Er ist ein Mann mit Verantwortung und er würde niemals so etwas dulden.

Daniel hatte den Namen vergessen, der in der Zeitung stand, deswegen zuckte der Junge nur mit den Schultern, als Tina nachfragte.

Stattdessen erzählte Daniel noch etwas anderes.

Als Konsequenz aus dem Vorfall hatte das Land die Sicherheitskräfte in allen Einkaufszentren des Landes verstärkt und zudem wurden Sicherheitstüren und Kameras installiert.

Man wollte unbedingt, dass dies nie wieder vorkam.

Es wurde sogar eine Belohnung ausgesetzt, wenn man den Ursprung dieser terroristischen Aktivitäten herausfand. 500 000 Sya würde man bekommen.

„So viel Geld.“, meinte Tina erstaunt.

„Ja, damit könnte man viel anfangen.“, stimmte Daniel zufrieden zu.

Neben dem Jungen tauchte jemand Bekanntes auf.

"Ihr seid ja schon da, also ich.........", wollte Max beginnen, da wurde er von Rick unterbrochen, der dabei in die Ferne zeigte:

„Der Bus kommt schon.“

Ein großer langer Omnibus rollte an.

Julius war inzwischen auch schon da. Schweigend stand er daneben.

Er war vermutlich angekommen, als Daniel noch in seinen Erklärungen vertieft war.

Die Fahrt zum Hafen dauerte über eine Stunde, daher schlief man eine kurze Zeit.


 

Als man später ausstieg, war es schon weit in der Nacht und daher konnte man das große Schiff auch nicht wirklich gut betrachten, aber es leuchtete im Dunkeln, wie ein Leuchtturm, was jedoch auch nicht wirklich half, weil das Licht teilweise sogar zu grell war.

Das Schiff bot bestimmt Platz für knapp 50 Personen.

Linda hatte zweite Klasse Tickets organisiert.

Das Schiff fuhr an Ranger Island vorbei, daher bot sich die Möglichkeit mitzufahren.

Es waren schon einige Tage her gewesen, seitdem Tina das letzte Mal mit einem Schiff unterwegs gewesen war, dennoch ergaben sich gemischte Gefühle, als das Mädchen wieder an ein Deck trat.

Dabei bemerkte das Mädchen wie schnell die Zeit eigentlich vergangen war und wie das Ganze überhaupt angefangen hatte.

Dadurch, dass sie wieder darüber nachdachte, schämte sich das Mädchen wieder ein wenig, überhaupt weggerannt zu sein, jedoch wusste sie auch zeitgleich, dass das Versprechen an Rick genau dies verbat. So schaute das Mädchen wieder selbstbewusst auf und sie beschloss keine schlechten Gedanken mehr zu haben. Was natürlich einfacher gesagt, als getan war.

Ein wenig später befand sich jeder Passagier auf dem Schiff und daraufhin legte es ab.

Anderthalb Tage sollte die Fahrt dauern.

Und dieses Mal war der Gruppe das Glück hold, denn es passiert nichts besonderes.

Fast schon langweilig schipperte das Schiff über das Meer, dabei sah Tina, bei schönem Wetter, auf die See.

Vereinzelt konnte man Inseln in der Ferne erkennen oder auch andere Schiffe.

Zudem gab es endlich mal wieder etwas gutes zu essen.

So konnte sich das Mädchen doch nach kurzer Zeit richtig entspannen und endlich mal durchschlafen, auch wenn nicht ganz frei von Albträumen.


 

Nach den anderthalb Tagen erreichten sie auch schon den Hafen und mit erneuten gemischten Gefühlen stieg sie wieder auf das altbekannte Land.

Tina brauchte ein paar Minuten, als sie mit beiden Beinen in der Hafenstadt von Ranger Island stand. Die nächsten Schritte fühlten sich schwerer an.

Außerdem hing zu schwer das Herz in ihrem Körper.

Wenn das Mädchen ehrlich zu sich selbst war, so war sie sich immer noch nicht sicher, ob alle im Hauptquartier so gut darauf zu sprechen waren, dass sie so viel Ärger verursacht hatte.

Auch wie oft Rick und die anderen ihr versicherten, dass es nicht so sein würde.

Diese eine Frage blieb offen im Raum.

Wie würde Linda den jetzt reagieren?

Bald würde Tina dies herausfinden müssen.

Jedoch stimmte das Heimatgefühl das Mädchen glücklich und beinahe hätte sie vor Freude geweint, aber Tina wollte den anderen beweisen, dass sie nicht mehr so weinerlich war und natürlich auch sich selbst.

Ihr Herz blieb dann doch wiedermal kurz stehen, als sie nach einer kurzen Wanderung, von der Hafenstadt nach Orange, endlich wieder vor dem Ranger Hauptquartier stand, außerdem standen Linda und die anderen schon wartend vor dem Eingang.

Es wurden zunächst keine Worte gesprochen, bis Linda direkt auf Tina zuging und sich vor ihr aufbaute.

Plötzlich fühlte sich das rotbraun haarige Mädchen ganz klein, aber als die schlanken und kräftigen Arme der schwarzhaarigen Gildenmeistern das Mädchen umschlossen, musste Tina doch anfangen zu weinen.

Für ein paar Minuten standen sie so da, während die anderen der Gruppe schon in das Gildenhauptquartier gegangen waren.

Zu viele Gedanken kreisten durch ihren Kopf und das Mädchen verspürte immer mehr Reue.

„Ich bin froh, dass du da bist und dass du heil zurückgekommen bist. Es tut mir Leid, Tina. Es tut mir wirklich Leid. Ich hätte viel früher handeln müssen. Ich war zu blind gewesen.“, diese Worte der schwarzhaarigen Gildenmeisterin, bewirkten eine noch größere Reue in Tina, aber zeitgleich auch Tränen der absoluten Freude. Es war eine Art Erleichterung.

Sie war unendlich glücklich. Die Ängste waren doch unbegründet gewesen.

„Lass uns das vergessen und vielleicht irgendwann können wir uns darüber unterhalten, aber jetzt wollen wir feiern. Jetzt werden wir nicht mehr darüber nachdenken. Nicht heute!“, erklärte Linda.

Die Gildenmeisterin ließ Tina wieder aus ihrer Umarmung frei.

Die anderen waren inzwischen schon alle im Hauptquartier verschwunden.

„Jetzt sind alle schon weg........“, murmelte Linda unzufrieden.

„Dabei wollte ich euch noch allen etwas wichtiges sagen.“, murmelte sie anschließend.

Sie schaute Tina an und meinte:

„In drei Tagen möchte ich, dass ihr euch alle in der Halle trefft, denn ich habe ein wunderbare Sache für euch vorbereitet. Ich brauche noch ein wenig Zeit. Wärst du so nett und sagst das den anderen?“, das Mädchen nickte zustimmend.

„Ja, das werde ich.“, erklärte das rotbraun haarige Mädchen.

Linda lächelte.


 

So betrat auch Tina endlich wieder das Hauptquartier, dabei fühlte sich das Mädchen immer noch nicht ganz befreit von den Schuldgefühlen, aber zumindest war der große Schmerz und die große Angst fort. Die große Last war ebenfalls verschwunden.

Zugleich teilte sie den anderen die Botschaft mit.

Anschließend vergingen auch diese drei Tage, wie im Flug, in denen sie sich hauptsächlich erholt und entspannt hatte.

Am dritten Tag sollte sich jeder der Gruppe in die Eingangshalle begeben.

Der Wecker hatte dazu aber eine andere Meinung gehabt.

Schnell und nervös lief Tina zügig die breiten Treppen der Eingangshalle hinab.

Heute war das rotbraun haarige Mädchen zu spät gewesen, weil sie leider verschlafen hatte.

Leicht gestresst und mit völliger Nervosität begab sie sich zu den anderen, die schon unterhalb der Treppen wartete. Keiner schien sich irgendwie daran zu stören, dass Tina zu spät kam.

Engl, Noju und Dr. Drogan standen nahe dem Heizungsraum. Ein wenig im Hintergrund.

Rossya und Linda standen neben der Gruppe und vor Tina standen sieben Personen, die in der Morgensonne fast schon majestätisch wirkten. Die gläserne Front im Hintergrund erstrahlte durch die grelle Morgensonne.

Tina kannte keinen der sieben Personen, aber das Mädchen brauchte dennoch nur ein Blick, um zu sagen, dass dies alles wohl wichtige Persönlichkeit waren.

Außerdem glaubte Tina plötzlich zu wissen, dass diese Sieben wohl bald ein großen Einfluss auf die Gruppe haben werden.

„Hergehört.........“, begann Linda und ihre linke Hand zeigte flach zu den sieben Personen.

„................, diese Sieben werden euch eine Weile in der Zukunft begleiten. Diese Sieben werden eure Mentoren werden. Jeder von euch bekommt ein Mentor zugewiesen.“, daraufhin wirkte Tina überrascht. Dies hatte das rotbraun haarige Mädchen nicht erwartet.

Neugierig betrachtete sie die Sieben. Einer von denen wird ihr zukünftiger Mentor sein.

Tina war absolut nervös.

Die Randmission XIII --- Vier Jahre

[Rick]
 

Die Sonne stand nun nicht mehr in einer ganz so schrägen Lage, wie vor ein paar Minuten, sodass sie nicht mehr durch die gläserne Front des Hauptquartier die Gruppe blendete, dennoch war es noch ein wenig grell in der Halle.

Nun konnte man auf die sieben unbekannten Personen einen besseren Blick werfen.

Aber bevor sich Rick den Personen einzeln widmen konnte, meldete sich Linda erneut zu Wort.

„Bevor ich euch unsere ehrenwerte Gäste vorstelle, möchte ich euch noch etwas dringend fragen. Es hilft euch vielleicht etwas beim Verständnis, außerdem ist es etwas Wichtiges. Das Ganze hat damit zu tun, was ich mir in den letzten Monaten gut überlegt habe.“, begann sie zu erklären, dabei gestikulierte sie ein wenig wild herum. Die Gildenmeisterin wirkte unnatürlich nervös.

Aber sie war auch anscheinend mit Begeisterung dabei, zumindest konnte man das, an ihrer derzeitigen Körperhaltung erkennen.

„Sagt euch das B-Turnier etwas? Also allgemein die Bezeichnung?“, fragte die Gildenmeisterin und Rick horchte sofort viel interessierter auf, denn der Junge wusste ganz genau, um was es sich da handelte.

Eigentlich kannte jeder Junge in seinem Alter, egal wo auf der Welt, was ein B-Turnier war. Es gab wohl kaum ein Mensch auf der Welt, der davon nichts wusste, außer er war ein Einsiedler.

Außerdem interessierten ihn die Turniere nämlich schon seit ein paar Jahren sehr.

Sie waren damals von der Erzählungen her immer wahnsinnig cool und wirklich sehr spannend gewesen, auch wenn mal ein Bericht über ein Finale verfasst wurde. Egal ob es in der Zeitung stand oder in einer Übertragung zu sehen war. Wenn ein Gildenteam von den Inseln im Finale war, dann wurde in Orange eine große Leinwand gespannt und man konnte das Finale live mitansehen. Es war ein Spektakel über das sich Rick immer wahnsinnig gefreut hatte.

„Also allgemein die Thematik mit Turnieren? Außerdem würde mich euer Interesse dazu interessieren, auch wenn das jetzt ein wenig kurzfristig kommt. Ich hatte bisher noch kein guten Zeitpunkt dafür gefunden.“, erklärte die Gildenmeisterin.

Plötzlich zeigte sich in Rick immer mehr das Interesse, denn es deutete stark darauf hin, dass Linda von einer Teilnahme sprach.

Leicht grinsend nickte er der Gildenmeisterin zu.

„Auf jeden Fall!“, meinte er sofort.

Aber er sprach damit nicht für alle.


 

Rick öffnete den obersten Knopf seines Hemdes, weil er bemerkte, wie warm es doch eigentlich geworden war, zumindest in der Halle.

Umso länger die Sonne weiter auf die gläserne Front schien, umso mehr erhitzte sich die Halle.

Entweder war das der Grund oder die dazugekommene Nervosität der Begeisterung war die Schuldige, die Rick aufgeregt werden ließ.

Schon stellte sich der Junge vor, wie cool es wäre, wenn er tatsächlich wie die ganzen großen und starken Gilden im Finale stehen würde und sogar gewann.

Manchmal hatte er früher die coolen Bewegungen der bekannteren Gesichtern nach geahnt.

Auch erinnerte er sich daran, wie unfähig er doch mit einem Holzstock in der Hand oft gewesen war.

Seine kleinen Narben an den Händen verdeutlichten dies.

„Dass du das kennst, das ist mir klar, Rick, aber ich erkläre das trotzdem einmal. Ich denke die meisten wissen das nicht.“, daraufhin sah die Gildenmeisterin zu den anderen, dabei hob sie ihre rechte Hand in die Luft und sie streckte zwei Finger aus:

„Seit einigen Jahren finden alle zwei Jahre in Abwechslung zwei Turniere statt. Das B und das A Turnier. Sie sind die alternative Möglichkeit ein Rang aufzusteigen und zwar für die gesamte Gruppe, die teilnimmt. Normalerweise müsste ich euch alle zur B-Prüfung in Festa anmelden. Das kostet Geld und zwar leider eine menge, eigentlich viel zu viel. Wir sind keine reiche Gilde, deswegen können wir uns das nicht unbedingt leisten. Subventioniert wird das leider auch nicht. Nun ja.........., ich schweife ab..........“, erklärte Linda.

Sie fokussierte sich wieder.

„Diese Turniere sind auch nicht einfach nur irgendwelche Meisterschaften, sie sind gigantische Veranstaltungen, an denen fast die gesamte Welt teilnimmt bzw. teilnehmen will. Ohne entsprechende Voranmeldung kommt man da nur schwer rein. Meistens muss sich weit über ein Jahr im voraus anmelden, manchmal am besten sogar zwei Jahre davor. Von den vielen vielen Teams, die teilnehmen, kommen aber nur acht Teams soweit, dass sie den B-Status erhalten und auch nur der Sieger erhält ein traumhaften Geldpreis zusätzlich. Damit könnte man locker die Gilde ein Jahr finanzieren.“, erklärte Linda mit begeisterter Stimme. Sie schweifte wieder ab.

„Diese große Veranstaltung, die im Fernsehen immer weltweit übertragen wird? Alle machen sich deswegen immer doch so verrückt? Man munkelt doch, dass der Kommerz diese Veranstaltungen komplett ausschlachtet. Nur der größte Sponsor kommt weit.“, meinte Alina. Sie klang nicht wirklich begeistert.

„Und wir sollen da teilnehmen? Deswegen fragst du uns, Linda?“, hakte Rick interessiert nach.

„Was! Bei so etwas Großem sollen wir mitmachen? Ich..........“, meinte Tina nervös, da erwiderte Rick:

„Das ist der Wahnsinn! Ich wollte schon immer mal da mitmachen.“, erklärte er hocherfreut.

„Rick!“, wurde seine Freundin laut.

„So eine Veranstaltung ist doch nur anstrengend. Der ganze Aufwand...........“, aber ihr Freund schien dem Mädchen nicht wirklich zuzuhören.

Alina seufzte daraufhin. Sie wandte sich wieder Linda zu:

„Kostet das aber nicht auch Geld? Also vermutlich kein Geld fürs teilnehmen, aber für den Rest, die Anreise, der Aufenthalt und so weiter. Ist das wirklich billiger, als die standardmäßigen Prüfungen? Ich denke, dass wir nicht mal ein Sponsor haben.“, fragte die Blondine. Sie verschränkte ihre Arme ineinander.


 

Linda wollte sich zu Wort melden, da räusperte jemand von der Seite.

Ein großer stämmiger schwarzhaariger Mann, mit einer stählerner Brust und gewaltigen Oberarmen, trat hervor.

Sein Gesicht war sehr markant. Fast schon eckig. So ein dickes Kinn hatte Rick noch nie gesehen, dazu trat unter seiner schwarzen Jacke und seinem weißen T-Shirt ein schwarzer Drache, als Tattoo auf seiner Haut dem Hals entlang nach oben. Rasiert hatte der Mann sich ebenfalls nicht, zumindest war das auf seiner Brust nicht zu verkennen.

Seine schwarze Stiefel knallten auf dem Boden, als würde eine schwere Maschine auf einmal auf den Boden fallen gelassen werden.

„Westallya, wie lange wollen sie hier noch quatschen? Sie sagten mir, dass es hier um etwas wichtiges geht und ich bin gekommen. Ich habe aber nicht viel Zeit, also bitte beeilen sie sich.“, erklärte der Mann mit tiefer und rauer Stimme.

Für Rick war schon klar, dass er allgemein ein sehr unfreundlichen Charakter haben musste, denn sein mürrischer Blick sagte schon klar aus, dass er eigentlich keine Lust hatte und wohl auch nicht viel von den meisten Anwesenden hielt.

Sein schwarzer Schnauzbart formte sie parallel zur seinen herunterhängenden Mundwinkeln.

Die kühlen schwarzen Augen suchten wohl ihr potenzielles Opfer, zumindest sah es eher nach einer Aussortierung, als nach einem interessierten Blick, aus.

„Entschuldige Mr. Wood, ich habe mich ein wenig in der Zeit verzettelt. Ich bin dankbar, dass sie überhaupt gekommen sind Mr. Wood und dass sie mich daran erinnern.“, erklärte Linda mit einem sanften Lächeln.

„Linda ist ja heute so ungewöhnlich freundlich.“, stellte Rick gedanklich fest.

Es gab nur ein Murren des muskulösen Mannes für Linda als Antwort.

„Lernt man das so, im hohen Norden, Herr Wood?“, fragte eine starke männliche Stimme. Die hallend für ein leichtes Schaudern sorgte.

Sofort zog die Stimme den Fokus auf den Sprecher.

Ein großer ummantelte Mann mit feuerroten Haaren hatte sich zu dem muskulösen Mann gewandt, der sein Blick sofort auf den Unterbrecher richtete.

„Lernt man das bei euch auf der Fuchtelinsel so, dass man sich in andere Angelegenheiten einmischt?“, erwiderte der schwarzhaarige Mann.

Der Mann mit dem feuerroten langen Haar, welches ihm bis zu den Schultern reichte, ließ sich davon nicht beeindrucken.

Er trat ein Schritt auf Linda zu und sein schwarzer Mantel strich über den Boden.

Er war unterhalb des Halses zusammen geknöpft. Der Mantel ließ das weiße Hemd ein wenig verdecken, aber auch so konnte man erkennen, dass es sich um ein schlanken aber dennoch stämmigen Körper handelte.

„Machen sie sich keine Sorgen, ehrenwerte Westallya. Wir fühlen uns keineswegs gelangweilt.“, erklärte der Mann in einer respektablen Stimmlage.

„Ein Haufen schleimige Worte, war ja klar.“, hallte es von der Seite. Der muskulöse Mann schüttelte grimmig seinen Kopf.

„Meine Herren, sie brauchen nicht zu streiten. Ich lasse sie ja schon unnötig lang warten.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Ich werde sofort wieder fortfahren.“, versicherte Linda.

Die respektvollen Blicke der feuerroten Pupillen des Mannes lagen auf der schwarzhaarigen Dame, während er mit einem zustimmenden Nicken ein Schritt zurücktrat.

„Linda.........., wir brauchen nicht so höflich sein. Wir sind hier ganz unter uns.“, mischte sich eine weitere Person ein. Eine Frau, mit fast zu Boden reichenden dunkelroten Haaren, blickte finster zu dem stämmigen Mann, der beleidigt sich in Richtung der Eingangstüren gewandt hatte:

„Wir sind hier doch die Erwachsenen, nicht? Wir sollten uns auch so entsprechend verhalten!“, erklärte die Dame.

Sie trug ein langes rotes Kleid mit schwarzen Stoffrändern am Ende.

Allgemein sah sie elegant und stilsicher aus.

Eine goldene Kette zierte ihr Hals, aber im Vergleich zu den anderen, trug sie immer wieder mal ein freundliches Lächeln auf.

„Ich kann auch wieder gehen. Ich bin nicht verpflichtet mir das hier anzutun.“, erklärte Wood mürrisch.

„Keine Sorge! Ich werde mich beeilen.“, versicherte Linda nervös.

„Linda! Wenn dieser Herr sich wie ein Kleinkind verhalten will, kann er das gerne außerhalb meiner Anwesenheit tun.“, erklärte die rothaarige Dame.

In ihrer Stimme klang etwas vorwurfsvolles mit, zumindest konnte sie die Enden der Wörter so scharf aussprechen, dass sich das Gesagte schon fast in das Gehör schnitt und somit ein bleibenden Abdruck hinterließ.

Der mürrische Mann erwiderte nichts, er starrte nur weiterhin brummend in die andere Richtung und vielleicht war der Mann auch tatsächlich ein wenig beleidigt.

Die rothaarige Dame wandte sich anschließend wieder Linda zu und meinte mit freundlicher Stimme:

„Setze ruhig fort. Wir wollten dich nicht unterbrechen, denn das hier ist ja wichtig, nicht?“

Linda nickte zufrieden:

„In Ordnung.“, stimmte die Gildenmeisterin zu.


 

Sie wandte sich wieder Rick und den anderen zu.

„Also.........“, begann sie schnell.

„Um nicht noch länger Zeit verstreichen zu lassen.“, sie zeigte wieder mit höflicher Geste auf die sieben Gäste:

„Das B-Turnier, was ich erwähnt habe.........., mein Ziel ist es, dass ihr dort teilnehmen sollt und ja........., es wird viel Geld kosten, aber das ist nichts im Vergleich zu den anderen Preisen bei den regulären Turnieren, außerdem...........“, die Gildenmeisterin hob ihren rechten Finger, wahrscheinlich zur Verdeutlichung:

„..........bringt das Ruhm, zumindest wenn man erfolgreich ist, aber auch wenn man weit oben platziert ist. Also ich will, dass unsere Gilde in aller Munde ist und das können wir am Besten tun, wenn wir aus der Masse herausstechen. Aufmerksamkeit bringt uns mehr Erfolg und wir wachsen. Natürlich vorausgesetzt, dass wir erfolgreich sind und dass wir es weit gebracht haben.“, erklärte Linda.

„Aber..........., die anderen Gilden werden doch nicht so einfach sein? Ich meine, da werden doch viele starke Gilden teilnehmen, nicht? So einfach werden wir es nicht haben.“, hakte Max ein.

„Falsch liegst du damit nicht. Die jetzigen Gilden würden zu stark sein. Die Gilden, die die letzten Jahre immer an der Spitze waren, die werden vermutlich auch die nächsten Jahren immer noch an der Spitze bleiben. Die haben auch richtige Trainingscamp für ihre Gildenmitglieder. Die werden richtig dafür ausgebildet. Jetzt seid ihr noch nicht soweit, aber deswegen will ich euch eure zukünftigen Mentoren vorstellen.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Ist das Turnier nicht schon bald? Es ist nicht mal ein Monat.“, meinte Daniel.

„Bis dahin werden wir nicht stark.“, überlegte Max murmelnd.

„Ich rede auch nicht von diesem B-Turnier.“, erklärte Linda.

„Warte mal............., dann.........., dann das B-Turnier in vier Jahren?“, antwortete Max verdutzt.

„Was....... echt jetzt?! In vier Jahre erst?“, meinte Rick erstaunt.

Er hatte nicht daran gedacht, dass Linda erst dieses Turnier gemeint hatte.

„Das ist aber ein langer Zeitraum.“, sagte Tina. Sie war damit auch überrascht worden.

„Nun...........“, begann Linda.

„........................., deswegen habe ich mir überlegt, wie wir diese vier Jahre richtig nutzen können. Die nächste Zeit soll euch nicht nur als Training dienen, sondern euch auch eine richtige Grundlage erschaffen. Eine Grundlage mit der ihr in der Zukunft viel anfangen könnt. Deswegen habe ich in den letzten Wochen sieben Personen aufgesucht, die euch für einige Zeit sowohl in speziellen Bereichen, als auch in der Allgemeinbildung unterrichten sollen. Ich habe mir die Mühe gemacht, um auf jeden von euch eine Spezialisierung zu finden. In knapp vier Jahren sollt ihr euch weiterentwickeln, bis jeder von euch soweit ist. Bereit ein richtiges Mitglied der Ranger Guild zu sein. Zusammen eine starke Gilde, die dann durch die Decke starten wird. Außerdem werdet ihr dann zusätzlich ein Abschluss haben, mit dem ihr euch dann auch anders weiterentwickeln könnt. Wir müssen uns dann deswegen keine Sorgen mehr machen. Also wird die Zeit effektiv genutzt und das ist das Wichtigste. Nichts wird vernachlässigt. Die vier Jahre sollen euch in jeder Hinsicht von Nutzen sein.“, Linda dachte kurz über etwas nach:

„Außerdem brauche ich selbst ein paar Monate, vielleicht sogar ein zwei Jahre, um alles nötige zu organisieren, bevor ich mit euch und dieser Gilde wirklich ein Meilenstein in der Welt setzen kann.“, erklärte die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

„Jetzt übertreibe nicht, Linda. Ich finde es zwar bewundernswert, wie akribisch du alles geplant hast, aber wir wollen mal auf dem Teppich bleiben.“, erklärte die rothaarige Dame.

„Bis jetzt hat noch nichts angefangen und erst einmal muss man deine Rohdiamanten schleifen und das Meiste muss von denen selbst ausgehen, denn deine Schützlinge müssen sich beweisen, aber so warst du schon immer, nicht wahr Linda?“, fügte die Dame hinzu.

„Du hast Recht, aber ich bin mir bei meinem Vorhaben absolut sicher und daher brauche ich die Unterstützung von jedem von euch. Ich habe euch Sieben ausgesucht, weil ihr perfekt zum Schleifen geeignet seid. Ihr versteht euer Handwerk in euren Bereichen.“, erklärte Linda.

„Außerdem haben wir ja sowieso schon zugestimmt.“, fügte die rothaarige Dame hinzu.

Linda wandte sich anschließend wieder Rick und den anderen zu, dabei fiel Linda wohl auf, dass immer noch Skepsis in der Gruppe herrschte.

„Vier Jahre...............“, murmelte Rick nachdenklich.

„Ihr seid dann ungefähr 18 Jahre alt und das ist dann ein gutes Alter, um an dem Turnier teilzunehmen. Ich will erst einmal, dass aus euch etwas ordentliches wird. Ehrlich gesagt, könnte ich hier euch in vier Jahren nicht alles bieten, was ihr für eure Zukunft braucht, außerdem werden auch Engl und Noju für einige Monate nicht hier sein. Rossya wird übergangsweise die Gilde für ein paar Monate leiten, solange ich weg bin.........“, Rick erwiderte:

„Aber vier Jahre? Vier Jahre sind definitiv zu lang! Ich kann doch nicht vier Jahre wohin gehen? Vier Jahre weg von hier? So lange war ich noch nie von hier weg. Es ist definitiv zu lang.“

„Außerdem vermute ich, dass wir wohl getrennt werden? Sonst wären es nicht so viele verschiedene Mentoren, die vermutlich nicht am selben Fleck wohnen.“, meinte Max und Linda nickte kurz.

„Was!“, meinte Alina schockierte. Sie klammerte sich sofort an Rick:

„Nein! Ich will nicht, dass ich von ihm getrennt werde!“, erklärte sie lautstark.

„Alina! Ihr werdet doch nicht vier Jahre sonst wo wohnen. Ihr könnt euch doch zwischendrin sehen. Es gibt bestimmt genug freie Zeit, indem ihr auch hierher vorbeikommen könnt, aber ich möchte, dass ihr die vier Jahre konsequent durchzieht und erst dann wieder hierherkommt, wenn ihr fertig seid. Das ist mein einzige Forderung. Meine Bitte.“, erklärte Linda.

„Also ich...........“, überlegte Rick murmelnd. Er war nicht ganz zufrieden damit.

„Rick, es ist für die Gilde und in erster Linie für dich selbst. Ich habe, wie schon gesagt, auch nicht einfach irgendetwas herausgesucht, denn ich habe mir extra etwas überlegt, was auf dich bzw. auf euch zugeschnitten ist. Es soll euch weiterbringen. Ich könnte euch allen keine Schuldbildung bieten. Ich bin keine ausgebildete Lehrerin. Außerdem seid ihr jetzt noch nicht erwachsen und deswegen denkt bitte daran, dass ihr eine Schulbildung braucht. Es ist für eure Zukunft. Zum Glück kenne ich genügend Personen, der ich eure Bildung und das Verfeinern euer Fähigkeiten anvertrauen kann.“, erklärte Linda.

„Zum Beispiel für dich, Rick.“, begann die Gildenmeisterin und sie verwies auf einen schwarzhaarigen Mann, mit mittellangen Haar, welches ihm bis zu den Ohren reichte.

Er hatte so dunkelbraune Pupillen, dass man diese schon fast als dunkelrot bezeichnen könnte.

Sein Blick war kühl und undurchschaubar.

Der Mann hatte die ganze Zeit schon seine Arme verschränkt und die Situation schweigend mit angesehen.

Er seufzte kurz, als Linda auf ihn deutete.

Mit einem Ruck lockerte er seine schwarze Jacke und daraufhin lockerte er seine verschränkte Arme.

„Erkennst du ihn bzw. hast du ihn schon irgendwo mal gesehen?“, fragte Linda Rick.

Der Junge sah sich den relativ jungen Mann genauer an.

Der Mann war höchstens Mitte der Zwanziger, also ungefähr im Alter von Linda.

Rick kannte den Mann nicht.

„Ich kenne ihn nicht.“, erklärte der Junge.

„Das ist Ronin Blackstar, ein guter Freund aus alten Zeiten.“, begann Linda mit der Erklärung. Rossya gab währenddessen ein unterdrücktes Lachen von sich, was Linda wohl aufgefallen war, weil sie anschließend mürrisch zu ihrer Freundin schaute, jedoch sich schnell wieder Ronin zuwandte.

„Er ist Gildenmeister der Black Bird Guild und als Hauptberuf Söldner, aber ich habe ihn wegen etwas anderem hergebeten und zwar, dass er dich unterrichtet. Seine Gilde bietet nämlich auch eine Schulbildung in einer örtlichen Schule und die Ausbildung in einer ganz speziellen Kampfkunst.“, erklärte Linda und Rick horchte wieder interessiert auf.

„Hach Söldner.............“, kam es von Wood.

„Du willst mir etwas sagen?“, brummte Ronin sofort und sein Blick schweifte zu dem stämmigen Mann, der ihn geringschätzig anschaute.

„Nun........, ein Söldner ist für mich eine Person, die es nicht geschafft hat, ein Beruf zu finden.“

Sichtlich hielt sich Ronin zurück.

Er seufzte kurz und meinte:

„Er ist es heute einfach nicht wert.“, murmelte der Söldner.

„Ja, das..........“, begann Linda nervös und ihre Blicke schweiften kurz zwischen Wood und Blackstar hin und her.

„Ronin..........“, setzte sie weiter fort und die Gildenmeisterin schaute wieder zu Rick.

„Ronin ist ein Meister in der Kampfkunst, Körper, Geist und Seele. Ich denke, er kann dir diese Kampfkunst besser erklären bzw., um was es sich da genau handelt, als ich. Aber bevor er es dir erklärt, möchte ich dir noch sagen, dass ich glaube, Rick, dass ein Ausflug in ein neues Leben ein wichtiger Schritt ist. Eine Zeitlang die Welt kennenzulernen dürfte kein Fehler sein. Du wirst dieses Wissen nutzen können, um später einfach besser auf das Leben vorbereitet zu sein. Dein Wille, dein Talent und deine Stärke, vor allem in reiner Körperkraft, sind groß und sie haben ein gutes Potenzial und deshalb denke ich, dass Ronin ein perfekter Lehrmeister für dich sein wird, dennoch musst du dir ein Ruck geben, um diesen Schritt zu gehen. Es liegt alles an dir, Rick.“, erklärte Linda.

Der Junge schaute kurz zur Gildenmeisterin und anschließend zu Ronin.

„Körper, Geist und Seele ist eine Technik, die mit der inneren Energie des Körpers arbeitet. Der Wille ist jedoch die wichtigste Quelle. Man kann sagen, dass du über deine standardmäßigen Veranlagungen hinausgehst, aber der Haken ist, dass man dafür eine sehr gute Selbstbeherrschung braucht. Du musst also sozusagen deinen Willen weiterentwickeln. Beherrscht man diese Technik, ist selbst das Anfassen von glühenden Kohlenstücken, für kurze Zeit, kein Problem mehr.“, erklärte Ronin. Er klang dabei sehr zufrieden.

„Es ist also keine Kampfkunst, die auf brachiale Körperkraft ausgelegt ist, aber mit dieser Kampfkunst kann brachiale Körperkraft ausgewirkt werden.“, fügte der Söldner hinzu.

Rick sah ihn neugierig an.

„Und das wird dann in den nächsten vier Jahren mein Training sein?“, hakte der Junge nach.

„Nein, wie schon gesagt.......“, unterbrach Linda sofort:

„Du wirst auch die örtliche Schule besuchen, so wie jeder der anderen, um auch ein allgemeinen Abschluss zu erhalten. Ihr werdet fast alle nur außerhalb der Schule euer entsprechendes Training machen.............“

„Ich verspreche, dass du eine Welt kennenlernen wirst, die zwar rau, aber sich wirklich frei anfühlt.“, unterbrach Ronin die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

„Ich hoffe, dass du das jetzt verstanden hast, denn ich möchte jetzt noch die anderen vorstellen.“, erklärte Linda und sie verwies im Anschluss, mit einer höflichen Geste, auf den rothaarigen großen dürren Mann.

Er legte als Antwort ein respektvolles Lächeln auf.


 

„Also Julius, ich stelle dir jetzt deinen Mentor vor.“, begann die Gildenmeisterin und Julius horchte interessiert auf.

Vielleicht hat jemand schon einmal von ihm gehört. Er ist ein sehr berühmter Mann. Ein Nachfolger einer langen Dynastie. Der Dynastie der Familie Tozzen. Er ist ein Schwertkampfmeister und Ausbilder der Tozzenschwertkunst. Sein Dojo liegt gleich auf einer der Nachbarninseln.

Das Besondere ist, dass er eigentlich selber nur ein Schüler alle paar Monate ausbildet und der Rest der Schüler wird formal in seinen Dojo von seinen ehemaligen Schüler ausgebildet, aber sie erhalten nicht den Rang des Tozzenschwertkunstträgers, wie ein ausgebildeter Schüler direkt von ihm.

„Darf ich, Linda?“, unterbrach der rothaarige junge Mann und Linda schaute kurz erstaunt auf. Sie nickte anschließend.

Seine Hand wich zu Julius und er meinte mit einer freundlichen Geste:

„Von dir habe ich schon gehört. Einer meiner Schüler hat mir von dir erzählt.“, erklärte der Mann und Julius schaute kurz überrascht, aber zugleich wieder völlig gleichgültig.

„Woher?“, fragte der Junge anschließend.

„Das weiß ich nicht. Er hat mir nur geschrieben, dass es ein interessanten Jungen in der Ranger Guild gibt, der großes Potenzial birgt. Die Beschreibung passt zu dir.“, erklärte der Schwertkampfmeister.

Plötzlich war ein Vibrieren von irgendwoher zu hören und zugleich zog der rothaarige Dojobesitzer sein Smartphone hervor, daraufhin steckte er es wieder ein.

„Seltsam............, irgendwie kam das jetzt für mich ein wenig unerwartet. Ich........ weißt nicht wirklich wieso.“, dachte Rick darüber nach. Er kratzte sich am Kopf. Der Junge wusste nicht, wieso er das auf einmal gedacht hatte.

„Und deswegen..........“, setzte die Gildenmeisterin ein und sie zeigte auf Julius:

„Wirst du für die nächsten vier Jahren mit zum seinen Dojo gehen. Natürlich wirst auch du nebenher die Schule besuchen. Ich habe nämlich die Hoffnung in dich gesetzt, dass du eines Tages von ihm fertig ausgebildet wirst und dann als großer Schwertkämpfer zurück in unsere Gilde kommst. Das wird toll.“, Linda lächelte.

„Klingt interessant. In bin dabei.“, meinte Julius, während er kurz mit den Schultern zuckte,

„So einfach? Der gibt sich ja schnell damit zufrieden. Ich meine........., er willigt ein vier Jahre...................“, meinte Rick erstaunt. Er selber war sich nämlich immer noch nicht sicher, ob er gehen sollte oder nicht, denn die vier Jahre waren schon eine sehr lange Zeit und der Junge wusste nicht, wie er damit eigentlich umgehen sollte.

„Vier Jahre...........“, geisterte ihm immer noch durch den Kopf, dabei fielen ihm die Worte von Ronin ein.

„Eine neue Welt? Vielleicht.............“

Er schaute zu seiner Freundin, die momentan mit genervter Miene immer noch die sieben Mentoren skeptisch begutachtete. Sie schien ebenfalls mit der Situation nicht wirklich zufrieden sein.

Sie bemerkte, wie Rick seine Freundin anstarrte, daraufhin meinte sie:

„Als ob ich vier Jahre mich von dir trenne. Vier Jahre, die spinnen alle!“, erklärte die Blondine.

„Von mir trennen?“, meinte Rick erstaunt.

„Wieso trennen? Linda hat ja gesagt, dass wir uns immer wieder sehen können.“, erklärte Rick.

Bevor Alina darauf antworten konnte, meldete sich der rothaarige Dojobesitzer zu Wort:

„Bevor ich euch fortfahren lassen möchte, möchte ich meinen zukünftigen Schüler noch testen. Es ist nur ein kleiner Test, also keine Sorge.“, er schaute anschließend zur Straße und dann zu der Tür, die zur Küche führte:

„Draußen gibt es ja ein Hinterhof. Der würde sich am Besten für einen Test eignen. Es ist nur eine Kleinigkeit, wenn es euch nichts ausmacht, Miss Westallya?“, fragte Astar mit höflicher Stimme.

„Ihr könnt gerne den Hinterhof nutzen, wenn ihr nichts kaputt macht.“, meinte Linda, darauf kratzte sich der rothaarige Mann am Kinn.

„Wir können das auch gern an der Waldgrenze tun, denn es könnte schon etwas zu Bruch gehen. Ich glaube wirklich, dass das besser so ist.“, fügte Astar hinzu.

„Der berühmte Lehrmeister in Aktion, das will ich sehen!“, meinte die langhaarige rote Schönheit neben ihm.

„Warum nicht, es wäre ein nettes Spektakel, wenn man so eine Seltenheit zu Gesicht bekommt.“, meldete sich eine schwarzhaarige Frau, vermutlich in einem leicht höheren Alter, wie Linda, zu Wort. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem Zopfturm zusammengebunden und diese mit einer goldenen Haarnadel befestigt, ansonsten trug diese Dame wärmere Klamotten, die eigentlich für die jetzige Raumtemperatur ein wenig zu warm waren, jedoch schien diese Dame sich daran nicht wirklich zu stören. Zumindest sah der leicht grünliche Mantel eher so aus, al wäre er für den tiefsten Winter geeignet oder er hielt doch nicht so warm, wie der Mantel vermutlich sollte.

Der etwas korpulente, ebenfalls größere, Mann, der neben dieser schwarzhaarigen Dame stand, zuckte nur mit den Schultern. Das Auffälligste an dem Mann war sein gezackter schwarzer Schnauzbart.

„Hoffentlich wird dem Jungen eine ordentliche Lektion erteilt, scheinbar braucht diese Jugend hier das. Ich sehe hier ansonsten nur dumme und ahnungslose Gesichter.“, meinte Wood. Immer noch trug er sein grimmigen Gesichtsausdruck, aber seine Mundwinkeln zuckten kurz nach oben, als er das gesagt hatte. Anscheinend fand der Mann sich selber lustig.

Julius schaute ihn kurz an, wandte sich dann jedoch desinteressiert wieder der Eingangstüre zu.

„Ich bin dabei bei dem kurzen Training!“, erklärte Julius lautstark und überzeugt, dabei klang der Junge ziemlich zuversichtlich.


 

Ohne weitere Worte zu verlieren ging auch Julius schon hinaus, gefolgt von Astar. Die anderen folgten den beiden.

Der rothaarige Mann verwies zugleich auch auf den Waldrand hin, der nicht weit vom Hauptquartier entfernt lag.

So begab man sich dorthin.

Man befand sich zum Teil aber immer noch auf der Straße, die kein direkten Übergang zum Waldweg aufwies, außerdem war das Gildenhauptquartier auch gleich schräg gegenüber.

„Was will er ihm denn zeigen? Schwertkampfmeister? Es könnte interessant werden.“, überlegte Rick, während der Schwertkampfmeister dem großen Jungen befahl sich ein paar Meter weit weg von ihm aufzustellen.

Der rothaarige Mann griff auch zugleich unter seinen Mantel.

Er holte zwei Holzschwerter hervor.

Astar warf Julius dann ein Holzschwert zu, während er selber das andere in der rechten Hand hielt.

„Ich möchte nur etwas herausfinden, also mache dir keine Gedanken, wenn du noch kein Training mit den Dingern hattest. Die Regeln sind schnell erklärt. Versuche mich so zu attackieren, dass ich theoretisch verletzt werden würde. Ich will sehen, was du schon alles beherrscht. Denke dir was aus. Überrasche mich.“, Julius nickte.

Mit beiden Händen packte der Junge, mit den braunen Haaren, sein Holzschwert fest am Griff. Er wirkte nicht verkrampft oder nervös, jedoch überzeugt. Man konnte davon ausgehen, dass sich Julius nicht zurückhalten würde.

Zumindest nahm dies Rick an, ganz genau wusste der Junge nicht, was sein Gildenkollege genau dachte. Im Allgemeinen wusste er das bei Julius nie so genau. Er war in der Regel so extrem undurchschaubar.

Julius hielt das Holzschwert anschließend wie ein Baseballschläger, aber nur nach vorn gerichtet. Dabei ging der Junge in eine leichte Angriffshaltung über, indem er sich leicht nach vorn beugte und sein ganzen Körper anspannte. Julius wirkte dabei sehr konzentriert, dazu fixierten sich seine Blicke direkt auf Astar, der natürlich immer noch freundlich und unangestrengt, dennoch neugierig das Ranger Guild Mitglied anschaute.

Astar ging aber auch zugleich überraschend ein Schritt nach vorn und hielt dabei sein Holzschwert nur mit der rechten Hand, dabei war so viel Wucht in der Bewegung, dass Rick gemeint hätte, Astar hätte ein kleinen Windhauch verursacht.

Es hatte sich zumindest kurzzeitig so angefühlt, aber wahrscheinlich hatte sich Rick das nur eingebildet.

Astar hielt sein Holzschwert nicht besonders fest am Griff und auch leicht nach links angewinkelt.

Seine Haltung war dennoch stramm, wie zuvor, scheinbar wartete er ab.

„Greif an, halte dich nicht zurück!“, befahl der rothaarige junge Mann und Julius setzte sich sofort in Bewegung.

Direkt und ohne erkennbare Muster stürmte der Junge auf Astar zu.

Fast schon brachial schien es so, als würde Julius es wohl mit der grobe Variante zu probieren.

Er kam schnell näher. Seine Schritte hallend über den Boden, der zum Teil aus Kies, Beton und Erde bestand.

Die beiden Kontrahenten standen auch nur höchstens 15 Meter auseinander.

Astar streckte sein Holzschwert ein wenig nach vorn und kurz bevor Julius in Angriffsreichweite war, verlagerte Astar sein Gewicht nach rechts, um wohl schnell ein Hieb auszuführen. Rick hatte von den Schwerttechniken keine Ahnung, deswegen konnte sich der Junge keinen Angriff vorstellen.

Julius verlagerte aber ebenfalls sein Gewicht, aber nach rechts aus seiner Richtung, sodass er wohl ideal ein Seitenhieb verteilen konnte, aber die Hand von Astar wanderte als Reaktion ebenfalls mit, sodass es zu einem Konter kommen könnte.

Die Pupillen des Rothaarigen fixierten sich wieder auf den Jungen, sodass man dem Dojobesitzer anmerken konnte, dass er sich immer mehr konzentrieren musste.

Doch Julius agierte anders als gedacht, zumindest konnte Rick dies nicht voraussehen, denn sein Gildenkollege sprintete plötzlich geradeaus, statt nach rechts, sodass Astar erneut reagieren musste und Julius so in seine Nähe kam, ohne ein Hieb zu kassieren.

Aber Astar schlug gezielt gegen die linke Hand von Julius.

Jedoch schien der Junge dies erwartet zu haben, denn Julius öffnete schnell seine linke Hand.

Er warf dann anschließend das Holzschwert von der linken Hand, in die rechte Hand.

Somit war der zweite Hieb des Schwertkampfmeister wirkungslos, weil dieser nicht erneut die Hand des Jungen traf, aber schnell korrigierte Astar seinen Angriff, denn das Holzschwert zischte nun nach oben.

Zum Erstaunen Astars, sowie auch von Rick, wehrte Julius diesen Angriff schnell ab.

Zügig war sein eigenes Holzschwert ebenfalls nach oben geschwungen und schlug somit nun von oben nach unten gegen das andere Schwert.

Ein lautes Prallen von Holz war zu hören und für ein kurzen Moment schien ein Gleichgewicht zwischen den beiden Kontrahenten zu herrschen.

Astar drückte gegen Julius Holzschwert und das nur mit einer Hand, während Julius wieder beide Hände benutzte. Zunächst passierte nichts, aber selbst Rick wusste, dass Astar sich dabei nicht wirklich anstrengende.

Nach wenigen Sekunden erhöhte der Schwertkampfmeister wohl seine Kraft, denn Julius musste kurzzeitig nach hinten weichen, aber auch der Junge erhöhte seinen Gegendruck.

Im Endeffekt wurde aber das Holzschwert des Jungen zurück gedrückt. Es schien schlecht für Julius auszusehen.

Doch der Junge bewies seine Fertigkeiten, denn plötzlich ließ er los und der Junge wich zur Seite.

Man merkte dem rothaarigen jungen Mann an, dass er dies nicht wirklich kommen gesehen hatte, jedoch hatte dieser extrem schnell dagegen reagiert.

Zugleich sauste sein Holzschwert in Form eines Hiebs in Richtung von Julius, um ihn aufzuhalten, doch der Junge nahm Schwung auf, indem er sich mit seinem rechten Fuß vom Boden nach vorn wegdrückte und so konnte der Junge, während er das Holzschwert losließ, ein direkten Faustschlag gegen die Rippen des Lehrmeisters ausführen.

Zumindest fast, hätte Astar nicht im letzten Moment den Arm des Jungen ergriffen, sodass Julius zum Stoppen kam.

Das Holzschwert des Jungen fiel zeitgleich zu Boden.

Nachdem das dumpfe Geräusch des fallenden Holzes verstummte, meldete sich Astar zu Wort:

„Das kam wirklich überraschend. Ich wäre jetzt von etwas ganz anderem ausgegangen, aber das ist irrelevant. Es erstaunt mich, dass du so agil und kräftig bist und dass du Angriffe gut parieren kannst. Deine Geschicklichkeit ist wirklich beachtlich. Du hast Entschlossenheit und auch Talent und das wirst du in der Zukunft, während der nächsten Jahre, weiter ausbauen können.“, Julius zog daraufhin seine Hand zurück. Astar trat währenddessen ebenfalls ein Schritt zurück.

Als Antwort auf das Gesagte, nickte Julius zustimmend, jedoch sagte er nichts dazu.

Im Anschluss sah der rothaarige Schwertkampfmeister noch einmal um sich, dabei schien ihm wohl etwas aufzufallen, denn er kratzte sich kurz erneut am Kinn und meinte anschließend:

„Ich entschuldige mich für meinen Egoismus, natürlich werde ich auch als Gegenleistung etwas bieten. Ich möchte den Zuschauern etwas vorführen, deswegen bitte ich, dass man kurz zur Seite geht, denn ich möchte etwas demonstrieren.“, erklärte Astar. Dabei sah er auch kurz zu Julius, der daraufhin nickte und ein paar Schritte zur Seite ging.

Selbst Rick ging ein wenig zurück, dabei überlegte der Junge, was der rothaarige Schwertkampfmeister demonstrieren wollte.

Astar wandte sich einem größeren, ungefähr einen halben meterdicken Baumstamm zu, der fast zwei Meter hoch war.

Kurz darauf herrschte eine leicht angespannte Ruhe, nicht mal das Flüstern der Anwesenden war zu hören oder das Kreischen der Möwen, die ihre Runden über die Stadt zogen.

Astar hielt das Holzschwert dieses Mal mit beiden Händen schräg nach rechts, außerdem ein wenig nach vorn gewinkelt.

Etwas braute sich an, zumindest schien etwas in der Luft zu liegen, denn Rick spürte eine Art flimmern auf seiner Haut, aber zusehen war nichts.

Im nächsten Augenblick war Astar auch schon verschwunden, kurz nachdem er sich nach vorn gelehnt hatte, um ein weiteren Schritt zu tätigen. Er tauchte im darauffolgenden Atemzug hinter dem Baumstamm auf, während sich zwei tiefe Kerben im Baumstamm einbrannten, als wären sie zeitgleich binnen einer Sekunde in den Baum geschlagen worden. Der Luftzug und die Vibration fegten teilweise die Blätter vom Baum. Das Holzschwert des Lehrmeister vibrierte ebenfalls und zerbrach währenddessen in mehrere Teile. Das Holz zersplitterte in mehrere Richtungen, der Rest fiel aus seiner Hand zu Boden.

Zuerst schluckte Rick, daraufhin murmelte er völlig perplex:

„Wow war der schnell! Ich konnte das nicht mitverfolgen.“

Der Junge hatte nicht einmal sehen können, wie Astar auf den Baumstamm zugerannt war bzw. auf den Baumstamm eingeschlagen hatte, außerdem konnte sich Rick die Wucht nicht vorstellen, die einerseits solche Kerben hinterließ und zeitgleich das Holzschwert so zerfetzte. Das Schwert wurde völlig zerbarsten, zudem hatte das Holzschwert nicht einmal die Zeit gefunden, während dem Schlagen zu zerbrechen, stattdessen war Astar wohl so schnell gewesen, dass die Wirkung erst später einsetze.

Der rothaarige Lehrmeister sah selbst aber so aus, als wäre er deswegen nicht wirklich angestrengt gewesen.

Der Mann zeigte keinerlei körperliche Erschöpfungssymptome.

Daraufhin wanderte Ricks Blick zu Julius.

„Und er wird bei diesem Mann trainieren?“, zeitgleich spürte der Junge die Hand von Ronin auf seiner Schulter:

„Das bekommst du auch hin, wenn wir fertig sind, natürlich meine ich damit deine rohe Faust und nicht das Schwert.“, verkündete der Söldner.

Bevor Rick darauf antworten konnte, mischte sich eine mies gelaunte Stimme ein:

„Wie langweilig. Ich hätte hier mehr erwartet. Eine ordentliche Dresche, wie es sich von einem Lehrmeister gehört. Alle sind so verweichlicht heutzutage, das ist wirklich zum kotzen. Wo ist die gute alte Zeit hin?“, meinte Wood und er wandte sich ab.

Der stämmige Mann ging ein paar Schritte auf Linda zu, während Engl ihm mehr oder weniger im Weg stand.

Beim Vorbeigehen erwähnte der Boxer:

„Gerando Wood? Das ist doch ihr Name, nicht? Wie konnte ein so klassischer Zauberer so tief sinken? Wo ist der Respekt, den man von so mächtigen Männer hatte? Ist das vielleicht der Grund, warum sie nicht mehr...............“, aber Wood unterbrach den jungen Mann, indem er harsch zu Linda sprach:

„Wo ist die Toilette, Westallya?“

Linda verwies auf die Tür in der Eingangshalle, zu der der Mann zugleich verschwand. Er schweifte nicht ein einziges Mal zu Engl, sondern ließ den Boxer schweigend kurz hinterher blicken.

„Was für ein Trottel.“, murrte der Kampfsportler, der darauf zu Linda sah:

„Wieso ist der überhaupt hier? Also Linda, das verstehe ich jetzt nicht............, dem würde ich nicht einmal meinen Restmüll anvertrauen.“, erklärte Engl verständnislos. Linda schwieg jedoch, sie blickte nicht einmal antwortend zu Engl, sondern sie schien diese Frage komplett zu ignorieren und weiterhin nervös geradeaus zu starren.

Rick bemerkte immer mehr, dass irgendetwas mit Linda nicht ganz stimmte. Hatte der mürrische Mann damit zu tun?

„Eine beachtliche Geschwindigkeit, wie zu erwarten. Astar......, so darf ich sie doch nennen. Ich bin wie immer sehr beeindruckt von ihren Fertigkeiten, aber sie sind ja auch noch in den Dreißiger so ein geschmeidiger Mann.“, lobte die Dame mit den langen roten Haaren.

„Ich fühle mich geehrt, wenn die berühmte Gildenmeisterin der Flower Guild so etwas zu mir sagt.“

„Warum diese Floskeln? Sprechen wir uns doch einfach mit dem Vornamen an? Ich mag dieses Getue nicht so.“, antwortete die rothaarige Dame.

„Wie sie wünschen, Rose Pfeilwild.“, und die Frau nickte halb zufrieden.

Astar wandte sich anschließend Linda zu und meinte:

„Ich entschuldige mich, dass ich euch unterbrochen haben. Gern können sie fortsetzen mit der Vorstellung. Die anderen haben bestimmt schon lange genug gewartet. Ich hoffe meine Vorstellung konnte etwas dazu beitragen, auch wenn es nicht allzu besonders war.“, Linda nickte, aber bevor sie fortfahren konnte, meldete sich der andere große korpulente Mann zu Wort, der bisher schweigend neben der älteren Dame mit dem hochgebunden schwarzen Haar stand.


 

Eine tiefere männliche Stimme erklang aus dem rund geformten Mann, dessen schwarzen Anzug schon ein wenig spannte. Seine schwarze Krawatte lag auf einem leicht geformten Bauch. Dennoch konnte man sagen, dass dieser Mann auf sein Äußeres achtete. Sein Haar war nach hinten gekämmt und sein Bart war ordentlich rasiert, sodass nur sein gezackter Schnauzbart übrig blieb.

Seine tiefe Stimme hallte durch den Raum:

„Dann fahre ich mal fort. Ich habe heute noch wichtige Geschäfte zu tätigen. Es tut mir zwar Leid, aber Zeit ist nun einmal Geld.“, er wandte sich anschließend Rick und den anderen zu:

„Ich möchte auch wie Herr Tozzen gern etwas ausprobieren, deswegen frage ich sie, Frau Westallya, wer wird mein Schüler sein?“, sein Blick wanderte kurz zu ihr.

Linda nickte ihm zu, während ihre rechte Hand zu Daniel wanderte:

„Er hier, Daniel wird ihr Schüler sein.“, sie blickte kurz zu dem Jungen:

„Dieser Mann ist bekannt unter seinem Künstlernamen Herr Zickzack. Ein Händler, Experte im Bau von Maschinen und sonstiger Technologie und dazu führt er noch ein millionenschweres Unternehmen, welches sich auf Roboter spezialisiert hat. Da er früher auch ein herausragender Schütze war, dachte ich mir, dass es vor allem dich, Daniel, in vielen Bereichen unterrichten kann. Du scheinst mir sowieso jemand zu sein, der sich gut mit Technik, Computer, Maschinen usw. auskennt, außerdem glänzt du öfters mit Fachwissen, deswegen denke ich, dass du ein guter Schüler sein wirst.“, Linda lächelte.

„Interessant.“, murmelte Daniel. Er schaute zugleich zu seinem zukünftigen Mentor:

„Sie bauen also Roboter? So richtig große Maschinen, in denen man sich auch hineinsetzen kann?“, fragte Daniel. In seinen Worten klangen deutlich die Neugier mit. Der Händler nickte stolz.

„Herr Zickzack..........., so so..............., auch als Geschäftsführer der Globalweaponfactory bekannt. Begabt in vielen Bereichen, natürlich auch im Verursachen von vielen unschuldigen Opfern, Herr Waffenhändler.“, fragte Rose. In ihrer Stimme klang deutlich ein sehr abwertender Ton mit.

„Ich höre ein gewissen Sarkasmus aus ihren Worten. Sie scheinen wohl auf etwas deuten zu wollen, was man einer Verleumdung nahelegen könnte.“, meinte der korpulente Händler.

Er verschränkte seine Arme und der Mann baute sich vor der rothaarigen Schönheit auf.

„Na ja........, ich mag nun mal keine Menschen, die für den Tod vieler Unschuldiger verantwortlich sind. Es ist nur logisch, dass soziopathische Schweine dies nicht verstehen können.“, erklärte sie in einem sehr eisigen Tonlage.

„Wow........., da ist ja jemand schlecht gelaunt, aber ihrer Meinung kann ich irgendwie zustimmen.“, meinte Rick erstaunt. Er sah den Händler nun mit anderen Augen an.

„Sehr geehrte, Frau Pfeilwild, aber wie kommen sie darauf, dass ich für den Tod vieler verantwortlich bin? Wenn sie auf mein Waffengeschäft hinauswollen, ich verkaufe Waffen hauptsächlich an demokratische Länder, außerdem wäre ich mir sicher, dass die Hälfte der Mitglieder aus eurer Gilde keine Waffen hätte, würde ich nicht in diesem Geschäft sein. Wenn, dann kann man mir die gute Sicherheit des Landes vorwerfen oder die Tatsache, dass ich schon viele Anschläge indirekt verhindern konnte.“, erwiderte der Mann. Rose musste daraufhin laut loslachen:

„Leben sie auf einem anderen Stern? Haben sie jemals Zeitung gelesen oder verlassen sie nie ihre Traumwelt? Der Anschlag im Einkaufszentrum von Jillwa geht auf das Konto einer Gruppe, die Waffen ihrer Firma trugen.“, erklärte die Gildenmeisterin. Sie wurde immer zorniger.

„Was wirklich! Das..........“, Rick fühlte sich plötzlich viel mehr betroffen.

Er sah den Mann nun mit großer Skepsis an.

War dieser wirklich dafür verantwortlich, zumindest indirekt?

„Das war das Versagen der Fabrik, die meine Güter zwischenlagern, wenn ich sie weiterverkaufe. Ich wurde übrigens ausgeraubt, dies stand ebenfalls in der Zeitung. 32 meiner treuen Mitarbeiter wurden dabei getötet. Über 75% meiner gestohlenen Ware habe ich aber inzwischen wieder zurückerlangt, daher wäre es nur eine große Frechheit mir die Schuld des Anschlags in die Schuhe zu schieben. Ohne mich hätte der Sicherheitsdienst, der größten Teils mir gehört und den ich stark subventioniere, keine Waffen gehabt, außerdem wäre ohne meiner Hilfe die Ausbildung nicht so effizient gewesen, außerdem wäre der Sicherheitsdienst nicht in der Lage gewesen die Geiseln lebendig zu befreien. Der Beweis steht neben ihnen. Könnten sie dies eventuell überlesen haben? Oder stiften sie hier nur Unruhe, welche sie zu Gunsten ihrer Skepsis nutzen.“, erwiderte der Händler.

Die Gesichtszüge von Rose verzogen sich immer weiter nach unten.

„Er hat Recht..........., nachdem was mir Tina oder Alina erzählt haben................, haben die Sicherheitskräfte die Beiden am Ende gerettet.“, überlegte Rick.

„Sie sind doch Gildenmeisterin? Ich bin mir sicher, dass einer ihrer Mitglieder Waffen aus meiner Schmiede nutzen.“, fragte der Mann nach.

„Meine ehrenwerte Schüler nutzen keine Waffen, an denen das Blut von Unschuldigen klebt.“, ihre Hand erhob sich und zornig zeigte sich auf den korpulente Händler:

„Ich weiß nämlich ganz genau, dass ihr großes Unternehmen arme Leute in Minen ausbeuten, um an die wertvollen Ressourcen zukommen. Sie bringen arme Länder in den Bürgerkrieg und anschließend nutzen sie diese Situation aus, um die letzten Geldmittel abzugreifen.......“, Linda unterbrach die andere Gildenmeisterin:

„Rose.........., es ist zwar verständlich, warum du so ein Zorn hegst, aber diese Anschuldigungen gehen zu weit. Du hast doch keine Beweise.........“, Rose schlug die Hand von Linda zur Seite, während sie das nervöse Gesicht der sonst immer taffen und selbstsicheren schwarzhaarigen Gildenmeisterin ansah:

„Mein Mann war ein Entwicklungshelfer, der sich für die Armen eingesetzt hat und er starb durch eine Explosion, die von einer Bombe verursacht worden ist, die aus einem Flugzeug abgeworfen wurde, welches von einem demokratischen Land hergestellt wurde und das Logo der Firma trug, die dieser Mann besitzt.“, ihre Stimme wurde schärfer, langsam klang sie bedrohlich.

„Ich verstehe ihren Zorn und ihr Verlust in unersetzlich, jedoch ist diese Verleumdung enorm und ungerechtfertigt. Ich könnte sie wegen Rufschädigung anzeigen, aber ich belasse es dabei, denn sie müssten den Stahlhersteller, den Flugzeugbauer, die Chemiefabriken und die Politik auch in Gefängnis werfen lassen, wenn sie jedem die Schuld zuschieben wollen, der im entferntesten Sinne mit der Bombe zu tun hatte.“, sein Blick wurde strenger:

„Wie sie schon wissen, stelle ich Waffen her, aber kein Sprengstoff. Ich baue keine Bomben und noch weniger werfe ich sie ab. Wenn Krieg herrscht, dann ist das Risiko jedes Entwicklungshelfer, dass dieser eventuell sterben kann.........“, mit diesen Worten brachte er wohl das Fass zum überlaufen, denn rote Streifen zogen sich in Spiralform von der rechten Handfläche von Rose über die Haut bis zum Gesicht und leuchteten dann anschließend hellrot.

In binnen weniger Sekunden stand ein zwei Meter großes Ungeheuer neben der Gildenmeisterin und Linda wich erschrocken zurück.

Der Rücken des Monsters brannte, außerdem hatte dieses Ungeheuer eine starke Ähnlichkeit mit einem Bär, nur dass dieser ein Maul voller spitzen Zähne hatte und metallische Tatzen trug.

Schon stürmte der dämonische Bär auf den Händler zu, der völlig unbeeindruckt dem Monster entgegen sah.

Das Ungeheuer hinterließ in der Straße tiefe Spuren und mehrere Risse im Beton.

Panische Schreie waren in der Entfernung zu hören, wahrscheinlich weil Bewohner das Monster bemerkt hatten.

Zickzack öffnete seine rechte Hand und er murmelte ein paar unverständliche Silben, während er ein goldenes Kreuz nach vorn hob und eine Barriere zog sich vor ihm hoch.

Das Ungeheuer prallte mit Wucht dagegen und es rollte dadurch im Anschluss nach hinten. Wahrscheinlich war es deswegen kurz benommen.

Linda packte währenddessen Rose und verpasste ihr eine kräftige Ohrfeige, die zeitgleich das streifenförmige Muster verschwinden ließ und das Feuermonster in viele kleine rote Partikel auflöste.

Schnell kam die rothaarige Gildenmeisterin zur Besinnung:

„Ich gehe...............“, gab Rose bekannt und anschließend ging sie in Richtung der Stadt.

Wortlos zog sie an Zickzack vorbei, ohne dass einer von beiden etwas sagte, ohne ein Kommentar dazugab.

Es herrschte eine kurze unangenehme Stille, bis in der Ferne die Polizeisirene zu hören war.

Ein Polizeiwagen raste an und der Kommissar Heon Stahl stieg aus.

Mit schweren Schritten und einem ebenfalls mürrischen Gesichtsausdruck wandte er sich Linda zu:

„Mir wurde gemeldet, dass sich hier ein brennendes Ungeheuer befindet?“

„Ah......, ich kümmere mich schon darum.“, meinte Rossya und sie eilte zu Linda. Lindas weißhaarige Freundin bat den Kommissar mit ihr ein paar Meter weg zugehen, während Linda nervös und mit einem seltsamen Gesichtsausdruck die Gäste wieder in die Eingangshalle bat.

„Linda, wie kommst du eigentlich darauf, so ein Mann hierher einzuladen? Also du hast schon ein seltsamen Geschmack.“, meinte Engl zu der Gildenmeisterin.

„Hast du wirklich nicht vorher geprüft, ob..........“, wollte Engl weiter fragen, als er bemerkte, dass die Gildenmeisterin dazu nichts sagen würde.

„Es ist natürlich unschön, wenn so etwas passiert, aber in meiner Branche ist dies nun leider öfters der Fall. Ich entschuldige mich, Frau Westallya, aber können wir nun fortsetzen, denn meine Geschäfte lassen sich leider nicht verschieben.“, fragte der korpulente Händler, dabei trug er immer noch sein sehr geschäftlichen gleichgültigen Gesichtsausdruck.

Linda nickte zögerlich und zugleich verwies sie auf Daniel, jedoch schwieg die schwarzhaarige Dame zu allem.

„Also auch ich habe ein kleinen Test vorbereitet. Es ist nichts schweres oder so etwas, ich möchte lediglich etwas herausfinden.“, erklärte Zickzack, währenddessen überreichte er Daniel, der nun vor ihm stand, eine Schusswaffe.

„Kennst du dieses Modell?“, fragte Herr Zickzack währenddessen.

Daniel nahm die Waffe entgegen und er schaute sich diese genauer an.

„Nein.“, meinte der Junge daraufhin ein wenig nervös.

„In Ordnung.“, der Mann nahm die Waffe zurück und überreichte Daniel eine weitere:

„Und was ist mit dieser hier? Kennst du dieses Modell?“, fragte er anschließend.

Daniel untersuchte auch diese.

Wieder zuckte der Junge mit den Schultern und überreichte diese dem korpulenten Mann.

„Na ja......., es ist ja auch kein Grundwissen. Wir müssen dann wohl ganz von vorn anfangen.“, murmelte der Waffenhändler.

„Entschuldige, Herr Zickzack, aber ich habe mich in letzter Zeit hauptsächlich mit so etwas auseinandergesetzt.“, Daniel hob sein Smartphone in die Luft.

„Dabei habe ich mich informiert aus was es so besteht. Was mich aber erstaunt hat, dass der Mantel der Hülle aus dem gleichen Material ist, wie der ersten Waffe, die sie mir gegeben hatten, wobei ich glücklicher gewesen wäre, wenn dieses Material die gleiche Härte und Zugfestigkeit hätte wie das Material vom Griff der zweiten Waffe. Die Temperaturbeständigkeit ist ja auch zugleich doppelt so hoch. So ist im Sommer mit weniger Problemen zu rechnen. Ich denke, dass ein Verzug durch die Größenausdehnung bei Hitze schon für Probleme Sorgen könnte. Ein Nachteil wäre die elektrische Leitfähigkeit, aber das ist ja bei einer Waffe egal, aber bei meinem Handy natürlich nicht, denn da könnte so etwas natürlich zu..........“, Zickzack unterbrach den Jungen und meinte:

„Ich korrigiere mich.........., dein Wissen ist erstaunlich für dein Alter. Ich hätte nie gedacht, dass du dich mit so etwas auskennst. Normalerweise lernen Jungs zuerst....................“, er dachte kurz nach:

„Vergiss was ich gerade sagen wollte, denn so ist es viel besser für mich. Du hast den Test bestanden, Junge.“, der Mann schaute kurz zu Linda und er nickte zufrieden, sodass die Gildenmeisterin nach einer kurzen Verzögerung ebenfalls nickte.

„Was ist denn mit ihr los? Linda benimmt sich schon die ganze Zeit so seltsam? Auch stimmt hier irgendetwas nicht, zumindest fühle ich etwas, was nicht besonders angenehm ist.“, überlegte Rick. Sein Blick steifte währenddessen durch den Raum, dabei sah er in hauptsächlich angespannte und gleichgültiger Gesichter.

Der korpulente Händler sah auf seine goldene Armbanduhr am rechten Handgelenk, daraufhin meinte er:

„Wenn dann nichts mehr ist, würde ich mich gern vorbereiten. Morgen früh werde ich wieder abreisen.“, erklärte er.

Er sah daraufhin zu Daniel.

„Mache dich also bis morgen früh fertig. Ich werde dich hier abholen. Sei pünktlich!“, Daniel nickte und daraufhin verabschiedete sich der Händler und er lief ebenfalls in die Stadt.

Bauarbeiter hatten sich schon vor den Löchern versammelt und verärgert warfen sie abwechselnd zornige Blicke in Richtung des Gildenhauptquartiers.

„Ein seltsamer Mann. Ich mag ihn nicht.“, ließ die Dame mit dem hochgebundenen schwarzen Haar bemerken. Sie blickte gleichgültig und ein wenig abschätzig dem korpulente Mann hinterher.

„Keine Frage, dass dieser Geschick im Handwerk und Handel aufweist, aber ihm zu vertrauen und vor allem einen heranreifenden........., aber nun ja..........., ich bin nicht die Gildenmeisterin.“, die Dame sah nun wieder nach vorn:

„Ich bin nicht hier um zu belehren.“, erklärte sie. In ihrer Stimme klang ein wenig Hochmut mit.

„Ein Geschäftsmann halt, aber deswegen gleich so auszuticken, also ich mein jetzt damit diese rothaarige Schönheit.“, meinte Ronin leicht verständnislos.

„Männer neigen auch gern zu Exzessen.“, gab die schwarzhaarige Dame, die ihm gegenüber stand, bekannt.

„Da seid ihr alle gleich. Ob Geschäftsmann oder Gildenmeister.“, fügte sie hinzu.

„Also....., mich mit ihm zu vergleichen, das ist schon ein wenig unfair. Auch ich halte nichts von Leuten, die so skrupellos mit Menschenleben handeln.“, erklärte Ronin nicht so wirklich überzeugend.

„Soll ich sie daraufhin weisen, dass sie ebenfalls für Geld alles tun. Sie sind ja Söldner.“, meinte Ronins Gegenüber.

Eine gewisse Spannung baute sich immer weiter auf.

Es schien so, also könnten sich die nächsten zwei Kandidaten nicht vertragen.

„Ein Waffenhändler ist was ganz anderes. Ich verticke zum Beispiel keine Waffen.“, wurde Ronin zorniger.

„Ein Söldner ist für mich auch keine bessere Berufung.“, erklärte sie mit deutlicher Betonung.

„Entweder ihr müsst irgendetwas kaputtmachen, besetzen oder erobern. Ich kenne nicht wirklich einen Mann, der auch ehrenamtlich für die Waisen arbeitet, also von sich aus, außer er kann damit öffentliche Interesse wecken.“, erklärte die Dame.

Ronin sah so aus, als würde er widersprechen wollen, doch der Söldner musste darüber nachdenken.

„Ihnen fällt also kein Mann ein? Das ist auch nicht verwunderlich.“, antwortete sie darauf.

„Es gibt sie bestimmt, Frau Herrwald.“, erwiderte Ronin, während er seine Arme verschränkte. Er schien ernsthaft darüber nachzudenken.

„Denken sie weiter darüber nach, ich werde mich solange dieser Angelegenheit hier widmen.“, erklärte die schwarzhaarige Dame.

„Natürlich, Frau Herrwald.“, stimmte Linda sofort zu und mit einem höflichen Lächeln verwies sie auf ihre Gruppe.

Linda schaute zu Rick und den anderen.

„Das ist Marris Herrwald. Sie ist die Rektorin einer berühmten Hochschule nahe der Küste von Festa. Ihre Hochschule ist bekannt für die exzellenten Heilkünste und für die großartige Pflanzenkunde. Sowohl bekannte Ärzte, Krankenschwestern, Heiler oder auch alles aus dem Fachbereich Biologie, wie auch Experten in der Naturwissenschaft haben dort ihren Abschluss gemacht. Wer sich berufen fühlt irgendetwas in diese Richtung zu erlernen, der ist dort richtig aufgehoben.“, begann die schwarzhaarige Gildenmeisterin.

Sie schaute daraufhin zu Herrwald:

„Sie unterrichtet schon mehrere Jahrzehnte an dieser Hochschule und auch sie ist eine bekannte Forscherin. Rossya machte dort übrigens ihren Abschluss.“, fügte Linda hinzu.

„Eine exzellente Schülerin, die ausgezeichnetes Wissen beherbergt, der man aber ordentlich Manieren beibringen sollte. Zum Beispiel hätte man ihr erklären sollen, dass man die Hochschule öfters besuchen sollte.“, gab Marris mürrisch bekannt.

Ihr Blick schweifte anschließend zu Rick und den anderen:

„Also ich dulde keine Nachlässigkeit in meinem Unterricht. Bei mir herrscht ordentliche Disziplin! Ich unterrichte nur die Elite und jeder der meint, er könne faulenzen, der fliegt!“, erklärte Marris.

„Oh..........., jetzt verstehe ich warum Rossya so ist.“, überlegte Rick. Es schauderte ihn bei den Gedanken von Marris Herrwald unterrichtet zu werden.

Linda ging ein paar Schritte auf die Gruppe zu und wandte sich anschließend Alina zu:

„Ich denke, dass du am Besten dafür geeignet bist. Du wirst die Schülerin von Frau Herrwald für die nächsten vier Jahre und du machst dort dann natürlich auch deinen Abschluss.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Bitte was?“, meinte die Blondine entsetzt.

„Die Hochschule in Festa wird zu dir passen.“, meinte Linda überzeugt.

„Festa? Das ist ja noch weiter weg von Rick! Außerdem wieso sollte ich..........“, wollte Alina erwidern, da meinte die schwarzhaarige Gildenmeisterin:

„Ich habe gesehen, wie du heimlich geübt hast. Du hast immer wieder mal im Garten Wurzeln bewegt und Blumen blühen lassen. Du hast Äste von Bäumen gebogen, ohne diese zu berühren.“

„Was..........., woher...........“, meinte Alina überrascht.

„Alina hat was? Davon wusste ich gar nichts?“, meinte Rick überrascht.

„Ich sehe alles.“, lächelte Linda zufrieden.

„Vor allem, wenn du danach nicht aufräumst.“, fügte die Gildenmeisterin hinzu.

Alina wirkte plötzlich ein wenig erbost.

„Aber dennoch werde ich mich nicht von Rick trennen! Wegen dieser Entfernung sehe ich ihn dann kaum noch und das will ich einfach nicht, ist das klar!“, erwiderte sie lautstark.

„Dann ist es einfach.“, begann Linda.

„Entweder du gehst dort mit oder du und Rick werden hierbleiben.“, meinte die Gildenmeisterin.

Alina grinste zufrieden:

„Dann bleibe ich auf jeden Fall hier! Als ob ich mich vier Jahre auf irgendeine Reise begebe. Ich habe keinen Bock auf eine neue Welt. Ich fand es richtig cool hier und ich habe hier meine Ruhe und mein tägliches Leben. Die nächsten Jahre brauche ich nichts anderes!“

„Warte!“, rief Rick. Etwas in ihm war plötzlich ein wenig verärgert. Seine Freundin schaute ihn verwundert an.

„Es ist natürlich etwas, was ich überhaupt nicht will, aber im Gegensatz tut Linda uns hiermit ein großen Gefallen. Ich meine, das mit dem Training und der Weiterbildung, sie hat extra für uns Lehrmeister organisiert und nun bekommt jeder von uns die Chance etwas besonderes zu werden. Eine Reise zu machen. Vier Jahre etwas neues zu erlernen und zu erleben, ein wenig raus zukommen aus unserem gleichen Leben. Wir können nun endlich was tun, was wir sonst nicht tun können. Eigentlich bin ich wirklich dafür diese Chance zu nutzen, denn wir können uns ja trotzdem sehen? Diese Entfernung wird uns nicht kleinbekommen, das verspreche ich!“, erklärte Rick mit einem sehr überzeugten Gesichtsausdruck.

Der Junge war selbst darüber erstaunt, dass er jetzt versuchte sich recht zu fertigen.

Alina schien diese Meinung wohl nicht zu teilen.

„Du willst also, dass wir uns vier Jahre kaum sehen? Magst du mich denn gar nicht mehr? Du scheinst unsere Beziehung nicht ernstzunehmen.“, wurde die Blondine lauter.

„Das ist unfair! Glaubst du wirklich, dass unsere Beziehung dies nicht verkraften könnte?“, fragte Rick und seine Freundin wurde plötzlich still.

„Natürlich!“, erwiderte sie fort.

„Ich möchte eine klare und deutliche Antwort von dir hören!“, mischte sich Marris ein.

„Ja oder nein?“, fügte die schwarzhaarige Dame mürrisch hinzu.

Alina schwieg zunächst und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie starrte ihren Freund zornig an, der weiterhin seinen entschlossenen Blick beibehielt. Er glaubte fest an seine Freundin, dass sie jetzt das richtige sagte.

„Wenn du mich jederzeit besuchen kommst! UND ICH MEINE WIRKLICH SO OFT WIE MÖGLICH!“, erklärte Alina mit lauter Stimme.

„So oft, wie es mir möglich ist, dass verspreche ich dir absolut, Alina.“, antwortete Rick mit einem Lächeln.

„JA oder NEIN!“, wiederholte die Dame in einer harschen Stimmlage.

„Ja.............“, antwortete Alina unzufrieden.

„Gut........“, begann Marris zunächst:

„Dann bereite dich vor, denn wir werden ebenfalls morgen abreisen und sei pünktlich. Ich dulde keine Unpünktlichkeit!“, erklärte die Hochschullehrerin.

Alina verzog ihre Mundwinkel noch weiter nach unten. Sie schien jetzt schon keine Lust zu haben.


 

„Nun gut, wir haben ja schon ein großen Teil geschafft.“, fing Linda seufzend an und sie sah zu Tina.

„Dein Mentor wäre Rose Pfeilwild, aber ich muss sie leider erst aufsuchen gehen. Ich entschuldige mich Tina, aber würdest du nachher mit mir mitkommen und mir helfen Rose zu überzeugen? Sie ist eigentlich eine sehr nette Person. Sie hat nur ein schweren Verlust erlitten, der der Dame groß zu schaffen macht. Ich hoffe es schreckt dich nicht ab, denn Rose kennt sich wahrhaftig mit Beschwörungen aus. Auch sie ist eine Lehrerin, zusätzlich zum Gildenmeisterposten der Flower Guild. Sie unterrichtet nämlich an einer kleineren Schule für Beschwörungsarten vieler Richtungen. Ich dachte, dass du, Tina, die perfekte Kandidatin dafür wärst. Bist du damit zufrieden oder hast du irgendwelche Einwände?“

Tina nickte zuerst zögerlich. Sie schien über etwas nachzudenken.

„Ich verstehe, wenn du jetzt...........“, wollte Linda sagen, da meinte Tina:

„Nein nein..........., ich habe keine Angst oder so etwas. Sie tat mir auch ein wenig Leid, denn das war so traurig, also das was ihrem Mann widerfahren ist. Ich habe schon gespürt, dass sie eigentlich ganz nett sein muss.“, das Mädchen sah kurz zur Seite:

„Es ist eher etwas anderes, denn ich habe doch gar keine Ahnung, wenn es um Beschwörungen geht...........“, meinte Tina ein wenig verlegen. Sie sah immer wieder zur Seite, während sie leicht errötete.

„Ach was.........., ich sehe Potenzial in dir, Tina! Habe ein wenig mehr Selbstvertrauen! Ich weiß, dass du das packst und Rose weiß das auch. Ich habe mit ihr nämlich schon darüber geredet.“, erklärte Linda. Die Gildenmeisterin klang nun wieder ein wenig fröhlicher und lockerer.

Tina nickte zögerlich. Wahrscheinlich, weil das Mädchen sowieso viel zu viel Angst hatte zu widersprechen.

„Tina und die Beschwörungen...........“, murmelte Rick.

Der Junge erwischte sich dabei, wie er sich Tina einen Moment lang als Beschwörungsmeisterin vorstellte.

Lächelnd sah er kurz zur Seite.

„Was ist denn Rick?“, fragte Alina sofort nach. In ihrer Stimme lag wieder einmal eine leichte Skepsis.

„Ich muss gerade nur über etwas.............. nachdenken.“, erklärte er, aber seine Freundin schien sich damit nicht zufrieden zugeben, als würde sie wissen über wen er eigentlich nachdachte.

„Danke dir Tina. Du wirst es sicherlich nicht bereuen.“, versicherte Linda.

„Also dann, gehen wir heute Abend zu ihr.“, die Gildenmeisterin seufzte kurz:

„Tut mir Leid, Tina, dass das heute so ungünstig gelaufen ist.“, meinte sie.

„Ach........., kein Problem.“, beschwichtigte Tina sofort.


 

„Ich hätte da mal eine Frage, Linda.“, unterbrach Max und die Gildenmeisterin schaute auf.

„Du sprachst davon, dass wir sieben einen Mentor bekommen, aber ich überlege mir schon die ganze Zeit, wen du als Siebtens gemeint hast?“, er sah sich um und auch Rick fiel auf, dass sie ja eigentlich nur zu sechst waren.

Die schwarzhaarige Gildenmeisterin erhob erfreut die Hand:

„Dann hast du ihn nur noch nicht bemerkt.“, meinte sie. Die Dame sah an Max vorbei.

Der daraufhin leicht nervös und seufzend meinte:

„Verdammt...........! Immer wieder das Selbe.“, murmelte der Junge.

Illan stand ein weiteres Mal, wie aus dem Nichts, neben der Gruppe.

„Unheimlich die Fähigkeiten eines Vampirs.“, meinte Rick beunruhigt. Er hatte den Jungen bisher auch nicht bemerkt.

Illan sah Linda mit einer ernsten Miene an.

„Bekommt er etwa auch einen Mentor? Ist der nicht schon.............?“, überlegte Rick.

„Für dich habe ich jemand aufgesucht, denn du selbst wahrscheinlich schon seit einer ganzen Weile gesucht hast.“, begann die Gildenmeisterin.

Der Blick der Dame gingen in Richtung des jungen Mannes, welcher links von Marris stand.

Die anderen Gäste sahen ebenfalls zu diesem Mann, dieser hob sofort seine Hände:

„Oh wow.........., ich bin hier nur zu Besuch, also wegen meinem Kumpel Ronin. Ich bin kein Mentor oder so. Ich stehe hier nur zufällig und ungünstig. Entschuldige falls ich........“, erklärte ein relativ junger Mann mit weißen Haaren und einem etwas sehr ungewöhnlichen Mantel.

Auf seinem dunkelblauen Mantel befanden sich Symbole, wie Sterne, Monde und Sonnen, in weißer Farbe, dazu trug der junge Mann auch noch ein Zylinder.

„Ist der ein Zauberer?“, dachte Rick verwundert.

Der junge Mann wurde von Ronin unterbrochen:

„Sie meint nicht dich.“, erklärte er.

Der Zylinderträger mit dem angespannten Gesichtsausdruck und der purpurfarbenen Pupillen wich nach hinten, dabei bemerkte er wohl eine weitere Person, die wie Illan, wohl mitten aus dem Nichts, erschienen war.

„Woah......... was?!“, meinte der ummantelte Mann mit blassem Gesichtsausdruck.

„Wo kommt der jetzt her? Wie zum..............?“, murmelte er anschließend völlig perplex.

Der zwei Meter große Mann, dessen Hautfarbe noch blasser war, als die des erschrockenen Mannes, trat hervor.

Seine Miene war wie aus Stein gemeißelt und das lange schwarze Haar wirkte so, als würde es sämtliches Licht der Umgebung absorbieren.

Sein langer schwarzer Mantel streifte ebenfalls am Boden und seine gelben, leicht rötlichen Pupillen waren fixiert auf den Vampir.

„Klar Wake..........“, murmelte Illan sehr überrascht.

Es war das erste Mal für Rick, dass er den jungen Mann so sah, aber schnell war seine Miene wieder gleich dem Mann, der die meisten im Raum überragte.

Es wurden keine Worte gewechselt, es wurden nur Blicke ausgetauscht und zugleich verschwand der Mann namens Klar aus der Eingangshalle.

Illan folgte ihm und daraufhin waren die beiden auch aus dem Sichtfeld verschwunden.

„Kann es sein, dass der Typ auch ein...............“, wollte Max fragen, da sprach Linda ihm schnell ins Wort:

„Nun.........., dann verbleibst nur noch du.“, erklärte die Gildenmeisterin mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Miene des schwarzhaarigen Jungen verzog sich weiter nach unten, denn sein Blick schweifte zu dem unfreundlichen stämmigen Mann, der sich lautstark bemerkbar machte, als dieser die Toilettentür hinter sich zuschlug. Mit verschränkten Armen lief er zu den anderen.

„So........., ist dieser Kindergarten endlich fertig? Man kann ja nicht einmal in Ruhe aufs Klo gehen, denn gleich muss immer so ein Lärm ausbrechen.“, er sah zu Linda:

„Wen muss ich mitnehmen?“

Die Gildenmeisterin sah zu Max, daraufhin sah auch der unfreundliche muskulöse Mann auf den Jungen herab.

„Dieser Bursche? Wirklich? Soll das ein Witz sein? Der bekommt doch nicht mal eine gerade Kerbe mit der Axt hin. Was will ich mit dem?“, murrte Wood zugleich.

„Wow........, das muss ich mir nicht geben. Da gehe ich doch gleich.“, erklärte Max sofort. Er setzte an die Treppen hinauf zu gehen.

„Warte, Max!“, unterbrach Linda den Jungen erneut, daraufhin wandte sie sich Wood zu:

„Herr Wood.........., sie sind ein gebildeter Mann, der schon seit einigen Jahren bewiesen hat, dass er abseits jeglicher Zivilastion überleben kann. Sie wohnen schließlich zwischen verschneiten Bergen. Sie sind der beste Lehrer, wenn es um einen starken und unzerbrechlichen Überlebenswillen geht. Sowohl körperlich als auch geistig. Sie sind eine gewisse Legende.“, erklärte die Gildenmeisterin.

„Ich soll vier Jahre in der Wildnis überleben? Das ist mein Training? Verstehe ich das richtig?“, beschwerte sich Max.

„Mit dieser Einstellung kommst du bei mir nicht weit! So bist du zu nichts gebrauchen.“, erklärte der stämmige Mann mit ernster Stimme.

„Werde auch ein wenig größer. So endest du nur als Dünger im Wald. Höchstens als Futter, wobei bei dir nichts dran ist.“, fügte Wood hinzu.

„Ich brauche mich nicht so heruntermachen zu lassen. Es ist kein Wunder, warum sie allein wohnen und allein in der Wildnis überleben müssen. Als ob ich mir das die nächsten vier Jahre mit so jemand antun muss. Ich setze mir doch kein so ein unnötig schweres Ziel.“, beschwerte sich der schwarzhaarige Junge.

„Reiß dich zusammen, Max.“, mischte sich Rick ein.

„Warum? Ihr habt ja nicht so ein...........“, wollte der Junge erwidern, aber da meinte Rick sofort mit lautstarker Stimme:

„Jeder von uns muss sein Päckchen tragen. Ob es jetzt ausgeglichen ist, das will ich nicht behaupten, aber bisher weißt du ja nicht einmal wie es dort aussieht, immerhin wirst auch du eine Schule besuchen, so wie wir und auch du wirst ein Abschluss machen, nicht wahr Linda?“, jedoch schwieg die Gildenmeisterin, aber Rick sprach einfach weiter:

„Dir wird eine Chance geboten! Außerdem wird es jeder von uns nicht einfach haben, aber wir setzen uns alle ein Ziel und zwar, dass wir in vier Jahren wieder hier sind und unser Bestes getan haben, egal wie schwer es wird. In vier Jahren kann viel passieren. Wir dürfen uns vor dieser Länge und dem unscheinbaren Anfang nicht abschrecken lassen, denn wir sind die Ranger Guild. Wenn jeder von uns sich an diese Regel hält, dann wirst du das auch tun, denn wie gesagt, wir sind eine Gilde. Ein Team!“, erklärte er.

Max verschränkte seine Arme. Er wirkte beleidigt, daraufhin wollte der Junge wohl zu einer weiteren Erwiderung ansetzen, da unterbrach Linda Max ein drittes Mal:

„Rick hat die richtigen Worte schon gefunden. Ich fühle mich geehrt, wenn er so überzeugend für mich spricht.“, sie sah daraufhin auch zu den anderen aus der Gruppe:

„Ich fühle mich allgemein so geehrt, wenn ihr so herzlich, wenn ihr so dankbar, so erwachsen das Angebot annimmt.“, Linda sah nun wieder zu dem schwarzhaarigen Jungen:

„Du musst es auch nur probieren, Max. Aller Anfang ist schwer. Du wirst schon bald merken, dass nicht alles so ist, wie es zunächst erscheint. Du musst mir da einfach nur vertrauen.“, Max erwiderte nichts darauf. Er schien nicht wirklich überzeugt zu sein.

„Also ich bitte dich, Max, denn die anderen werden auch...............“, fügte Linda hinzu, da meinte Max schlecht gelaunt:

„Ist schon gut! Ich werde schon nichts mehr sagen.“, meinte er, jedoch klang der Junge deutlich unzufrieden.

„Nun gut............, man wird sehen, ob der Junge zu etwas gebrauchen ist. Man sieht das dann.“, meinte der muskulöse Einsiedler.

„Unfreundlich ist er ja........, irgendwie kann ich Maxs Gedankenweise schon nachvollziehen.“, überlegte Rick.

Daraufhin sah Wood zu dem schwarzhaarigen Jungen:

„Wir fahren in weniger als einer Stunde los, also sei in 30 Minuten am Hafen. Wehe du bist zu spät! Ich lese dir die Leviten!“, brummte der Mann, daraufhin drehte er sich um.

Wood ging ebenfalls in die Stadt, jedoch in schnellen und großen Schritten, dabei fühlte sich jeder Schritt immer noch so an, als würde man etwas Schweres fallenlassen. Der Mann ließ Max mit einem erstaunten und zugleich verärgerten Gesichtsausdruck zurück.

„In 30 Minuten? Echt jetzt?! Der Weg zum Hafen allein dauert schon fast so lang..........., ach verdammt! Warum ich?!“, fluchte der Junge lautstark und zugleich stampfte er beleidigt hoch zu seinem Zimmer. Wahrscheinlich zum packen.

„Endlich hat jeder seinen Mentor gefunden und wir können uns den schönen Sachen widmen, mit Ausnahme einer Sache.“, begann Linda. Sie seufzte daraufhin:

„Ich werde mit Tina nun Rose aufsuchen gehen. Ihr könnt euch ja noch so lange mit euren Mentoren unterhalten, aber lasst mich davor noch ein paar wichtige Worte loswerden, bevor ich verschwinde.“, begann Linda.

Sie sah daraufhin jeden von Ricks Gruppe einzeln an, dabei prüfte sie wohl jeden Gesichtsausdruck:

„Bitte denkt immer an eure Sicherheit. Übertreibt es nicht und passt auf euch auf. Damit ihr es wisst, ihr könnt mich jederzeit besuchen kommen.“, sie macht eine kurze Pause:

„Ich werde euch auch etwas versprechen. In vier Jahren wird diese Gilde nicht wiederzuerkennen sein. Ich verspreche, dass nicht nur ihr, sondern auch alles hier bereit sein wird, groß raus zukommen. Ein großen Erfolg zu erzielen. Genauso wie ihr, werde ich die nächsten vier Jahren an der Gilde und mir arbeiten, deswegen gebt euer Bestes und lasst von euch hören. Ich werde mich ebenfalls bei euch melden.“

„Dann möchte ich auch noch etwas loswerden.“, begann Engl.

Der junge Mann trat hervor, dabei warf er ein bösen Blick zu Ronin, der verwundert seine Augenbrauen hochzog.

Engl ließ sein Nacken entspannen, bevor er anfing:

„Ich kenne euch jetzt auch schon seit einer gewissen Zeit. Ihr seid ein klasse Team. Wenn ihr hier nun eine Weile nicht mehr hier seid, dann wird es wohl ein wenig eintönig werden, aber auch ich bzw. wir haben uns ein Ziel gesetzt. Also damit meine ich, Noju und ich. Wir wollen nämlich spätestes ab nächstes Jahr sagen können, dass wir unsere Vergangenheit hinter uns gelassen haben, aber dafür brauchen wir auch ein wenig Zeit. Ich hätte vor einigen Monaten nicht geglaubt, dass es so interessant sein könnte in einer Gilde Mitglied zu sein, deswegen wurde es für mich wichtig, dass ich nun ein neues Leben anfange. Ein richtiges Leben. Das klingt jetzt seltsam, aber es würde zu lange dauern, wenn ich jetzt versuchen würde das genauer zu erklären, also fasse ich mich da kurz. Ich hatte mich unter dem Strich einfach nur getäuscht, wie das Leben eines Gildenmitglied wirklich ist. Es macht Laune und es ist kein dumpfes Befehle folgen. Ich könnte aber auch nicht in irgendeiner beliebigen Gilde sein..........., ich schweife ab.............., also was ich eigentlich sagen will............., wenn ihr alle ein festes Ziel habt, dann lasst es nicht los. Arbeitet an euch und kommt heil zurück. Lasst uns in vier Jahren durchstarten. Brechen wir mit dieser Gilde durch die Decke, klar? Also Jungs und Mädels......, kommt heil zurück und habt Spaß. Ich werde solange dafür Sorgen, dass der Name dieser Gilde weitergetragen wird. Ranger Guild! In vier Jahren starten wir durch, auf jeden Fall!“, Rick nickte zustimmend, fast schon begeistert. So eine Ansprache motivierte ihn schon ein wenig.

„Prima, dann lasst uns noch den restlichen Abend zum Feiern nutzen, also wenn Tina und ich zurück sind.“, in diesem Moment kam Lindas weißhaarige Freundin durch die Tür.

„Ah perfekt! Rossya, du hast ja gesagt, dass du uns etwas Leckeres gezaubert hast?“, meinte Linda und ihre weißhaarige Freundin nickte.

„Oh ja, das habe ich! Ich habe extra keine Mühen gescheut, aber Linda ich muss nachher mit dir noch über etwas wichtiges reden.“, meinte die Forscherin.

Rossya sah nicht besonders glücklich aus. War also das Gespräch mit Heon so anstrengend gewesen? Rick hatte leider nicht genau aufgepasst, aber dieses seltsame Gefühl in der Luft, es war leider immer noch vorhanden und noch immer war es nicht so konkret, dass Rick es förmlich anfassen bzw. begreifen konnte.

„Also Tina........“, begann Linda und sie schreckte damit ein wenig das rotbraunhaarige Mädchen auf.

„........... gehen wir?“, fügte die schwarzhaarige Dame hinzu.

„Ja, ich bin bereit“, stimmte Tina zu. Sie schien nervös zu wirken, deswegen musste wohl die Gildenmeisterin kurz schmunzeln.

Daraufhin waren die beiden auch in Richtung Stadt verschwunden und Rossya eilte in die Küche.

Dr. Drogan verabschiedete sich ebenfalls, denn er musste zurück zum Krankenhaus.

Kurz darauf eilte Max auch die Treppen hinunter.

Der schwarzhaarige Junge verabschiedete sich ebenfalls und er eilte dann in Richtung Hafen.

Im völligen Stress wäre er beinahe sogar in die falsche Richtung gelaufen, aber der Junge machte noch rechtzeitig eine Kehrtwende und Max rannte anschließend in die richtige Richtung.


 

Am Abend rief Rick die anderen aus seiner Gruppe, bis auf Illan und Max, zusammen. Sie trafen sich im Hintergarten, während ein Teil der Mentoren, sowie Linda, Rossya, Engl und Noju immer noch in der Eingangshalle speisten.

Zuvor hatte man die Halle noch hergerichtet, was erstaunlich schnell funktioniert hatte.

Engl und Noju hatten schnell Tische und Stühle organisiert.

Die beiden hatten die Eingangshalle in einen Festraum verwandelt, als hätten sie dies schon öfters geübt bzw. getan oder die beiden waren einfach nur die perfekten Handwerker.

Da die Halle nun eine gewisse Lautstärke hatte, was auch zum Teil am Alkohol lag, wollte Rick die Besprechung lieber im ruhigen Hintergarten haben, auch wenn es schon recht dunkel geworden war, denn die Frage, die er stellen wollte, brauchte eine gewisse Konzentration und Rick wollte auch nicht unsinnig laut brüllen müssen.

Der Junge wollte aber noch etwas anders mit den anderen besprechen, bevor sie sich wohl eine Weile nicht mehr sehen würden. Wer wusste das schon so genau?

„Also über was wolltest du mit uns allen reden?“, fragte Alina, während die Gruppe sich im Kreis versammelte.

Sie schien ein wenig genervt zu sein, wahrscheinlich weil es draußen kalt war und das Mädchen wohl nicht daran gedacht hatte sich etwas wärmeres anzuziehen.

Die Sonne war schon fast am Horizont verschwunden und das war auch sozusagen der Zeitpunkt, an dem fast jeder von der Gruppe zur Abreise fertig sein sollte.

„Also ich wollte einen Schwur ablegen. Ein Schwur der uns alle erinnern soll, für was wir unser Training tun, falls es mal schwer werden sollte. Ich denke, dass vier Jahre eine verdammt lange Zeit sind. Eine längere Zeit, als wir uns alle kennen. Eine weitaus längere Zeit. Definitiv! In vier Jahren lernen wir neue Leute bzw. ein neues Leben kennen. In vier Jahren werden wir vielleicht ein Teil von hier vergessen haben. Deswegen wollte ich etwas ablegen, das uns immer daran erinnern soll, dass wir die vier Jahre gut nutzen sollen, um das eine Ziel zu verwirklichen. Die Gilde an die Spitze zu befördern und das als Team. Zuerst dachte ich, dass Linda übertreibt mit dieser Idee, aber wenn ich mir das so genau überlege, dann finde ich es absolut motivierend. Ich meine, dass ist ein wirkliches Ziel, was ich bisher noch nicht gehabt hatte. Bisher habe ich in den Tag hinein gelebt, aber nun weiß ich, was ich erreichen will, wenn ihr versteht was ich meine. Natürlich muss ich mir jetzt auch eingestehen, dass wir wahrscheinlich momentan wirklich nicht in der Lage sind dieses Ziel vernünftig zu erreichen, deswegen ist es gar nicht falsch zuerst ein Zwischenphase einzulegen, um sich dann voll und ganz der Gilde widmen zu können. Ein neue Erkenntnis, denn zulange verbrachte ich mein Leben auf dieser Insel und ich bin erstaunt, dass nur ein kurzer Moment gereicht hat, um mich davon zu überzeugen, also etwas neues auszuprobieren. Eine neue Erfahrung zu machen, was völlig anders ist. Egal ob es weit weg von dem ist, was ich kenne, was mir vertraut vorkommt oder was ich sehr schätze bzw. liebe. Ich mache mir nämlich keine Sorgen darum. Ich vertraue meiner Freundin, ich vertraue meinen Freunden, ich vertraue der Gilde, ich vertraue Linda. Ich trage vielleicht sogar ein wenig zu viel damit herum, aber das ist mir egal. Außerdem sehen wir uns ja noch, wir können uns jederzeit besuchen kommen und dank der neusten Technologie, können wir uns auch über große Entfernungen unterhalten. Nichts steht uns also im Weg und wir sollten wirklich das Angebot von Linda annehmen. Also was haltet ihr von einem Schwur? Ein Schwur, der davon handelt, dass wir uns von nichts abbringen lassen, dass wir diese vier Jahre knallhart durchziehen und dann in genau vier Jahren hier sind und das B-Turnier meistern werden. Seid ihr auch dieser Meinung?“

„Das mit dem neuen Leben, das ist etwas, was auch mich interessiert, deswegen stimme ich dir da zu.“, meinte Julius und Rick musste deswegen schmunzeln. Es motivierte ihn, wenn jemand zustimmte.

„Oh ja........., das Wissen was wir erlangen und mitbringen können. Die Erfahrung, die uns bereichert. Vielleicht finden wir auch so heraus, warum wir hier eigentlich auf dieser Insel gelandet sind, was unsere Vergangenheit ist und warum das alles passiert ist. Wieso wir diese Amnesie haben.“, meinte Daniel.

„Zu dem Thema wollte ich auch noch etwas sagen.“, unterbrach Rick.

„Gut, dass du das ansprichst.“, fügte der Junge hinzu. Daniel sah Rick überrascht an.

„Es scheint wohl etwas zu sein, was unter den Teppich gekehrt werden sollte. So denke ich zumindest darüber. Linda hat mal erwähnt, dass wir nicht einfach in die weite Welt spazieren und erklären sollten, dass hier in Ranger Guild Leute wohnen, die vom Himmel gefallen sind und teilweise mächtige Kristalle mit sich tragen. Es könnte sich nämlich sehr schnell zum schlechten wenden, sollten wir dies unbedacht tun.“, meinte der Junge.

„Dann halten wir halt die Ohren und Augen offen und bleiben ansonsten still.“, meinte Daniel.

„Wir können ja trotzdem herausfinden, ob es weitere von uns gibt. Ich bin mir sicher, dass wir nicht die einzigen sind.“, fügte er anschließend hinzu.

„Das könnte man schon so machen. Immerhin will ja auch ich, dass ihr endlich eure Antworten findet.“, stimmte Rick zu.

„Können wir den Schwur nun endlich ablegen? Es ist verdammt kalt hier draußen.“, mischte sich Alina ein.

„Nun gut........“, meinte ihr Freund und der Junge streckte seine Hand flach in die Mitte der Kreises aus.

„Ich verspreche in vier Jahren mein Bestes zu erreichen, um diese Gilde dann zum völligen Erfolg zu führen. Ich werde nicht versagen. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde meinen Schwur halten! Auf jeden Fall!“, Daniel stimmte sofort mit ein, aber seine Hand wurde von Alina weggedrückt, die sich sofort unter die Hand von Rick legte:

„So ein Kindergarten, aber na gut..........., dann müsst ihr euch aber auch wirklich daran halten, klar? Nicht nur einfach quatschen.“, meinte Alina.

Daniel versuchte es erneut und er legte seine Hand, ebenfalls in die Mitte, auf die von Rick:

„Aber klar doch und auch ich verspreche in vier Jahren so viel Wissen und Erfahrung mir angeeignet zu haben, dass ich helfen kann die Gilde zum Erfolg zu führen.“, Julius legte anschließend ebenfalls seine Hand in die Mitte:

„In vier Jahren brechen wir durch alles durch, was uns im Weg stehen wird. Niemand wird uns dann aufhalten können. Sorgen wir dann für einen Raketenstart senkrecht nach oben und bis zum höchsten Punkt, der möglich ist.“, Tina wirkte zwar zunächst zögerlich, aber auch sie legte ihre Hand auf die anderen:

„Na...... natürlich werde ich auch alles tun! Ich werde mein Bestes geben! Wir werden es schaffen!“

„Dann ist hiermit der Schwur abgelegt.“, erklärte Rick zufrieden.

„Hey.........., das Essen wird kalt! Wollt ihr wirklich nichts von diesem köstlichen Braten? Rossya hat sich echt Mühe gemacht.“, rief Engl durch die offene Hintertür.

„Hey! Ich wollte was davon abhaben!“, beschwerte sich Alina.

„Ich habe doch gesagt, dass ihr etwas zur Seite legen sollt!“, murrte das Mädchen anschließend. Sie eilte im Anschluss durch die Hintertür.

„Ich habe zwar noch gewisse Zweifel in mir, aber nun will ich umso mehr mein Bestes geben.“, begann Rick darüber nachzudenken, während er den anderen in das Gildenhauptquartier folgte.

„Vier Jahre.............., in vier Jahren werden wir es uns beweisen. Wir werden es Linda beweisen. Wir werden es der Welt beweisen!“, er schaute auf seine recht Hand, die er zu einer Faust ballte.

„Das ist mein Versprechen, Linda und ich halte mich an meine Versprechen!“, daraufhin schloss er die Tür hinter sich, als er das Gebäude betreten hatte.



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