The Splintered Truth von Meilenstein ================================================================================ Kapitel 13: Die Entführung VI --- Die Grenze -------------------------------------------- [Chupo] Sein blaues Auge schmerze noch immer und sein Schädel brummte. Das Gespräch mit dem Polizisten verbesserte die Situation auch nicht. Das Gespräch war auch eher ein Verhör, weil der Mann vor ihm immer wieder bescheuerte Fragen stellte und unterschwellige andeutete, dass er Chupo verdächtigte. „Wo waren Sie?“ Genervt neigte Chupo seinen Kopf nach links, dann wenig später nach rechts. Er suchte eine sinnvolle Antwort darauf. Ihm geisterten nur sarkastische Kommentare durch den Kopf. „Also wo waren Sie nun?“ „In der örtlichen Turnhalle. Ich habe mit den Kids trainiert.“ Er verwies mit seinem rechten Daumen die Straße entlang, die sich hinter ihm zum Stadtzentrum erstreckt. Der Polizist schaute in die Richtung, als würde er etwas in der Ferne sehen, dass die Antwort bestätigte. „Wie gut kennen Sie Alina Mintal?“ ‚Ach…, jetzt fängt er so an.‘ Wieder bewegte Chupo seinen Nacken nach links und dann nach rechts. „Sie ist die Freundin von einem meiner Schüler.“ „Wer?“ „Rick Nerafal.“ „Wie behandeln Sie ihren Schüler Rick Nerafal?“ Langsam stieg in Chupo Zorn auf. „Entschuldige Garbor, aber was sollte diese Frage jetzt? Du weißt wie ich die Kids trainiere…“, der Polizist erwiderte mit lauter Stimme und verzogener Miene: „HERR TATHOLZ! Ich bin für sie Herr Tatholz! Ich stelle hier die Fragen, klar? Sie müssen nicht gleich ausfallend werden. Ich habe eine einfache Frage gestellt. Wie behandeln Sie Ihre Schüler?“ ‚Was für eine Flachzange. Der kommt wohl immer noch nicht über Jaqlin hinweg. Nachtragend dieser Mistkerl.‘ „Verweigern Sie etwa die Aussage?“ Der Polizist starrte Chupo böse an. „Jetzt halten Sie mal still, Herr Polizist. Was wollen Sie von mir hören? Ich habe wie gesagt Rick und die anderen trainiert. Alina habe ich nicht gesehen, aber da war dieser Mann in dieser Stadt, der Rick hinterhergeschlichen ist. Dieser südländische Typ halt… keine Ahnung woher der kommt. Ich habe den hier noch nie gesehen, aber er hat definitiv Rick nachgestellt. Vielleicht sollten sie ihr Augenmerk darauf richten.“ „Diese Information von diesem Mann ist neu und Sie haben nicht vorgehabt, dass der Polizei zeitlich zu erzählen? Sie wollen Lehrmeister sein und schützen nicht Ihre Schüler vor so einer offensichtlichen Bedrohung? So langsam wirkt ihre Geschichte ein wenig erstunken. Also was ist die Wahrheit? Gab es wirklich diesen Mann? Haben Sie vielleicht nicht selbst etwas damit zu tun?“ ‚Jetzt wird er persönlich, dieses Arschloch.‘ Chupo verbiss sich die Worte, die durch seinen Kopf geisterten. „Herr Tadholz…“ „TATHOLZ!“ Chupo spürte die Spucke im Gesicht, die der Polizist von sich gab, wenn er brüllte. „Sind Sie unfähig Namen auszusprechen?“ Chupo erhob sein Gesicht und atmete kurz ein. Er spürte ein Stechen an den Schläfen. ‚Dieser…, aber den Gefallen tu ich dem Typen nicht.‘ „Meiner Meinung nach wird das hier zu persönlich. Kann es sein, dass Sie noch irgendeinen Groll gegenüber mir hegen. Vielleicht irgendwelche ungelösten Probleme aus alten Schulzeiten? Irgendetwas was Sie in ihrer Nachschulzeit immer noch nicht erfolgreich bearbeitet habt?“ Eine dunkle Röte machte sich im Gesicht des Polizisten breit. Der Mann plusterte sich auf, reichte Chupo aber maximal bis zu den Schultern. „Sie… Sie liegen sich hier mit der Polizei an! Achten Sie auf ihre Worte!“ ‚Wusste ich es doch. Immer noch der alte Saftsack.‘ Zwar amüsierte es Chupo, wenn sein ehemaliger Mitschüler seine Inkompetenz weiter zur Schau stellte, dennoch war Chupo auch der Ernst der Lage bewusst: „Jetzt aber mal Schluss mit den Faxen, Herr Polizist. Hier geht es um eine Entführung und ich habe nichts mit der Sache zu tun. Finden Sie den richtigen Täter. Haben Sie nicht von einem Erpresserbrief erzählt. Fangen sie damit doch mal an. Es steht mit dem Typen, den ich gesehen habe sicherlich in Verbindung.“ „Schon wieder dieser mysteriöse Mann! Sie versuchen mich doch nur von meinen Fragen abzulenken! Und bekanntlich kommen die Täter doch zurück an den Ort…“ „Übertreibe es nicht Garbor! Ich war den ganzen Tag mit ein Haufen Schüler unterwegs. Mach‘ dich also nicht lächerlich, wenn du mir das hier unterstellst, dass ich damit etwas zu tun habe. Ich sag‘s dir mal direkt, wenn du weiterhin mit solchen Anschuldigungen ums Eck kommst, dann verklage ich dich wegen Verleumdung. Halt deinen persönlichen Groll von dieser Sache hier fern. Ich rühre keinen meiner Schüler an, ist das klar!“ ‚Und der kann sich ja gerne seine Blamage abholen vor Gericht, wenn ich ihm dann über ein Dutzend Zeugen vorstellen werde, aber das ist mir hier jetzt zu dumm. Wir haben wichtigeres zu tun.‘ Der Polizist brummte zornig und Krampfadern pulsierten an seiner Stirn. „Passen Sie auf was sie sagen! Ich buchte Sie noch wegen…“ „Wegen was? Sie kommen doch mit Anschuldigungen.“ „Unterbrechen Sie mich nicht!“ In der Stimme des Polizisten klang ein wenig Verzweiflung mit. ‚Er will wirklich dieses kindische Spielchen spielen, dann muss ich wohl zu gleichen Mitteln greifen wie bei aufsässigen Schülern.‘ Chupo erhob seinen Finger und verwies auf den Polizeichef, der noch im Hauptquartier stand. Durch die gläserne Front des Gebäudes war er gut zu sehen. Die Sonne war soweit am Horizont verschwunden, dass ihre Sonnenstrahlen nicht mehr von der gläsernen Front reflektiert wurden. „Wenn du mich nicht weiter ernstnimmst, dann geh ich zu ihm. Die Sache mit dem Fremden, der Rick verfolgt hat, war mein völliger ernst. Wir müssen diesen Kerl dringend suchen und wenn der einfache Polizist das nicht ernstnimmt, dann muss ich zum Chef gehen und ihm das erklären.“ Der Polizist brummte zornig, dann blickte er zum Polizeichef. „Er hat keine Zeit für solche Kleinigkeiten.“ „Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich kenn Heon gut.“ Chupo schmunzelte zufrieden. „Sie kennen den Polizeichef nicht persönlich.“ ‚Er kann es einfach nicht lassen. „Ich werde die Fahndung für den Kerl rausgeben.“ Chupo schaute erstaunt zum Polizisten. Diese plötzliche Einlenkung hatte er nicht erwartet. Der Polizist drehte sich um und verwies auf eine Polizistin, die am Eingang stand und die beiden anschaute: „Sie wird die Person für Sie aufnehmen. Beschreiben Sie die Person so ausführlich wie möglich und nun verschwinden Sie endlich.“ ‚Dann muss ich zum Glück mit dem nicht mehr reden. Unerträglich dieser Honk.‘ Chupo ging an dem Polizisten vorbei und näherte sich der Frau. Er setzte ein geschmeidiges Lächeln auf. ‚Die kenne ich noch gar nicht. Sieht aber ganz gut aus.‘ In gerader Haltung und in einem respektvollen Abstand zu ihr, schaute er sie an. Sie schwieg noch zunächst, aber mit ihrem Blicken machte sie klar, dass er seine Begutachtung in Grenzen halten sollte. „Ich wurde von Ihrem Kollegen geschickt eine Beschreibung zu liefern von einer Person, die einer meiner Schüler verfolgt hat. Ich habe mit ihm schon darüber geredet. Dieser Mann hat…“ „…ich habe das Gespräch mit angehört. Bitte folgen Sie mir zum Fahrzeug. Ich hole die Ausrüstung.“ Schon trat die Polizistin an ihm vorbei. Ein wenig überrascht und ein wenig genervt, schaute er ihr nach. ‚Ich habe das Gefühl, die wird genauso unerträglich wie Garbor.‘ Er folgte ihr zum Fahrzeug. „Ich brauche ihren Ausweis und ihre Anschrift.“ In ihrer Stimme schwang Routine mit. Ein wenig nachdenklich griff er in seine Tasche. Er zog sein Geldbeutel heraus und überreichte ihr den Ausweis. „Wie gut kennen Sie die Gilde und ihre Mitglieder? Sind Sie öfters hier?“ Chupo legte kurz seinen Kopf in den Nacken. ‚Jetzt fängt die damit auch schon an. Die sollen mal anfangen zu suchen und nicht versuchen den Schuldigen am nächsten Straßenschild ausfindig zu machen.‘ „Ich kenne die Gilde gut, auch schon vor ihrer Umstrukturierung. Ich kenne Linda schon eine ganze Weile und ich unterrichte mit…“, er streckte beide Hände aus und verwies mit seinen Zeigefingern um sich: „…allen Kindern in der Stadt… ähm… ich unterrichte alle Kinder in der Stadt in Kampfkunst und übernehme den Sportunterricht der örtlichen Schule.“ Die Polizistin blickte ihn für einen Moment skeptisch an, dann schien sie etwas in ein Formular einzutragen. ‚Wollte sie nicht zunächst meine Daten zu dem Fremden aufnehmen?‘ Sie gab den Ausweis ihm zurück und öffnete das Polizeiauto. Sie suchte etwas im Vorderraum und zog einen Block und einen Bleistift hervor. ‚Endlich.‘ Chupo machte sich bereit und versuchte die unangenehmen Erinnerungen wieder hervorzurufen. Er versuchte sich die Begegnung wieder in sein Gedächtnis zu rufen. Sein Gedächtnis ließ ihn jedoch dabei ein wenig im Stich. Am ausgeprägtesten in seinen Erinnerungen sah er noch die Faust, die auf sein Gesicht zuflog und der große Schmerz, der folgte. „Fangen wir mit dem Geschlecht und der Größe an.“ Sie hielt ihren Bleistift bereit. „Männlich… und größer als ich. Also mindestens eins neunzig. Er war auch breit…, also trainiert, nicht so wie ein Bodybuilder, eher wie jemand der… Kampfsport schon seit längerer Zeit betreibt.“ Er hörte das kratzen. Sie schien mit wilden Bewegungen gemischt mit feinen Zügen etwas auf dem Notizbuch zu zeichnen. „Noch weitere Merkmale? Augenfarbe, Muttermale, Narben?“ „Er war südländisch, also so typisch… nun ja, also dunkel…, aber nicht ganz… wüstenbräune… wissen Sie was ich meine?“ Sie antwortete ihm nicht. „Aus Berianzo?“ Sie schaute ihm tief in die Augen. In ihren Blicken lag weiterhin diese Skepsis. Aus irgendeinem Grund wurde Chupo nervös. „Ja…, ich glaube irgendwo daher. Ich meine… ich kenne sonst nicht weitere Orte woher so jemand kommen sollte?“ Ihr Blick wurde fordernder. „Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber es gibt in Pestologa auch Völker, die ihren Beschreibungen entsprechen.“ Chupo bekam ein sehr schlechtes Gefühl. Er fühlte sich plötzlich aus ihm nicht verständlichen Gründen schuldig. „Also… ich meinte das nicht so…“ „Weiter… welche Merkmale hatte er?“ Chupo kratzte sich am Kopf. Er musste eine Weile nachdenken. Welche sonstigen Merkmale hatte er? „Augenfarbe?“ Ihre Stimme klang genervter. „Ich glaube hellblau?“ Das verschwommene Bild von dem Mann, der sich vor ihm aufgebaut hatte, als Chupo ihn angesprochen hatte, wurde deutlicher: „Und er hatte schwarzes Haar, nicht allzu lang, ungefähr bis hier.“ Er verwies auf sein rechtes Ohr. Die Polizistin notierte weiter. „Und…“ Die Eingangstüre zum Hauptquartier wurde aufgeschlagen und jemand trat mit wütender Stimme heraus. Wild fuhr sie einen Polizisten an, der sich ihr in den Weg stellte. „Was denken sie sich!“ „Frau Westallya!“ Die erhobene, aber dennoch ruhige Stimme vom Polizeichef war zu hören, der hinter ihr aus dem Gebäude trat. Die Gildenmeisterin blieb nicht stehen, sie bahnte ihren Weg durch die Handvoll Polizisten, die näher gekommen waren. Sie waren alle sichtlich verwirrt von der Situation. ‚So wütend habe ich sie ja schon lange nicht mehr gesehen.‘ Der Polizeichef stand an der Eingangstüre. Er machte ein leicht genervten Eindruck. „Wenn der Bürgermeister keine Zeit im Moment hat, müssen wir geduldig sein, er…“, der boshafte Blick der Gildenmeisterin traf den Polizeichef, der seinen Satz stoppte. Mit ermahnendem Zeigefinger verwies sie in seine Richtung: „Sie halten mich auch nicht auf!“ Sie schob den Polizisten zur Seite, der sich auch in ihren Weg gestellt hat. Dieser Mann wollle aus Panik seine Waffe ziehen, aber der Polizeichef rief mit lauter Stimme: „Folgt der Gildenmeisterin, aber schadet ihr nicht. Haltet sie davon ab Unfug zu begehen, aber geht dabei möglichst sanft vor. Keine Gewalt, das ist nicht nötig. Sie möchte zum Rathaus.“ ‚Rathaus? Gibt es schon wieder Probleme mit ihm?‘ Überrascht eilte Chupo der Gildenmeisterin hinterher, während sich die Polizisten um ihn ebenfalls in Bewegung setzen. ‚Die ganze Polizei setzt sich in Bewegung…, das ist nicht gut.‘ „Hey Linda! Was geht hier ab?“ Chupo versuchte Linda zu erreichen, aber sie hat von einem schnellen Gehen, auf einen Sprint gewechselt. Chupo hatte Mühe ihr hinterherzurennen. „Hey Linda! Lass mich helfen, wenn ich kann.“ „Pass auf die Kinder auf, ich muss zum Bürgermeister.“ Im letzten Teil des Satzes nahm Chupo eine unterschwellige Drohung war. ‚Oh…, ich ahne auf was das hinausläuft. Sie wird ihm wahrscheinlich… im schlimmsten Fall Vernunft einprügeln.‘ „Hey Linda…, wegen der Entführung können wir auf eine weniger problematisch Lösung zurückgreifen. Die Polizei hat sich auch schon wegen dir in Bewegung gesetzt. Ich weiß nicht, ob… das jetzt so günstig ist.“ Chupo riet, dass der Bürgermeister vermutlich ihre Anfrage bezüglich etwas zur Entführung ignoriert hatte. Aber so ganz konnte er noch nicht verstehen was ihren Ärger so entfacht hatte. „Entschuldige… eigentlich weiß ich nicht was gesagt wurde, aber… hast du ihn angerufen und er hat aufgelegt?“ Er hatte Mühe ihr hinterherzurennen. Sie jedoch schien fast schon mühelos das hohe Tempo beibehalten zu können. Hinter ihm hörte er die Sirenen der Polizeifahrzeuge starten. Linda bog daraufhin wenig später in eine Gasse ein. „Also…“, sie blickte kurz zurück zu ihm und er sah ihren Mund öffnen. Wie ein weiterer Faustschlag in sein Gesicht traf ihn etwas Unsichtbares. Es durchdrang ihn wie ein Schuss. Es war ihre Stimme. Eine unnatürliche tiefe Frequenz mischte sich in ihre Stimme, sodass ihre folgenden Worte durch Mark und Bein gingen. „BLEIB BEI DEN KINDER SAGTE ICH!“ Chupo blieb kurz der Atem stehen, als es in seinen Ohren noch nachhallte. Linda rannte weiter. Schweiß perlte von seiner Stirn. So etwas hatte er noch nie von ihr gehört. ‚Was war das? In diesem zornigen Zustand habe ich sie ja noch nie erlebt. Ich mache mir da keine Sorgen um die Kinder. Die Polizei bekommt das schon hin. Ich… ich muss sie davon abhalten Mist zu bauen.‘ Er hatte sie zwar aus den Augen verloren, aber er wusste wo das Rathaus stand. Ein wenig später erreichte er das Rathaus. Die Eingangstüren waren aufgestoßen worden. Die Polizeiautos erreichten im selben Moment den Platz vor dem Rathaus. Die ersten Stimmen der Polizei durch Freisprechanlage forderten Chupo stehen zu bleiben, aber er stürmte in das Gebäude. Im Erdgeschoss befand sich niemand, aber er hörte das Gebrüll von Linda aus dem oberen Stockwerk. Die Treppen fast hinaufgestolpert bog er nach rechts und erreichte das Büro des Bürgermeisters. Die Polizisten waren ihm dicht auf die Fersen und ergriffen ihn als er im Büro stand. Sie wollten ihn herauszerren. Chupo wehrte sich. Linda stand im Büro sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und stand bedrohlich vor dem Arbeitstisch. Aus ihrer Haltung war herauszulesen, dass sie kurz davor stand dem Arbeitstisch vor sich irgendetwas an zu tun. Auf der anderen Seite des Tisches saß Karstoll Lehm in seinem Bürostuhl. Der Bürgermeister hielt einen Kugelschreiber in der rechten Hand und klappte im Moment mit seiner linken Hand das offene Buche zu, das vor ihm lag. „Frau Westallya…, anscheinend haben sie aus ihren Fehlern immer noch nicht gelernt. Egal wie oft sie mir noch drohen, direkt oder indirekt…“, er schob seinen Bürostuhl zurück und stand auf: „es wird sie nicht zum Ziel führen, denn sie… haben zu dem Thema nichts zu sagen.“ „Das wird mich nicht abhalten meine Gilde zu beschützen, selbst wenn ich am Ende selber über die Grenze gehe und sie holen werde. Unabhängig was das für Konsequenzen hat. Die Schulden sind mir egal.“ Karstoll Lehm schaute sie an. In seinem Blick erkannte Chupo keinerlei Ärger, Verachtung oder Missgunst. Karstoll machte den Eindruck, als hätte er die Situation unter Kontrolle bzw. als hätte er all das hier erwartet. Die Polizisten zerrten Chupo nicht mehr weg, aber sie wollte ihm Handschellen anlegen. „Das ist mir bewusst. Sie sind eine ehrenvolle und selbstbewusste Frau, aber ob sie wirklich immer das Beste im Sinn für ihre Gilde haben, das bezweifle ich. Sie wissen doch was für Konsequenzen das letzte Mal mit sich gebracht hatte? Ist das nicht auch der Grund, warum sie jetzt hier sind, statt – wie sie bereits angekündigt hatten – direkt dorthin? Sie fürchten sich vor den Konsequenzen und aus diesem Grund zwingen Sie mich. Ich muss jedoch erst Mr. S erreichen.“ „Schicken Sie ihre Leute sofort über die Grenze! Sagen Sie Mr. S, dass ich sie holen werde, egal was er davon hält. Er macht mir keine Angst. Wenn Sie nicht so feige wären, hätte Mr. S nichts mehr zu sagen.“ Der Blick von Karstoll wurde ernster. „Frau Westallya…, wenn wir jetzt ungefragt über die Grenze gehen, wird diese Stadt zu Grunde gehen, geschweige von ihrer Gilde. Noch einmal übernehme nicht ihre Schulden.“ Linda wandte sich von dem Mann ab und ging aus dem Raum. Linda stoppte nicht, als sich zwei Polizisten vor ihr aufbauten. Sie schob diese mühelos zur Seite. „Überdenken Sie ihr handeln. Es war eine gute Entscheidung von Ihnen direkt zu mir zu kommen. Ich kann Sie vor größeren Schäden bewahren. Die Stadt wird Sie nicht mehr beschützen können, wenn sie jetzt gehen.“ „Mr. S hält sich von meiner Gilde fern, wenn er weiß was gut für ihn ist.“ Linda trat in den Gang. Sie stand nun neben Chupo, dem inzwischen Handschellen angelegt wurden. Karstoll Lehm stand in der Mitte des Raumes. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war er nun nicht mehr so gelassen wie zu Beginn. „Gehen Sie nicht! Sie werden der Stadt unnötige Probleme verursachen.“ „Ist mir egal.“ Sie bahnte sich weiter ihren Weg durch die Polizisten, die im Flur standen. Der Bürgermeister trat ebenfalls in den Flur. „Sie lassen mir keine Wahl, Frau Westallya. Ich werde Rick Nerafal wegen Mordes an Elysa Westallya anklagen, wenn sie dieses Gebäude verlassen.“ Diese Worte ließen Linda stoppen und Chupo erkannte in ihrem Blicken plötzlich aufkommende Verachtung, wie er sie noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Sie drehte sich um und schaute den Bürgermeister einige Sekunden sprachlos an. Ein eiskalter Schauer jagte es über Chupos Rücken. Ihr Ausdruck hatte etwas Mörderisches. Es machte ihm Angst. Der Bürgermeister stand mit erhobenem Haupte im Flur, die Hände hinter seinem Rücken. Sein Gesichtsausdruck war angestrengter. Chupo schaute wieder zu Linda, die nun umringt war von Polizisten, die jedoch einen gewissen Abstand zu ihr einhielten, als würden sie sich ebenfalls vor ihr fürchten. ‚Des Mordes also. War Rick etwa doch für ihren Tod verantwortlich?‘ Erinnerungen an den Vorfall wurden hervorgegraben und Chupo erinnerte sich an die Nachrichten, die sich damals in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet hatten. Die offizielle Auskunft seitens der Polizei war, dass ein Mädchen namens Elysa Westallya östlich der Grenze bei einem Ausflug tödlich verunglückt war. Rick Nerafal und Alina Mintal hatten sie damals begleitet, aus den Augen verloren und tot aufgefunden. Laut der Polizei hatten die drei keine Genehmigung gehabt die Grenze zu überschreiten. Aus diesem Grund wurden die Ermittlungen zu diesem Fall eingestellt. ‚Ich verstehe.‘ Chupo wurde zornig. Linda hatte ihm diesen Fakt verschwiegen, aber er verstand nun warum und das missfiel ihm. Elysa Westallya war eine Person gewesen, die ihm nahestand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)