Zum Inhalt der Seite

Manus manum lavat

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier kommt Kapitel zwei :) Die kursiven Abschnitte sollen Rückblenden sein, was sich aber von selbst herausstellen wird. Die Rückblende setzt am Ende des Prologes an. Das nur als kleine Info :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben, sorry. Lange ist es her, ick weiß. Zudem muss ich erwähnen, dass ich morgen in Urlaub fliege. Nicht lange. Bin am Dienstag wieder zurück x)
Ach ja, ich habe vergessen zu erwähnen, dass Bulmas Eltern in dieser Story zwingend schwarzhaarig sein müssen. Ich weiß, entspricht nicht dem Original, aber es muss leider sein. Hoffe, dass euch das nicht stören wird, aber es gibt einen Grund :>
Oh, noch kurz: "Enfant terrible" heißt übersetzt "schreckliches Kind." Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lang ist es her. I'm sorry! Geht nun weiter und das direkt mit einem ewig langen Kapitel (so kommt es mir zumindest vor, weil ich über fünf Tage gebraucht hatte, es zu korrigieren) :< Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wieder ist etwas Zeit ins Land gezogen, was mir unendlich leid tut. Ich habe eure Kommentare natürlich gelesen und sie mehr als genossen - glaubt mir. Zur Zeit befinden mein Mann und ich uns im Chaos - wir sind mitten im Umzugsstress. Die letzten Meter Laminat werden gerade verlegt, die letzten Pinselsstriche werden gemalert... und wir befinden uns nach knapp einem Jahr Sanierung unseres Hauses auf der Zielgeraden :> Verzeiht daher die momentan etwas abgehakten Uploads, aber wie sagt man so schön: Wo gehobelt wird, fallen leider auch Späne und diese fallen in Form meiner mangelnden Zeit, um die Kapitel zu korrigieren. Habt Nachsehen, ihr Lieben. Nach Regen kommt ja auch bekanntlich wieder Sonnenschein :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Der kursive Abschnitt soll einen Traum darstellen :)
Ich hoffe, es ist nicht allzu blöd geschrieben :< Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben,

gut Ding will Weile haben ;)
Viel Spaß mit dem neuen Kapitel. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben, es geht weiter. Das Kapitel ist lang, aber ungemein wichtig und (ich hoffe) aufschlussreich.
In der Hoffnung, euch mit dem Kapitel schocken zu können, wünsche ich euch einen schönen Abend :) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Anfang vom Ende

Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen. 

- Vincent van Gogh


 

 
 

~*~

 

- Kapitel eins -


 

Die Hitzewelle, die sich seit mehreren Tagen konstant über die westliche Hauptstadt legte, war unerträglich geworden. Wo man auch hinsah, konnte man das Teer der Straßen dampfen sehen, weshalb sich auch bisher keine einzige Regenwolke am Himmel gezeigt hatte. Stets hatte die Sonne zu verhindern gewusst, eine Wolke entstehen zu lassen. Aber war es nicht immer so? Menschen neigten dazu, sich darüber zu echauffieren, was sie immerzu wollten. Wünschten sie sich während unzähliger Regentage die Sonne zurück, so wünschten sie sich nach anhaltender Hitze den Regen... Wie es auch war, man konnte es niemandem recht machen. Indessen stieg Bulma mühsam aus ihrem Auto, nachdem sie ihren Wagen erfolgreich in die Parklücke gesteuert hatte, gefolgt von ihrer besten Freundin Chichi und Yamchu, der auf der Beifahrerseite ausgestiegen war. 
 

Hatten sie bisweilen jemals eine solche Dürreperiode erlebt, die seit Tagen anhielt, ohne Besserung zu zeigen? Zumal ihre Rostlaube einer Sauna gleichkam, aufgrund der angestauten Wärme. Es war frustrierend, stellte Bulma fest. Ihr Vater hatte die Hoipoi-Kapseln entwickelt, er wurde mit seiner Erfindung reich, aber sobald es darum ging, Bulma ein vernünftiges Auto zu kaufen, stellte er sich anhaltend quer. Seine Lieblingsausrede zu diesem Thema war, dass man für das, was man erreichen wollte, hart arbeiten musste – auch Bulma. Folglich musste sich die junge Studentin damit abfinden, nie ein klimatisiertes Auto zu fahren.
 

„Wenn das weiterhin so drückend bleibt“, fing die schwarzhaarige Chichi an, sich zu beschweren, während ihre Hand - sichtlich erschöpft - zu ihrer Stirn hinauffuhr, „dann werden noch alle Wasservorräte aufgebraucht sein und ich werde verdursten! Stellt euch das mal vor.“ Theatralisch fasste die andere Hand an ihre Brust, als sie gen Himmel, zur prallen Sonne sah. 
 

„Ach was, Chichi. Das wird nicht passieren“, winkte die blauhaarige Frau ab, nachdem sie ihren Wagen umrundete und den Kofferraum öffnete, um anschließend ihre Tasche zu schultern, bevor sie sich an Yamchu wandte. „Treffen wir uns hier oder soll ich -“ Sie ließ den Satz unbeendet, sah verlegen zum Boden hinab und wartete darauf, dass der Zufall den Rest erledigte. Sie mochte Yamchu – auf ihre Art und Weise, wie junge Mädchen es eben taten. Yamchu war zwei Jahre älter als sie, jobbte hier in der Nähe als Postbote und welches Mädchen mochte keinen hübschen Jungen, der zudem noch älter und womöglich reifer war?
 

„Nicht nötig“, entgegnete er mit leichtem Stolz in der Stimme. Ihm war es nicht entgangen, wie Bulma sich ihm gegenüber benahm, was ihm zusätzlich Hochmut verlieh, angesichts seines Aussehens. „Tenshinhan und Chao-Zu holen mich später ab. Wir wollen noch etwas trainieren“, reagierte er absolutistisch und präsentierte stolz seinen Bizeps, wonach seine Posttasche seine Schulter hinabrutschte und zu Boden fiel, welche er jedoch sofort aufhob und sardonisch grinsend den Vorfall belächelte. 
 

„Oh, okay. Ja, dann.... dann bis morgen?“, erwiderte sie peinlich berührt, während ihre tiefroten Wangen versuchten, noch röter zu werden. Morgens traf sie sich immer zuerst mit Chichi, ehe sie Yamchu an der Kreuzung mitnahmen. Schließlich lag es auf dem Weg und Bulma hoffte, dadurch mehr Aufmerksamkeit von ihm zu erhalten. Jedoch war bisher gar nichts passiert und das war... schlimm. Ja, es war ganz und gar schrecklich. Er schien sie nicht so zu mögen, wie sie es tat. Hoffend, sich schnell aus dieser unangenehmen Situation zu lösen, verabschiedete sich Bulma wortkarg, hakte sich unverzüglich in Chichis Arm, um mit ihr gemeinsam zur Universität zu schlendern und den Hergang ihres kläglichen Versuchs schnellstmöglich zu vergessen. 
 

Himmel, wie peinlich das gerade war. Ihre rote Mütze, auf der das Logo der Firma ihres Vaters prangte, zog sie sich dagegen tief ins Gesicht, um ungesehen die angehaltene Luft nach außen zu transportieren.
 

„Wieso machst du das überhaupt noch mit, Bulma?“, beklagte die Schwarzhaarige mit verengten Augen das Verhalten ihrer Freundin, ohne Bulma anzusehen. „Jeden Tag nimmst du diesen Idioten mit, in der Hoffnung, dass er dich so sieht, wie du ihn siehst. Merkst du nicht, dass das vergeudete Liebesmüh ist?“ Gerade redete sie sich erst richtig in Rage. „Deine gespielte Gelassenheit, nach der immer wiederkehrenden Abfuhr, kann man sich schon gar nicht mehr mit ansehen. Es ist ein Trauerspiel, dir zuzusehen, wie du diesem... diesem Nichtsnutz hinterherrennst.“
 

Nachdenklich legte die Angesprochene ihren Kopf in den Nacken und genoss die Wärme, die sich über ihrem Gesicht ausbreitete. „Ich weiß auch nicht, wieso ich das mache. Jeden Abend sage ich mir, dass das aufhören muss und sobald ich ihn sehe, vergesse ich meine Vorsätze. Schrecklich, oder?“
 

„Katastrophal“, korrigierte Chichi sie mahnend, ihr Kinn in die Höhe gereckt. 
 

„Ja, vermutlich hast du recht, aber ich kenne ihn schon so lange und -“
 

„Eben!“, unterbrach Chichi sie aufgebracht und entzog ihren Arm aus Bulmas Griff, woraufhin beide Mädchen stehen blieben. „Seit Jahren und noch immer ist nichts passiert. Wären es Wochen, würde ich gar nichts sagen und mich raushalten, aber es sind nun einmal keine Wochen, sondern Jahre. Sollte dir das nicht zeigen, dass er nicht der Richtige für dich ist? Er ist ein Rumtreiber! Ein Kerl, der dir nicht gut tut, denn du kannst dich nicht auf dein Studium, das wichtig ist, konzentrieren.“
 

Nervös kickte das Mädchen mit den türkisfarbenen Haaren einen Stein vor ihren Füßen weg. Das tat sie immer, sobald ihre beste Freundin ihr den Kopf wusch – zurecht, denn Bulma wäre, ohne Chichis Rat, schon so oft verloren gewesen. Chichi war die treibende Kraft in Bulmas Leben und dafür war sie so unendlich dankbar. Sie kannten sich bereits seit vier Jahren. Vier schöne Jahre, voller Höhen und Tiefen, voller Glück und Liebeskummer. Darüber hinaus erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung mit Yamchu und Son Goku... Wie es ihm in den letzten Jahren so ergangen war? Nach ihrer damaligen Suche nach den Dragonballs und Oolongs Versuch, Pilaw an der Äußerung seines Wunsches zu hindern, indem Oolong sich ein Höschen wünschte, hatte sie Son Goku nicht mehr gesehen, weil er seine außergewöhnlichen Kräfte trainieren wollte. Ja, wenn sie darüber nachdachte? Son Gokus Kräfte waren mehr als unkonventionell. Innerlich musste Bulma schmunzeln, aufgrund der Tatsache, dass Son Goku wahrscheinlich wunderbar zu Chichi gepasst hätte.
 

„Was grinst du denn so?“, empörte sich Chichi, die nicht ahnen konnte, worüber Bulma nachdachte. „Ich habe doch recht, oder nicht?“
 

„Ich weiß es doch auch nicht, aber ja. Höchstwahrscheinlich hast du recht“, ging Bulma versöhnlich auf ihre Frage ein, in der Hoffnung, die Wogen glätten zu können, da ihr Chichis Wutanfälle noch deutlich in Erinnerung geblieben waren. Chichi war... sie war impulsiv und temperamentvoll, aber unendlich ehrlich und loyal – eine wahre Freundin, die in jedweder Situation zu einem stand, was Bulma so sehr an ihr schätzte. In der Tat, sie hatte eine unfassbar sture, darüber hinaus aber eine unendlich gütige Freundin.
 

„Fein, dann können wir in Ruhe unserem Studium nachgehen, oder?“, begann sie fröhlicher als zuvor. 
 

„Können wir“, lachte Bulma auf, legte einen Arm um Chichis Schulter und zog sie zu sich heran. „Und keine Angst, mein Vater arbeitet an einer Erfindung, die deine Sorgen, bezüglich des Wasservorrates, besänftigen dürften. Aber verrate es niemandem. Es befindet sich noch in der Beta-Phase.“
 

Die dunklen Augen Chichis leuchteten auf, als ihr der Hintergrund dieser Information aufging und erleichtert erwiderte sie die Umarmung ihrer Freundin und tat es ihr gleich, als sie einen Arm um Bulmas Taille legte und sie gemeinsam ihren Weg fortsetzten. 
 

Vor der Universität angekommen, erklommen beide Mädchen die Marmortreppe und verabschiedeten sich voneinander, ehe sie in ihre jeweiligen Kurse eilten. Dort angekommen, war Bulma – wie üblich – die letzte, die die Tür schloss und unter dem mahnenden Blick ihres Professors zu ihrem Platz schlich. Himmel, wieso glänzte sie darin, unpünktlich und tollpatschig zu sein? Musste man sie ausgerechnet mit diesen Charakteristika strafen?
 

Doch lange setzte sie sich mit ihren Schwächen nicht auseinander. Wieder von ihren Gedanken um Yamchu eingenommen, nahm sie ihre Unterlagen raus, legte ihre Mütze zur Seite und folgte nur halbherzig dem Vortrag ihres Professors. Abgelenkt sah sie aus dem Fenster, von wo aus sie den Campus fast überblicken konnte und sich vorstellte, wie sie mit Yamchu auf der Wiese saß und sie sich ansahen. Doch plötzlich ergriffen verschwommene Bilder von ihren fröhlichen Gedanken Besitz, die mit jedem Wimpernschlag klarer wurden.
 

Sie erkannte einen seltsamen Planeten, der nicht die Erde war. Sie erkannte Menschen. Menschen mit Schweifen, die denen eines Affen ähnlich waren... Sie sah zerstörte Städte, Flammen, die meterhoch über die Felder jagten, sowie grässlich aussehende Affenmonster.
 

Stopp! Kopfschüttelnd holte Bulma sich selbst zurück in die Wirklichkeit und war darüber erschrocken, was gerade passiert war. Was war das denn für eine merkwürdige Illusion? Sie träumte ja schon oft genug seltsame Dinge, doch das überstieg ihre bisherigen Träume bei weitem. Noch nie hatte sie solche klaren Bilder vor Augen gehabt. Bisher waren ihre Tagträume eher... eher illusorischer Natur gewesen. Träume, die man von der Realität deutlich unterscheiden konnte, doch dieser Traum fühlte sich... echt an.
 

„Fräulein Briefs!“
 

Ertappt wandte sie ihren Kopf, um geradewegs in das Gesicht von Professor Nakasawa zu sehen. Oh Gott. Wieso stand er plötzlich vor ihr? Das bedeutete, dass er sie schon mehrmals zu irgendetwas aufgefordert hatte, bevor er sich dazu genötigt sah, seinen Vortrag zu unterbrechen und sie vor der gesamten Klasse zu desavouieren, angesichts ihrer mangelnden Konzentration.
 

„Äh... Ja?“ Beklommen faltete sie ihre Hände ineinander und drehte Däumchen. Würde man sie nun des Kurses verweisen? Das durfte nicht passieren. Sie studierte Ingenieurwesen, Physik und Mathematik und befand sich im siebten Semester, was hieß, dass sie demnächst ihren Bachelor-Abschluss erfolgreich abschließen wollte, um daraufhin noch weitere vier Semester zu ihrem Master zu absolvieren. Danach wollte sie sich auf Thermodynamik spezialisieren, um zusammen mit ihrem Vater die Capsule Cooperation zu leiten. 
 

Ha, würde sich diese Vorstellung nun zu einem Traum entwickeln? Einem Traum, der im Gegensatz zu den Bildern, welche sie gerade heimgesucht hatten, echt und real war?
 

„Was genau machen Sie da? Langweile ich Sie?“, murrte er ihr entgegen, während sein Zeigefinger die runde Brille den krummen Nasenrücken hinauf schob.
 

„Nein, Sir. Ich... Sie... Ich bin nicht gelangweilt“, antwortete sie ihm bedächtig, den Blick auf die weiße Tischplatte gesenkt. Wieso, verdammt nochmal, war sie nicht in der Lage, einfachsten Blickkontakt zu halten? „Sie langweilen mich nicht“, fügte sie nachdrücklich hinzu.
 

„Und wieso“, begann er knurrend und stemmte angesäuert die Hände in seine Hüften, „schreiben Sie sich nichts auf?“ Erbost sah er auf ihre weißen Blätter, die unbenutzt vor ihr lagen. „Wissen Sie das alles etwa schon? Das würde mich stark wundern, Fräulein Briefs. Ich streite es gar nicht ab, dass Sie mehr als Holzwolle in Ihrem Kopf haben, aber tun Sie sich und mir einen Gefallen und folgen Sie der Vorlesung. Sonst sehe ich schwarz für Ihren Abschluss!“
 

Oh, wunderbar. Der Satz saß und das sehr, sehr tief. „Natürlich, Sir.“ Mit ganzer Kraft hob Bulma ihren Kopf und suchte den Blick ihres Professors, der, wie sie feststellen musste, nur seine Lippen kräuselte, ehe er zurück zu seinem Podium schritt und fortfuhr. Sie blies die angehaltene Luft aus ihren Lungen und sank in ihren Stuhl zurück. Die letzten Wochen würden für sie die reinste Qual werden... Sie sollte mehr lernen und sich nicht von Jungs ablenken lassen, die ihre Zuneigung nicht zu würdigen wussten. Chichi war da ganz anders – sie dachte an nichts, was ihre Zensuren gefährden konnte. Hach, wäre Bulma doch auch nur so übereifrig, dann wären ihr so viele Probleme erspart geblieben. 
 

Im weiteren Verlauf der Vorlesung hielt Bulma sich mit ihren Tagträumen zurück, verdrängte die seltsamen Bilder und widmete sich dem Vortrag, schrieb die Formeln fleißig auf und versuchte, sich verbissen auf die Worte des Professors zu fokussieren. Ja, sie musste endlich Prioritäten setzen, denn sie liebte das Studium, sie liebte die gemeinsame Arbeit mit ihrem Vater in seiner Werkstatt und sie liebte es, aus den kleinsten Dingen etwas wunderbares zu erschaffen, denn Großes entstand immer erst im Kleinen.

 
 

~*~
 

Zur gleichen Zeit, weit entfernt von der Erde, stand König Vegeta entschlossen an einem der bodenlangen Fenster und betrachtete das Panorama, das sich ihm in seinen prächtigsten Farben zeigte. Der Planet Vegeta-Sei war geprägt von Tyrannei und doch schaffte es sein Volk, das Beste daraus zu machen, indem sie die Wirtschaft ankurbelten, Handel untereinander betrieben und sich im Kampf übten, um entfernte Planeten einzunehmen, gleichzeitig aber auch ihren Heimatplaneten schützten. 
 

Ja, sie waren immer wieder im Fadenkreuz anderer Völker, aber sie kannten nie etwas anderes. Sie waren ein militantes Volk, das von der Eroberung anderer Planeten lebte und der König würde davon absehen, je anders zu verfahren – zu stolz war er, um anderweitig sein Volk am Leben zu erhalten. Vielleicht war er diesbezüglich uneinsichtig, aber das Herz eines Saiyajins war nun mal nicht mit Güte und Liebe umhüllt worden, womit es ihm umso schwerer fallen würde, anders zu agieren oder humane Gepflogenheiten, die normalerweise verboten gehörten, zu akzeptieren.
 

Ein kleiner Mann, dessen ergrautes Haar bis zum Boden reichte, gesellte sich neben den König, der andächtig aus dem Fenster sah. Er tat es dem König gleich, faltete seine Hände zusammen, die er nachfolgend auf seine Gehilfe stützte und beide genossen die Stille, ehe der Ältere diese unterbrach. „Mein König, ich denke, dass Ihr das Richtige tut. Es ist nun einmal so vorgesehen.“
 

„Bisher war das auch so, das stimmt“, erwiderte der Jüngere schnaubend, ohne den Blick abzuwenden. „Aber bisher hat sich ja auch noch niemand gewagt, sich diesem Schicksal zu entziehen, nicht wahr?“ Wütend schnaufte er, worauf sich seine unter dem Brustpanzer verborgene Brust hob. Das königliche Emblem prangte glänzend auf seiner Brust, das goldene Amulett, das er um seinen Hals trug, rundete – neben dem rot-schwarzen Umhang – das königliche Bild ab. 
 

„Wo werdet Ihr suchen, Hoheit? Habt Ihr schon eine Idee?“
 

„Ich hatte darauf gehofft, dass du mir die Antwort sagen kannst“, erwiderte er wachsam und richtete den Blick nach unten zu seinem Berater. Neben ihm stand der Älteste seines Volkes, der in der Lage war, Dinge zu sehen, bevor sie passierten. Außerdem beherrschte er die Gabe, Saiyajins – ohne die Hilfe eines Scouters – zu orten und deren Gedanken zu lesen. 
 

„Majestät, ich könnte das tun. Natürlich halte auch ich es für richtig, doch -“
 

„Und du hegst dennoch Zweifel? Warum?“ Angespannt wartete er auf die Antwort seines Beraters.
 

„Weil ich Euch damals nicht rechtzeitig warnen konnte, Majestät. Die Gabe, etwas zu sehen, was noch gar nicht passiert ist, ist Segen und Fluch zugleich. Ihr wisst, meine Vorahnungen überfallen mich meist wenige Minuten, bevor sie zur Realität werden – was mir umso klarer vor Augen führt, dass meine Gabe eher ein Fluch ist, da ich keine große Hilfe für Euch bin.“ Niedergeschlagen klammerte sich der Alte an seiner Gehhilfe fest. „Verzeiht, Majestät.“
 

Ja, das war eine herbe Enttäuschung, als der König den Nachteil dieser Gabe erfuhr. Schon damals, als sein Volk von Tsufurujins hinterhältig überfallen wurde, konnte Akira erst kurz davor den Angriff prophezeien – was zu einer besorgniserregenden Reduzierung seines Volkes führte. Trotz allem war Akira der Älteste. Somit stand dieser unter dem Schutz der Immunität, da er König Vegeta loyal, sowie oft mit Rat zur Seite stand. 
 

„Sag mir, Akira, welchen Planeten wir aufsuchen müssen. Vegeta wird mit Nappa und Radditz dorthin fliegen.“
 

„Haltet Ihr das für die richtige Lösung, wenn Vegeta diesen Auftrag ausführt? Ausgerechnet Vegeta? Er ist ein wahrer Krieger, doch oftmals zu stolz, was ihn blindwütig handeln lässt. Ihr dürft nicht vergessen, dass Eitelkeit der Stolz der Schwachen ist, mein König.“
 

„Ich versichere dir, alter Freund, er ist der Richtige. Er muss lernen, für sein Volk zu bürgen.“ Der Blick des Königs wandte sich langsam zurück zum Fenster, wo er die Ferne betrachtete und sich wünschte, der Auftrag wäre bereits erledigt, denn – obwohl er es nicht zugab – auch den König befielen, hinsichtlich Vegeta diesen Auftrag zu erteilen, erhebliche Zweifel.
 

„Gewiss, Hoheit, gewiss. Doch ist Vegetas Kampflust enorm, was darauf zurückführen kann, dass er dem Planeten mehr Schaden zufügen wird, als überhaupt gedacht ist, sofern Ihr danach noch überhaupt in Erwägung zieht, den Planeten mit dem größtmöglichen Profit verkaufen zu wollen.“
 

König Vegeta lachte auf und schlug seinem Berater, seines Alters entsprechend, freundschaftlich auf die Schulter. „Du bist immer noch ein Komiker, Akira. Du wirst sehen. Vegeta wird den Planeten nur befreien, damit wir diesen an den Meistbietenden verkaufen können. Du dagegen hättest dich ganz offensichtlich mit Finanzen beschäftigen sollen, anstatt die langweiligen Aufgaben meines Beraterstabes zu übernehmen.“ Gemeinsam verließen sie den Thronsaal, ehe ihr Weg sich trennte und der König seinen Sohn aufsuchte, der inmitten einer Besprechung war. Sein Sohn hatte das Alter erreicht, um den königlichen Pflichten endlich nachzukommen, da der König bereits daran dachte, am Ende des Jahres abzudanken und Vegeta die Krone zu überreichen. Doch bevor es soweit kommen konnte, musste das erledigt werden, was zu erledigen war. Und dabei dachte er nicht einmal daran, Vegeta seinen Kindskopf auszutreiben.
 

Den Kopf voller Gedanken, unterbrach er die Kriegssitzung und bat seinen Sohn zu sich. Wie schon zuvor mit seinem Berater, marschierte er dieses Mal mit seinem Sohn durch die unendlich langen Flure des Schlosses. Er sah in das Gesicht seines Erben und erkannte die Abscheu, aber auch die erschütternde Ähnlichkeit zu sich selbst, was ihn kurz stutzen ließ, bevor er zu sprechen anfing. „Du wirst damit leben müssen, dein Training zu kürzen, mein Sohn. Wenn du mein Erbe annehmen wirst“, eröffnete er das Gespräch, „wird man dich beschützen. Als König -“
 

„Ich weiß das!“, herrschte Vegeta seinen Vater an und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Und trotzdem bin ich besser als jeder deiner Wachposten, die – wenn ich das erwähnen darf – einfach lächerliche Missgeburten sind“, informierte er sein Gegenüber spöttisch.
 

„Wenn du das weißt, frage ich mich, weshalb ich dich explizit darauf hinweisen muss?“ 
 

„Keine Ahnung? Ich höre dich gerne reden?“, entgegnete der Prinz frech, sich darüber bewusst, sich seines schlechten Gewissens nicht zu bedienen, denn er besaß gar keins. 
 

„Vegeta!“, knurrte nun auch sein Vater und blieb stehen. „Du wirst dich dem fügen müssen und dazu gehört auch, dass du endlich weißt, wo dein Platz ist. Man möchte nicht meinen, dass du vierundzwanzig bist, denn so, wie du dich verhältst, könnte man meinen, du wärst fünf!“ Er verstand seinen Sohn zu gut. Auch ihm missfiel es damals, als er sein Training zugunsten des Volkes zurückstellen musste, doch das konnte er Vegeta nicht sagen, da er ihn dadurch - in seinem pubertären Verhaltensmuster - nur unterstützen würde. Sein Sohn war genauso wie er, ja. Trotzdem, auch er - der König - hatte gelernt, sein Verhalten gegen das entsprechende Auftreten auszutauschen. „Aber wenn du lieber weiterhin das pikierte und egozentrische Kleinkind spielen willst, nur zu. Dann wird Turles deine Stelle einnehmen.“
 

„Meine Stelle?“, wollte Vegeta perplex wissen und lockerte seine Haltung, nachdem er aufgehorcht seinen Lauf pausierte. Worauf wollte sein Vater hinaus? „Was soll das heißen?“, entfuhr es ihm durch zusammengebissene Zähne. Seine geballten Fäusten ruhten indessen an seiner Seite, denn nochmal wollte er den Unmut seines Vaters nicht auf sich ziehen. Zwar fürchtete er sich nicht vor ihm, aber den nötigen Respekt zollte er dem König gerade noch so.
 

„Dass es an der Zeit ist. Du wirst mit Nappa und Radditz zu einem entfernten Planeten fliegen, der sich Namek nennt. Dort werdet ihr euren Auftrag erledigen und mit Finanzexperten zurückfliegen, um diesen dann zu verkaufen.“
 

Was? Hatte er sich gerade verhört? Er durfte diesen Auftrag leiten? Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet? Früher wurden zur Sicherheit des Prinzen einige der älteren Generation mitgeschickt und heute? Nur er, Nappa und Radditz würden fliegen? Daraus schloss Vegeta, dass der Planet nicht reichlich bevölkert war, was ihn wiederum in eine missgestimmte Lage versetzte, aufrund des mangelnden Vertrauens. Oder übertrug man ihm Verantwortung, weil man ihn demnächst zum König krönen würde? Eins von beidem musste der Fall sein und das wollte er unbedingt vor seiner Abreise in Erfahrung bringen. Zwar waren die Pflichten eines Königs erschreckend langweilig, doch man bekam eine unschätzbare Macht, die Vegeta sich zu Nutzen machen wollte.
 

„Heißt das, dass ich -“
 

„Ja, Vegeta.“ Väterlich legte er die Hand auf die Schulterflügel seines Sohnes und schenkte ihm einen eindringlichen Blick, woraufhin sich Vegetas Mund leicht öffnete und er kaum fassen konnte, was er hörte. Vierundzwanzig Jahre musste er darauf warten. Vierundzwanzig lange, endlose Jahre... Grundgütiger! Endlich. Seine geballte Faust hob er vor sein Gesicht, nachdem sein Vater verschwunden war und Vegeta alleine zurückgelassen hatte. „Ja, endlich!“ Augenblicklich machte er auf dem Absatz kehrt, um zu seinem Zimmer zu rennen.

 
 

~*~
 

Bulma drehte sich gerade in ihrem Bett – so weit, dass sie sich in ihre Decke wickelte und samt dieser auf den Boden hinabrollte, was einen lauten, erschrockenen Aufschrei nach sich zog. Aufgeschreckt fuhr sie sich über ihre Stirn, die – wie sie enervierend feststellte – von kleinen Schweißperlen übersät war. Sie hatte wieder von diesen schrecklichen Bilder, wie vor zwei Tagen in der Universität, geträumt. 
 

Was hatte das nur zu bedeuten? Es war, als würden die Bilder immer grausamer und realer werden. So surreal der Inhalt auch war, Bulma erschien es, als befände sie sich im Herzen dieses Infernos.
 

In der Realität angekommen und froh darüber, diesem Albtraum entkommen zu sein, schnappte sie sich müde ihren Wecker. Es war sechs Uhr in der Früh und Wochenende – welch ein Glück. Sie konnte sich somit gemütlich und ohne Stress fertig machen, Chichi anrufen und sie zum Frühstück in die Capsule Cooperation einladen. Ohnehin war die türkishaarige Bulma eher spontan und mit Humor – in Gegenwart ihrer Vertrauten – bestückt, doch sie mochte auch die ernsthaften und tiefgründigen Gespräche mit Chichi und so nervig sie ihre Mutter oftmals fand, so lecker waren ihre Kekse, die sie, trotz ihres Alters, noch immer mit jedem Krümel genoss. 
 

Rasch erhob sie sich, eilte zu ihrem Schrank und grübelte, was sie anziehen sollte. Auch überlegte sie, ob sie nicht später mit Chichi zum Friseur gehen sollte, als sie sich ihre Mähne betrachtete. Oft verfluchte sie ihre Haare, zumal dieses Türkis ihre Naturfarbe war, was sie sich bisher nie erklären konnte. Noch nie sah sie jemanden mit ähnlicher Haarfarbe. Entstand die Farbe, weil Mutter Natur sich einen Scherz erlauben wollte? 
 

Blödsinn! Sie war Wissenschaftlerin, zumindest eine angehende und doch konnte sie dieses Phänomen wissenschaftlich nicht erklären, ebenso wenig ihr Vater und ihre Mutter, die beide schwarzhaarig waren.
 

Ach, zum Teufel mit diesen Hirngespinsten. Sie schnappte sich ihre Kleider und ihr Telefon, ehe sie ins Bad eilte. Chichi würde womöglich ausflippen, doch diesen Ausbruch nahm sie in Kauf, da sich ihre beste Freundin spätestens während des Frühstücks kleinlaut für ihre Impulsivität entschuldigen würde. 
 

Im Bad entledigte sie sich ihres Nachthemds und stieg in die Dusche, nachdem sie den Regulierer auf eine angenehme Temperatur stellte und ihre Haare in einem Dutt zusammenband. Die verlockende Wärme weckte ihre Muskeln und erfrischte  gleichzeitig ihren Geist. Mindestens zehn Minuten stand sie still unter dem Wasserstrahl und genoss die Wassertropfen, die ihren Körper hinabperlten. Danach schäumte sie singend ihren Körper ein, bevor sie sich ihren Haaren widmete und diese einshampoonierte. 
 

Hinzu kamen die wiederholten Gedanken an Son Goku und dessen Lebensverlauf. Kichernd erinnerte sie sich daran zurück, wie empört sie war, als der kleine Junge sie damals aufklärte, noch nie im Leben gebadet oder geduscht zu haben. Ha, was war Bulma entsetzt und angewidert gewesen. Aber genauso schockiert war sie, dass er keinerlei Hemmungen besaß und damals einfach ins Bad kam, während sie nackt in der Wanne lag und er sich keiner Schuld bewusst war – nein, stattdessen wusch der Bengel seine Hände in Unschuld. 
 

Ob sie während der Semesterferien zu Muten-Roshi, dem alten Lustgreis, reisen sollte? Sicherlich würde Son Goku dort sein, weil er dort nicht mehr so einsam war, wie einst in den Bergen, in denen Bulma ihn fand.
 

Mit dem Beschluss, Muten-Roshi bei Gelegenheit aufzusuchen, zog sie sich an und wählte gleichzeitig Chichis Nummer, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Waren Frauen nicht multitaskingfähig? Nun, vielleicht waren das andere, Bulma jedoch keinesfalls. 
 

Und wie Bulma es vorhergesagt hatte, war Chichi nicht freudig gestimmt, als sie ihre rauchige Stimme am anderen Ende der Leitung wahrnahm. Aber bevor die Schwarzhaarige noch ausrasten konnte, hatte Bulma das Gespräch beendet, um sich abschließend mit ihren Haaren, die in alle Himmelsrichtungen standen, zu befassen. Trotzig kämmte sie diese und dachte fieberhaft über einen Grund nach, Yamchu zu besuchen – ohne Chichi davon zu erzählen.
 

Ja, sie war unbelehrbar. Das wusste sie. Auch Beratungsresistent, wie Chichi es nannte, aber konnte man es Bulma verübeln? Des Weiteren vergaß sie völlig die Zeit und wurde erst durch das Klingeln an der Haustür aus ihren Gedanken gerissen. Mit einem letzten Blick zur Uhr, ging sie zur Tür.
 

Hatte sie wirklich fast drei Stunden im Bad verbracht? Grundgütiger, das wäre ein neuer Rekord! Noch bevor sie die Haustür erreichte, begann die Erde unter ihren Füßen zu erzittern, woraufhin Bulma zur Tür rannte und sie panisch aufriss, hoffend, dass Chichi nichts passiert war. „Chichi?“, rief sie und blickte zu Boden, wo die gestürzte Freundin lag. „Um Himmels Willen, schnell! Komm rein!“ 
 

Eilig rannten die beiden Freundinnen zur Küche und warfen sich unter den Küchentisch, um dort Schutz zu finden. Ein Erdbeben dieser Stärke hatte sie noch nie verspürt. Gleich, nachdem dieses Unheil vorbei wäre, würde sie auf der Richter-Skala ihres Vaters nachsehen. Doch davor mussten sie aufpassen, nicht von irgendwelchen Tassen oder Tellern, die sich ihren Weg aus den Schränken bahnten, erschlagen zu werden. Von draußen konnte man die aufgeregten Hilfeschreie hören und Bulma musste sich zusammenreißen, nicht einfach los zu rennen und den Leuten zur Hilfe zu eilen, obwohl ihr Instinkt genau danach verlangte. Nein, sie musste hier bleiben und auf ihren Verstand hören.
 

Mit Tränen in den Augen, schlug sie die Hände, ähnlich wie Chichi, über ihrem Kopf zusammen, presste ihre Arme gegen ihre Ohre und hoffte, lebend hier herauszukommen. 
 

Als wenn dieses Beben nicht schon schlimm genug wäre, konnte sie eine Explosion ganz in der Nähe hören und endlich erkannte Bulma ihre Eltern, die sich ebenfalls unter den langen Küchentisch kauerten. Als sie die Berührung ihrer Mutter spürte, öffnete sie die Augen und erkannte, wie ihre Mutter sich schützend über Chichi und Bulma beugte, gefolgt von ihrem Vater, der es seiner Frau gleich tat. 
 

Nach zehn Minuten ebbte die Erschütterung ab und zaghaft wagten sich die Briefs und Chichi unter dem Tisch heraus. Unverzüglich war Bulma zum Fenster geeilt und riss die Gardinen zur Seite, um das Ausmaß der Schäden und der Verletzten auszumachen, doch was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Nicht unweit vom Haus ihrer Eltern ragte etwas gigantisches empor. Sie kniff ihre Augen zusammen, doch war dieses Etwas von Rauch umgeben, der sich sehr langsam verzog. Ängstlich wich Bulma vom Fenster zurück, während Chichi unterdessen vergeblich versuchte, ihre Eltern zu erreichen. 
 

„Paps, sieh dir das an“, stotterte Bulma und deutete zum Fenster. „Ist es das, was ich denke?“ Doch bevor ihr Vater antworten konnte, erhellte ein grelles Licht den Horizont und wieder ertönte dieses explosionsartige Geräusch. Keine fünf Sekunden später sah sie zwei Lichter über den Himmel jagen. „Waren das gerade Sternschnuppen?“
 

„Ich weiß es nicht, Kind“, erwiderte ihr Vater und auch in seinem Gesicht war der Schock abzulesen. „Wir sollten sofort ins Labor, und die Werte der Richter-Skala auswerten.“ 
 

Dem stimmte Bulma zu, aber auch dieses Mal kamen sie nicht weiter, denn als sie den Flur passieren wollten, wurde ihre Haustür aus den Angeln gerissen. Scharniere wurden in ihre Einzelteile zerlegt und weißer Rauch schlich sich über den Boden, der sich immer weiter ausbreitete, womit Bulma die Sicht versperrt wurde. Sie presste sich mit ihrem Rücken zur Wand und atmete immer schneller. Sie konnte ihren Herzschlag deutlich spüren, was sie zusehends beunruhigte. In der Regel schlug das Herz eines Menschen im Durchschnitt siebzig Mal die Minute. Das Herz einer Ratte dagegen dreihundertfünfzig Mal - und genauso schien Bulmas Herz zu pumpen, woraufhin sie ihre Augen schloss; wie früher, als sie Angst vor dem Monster in ihrem Schrank hatte. Damals redete sie sich immer ein, wenn sie die Decke über ihren Kopf zog und die Augen fest schloss, dass das Monster sie nicht fand und wie stolz war sie, als sie nie von einem Monster heimgesucht wurde... 
 

Oder aber ihre Mutter, die sie während eines Gewitters – egal zu welcher Uhrzeit – ins Bett schickte und ihr versprach, wenn sie aufwachte, dass das Gewitter vorbei wäre. Ja, und so war es immer. Das Gewitter war nach ihrem Schlaf immer verschwunden gewesen. 
 

Doch dieses Mal war es anders. Egal wie fest sie ihre Augen schloss, sie konnte das Atmen der Eindringlinge hören. Oh Gott! Sie tastete sich an der Wand entlang, um ihre Eltern oder Chichi ertasten zu können, doch sie fand sie nicht. Stattdessen hörte sie etwas anderes... etwas, das Unheil bringen würde.
 

„Ja“, raunte eine dunkle, männliche Stimme. „Das sind sie. Wir sind richtig, Turles.“
 

Was? Diese Eindringlinge, von denen Bulma ausging, sie seien Aliens, beherrschten ihre Sprache? Und was war es, nach dem sie suchten? Bulmas Gliedmaßen erstarrten. Einzig und allein ihr Blick richtete sie zur Decke hinauf. 
 

„Kommt raus!“, knurrte die unbekannte Stimme fordernd. „Ich weiß, dass ihr da seid. Jeglicher Fluchtversuch ist zwecklos.“

Die Vorsicht stellt sich der List klug entgegen

Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität.

- Alfred Hitchcock

  

 
 

~*~

 

- Kapitel zwei -

 

Je näher die gedämpften Schritte kamen und sich von der aufgesprengten Tür entfernten, umso lauter wurde die Atmung derjenigen, dessen Ursprung man nicht einzuordnen wusste. Das Unbekannte kam unvorbereitet auf Bulma zu, was sie noch mehr in Angst versetzte.
 

Echte Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben. Von dieser greifbaren Furcht gepackt rutsche Bulma, deren Augen fest zusammengedrückt waren, mit ihrem Rücken die Wand hinab, wonach sie ihre Knie eng zu sich heranzog, gleichlaufend jedoch ihren bebenden Körper bemerkte. Sämtliche Gliedmaßen schlotterten, ihre geschlossenen Augen schmerzten und sie konnte die heißen Tränen unter ihren Lidern fühlen. Des Weiteren hoffte sie, dass diese Wesen blind waren - so blind, wie sie es gerade war. Auch hoffte sie, dass der Rauch nicht verzog, um eine Kollision mit den Fremden und ihrem Körper zu vermeiden. Schließlich musste sie unauffindbar bleiben. Das wäre ihr Trumpf. Was ihre Angst allerdings betraf, wusste sich die junge, angehende Erfinderin nicht anders zu helfen, als zu beten und darauf zu bauen, dass zumindest Chichi und ihre Eltern in eines der angrenzenden Zimmer flüchten konnten – jedenfalls vernahm sie weder von ihrer Freundin, noch von ihren Eltern die Stimmen.
 

Das war ein gutes Zeichen. Ja, das bestärkte ihre Hoffnung, dass sie sich retten konnten. Vielleicht gelang es ihnen auch, Hilfe zu rufen? 
 

Doch kaum machte sich Zuversicht breit, wurde diese im gleichen Moment von der Angst erschlagen, aufgrund der Schritte, die näher kamen. Vorsichtig öffnete sie eines ihrer zittrigen Augen, was sie im nächsten Augenblick sofort bereute. Unverzüglich weiteten sich ihre blauen Iriden, durch welche sie im grauen Rauch die dunklen Silhouetten derer erspähte, die die Capsule Cooperation heimsuchten. Parallel zu den Schritten beschleunigte sich auch das Pumpen ihres Herzens. Scheiße! Wo war die Polizei? Wieso half man ihnen nicht? Die Nachbarn mussten doch etwas mitbekommen haben? Aber wieso ließ man Bulma und ihre Familie im Stich? Woran lag es, dass man die Familie ihrem Schicksal überließ? Geflutet von diesen Gedanken und inmitten dieser Desillusionierung, fiel ihr auf, dass ihre innerliche Unruhe dazu beitragen würde, schlussendlich noch entdeckt zu werden, ganz sicher. Bulma würde in Panik ausbrechen, wenn ihr Körper sich nicht beruhigte. 
 

Wieder vernahm sie einen Schritt, der ihr die Haare zu Berge stehen ließ, da sie zusätzlich schwarze Stiefel durch die dichten Schwaden erkannte. Glücklicherweise konnte sie rechtzeitig ihre linke Hand auf ihren Mund legen und die rechte Faust darauf drücken, bevor ein Laut ihrer Kehle entwich. Was sie aber vergaß, war, dass - wenn sie das schwere Schuhwerk sehen konnte - sie auch entdeckt werden konnte, was auch prompt geschah.
 

„Steh auf!“, befahl die Stimme gebieterisch, woraufhin ihre Augen umso größer wurden. Zuzüglich gesellte sich ein weiteres paar Stiefel zu den ersten. „Wirds bald!“, brüllte die Stimme und ehe Bulma sich versah, wurde sie an beiden Armen gepackt, welche ihr grob dabei halfen, auf die Beine zu kommen. 
 

Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Sie würde sterben! Dabei hatte sie so vieles noch vor. Sie wollte ihre Studium beenden, sie wollte mit ihrem Vater zusammen arbeiten und doch schloss sie bereits mit ihrem Leben ab. Jegliche Hilfe käme zu spät, ja. So niederschmetternd die Wahrheit auch war... Man durfte die Augen nicht vor der Realität verschließen. „Bitte... Bitte tut uns nichts“, flehte sie daraufhin mit brüchiger Stimme, in der Hoffnung, ihre demutsvolle Aufopferung würde die Unbekannten besänftigen. Wimmernd drückte Bulma ihren Hinterkopf gegen die Wand. Die aufkeimende Konfusion zwang sie zudem, ihre Augen abermals zu schließen. Auch reihten sich Bauchschmerzen ein, ihr Kopf war so schwer wie Blei und ihre Beine waren kurz davor, nachzugeben und in sich zusammen zu fallen. „Wir... Wir sind ein friedliches und liebenswürdiges Volk. Wir... wollen keinen Ärger.“
 

„Sei still“, forderte Turles strapaziert, während er ungeniert den Abstand zu der zierlichen Frau schloss. Im Nachhinein ruckte sein Kopf zu demjenigen, der Bulma auf die Beine half. „Lass sie los und schwärm endlich das verdammte Haus aus.“
 

Inzwischen hatte Bulma Halt gefunden, indem sich ihre Handinnenflächen an der Wand abstützten. Dennoch schreckte die junge Frau auf, bezüglich des Befehls und des rauen Umgangstones. Ferner wurden die Konturen immer klarer... immer monumentaler und erschreckender. Außerdem beunruhigte Bulma das störrische Piepsen, infolgedessen sie noch schneller atmete. Aber so schnell sie auch Luft in ihre Lungen beförderte, sie war nicht fähig, ihren Kopf genauso schnell zu heben, weswegen sie ihren Blick nur langsam nach oben wandern ließ. Allerdings wurde es nicht besser, sondern schlimmer, denn sie entdeckte etwas, das sie noch mehr verunsicherte. Vor ihr stand ein... ein Mann, dessen Haare pechschwarz waren. Er war... ein Mensch? Mit Haaren, die wie eine lodernde Flamme nach oben flackerten - vereinzelt ragten Strähnen zur Seite. Das männliche Wesen war, so schätzte Bulma, ungefähr in ihrem Alter. Über seinem Auge hing eine pinke Scheibe, die an einer Halterung, welche an seinem Ohr hing, befestigt worden war. Doch all das war nicht halb so spannend wie die Erkenntnis, wer vor Bulma stand. „Son Goku?“, platzte es aus ihr heraus. „Was -“
 

„Du sollst den Mund halten“, befahl Turles patriarchalisch. Anschließend entstand eine kurze Pause, ehe er fortfuhr und grob nach ihren Arm griff, nachdem Tōma von ihr abgelassen hatte. „Ich will ungern deutlicher werden.“
 

Jedoch war Bulmas Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet, statt ihrem Gegenüber zuzuhören. Mit Entsetzen musste sie zusehen, wie der Komplize eine Tür nach der anderen auftrat. „Was soll das?“, entgegnete sie stattdessen schnippisch. „Son Goku, was ist los? Ich bin es. Bulma!“ Sie kam nicht drum herum, diese Worte – trotz ihrer Angst - auszusprechen. Son Goku war so anders, so... bösartig. Sie erkannte den einst so liebevollen, naiven zwölfjährigen Jungen nicht mehr. Hinzu kamen diese seltsam aussehenden Kleider, die er trug und in ein gänzlich angriffslustiges Licht rückten. 
 

„Was?“ Sein Blick fuhr irritiert zu ihr herum, da er seinem Begleiter nachgesehen hatte, der wenige Sekunden später mit einem Mann und einer Frau aus einem der Zimmer herauskam und diese hart zu Boden stieß. „Ich heiße nicht Son Goku“, informierte Turles das Mädchen vor sich, bevor er ihr ein hinterhältiges, böswilliges Grinsen, sowie einen Stoß gegen ihre Schulter schenkte, so dass ihr Rücken mit der dahinterliegenden Wand kollidierte. Abschließend wollte er sich von dem nervigen Erdling abwenden und zu den älteren Herrschaften marschieren, doch wurde er von ihrer aufgebrachten Stimme zurückgehalten, weshalb er sich schmunzelnd zu ihr zurückdrehte.
 

„Nein, bitte nicht!“, schrie sie aufgewühlt auf. 
 

„Aufhören!“, brüllte sie krächzend in die stille Nacht herein, ehedem ihr schweißgebadeter Körper ihr suggerierte, dass sie nicht mehr träumte. Zögerlich waren ihre Lider nach oben gewandert - hinauf zur weißen Zimmerdecke, die ihr entgegen strahlte. Doch so schön die Ruhe auch war, Bulma konnte sich nicht mäßigen. Schon wieder hatte die Vergangenheit sie eingeholt. Eine bittere Historie, welche Bulma vor drei Monaten erlebt hatte. Ja... Vor drei Monaten stürmten zwei großgewachsene Männer das Anwesen ihrer Eltern und offenbarten Bulma eine Wahrheit, die sie damals nicht nachvollziehen, gar verarbeiten konnte. Nein, sie wurde buchstäblich in ein Becken geworfen, das mit Eiswasser gefüllt worden war. Was aber dem Ganzen die Krone aufsetzte, war die Tatsache, dass ihre eigenen Eltern - das musste man sich auf der Zunge zergehen lassen - in zweiundzwanzig Jahren nicht einmal die Gelegenheit fanden, ihr mitzuteilen, dass sie gar kein Mensch war, sondern eine Saiyajin. 
 

Oh ja, den Mut hatten sie – weder ihr Vater, noch ihre Mutter – nicht aufbringen können. Stattdessen musste sie diese äußerst verhängnisvolle Richtigkeit von zwei wildfremden Männern erfahren. 
 

Zitternd, noch immer etwas geschlaucht von ihrem Traum, griff sie nach ihrem Wecker. Die leuchtenden Zahlen teilten ihr mit, dass es zwei Uhr in der Nacht war, doch bevor sie sich dazu entschloss, in ihr Badezimmer zu schlurfen und sich den Schweiß von ihrem Gesicht zu waschen, sank ihr Kopf zurück in ihre weichen Kissen. 

 

Denn trotz der Vorkommnisse, konnte Bulma positive Aspekte herauskristallisieren, die ihr halfen, zurecht zu kommen. Tatsächlich gab es hier auf Vegeta-Sei etwas, das Bulma nicht gänzlich in den Wahnsinn trieb und dazu zählte sie nicht den schäbigen Verrat ihrer Eltern, den Bulma nicht so einfach verzeihen konnte, wenngleich Verzeihen eine Eigenschaft der Starken war. Aber wie stark musste man sein, um etwas derartiges zu verarbeiten? Schließlich hatten sie Bulma mehr als zwei Jahrzehnte belogen, hinsichtlich ihrer Herkunft. Nein, etwas anderes war es, was Bulma am Leben hielt. Die junge Frau erfuhr zu ihrem Erstaunen, dass Son Goku hier lebte - hier auf Vegeta-Sei. Ihr Son Goku, mit dem sie etliche Abenteuer erlebt hatte, lebte mit seinem älteren Bruder Radditz am Rande der Stadt. Wie perplex Bulma war, angesichts der Tatsache, dass auch er ein Saiyajin war. Jedoch wurde das kurze Gefühl der Fröhlichkeit getrübt, als sie an Chichi dachte. 

 

Und... auch an Yamchu musste sie denken. 
 

Traurig füllten sich ihre Augen mit Tränen, die Bulma zornig mithilfe ihres Handrückens wegwischte. Verdammt. Der Umstand, nun eine Bewohnerin Vegeta-Seis zu sein, war eine Speise, die einen faden Beigeschmack nach sich gezogen hatte.
 

„Du klingst so verbittert, Bulma. Reiß dich doch einmal zusammen“, schimpfte sie mit sich selbst, während sie ihren Körper zur Seite drehte und den tiefschwarzen Himmel durch ihr Fenster sehen konnte. Ach, sie vermisste die Erde so sehr. Sie vermisste Chichi, die ihr genau dasselbe sagen würde, sofern sie hier wäre. Auch vermisste sie ihr Studium. Sogar ihren elitären Professor vermisste sie. Aber... wurde Bulma genauso schmerzlich vermisst? Fahndete man bereits nach ihr und ihrer Familie? Ach, wie gerne würde sie in das Labor ihres Vaters laufen, um weiter an der Kapsel zu arbeiten, die sie zur Erde bringen konnte. Und obwohl es einem niederen Saiyajin untersagt war, den Planeten zu verlassen, hatte ihr Vater einen Weg gefunden, eine Kapsel zu organisieren, die er heimlich zusammenbaute, um Bulma den Wunsch zu erfüllen, gemeinsam mit Son Goku zur Erde zu reisen. 
 

Die junge Saiyajin, die sich noch gar nicht an diese Bezeichnung gewöhnen konnte, schlug erfreut ihre Decke zur Seite, da ihr dieser Gedanke die nötige Kraft spendete. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende daran, als wäre diese Nachricht ihr Rettungsring. Der Gedanke, zurück zur Erde zu können, war berauschend, denn hier gab es nichts, was sie halten konnte. Diese Wesen, die hier lebten, waren nichts weiter als Barbaren, die sich im Kampf übten, um schlussendlich in den Tod zu stürzen, sofern Gefahr bestand, dass ein Kampf sich negativ für die saiyajinische Seite entwickelte – soviel konnte sie schon erfahren, anhand Son Gokus und dessen Freund Kuririns Erzählungen, der ein etwas zu klein geratener Saiyajin war, aber stets höflich, gemischt mit einer Brise Humor. Nun gut, anlässlich dieser Erkenntnis musste Bulma erkennen, dass nicht alle Saiyajins grundlegend böse waren. Sie selbst war - neben Son Goku und Kuririn - ein gutes Beispiel, oder? Allerdings wollte sie sich selbst nicht als Saiyajin bezeichnen. Nein, sie war ein menschliches Wesen...
 

Genau das war sie. Mehr wollte sie auch nicht. Konnte man das nicht nachvollziehen, hier auf diesem despotischen Planeten, der alles andere als ansehnlich war? Lediglich der Himmel war klarer, wodurch sie die Sterne sehen konnte. Wolken gab es hier nicht – nur die Sonne am Tag und die Sterne in der Nacht. 
 

Verflucht. In ihr stieg erneut Zorn auf. Geistesgegenwärtig griff Bulma nach ihrem Mobiltelefon, das – wie zu erwarten war – nicht funktionierte und nur aufgrund ihres tragbaren Akkus intakt war, da der hiesige Strom sich sehr deutlich von dem ihr bekannten Strom unterschied. Demzufolge hatte sie keine Möglichkeit, Chichi zu kontaktieren, weshalb sie bereits seit drei Monaten auf dem Trockenen saß und sich mit Dingen zufrieden geben musste, die nicht ihrem Naturell entsprachen. Willkürlich öffnete sie die Bildergalerie ihres Handys, wo sie sich alte Fotos ansah, die sie an bessere, schönere und glücklichere Zeiten erinnerte. 
 

„Nützt alles nichts“, entkam es ihr nach dreißig Minuten, nachdem sie einhundertfünfundzwanzig Fotos durchgesehen hatte. „Du kannst dein ganzes Leben lang, jede Nacht, die Fotos ansehen und diesen Planeten hassen, aber das ändert nichts, Bulma“, beanstandete sie das Odium, das sich gegenüber Vegeta-Sei zu entwickeln schien. Hier allerdings liegen zu bleiben war auch keine Option, weshalb sich Bulma anzog, um wenigstens der Sonne zuzusehen, wie sie den Horizont durchbrach, um den Planeten in ihr helles Sonnenlicht zu tauchen. Tja, auch das könnte sie täglich wiederholen, ohne eine Veränderung wahrzunehmen. Irgendwann, so wusste Bulma, würde sie sich an diesen Zustand gewöhnen, denn Menschen... Nein, denn Saiyajins mussten ebenfalls Gewohnheitstiere sein, die sich ihrer Situation, sowie deren Umgebung anpassten. 
 

Gekleidet in einer schwarzen Stoffhose, einem weißen, kurzärmeligen Shirt und blauen Sneakers, schlich sie sich die Treppe hinab, verzichtete auf ihre morgendliche Dusche und sah kurz um die Ecke zur dunklen Küche, bevor sie zur Tür rannte, durch welche sie sich stahl. 
 

War sie denn wirklich schon zweiundzwanzig, überlegte sie, während ihre Füße sie immer weiter von zuhause weg trugen? Auf der Erde musste sie sich nie abmelden, wenn sie das Haus verließ, doch hier schien alles etwas anderes zu sein, worauf ihr Vater sie erst aufmerksam machte, als sie vor ein paar Wochen abends in die Stadt schlendern wollte. 
 

Gnadenlose, gefühllose Saiyajins - so nannte ihr Vater die Wesen, die sich in der Stadt herumtrieben. Wieso kamen sie nur hierher zurück? Nun, weil ihr Vater zurückbeordert wurde, in der Hoffnung, dem König dieses Volkes zu dienen – weshalb auch immer, aber anscheinend erhoffte er sich eine Erfindung, mit der man etwas aufspüren konnte. Das war alles, was ihr Vater ihr erzählte. Ja, mit solch spärlichen Informationen musste sich die sonst sehr neugierige Bulma zufrieden geben. 
 

Immer weiter entfernte sie sich vom Haus und ließ die zersetzende, vergangene Realität, aus der sie eben aufgewacht war, weiterhin Revue passieren.
 

„Sind noch welche dieser Rasse im Haus?“, wollte Turles schnaubend wissen, als er sich vor das eingeschüchterte Mädchen stellte. Ihm fiel auf, dass sie... dass sie schön war. Schon lange hatte er keine so hübsche Saiyajin mehr gesehen. Einzig ihre Haare und ihre Augen verunsicherten ihn. Saiyajins waren immer schwarzhaarig, hatten schwarze oder braune Augen – keine solch tiefblauen Augen, wie dieses Weib. „Ob noch andere im Haus sind, habe ich gefragt“, wiederholte er zorniger, was sich auch auf seinen Griff um ihr Kinn auswirkte. „Wenn ich dich etwas frage, erwarte ich eine Antwort! Also, nochmal frage ich nicht.“
 

Die Hand des Hünen konnte mithilfe seines brutalen Griffes ihren Kopf steuern, wodurch Bulma gezwungen war, ihn anzusehen. In Anbetracht ihrer Position und ihrer Angst, umschlang ihre Hand seinen Arm, um wenigstens ein wenig Selbstsicherheit zu behalten. „Ich... Nein, nein. Hier ist sonst niemand!“, antwortete sie ächzend. Hoffentlich war Chichi entkommen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihre verängstigte Mutter, die weinend am Boden lag. 
 

„Bist du sicher? Noch hast du die Möglichkeit, mir die Wahrheit zu sagen.“ Sein Zeigefinger drückte mehrere Knöpfe auf diesem Ding, das wie ein Kopfhörer aussah und doch keiner war. „Du willst nicht antworten? Auch gut. Los, Tōma!“
 

Bevor Bulma einen Blick auf diesen Tōma erhaschen konnte, war er auch schon wieder verschwunden und die schlimmsten Befürchtungen sollten sich bewahrheiten. Dieses Ding, welches diese unbekannten Wesen trugen, beinhaltete ein menschliches Ortungssystem. „Bitte lassen Sie doch meine Eltern aufstehen. Was haben sie Ihnen getan?“
 

„Deine Eltern?“, versicherte sich Turles, um nicht völlig seine Beherrschung zu verlieren. Natürlich waren das ihre Eltern, aber er war, veranlasst durch ihr Aussehen, ziemlich durcheinander. Ganz dringend musste er einen anderen Punkt fixieren - etwas, was ihn nicht so sehr aus der Bahn werfen konnte, wie die Erscheinung dieser Saiyajin. 
 

„Ja“, stotterte Bulma. „Das... Das sind meine Eltern. Bitte lassen Sie sie in Ruhe. Sie sind friedlich und lieb... und verdienen diese Art der Behandlung nicht.“
 

„Ach, du aber schon?“, wollte er grinsend wissen und schloss den Abstand zu ihren Eltern, nachdem er Bulma losgelassen hatte. 

 

„Nein. Ich... würde mich ebenfalls als freundlich bezeichnen - solange es mein Gegenüber auch ist“, fügte sie provozierend hinzu, während ihre Finger sanft über ihr Kinn fuhren, das eben noch im Griff dieses... dieses Sadisten gefangen war. Himmel nochmal, sie klang bissig, aber sie war - neben ihrer Furcht - unheimlich wütend geworden.

 

Turles hingegen stand mit verschränkten Armen vor den Eltern des Mädchens, für die er nichts anderes als Aversionen übrig hatte. Vor ihm kauerten Saiyajins, die sich wie Würmer am Boden wandten. Es war erbärmlich. „Weißt du nicht, wer ich bin?“, stellte er Bulma die Frage und seine Stimme triefte vor Hass.
 

„Nein, ich kenne Euch nicht“, begann sie unsicher. Anscheinend behagte es ihm nicht, dass man ihn nicht erkannte. Aber Bulma wusste gerade selbst nicht, was sie denken sollte. Stand nun Son Goku vor ihr oder nicht? „Es... Es tut mir leid, wenn es Euch kränkt, nicht erkannt zu werden.“
 

Heilige Scheiße, Turles hätte kotzen können. Angewidert sah er zu der blauhaarigen Frau, die ihn irritierte. Wie freundlich war dieses Weib bitteschön? Es war fürchterlich. Er maß mit seinem Scouter ihre Kampfkraft und war nicht wirklich überrascht, was ihre Kampfkraft betraf. Jämmerliche fünf Prozent wurden Turles angezeigt. Bedauerlich! Solche Individuen wurden in der Regel sofort verbannt und gar nicht mehr zurückgerufen. Wo war bitte die Brutalität in diesem Weib versteckt, welche Saiyajins so einzigartig machten? Sie waren das gefürchtetste Volk im Sonnensystem und sie war was? Freundlich! Höflich! „Tōma!“, brüllte er nach oben und tippte ungeduldig mit einem seiner Füße auf den Boden. „Heute noch, wenns irgendwie machbar für dich ist. Wir haben nicht ewig Zeit.“
 

Nach drei Sekunden flog Tōma mit Chichi, die er über seine Schulter geworfen hatte, die Treppe hinab. Die Schreie ihrer besten Freundin ließen Bulmas Herz förmlich bluten. Diese Machtlosigkeit, in der sich Bulma wiederfand, war erdrückend. Sie zerrte an ihrem Nervenkostüm, doch was konnte sie tun?

 

„Ach, sieh an“, lachte Turles auf, bevor er nach Bulmas Arm fasste und diese zu sich heranzog. Folglich beugte er sich zu ihr hinab - so nah, dass die Luft zwischen ihnen geschnitten wurde. „Doch noch jemand hier. Scheinst du wohl vergessen zu haben, was?“ Dass sie dachte, ihn austricksen zu können... Das war... lachhaft, naiv und dumm.

 

„Ihr tut ihr weh!“, knurrte sie in seine Richtung. „Lasst sie runter.“ Sie konnte nicht fassen, was in Son Goku gefahren war. Was war in den letzten Jahren nur vorgefallen, dass er so wütend war? Bulma verstand gar nichts mehr. Aber wenn Son Goku so wütend war, musste Bulma ihm mit genau derselben Wut entgegentreten. Ihm zeigen, dass das der falsche Weg war, den er wählte. Sie hob ihren Zeigefinger, öffnete ihren Mund und... brüllte los. „Ihr Idioten! Ihr spinnt doch, und jetzt gehst du“, sie funkelte Turles mit ihren blauen Augen an, „mir aus dem Weg, verstanden? Sonst werde ich dir eine Ohrfeige verpassen, die sich gewaschen hat.“
 

„Du? Womit? Mit deiner vorzeigbaren Kampfkraft? Mädchen, du musst früher aufstehen.“ Nun reichte es aber auch Turles. „Für dich wäre es ratsamer, wenn du mich nicht länger auf die Probe stellst. Das kann ansonsten gefährlich werden - für dich, wohlgemerkt. Und jetzt sieh zu, dass du mit mir zu unserem Raumschiff gehst, damit wir endlich zurück nach Vegeta-Sei fliegen können.“
 

„Bitte?“, wollte Bulma ungläubig wissen. „Das ist ein Scherz, richtig? Ein ganz böser Scherz! Wo sind die Kameras?“ Bulma riss sich los, hechtete in die Ecken des Flurs und sah zur Decke hinauf. „Alles klar, reden wir Tacheles. Ihr habt gewonnen und ich gelobe, dass ich nie wieder über einen eurer flachen Witze lachen werde, versprochen. Tenshinhan, Yamchu, Chao-Zu, ihr könnt jetzt aus euren Verstecken.“ Aufgeheitert lachte sie nach oben, hob ihre Hand und winkte in die Ecken hinein, und fragte sich gleichzeitig, wann sie die Kameras installiert hatten? Und... wo waren die Kameras überhaupt? Egal. Ganz sicher wurde sie gerade veralbert. „Ihr habt uns jetzt genug an der Nase herumgeführt. Es ist auch wirklich nett, dass wir eine Raumfahrt machen könnten, aber ihr wisst doch, dass wir hierfür keine Zeit haben.“ Sie würde den drei Freunden gehörig den Marsch blasen, wenn sie sie nochmal sah. Natürlich lachte Bulma oftmals übertrieben, wenn sie alle unter sich waren, aber dann solche Geschütze aufzufahren, war doch maßlos übertrieben. Männer waren anscheinend richtige Lappen und unendlich nachtragend. 
 

Turles beobachtete derweil verwundert Bulmas Verhalten. Was redete dieses Weib bloß? „Das ist kein Scherz! Meine Geduld neigt sich dem Ende zu. Mach dass du wegkommst und beweg dich endlich zum Schiff.“
 

Unverzüglich hielt sie in ihrer Bewegung inne. Was? Na von wegen. „Ihr seid wirklich super Schauspieler“, lobte Bulma die Leistung der beiden Unbekannten mit ausgestreckten Armen. „Wirklich, aber wir müssen dieses recht amüsante, wenngleich auch sehr grobe Schauspiel nun unterbinden. Ich mache dieses Semester meinen Bachelor-Abschluss und ich sollte eigentlich lernen, statt durch den Weltraum zu fliegen. Wisst ihr, ich studiere -“ Gerade wollte sie ihre Finger heben, um ihre Fächer aufzuzählen.
 

„Schluss jetzt!“, schrie er. Mit gespreizten Beine und nach unten gesenkten Fäusten richtete Turles sich zu seiner vollen Größe auf. „Es reicht, Weib! Ich weiß nicht, was man dir auf diesem lächerlichen Planeten alles erzählt hat, aber wir sind sicherlich keine spaßigen Saiyajins. Und jetzt wirst du endlich deine Klappe halten. Geht das jetzt in deinen Schädel rein?“
 

Erschrocken, wie schnell die Stimmung kippte, klammerte sich Bulmas Hand an der glatten Wand fest. Die Temperatur sank gerade in den Minusbereich, sie spürte die Kälte, die von den Männern ausging und ihr wurde unmissverständlich klar, dass das hier kein Scherz war... Nein, auch würden Yamchu, Tenshinhan und Chao-Zu aus keinem Versteck herausspringen.
 

„Und jetzt ist Ruhe!“, fügte er hinzu.
 

„So früh unterwegs?“
 

Ihr nach unten gesenkter Kopf, um den Boden mit bösen Blicken zu strafen, schreckte nach oben. Die Stimme unterbrach ihre Gedanken, sie durchfuhr die Stränge wie ein Blitz, der drohte, alles Gedachte mit einem einzigen Einschlag zu löschen, doch die Entdeckung, wer vor ihr stand, vernichtete die auftretende Angst, der sich Bulma, wie vor drei Monaten, kurz ausgesetzt fühlte. „Grundgütiger... Seid ihr noch zu retten?“, begrüßte Bulma die Anwesenden. Ihr kurzes Lächeln verwandelte sich schlagartig in ein wutverzerrtes Gesicht. „Wie könnt ihr mich so erschrecken?“ Besonders Son Goku hatte sie ins Visier ihrer Tirade genommen.
 

„Moment mal“, wehrte sich Kuririn, indem er seine Arme versöhnlich hob und eine defensive Haltung einnahm. Wenn Frauen ihm so passiv gegenüber traten, hatte er die Erfahrung gemacht, dass es besser wäre, ruhig und besonnen aufzutreten. „Wir treffen uns täglich um diese Uhrzeit - zum Trainieren. Wir können ja nichts dafür, wenn du in Gedanken bist.“ 
 

„Das wusste ich nicht, entschuldigt. Ich war so abgelenkt und hier ist alles so fremd und... ungewohnt. Um dem zu entfliehen, versinkt man wohl schneller in Gedanken, statt aufzupassen.“ Bulma fühlte sich unter den Blicken der zwei anderen Saiyajins sehr unwohl. Ungeachtet dessen, überwand sie sich, stellte sich aufrecht hin und blickte in die verwunderten Gesichter ihrer Gegenüber. Um der Stille zu umgehen, welche sich wie ein unheilbringender Mantel über sie legen wollte, eröffnete sie erneut das Gespräch. „Darf ich euch begleiten?“, warf sie ihre Frage souverän ein und betrachtete ausschließlich Son Goku. Ihr Blick glitt von seinen Beinen hinauf in sein bekanntes, gar nicht mehr jungenhaftes Gesicht. Die markanten Züge zeichneten sich prägnant ab, abgesehen von seinen kohleschwarzen Augen, die immer noch naiv wie eh und je Bulmas Erscheinung musterten. Er hatte sich, obwohl er schon seit sechs Jahren hier lebte, nicht wirklich verändert. Er war nur... muskulöser, stämmiger und männlicher geworden.
 

„Du willst uns begleiten?“ Alarmiert sah der größere Saiyajin zu dem kleineren, der alles andere als begeistert aussah, hinsichtlich Bulmas Bitte. „Ich weiß nicht, Bulma. Ich glaube, es würde dich langweilen.“
 

„Ach quatsch“, winkte sie belustigt ab, um ihre Unsicherheit zu überspielen. „Unsere damalige Suche nach den Dragonballs war doch auch lustig, oder nicht? Auf der Erde“, ihre Stimme klang wehmütig, „hatten wir doch auch keine langweiligen Zeiten.“ Ganz so langweilig würde es gewiss nicht sein, wenn sie sich an die großen Turniere auf der Erde zurückerinnerte, an denen Son Goku teilgenommen hatte. Sie fand die Kämpfe zwar immer äußerst gefährlich, doch waren sie sehr unterhaltsam. 
 

Nachdenklich sah Son Goku abermals zu Kuririn herüber, darauf bauend, er würde die Zügel in die Hand nehmen und Bulma wegschicken, da sie für das, was sie vor hatten, keine Zeugen gebrauchen konnten. Doch sein Freund tat ihm den Gefallen nicht, weshalb er selbst verlegen zu Bulma sah. „Äh, du, Bulma. Das... Das geht leider nicht. Tut mir leid“, druckste er herum. Er sah sich bereits einer weiteren Schimpftirade ausgesetzt. 
 

„Warum?“, hakte Bulma argwöhnisch nach. Die beiden Jungen planten etwas, worin sie unbedingt eingeweiht werden wollte, wenn es ihr schon untersagt war, die Stadt aufzusuchen. „Ihr wollt mich hier jetzt einfach stehen lassen? Obwohl ihr nur trainieren wollt?“ Zugegeben, sie spannte hinterhältig ihre Falle auf, wo sie zusehen konnte, wie Son Goku leichtgläubig hineintappte. 
 

„Oh nein, aber wir wollten in den Palast, um -“
 

„Son Goku, halt die Klappe“, schnitt Kuririn ihm das Wort ab, bevor seine Hand gegen seine Stirn flog. „Erzähl ihr doch nicht alles!“, empörte sich der kleine Saiyajin indes, als er sich zur Seite beugte, um hinter vorgehaltener Hand mit seinem Freund zu sprechen. „Das geht niemanden etwas an, auch sie nicht. Egal, wie lange ihr euch schon kennt!“ Gerne hätte er das Gespräch auf diese Dragonballs gelenkt, von denen das blauhaarige Mädchen sprach, doch Son Goku hatte es geschafft, alles zu versauen, weil er gutgläubig auf ihre listige Frage eingegangen war. 
 

Augenblicklich zählte Bulma eins und eins zusammen. Ihren Zeigefinger tippte sie mehrmals gegen ihre Unterlippe, wodurch sie Überlegungen vortäuschte, ehe sie zu sprechen anfing. „Ich dachte“, murmelte sie, „dass ihr trainieren wollt? Trainiert ihr etwa im Palast?“ Bulma kannte den Palast des Königs aus der Ferne, hatte jedoch nie die Möglichkeit, sich das Gebäude näher anzusehen. „Wenn ja, spricht doch nichts gegen meine Anwesenheit, oder? Schließlich sind im Palast doch auch andere Saiyajins, die euch zusehen?“
 

„Genau das ist es ja“, begann Son Goku zu erklären. Im Nachhinein schlich sich ein hochmütiges Grinsen in sein Gesicht, als würde er wissen, was er tat, er aber zu töricht war, um die erneute Falle zu bemerken. „Wir gehen unerlaubt rein“, informierte Son Goku Bulma mit erhobenem Zeigefinger. 
 

„Son Goku!“, entfuhr es Kuririn abermals. Dieses Mal jedoch mit mehr Biss und deutlich lauter als zuvor. 
 

„Ihr wollt in den Palast einbrechen?“ Das war auch für Bulma eine zu große Hausnummer. Jedoch siegte die Neugier und das Adrenalin, das aufgeregt durch ihre Adern pumpte. Hier war alles so eintönig, da kam ihr diese Ablenkung, trotz der horrenden Angst, gerade recht. „Worauf warten wir dann noch? Lasst uns gleich gehen.“ Aufgeregt schielte Bulma auf ihre Armbanduhr. Es war vier Uhr in der Früh und als sie ihren Kopf in Richtung des Palastes wandern ließ, erkannte sie, dass dort alles in völliger Dunkelheit lag. 
 

„Wie jetzt? Du kannst nicht mit uns kommen“, stellte der kleine Saiyajin resolut klar. „Du wirst uns nur im Weg stehen, sodass wir am Ende erwischt werden und das, meine Teure“, äffte der glatzköpfige Kuririn, „wäre gar nicht vorteilhaft. Der König würde uns vierteilen lassen!“
 

Die junge Saiyajin ignorierte den Einwand, denn sie schritt hoheitsvoll an ihm vorbei, blieb stehen und blickte über ihre Schulter zurück. „Können wir jetzt gehen? Es wird nicht immer dunkel bleiben. Außerdem sollten wir uns eine sichere Taktik überlegen, während wir zum Palast schleichen. Oder wolltet ihr einfach auf gutes Gelingen euer Glück versuchen?“ So naiv konnten sie nicht sein, oder? Selbst ihr war klar, dass der Palast bewacht sein musste, ganz gleich, ob der König an- oder abwesend war. 
 

„Son Goku, bring das Mädchen zur Vernunft. Sie kann nicht mit uns kommen. Das wäre ein Risiko und bitte überlege doch, was dein Bruder dazu sagen würde, sollten wir erwischt werden.“ Kuririn gefiel es nicht – im Gegenteil. Diese Saiyajin wäre ein zu großer Störfaktor. Hinzu kam das mangelnde Vertrauen. Son Goku mochte sie vielleicht schon lange kennen, aber er selbst eben nicht. Bisher konnte er ihre Aufeinandertreffen an einer Hand abzählen, was ausreichte, um ihr nicht zu trauen. „Und überhaupt, was ist, wenn wir erwischt werden und du uns verpfeifst?“
 

„Hey, was soll das denn heißen?“, erwiderte sie belanglos, als wüsste sie nicht, zu was der König alles im Stande war. Nun, das wusste Bulma auch nicht, weswegen sie womöglich die Situation unterschätzte, doch das sollte ihr den Spaß nicht verderben. Viel zu lange hatte sie sich zurückgehalten, was sie – wenn sie schon hier gefangen war – unbedingt ändern musste. „Ich werde euch nicht verpfeifen - mitgehangen, mitgefangen. Darauf gebe ich euch mein Wort.“
 

„Wie schön, dass dein irdisches Wort hier nicht zählt, Bulma.“ Verzweiflung machte sich in dem kleinsten der Saiyajins breit. Er schien gegen diese blauhaarige Frau keinerlei Chance, in puncto Durchsetzung zu haben, was ihn beinahe in den Wahnsinn trieb. 
 

„Mein Wort zählt immer“, fauchte sie ihm ins Gesicht, nachdem sie zu ihm aufschloss und sich zu ihm hinabbeugte, wonach sie ihren Finger wild gegen seine Brust tippte. „Ist das klar? Ich komme mit euch, Ende der Diskussion!“ Hätte sie diese Stärke nicht einmal auf der Erde einsetzen können? „Ihr könnt nicht eine wehrlose Frau stehen lassen - und schon gar nicht nachts. Bedenkt doch die Gefahren, in -“
 

„- in die du dich selbst manövriert hast?“, beendete er ihren unvollendeten Satz lamentiert. „Ja, das werden wir bedenken und bringen dich auch gerne nach Hause.“
 

„Lass sie, Kuririn. Ich kenne Bulma. Wir können ihr vertrauen.“ Auch Son Goku gesellte sich zu den beiden Streithähnen, doch nur auf Kuririns Schulter landete seine Hand, um diesen zur Räson zu bringen, da seinem Freund oftmals das Temperament durchging. „Sie wird uns weder verpfeifen, noch auf uns aufmerksam machen.“ Hiernach wanderte sein Blick zu Bulma, die neben ihm stand, ihre Arme verschränkte und ihr Kinn nach oben hob, um beiden das Gefühl zu vermitteln, dass das selbsterklärend sei, dass sie niemanden in Schwierigkeiten brachte. „Sollte etwas schief gehen“, fuhr er flüsternd fort, trotz der Tatsache, dass sie alleine waren, „teilen wir uns auf, rennen in verschiedene Richtungen und treffen uns wieder hier, ja?“ Um den Bund des Vertrauens zu besiegeln, hielt Son Goku seine nach unten geöffnete Hand in die Mitte und wartete darauf, dass die anderen ihre darauf legten, was auch unweigerlich geschah. 
 

„Ich würde aber schon gerne bei dir bleiben, Son Goku. Ich... Ich kann ja nicht fliegen und -“ Richtig, das konnte Bulma, im Gegensatz zu den anderen, nicht. Eine Flucht wäre somit ausweglos, sofern sie erwischt wurden.
 

„Stimmt. Das haben wir nicht bedacht.“ Das war ein gravierendes Problem, in der Tat. „Dann bleibt Bulma bei mir, in Ordnung, Kuririn.“
 

Ein Problem jagte das nächste. „Meinetwegen“, murrte der Angesprochene, der nach wie vor, aufgrund der neuen Begleitung, nicht entzückt war. „Sie lässt sich ja sowieso nicht aufhalten. Am Ende folgt sie uns noch, was uns nur auffälliger machen könnte. Aber“, mit erhobenem Zeigefinger wandte er sich zu Bulma, „mach bloß keinen Ärger.“
 

Eifrig schüttelte Bulma ihren Kopf, woraufhin ihre blauen Haare nach vorne rutschten und sie sich diese nach hinten kämmte. „Mache ich nicht, versprochen. Ich bin leise wie eine Maus“, beschwor sie nachdrücklich. Abschließend wollte sie noch etwas wissen und hielt die beiden Saiyajins erneut auf. „Eines möchte ich noch gerne wissen. Wieso brechen wir überhaupt in den Palast ein? Reiner Nervenkitzel oder hat der Bruch einen bestimmten Grund?“
 

„Aufgrund der Tatsache, dass wir... dass wir keine Elite-Kämpfer sind, haben wir demzufolge auch nicht die Mittel, gewisse Lebensstandards zu erfüllen. Einfachste Bedürfnisse wie Nahrung“, ergänzte Kuririn niedergeschlagen, „bleibt uns oft verwehrt. Glaub mir“, fügte er schnell, aber ebenso beschämt hinzu, „mir wäre der reine Nervenkitzel auch lieber. Allerdings... meine Eltern sind ebenfalls keine Krieger des Königs, weshalb wir selbst zusehen müssen, wo wir bleiben.“ Ihm war es total peinlich, der Saiyajin seine wahren Beweggründe zu erzählen. 
 

„Oh, das ist ja furchtbar.“ Ehrliche Bestürzung beschlich Bulma, die von der einheimischen Hierarchie noch gar nichts mitbekommen hatte. Ihr war lediglich die größere Menge Nahrung aufgefallen, die ihre Eltern hortete. Nun wusste sie auch, wieso das so war. „Ist das bei dir und deinem Bruder auch so, Son Goku?“ Auf der Erde hätte Bulma in Saus und Braus leben können - vorausgesetzt, sie hätte ihr Studium erfolgreich beenden können, aber hier? Hier brachte der Reichtum ihrer Eltern sie keinen Zentimeter weiter.
 

„Ja, all jene, die nicht in der Stadt leben, ertragen dieses Schicksal, aber das ändern wir schon seit fünf Tagen und verteilen das, was wir ergattern“, erzählte er Bulma schelmisch grinsend. „Und bisher sind wir noch nicht erwischt worden.“
 

„Nun denn. Robin Hood, Little John? Seid ihr bereit?“ Fragende Blicke waren die Nachfolge ihrer Titulierung der beiden männlichen Saiyajins. Daraufhin erklärte Bulma ihnen, während sie zum Palast gingen, wer Robin Hood und Little John waren. 

 
 

~*~
 

Der Weg zum Palast verlief schneller als erwartet und allmählich pumpte Bulmas Herz wie verrückt, nachdem ihr bewusst wurde, was sie kurz davor waren zu tun. Ja, sie bekam Muffensausen, doch an Rückzug wagte sie nicht zu denken. Zu groß wäre die Scham, die sie gegenüber ihrer Freunde verspürte, sollte sie tatsächlich in Erwägung ziehen, zu gehen. Man würde Bulma doch gar nicht mehr ernst nehmen, geschweige denn in etwas miteinbeziehen. Dabei wollte sie dazu gehören, sich in ihrem neuen, unbeständigen Leben zurechtfinden. 
 

Ihre blauen Augen wurden durch ihre geschlossenen Lider verdeckt, ehe sie ihren Kopf leicht hob, um aus dem Gebüsch zu sehen, in welchem sich die drei versteckten. Doch bevor es soweit kam, zog Kuririn sie zum Boden zurück, woraufhin sich auch ihre Augen öffneten. 
 

„Bist du übergeschnappt?“ Unverzüglich drückte Kuririn Bulmas Kopf nach unten, nicht sicher, ob er frühzeitig reagiert hatte, oder man bereits nach ihnen suchte. „Dort oben stehen Wachen, die uns mit ihren Scoutern jederzeit finden können. Meine Güte, siehst du das nicht?“
 

„Bitte? Scouter?“ Was, um alles in der Welt taten sie hier, wenn sie jederzeit erwischt werden konnten? Von diesen Scoutern hörte sie heute zum ersten Mal, aber scheinbar war ein Scouter das, was Turles am Ohr trug und genau jetzt wäre der richtige Moment, zu verschwinden – einfach weglaufen, in ihr sicheres Heim, soweit man das Wort sicher im Bezug auf diesen Planeten und deren Einwohner benutzen konnte. „Wieso sind wir nochmal hier? Ich glaube eher, ihr seid übergeschnappt.“
 

„Siehst du?“, nörgelte Kuririn in die Richtung seines Kompagnons. „Wir hätten sie nicht mitnehmen dürfen.“ Danach wandte er sich an Bulma. „Ganz so blöd, wie du denkst, sind wir auch nicht. Die Wachen kontrollieren ihre Scouter jeweils zur vollen Stunde – nicht früher und nicht später! Solange wir uns demnach am Boden bewegen, uns nicht bemerkbar machen und unsichtbar bleiben, werden wir sicher in die Vorratskammer des Königs kommen, klar soweit?“, erklärte er Bulma hektisch, während er mehrmals zu den Wachen sah. „Und die nächste volle Stunde ist erst -“
 

„- in fünfundvierzig Minuten“, flüsterte Bulma zurück. „Seid ihr sicher, dass sie -“ Sie unterbrach sich selbst, nachdem Son Gokus Hand ruckartig nach oben schoss. 
 

„Ssshh, da vorne links stehen die Bodentrupps. Wenn wir nach rechts gehen, sollten wir rechtzeitig ankommen. Solange wir nicht fliegen, wird uns niemand bemerken.“ Gerade wollte er in gebückter Haltung losrennen, die Lage überprüfen und seinen beiden Mitstreitern zuwinken, doch er wurde am Arm zurückgehalten, noch ehe er nach vorne rennen konnte. Daraufhin drehte er sich um... und blickte in das verstörte Gesicht seiner Jugendfreundin. 
 

„Son... Son Goku, bitte sag mir, dass wir das Richtige tun.“ Ihr angstvoller Blick sagte mehr als tausend Worte, aber sie hatte sich selbst in diese Situation gebracht, weil sie unbedingt mit ihnen ziehen wollte. 
 

„Ja, Bulma. Wir tun das Richtige.“ Der sonst so fröhliche Son Goku verwandelte sein Gesicht in eine düstere, ernste Miene, die keinen Spaß verstand. „Und mach dir keine Sorgen.“ Ähnlich wie bei Kuririn zuvor, legte er eine Hand auf Bulmas Schulter. „Hätten sie den Diebstahl bemerkt, wäre es hier nicht so ruhig.“ Ihr erstarrter Blick ließ ihn weitersprechen. „Ich kenne dich, Bulma. Ich habe unsere gemeinsame Zeit nicht vergessen, falls du das denkst, und ich weiß, dass du dich oftmals viel tapferer darstellst, als du in Wirklichkeit bist, aber ich werde nicht zulassen, dass man dir Schaden zufügt.“ Ein leichtes Lächeln sollte ihr beweisen, dass alles gut werden würde. 
 

Erschrocken darüber, wie ernst es ihm war, nickte Bulma bloß, außer Stande, ihm zu antworten, denn insgeheim hatte er recht. Bulma spielte oft die Starke, aber das tat sie aus Selbstschutz und auch nur dann, wenn es notwendig war, da ihr glänzendes Selbstbewusstsein darin brillierte, nicht vorhanden zu sein. 
 

„Dann... Dann bin ich voll und ganz dabei.“ Ihre Hand wanderte ebenfalls zu ihrer Schulter, wo ihre Hand den Weg zu seiner fand. Sofort ergriff seine Wärme Besitz von ihr, um die anhaltende Angstkälte zu verjagen. Es war, als würde sein Mut auf sie überspringen, ihr die nötige Kraft spenden, ehe seine Hand langsam nach unten zur Seite fiel. 
 

„Wir auch.“ Son Goku überprüfte ein letztes Mal die Lage, bevor er einmal ausatmete, um im nächsten Moment loszurennen. So schnell ihn seine Beine trugen, hatte er die Mauer auf der rechten Seite erreicht. Nachdem er sich sicher war, dass man sie im Mondschein nicht sehen konnte, winkte er Bulma und Kuririn zu.
 

Nickend wandte sich der kleine Saiyajin an seine Begleiterin. „In Ordnung. Sollen wir zusammen, oder rennst du alleine los?“ Unsicher, ob Bulma sein Tempo halten konnte, wartete er gespannt auf ihre Antwort. 
 

„Zusammen!“

Mut der Verzweiflung

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.

- Albert Einstein


 

 
 

~*~

 

- Kapitel drei -


 

Oh, zuletzt war sie so ruhelos und spannungsgeladen, als sie sich in ihrer Physik-Klausur wiederfand. Schrödinger-Gleichungen, Newtonsche Mechanik, Kern- und Teilchenphysik, sowie Quantenstatistik gehörten zu ihren Lieblingsthemen, doch sobald sich eine Frage auch nur annähernd in eines dieser Themen bewegte, wurde sie nervös. Ihr Nervenkostüm, das von Natur aus sehr rissig war, lag schon lange in einer Ecke - zerfleddert und nicht mehr brauchbar. Und heute, mitten in der Nacht, ging es ihr genauso – wahrscheinlich nur noch schlimmer und noch extremer. Zu ihrer Angst gesellte sich die Übelkeit, Angstschweiß brach aus und dennoch... Die Neugier schaffte es, sich über alldem zu erheben, ja, sie zwängte die hinzukommenden Gefühlslagen in die Ecke. Zumal sie erfuhr, in welcher Gesellschaft sie ihr weiteres Leben leben sollte. Dieses Wissen entfachte den Drang, in den Palast einzubrechen, umso mehr. Bulma verabscheute eine zweigeteilte Klassengesellschaft zutiefst, doch wie sollte eine Einzelperson sich dagegen erheben? Es war gleichzusetzen mit einem Ast, den man mühelos zerbrechen konnte, im Gegensatz zu einem Berg Äste und genauso war es – mit Son Goku und Kuririn an ihrer Seite, würden sie dieser Gesellschaft ins Gesicht spucken. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Die riesigen Schlossmauern, denen sie näher kam, erschienen wie unüberwindbare Hindernisse, als Bulma ihren Kopf in den Nacken legte und sich fragte, wie sie es schaffen sollten, in den Palast einzudringen - ohne sich dem Hilfsmittel des Fliegens zu bedienen. Ihre Verzückung, eine Lanze zu brechen, schien sich gerade, zusammen mit ihrem Seufzer, zu verabschieden. Des Weiteren taten die Sterne, die oben am Firmament leuchteten, das nötigste, um alle drei - kredenzt auf einem Silbertablett - in hellem Licht erstrahlen zu lassen. Sie zählte bereits die Sekunden, wann man sie entdeckte, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen erreichten Kuririn und sie die Mauer, an der Son Goku auf sie wartete, ehe er einen Finger auf seinen Mund legte, um ihnen zu verdeutlichen, dass sie den restlichen Weg leise bewältigen mussten. Anschließend drehte er sich um, presste seinen Rücken gegen die Wand und atmete aus, bevor er nach oben sah und sich entlang der Wand nach vorne tastete.
 

Jeder Schritt hörte sich an, als würde unter ihnen eine Bombe explodieren – so laut donnerte es in Bulmas Gehör, das ihr – wie sie wusste – einen perfiden Streich spielte. Jedoch trieb diese Täuschung auch ihr Adrenalin in die Höhe, was ihrem verräterischen Gehirn, infolge ihrer destruktiven Haltung, nur zugute käme. Andernfalls würde sie noch verrückt werden.
 

„Son Goku“, hechelte sie, da sie aufgrund ihres schnellen Laufs sichtlich mitgenommen wirkte. „Ist es...Ist es noch sehr weit?“ Ständig wirbelte ihr Kopf herum, um sicherzustellen, dass ihnen niemand folgte. 
 

„Nein, gleich da vorne.“ Seine Hand deutete zu einer kleinen Einkerbung in der Wand, wo sich eine kleine unscheinbare Tür befand, doch bevor sich Son Goku daran zu schaffen machte, lehnte er sich schwer atmend gegen die Steinwand, die ihm Kälte spendete. Auch ihm blieb seit fünf Tagen, jedes Mal nach Erreichen der Mauer, die Luft weg. „Lebt ihr noch? Oder... Oder seid ihr bereits starr vor Angst?“ Ohne sie anzusehen, sah er zum Himmel hinauf und dachte gleichzeitig über Bulmas Frage nach. Taten sie wirklich das Richtige? Schließlich beklauten sie ihren König und... Nein, sie taten das Richtige. Außerhalb der Stadt gab es Saiyajins, die das Glück – dem König zu dienen – nicht hatten und am Rande des Existenzminimum lebten. Ganz gleich, was auch passieren konnte, Son Goku konnte dem Elend nicht mehr tatenlos entgegenblicken – ebenso Kuririn, dessen Beweggründe noch gravierender waren, angesichts der Abgeschlagenheit seiner Mutter, die aufgrund der mangelnden Versorgung enorm litt.
 

„Alles dran“, erwiderte der glatzköpfige Saiyajin leise, der vorsichtshalber seinen Körper abtastete. Daraufhin schlich er an Bulma vorbei, näherte sich der Tür und packte nach dem Knauf, den er sachte rüttelte, ehe dieser anstandslos aufklickte. „Wahnsinn... Sie haben immer noch nichts bemerkt. Fast schon unheimlich, oder?“, äußerte er seine aufkeimenden Zweifel, bezüglich ihres anhaltenden Erfolgs. Ungläubig sah er zu Son Goku, der genauso erstaunt war. Soviel Glück konnten sie doch nun wirklich nicht haben, oder? 
 

„Ja, bedenklich“, stimmte Son Goku ihm zu. „Könnte tatsächlich eine Falle sein“, fuhr er skeptisch fort, während er die Tür betrachtete und zeitgleich auf seiner Unterlippe kaute.
 

„Und jetzt?“ Eingepfercht zwischen den beiden, lugte Bulma verängstigt über Kuririn, der Bulma missbilligend dabei zusah, wie sie sich nicht daran zu stören schien, ihn als Schutzschild zu gebrauchen. „Sollen wir zurück?“ Unbewusst fuhr ihre Hand zur Seite, um sich unverzüglich in Son Gokus dunkelblauem Gürtel festzukrallen - mit dem Ziel, ihn gar nicht mehr loszulassen. „Ich meine, wenn wir unsicher sind, bringt das nichts, oder?“
 

Was soll das heißen?“ Kuririns Alarmglocken schrillten. Die Befürchtungen, die er anfänglich geäußert hatte, kehrten zurück. Die Angst, Bulma könnte sie alle auffliegen lassen, zeichnete sich deutlich in seinen dunklen Augen ab, doch hielt er sich zurück, da er Son Gokus Sinnen traute. 
 

„Hey? Seit wann hast du denn Angst?“, wollte Son Goku nonchalant wissen, während er ihren festen Griff um seinen Gürtel unkommentiert duldete. Außerdem musste er die Situation entschärften, denn Kuririn sah nicht so aus, als könnte er sich noch länger beherrschen. „So kenne ich dich gar nicht.“
 

„Ja“, seufzte Bulma. „Man wird älter. Man wird... reifer, obwohl diese Aktion weniger mit Reife zu tun hat“, murmelte sie. Zwischen ihren Worten scannten ihre Augen ununterbrochen die Gegend ab. „Außerdem warst du ja auch immer da und hast aufgepasst“, schloss sie ihre Erklärung und blickte lächelnd zu ihrem ältesten Freund nach oben.
 

„Aber -“ Verwirrt schüttelte er seinen Kopf. Er war doch jetzt auch anwesend? „Du musst keine Angst haben, Bulma. Noch ist nicht aller Abend Tage – oder war es aller Tage Abend?“, grübelte er. „Egal, ich habe auf der Erde gelernt, die Aura eines Wesens mithilfe meiner Sinne zu spüren, was uns einen Vorteil verschafft.“ Um Bulma etwas zu beruhigen, grinste er ihr entgegen, bevor er der eingeschüchterten Saiyajin seine Fähigkeit demonstrierte. Seine Lider fielen nach unten, die Konzentration stieg, woraufhin seine ausgeprägten Sinne nach Auren suchten, die sich womöglich in ihrer Nähe befinden könnten.
 

„Und?“, drängelte der kleine Saiyajin, der ebenfalls nach mehreren Sekunden - auch Dank Bulmas sinkender Euphorie - dünnhäutiger wurde. 
 

Blitzartig öffnete er seine Augen, wonach sich eine ernstzunehmende Mimik in seinem Gesicht herauskristallisierte. „Keine Aura in der Nähe! Wir können rein.“ Vorsichtig schob er die Tür auf, ließ Bulma den Vortritt und schloss als Letzter die Pforte. Der Innenhof war gigantisch, was ebenfalls ein Pluspunkt war. Den Wachen war es unmöglich, jeden Winkel im Auge zu behalten. 
 

„Seid ihr sicher, dass sie diese Scouter nur zur vollen Stunde benutzen?“ So arrogant, zu glauben, sich in ständiger Sicherheit wiegen zu können, konnten Saiyajins doch nicht sein? Das wäre ja dermaßen überheblich, doch schien es – in Anbetracht ihres Glücks – tatsächlich der Realität zu entsprechen, dass Saiyajins hochmütige Wesen waren.
 

„Ja, wir sind sicher. Siehst du den Einspänner?“ Son Goku beugte sich zu Bulma hinab, platzierte eine Hand auf ihrer Schulter und deutete mit den anderen Fingern zu der Kutsche, welche die dahinterliegende Tür versperrte. „Dahinter verbirgt sich die Vorratskammer, in der saftiger Schinken nur darauf wartet, von uns verteilt und gegessen zu werden“, erklärte er flüsternd weiter. „Wir schleichen uns dort hin. Los!“ Bestimmend griff er nach Bulmas Hand, umklammerte diese fest und setzte einen Fuß vor den anderen. Dicht hinter ihnen befand sich Kuririn, der in regelmäßigen Abständen nach hinten sah, wodurch ihm ein kleines, aber doch so bedeutendes Detail entging. 
 

Seine Schritte wurden schneller, unkontrollierter, unvorsichtiger und...
 

Peng!
 

Schwarze Schuhe berührten verbeultes Blech und doch war der Lärmpegel enorm angestiegen. Inmitten von Sekunden war die Stille weggeblasen.
 

„Oh nein!“ Verdammter Mist. Kuririns Arme wollten nach dem Eimer greifen. Doch stattdessen fasste er ins Leere. Er konnte dem Eimer zusehen, wie er zu Boden fiel – wie in Zeitlupe schlenderte der kleine unscheinbare Eimer zu Boden, ehe der ohrenbetäubende Aufprall folgte. Als würde ein Vulkan vorerst Rauchschwaden spucken, um auch jeden vorzuwarnen, der in unmittelbarer Nähe war. Genau so verhielt es sich mit dem Eimer und dessen Aufprall. „Schnell weg hier!“
 

Allerdings blieben Son Goku, aber auch Bulma störrisch stehen, statt zu flüchten. Alles geschah wahnsinnig schnell, doch fanden beide nicht die Gelegenheit, genauso schnell zu verschwinden. Vielmehr mussten sie beobachten, wie in der Ferne bereits die ersten Wachen laute Befehle untereinander austauschten. Sie mussten, als wären sie am Boden festgewachsen, den Wachen zusehen, wie sie in einem berauschenden Tempo näher kamen, mit dem Ziel, die Eindringlinge zu umkreisen. 
 

„Son... Son Goku!“ Ihre geweiteten Augen nahmen die Krieger deutlich wahr und doch war ihr Gehirn nicht in der Lage, diese Information zu verarbeiten. Einzig ihre Hand, die Son Goku noch hielt, schüttelte die seine leicht. „Wir... Wir sollten...“ Was sollten sie? Stehen bleiben? Laufen? Sie wusste es nicht. Diese seelische Erschütterung, welche durch das plötzliche Ereignis ausgelöst wurde, verbarrikadierte den Informationszufluss zu ihrem Hirn massivst.
 

„Schnell, Bulma!“ Son Gokus Dissoziation schien sich schneller zu verflüchtigen, da er geistesgegenwärtig Bulmas Taille griff, um mit ihr in der Dunkelheit zu verschwinden. Hart stieß er sich vom Boden ab, sah den – wenn auch nur minimal – näher kommenden Sternen entgegen und wollte in Jubel ausbrechen, sich einfach freuen, der gefürchteten Strafe entkommen zu sein. Seine nachfolgende Hochstimmung, schnell genug reagiert zu haben, schien hingegen das logische Denkvermögen auszuschalten, weshalb er die Situation unterschätzte, im Zickzack flog und die Mauern überwand. „Bulma, wir... wir werden es schaffen!“ Er hätte nach den Sternen greifen können, so erleichtert war er.
 

„Flieg schneller, sonst holen sie uns ein!“ Ihre Schläfe drückte sie gegen Son Gokus Schulter, eine Hand wischte die Haare aus ihrem Gesicht - die der Flugwind, der ihr in den Rücken blies, nach vorne wirbelte. Und während Bulma damit beschäftigt war, das Treiben hinter Son Goku zu beobachten, änderte dieser unaufhörlich die Flugrichtung, um seine Verfolger abzuschütteln. Bulma wurde indessen in seinen Armen herumgewirbelt, so dass ihre Beine taumelten und sich der linke Schuh von ihrem Fuß löste, der unweigerlich in die Tiefe gefallen war. 
 

Wie lange sie herum flogen und versuchten, vor den Kriegern zu fliehen, konnte sie gar nicht sagen, aber sie vertraute darauf, dass Son Goku sie aus dem Schlamassel befreite – wie immer. Ja, Hoffnung keimte auf, die allerdings erstarb, als Son Goku abrupt in der Luft stoppte und auf der Stelle schwebte. Die unheimliche Stimme, die Bulma im Anschluss vernahm, verhieß nichts Gutes, oh nein. Ebenso das Gesicht, das vor ihrem auftauchte, was die junge Frau zum Anlass nahm, ihre Hände tiefer in Son Gokus Kleidung zu bohren.
 

„Zu früh gefreut.“ Der bullige Körper, getaucht in das entgegensetzte Mondlicht, hatte nichts außer Spott für die beiden Flüchtigen übrig. 
 

Die helle Lichtkugel, die in der Hand des Wachposten entstanden war, entschleierte Bulmas Gesicht. Plötzlich sah sie so klar, dass sie auch wieder ihre Stimme fand. „Nach links! Nach links, Son Goku!“ Strampelnd versuchte sie, ihrem Komplizen die Richtung zu navigieren, doch konnte sie bloß spüren, wie dieser leicht nach hinten flog und ihre Worte überging. „Stopp! Stopp, Son Goku!“ Ihre Füße taumelten energischer, ihre Fingernägel gruben sich tiefer in Son Gokus Haut, in der Hoffnung, ihn dadurch zur weiteren Flucht bewegen zu können.
 

„Na los, flieg zum Boden zurück, Kakarott!“, brummte eine hinzukommende Wache, der nicht weiter gewillt war, dieses kindliche Spiel mitzuspielen. „Du wirst es nur verschlimmern, da wir wissen, wer du bist.“ Ein kurzer Blick nach unten sollte Kakarott zeigen, dass Kuririn bereits gefasst wurde. „Flieg zurück, oder wir werden dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen - nur härter! Und das willst du deiner kleinen Freundin doch nicht zumuten, oder?“
 

„Ka- Kakarott?“, entfuhr es Bulma irritiert. Wieso nannten sie ihn Kakarott? Waren Saiyajins, neben ihrer Arroganz, auch schwerfällig? Und was bitte tat Son Goku? Ihr Blick richtete sich gen Boden, der anscheinend – wie die Sterne eben – immer näher kam, woraufhin sie aufgeschreckt zu strampeln anfing, da sie das Verhalten ihres alten Freundes nicht nachvollziehen konnte. „Son Goku, was... machst du? Das ist die falsche Richtung!“
 

Es vergingen Sekunden, bis er sich entschloss, ihr zu antworten: „Wir haben verloren, Bulma.“ Sein Kinn sank gegen seine harte Brust, sein Mund verzog sich, da er wusste, was passierte, sobald sie den Boden erreichten. Bulma dagegen besah sich die Situation. Sie blickte nach oben, sah, wie die Wachen – mittlerweile waren vier weitere dazugekommen – über ihnen flogen und folgten. 
 

„Bitte versuch es nochmal“, entkam es ihr leise. Und bevor sie ihren Satz beendet hatte, konnte Bulma bereits den Boden unter ihren Füßen spüren. Anschließend bemerkte sie, wie sich Son Gokus Arm um ihre Taille entfernte und Bulma automatisch den Abstand zu ihm schloss. Jedoch hielt der Zustand nicht lange. Bulma wurde gegen ihren Willen von seiner Seite gezerrt und ehe sie sich versah, vergrößerte sich der Abstand zu ihm, was Bulma in Panik versetzte. Verzweifelt streckte sie die Hand nach ihrem Freund aus, aber es nützte nichts. Sie kam einfach nicht gegen die Kraft dieses Kolosses an, der sie zurückhielt. „Was soll das? Wieso macht ihr das?“ Und anstatt ihr eine Erklärung zu liefern, ließen die Wachen ihre Fäuste sprechen. Widerwillig mussten ihre Augen erfassen, wie Son Goku zu Boden geschlagen wurde. Ihre feuchten Augen mussten mit ansehen, wie ein muskulöses Bein nach oben schoss und der dazugehörige Fuß auf Son Gokus Rücken landete. „Wir haben nichts unrechtes getan. Unterlass das! Sofort! Du... Du...kannst...“ Doch sie wagte sich schon nicht mehr, an das Feingefühl, was sowieso nicht vorhanden war, eines Saiyajins zu appellieren. 
 

Nichts unrechtes getan? Hört euch das an, Männer“, grummelte der glatzköpfige Riese, wonach die anderen in Gelächter ausbrachen. „Ihr habt versucht, den König zu bestehlen und der Verantwortung werdet ihr euch nun stellen. Dümmliche Streiche sind die Spezialität des Königs – um genauer zu sein, er hasst sie, was das Strafmaß in die Höhe treiben wird.“ 
 

„Was?“ Aber eine Antwort erhielt Bulma nicht. Man packte sie am Oberarm und zog sie widerstrebend zu dem riesigen Gebäude, das aus der Nähe noch pompöser wirkte. Sie verrenkte sich fast den Hals, als sie nach hinten zu ihren Freunden sah, die ebenfalls abgeführt wurden. „Aber... Aber wieso? Wohin bringt man uns?“ Abermals wurde ihr eine Antwort verwehrt. Stattdessen wurde sie in die Luft gehoben, um schneller voranzukommen. Das Schloss, erbaut auf einer kleinen Erderhebung, entfaltete sich in seiner ganzen Pacht. Sie entdeckte mehrere Saiyajins, die allesamt diese seltsamen Anzüge und Panzerungen trugen – Männer wie Frauen und es erschreckte Bulma, dass offensichtlich auch Frauen in diesen barbarischen Kreisen verkehrten. Ob diese genauso brutal waren? 
 

Vor den Toren des Palastes angekommen, setzte man Bulma ab. Das wäre ihre Chance. Ob sie wegrennen sollte? Sollte sie die Chance nutzen? Nein, lieber nicht, denn ihre Chancen waren gleich Null. Außerdem würde sie somit ihre Freunde der Gefahr aussetzen, noch härter bestraft zu werden.

 

Verflucht, sie müsste sich ihrem Schicksal ergeben. Sie musste... Sie musste sich dem stellen.
 

„Kannst du mir jetzt sagen, wohin wir gehen?“, wisperte sie und umschlang mit ihren Armen ihren eigenen Körper. Die Kälte, die ihr entgegen schlug, fegte jäh über ihren Leib, wonach das Zittern ihrer Arme nicht lange auf sich warten ließ. 
 

„Ich bringe dich zum Thronsaal.“
 

Ok. Das war eine Information, die rein gar nichts aussagte. „Aha, und dann? Wird man uns töten?“ Sie fürchtete sich vor der Antwort. 
 

Allerdings beachtete der riesige Saiyajin sie nicht weiter, da er sich in Gegenwart weiblicher Saiyajins noch nie wohlfühlte. 
 

Bulma dagegen interpretierte seine Verschwiegenheit falsch, weswegen sie bockig stehen blieb. Sie ging davon aus, dass er ihr nicht antworte, weil er schlichtweg keine Lust hatte. „Ich rede mit dir, du... du Idiot!“ Doch das schien ihn nicht im Geringsten zu berühren, gar zu beeindrucken. 
 

Den Thronsaal hatten sie ebenfalls schnell erreicht, und erst dort entschied er, der vorlauten Saiyajin zu antworten. Jedoch nicht, um ihr weitere Hinweise zu geben. Nein, er wollte ihr Angst machen. Angst, an der er sich ergötzen konnte. „Ich hoffe, deine forsche Klappe wird da drinnen genauso frech und unverschämt sein“, entgegnete er hämisch, so, als wüsste er, was passierte. Der Soldat, der ihnen gefolgt war, um Fluchtversuche zu verhindern, hielt sich im Hintergrund und marschierte erst jetzt an ihnen vorbei zur Tür. Ohne Umschweife klopfte er fest gegen das Tor, ehe es von zwei Männern im Innern aufgezogen wurde und Bulma zwei Schritte zurückging, doch sogleich spürte sie eine fremde Hand auf ihrem Rücken, die sie am weitergehen hinderte. „Du wirst da jetzt reingehen, ohne Faxen zu machen. Schließlich hatten wir genug Ärger, aber solltest du es dennoch in Erwägung ziehen, dich zu widersetzen... Nun, Mädchen, dann tu das!“ Eindringlich schob er Bulma in die riesige Halle und er konnte es sich nicht verkneifen, sich ihrem Ohr zu nähern und ihr zuzuflüstern: „Ich rate dir jedoch, keinen Aufstand zu machen. Es sei denn, du verträgst das Echo.“
 

Zögerlich setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die Eindrücke, die sich vor ihr erstreckten, prallten lückenlos auf sie herab. Um sie herum funkelte es. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter, der den gesamten Saal in grelles Licht tauchte. Im Abstand von wenigen Metern waren mehrere gigantische Kerzenständer aufgestellt worden und vermutlich lief sie gerade über einen sündhaft teuren Teppich, dessen Stoff sie nicht ausmachen konnte – was von der Erde konnte es sowieso nicht sein. Doch egal wie groß der Raum war, die Wände rasten ungebremst auf Bulma, je näher sie dem gigantische Thron kam, auf dem ein Mann saß, dessen Züge bedrohlicher nicht sein konnten. Nein, der König sah, aufgrund der Tatsache, morgens aus dem Bett geholt worden zu sein, verstimmt zu ihr hinab. Der Umstand musste seine Laune verschlechtert haben, was wohl erheblichen Einfluss auf das folgende Urteil hätte.
 

„Knie nieder vor König Vegeta!“, knurrte Totapo, dessen Pranke kraftvoller auf Bulmas Schulter landete. 
 

Ohne dem Befehl überhaupt nachkommen zu können, wurde sie auf die Knie gezwungen. Aus Angst senkte sie ihren Kopf und begann am ganzen Leib zu zittern. Dieses Mal jedoch nicht vor Kälte, da die Angst diese erfolgreich abschüttelte. Was würde man jetzt mit ihr machen? Sie erschlagen? Die wildesten Szenarien spielten sich in ihrem Kopf ab, woraufhin sie ihre Augen, aus deren Winkeln nacheinander Tränen schossen, fest zusammenpresste. 
 

Unterdessen hatte der König seinen Thron verlassen. Hoheitsvoll schritt er die Stufen hinab und blieb vor der am Boden kauernden Bulma stehen. Knurrend musterte er das Häufchen Elend vor sich, bevor seine raue Stimme die Stille durchbrach, die zuvor eingekehrt war, aufgrund seiner einschüchternden Präsenz. „Steh auf!“
 

Die dunkle Stimme machte ihr noch mehr Angst, aber sie sollte lieber gehorchen. Vielleicht verlängerte das ihre Lebensdauer? Langsam und stockend kam sie auf ihre Beine und blickte hinauf in das Gesicht des Königs. Ihr Blut, das vor Sekunden womöglich noch Blasen schlug, gefror in den Adern und obwohl sie dachte, dass sich dieser Zustand nicht mehr steigern konnte, so wurde sie gerade eines Besseren belehrt. „Was... Was wollt Ihr von mir?“ Der Blick des Königs ließ sie verstummen. Offenbar war es ihr nicht gestattet, eine Frage zu stellen. 
 

„Was ich von dir will? Das fragst du ernsthaft, obwohl ihr dafür verantwortlich seid, dass ich nachts geweckt werde?“ Missmutig betrachtete er Bulmas Gestalt. Das war die Tochter des Erfinders, den er zurückbringen ließ! Unfassbar... Ja, sie musste es sein, da ihm bisher keine ähnliche Saiyajin aufgefallen war. „Nun, ich werde dich gerne aufklären. Auch euch zwei“, brummte er in Kakarotts und Kuririns Richtung. „Denn es scheint, dass auch ihr unwissend seid, bezüglicher eurer Festnahme?“ Der König lachte, denn niemand ließ etwas verlauten, wenngleich er gerne eine Ausrede gehört hätte. „Ja? Seid ihr unwissend?“
 

Wieder erfolgte keine Antwort. 
 

„Ich frage mich“, begann König Vegeta, der noch immer vor Bulma stand und seine Hand in ihren Haaren vergrub, um zaghaft ihren Kopf anzuheben, sodass sie zu ihm aufblicken musste, „ob man auf der Erde stehlen darf? Kannst du mir diese Frage beantworten?“
 

„Wir haben nichts -“
 

„Nein, habt ihr nicht. Allerdings ist der Versuch genauso strafbar wie eine verübte Tat. Niemand hat das Recht, in meine Vorratskammer einzudringen. Oder würde es dir gefallen, wenn ich bei dir einbreche, während du schläfst?“
 

Nein, ihr würde das nicht gefallen. „Euer Majestät“, ergriff sie nochmals das Wort, wissend, dass das unerwünscht war, aber sie wollte das alles nicht hören. Sie vollführte noch eine unsichere Verbeugung, ehe sie fortfuhr. „Ich stamme von der Erde und dort, wo Hilfe benötigt wird, wird geholfen.“ Das war glatt gelogen. Auf der Erde gab es Menschen, die den Saiyajins in nichts nach standen. Oft hatte sie Menschen kennenlernen müssen, deren Äußeres in keinerlei Relation zu ihrem Charakter stand, weshalb Bulma sich stets daran hielt, niemanden anhand seines Äußeren zu verurteilen. 
 

„Du stammst von der Erde, ja?“ Beeindruckend. Höchst beeindruckend. Langsam entfernte sich seine Hand, welche im Nachhinein die Konturen seines Barts umrundete, während er das Mädchen betrachtete. Sie war stolz und eigensinnig. Sie verspürte den Drang, sich durchzusetzen - trotz ihrer passiven Haltung. „Der Richtigkeit halber sollten wir eines ganz deutlich machen. Du bist auf der Erde aufgewachsen, ja, aber geboren wurdest du hier - auf Vegeta-Sei. Deine Eltern haben dich auf diesem rückständigen Planeten, den du fälschlicherweise als deine Heimat bezeichnest, mit falschen Idealen genährt, dir offenbar so lange Lügen eingebläut, bis sie selbst geglaubt haben, dass das, was sie sagen, der Wahrheit entspricht. Das kann dir hier zum Verhängnis werden. Wir befinden uns nämlich nicht auf der Erde, sondern auf Vegeta-Sei. Hier gelten meine Regeln“, klärte er sie autoritativ auf. „Hier solltest du dir eines gut einprägen: Mut ist ein großes Wort, das missverstanden und oft mit Leichtsinn verwechselt wird. Trotzdem muss ich zugeben, dass euer Versuch gar nicht so schlecht war. Schließlich fiel uns erst vor drei Tagen auf, dass Nahrung fehlt und -“
 

„Nein!“, schnitt sie ihm kalt das Wort ab. Sie wuchs auf keinem rückständigen Planeten auf! Sie verbot sich diese Beleidigung sich, ihrer Eltern und ihrer Freunde gegenüber, die menschlicher Abstammung waren und so etwas wie Güte kannten. „Wenn ich zu Eurem Volk gehöre, frage ich mich, wieso man meine Eltern und mich erst vor kurzem hierher bringen ließ, auf eine Art, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht?“
 

„Sprich nicht so mit dem König, Weib!“ Ein Soldat packte Bulma im Nacken, was sie aufschreien ließ. Zeitgleich wanderten ihre Hände nach hinten, wo sie sich eingestehen musste - nachdem sie den Griff um ihren Nacken nicht lösen konnte -, dass sie chancenlos war, betreffs der ungleichen Kräfte. 
 

„Es gab keinen Grund, euch eher zurückzuholen“, erklärte der König belanglos. Es störte ihn keineswegs, dass das Mädchen im Schwitzkasten gehalten wurde. „Dein Vater bat mich vor einundzwanzig Jahren darum, andere Planeten zu erforschen. Diesem Wunsch habe ich stattgegeben - unter der Bedingung, ihn jederzeit zurückzubeordern und das habe ich getan.“ 
 

„Bei allem Respekt, Hoheit.“ Der Griff um ihren Nacken würde sich gleich bestimmt verstärken. „Aber... Ihr habt nicht das Recht, über mich zu entscheiden, ganz gleich, welche absurden Abmachungen Ihr mit meinem Vater getroffen habt, denn ich werde niemals zu Eurem barbarischen Volk gehören.“ Die dunklen Augen das Königs funkelten ihr hasserfüllt entgegen. Das darauffolgende Schnauben sah aus, als würde ein Bulle vor ihr stehen, der kurz davor war, sie auf die Hörner zu nehmen. Offenbar ging sie zwei Schritte zu weit, was dem Fass den Boden ausschlagen würde.
 

„Tatsächlich? Schade, dass deine Kampfkraft nicht im Ansatz so perfekt ist, wie dein Mundwerk.“ Er schleuderte den Krieger, der sie am Genick packte, mit einem Handwisch zur Seite und schwebte maliziös vor ihr. Immerhin schien sie das zu beeindrucken, und eine ideale Idee manifestierte sich im Kopf des Königs. 
 

„Vielleicht ist das auch nur die Ruhe vor dem Sturm?“, fauchte sie überschwänglich. Über die Konsequenzen dachte sie gar nicht nach, ebenso wenig über die weitere Tragweite ihres Handels, denn sicherlich würde ihr Verhalten auf ihren Vater zurückfallen, aber Bulma war... sie war so wütend, niedergeschlagen und empört, im Bezug auf diese Tyrannen, dass sie partout keinen anderen Ausweg sah, als eine Rebellion anzuzetteln, ungeachtet dessen, ob der König oder sonst wer vor ihr stand. Eigentlich hätten Son Gokus Blicke sie warnen müssen, aber auch diese Warnung überging sie einfach. Anhand ihrer Freiheit, nachdem der Krieger unsanft zur Seite gestoßen wurde, fielen auch die Ketten, die sich um ihren Geist wickelten, von ihr, was Bulma zusätzlichen Mut verlieh. 
 

„Schlagfertig bist du auch noch. Wie lobenswert.“ Ha, wie wunderbar dieses Mädchen ihn an seinen eigenen Sohn erinnerte, der genauso respektlos war. „Ich bin sehr erpicht darauf, zu erfahren, was dein Vater sagen wird, wenn er hier ankommt. Dasselbe gilt für dich, Kakarott. Was wird dein Bruder sagen, sobald er da ist? Und keine Sorge, Kuririn. Auch deinen Vater habe ich hierher zitieren lassen.“ Gehässig sah er zu den beiden Jungen, deren Köpfe beschämt nach unten sanken. 
 

Auch das hätte Bulma wach rütteln müssen – unbedingt! Son Goku so wortkarg und teilnahmslos zu sehen, hätte ihr zu Denken geben müssen, doch das tat es nicht. Und wieso nannten sie Son Goku ständig Kakarott? War das... War das sein richtiger Name? Es musste so sein, aber wieso fand er in den drei Monaten nicht die Zeit, ihr diese Wichtigkeit zu erzählen? 
 

„Und ich glaube, ich weiß genau, womit ich zumindest euch beide am effektivsten strafen kann.“ Sein Finger deutete auf Bulma und Son Goku. „Soweit ich informiert bin, werkelt dein Vater, wertes Fräulein, doch an einer Kapsel, die euch zur Erde gebracht hätte, nicht wahr?“ Ihr Schweigen und Bulmas bleckende Zähne waren Antwort genug. „Nun, diese Kapsel wird abgeholt und zur Zerstörung freigegeben, und untersteht euch, heimlich diesen Planeten zu verlassen. Ansonsten“, knurrte er, bevor seine Stimme noch rauer wurde, „werdet ihr meinen Gerechtigkeitssinn so richtig kennenlernen.“ Abschließend verschränkte er belustigt seine Arme vor der Brust, hinsichtlich seines genialen Befehls, der unverzüglich ausgeführt werden würde, sobald die beiden Betroffenen das Schloss verlassen hatten. Angrenzend neigte den Kopf nach hinten und das ausgestoßene Lachen konnte nicht spöttischer sein. Amüsiert darüber, die finsteren Blicke des Mädchens im Rücken zu spüren, verließ er den Thronsaal, da er sich nun den wirklich wichtigen Dingen widmen würde.

 

Jetzt würde er sich Bulmas Vater vorknöpfen. Danach wären sowohl Kakarotts Bruder, als auch Kuririns Vater dran, die er ebenfalls zur Rechenschaft ziehen würde, aufgrund dessen, dass sie nicht in der Lage waren, ihre Schützlinge im Zaum zu halten.

 
 

~*~
 

Seit Vegeta vor vier Wochen von einer weiteren Missionen heimkehrt war – welche er offenbar nur anführen durfte, da sein Vater sich Besserung erhoffte, bezüglich seines Verhaltens –, fand er endlich die Zeit, zu trainieren. Jedoch hätte die Sonne ruhig etwas gnädiger sein können, statt mit voller Härte den Planeten zu erwärmen. Selbst als der rechtmäßige Thronfolger Schutz im Schatten eines Baumes suchte und den Kopf in den Nacken legte, um dem Schauspiel, das sich vor ihm abspielte, nicht weiter mit ansehen zu müssen, fand er keine Abkühlung – zu infantil und nervig war das Gezanke, das zwischen Nappa und Radditz herrschte. 
 

Schon lange hatte er gelernt, seine Ohren auf Durchzug zu stellen, sobald die Beiden wieder in kindliche Muster verfielen. Eigentlich wurde ihnen genau dieses Verhalten regelrecht ausgetrieben, als man sie in den Kampfkünsten und ihren Kräften unterrichtete, aber es schien an Nappa und Radditz vorbeigezogen zu sein. Sein Verhalten war... nicht besser, aber wer – abgesehen von seinem Vater – würde sich daran stören? Richtig, niemand. Da niemand den Mut fand, sich Vegeta in den Weg zu stellen. 
 

Wie dem auch war. Vegeta beachtete sie nicht weiter, sondern dachte darüber nach, wie er seinem Vater gegenübertreten und sich erklären konnte, wenn er den Vorfall rechtfertige, der sich heute Morgen zugetragen hatte. Sollte er all das überdramatisieren? Nein, das wäre ein Zeichen von Schwäche! Sollte er lügen? Er war recht gut darin, sein Gesicht zu wahren oder das Eigentliche zu bagatellisieren. Totschweigen wäre auch eine nette Alternative. Ein wahrer Meister war er darin, in der Tat, aber er wusste auch, dass er seinen Vater so leicht nicht täuschen konnte, was ihn tierisch nervte. 
 

„Vegeta!“, empörte sich Nappa, der mit verschränkten Armen neben Radditz stand, als er das Wort an seinen alten Freund richtete. „Sag was, oder Radditz wird sich von der Wand abkratzen können, wenn er dazu noch in der Lage ist, wenn ich mit ihm fertig bin“, knurrte er, ohne weiter auf die Grimassen seines Nebenmannes einzugehen. 
 

Nappa war ein groß gewachsener Mann, der sich – ohne zu wissen, welche Konsequenz ihn erwartete – die Haare abrasiert hatte, um älter zu wirken. Radditz war zwei Köpfe kleiner, jedoch mit einer weitaus fortgeschritteneren Intelligenz gesegnet als Nappa, und beide standen sie in ihrer Saiyajin-Uniform vor ihrem Prinzen und hofften, endlich gehört zu werden.
 

„Nappa, wenn die Sonne der Erkenntnis niedrig steht, werfen auch kleinste Erhöhungen große Schatten, aber keine Sorge, selbst das wird dir nicht passieren, obwohl ich dir einen Erfolg gönne, wenngleich du diesen auch nicht gegen mich erzielen wirst“, giftete Radditz, dessen Haare an seiner Rüstung klebten.
 

„Hör auf, mich ständig zu verarschen, Radditz! Ich meins ernst!“
 

Aufhören? Damit, was Radditz so sehr bespaßte? Nicht in diesem Leben. „Dann sieh endlich ein, dass unsere Diskussion nur zwei Sichtweisen hat: Meine und die Falsche!“
 

„Ruhe!“, knurrte Vegeta ihnen entgegen, der seinen Blick endlich auf die beiden Saiyajins richtete und sie mit einem einzigen Wort zum Schweigen gebracht hatte. Er war sich sicher, dass selbst ein Blick genügte, doch er wollte seine Macht und die Dominanz, die er in sich trug, einfach immer wieder nach außen tragen. Er genoss es, wenn man zurückschreckte. Es beflügelte ihn, wenn die Krieger zur Seite traten, um ihn passieren zu lassen. Ja, das war wahrlich ein bahnbrechendes Gefühl. 
 

„Du denkst über das Geschehene nach?“, wollte Radditz kleinlaut wissen. Auch ihm war bewusst, dass sie sich verantworten mussten. Dabei hatte sein kleiner Bruder ihn erst in Ungnade gebracht. Doch er hatte es, während des Streits mit Nappa, erfolgreich verdrängen können. Außerdem wusste er, dass Vegeta alles regelte, weshalb man sie auch dieses Mal amnestierte – wie immer. 
 

„Worüber sonst? Wir werden uns erklären müssen. Oder glaubt ihr Idioten, dass das ungesehen blieb?“ Angewidert, über soviel Dummheit, schüttelte er seinen Kopf, trat ins Sonnenlicht und stolzierte an Nappa und Radditz vorbei. Die Arme weiterhin vor der Brust verschränkt, sah er die Straße entlang und schmunzelte, als er die königliche Garde entdeckte, die offensichtlich auf dem Weg zu ihnen waren. „Showtime, Jungs. Sie kommen“, informierte Vegeta seine Freunde über die Ankunft der Krieger seines Vaters.
 

Mit erhobenen Häuptern warteten sie.

 

„Mein Prinz“, eröffnete der Anführer die Unterhaltung und verbeugte sich ehrfürchtig vor dem Thronfolger. „Euer Vater wünscht Eure sofortige Anwesenheit im Thronsaal.“ 
 

Ohne darauf einzugehen, sah Vegeta noch einmal über die Schulter zu Radditz und Nappa, erhob sich in die Lüfte und zischte an den restlichen Saiyajins vorbei. Was konnte schon groß passieren? Sein Vater würde ihm die Bedeutung von Stolz näher bringen. Eventuell würde er ihn auch mit wütenden Blicken strafen, aber mehr nicht. Vegeta war sich sicher, dass das bald ausgestanden wäre und er weiterhin sein Leben so führen konnte, wie er es mochte – kämpferisch, narzisstisch und voller Stolz. 

 
 

~*~
 

Seit fünfzehn Minuten stand Vegeta bereits vor dem großen bodenlangen Fenster - neben seinem Vater, der die Hände hinter seinem Rücken ineinander faltete und das arbeitende Volk beobachtete. Hin und wieder schloss er die Augen, schien nachzudenken und abzuwägen, wie er weiter verfahren sollte, was Vegeta kurzweilig verunsicherte, den Wankelmut jedoch gekonnt überspielte, indem er seine Haltung der seines Vaters anpasste.
 

Reue zeigen oder ein Schuldeingeständnis würden alles nur verschlimmern. Zumal das nicht zu seinen Stärken gehörte. Stattdessen wartete er ab, bis sein Vater sich hörbar räusperte und sich seinem Sohn zuwandte.
 

„Wie lange sollen wir noch schweigsam nebeneinander stehen, Vegeta?“ Er warf seinen roten Umhang hinter sich, ließ ihn mit dumpfen Schritten aufbäumen, als er zum Thron marschierte und sich darauf niederließ. Schnaufend ließ er seine Fingerspitzen über das rote Polster gleiten, ehe er weiter sprach: „Du kennst unsere Bestimmung, du bist der rechtmäßige Herrscher dieses Volkes und ihr, du und deine dämlichen Freunde, habt nichts besseres zu tun, als dein Volk eigenhändig auszulöschen?“ 
 

Verflogen war die Ruhe in seiner Stimme, nachdem eine Faust krachend auf der Armlehne des Throns landete und der König seinem Sohn hasserfüllte Blicke zuwarf.
 

Auch Vegeta drehte sich langsam um. „Vater -“
 

„Genug!“, unterbrach König Vegeta seinen Sprössling. „Lange habe ich mir deine exzessiven Fehltritte mit ansehen müssen. Ich duldete immerzu deine Ausbrüche und ich muss sagen, dass ich genug davon habe. Mir steht es ganz oben“, exemplifizierte er mit der entsprechenden Handbewegung entlang seines Halses, die Vegeta zeigen sollte, wie weit oben es seinem Vater stand. „Statt dein Volk zu schützen, schadest du ihm. Das genaue Gegenteil von dem, was man von dir erwartet.“
 

„Und weiter? Vater, diese Narren haben es verdient!“, knurrte Vegeta überheblich. Scheiße, er hatte es so satt, sich immerfort abqualifizieren zu lassen. Immer wieder hatte er sich Vorträge darüber anhören müssen, wie stolz sein Volk war. Was war er bitteschön? Nicht stolz? Vermutlich war er der Einzige, der den wahren Eigenschaften eines Saiyajins nachkam. Und doch war er derjenige, den man gerade zurechtwies. Aber er hatte auch dazugelernt und wusste, sich dem König nicht zu widersetzen, aber... Verdammt, in seinen Fingern juckte es förmlich, sich zu wehren.
 

Zwar war er ausgebildet, trainierte täglich mehrere Stunden, doch ihm war durchaus bewusst, dass er in seinem Vater womöglich seinen Meister fand – sollte es zur Eskalation kommen. Oder nicht? Hätte er Chancen? Insgeheim bejahte er diese Frage. Und heute Morgen? Er, Nappa und Radditz hatten sich einen Spaß erlaubt und mehrere Ki-Bälle auf drei unwichtige Saiyajins abgefeuert, die sicher niemand vermisste. Na und?
 

„Verdient sagst du? Nach welchen Kriterien entscheidet der werte Herr denn, wer es verdient und wer nicht?“ Natürlich antwortete sein Sohn nicht. Vegeta dachte, er könnte sich mit Schweigen retten, doch diesen Zahn würde er ihm gleich genussvoll ziehen. Sein Schweigen stachelte König Vegeta nur noch mehr an, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Vielleicht konnte man Vegeta nur so begreiflich machen, wie sich ein Prinz zu präsentieren hatte.
 

Man trennte, überlegte der junge, schwarzhaarige Saiyajin, die Spreu vom Weizen. Dasselbe Prinzip, wie mit den Säuglingen, die man auf fremde Planeten schickte, um diese einzunehmen. Genau das tat auch Vegeta. Er säuberte seine Rasse von Ungeziefer, die mehr Dreck hinterließen und schädlich für sein Volk waren, wenn diese weiterlebten. War das verwerflich? „Es waren Low-Level Kämpfer. Idioten, die unser Volk einen Schritt rückwärts, statt vorwärts bringen!“, konterte er verbissen, doch er hatte den Kampf gegen seinen Vater bereits verloren, als dieser noch am Fenster stand.
 

„Vegeta“, flüsterte sein Vater mahnend, während sein Daumen, sowie sein Zeigefinger bedächtig über seine Augen rieben. „Ich sagte, es genügt! Dieses Mal wirst du nicht davonkommen, ebenso wenig deine beiden Freunde!“ Mit einem sardonischen Lächeln, das Vegeta so ähnlich war, ging er an seinem Sohn vorbei und sah wieder hinaus. „Weiter abseits der Stadt lebt ein – sagen wir – alter Freund von mir, dem du Gesellschaft -“
 

Vegetas Mund klappte auf. „Was?“, unterbrach der Jüngere den Älteren. „Nein!“ Oh nein, er wusste, worauf sein Vater hinaus wollte. Loswerden wollte er ihn! Aber das würde er zu verhindern wissen. Womit konnte sein Vater ihm schon drohen? Mit gar nichts, außer das Training zu untersagen und selbst das würde er heimlich absolvieren – kostete es, was es wollte. „Nein, ich weigere mich, dem nachzukommen. Dass es sich hierbei wahrscheinlich um unbedeutende Nichtskönner handelt, muss ich doch nicht extra erwähnen?“, blaffte er weiter. Denn so war es doch, richtig? Abseits der Stadt lebten die Saiyajins, die nicht zu gebrauchen waren und nur wegen der Erhaltung ihrer Rasse verschont blieben.
 

„Du wirst“, falsifizierte sein Vater nickend. Seine kratzige Stimme war bei jedem Wort lauter geworden. Wut verzerrte die Züge, die denen seines Sohnes so ähnlich waren. „Oder ich verbanne dich von diesem Planeten!“, beendete er seine Drohung, begleitet von einem Kloß im Hals. Es war befremdlich, diese Warnung in Gegenwart seines Sohnes auszusprechen... Allerdings wusste der König sich nicht mehr anders zu helfen. „Du sollst Stärke beweisen, ja. Auch sollst du dich verteidigen, aber ich dulde keine willkürlichen Ermordungen meiner Männer! Du wirst zu Briefs gehen und dort lernen, was es heißt, unter anderen Umständen zu leben. Du wirst ein Leben kennenlernen, das keine deiner gewohnten Sonnenseiten beinhaltet. Du wirst lernen, keine Privilegien zu genießen!“
 

Schockiert folgte er der Richtung, in die sein Vater deutete und verstand. Und sollte er sich dem nicht unterordnen, würde sein Vater ihn verbannen? Ha, das täte er doch niemals? Wer sollte den Thron besteigen, wenn Vegeta fort war?
 

„Mein Sohn, du sollst sowohl deinen Stolz, als auch deine Stärke in dir behalten, aber einen kühlen Kopf zu bewahren – egal, wie prekär die Situation auch ist –, ist von Vorteil; vor allem dann, wenn du irgendwann meinen Platz einnimmst. Du wirst dich, wenn du König bist, oft vor solchen Zuständen wiederfinden, die ausweglos erscheinen, aber du darfst nicht die Nerven verlieren. Niemals!“
 

„Du schickst mich zu fremden Leuten“, entgegnete der jüngere Saiyajin ungehalten. Die Stimme seines Vaters klang so... so endgültig. Sein Vater meinte das tatsächlich ernst und wenn er einer Verbannung entkommen wollte, musste er spurten? Oh, sein Vater würde noch sein blaues Wunder erleben! Vegeta hatte nicht die Absicht, lange dort zu verweilen. 
 

„Mir sind sie nicht fremd. Briefs lebte mit seiner Familie viele Jahre auf der Erde. Weißt du“, fügte er kalt hinzu, „ich sehe mir dein Verhalten an. Tag für Tag, Monat für Monat, Vegeta.“ Er klang bitter und Vegeta bekam das vage Gefühl, dass es sich hierbei nicht mehr um Worte des blinden Zornes handelte, sondern eine recht gut einstudierte Rede war, die sein Vater lange geübt hatte. „Und ich sehe mich gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen - unkonventionelle Maßnahmen.“
 

„Maßnahmen? Das sind keine Maßnahmen, -“
 

„- sondern?“, griff sein Vater den unvollendeten Satz auf.
 

„- sondern Kindergartenspiele, die du mit mir zu spielen versuchst.“ Fast war er geneigt zu sagen, dass Vegeta diese besser beherrschte als sein Vater, doch er verkniff sich die Antwort.
 

„Oh, wunderbar, Vegeta.“ Der König wanderte zu seinem Sohn zurück, blieb vor ihm stehen und betrachtete ihn seines Verhaltens entsprechend. „Dann passt du dort fabelhaft hin, denn genau diesem Standard entsprichst du. Du verhältst dich wie ein Kind, du sprichst wie ein Kind, das nicht im Ansatz weiß, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und ich habe es satt, mich ständig mit deinen Eskapaden auseinanderzusetzen und zusehen zu müssen, wie du mich in Misskredit bringst, die Ehre der Familie versaust und zusätzlich dein Volk blamierst, nur weil du denkst, du kannst dir alles erlauben.“
 

„Wars das?“, schnaufte Vegeta verächtlich.
 

„Ja, das wars. Man wird dich morgen zu Briefs bringen, und höre ich ein schlechtes Wort, Vegeta, wirst du dir wünschen, du hättest niemals meinen Unmut auf dich gezogen.“
 

Grundgütiger. Vegeta kochte innerlich. Und er sollte was? Zu einem Erdling?
 

Na klar!
 

Er war der Prinz der Saiyajins und nicht irgendein verlumpter Dreckskerl, den sein Vater herumkommandieren konnte. Nein, Vegeta würde die Zähne zusammenbeißen und das tun, was er am besten konnte. Den Leuten in seiner Umgebung die wahre Hölle zeigen. Jawohl, er würde diese Familie in den Abgrund stürzen - bis sie aufgaben und Vegeta zum Palast zurückschickten. So würde es ablaufen - nicht anders. 

Enfant terrible

Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.

- Kurt Tucholsky


 

 
 

~*~
 

 

- Kapitel vier -


 

Konzentration war der Schlüssel – schon immer. Dennoch saß die blauhaarige Bulma unruhig auf ihrem Stuhl, während ihre Augen nervös in den dazugehörigen Höhlen umhersprangen und angestrengt die Formeln, Rechnungen und Notizen ihrer angesammelten Papiere überflogen, die verstreut auf ihrem Schreibtisch lagen. Sie war gewillt, sich endlich wieder mit den Dingen zu befassen, mit denen sie sich auskannte, statt Trübsal zu blasen. Wild entschlossen wollte sie bezüglich ihrer Erfindung Fortschritte erzielen, aber wie sollte man sich sammeln, wenn die kleinsten Geräusche ihre Fokussierung störten? Das Kratzen der Äste, die ununterbrochen gegen ihre Fensterscheibe klopften, die zugige Luft, die ungebremst gegen die Jalousien ihrer Fenster schlugen... all das waren minimale Faktoren, die dazu beitrugen, nicht konzentriert arbeiten zu können und ihre ausgeklügelten Gedankenstränge behinderte. Ständig musste sie von vorne beginnen. Immer wieder hatte sie einige Formeln ausradiert, das Ende des Stiftes in ihren Mund gesteckt und fieberhaft überlegt, wo genau der Fehler saß. Allerdings waren nicht die natürlichen Einflüsse alleine Schuld an ihrer mangelhaften Achtsamkeit. Nein, die Ereignisse vor drei Tagen spukten noch in ihrem Kopf. Wie sie eingeschüchtert auf die Knie gezwungen wurde. Wie sie mit ansehen musste, als Son Goku geschlagen und gedemütigt wurde. Es waren so schreckliche Bilder, die fern jeglicher Realität sein mussten und doch... doch waren sie vor ihren blauen Augen passiert, weshalb sie sich schwor, keinen Unfug mehr anzustellen, geschweige denn noch einmal ihren Vater in Misskredit zu bringen. Zu deutlich hatte man ihr und ihren Freunden aufgezeigt, was passierte, wenn man sich gegen die Krone auflehnte.
 

Oh nein, das wollte sie nicht noch einmal sehen oder erleben. Dazu waren die hinterlassenen Spuren doch zu groß gewesen, um eine ähnliche Aktion noch einmal durchzuführen. Unterdessen zogen ihre Finger, nachdem sie den Stift zurückgelegt hatte, fahrige Kreise über die abgenutzte, holzige Schreibtischplatte.
 

„Oder denke ich einfach zu sehr über den bevorstehenden Besuch nach? Lenkt mich das ab?“, versuchte sie sich selbst zu erklären. Schließlich hatte ihr Vater gestern erwähnt, dass jemand vorbeikäme. Wieso und weshalb, darüber hüllte ihr Vater einen undurchlässigen Mantel der Geheimniskrämerei. Stattdessen hatte man Bulma Ausreden erzählt. Ihre Mutter fabulierte gestern während des Abendessens, dass jemand kam, um die Umstände am Rande der Stadt kennenzulernen.
 

Völliger Quatsch, wenn man Bulma fragte. Was konnte man hier – abgesehen von Armut, Tyrannei, sowie Unterdrückung – kennenlernen? Wollte man solche Umstände überhaupt kennenlernen? Demzufolge käme jemand, der Privilegien genoss, die man nur inmitten der Stadt ausleben konnte – zwischen den großen, mächtigen Saiyajins. Die, die der königlichen Garde dienten. Zusätzlich grübelte sie darüber, wieso derjenige ausgerechnet jetzt hierher kam, nachdem man Son Goku, Kuririn und sie dabei ertappte, wie sie die Vorratskammer des Königs plündern wollten – um etwas Gutes zu tun, wie es Son Goku und Kuririn ausdrückten.
 

Hatte der Fremde demnach etwas damit zu tun? Stand dieser Besuch in Verbindung mit ihrem saiyajinischen Verbrechen?
 

Himmel nochmal. Diese Ablenkungen waren nicht auszuhalten, stellte sie missmutig fest, ehe sie die Papiere zur Seite schob und zum Fenster marschierte. Wütend über sich und ihre Neugier, platzierte sie ihre Hände auf der Fensterbank, um dem Naturschauspiel vor ihrem Fenster zuzusehen. Es war grotesk, inwieweit sich der Planet von seinen Bewohnern unterschied. Alles wirkte so ruhig, so friedlich, so... so schön und doch wusste Bulma es besser. Nichts, was die Natur vor ihr widerspiegelte, entsprach der Wirklichkeit. Nein, Saiyajins waren das Gegenteil dessen, was der Planet ihr präsentierte. Und es regte sie tatsächlich auf. Wirklich.
 

Der erzwungene Umzug vor drei Monaten auf diesen schönen Planeten mit seinen hässlichen, charakterlosen Bewohnern war wie eine erdrückende, schwarze, düstere Gewitterwolke, die über ihrem Kopf verweilte und entschied, einfach nicht verziehen zu wollen. Das einzig positive, was sie all dem abgewinnen konnte, war die Tatsache, dass sie außerhalb der Stadt lebten – in ihrem Haus, das sie mithilfe der Hoipoi-Kapseln mitnehmen konnten. Das war es aber auch schon.
 

Wieso konnten sie nicht einfach auf der Erde bleiben? Einundzwanzig Jahre wurden sie hier nicht gebraucht. Was hatte sich geändert, dass plötzlich die Anwesenheit ihrer Eltern erwünscht war? Bulma wuchs in all den Jahren mit anderen Interessen, mit anderen Idealen und Maßstäben auf, die sich von denen der saiyajinischen Kultur fundamental unterschieden.
 

Exakt. Nicht Vegeta-Sei war ihre Heimat, sondern die Erde und im Kontrast zu Vegeta-Sei, war die Erde doch tatsächlich friedlich, nicht? Zwar bekriegten sich die Menschen, aufgrund seltener Ressourcen, die etliche Länder untereinander stahlen, doch im Vergleich mit Saiyajins waren Menschen wahre Engel.
 

„Worüber denkst du nach, Bulma? Etwa immer noch über die Kapsel?“, ertönte im Hintergrund Son Gokus Stimme, der mit verschränkten Armen hinter seinem Kopf auf ihrem Bett lag und dem Rascheln der Blätter und Äste lauschte. Konträr zu Bulma beruhigten ihn nämlich die klopfenden Äste.
 

„Etwas, ja“, bestätigte sie nickend und blickte über ihre Schulter zu ihrem Bett zurück. Ihr gequältes Lächeln verwandelte sich in eine traurige Miene, als ihr Blick den von Son Goku streifte. Ferner dachte sie an die Kapsel zurück, die noch in derselben Nacht abgeholt und zerstört wurde – vor ihren Augen. Gott, wie fassungslos und festgewachsen sie gewesen war. „Ich wäre gerne wieder zuhause – in meinem gewohnten Umfeld.“
 

„Glaub ich dir“, erwiderte er mit starrem Blick zur Decke hinauf.
 

„Vermisst du die Erde gar nicht?“ Sie wusste nicht, wie sie auf seine Antwort reagieren sollte, da sie so... so neutral klang. Als... Als hätte er sich mit seinem Schicksal arrangiert. „Hast du noch nie darüber nachgedacht, einfach zu gehen?“ Die Frage meinte sie ernst. Bulma selbst hatte so oft darüber nachgedacht – lange, bevor sie mit Son Goku und Kuririn in die Vorratskammer einbrechen wollte. „Alles hinter dir zu lassen? Allen voran diese... Kreaturen?“ Oh, sie gehörte doch selbst zu diesen Wesen, aber es war so verdammt schwierig, sich mit Geschöpfen zu identifizieren, die gar nicht ihrem Naturell entsprachen.
 

„Doch, sicher fehlt mir die Erde genauso wie dir. Ich habe oft überlegt, einfach zu gehen. Einfach, wie du es sagst, alles hinter mir zu lassen.“ Er erhob sich von ihrem Bett und steuerte das Fenster an, an dem Bulma stand. Lächelnd hatte er sich mit dem Rücken zur Fensterbank gelehnt, ehe er einen Arm um Bulmas Schulter legte und sie zu sich heranzog. „Aber so einfach, wie wir uns das vorstellen, ist es nicht.“
 

„Wieso nicht?“
 

„Weil das hier“, begann er zu erklären und deutete gleichzeitig aus dem Fenster, „unsere Heimat ist, Bulma. So unwirklich es uns erscheint, aber Vegeta-Sei ist unser Zuhause.“
 

„Richtig“, antwortete sie schnaubend. Auch sie blickte erneut aus dem Fenster – zurück in das Lügengesicht, das ihr dreckig ins Gesicht lachte und Bulma weismachen wollte, wie schön es hier war. Aber sie kannte die Wahrheit. Sie war, zusammen mit Son Goku – der hier Kakarott genannt wurde – auf der Erde aufgewachsen. Allerdings unterschied sich der Grund ihres Aufenthalts auf dem blauen Planeten. Während Bulmas Eltern aufgrund angeblicher Forschungen auf der Erde waren, war Son Gokus Auftrag, den Planeten zu erobern und die dortigen Lebensformen auszulöschen. „Wieso hast du deinen damaligen Befehl eigentlich nicht ausgeführt?“

 

„Ich bin als kleiner Junge in eine Schlucht gefallen. Dort habe ich mir den Kopf angeschlagen und alles, was meine Vergangenheit betraf, vergessen.“ Anschließend kämmte er seine struppigen schwarzen Haare zurück, um Bulma die Narbe zu zeigen, die er vom Sturz davongetragen hatte. „Siehst du die Narbe?“
 

„Ja.“ Ach, so war das? Wie wenig sie doch über ihren besten Freund wusste. Es war erschreckend. „Aber... die Erde... sie wird doch immer ein Teil von uns sein, oder nicht?“, äußerte sie schluckend und sah in das freundliche Gesicht ihres Gegenübers. „Ich meine, wir sind dort aufgewachsen. Wir hatten dort unsere Freunde... und... und wir beide sind uns dort zum ersten Mal begegnet. Ist demzufolge nicht die Erde unsere Heimat?“
 

„Das kann ich dir gar nicht so genau beantworten“, teilte er ihr überfordert mit. „Aber ich glaube, beides stimmt. Wir werden uns der Erde immer nahe fühlen“, wagte er einen erneuten Versuch, Bulma etwas zu erheitern und wenigstens nach außen eloquent zu wirken.

 

„Ich wünschte, wir wären niemals gefunden worden. Das Leben auf der Erde war – mit all seinen negativen Facetten – erträglicher und lange nicht so beschwerlich wie hier.“ Eindeutig. Auf der Erde musste sie sich nur mit ihrem Studium und alltäglichen Problemen, die man bewältigen konnte, befassen. Hier musste sie darauf achten, was sie von sich gab. Die falschen Worte genügten, um frühzeitig dem Tod ins Auge zu blicken – wie in den schwarzen Lauf einer geladenen Pistole.

 

„Bulma, bitte. Sei nicht so.“ Er spürte die Kälte in ihrer Stimme, die so einschneidend war, dass es selbst einem Naivling wie ihm aufgefallen war, dass es seiner Freundin schlecht ging. Und wäre er nicht so unerfahren und tollpatschig, hätte er sie in den Arm genommen, aber... das war eine Grenze, die er nicht überschreiten konnte. Zudem traute er sich nicht, einfach nach ihrer Hand zu greifen, wenngleich es ihr soviel Halt geschenkt hätte.

 

Doch ehe Bulma seinen Versuch würdigen konnte, hörte man die fröhliche Stimme ihrer Mutter, die die Zweisamkeit der beiden Freunde unterbrach, als sie am Treppengeländer stand und nach oben rief: „Bulma Schätzchen, kommt ihr runter?“

 

„Sofort!“, rief die junge Frau genervt zurück. Sicherlich wartete ihre Mutter mit einem Tablett, auf dem mehrere Tassen stünden, die mit frischgebackenen Plätzchen lieblich garniert waren.
 

„Beeilt euch, Kinder. Unser Gast wird bald ankommen“, trällerte abermals die Stimme ihrer Mutter nach oben.

 

Sprach sie von dem Gast, der nicht als Gast zu bezeichnen war? Gäste benahmen sich nämlich nicht wie Saiyajins. Aber sie müsste sich wohl damit abfinden und dem stolzen Saiyajin eine Chance geben. Zumal sie stets die Devise vertrat, dass man unbekannte Wesen nicht vorverurteilen durfte. Allerdings gab es noch die Kontra-Seite. Die Seite, auf der stand, dass Bulma wusste, wie Saiyajins waren – was ihr ein Urteil erlaubte. Die junge Frau sah sich bereits vor einem Scherbenhaufen, in Form ihres abgebrannten Hauses, das der Saiyajin willkürlich in Brand gesetzt hatte. Nun, das verband sie zumindest mit einem stolzen, elitären Saiyajin-Krieger. Ja, darauf würde es letztendlich hinauslaufen. Ganz sicher.

 

Und das war ein weiterer Grund, der ihre Laune nach unten beförderte. Begeistert war sie von seinem Aufenthalt hier nicht.
 

Entsprechend ihrer Laune, verließ sie gemeinsam mit Son Goku ihr Zimmer. Zwar müssten ihre Eltern in der Anwesenheit des Fremden nichts vorspielen, da sie immer glücklich wirkten und gut gelaunt waren, aber Bulma nicht. Sie müsste sich zusammenreißen, sich fügen und gute Miene zum bösen Spiel machen.

 

Etwas, das sie gar nicht gut beherrschte. Im Gegenteil. Ihre impulsive Art, wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlte, war ihr ständiger Begleiter und ihr erklärter Feind, da genau dieses Betragen immer wieder zu Disputen führte.
 

„Kennst du den Typen überhaupt?“, flüsterte Son Goku, nachdem er seinen Stuhl am Esstisch zurückzog und sich darin niederließ. Währenddessen beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Bulmas Mutter den Tisch deckte. Darüber hinaus wartete er sehnsüchtig auf die Leckereien, die Mr.Briefs' Frau immerzu kredenzte, wenn sich Besuch ankündigte.

 

Fürwahr, diese Wichtigkeit hatte er nie vergessen.
 

„Nein“, zischte Bulma zurück, als sie ihre Serviette einmal gefaltet auf ihrem Schoß platzierte. „Du bist derjenige, der hier schon etwas länger lebt – nicht ich.“ Im Anschluss musterte sie die Dekoration des Tisches und sie fand es maßlos übertrieben. Wer kam bitte hierher? Der König? Wohl kaum. Wozu also diese Aufmachung?

 

„Keine Ahnung. Ich kenne seinen Namen gar nicht“, entgegnete er verwundert. „Bist du nicht gespannt?“

 

„Nein, überhaupt nicht.“ Mittlerweile hatte sie die Gabel von der einen zur anderen Seite gelegt, denn im Grunde war sie genauso neugierig wie Son Goku, der schamlos dazu stehen konnte.

 

Inzwischen war es sogar vorgekommen, dass Bulmas Mutter alle fünf Minuten zum Fenster ging, die knallgelben Gardinen zur Seite schob und immer wieder verstohlene Blicke über den Kiesweg warf. Ja, auch sie konnte ihre Ungeduld nicht bändigen. Aber ihr Gespanntheit wurde entlohnt, nachdem sie zum fünfzehnten Mal – Bulma hatte mitgezählt – zum Fenster gegangen war und aufgeregt mit ihrer Hand nach hinten winkte, den Blick jedoch zum Fenster hinaus gerichtet.

 

„Bulma! Bulma, er ist da – und wie adrett er aussieht“, quietschte sie erfreut, als ihre Hände zu ihren Wangen flogen. „Los Schätzchen. Geh ihn bitte draußen abholen und sei ihm behilflich.“ Abschließend lehnte sie sich nochmals nach vorne, um besser aus dem Fenster sehen zu können. Ihr Vater dagegen, der ruhig und besonnen war, lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück, drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und widmete sich den Streicheleinheiten seiner Katze Chatounette, welche die Aufmerksamkeit sichtlich genoss und auf seiner Schulter zu schnurren anfing.

 

„Ist das wirklich notwendig?“, schoss Bulma konsterniert zurück.

 

„Aber ja“, nötigte Panchy Briefs ihre Tochter, ohne sie eines Blickes zu würdigen, da sie viel zu gespannt die Gestalt des jungen Mannes außerhalb ihres Hauses begutachtete.
 

Grundgütiger... Ihre Mutter war schrecklich. Leise murmelte sie böse Worte, während sie die Serviette links neben ihren Teller legte und aufstand. Kopfschüttelnd ging sie zur Eingangstür, zog sie auf und sah sich einem Bild gegenüber, das ihr die Sprache verschlug. Vor dem Gatter stand er... Ein Saiyajin, der von weitem schon gefährlich aussah. Was ihn jedoch noch furchteinflössender wirken ließ, war die Eskorte, die scheinbar erforderlich war, um ihn hierher zu bringen. Und es ließ sich nur ein logischer Schluss daraus ziehen. Dieser Saiyajin, der in der Mitte stand, war von der richtig gefährlichen Sorte, vor der man auf der Hut sein musste.
 

Das könnte ja heiter werden. Demoralisiert zog sie die Tür weiter auf, ehe sie über den knirschenden Kies stiefelte und somit die Aufmerksamkeit der drei Saiyajins auf sich zog, denen sie zu gerne einen verächtlichen Blick zugeworfen hätte.

 
 

~*~
 

Angeekelt waren er und die beiden Schergen seines Vaters auf dem matschigen Boden gelandet. Ja, der Boden unter seinen Füßen war schlammig. Auch entdeckte er die ersten Spritzer des Drecks, der auf seinen weißen Stiefeln gelandet war und es regte ihn furchtbar auf.
 

Und wer war schuld? Das Haus vor ihm, das er mit Blicken in Schutt und Asche legen wollte. Dass er selbst für diesen Zustand – hier zu sein – verantwortlich sein könnte, ha... diesen Gedanken hatte er gar nicht erst Konturen annehmen lassen. Stattdessen besah er sich die weiße Fassade, sowie den Kiesweg, der Geräusche von sich gab, als würde jemand darauf gehen, woraufhin sich sein Blick von der Ruine abwandte und er dem Mädchen entgegensah, das auf ihn zukam.
 

Nun, vielleicht würde es doch ganz lustig werden. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war sie genauso begeistert von seiner Anwesenheit, wie er vom hiesigen Aufenthalt – nämlich gar nicht. Dennoch hoben sich seine Mundwinkel, da er glaubte, in ihr die perfekte Ablenkung gefunden zu haben. Nicht im sexuellen Sinne, nein. Viel mehr auf psychischer Basis. Schließlich waren Frauen das schwächere Geschlecht. Sie hatten sich dem männlichen Pendant unterzuordnen. Außerdem hatte diese Familie lange Zeit auf der Erde gelebt. Somit waren diese Saiyajins Abschaum. Dreck. Elende Kanaillen.
 

„Wir sind da, Prinz Vegeta.“
 

„Ach? Echt?“, verhöhnte er den Soldaten und festigte seinen Griff um die Schlaufe der Tasche, in der sich jedes Kleidungsstück befand – abgesehen von seiner Kampfuniform. Die musste er zuhause lassen. Jedoch war Vegeta kein verlauster, dämlicher Saiyajin. Selbstredend hatte er heimlich welche eingepackt, wenngleich ihm der Gedanke, wie ein kleines Kind behandelt zu werden, sauer aufgestoßen war. Gott verflucht. Wie ein kleines Kind hatte er sich vorschreiben lassen müssen, was mit durfte und was nicht. Zum krönenden Abschluss sah er dementsprechend auch aus. Jämmerlich und erbärmlich sah er in seiner blauen, verwaschenen Jeans und seinem abgetragenen, olivfarbenen T-Shirt aus. Verdammte Scheiße, er sah wie ein Nichts aus. „Wäre mir ohne euch beiden Leuchten gar nicht aufgefallen. Danke, dass ihr mich aufgeklärt habt“, knurrte er über seine Schulter. „Ach, bevor ich es vergesse: Sagt meinem Vater, dass er sich auf alles gefasst machen soll. Das hier“, ergänzte er vielsagend, „wird ein Kinderspiel, weil wir dieses Spiel nach meinen Regeln spielen werden und jetzt verpisst euch, oder müsst ihr mich noch an die Hand nehmen und zur Tür bringen?“
 

In drei Teufels Namen, diese Gestalten – ihren dümmlich aussehenden Gesichtern nach zu urteilen – würden es vermutlich in Erwägung ziehen, seinen Vorschlag zu beherzigen. Vegeta sollte dringlichst damit aufhören, solche Scherze zu machen, die minderbemittelte Individuen für bare Münze nahmen. Folglich drehte er sich zu dem Mädchen zurück, das unaufhaltsam näher kam und vor dem Gatter innehielt. Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete er sie, ehe er phlegmatisch den Kopf seines Scouters drückte, der an seinem linken Ohr angebracht war.
 

Oh man. Sein Vater wollte ihn ärgern, oder? Ihn vorsätzlich verarschen – mit dem Unterschied, dass der König nicht einmal so freundlich war und zumindest versuchte, ihm die Pisse als Regen zu verkaufen. Nach zwei Sekunden flackerte eine Zahl auf der pinken Scheibe, die ihn schmunzeln ließ. Ja, er konnte nicht anders, als hämisch zu grinsen. „Fünf Prozent. Das ist doch nicht zu fassen“, flüsterte er so leise, dass sie ihn unmöglich hören konnte. Ebenso war ihm ihr fehlender Schweif und die stechend blauen Haare aufgefallen.
 

„Hey“, grüßte Bulma. Freundlich sah sie ihn an, während ihre linke Hand nach der Klinke des Gatters greifen wollte, um es nach hinten zu ziehen und gleichzeitig ihre rechte Hand zu ihm nach vorne ausstreckte. „Ich bin Bulma und -“
 

„Aus dem Weg!“, erwiderte Vegeta die Begrüßung formloser, ehedem er ihre Hand zur Seite schlug und mühelos über das Gatter sprang. Zusätzlich hatte er ihr seine Tasche vor die Füße geworfen. Er war es gewohnt, dass man ihm solch unwichtige Sachen abnahm, doch zu seiner Verwunderung tat sie nicht das, was für ihn selbstverständlich war, weshalb er augenrollend zu ihr sah und seine linke Hand in die linke Hüfte stemmte. „Woran hängt es, Mädchen? Nimm meine Tasche und beweg dich.“
 

„Bitte?“, entfuhr es ihr verwirrt. Sie war viel zu perplex, nachdem er problemlos über das Tor gesprungen war. Ja, noch immer war sie überrascht, obwohl ihr doch klar war, dass sich die saiyajinischen Kräfte von den menschlichen unterschied.
 

„Bist du taub? Nimm endlich meine Tasche und beweg dich, sonst helfe ich dir nach.“
 

Ok, sie hatte sich nicht verhört. „Sag mal, spinnst du?“ Nein, sie weigerte sich, diesem anmaßenden Befehl Folge zu leisten.
 

„Wie war das?“, knurrte er feindselig und griff zornig nach ihrem Handgelenk. „Sei vorsichtig, Mädchen.“ Es wurde ja immer besser. Diese plötzliche Angst, die in ihren Augen aufblitzte, war Balsam für Vegetas Seele.
 

„Wie... Wie redest du mit mir?“, wisperte Bulma warnend. Zur selben Zeit zog sie anhaltend ihre Hand zurück – vergeblich. Er entließ sie nicht aus seinem Griff. Allerdings wuchs – neben der Angst – ihre Wut, was ihr zusätzlichen Mut verlieh. Diesem Bengel musste man die Leviten lesen, bevor er ihr auf der Nase herumtanzte. Dieser ignorante Idiot brauchte schleunigst Grenzen.
 

„Wie es sich für Pöbel gehört“, klärte er sie reserviert auf.
 

Diese Arroganz... Unerhört, wie er sich benahm. „Lass... Lass meine Hand los“, verlangte sie kleinlaut, als es ihm gelungen war, anhand seiner Präsenz ihre Selbstsicherheit zu zerstören. Zuzutrauen war es ihm, dass dieser Bastard sich dem Hilfsmittel der körperlichen Gewalt bediente.
 

„Zeter nicht herum. Trag einfach meine Tasche, und wir bekommen keine Probleme. Ganz einfach, oder?“ Vegeta schenkte ihr vorerst ein letztes verschlagenes Lächeln, bevor er seine Hand ruckartig nach hinten zog und sich umdrehte. Derweil waren auch die Krieger seines Vaters verschwunden, aufgrund des Geräuschpegel. Scheinbar hatten sie daraus entnommen, dass sie gehen durften. Auch, weil man ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenkte und hätte er die Wahl gehabt, wäre er vermutlich draußen geblieben, er wusste es jedoch nicht besser. Den ersten Schritt hatte er noch gar nicht durch die Tür getan, schon wollte er wieder zurück, weil ihn der Anblick des Flures anwiderte. Die aufgeregte Aura die sich ihm näherte, war ein weiterer negativer Aspekt, der ihn dazu bewog, rückwärts, statt vorwärts zu gehen. Doch war die Person im Innern des Hauses schneller. Unvoreingenommen war eine ältere Frau auf den jungen Saiyajin zugestürmt. Übertrieben grinsend kam sie auf ihn zu und auch sie hatte keinen Schweif.
 

„Hallo!“, begrüßte Panchy Briefs den jungen Mann. „Du musst Vegeta sein, nicht? Du bist ja ein hübscher Mann.“ Zum Abschluss kniff sie ihm vergnügt in die Wange, ehe sie zärtlich über seine schwarzen Haare strich.
 

Scheiße! Wo war er gelandet? Diese Frage musste er sich wieder stellen, als er erschrocken einen Schritt nach hinten trat. Würde diese Irre ihn noch einmal berühren, würde er sie quer durch das Haus schleudern. Des Weiteren vernahm er hinter sich ihre Stimme, die anders als die ihrer Mutter klang.
 

„Hey, du kannst mich nicht... einfach stehen lassen“, keuchte sie, aufgrund der schweren Tasche. „Du hättest deine Tasche... selbst tragen können.“ Mühselig war sie den Kiesweg hinaufgelaufen, mit dem Wissen, dass Absicht hinter seinem Verhalten steckte. „Außerdem wollte ich dich willkommen heißen. Das... Das nennt man“, ächzte sie übergehend weiter, „Freundlichkeit.“ Danach stellte sie schwer atmend seine Tasche ab, in der sich womöglich ein dutzend Backsteine verbarg.
 

Immer noch mit seinem gut antrainierten, aufgesetzten Grinsen im Gesicht, drehte er sich zu ihr um, verschränkte belustigt seine Arme und sah von oben auf sie herab. So viel Dreistigkeit war ihm ja noch nie untergekommen. „Ich habe hinsichtlich deiner - wie nennst du es noch gleich? - gespielten Freundlichkeit keinen Bedarf!“, instruierte er die stark anders aussehende Saiyajin auf seine Art.
 

„Was?“ Das durfte doch nicht wahr sein. Er war noch keine fünf Minuten hier und Bulma hasste ihn schon jetzt, angesichts seiner aufdringlichen und frechen Art. „Mir ist noch niemand untergekommen, der so... so vernagelt war, wie du.“ Dass das gelogen war, war Bulma im Moment herzlich egal. Die Lüge war angenehmer als die Wahrheit, denn hier war alles so anders, so negativ und schlecht, dass sie wieder diesen Drang verspürte, zur Erde zurückzukehren.
 

„So? Wie viele sind dir denn schon untergekommen?“, raunte er ihr zu, nachdem er zu ihr herangetreten war, so dass ihre Mutter ihn nicht verstehen konnte. Die Frau schien jedoch die anbahnenden Katastrophe zu bemerken, weshalb sie sich in die Unterhaltung einklinkte. Allem Anschein nach, um die Situation zu entschärfen.
 

„Schätzchen“, begann sie beschwichtigend, schob sich zwischen die beiden Heranwachsenden und tätschelte behutsam die Wange ihrer Tochter. „Trag Vegetas Tasche doch nach oben. Dann kannst du ihm auch gleich sein Zimmer zeigen, ja?“
 

„Das kann er selbst machen“, offenbarte sie ihrer Mutter, während sie missgestimmt ihre Arme verschränkte und mit gehobenem Kinn ihren Kopf zur Seite drehte. „Alt genug und zänkisch ist er ja anscheinend“, brachte sie ihre Ansichten zu Tage.
 

„Liebling, bitte“, begann Panchy sanfter zu kontern. „Vegeta kennt sich hier doch gar nicht aus. Sicher vermisst er sein Zuhause“, fuhr sie fort und ihre Stimme wurde kälter, „und deshalb solltest du ihm das Leben hier etwas erleichtern. Vor allem was deinen Ton betrifft, junge Dame.“
 

Unfassbar. Ihre eigene Mutter ergriff Partei für diesen Arsch, der inzwischen hinter ihr stand und die an Bulma gerichtete Schelte sichtlich zu genießen schien. Ha ha, und der vermisste sein Zuhause? Selbst wenn, war das nicht Bulmas Problem. Es würde auch nicht zu ihren Interessen gehören, wenn er etwas wie Heimweh verspürte. Ihretwegen könnte dieser Affe auch draußen in ihrem Vorgarten schlafen, denn so, wie er sich benahm, bestärkte das nur noch mehr das Bild, was sie von ihm hatte. Vegeta war ein egozentrisches und arrogantes Arschloch, das es verdiente, bei -26 Grad Kälte und einer Windstärke von zwölf, draußen zu schlafen.
 

„Schön, dann tue ich das doch sogleich!“, entgegnete Bulma entkräftet und schnappte sich erneut die schwere Tasche.
 

Auch Vegeta war froh, der nervigen Frau zu entkommen. Er nahm sogar die Anwesenheit der Tochter in Kauf, statt sich weiter mit der Mutter herumzuärgern, die – würde er weiter in ihrer Anwesenheit verweilen – ihn noch in den Wahnsinn treiben würde. Ja, dahingehend hatte sein Vater gewonnen, da Vegetas Geduld nicht unerschöpflich war. Und das wusste sein Vater. Indes erklommen sie – die eine mehr, der andere weniger – mühsam die Stufen der Treppen. In der Zeit fand Vegeta die Gelegenheit, ihre Rückansicht zu begutachten, die, trotz des fehlenden Schweifs, recht ansehnlich war. Außerdem fragte er sich, ob ihre Mutter keine Saiyajin war. In diesem blauhaarigen Weib mussten menschliche Gene stecken. Andernfalls hätte sie doch einen Schweif und... und schwarze Haare. Ja, in ihren Adern konnte unmöglich reines Saiyajin-Blut fließen.
 

Wie es wohl Radditz und Nappa erging? Vegeta wusste diesbezüglich gar nichts. Sein Vater hatte ihn am langen Arm hungern lassen.
 

„Ich frage mich“, eröffnete er eine banal klingende Konversation, „wie ich den Satz deiner Mutter deuten soll? Schließlich sollst du mir doch mein Leben hier erleichtern. Zu meinem Bedauern merke ich allerdings noch nicht viel davon.“
 

Hörbar hatte sie die angestaute Luft ausgeatmet, nachdem sie abrupt stoppte. Ihre zittrigen Hände umschlangen die Träger seiner Tasche immer fester, in der Hoffnung, ihre chancenlose Wut besser kompensieren zu können.
 

„Und das bezweckt jetzt was?“, knurrte er hinter ihr. Seinen saiyajinischen Sinnen war es zu verdanken, dass er rechtzeitig anhielt. Ansonsten wäre er geradewegs in sie hineingelaufen. „Worauf wartest du? Geh weiter und zeig mir mein verdammtes Zimmer, oder werden wir hier Wurzeln schlagen?“, gab es gleichgültig von sich.
 

„Da, wo ich herkomme, ist man dankbar, wenn man Obdach erhält, verstehst du? Du kannst auch hier auf dem Boden schlafen.“ Sie drehte sich zu ihm um, doch alles was sie erkannte, war ein Mann, der nicht gelangweilter aussehen konnte. Das, was sie sagte, interessierte ihn keinster Weise, was Bulma rasend machte. Anstand und Manieren waren während der Erziehung wohl erfolgreich abgeperlt und sie musste sich unwillkürlich fragen, ob sie selbst – wäre sie hier aufgewachsen – genauso eklig und gemein geworden wäre? Wie hatten ihre Eltern es bloß geschafft, dieser Engstirnigkeit zu widerstehen? „Und es zwingt dich auch niemand hier zu sein, aber solltest du hier bleiben, hast auch du“, fuhr sie informierend fort, während ihr Zeigefinger gegen seine harte Brust tippte, „dich an gewisse Regeln zu halten!“
 

„Das sagt wer?“ Herrlich, das Weib war wirklich amüsant und sonderbar zugleich. Sie stammte ebenfalls von Saiyajins ab und doch sah sie sich als einen Erdling – wie prächtig. Aber gut. Dann würde er sie auch wie einen Erdling behandeln. Punkt.
 

„Ich sage das!“ Sie zog ihre Hand zurück, ehe ihr Finger nun gegen ihre Brust tippte.
 

Daraufhin lachte Vegeta laut auf. Voller Inbrunst hatte sie ihn an ihrer fälschlichen Weltanschauung, sowie der dazugehörigen, jedoch falsch angenommenen Nahrungskette teilhaben lassen. Dieses Mädchen, unwissend und naiv, hatte anscheinend keine Ahnung, wer vor ihr stand. Doch statt sie aufzuklären, verschränkte er bloß seine Arme und fragte das, was ihn interessierte: „Bist du keine Saiyajin?“
 

„Was?“, entkam es ihr verdattert. Seine Worte waren völlig aus dem Kontext gerissen.
 

„Ob du keine Saiyajin bist? Deine Haare sind nicht schwarz“, wiederholte er ungehaltener und kam ihr näher, woraufhin sie – sobald er einen Schritt nach vorne trat – einen zurücksetzte, um die aufgebaute Distanz zu wahren, was Vegeta jedoch mit einem abschätzigen Lächeln quittierte. Ja, sie sollte ehrliche Angst vor ihm haben. Ehrliche Angst war greifbar, er konnte sie riechen, sich daran ergötzen. Immerhin war er – auch wenn sie es nicht wusste – der mächtigste Krieger seines Stammes, der es missbilligte, wenn nicht sogar hasste, sich ständig zu wiederholen.
 

War es so schwer, klare und präzise Antworten auf seine Fragen zu erhalten? Wohl kaum.
 

„Tja, ich tue mein Bestes, damit man es nicht merkt und färbe daher meine Haare. Anforderung also erfüllt. Du hast es in Frage gestellt“, log sie ungeniert, da die blaue Farbe ihre Naturhaarfarbe war. „Ich mag vielleicht im Geiste zu euch mordlustigen Barbaren gehören, aber ich fühle mich diesem Volk nicht nahe oder verbunden. Ich bin auf der Erde -“
 

„Die Erde.“ Sein abfälliges Lachen wurde immer lauter, je intensiver es wurde. Um sein Desinteresse noch besser ausdrücken zu können, verschränkte er die Arme. „Ein jämmerlicher, rückständiger Planet, mit noch erbärmlicheren Kreaturen.“
 

„Oh, dasselbe wollte ich über diesen Planeten gerade sagen“, funkelte Bulma ihm kühn entgegen. „Nur hätte ich die Attribute ungehobelt, ignorant und gemeingefährlich gewählt!“
 

Alles klar. Seine Schmerzgrenze war erreicht. Vegeta hatte die Schnauze voll. Hier war niemand, der ihn hinderte, dem nachzukommen, was er am besten konnte – seinen Stolz zu verteidigen. Er schloss den Abstand endgültig, entriss ihr die Tasche aus der Hand und stieß ihren Körper hart von sich, worauf sie mit dem Rücken unsanft gegen die Wand knallte. „Vorsicht! Ich rate dir, deine Zunge zu zügeln. Ansonsten werde ich dir erhebliche Schmerzen zufügen, die du dein Leben lang nicht mehr vergessen wirst. Haben wir uns verstanden?“
 

Was geschah gerade? Mit geweiteten Augen sah sie ihn an; in seine tiefschwarzen Augen. 
 

„Ich dulde keine impertinenten Weiber, die eine Polemik gegen mich erzwingen und mich parallel zurechtweisen wollen.“ Beide Hände waren inmitten seiner Worte seitlich neben ihren Kopf geschlagen worden, um ihr jedweden Fluchtweg abzuschneiden. „Legst du mir Steine in den Weg, Mädchen, dann Gnade dir Gott. Dann sieh besser zu, dass dich die ausgelöste Lawine nicht überrollt“, hauchte er leise, als er seinen Mund zu ihrem Ohr herangeführt hatte. Abschließend stellte er sich wieder aufrecht hin und genoss ihre eingekesselte, zaghafte Haltung. Lange würde es nicht dauern, und sie würde zerbrechen. Wie ein Streichholz, das er zerbrach.
 

Als Bulma realisierte, dass sie frei war, schnappte sie sich die am Boden liegende Tasche, marschierte schnell an ihm vorbei und öffnete die erste Tür in dieser Etage. Ihr Herz pumpte wahnsinnig schnell und sie wollte nur noch weg hier – zurück in die schützende Anwesenheit ihrer Eltern. Hastig warf sie seine Habseligkeiten, die in eine Tasche passten, in das Zimmer, ehe sie die Tür verschloss und... und sich ihm nochmals gegenüber sah. „Ve- Vegeta, lass... mich vorbei.“ Hilfe. Sie war gefangen in seiner Anwesenheit, die sie zukünftig meiden müsste.
 

„Ja“, schnurrte er, nachdem er sie zum wiederholten Male einfing. „Bettle mich an. Ich genieße deine Wehrlosigkeit, du uneinsichtiges Weib.“
 

Innerhalb weniger Minuten hatte Bulma einsehen müssen, wie unfähig sie war. Ein Saiyajin hatte die Macht, sie zu zerquetschen und das war ein Gedanke, der sehr unschön war. „Bitte. Bitte lass mich vorbei“, flehte sie ihn an, während ihre Hände versuchten, sich an seiner Brust von ihm wegzustoßen.
 

„Noch einmal, Mädchen.“
 

„Nein!“ Derweil hatte sie es geschafft, ihn von sich zu stoßen oder er viel eher nachgab und sie losgelassen hatte. Aber darüber würde sie nicht länger nachdenken. Stattdessen rannte sie schluchzend – anlässlich der aufkeimenden Tränen – an ihm vorbei und nahm zwei Stufen auf einmal. Hauptsache, sie käme weg von ihm. Allerdings... war nicht einmal der erste Tag vergangen und gleich solch eine Begegnung? Da konnten die restlichen Tage, die er hier verbringen würde, nur schlimmer werden.
 

~*~
 

„Hast du ihn verärgert, Bulma?“, wollte Dr. Briefs wissen, während er sein Kalbsfleisch in mundgerechte Stücke schnitt und das Gemüse unauffällig zur Seite schob. „Sein Vater und ich, wir kennen uns schon lange. Noch bevor ich mit dir und deiner Mutter zur Erde ging. Der Junge macht eine schwere Zeit durch, deswegen bitte ich dich, sei nett zu ihm.“
 

Das war keine Entschuldigung, befand Bulma, die an ihrem Wasserglas nippte, um Zeit zu schinden. Sie wollte nicht höflich zu ihm sein, denn er war es ebenso wenig. Ergänzend fügte sie in Gedanken hinzu, dass er die Geste der Freundlichkeit nicht schätzen würde. Saiyajins legten keinen Wert auf Nettigkeiten. Wieso sollte sie etwas versuchen, was auf keinen fruchtbaren Boden fallen würde? Dieses Ärgernis wollte sie sich ersparen.
 

„Bitte Bulma“, fuhr ihr Vater beharrlich fort und es fühlte sich an, als würde er mit diesen zwei einfach gestrickten Worten Druck auf sie ausüben. „Geh ihn rufen, damit der Bursche was essen kann. Männliche Saiyajins haben einen guten Appetit“, fügte er amüsierter hinzu und kaute genüsslich das Fleisch, als wäre vor einer Minute nichts gewesen.
 

Um einer nicht enden wollenden Diskussion aus dem Weg zu gehen, stand sie auf und entfernte sich aus dem Esszimmer. Gut. Sie gab klein bei, aber sie würde nur zur Treppe gehen, nach ihm rufen und zurückgehen, sobald sie seinen Schatten erspähte, doch weit kam sie nicht. Sie bog um die Ecke und stieß augenblicklich mit seinem Oberkörper zusammen.

 

Fluchend rieb sie sich ihre schmerzende Schulter. Gott, war er aus Stahl? „Du sollst -“
 

„Ich bin nicht taub“, unterbrach er sie barsch, schielte kurz um die Ecke und entdeckte den anderen jungen Saiyajin, der sein Interesse weckte. „Na? Wer ist das? Dein Freund?“ Wie zuvor bei ihr, drückte er auch hier den Knopf seines Scouters, als er den jungen Mann ansah und kicherte innerlich. Bedauernswerte dreihundertfünfzig Prozent zeigte ihm der Scouter an, worauf er, ohne eine Antwort von ihr zu erhalten, an ihr vorbeiging und das Esszimmer verstimmt betrat.
 

„Ah, Vegeta!“, grüßte der ältere Saiyajin den Ankömmling. „Komm, setz dich“, begann er und zog einen der Stühle neben sich zurück. Er wartete, bis der Sohn seines alten Freundes Platz nahm und musterte ihn ausgiebig, während seine Frau den leeren Teller mit Essen füllte. „Du hast sicher Hunger, nicht?“

 

„Ja, schon“, antwortete er höflich, besah sich den reichlich gefüllten Teller und sah nach oben – zum Rundbogen, in dem sie stand und ihre Arme schützend um ihren Oberkörper schlang. „Danke Ma'am“, honorierte er die Gastfreundschaft ihrer Mutter. Oh, die Wut war in ihrem blassen Gesicht zu sehen. Ihre weichen Züge wurden verzerrt, je mehr sie ihn ansah. Lange währte die Glückseligkeit aber nicht, da ihr Vater das Wort an ihn richtete.

 

„Übrigens“, nuschelte Bulmas Vater und rieb sich mit seinem Handrücken unästhetische Essensrückstände aus seinem Schnurrbart. „Den Scouter da, den brauchst du vielleicht bald gar nicht mehr“, erzählte er frohlockend weiter und deutete mit dem Messer in seiner Hand auf das weiße Gehäuse. „Ich arbeite – mithilfe von Bulmas Geschick, Son Gokus Technik und seiner irdischen Erfahrungen – an einem Raum, der dir hoffentlich einiges erleichtern wird.“

 

Aha. Der Name dieses Saiyajins, der mit ihnen am Tisch saß, lautete Son Goku... Klang gar nicht saiyajinisch. „Tatsächlich?“ Echte Verblüffung zierte sein Gesicht, nachdem er seinen Scouter vom Ohr nahm und die Gerätschaft, das ihm so wichtig war, ungläubig betrachtete. Vegeta konnte sich nicht vorstellen, ohne seinen Scouter zu intervenieren. „Sie meinen, dass ich dann gar keinen Scouter mehr benötige?“, erfragte er höflich und blickte schon wieder zu dem Weib, das mittlerweile am Tisch Platz genommen hatte. Zudem belustige es ihn ungemein, im Augenwinkel herauskristallisieren zu können, wie sie ihre Gabel fest umklammerte, nachdem ihr Vater diesen mysteriösen Raum erwähnte.

 

„Genau das meine ich. Du könntest unter höheren Bedingungen trainieren und -“

 

„- und lernen, die Kampfkraft körperlich filtern zu können, sowie die Ortung anderer Lebensformen erahnen zu können?“ So war es doch, oder? Zu was anderem war ein Scouter nicht gedacht. Und als Funkgerät war ein Scouter sowieso hinderlich, da die Gespräche nicht vertraulich waren.

 

„Exakt“, bestätigte Mr.Briefs. „Schließlich sollte es doch in unseren Genen liegen, andere Auren zu spüren und Kampfkräfte mithilfe unserer Sinne erfassen zu können, nicht?“ Nur widerwillig hatte er damit begonnen, sein Gemüse zu essen. „Son Goku hat diese Methode auf der Erde gelernt und ist sogar bereit, dir eben jene Technik beizubringen“, erzählte er bereitwillig weiter, deutete mit seinem Essbesteck auf den Saiyajin neben Bulma und der alte Mann schien nicht zu wissen, was er mit seinen Aussagen in Vegeta bewirkte.
 

„Was Sie nicht sagen“, nickte er, als er den Scouter neben sich legte. Danach widmete er sich seinem Essen, in dem er angeekelt herumstocherte. Verärgert betrachtete er das Essen vor sich. Was sollte das sein? Er würde verhungern. Das war auch scheinbar das Ziel seines Vaters, weswegen er ihn hierher schickte – um qualvoll zu sterben. Darüber hinaus war die Information, dass dieser Son Goku etwas beherrschte, was Vegeta nicht konnte, unerträglich, was zudem erhebliche Ausmaße auf sein Fleisch hatte, das er aggressiver schnitt als zuvor.
 

Der weitere Verlauf des Essens verlief relativ harmonisch, wobei relativ ein sehr dehnbarer Begriff war. Panchy bot fortlaufend jedem eine Tasse Tee an, während Son Goku sich zurückhielt und den Neuankömmling skeptisch musterte. Ihm war er überhaupt nicht geheuer. Er sah in dessen Haltung, wie überheblich der Saiyajin war und hätte er dies früher gewusst, hätte er nie zugestimmt, ihm seine Technik beizubringen. Auch durchschaute er die übertriebene Freundlichkeit Bulmas Eltern gegenüber. Definitiv würde er ihn im Auge behalten. Was ihn aber noch mehr verunsicherte, war der unheilvolle Name des Kriegers... Vegeta... Er hieß wie der Planet, auf dem sie lebten – bis es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel.
 

An ihrem Tisch saß Prinz Vegeta! Diese Erkenntnis war schockierend. Mühevoll hatte er das Stück Fleisch, das sich in seinem Hals verankerte, herunterschlucken müssen, bevor er sich hustend auf die Brust klopfte.
 

„Alles in Ordnung?“, wollte Bulma besorgt wissen, während ihre Eltern entgeistert und Vegeta genervt zu Son Goku sahen. 
 

„Ja“, krächzte er und schnappte sich sein Wasserglas, dessen Inhalt er in einem Zug leerte. „Alles bestens.“ Anschließend sah er fassungslos dem Prinzen entgegen. Er konnte die Augen gar nicht von ihm nehmen, da er zu schockiert war, aufgrund seiner Entdeckung.
 

„Was starrst du so?“, schnauzte Vegeta, als er sich dem Blick des jungen Saiyajins bewusst wurde. Nichts war schlimmer, als permanent angestarrt zu werden. „Starr mich nicht an, das stört!“
 

„Entschuldige“, gab Son Goku beschämt von sich. Schnell zählte er eins und eins zusammen und kam zu dem Entschluss, dass das Erscheinen des Prinzen etwas mit der Sache zu tun hatte, in die Radditz verwickelt war. Oder? Das konnte doch möglich sein? Schließlich war sein Bruder mit Vegeta – den Son Goku nie gesehen hatte – befreundet. „Ich wollte nicht aufdringlich sein.“ Dass ihm auch nicht früher aufgefallen war, wer mit ihnen am Tisch saß? Jetzt, nachdem er wusste, wer vor ihm saß, lag es so klar auf der Hand – ebenso die Ähnlichkeit zu König Vegeta... 
 

„Bulma“, fuhr ihr Vater dazwischen, der bereits einen Streit kommen sah, „erzähl. Bist du schon, bezüglich des Radars weitergekommen?“
 

„Oh, frag nicht.“ Bulma war in ihrem Element. Umgeben von Zahlen fühlte sie sich – egal wie schwer die Formel auch war – wohler als in Gegenwart eines Mannes, dessen Manieren zu Wünschen übrig ließen und er ihr zuvor deutlich machte, was passieren konnte, wenn man sich ihm in den Weg stellte. Zu gerne würde sie diesen Idioten auflaufen lassen, ihren Eltern von dem Vorfall in der ersten Etage berichten, aber würde man ihr Gehör schenken, nachdem dieser Wichtigtuer so hervorragend geschauspielert hatte und sie selbst bereits in Misskredit geraten war? Vermutlich nicht. „Ich habe die Formeln etwas verdreht. Ich muss sowohl die Schwerkraft, als auch die Schaltkreise neu berechnen, aber ich dürfte den Radar in den nächsten Tagen fertig haben.“
 

„Das klingt ja wunderbar. Vielleicht möchtest du auch Vegeta später den Raum zeigen?“, schlug er vor. „Vielleicht möchte er ihn testen?“
 

„Ich denke, dass ich ihm den Raum nicht zeigen möchte, Paps. Es sei denn“, wandte sie sich verschmitzt an den Saiyajin, der ihr wie ein König gegenüber saß, „du kennst die Formeln, die man zur Berechnung der Gravitation braucht? Weißt du.“ Ihr Grinsen wurde zusehends breiter, da er sich nicht wagen würde, hier vor ihren Eltern auszurasten. „Ich kann niemanden gebrauchen, der nur große Töne spuckt, mit Muskelmasse brilliert und mir im Weg steht, statt etwas sinnvolles beizutragen. Hier ist nämlich Köpfchen gefragt.“
 

Forderte dieses Weib ihn gerade heraus? Nun, das konnte sie haben. Vegeta lehnte sich etwas nach vorne, faltete seine Hände ineinander und grinste genauso schelmisch zurück. „Ich hoffe, du sprichst nicht von den irdischen Gesetzen. Wenn doch, kannst du deine Formeln verbrennen, da sie falsch sind und nie zu den saiyajinischen Werten passen würden. Hier gelten nämlich andere physikalische Gesetze, die ich – im Gegensatz zu dir – kenne. Demnach könntest du wohl eher was von mir lernen, statt umgekehrt.“ Ha, er hatte sie gerade in Grund und Boden gestampft. Während er ihr dabei zusah, wie sich ihre Wangen verfärbten, schaufelte er das Fleisch anmutig in seinen Mund. „Es sei denn“, wiederholte er Bulmas Worte, „du bist über alle Maße erhaben?“ Der Raum, von dem ihr Vater sprach, klang vielversprechend, aber seine Aversion ihr gegenüber war genauso erhöht, wie ihre ihm gegenüber. 
 

„Ich habe mich bereits mit den Grundkenntnissen befasst“, erwiderte sie erbost und fluchte innerlich, denn sie hatte ihren Fehler gefunden – dank ihm. In ihren Formeln hatte sie die irdischen Werte berücksichtigt und nicht die von Vegeta-Sei. „Ich fange nichts an, ohne zu wissen, mit was ich es zu tun bekomme!“
 

„Tatsächlich?“, höhnte Vegeta auffällig. Seine Gabel kratzte kurz über den Teller, woraufhin sie zusammenzuckte und Vegeta breiter grinste. Würde sie ihre eigenen Aussagen beherzigen, befände sie sich nicht in der jetzigen Situation. Aber Dummheit musste bestraft werden.
 

„Ja, tatsächlich!“ Ihre Hand, in der sich ihre Gabel befand, krachte neben ihren Teller. Doch schnell besann sie sich, ehe sie die Gabel ruhiger auf den Teller zurücklegte und eine lose Strähne hinter ihr Ohr schob. Dieser Saiyajin schaffte es, sie aus der Fassung zu bringen. Die schockierten Gesichter, dir ihr entgegenblickten, blendete sie aus, denn sie wusste, was Son Goku oder ihr Vater ihr sagen würden, sollte sie es zulassen, diese zu Wort kommen zu lassen. Sätze wie, dass man diesem armen Jungen nicht so aggressiv gegenüber treten sollte oder ähnliches geisterte in ihrem Kopf.
 

„Bulma“, nuschelte Son Goku. „Ich -“
 

„Was, Son Goku?“
 

Der Angesprochene rutschte mit seinem Stuhl sofort zurück, da seine Freundin Anstalten machte, ihn auf der Stelle meucheln zu wollen. „Ach nichts. Gar nichts, ich dachte nur, es wäre günstiger, wenn äh... wenn wir uns beruhigen?“ Seine Augen huschten von ihr zu Vegeta herüber, der ungläubig zu Son Goku sah, seinen Ausdruck allerdings unverzüglich änderte. „Soll ich mit dir in den Raum gehen? Dann könnte ich üben und du könntest weiter darin arbeiten?“
 

„Nehmt Vegeta mit!“ Die Worte ihres Vaters klangen bindend. „Ihr könnt ihn nicht ausgrenzen. Schließlich lebt er mit uns unter einem Dach. Vielleicht versteht ihr euch ja doch?“
 

„Das wage ich zu bezweifeln.“ Zermürbt warf Bulma ihre Serviette auf den Tisch. Der Appetit war ihr vergangen, somit konnte sie auch aufstehen und zum Raum zurückgehen. „Komm, Son Goku, und du“, richtete sie die nächsten Worte an Vegeta, „darfst gerne hier bleiben. Deine Anwesenheit ist nicht gewünscht.“ 
 

„Bulma, weißt du denn nicht, wer -“ Doch weiter konnte Son Goku seinen Satz nicht fortführen, da Vegeta ihn unterbrach.
 

„Umso erpichter bin ich darauf, dir Gesellschaft zu leisten, denn es scheint offenbar ein Raum zu sein, der meine Kräfte vorantreiben kann.“ Oh ja, gerade rechtzeitig hatte Vegeta diesen Trottel unterbrechen können. „Von deinen Animositäten ganz zu schweigen. Dabei bin ich nur neugierig.“ Oho, diese Ausrede klang gut – viel zu gut, denn jeder der ihn kannte, wusste, dass Physik ihn nicht im Geringsten interessierte, aber solange es seiner Kraft zugute käme, würde er mitspielen und den braven Saiyajin mimen, der hierher gekommen war, um zu lernen.
 

Tja, sein Vater musste ihn ja zu fremden Leuten schicken. Demnach hatten sie alle nach Vegetas Regeln zu spielen. Ebenso Bulma. Auch sie würde nach seinen Regeln spielen – nicht andersrum. Nachdem er seine Serviette ebenfalls neben den Teller warf, erhob er sich, ließ Bulma den Vortritt und marschierte ihr hinterher – dicht gefolgt von Son Goku, der ihm jetzt schon ein Dorn im Auge war.

Wer zuletzt lacht

Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt.

- Hermann Hesse


 

 
 

~*~
 

 

- Kapitel fünf -


 

Den Weg zum Gravitationsraum legte Bulma im Eiltempo zurück. Nicht etwa aus dem Grund, weil sie zügig ihrer Arbeit nachgehen konnte. Nein, sie hatte verstanden, dass sie nicht noch einmal mit diesem ungesitteten Saiyajin aneinandergeraten wollte. Darauf würde es nämlich hinauslaufen, sofern sie sich von ihm herausfordern, geschweige denn provozieren ließ. Aber Bulma war clever, sie könnte Geduld aufbringen, wenn die Situation danach verlangte, denn im Gegensatz zu Vegeta – der abgesehen von seiner großen Klappe nichts vorweisen konnte -, war Bulma im Stande, sich mit aussagekräftigen, treffenden Worten wehren zu können, wohingegen sich Vegeta bloß mit Kraft beweisen könnte – etwas, auf das man zurückgriff, wenn man sich nicht anders zu helfen wusste. Sein vorlautes Mundwerk würde sie ihm gerne zukleben, aber auch das hätte wieder zu Streitigkeiten geführt, auf die die junge Saiyajin liebend gern verzichtete. Bezüglich der Worte ihres Vaters, dass Vegeta schwierig sei, hätte Bulma zum Anlass nehmen können, in schallendes Gelächter auszubrechen. Natürlich. Vegeta war schwierig, ja... Stochastik oder mehrdimensionale reelle Analysis waren schwierig, aber dieser Saiyajin war – salopp gesagt – unausstehlich, kaum zu ertragen.
 

Noch einfacher gesagt: Bulma mochte Vegeta nicht, was sie in wenigen Minuten herausgefunden hatte. Es bedurfte keine weitere Zeit, die sie mit ihm verbringen musste, um ihn womöglich besser kennenzulernen. Nein, die Zeit konnte sich die blauhaarige Saiyajin sparen und in wichtige Erfindungen investieren.
 

Allerdings zwang man sie, ihn zu integrieren, weswegen sie gelangweilt zum Gravitationsraum gegangen waren, vor dessen Tür sie nun lustlos ihre Hand auf den Handscanner legte, ehe sich die schwere Eisentür surrend öffnete. Folglich ratterten die Scheinwerfer der Decke, die das Dunkel im Innern vertrieben und Bulma inne hielt, bevor Son Goku und Vegeta ihren Raum betreten konnten. Streng hatte sie ihren Arm zur Seite gestreckt, ihre Augen waren zittrig zusammengekniffen, weil sie wusste, was folgte und bereits die bevorstehende Entladung ihres innerlichen Zorns spürte.
 

„Ihr fasst nichts an. Gar nichts.“ Blitzschnell waren ihre blauen Augen offen, welche sich missgestimmt auf die beiden anwesenden Saiyajins fixierten. „Wenn ihr euch etwas ansehen wollt, tut das mit euren Augen – nicht mit euren Händen, ja?“ Unsicher sah sie zu Son Goku, der zustimmend nickte. Dieselbe Ernsthaftigkeit erwartete sie auch von Vegeta, der jedoch desinteressiert seine Schulter gegen die Wand lehnte und seine behandschuhte Hand beäugte, was Bulma wohl zeigen sollte, wie wenig er an ihren Worten interessiert war. „Vegeta? Hast du verstanden, was ich gerade gesagt habe?“ Sie hoffte, dass Son Goku Schützenhilfe leistete, sollte Vegeta etwas anderes als Zustimmung äußern, doch sah Son Goku genauso hilflos zu ihm wie Bulma.
 

„Als ob mich irgendetwas, das in diesem bizarren Raum verrottet, interessiert“, erwiderte er bissig, nicht gewillt, ihrer abstrusen Forderung nachzukommen – denn einer Bitte glich es nicht, weswegen er aus Prinzip nicht gehorchte. Stattdessen überkam ihn die Versuchung, eine weitere Explosion zu evozieren. Ja, eine gigantische Detonation, um Salz in die offenen Wunden zu reiben.
 

„Dann sei meine schändliche Frage erlaubt: Wieso bist du mitgekommen, wenn es dich nicht im Geringsten interessiert?“, knurrte Bulma, die sich aufgrund seiner Aussage angegriffen fühlte. Ständig versuchte sie, neue Techniken zu entwickeln, welche das Leben der einfachen Leute erleichtern sollte und er – ein missgünstiger, exzentrischer Saiyajin – wusste dies nicht zu würdigen. Seine Aussage war einschneidend. Sie zerrten an Bulmas Sensibilität. Gleichzeitig wollte er ihr ermitteln, dass sie wohl gar nichts bewerkstelligen konnte, wenngleich sie immer ihr Bestes gab. Aber erwartete sie tatsächlich Wertschätzung? Insgeheim schon. „Ich habe dich nicht darum gebeten, uns zu begleiten. Du hättest auch in der Küche bleiben können.“ Bulma wollte sich nicht kleiner machen als sie war, angesichts ihrer Angst. Daher überspielte sie diese, indem sie Souveränität vorgaukelte. Zumal die Offensive immer besser war als die Defensive. „Aber anscheinend war dir das auch nicht recht, was mich wiederum zu der Frage bringt, was du überhaupt hier -“
 

„Du bist eine vorlaute Göre – nichts weiter“, unterbrach er ihren Wortschwall harsch, ließ seine Hand nach unten sinken und drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Genüsslich konnte er dabei zusehen, wie sie unter seinem strengen Blick immer blasser wurde und schlussendlich verstummte. Und es gefiel ihm. Immer mehr, je länger er sie ansah. Genau diese Situationen waren es, die ihm zusagten, die ihm sein hochmütiges Gemüt gaben, wenn er schon in Gegenwart seines Vaters nicht die richtigen Worte fand, um sich durchzusetzen. Hier jedoch konnte er jede einzelne Sekunde genießen, die dieses Weib ihm demutsvoll schenkte. „Und glaub mir, ich setze mich lieber mit vorlauten, verspielten Gören auseinander – denen man noch Anstand beibringen muss –, statt mich mit deinem Vater oder deiner Mutter herumzuärgern – was bedeutend schlimmer wäre. Da seid ihr beide“, fuhr er angriffslustig fort, während er abwechselnd auf die beiden Saiyajins zeigte, „das kleinere Übel. Außerdem wollte dein Paps, dass ihr mich nicht ausgrenzt. Schon vergessen?“, fügte er grinsend hinzu, nachdem er zu ihr herangetreten war und ihre Erscheinung von oben herab gemustert hatte.
 

Ehe Bulma darauf reagieren und etwas erwidern konnte, hatte sich schon Son Goku mit ausgestreckten Armen, einem künstlichem Lächeln und einem eingezogenen Bauch zwischen die beiden Kontrahenten geschoben, bevor die Situation eskalieren würde. „Wie wäre es“, schlug er grinsend vor, während er Bulma bedächtig nach hinten drückte, „wenn wir uns den Raum ansehen? Danach könnten wir noch nach draußen gehen – uns vielleicht mit Kuririn und Lunch treffen? Sie sind bestimmt am See und -“
 

„Vergiss es. Ich will ungern mit Idioten gesehen werden“, unterrichtete Vegeta sein Gegenüber, der ihm frech den Rücken zugewandt hatte und sich erst zu ihm herumdrehte, nachdem Vegeta gesprochen hatte.
 

„Äh... na ja, ein bisschen schwimmen würde die erhitzten Gemüter abkühlen. Ich glaube -“
 

„Hör auf zu denken“, wies Vegeta ihn zurecht. Er wollte sich nicht länger mit unterklassigen Saiyajins abgeben und doch hatte man ihn genau dazu gezwungen. Es war lächerlich. Ohne Zweifel. Allerdings würde er sich nicht unterkriegen lassen und jede weitere Strafte die folgen würde, mühelos aussitzen.
 

„Aber Vegeta -“
 

„Nein, Kakarott. Ich bin gänzlich abgeneigt, deiner Bitte nachzukommen“, informierte Vegeta ihn abweisend, trat um ihn herum und begutachtete das Innere des Raumes. Feixend sah er von der einen zur anderen Wand, bis er das runde Armaturenbrett erreichte. „Was kann dieser Raum jetzt eigentlich? Sieht nicht sonderlich stabil aus, Kleine“, sprach er keck weiter und strich mit einem Finger über das verblasste Blech, das wohl als Rahmen diente. „Und das sollte er, wenn ich hier trainiere. Oder soll ich euer Haus sofort niederreißen?“ Anschließend hatte er den Staub angewidert zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger zerrieben, was die junge Frau noch mehr in Rage versetzte.
 

„Vegeta, ich sagte, dass hier nichts angefasst wird“, echauffierte sich die junge Erfinderin, nachdem sie sich neben ihn gestellt und schluckend nach seiner Hand gegriffen hatte, um diese vom Armaturenbrett wegzuziehen. Ferner erreichte sie, dass er sich direkt zu ihr drehte und schon wieder hatte er diesen selbstgefälligen Gesichtsausdruck auf seinen harten Zügen, dass sie verstimmt einknickte und seine Hand unverzüglich los ließ. „Statt... Statt Son Goku und mich von der Arbeit abzuhalten, hättest du dich... nützlich machen können, indem du einfach gehst.“
 

Auf ihrer Stirn konnte sie bereits die Schweißtropfen spüren, die sich vor Angst ihren Weg zum Boden bahnen wollten.
 

„Ich will noch gar nicht gehen. Zu sehr genieße ich die Angst, welche du vor mir hast“, klärte er sie flüsternd auf, ehe sich seine Hand bedächtig hob und ihre nach vorne gefallenen Strähnen nach hinten schob.
 

„Hör auf“, polterte Bulma erschrocken. Sie schlug seine Hand zur Seite, die sich zuvor in ihren Haaren verfangen hatte und trat nach hinten. „Wenn du glaubst, dich hier aufführen zu können wie ein König, dann muss ich dir sagen, dass -“
 

„Bulma, sag das nicht“, warnte Son Goku. Mit ihren Worten würde sie alles verschlimmer, Vegeta womöglich noch verärgern und dabei schien sie gar nicht zu wissen, wer vor ihr stand. Ansonsten hätte sie dem Prinzen mehr Demut entgegengebracht. Allerdings, nachdem er weitersprechen wollte, hob Vegeta gebieterisch seine Hand, woraufhin er ehrfürchtig den Kopf schüttelte und schwieg. Dennoch wollte er Blickkontakt zu Bulma aufbauen, ihr mit Blicken irgendwie vermitteln, dass sie nichts beleidigendes sagen sollte.
 

„Lass sie ausreden, Kakarott!Er hatte ihn bewusst mit seinem richtigen Namen angesprochen, da das Mädchen scheinbar irritiert davon gewesen war. Und allem Anschein nach dachte Kakarott, Vegeta würde nicht wissen, wer er war, aufgrund seines erschrockenen Gesichtes, aber er irrte sich. Vegeta kannte ihn – war er doch gut genug mit Radditz befreundet, der des Öfteren von seinem kleinen, nervigen, lästigen Bruder sprach. Oft hatten sie sich über Kakarotts Vergangenheit unterhalten, wodurch Vegeta Einblicke in die Welt der Menschen gewährt wurde, die ihn im Grunde genommen aber gar nicht interessierten. Und wie häufig beklagte er die Situation, dass Kakarott auf der Erde zu einem wahren Weichei herangezüchtet wurde? Sehr oft. „Sie scheint mir etwas wichtiges sagen zu wollen, richtig? Sprich dich aus, Weib.“
 

Ihre entgleisten Züge fingen sich schnell und ihr heimtückisches Lächeln verlieh ihr Sicherheit. „Du glaubst, dass du dich wie ein König aufführen kannst, doch in Wirklichkeit bist du ein armer Irrer. Ein Idiot, der gerne König wäre, dies aber nie sein wird.“ Nachdem sie ihm diese Wichtigkeit mitteilte, drehte sie sich galant von ihm weg, nahm sich eines der Tücher und wischte den Staub weg, der ihn offenbar störte. Zeitgleich sah sie ihn an und fuhr fort: „Hier, in diesem Raum zählen Leistung und Engagement mehr als Staub wischen.“ Sehr wohl hatte sie seinen abfälligen Ausdruck bemerkt, als er mit seinem Handschuh entlang der Armaturen fuhr und es hatte sie wütend gemacht. Stinkwütend. Seine Darbietung, hinsichtlich des Ekels den er bezüglich des Staubs empfand, war maßlos überzogen. 
 

„Tatsächlich? Dir scheint der Staub wichtig genug zu sein. Ansonsten würdest du ihn nicht wegwischen, oder? Schließlich wäre es vermessen, zu glauben, dass du es aufgrund meiner Äußerung wegwischst, nicht?“ Anschließend fuhr sein Finger nochmals über die abgewischte Armatur, die sie nicht gründlich genug säuberte, da abermals Staubfusel an seinem Handschuh hafteten, die er amüsiert zwischen seinen Fingern zerrieb. „Und vielleicht interessiert es dich: Ich mag zwar nicht der momentane Herrscher dieses Planeten sein, dennoch lege ich dir nahe, deinem zukünftigen König erhabener entgegenzutreten. Außer du ziehst es vor, meinen Unmut auf dich zu ziehen.“
 

Was? Nein, das war völlig unmöglich. Er... Er konnte nicht der Sohn des Königs sein – die Ähnlichkeit ließ sie außen vor. Zu konträr klang das Ganze, als dass sie der Logik folgen konnte.
 

„Überrascht?“, fügte er blasiert hinzu, während sein Feixen stets abwertender wurde. „Deinem dümmlichen Gesicht zufolge kannst du es anscheinend nicht glauben, aber ich versichere dir, dass der Thronerbe Vegeta-Seis vor dir steht – und damit meine ich ganz gewiss nicht Kakarott.“
 

„Du bluffst“, keuchte Bulma zerrüttet, denn sollte das der Wahrheit entsprechen, wüsste sie nicht, wie sie diesem Ekel weiterhin unter die Augen treten konnte. Schließlich – und das wusste Bulma – musste man aufpassen, was man von sich gab. Jedes Wort könnte ihr letztes sein. „Und... Und selbst wenn nicht: Herrschen können nur diejenigen, die nicht regieren können“, wehrte sie sich vergeblich, obwohl sie sich sicher war, ihm nichts entgegensetzen zu können.
 

„Du bist aber auch eine sture Göre.“ Ihre Worte trafen ihn nicht. Vegeta wusste es besser. Früher oder später knickte jeder ein. Sie gehörte eben zu der Sorte Saiyajin, der man Gehorsam auf anderem Wege beibringen musste. „Eine uneinsichtige, verblendete Göre. Dir hätte man auf der Erde lieber mal etwas Anstand vor der Obrigkeit beigebracht, Weib.“
 

Ha. Man konnte es treiben, aber Vegeta übertrieb maßlos. Was erlaubte sich dieser Saiyajin überhaupt? „Ich lasse mich von dir, in unserem Haus, nicht kujonieren. Meinetwegen kannst du der Herrscher des Universums sein, es interessiert mich nicht. Aber in diesem Haushalt, in diesen vier Wänden – abseits eurer heuchlerischen Hierarchie – gelten die briefschen Gesetze und wenn du nicht im Stande bist, diese zu akzeptieren, geschweige denn dich wie ein vernünftiger Saiyajin zu verhalten, dann bist du hier definitiv falsch.“ Beinahe hätte Bulma das Wort Mensch im Zusammenhang mit einem vernünftigen Saiyajin gesetzt, was sie allerdings im letzten Moment bemerkte. Es wäre verachtend, hätte sie Vegeta als Menschen tituliert.
 

„Jetzt gibst du aber alles, Fräulein. Hast du mir noch mehr zu sagen?“, entkam es ihm streng, wenngleich seine grinsenden Züge und seine in die Hüften gestemmten Fäuste etwas anderes suggerierten.
 

„Das habe ich“, entgegnete sie, ehe sie seine Haltung imitierte. „Mein Vater wird keinen Querulanten dulden, ebenso wenig ich“, beendete sie ihren Monolog instruierend. Noch keine dreißig Minuten waren vergangen, schon hatten sie sich gestritten und sich gegenseitig womöglich die schlimmsten Krankheiten an den Hals gewünscht, während Son Goku paralysiert daneben stand.
 

Folglich stocherte Vegetas Zeigefinger – infolge ihrer glamourösen Inszenierung – in seinem Ohr, bevor er sich ihr desinteressiert zuwandte, doch seinen Blick recht schnell auf seinen herausgezogenen Handschuh richtete, um seine Lethargie, ihren Ansichten gegenüber, noch zu untermauern. „Hast du gerade was gesagt?“
 

„Vegeta!“, schoss es aus Bulma heraus. Parallel dazu stampfte sie mit einem Fuß auf die Fliesen.
 

„Scheinbar schon“, quittierte er ihre Aussage lächelnd. „Bedauerlicherweise habe ich nicht zugehört. Sobald meine Ohren mit Bullshit infiziert werden, schalten sie automatisch auf Durchzug.“
 

Das ging auf keine Kuhhaut mehr. Ihre neu gewonnene Sicherheit, die sie auf Vegeta-Sei restlos ausschöpfen musste, weil hier niemand ihre sonst übliche Unsicherheit kannte, schien wie ein Kartenhaus in sich zusammenzustürzen. Seine Worte waren Giftpfeile, die Bulmas Selbstbewusstsein mit ihrem Toxikum auslöschen wollte. Nicht in der Lage, darauf zu reagieren, stand sie mit offenem Mund vor ihm, starrte ihn an und... tat nichts. Nein, sie sah ihn nur an, was Vegeta als weitere Aufforderung wahrnahm, seinen Pfad der Entwürdigung weiter entlang zu schreiten.
 

„Eine herrliche Gabe, Dinge grundsätzlich ignorieren zu können, die einen selbst keinen Deut interessieren. Solltest du bei Gelegenheit auch mal versuchen. Das erspart dir eine Menge Zeit. Zeit, die du nutzen könntest, deinen Saustall in Ordnung zu bringen“, unterrichtete Vegeta die junge Frau zusätzlich. So sehr er die Befehlsgewalt seines Vaters verachtete, so sehr entwickelte sich eine Freude dem Machtspiel ihr gegenüber. Die Streitigkeiten mit ihr amüsierten ihn ungemein, weil sie unsagbar schnell aus der Haut fuhr und er selbst sich zurücklehnen und darüber lachen konnte. Und sein Vater erwartete demnach wirklich, dass er ausgerechnet hier lernte – in einem Loch voller Versager –, Verantwortung zu übernehmen? Wie sollte das funktionieren, wenn hier selbst kein Funken der Verantwortung, gar des saiyajinischen Ethos zu finden war, angesichts der Impertinenz? Wollte sein Vater ihn – ungeachtet dessen, ihn tot sehen zu wollen – zum Narren halten? Derweil hatte er unbemerkt ihre Statur, sowie ihr Aussehen betrachtet und es erschreckte ihn, wie gewöhnlich sie im Grunde doch war, obwohl sie sich deutlich von den anderen Saiyajins unterschied – im Bezug auf ihr Aussehen und ihres unkonventionellen, ekelerregenden Charakters. Das wiederum machte sie einzigartig und auch das störte den jungen Prinzen, da es Eigenschaften waren, die nur ihm vorbehalten waren. Er alleine war brillant und einmalig, während die anderen allesamt im Kontrast zu ihm verblassten. Sie alle waren gleich, reizlos und normal. „Hast du dazu gar nichts zu sagen? Nun, hätte ich früher gewusst, wie spielerisch man dich zum Schweigen bringt, wäre eine solche Auseinandersetzung gar nicht zustande gekommen, was ich allerdings bedauerlich gefunden hätte – jetzt, wo ich weiß, wie leicht es ist, dich zu bezwingen.“
 

„Nochmal wiederhole ich mich nicht“, umging Bulma seine Art der Formulierung, wenn es darum ging, sein Gegenüber anzugiften. Unfreiwillig hatte sie seiner Stimme gelauscht. Gleichzeitig fragte sie sich, ob er es gewohnt war, solche Befehle zu geben? Konnte er deswegen nicht an sich halten? War es die Macht der Gewohnheit? Oder konnte das unverstandene Kind einfach nicht seinen Stolz ablegen? Was es auch war, es erzürnte sie. Für Bulma gab es keine Rechtfertigung, anlässlich seines Auftretens, weswegen sie blindwütig ihre Fäuste ballte und sich gegen seine Herabsetzungen zur Wehr setzen wollte.
 

„Tust du nicht?“, scherzte er und fuhr nahtlos fort: „Dann entlade endlich deinen Zorn. Nur darauf warte ich doch. Alles andere ist uninteressant.“ Seine Arme überkreuzte er heiter vor der Brust, nachdem er seinen Hintern auf dem Armaturenbrett platzierte. Somit hatte sie genügend Zeit, sich zu wappnen, doch folgte ihrerseits keine weitere Aussage. „Soll ich nochmal nachhelfen, Weib?“
 

„Son... Son Goku?“ Entmutigt suchte sie seinen Blick, weil sie sich – trotz falschem Mut – nicht durchsetzen konnte. Zumindest nicht gegen Vegeta.
 

„Ja, Kakarott. Hilf dem armen Mädchen.“ Es glich einer einzigen Farce, zumal sie glaubte, ihn erfolgreich herausfordern zu können. Wenn sie dachte, ihn mit Worten treffen zu können, wäre es ein Spaziergang, das Leben der Saiyajins zur Hölle zu machen. Erfreut stieß er sich im Anschluss, als keine Reaktion folgte, vom Armaturenbrett ab, ehedem er zu ihr aufschloss und mit zuckenden Mundwinkeln vor ihr zum Stehen kam. Außerdem wusste er schon vorher, dass ihre Erzürnung ihrer Hilflosigkeit geschuldet war. „Nun, Kakarott kennt scheinbar seinen Platz, Weib. Du hingegen hast dein Pulver verschossen, aber“, knurrte er und griff nach ihrem Arm, „ich werde dir gerne deinen Platz in unserer heuchlerischen Hierarchie zeigen. Glaub mir, ich bin keine Person, die Nettigkeiten austeilt – niemals. Ich bin ein Saiyajin, und ich rate dir dringend, deine Äußerungen in meiner Umgebung zu überdenken.“ Seine Stimme wurde immer rauer, immer leiser. Es war ein geniales Gefühl, sie einschüchtern zu können. „Es macht vielleicht nicht den Anschein, hinsichtlich meines charmanten Auftretens, aber ich bin immer noch derselbe, wenngleich mein Vater hofft, mich mit eurer Gesellschaft strafen zu können. Aber ich sage es dir nochmals in aller Deutlichkeit: Wir spielen dieses Spiel nach meinen Regeln. Wenn dir also dein Leben etwas wert ist, empfehle ich dir, mir etwas respektvoller entgegenzutreten.“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen, öffnete mit einem harten Schlag auf den Knopf die Tür und verschwand, ohne ihr die Chance auf Erwiderung zu geben, im Flur. 
 

Bulma dagegen stand noch immer erstarrt in der Mitte des Raumes – sichtlich irritiert. Ihre Pupillen zitterten in ihren Höhlen und nur langsam begann sie, ihre Hand nach oben zu ihrer Stirn zu heben, um die dortig aufgetauchten Schweißperlen wegzuwischen. Was war das bitte für ein Gespräch, resümierte sie mitgenommen, ehe sie zur Ablage schritt und auf ihren Hintern sank. Sie wirkte ausgelaugt, erschöpft von einem erbarmungslosen Streit, der Spuren hinterlassen hatte. Dennoch sah sie verschüchtert zu dem Saiyajin, der noch anwesend war. „Ist das... Ist das wahr, Son Goku?“
 

„Was genau?“ Auch er schien sich gesammelt zu haben, als er seinen Blick auf Bulma richtete. Letztendlich hatte auch ihm die Art der gnadenlosen Konversation auf den Magen geschlagen und es erschütterte ihn, wie festgefahren er dagestanden hatte – unfähig, zu agieren. Kakarott hatte Vegeta vorher auch nie gesehen. Allerdings wusste er, anhand Radditz' Erzählungen, wie gefährlich der Prinz werden konnte, sobald dieser sich angegriffen fühlte. „Ob er generell so despotisch ist? Oder ob er -“
 

„Ob er der Prinz dieses Planeten und demzufolge der zukünftige König ist? Ja, stimmt das?“ Sollte sich der Umstand bewahrheiten, dann hätte sie die gesamte Königsfamilie gegen sich aufgebracht, was keine guten Aussichten waren.
 

„Ich selbst habe Vegeta auch noch nie zuvor gesehen. Er meidet das Volk, aber... sein Name ist hier niemandem unbekannt“, antwortete er wahrheitsgemäß, nachdem er sich neben Bulma auf den Boden setzte, die Knie anzog und seine Hände darauf stützte. „Die Ähnlichkeit zu König Vegeta sollte uns jedoch die nötige Gewissheit geben, solltest du Zweifel an seiner Abstammung haben.“ 
 

Nein, Zweifel hatte sie nicht. „Nicht nur sein Vater ist grausam. Sein Sohn steht ihm in nichts nach.“
 

„Bulma, sei vorsichtig. Bitte leg dich nicht mit ihm an.“ Selbstverständlich stimmte er Bulmas Worten zu. Vegeta war ein gerissener Saiyajin. Dennoch sollten sie sich hüten, etwas derartiges in der Öffentlichkeit von sich zu geben. „Du weißt nicht, in welche Schlangengrube du dich begibst.“
 

„Ist es nicht seltsam?“, entkam es ihr völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Darauffolgend sah sie zu Son Goku und sprach weiter: „Dass er ausgerechnet jetzt zu meiner Familie kommen soll, nachdem man uns erwischte?“ Ihren geplanten Einbruch in die Vorratskammer des Königs wollte sie nicht erwähnen. Einbruch klang so... so negativ und vor allem kriminell und das waren weder sie nicht. Sie wollten lediglich helfen, was nichts mit krimineller Energie zu tun hatte. „Das... Das ist doch merkwürdig, oder? Ich meine, man nahm uns schon die Kapsel. Was rechtfertigt eine weitere Strafe?“
 

„Vielleicht hat es auch gar nichts mit unserem Vergehen zu tun?“, warf der schwarzhaarige Saiyajin vorsichtig in den Raum. „Oder vielleicht hat der König über deine Worte nachgedacht und schickt Vegeta zu vernünftigen Leuten, von denen er etwas lernen kann?“
 

„Wohl kaum. Der König ist arrogant, gar resistent und taub gegenüber geäußerter Kritik“, widersprach Bulma ihm zischend. „Sein Stolz würde nie zulassen, eigene Fehler einzugestehen. Aber was weiß ich schon? Ich bin völlig ahnungslos und doch lässt es mir keine Ruhe. Vielleicht haben wir mit unserem Einbruch dem König in die Karten gespielt und er sah seine Chance, Vegeta fortzuschicken?“, ergänzte sie kritisch.
 

„Ich glaube nach wie vor, dass es nichts mit unserer Straftat zu tun hat, weil... Na ja“, druckste Son Goku verlegen herum. „Radditz verbüßt ebenfalls eine Strafe, die anscheinend mit Vegeta in Verbindung steht.“ Er lehnte sich zurück, streckte seine Hände nach hinten aus und sah zur Decke hinauf. Es war ihm unangenehm, über Radditz zu sprechen. „Meinem Bruder wurde ein zweijähriges Ausreiseverbot auferlegt. Demzufolge darf er keine anderen Planeten bereisen, die er hätte erobern können, um sich für die königliche Garde zu qualifizieren. Aber das hat sich sowieso erledigt“, begann er niedergeschlagen zu erklären. „Radditz wurde gesperrt. Er wird niemals zur Garde kommen, was ihn und mich aus der Armut hätte retten können.“
 

„Was hat er angestellt?“, wollte Bulma mitfühlend wissen. Noch immer trug Son Goku diese Herzlichkeit in sich, die hier überhaupt nicht gerne gesehen war und obwohl er schon seit so vielen Jahren hier lebte, hatte er nie vergessen, was die richtigen Werte waren.
 

„Ich weiß es nicht. Radditz erzählt sehr wenig, aber es muss was mit Vegeta zu tun haben. Das habe ich zumindest aus ihm herausquetschen können, als er mich vom... Palast abgeholt hat.“
 

„Moment mal!“, fuhr Bulma hektisch dazwischen. „Dein Bruder kennt dieses Ekel?“
 

„Sicher“, gab Son Goku kleinlaut zu. „Radditz... Er... Er ist hier aufgewachsen. Vegeta und er sind im gleichen Alter und haben ähnliche Ausbildungen durchlaufen.“
 

Was konnte nur vorgefallen sein, das es rechtfertigte, Radditz dermaßen hart zu bestrafen und Vegeta des Palast zu verweisen? Bulma war unendlich neugierig, aber erfahren würde sie es sowieso nicht. Woher auch? Von Vegeta persönlich? Niemals.
 

„Bulma?“
 

„Ja?“ Mist, sie hatte Son Goku nicht mehr zugehört, als sie über diesen ungewollten Mitbewohner nachdachte. 
 

„Ich habe gefragt, ob wir nachher nicht doch zum See sollten, hm? Täte uns nach all der Aufregung der letzten Tage doch gut.“
 

Bulma hatte wirklich keine Lust, doch um des Friedenswillen gab sie nach, nickte ergeben und versprach Son Goku, später nachzukommen. 
 

~*~
 

Heute Abend, das wusste Bulma, würde sie wie ein Stein in ihrem Bett zusammensacken – völlig entkräftet, infolge ihrer Arbeit. Die dazukommende Konzentration tat ihr übriges, um die junge Frau am späten Abend mit einem tiefen Schlaf zu segnen. Zwar vergaß sie das Versprechen, zum See zu kommen, nicht, doch sie würde bloß auf der Wiese liegen, sich ausruhen und ein klein wenig darüber nachdenken, wie sie schnellstmöglich und mit kleinem Aufwand die Schaltkreise miteinander verbinden konnte, um unnötigen Materialverbrauch zu vermeiden. 
 

Quälend kroch sie aus der Luke, verschloss das Zentrum der Elektrik mit Schrauben und klopfte ihre Hose glatt. Verdreckt und verschwitzt bestaunte sie ihr bisheriges Weiterkommen, betreffs der Roboter und der Computersoftware, die eigenständig – anhand eines anhaltenden Körperscans – die Gravitation einstellen konnte. Wenn sich Son Gokus Kraft dementsprechend steigerte, sollte – sofern alles funktionierte – der Computer zweifelsfrei erkennen, in wie weit er die Schwerkraft erhöhen konnte. 
 

Ha, wäre sie auf der Erde, würde sie unverzüglich ihr Patent darauf anmelden, da sie noch nichts dergleichen kannte. Und dann... dann hätte sich Bulma ein Auto mit Klimaanlage gekauft - ein großes, schönes Auto. Am besten einen Fünftürer!
 

Der Ordnung halber, räumte Bulma ihr Werkzeug zurück, marschierte zum Waschbecken und schaltete das Wasser ein. Das kühle Nass erfrischte sie für einen kurzen Moment – die einzelnen Tropfen, die ihren Hals hinab perlten, taten unheimlich gut. Es verursachte ein leichtes, animalisches Kribbeln auf ihrer Haut, als würde eine Fingerkuppe darüber streichen, woraufhin sich ihre Nackenhaare stellten.
 

Grundgütiger... Augenblicklich musste sie an Yamchu denken. Anschließend neigte sie ihren Kopf schüttelnd nach unten, wo sie den herabfallenden Tropfen zusehen konnte, wie diese auf die Wasseroberfläche schlugen und leichte Wellen entstanden, die zusehends größer wurden. So banal dieses Phänomen auch war, so war es doch jedes Mal aufs Neue schön anzusehen, diesem individuellen Naturschauspiel zuzusehen.
 

Nachdem ihre Sinne wieder auf Kurs waren, rümpfte sie ihre Nase, um im gleichen Augenblick den Duft des Essens wahrzunehmen. Schnell fixierte Bulma ihre Haare neu, trocknete ihr Gesicht und ging in ihr Zimmer. Ihre Tasche war schnell gepackt, wonach sie zur Küche hinunter spazierte und ihre Mutter in der Küche entdeckt – vor unzähligen Töpfen und scheinbar unschlüssig, was sie zuerst probieren sollte.
 

Erst als die junge Saiyajin ihre Tasche zu Boden warf, drehte sich ihre Mutter zu ihr herum und erstarrte in ihrer Drehung, doch wurden ihre Augen immer größer. „Um Himmels Willen, Bulma!“ Die sonst so fröhliche Panchy Briefs wirkte betroffen, nachdem sie ihre Hände in die Hüften stemmte und zu Bulma eilte. „Wie siehst du denn aus?“ Leicht angewidert zupften sowohl ihr Daumen, als auch ihr Zeigefinger am Kragen ihres verdreckten, öligen Overalls, während ihre andere Hand ihre strapazierte Nase vor dem Gestank schützen wollte. „Hättest du dich nicht etwas frisch machen können? Du siehst zum Davonrennen aus, Kind!“
 

„Mich frisch machen? Wofür?“, entfuhr es ihr fassungslos. Ihre Mutter sah sie nicht zum ersten Mal in dieser Montur. Was war bitte dieses Mal der Anlass, Bulma zurechtzuweisen? Tja... Bulma kannte die Antwort, aber sie wollte die unverkennbare Wahrheit nicht aussprechen. Panchy Briefs hatte nämlich die lästige Angewohnheit, oberflächlich zu werden, sobald Besuch im Haus war. Ja, damit war Bulma seit frühester Kindheit vertraut gewesen. Nach außen hin wollte Panchy Briefs immer eine ansehnliche, kultivierte Frau sein. Ihre Mutter war... sie war so unsäglich oberflächlich, dass Bulma heilfroh war, die meisten Gene ihres Vaters geerbt zu haben, wenngleich sie auch den Drang verspürte, wahllos durch die Stadt zu rennen und die Kleidungsstücke der neusten Mode im Schaufenster zu bestaunen.
 

„Wir haben einen – wohlgemerkt männlichen – Gast im Haus. Könntest du dich, solange er hier gastiert, wenigstens einmal wie eine Frau benehmen? Dich wie eine Frau kleiden und zurechtmachen, statt in diesen... diesen hässlichen Blaumännern herumzurennen?“ Sie wusste nicht weiter. Panchy sprach gegen eine Wand, sobald es um Bulmas Arbeit ging.
 

„Was? Sagst du mir gerade, dass ich unvorteilhaft gekleidet bin, weil Vegeta hier ist?“, erwiderte sie abfällig, ehe sie an sich selbst hinab sah. Himmel noch mal, sie kleidete sich immer den Anlässen entsprechend, so auch jetzt, als sie im Gravitationsraum gearbeitet hatte. „Ich denke, mein Aufzug ist zweckentsprechend und ich glaube nicht, dass unser Hochwohlgeboren sonderlich daran interessiert ist, welche Klamotten meinen Körper schmücken.“ Aber wozu rechtfertigte sie sich überhaupt noch? Angenommen wurde ihre Apologie sowieso nicht.
 

„Oh! Schätzchen, ich wusste nicht, dass du in dieser Hinsicht so unwissend bist.“ Kichernd landete ihre Hand unter Bulmas Kinn, sodass sie gezwungen war, ihre Mutter anzusehen. „Vegeta ist ein attraktiver Mann. Ein sehr attraktiver Mann, der Augen im Kopf hat. Denkst du nicht, dass er dich ansieht?“
 

„Nein, Mama, das glaube ich wirklich nicht“, murmelte Bulma säuerlich. In wie weit sich ihre Ansichten doch unterschieden, wurde Bulma gerade wieder vor Augen geführt. Panchy himmelte muskulöse, schöne Männer an. Sie hätten dumm wie Brot sein können, das würde ihre Mutter nicht stören. Zwar stimmte Bulma ihr zu, dass das Aussehen eine Rolle spielte, doch war der Faktor nicht maßgeblich. Was sollte sie mit einem Mann, der äußerlich perfekt war, doch darin versagte, sich verständlich auszudrücken? Obwohl... Vegeta wusste, wie man sich ausdrückte, was ihre Wut auf diesen Fremdkörper erneut in unermessliche Höhen schießen ließ. Aber seit wann verglich sie bitte einen Mann mit einem Ekel wie Vegeta?
 

„Liebling, dann mach endlich die Augen auf. Männer mögen keine Frauen, die begabter und intelligenter sind.“
 

„Ach, ist das so?“ Sprach ihre Mutter etwa aus Erfahrung? Stellte sie sich absichtlich dumm, um attraktiver zu wirken? „Dann kann ich mich ja glücklich schätzen, keinen Mann an meiner Seite zu haben, wenn das ausschlaggebend für eine Beziehung ist“, ergänzte sie trotzig, bevor sie sich – ohne einen Blick in den Topf zu werfen oder ihre Mutter um Erlaubnis zu fragen – abwandte und das Haus ihrer Eltern hinter sich ließ.
 

Sicher käme sie auf andere, bessere Gedanken, wenn sie am See abgekommen war, denn dort war sie unter... unter Saiyajins, die ihr wohlgesonnen waren. Allen voran Son Goku. Er... Er war ein toller Mensch – nein, Sekunde. Das war falsch. Erstens war Son Goku – wie sie auch – ein Saiyajin und zweitens war er... er war ihr Freund, ihr Gefährte in schwierigen Lagen. Nichts weiter.
 

„Oh man, Bulma, du wirst noch verrückt“, schnaufte sie, während ihre Hand über ihr Gesicht rieb. „Wie kannst du nur an so etwas denken? Und dann noch mit Son Goku?“ Aber doch... es stimmte. Son Goku war toll und wenn sie ehrlich war ein hübscher Mann. „Aber er ist nur ein Freund, verdammt. Das müssen die bösen Einflüsse meiner Mutter sein, ja. Deswegen denke ich darüber nach.“ Alleine alt werden wollte sie nicht. Alleinsein gehörte zur seelischen Armut, in deren Fänge sie niemals geraten wollte. Und außerdem... Hatte sie auf der Erde nicht darüber nachgedacht, dass Son Goku und Chichi zusammen passen würden, während sie selbst mit Yamchu glücklich werden wollte? Ja, aber... weder Chichi noch Yamchu waren hier. Nein, vermutlich würde sie die Beiden auch gar nicht mehr sehen.
 

Bulma hätte schreien können. In einer misslichen Lage dachte sie an Son Goku und daran, mit ihm zusammen zu leben? Mit ihm ein... ein schönes, glückliches Leben zu führen? Das durfte doch nicht wahr sein? Was in drei Teufels Namen veranlasste sie, an solch ein kontroverses Szenario zu denken? Jene Gedanken, jene angefangene Wunschvorstellung musste im Keim erstickt werden, bevor sie sich in etwas wie Schwärmerei verrannte.
 

Der See war noch ein wenig entfernt, weshalb sie ihren Schritt verlangsamte und vom Duft der nahegelegenen Wiesen umhüllt wurde. Oh ja, das war schon viel besser. All die wunderbaren Gerüche drangen in ihre Nase und sie wollte gar nicht unterscheiden, wessen Duft welcher Blume intensiver war. Mit geschlossenen Augen trotte sie vor sich her, ihre Arme zur Seite ausgestreckt, an denen der Wind abprallte. Zusätzlich hatte der Wind ihre Haare nach hinten gekämmt und eine kühlende Brise auf ihrem erhitzen Gesicht hinterlassen. Nun, vielleicht konnte sie dem Planeten doch etwas abgewinnen, wenn auch nur wenig. Immerhin war die Luft hier frischer und reiner als in der westlichen Hauptstadt. Hier wurden nämlich keine Autos gefahren – nein, Saiyajins flogen, abgesehen von Bulma...
 

Sie konnte nicht fliegen, aber das war nicht weiter schlimm, da sie auf ihr Auto zurückgreifen konnte. Der Gedanke ließ sie schmunzeln. Gott, wie die Tyrannen ihr nachsehen würden, wenn Bulma mit ihrem fahrbaren Untersatz zur Stadt fahren würde. Ha, die Blicke wären vermutlich unbezahlbar.
 

„Wenn du nicht aufpasst, tragen deine Füße dich gegen den nächsten Baum. Oder... gegen mich.“
 

Unverzüglich blieb sie stehen, öffnete augenblicklich ihre Augen um dem Ursprung nachzugehen, der ihre Traumwelt betrat und Bulma in die Wirklichkeit beförderte. Als sie die Quelle erspähte, hoben sich ihre Augenbrauen, doch hatte sie schluckend erkannt, dass er nicht der war, für den Bulma ihn anfangs hielt. Nein, das perfide Grinsen in seinem abgeklärten Gesicht verriet ihn. „Du?“
 

Für gewöhnlich trat Bulma niemandem missgünstig entgegen. Jedoch musste sie lernen, sich den Gegebenheiten auf Vegeta-Sei anzupassen.
 

„Warum so garstig?“, antwortete der Saiyajin feixend, ehe er zur Seite trat, so dass Bulma den weiteren Weg passieren konnte. Aber anstatt weiterzugehen, wie er angenommen hatte, bleib sie stehen und musterte seine großgewachsene Statur genau. Ebenso schien sie herauskristallisieren zu wollen, was genau ihn – vor allem äußerlich – von Kakarott unterschied. „Suchst du in meinem Gesicht nach etwas besonderem?“
 

„Nein. Natürlich nicht.“ Musste sie jeder durchschauen? Wieso klebte sie sich nicht gleich ein Schild auf ihren Oberkörper, damit jeder Bescheid wusste: 'Seht her, ich bin Bulma. Eine Saiyajin, die leicht zu durchschauen ist.'
 

„Dann geh doch weiter?“ Mithilfe seines Scouters hatte er ihre Ankunft schon lange vorher erahnen können. Dennoch hatte er sich entschlossen, stehen zu bleiben. Er war kein Saiyajin, der auf Konfrontationen verzichtete, weshalb also das Feld räumen? Allerdings hatte er sich bemerkbar machen müssen. Ansonsten wäre sie unvorbereitet gegen ihn gelaufen, was er – hätte er seinen Trieben nachgegeben – genossen hätte.
 

„Du heißt Turles, richtig?“ Dunkel erinnerte sie sich an seinen Namen, den sein Komplize erwähnte, als sie damals in ihr Zuhause eingedrungen waren... Ja, damals... auf der Erde. Ängstlich war sie zur Seite ausgewichen, nachdem er nichts erwiderte. „Ich... Dann habe ich mich damals wohl verhört, nicht? Ich dachte, das wäre dein Name.“
 

Skeptisch flog die eine Augenbraue nach oben, gefolgt von der zweiten, als ihm ihre Absichten aufgingen. „Was soll das werden? Konversation?“
 

Immerhin hatte Bulma einen charakterlichen Unterschied erkennen können. Turles war gemein und nicht sonderlich daran interessiert, sich mit ihr zu unterhalten, was Bulma eigentlich recht war – eigentlich. Andererseits war ihre Faszination, aufgrund der Ähnlichkeit zu Son Goku enorm. Sicherlich kannte er Son Goku unter seinem richtigen, saiyajinischen Namen. Ganz bestimmt. Zwei Saiyajin, die sich dermaßen ähnelten, mussten sich kennen. „Du siehst aus wie Kakarott. Wusstest du das?“
 

„Ich wäre einfältig, würde ich es nicht wissen.“
 

„Oh. Seid ihr verwandt?“, begann sie zu fragen und ignorierte das Desinteresse seinerseits. „Ich kenne ihn noch von der Erde.“ Na wunderbar. Ihren Vorsatz, Saiyajins misstrauisch entgegenzutreten, hatte ja nicht wirklich lange Bestand. Im Gegenteil. „Also, er lebte ja auch dort. Nur nannten wir ihn Son Goku.“
 

„Wir sind nicht verwandt“, äußerte er kurz und knapp.
 

„Ach so.. Und... gehst du auch zum See?“ Hallo? Was tat Bulma hier? Sie hätte gehen sollen. Vor ihr stand ein Saiyajin, der sie vor drei Monaten in ihrem Haus überfallen und nach Vegeta-Sei verschleppt hatte. „Ich gehe zum See. Son Goku, Lunch und Kuririn sind auch dort.“
 

„Entzückend.“ Turles war im Umgang mit Frauen nicht geübt. In dieser Hinsicht waren er, sowie seine Artgenossen rückständig und verbissen. Zu irrelevant war die Frage, wie man sich einer Frau gegenüber zu benehmen hatte – viel interessanter war der Kampf, die Lust, andere Völker auszulöschen und deren Planeten zu erobern.
 

~*~
 

Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig bei jedem leisen Atemzug. Die schwarzen Haare hingen zerstreut über seinen Schultern, nachdem er aus der Dusche gestiegen war und sich auf sein Bett legte, um daraufhin wütend die Decke anzustarren. Seit geschlagenen drei Stunden verharrte er bereits in dieser Position. Die Augenbrauen dicht zusammengezogen, grübelte er, was wohl Radditz und Nappa erleiden mussten? Er hätte auch einfach Kakarott fragen können, doch sein Stolz verbot es ihm, Interesse am Wohlbefinden seiner Freunde zu zeigen, aber er hoffte, dass auch sie ordentlich zu leiden hatten.

 

Verflucht. Er wusste nicht einmal, wie lange er hier bleiben sollte? Wahrscheinlich so lange, bis er lenkbar wäre. So lange, bis er eine Marionette wäre, die brav nickte und jedem Befehl widerstandslos zustimmte. Aber sein Vater irrte sich. Niemals würde er dieser Indoktrinierung stattgeben. Nein, er würde einfach hier liegen bleiben, den restlichen Tag damit verbringen, die Decke anzustarren und nichts mehr tun. Gar nichts mehr.

 

Und doch hatte er nach weiteren Minuten den Kopf zur Seite gedreht und sich das Zimmer angesehen, das für die nächsten Tage – oder Wochen – sein Zuhause wäre. Umgeben von Schund fragte sich Vegeta, wie es diesen Erdlinge gelang – die in Wirklichkeit gar keine waren –, in dieser Bruchbude zu leben? In einer Behausung, die eines Saiyajins unwürdig war. Alleine die unzähligen Bücher, die ordentlich im Regal standen, waren eine Beleidigung für seine Augen.

 

Vegeta war von menschlichem Schrott umgeben, den er am liebsten pulverisiert hätte und er hasste dieses Haus jetzt schon. Er verabscheute den hässlichen Holzschrank, ebenso den Schreibtisch, sowie die ätzenden Gemälde, die die Wände im Flur zierten.

 

Hier glich nichts dem, was Vegeta von seinem Zuhause kannte. Hier wirkte alles so lieblich, so familiär, dass ihm das blanke Kotzen kam. Nachdem er das festgestellt hatte, wollte er sich abermals zur Seite drehen, um der Sonne entgegenzusehen, doch wurde sein Vorhaben unterbrochen, als jemand gegen die Tür klopfte.
 

„Vegeta, kann ich reinkommen?“
 

Oh nein. Ihr Vater!
 

„Nein“, rief er knurrend zur Tür. „Es ist gerade schlecht. Ich ziehe mich um“, log er, nahm eine gemütlichere Position auf dem Bett ein, indem er seine Hände unter den schwarzen Haarschopf legte und sein linkes Bein anwinkelte. 
 

„Verstehe.“ Eine kurze Pause entstand, ehe Dr. Briefs weitersprach: „Ich weiß, wie schwer es dir fallen muss, nicht in deinem gewohnten Umfeld zu leben, aber möchtest du nicht nach unten kommen? Wir könnten uns unterhalten, vielleicht sogar voneinander lernen? Was meinst du?“

 

Nein, das wollte er nicht und von dem alten Mann wollte er auch nichts lernen. Zumal er glaubte, von ihm auch gar nichts sinnvolles lernen zu können. „Sorry Doktor, ich passe.“ Ha, nein, er würde wirklich nichts von ihm lernen und wie Vegeta sich fühlte, wusste ihr Vater ebenfalls nicht oder sprach er von der Zeit, als er mit seiner Familie auf der Erde lebte?

 

„Wie schade. Aber vielleicht möchtest du zum See? Ich habe Bulma eben weggehen sehen. Mit Sicherheit ist auch sie zum See gegangen? Vielleicht möchtest du ihr Gesellschaft leisten, wenn du meine schon ausschlägst?“

 

Ja, er hatte sie eben auch gehört, als sie sich in ihr Zimmer schlich und kurz darauf wieder schleichend an seinem Zimmer vorbeiging. „Kein Interesse!“, knurrte er lauter als zuvor zur Tür. Allmählich wurde es ihm zu bunt.
 

„Hast du dich mit Bulma und Son Goku gestritten?“, stellte Dr. Briefs seine Frage präziser.  
 

„Nein.“ Seine Antworten wurden immer kürzer, woraus man schließen konnte, dass er seine Geduld verlor. Außerdem war das zwischen Bulma und ihm doch kein Streit. Lediglich ein Amüsement zugunsten Vegetas, mehr aber auch nicht. Wenn er sich stritt, sah das Schlachtfeld meist blutiger aus.
 

„Ich merke schon“, nickte Dr. Briefs, obwohl Vegeta ihn nicht sehen konnte. „Du und Bulma werdet wohl keine Freunde, aber vielleicht magst du mir helfen? Wie wäre es, wenn wir uns etwas mit dem Scouter auseinandersetzen und die Methode der Ortung erörtern?“
 

Nein. Schluss! Das war selbst für den abgehärteten Vegeta zu viel, der alles – bloß das nicht – aussitzen wollte. Es war einfach zu viel, verdammt. Anstandslos erhob er sich aus dem Bett, zog sein Shirt aus, um die Lüge des Umziehen glaubhafter darstellen zu können und öffnete schnaubend die Tür, woraufhin der ältere Saiyajin erschreckt zurücktrat. Sowohl seine stählerne Brust, als auch seine muskulösen Arme schienen den kleinen Mann einzuschüchtern, was Vegeta erfreute. „Hören Sie“, begann er daraufhin genervt zu erklären, „ich bin ein Krieger – kein Erfinder.“ Gerne wollte er ihn einen Hinterwälder nennen, doch der eingeschüchterte Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes war fürs erste Genugtuung genug. „Im Höchstfall teste ich Ihre Erfindung, mehr aber auch nicht. Verstanden? Ich bin an keiner Unterhaltung interessiert und noch weniger an der Technik, mit der Sie Ihre Erfindungen zusammenbasteln.“
 

„Oh, ja. Ja, das klingt einleuchtend. Dann... Dann möchtest du vielleicht doch lieber zum See?“, gluckste der Mann. Viel zu lange war er von seinesgleichen abgeschottet gewesen. Schlicht und ergreifend hatte er vergessen, wie ausdrucksstark ein Saiyajin sein konnte. 
 

„Auch dahin möchte ich nicht!“ Vegeta wusste genau, wohin er wollte – zu seinem Vater. Er würde ihn fragen, ob er nicht mehr alle Nadeln an der Tanne hatte? Was er sich dabei dachte, ihn zu solchen Leuten zu schicken? Das wollte der stolze Prinz wissen und sein Vater hatte ihm gefälligst Rede und Antwort zu stehen. „Was ich möchte, werden Sie gleich erfahren“, brummend schob er den Mann zur Seite.

 

„Vegeta?“

 

„Was?“, brüllte er und drehte sich zu Dr. Briefs zurück. „Was ist?“ Würde dieser Mann noch einmal Vegeta sagen oder ihm etwas vorschlagen... Er... Er würde ausrasten. „Ich werde zu meinem Vater gehen, Punkt.“
 

„Nein, das muss ich dir strikt untersagen, Vegeta.“
 

Was? Nichts als ein höhnisches Lachen schenkte er dem Greis. Wie wollte er Vegeta daran hindern, zu seinem Vater zu gelangen? Wollte er ihn tot quatschen? Ja, das würde wahrscheinlich funktionieren. „Was? Das untersagen Sie mir? Sie wollen mir Befehle erteilen?“ Ok, ihr Vater war eine echte Witzfigur. Lachend verschränkte er die Arme, ehe er sprach: „Entweder sind Sie größenwahnsinnig oder einfach nur dumm?“
 

„Weder noch, aber dein Vater wünscht zurzeit keine Zusammenkunft mit dir. Ich habe ihm allerdings ein Telefon gegeben – das ähnlich wie die Funkgeräte in einem Scouter funktionieren –, sollte etwas sein.“
 

Ach... So war das. Sein Vater war ja ein schlauer Fuchs. Dem Gespräch, von Angesicht zu Angesicht, wollte er sich entziehen – wie lächerlich. Zusätzlich hätte Vegeta seinen Anspruch auf den Thron verwetten können, dass sein Vater einen seiner königlichen Idioten dazu beauftragt hatte, Vegeta zu überwachen. Sicher war derjenige in der Nähe des Hauses... Ja, sein Vater wusste, dass Dr. Briefs sich nicht gegen den Prinzen durchsetzen konnte, weshalb der König sich eine Hintertür offen hielt und auf diese erbärmliche Methode zurückgriff. Das war doch zum Kotzen! 
 

„Schade, dass ich nicht ein ähnliches Model herstellen kann, das eine Verbindung zur Erde aufbaut. Bulma wäre sehr erfreut, mit ihren Freunden telefonieren zu können“, erzählte er erfreut, um die kittende Situation zu retten. Dr. Briefs konnte sich dagegen nicht im Ansatz vorstellen, wie egal es Vegeta war, was diese Schnepfe hätte alles damit tun können und was nicht. Er war froh, wenn er die Stimme – obwohl er sie erst einen halben Tag kannte – nicht hören musste. 
 

„Fein“, unterbrach er den Erdling scharf. „Geben Sie mir Ihr Telefon!“ Gereizt nahm er das Gerät in die Hand, nachdem ihr Vater zurückgekommen war und ihm ein schwarzes, seltsam aussehenden Ding entgegen gehalten hatte. Zweifelnd – nach wenigen Instruktionen seitens Dr. Briefs – hatte er sich das Ding an sein Ohr gehalten. Augenrollend vernahm er mehrere aufeinanderfolgende Piepstöne, bis abrupt eine Verbindung hergestellt war und die Stimme seines Vaters zu hören war.
 

„Hallo?“, flötete der König vergnügt in den Hörer. Nun, offenbar schien sein Vater mehr Gefallen an dieser Erfindung gefunden zu haben als Vegeta, der nichts weiter als Abscheu und Verachtung empfand. Vor Zorn hätte er schreien können und gerne hätte er sein Vater als Opfer seiner Brüllattacke auserwählt, doch sah er davon ab – was mehr als schwierig war. Stattdessen projizierte er seinen Hass in seine Haltung, was man ihm deutlich ansah.
 

„Hallo... Vater!“, knurrte Vegeta verächtlich in den Hörer. Seine Hand krampfte sich darin fest, als gäbe es kein Halten mehr. In diesem Augenblick hasste er seinen Vater.
 

„Oh, Vegeta?“

 

Pff... Als ob sein Vater nicht wüsste, wer am anderen Ende war!

 

„Ich hatte so schnell mit einem Anruf deinerseits gar nicht gerechnet. Du benimmst dich nicht wie ein Kind, sondern wie ein Kleinkind, das es nicht einmal einen einzigen Tag woanders aushält. Das enttäuscht mich sehr.“
 

„Willst du mich absichtlich zum Narren halten?“, bellte Vegeta verärgert. „Ich bin hier mit Erdlingen gefangen, in einem Loch. Ich -“
 

Das laute Lachen des Königs drang durch die Leitung und setzte sich in Vegetas Ohren fest. Ein ganz böser Nachklang hallte durch sein Ohr, während sein Vater ihn weiterhin verhöhnte.

 

„Dann wirst du zu schätzen wissen, was du zuhause hast, nehme ich an? Tja, mein Sohn, du wirst bei Briefs mit der harten Realität konfrontiert. Das ist nicht immer schön, aber in Anbetracht deines Verhaltens eben notwendig. Und Vegeta... Bevor du auch nur eine Sekunde darüber nachdenkst, ohne meine Erlaubnis zum Palast zu kommen, bedenke, was dich erwartet.“ Auch sein Vater war kein Saiyajin, dessen Geduld unerschöpflich war. Im Gegenteil. Seine war sehr flexibel und bereits nach Vegetas Anruf mehr als angespannt, weshalb er – ohne sich zu verabschieden – den roten Knopf des Telefons drückte und das Gespräch beendete.

 

„Hallo?“, murmelte Vegeta in den Hörer, nachdem erneut das Piepsen zu hören war. Das war ja wirklich ein aufschlussreiches und langes Gespräch, dachte Vegeta. Schockiert betrachtete er das Telefon... Er zählte, um die Zeit zu überbrücken, die Löcher im Hörer... Verdammte Scheiße! Es waren acht Löcher! Außerdem korrigierte er sich... Er hasste seinen Vater nicht. Nein, er hasste ihn abgrundtief! Er neigte seinen Kopf aufgeschreckt zur Seite, wo er murrend die Hand des alten Mannes zur Kenntnis nahm, die sanft auf seiner Schulter gelandet war.
 

„Flieg zum See, Vegeta. Etwa zwei Kilometer westlich liegt der See.“ Dass Vegeta sein Haus verachtete, verletzte ihn, doch er würde dem Jungen die Chance geben, das zu lernen, weswegen sein Vater ihn herschickte.

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Kummer, der nicht spricht, nagt am Herzen, bis es bricht.

- William Shakespeare


 

 
 

~*~
 

 

- Kapitel sechs -


 

„Nochmal zum Mitschreiben. Ich“, erklärte Vegeta langsam, dass auch der Dümmste ihn verstand, „möchte nicht zum See, klar? Ich will meine Ruhe – vor Ihnen, vor Ihrer Frau und vor allem vor Ihrer Tochter!“ Das Spiel, einen gelehrigen Saiyajin zu fingieren, konnte er sich zukünftig sparen, was ihm gelegen kam. Viel länger als zwei Tage hätte er das in Gegenwart ihrer nervigen Mutter sowieso nicht ausgehalten. „Das verstehen Sie doch, oder? Wäre Ihnen zu raten, weil ich langsam die Geduld verliere.“

 

„Dein Vater -“

 

„Ich kenne die schäbigen Intentionen und Machenschaften meines Vaters, aber funktionieren wird es trotzdem nicht. Noch bestimme ich, wie ich bin.“ Endlich konnte er dem alten Mann entgegentreten, wie es sich für einen Saiyajin gehörte. Vorbei war das ätzend freundliche Getue, er konnte die Maske ablegen, die so hinderlich war. Zusätzlich wollte er die Tür zuschlagen, dem Mann deutlich zu verstehen geben, dass weitere Gespräche nicht folgten, doch hielt er überrascht inne, als sein Vorhaben scheiterte und sein Blick nach unten glitt – zu dem Fuß ihres Vaters, der zwischen der Tür und den dazugehörigen Rahmen gestellt worden war. „Gewagt. Sehr gewagt, Doktor“, lächelte Vegeta und zog die Tür wieder auf. Scheinbar erinnerte sich Dr. Briefs an seine saiyajinischen Kräfte.
 

„Vegeta“, begann Dr. Briefs erneut - versöhnlich, duldsam... Marotten, die Vegeta vermutlich nicht kannte. „Verständlich, dass du mit uns älteren Herrschaften nichts anfangen kannst, aber Bulma ist in deinem Alter. Was auch in der kurzen Zeit zwischen euch vorgefallen sein mag, ich bin mir sicher, sie wollte dich Willkommen heißen. Ich kenne mein Mädchen und Unhöflichkeit gehört zu den letzten Auswegen, die sie wählen würde.“

 

„Willkommen heißen?“ Dann musste sie arg verzweifelt gewesen sein, wenn sie jetzt schon in Bredouille war und Wut stets ihr letzter Ausweg war. „Dann lassen Sie es mich so ausdrücken: Ihre Tochter hat keinen Sinn für Anstand, aber sie weiß, wie man einen Saiyajin bis aufs Blut provoziert, was nicht gut ist.“ Oder wollte ihr Vater etwa andeuten, dass Vegeta zu den Ausflüchten der Tochter beigetragen haben könnte? Wenn ja, dann hatte Dr. Briefs vollkommen recht. Er war der Auslöser ihres unkontrollierten Zornes. „Ich kann äußerst ungemütlich werden, das weiß auch mein Vater. Oder wieso glauben Sie, weshalb ich hier bin? Um Däumchen zu drehen?“

 

„Ich kenne die Gründe“, winkte der alte Saiyajin ab. „Deshalb sollst du am Familienleben teilnehmen, um zu lernen, Verantwortung für diejenigen zu übernehmen, die es wert sind, beschützt zu werden – wie dein Volk, das du beschützen musst.“

 

„Dann wissen Sie, was passiert, wenn man mir weiter auf den Sack geht?“ Vegeta würde den alten Wissenschaftler nicht anders behandeln. Dasselbe galt seiner unverschämten Tochter. Abschließend, nachdem der Erdling nichts mehr erwähnte, schob Vegeta ihn entschieden zur Tür. Er achtete darauf weder ihn, noch seine Katze – die schnurrend auf seiner Schulter saß – grob anzufassen, dennoch war sein Griff entschlossen.
 

Genervt lehnte er seinen Rücken gegen die Tür, die mittlerweile wieder verschlossen war. Schnaufend blickte er unterdessen zum Fenster und dachte über die Worte nach. Darüber, dass er sein Volk beschützen musste... Dass er hier war, um jenes Verhalten zu verinnerlichen, das ihm seit Vater immer einprägen wollte und er gekonnt ignoriert hatte. Schlussendlich war er doch nur hier, um die Fehler seines Vaters auszubaden, der nicht fähig dazu war, seinen eigenen Sohn zu erziehen. Nein, das hatte der König nicht geschafft, weshalb er diese Aufgabe in die Hände des Mannes legte, den er vor wenigen Augenblicken unsanft vor die Tür geschoben hatte.

 

Gott, wie schwach sein Vater war, wenn er es schon nicht schaffte, Vegeta in die Schranken zu weisen. Hasserfüllt blickte der junge Vegeta auf seine blütenweißen Handschuhe, die seine geballten, zitternden Fäuste umhüllten. Noch intensiver wurde das Zittern, als er die Stimme der Mutter unten vernahm. Die nervige Stimme trieb ihn zum Fenster, das er stöhnend öffnete, die frische Luft einatmete und in die Ferne blickte.

 

Nun, zum See müsste er nicht fliegen. Er könnte auch einfach umherfliegen, die Zeit totschlagen und abends nach Hause kommen, wenn die Erdlinge schliefen. Ja, das war doch ein Plan. Ehe er diesen jedoch in die Tat umsetzte, drehte er sich vom Fenster weg, schnappte seine Tasche und wühlte den Scouter zwischen seinen Sachen heraus, den er sich übergangslos am Ohr befestigte. Das Shirt, das er eben noch ausgezogen hatte, warf er sich auf die Schnelle über, bevor er zum Fenster zurückging und hinaus flog. Das befreiende Gefühl, das unweigerlich eintraf, trieb ihn immer weiter nach oben – dem Himmel entgegen. Darüber hinaus hatte er seinen Scouter auf Stand-by geschaltet, sodass dieser nur Alarm schlug, sobald sich jemand in seiner Nähe befand.

 

Des Weiteren wollte Vegeta einfach nur in Ruhe gelassen werden. Vegeta wollte nichts an sich und seinen Facetten ändern, weil er selbst mit sich zufrieden war. Niemand hatte je gewagt, sich gegen ihn zu erheben – aufgrund seiner Brutalität. Was also wollte sein Vater noch? Er war der Saiyajin, der sich jeder Vater wünschte und doch war sein eigener unzufrieden. Warum? War nicht seine Art ausschlaggebend, dass man ihm gegenüber Respekt zollte? War sein Auftreten nicht dem Zweck dienlich – nämlich dem, dass man sich vor seiner Spezies fürchtete? Schon längst wäre sein Planet angegriffen worden, wären Saiyajins friedvolle Wesen, aber das wollte der König scheinbar nicht sehen...

 

Und dann gab es da noch diese Leute... diese Saiyajins, die von ihrem Leben auf der Erde geblendet worden waren. Sie hatten Eigenschaft angenommen, die mit dem saiyajinischen Charakter nicht zu vereinbaren waren.

 

Inmitten all dieser Gedanken überflog Vegeta den riesigen Wald, der sich über mehrere Hektar Land erstreckte. Dicht besiedelte Bäume versperrten ihm die weitere Sicht auf das darunter befindliche Land und es quälte ihn, genauso abgeschottet zu leben, wie der Wald unter ihm. Es ging ihm tatsächlich an die Nieren, dass sein Vater dachte, seinen Sohn mittels einer jämmerlichen Strafe erziehen zu können. Nicht Vegeta benahm sich wie ein Kind, nein, er wurde wie ein Kind behandelt – wie ein Säugling, der ohne die Hilfe seiner Eltern nicht lebensfähig wäre.

 

Eine nette Metapher, die seinen Ist-Zustand recht gut symbolisierte.

 

Allerdings unterbrach sein piepsender Scouter den weiteren Flug, woraufhin er anhielt und über den wehenden Baumwipfeln schwebte. Flink hatte er die Funktion der Ortung eingeschaltet, die ihm die Richtung anzeigte, aus der die Auren stammten.
 

„Sowohl eine schwache, als auch eine starke Aura.“ Schäumend hatte er nach unten gesehen, weil er Eins und Eins zusammenzählen konnte. Das konnte ja nur die Aura dieses blöden Weibsbildes sein. Wer sonst war so schwach? Zumal er glaubte, in unmittelbarer Nähe des Sees zu sein, was gar nicht seine Absicht gewesen war. „Wie war noch ihr Name?“, überlegte er laut, noch immer an derselben Stelle, an der er zuvor gestoppt hatte.
 

Bulma! Was war das überhaupt für ein seltsamer Name? Es war zumindest kein saiyajinischer Name, was das Mädchen nicht zu stören schien. Ebenso Kakarott. Auch er hatte auf der Erde einen Zweitnamen erhalten, der lächerlicher nicht sein konnte.
 

Zwischenzeitlich hatte er immer mehr an Höhe verloren. Der Saiyajin kam den Bäumen immer näher, er durchbrach geräuschlos die Baumkronen, ehe er entlang des Stammes zu Boden glitt und seinen weiteren Weg zu Fuß fortsetzte – vorbei an Büschen, Bächen und riesigen Mammutbäumen.

 

„Du weißt aber schon, wer ich bin, oder?“

 

Jählings war Vegeta stehen geblieben, nachdem er die männliche Stimme vernahm und erkannte. Mehrere Zentimeter über dem Boden schwebend, steuerte er einen der Bäume an, die imposant in die Höhe ragten und ihn wunderbar verdeckten. Dennoch trat er um den gigantischen Stamm herum, lehnte seine Schulter dagegen und verschränkte missmutig die Arme vor der Brust, um dem Gesprächsverlauf zu lauschen. Akribisch hatte er damit begonnen, als er die beiden Saiyajins entdeckte, den Rücken des Mädchen zu mustern. Ausgiebig wanderten seine Augen über ihre Kehrseite, bevor er zu dem männlichen Pendant herüberblickte, dem er weniger Beachtung schenkte.

 

„Ja, ich weiß, wer du bist. Wie könnte ich das Gesicht vergessen, das mich vor drei Monaten -“

 

„Gut“, schnitt Turles ihre restlichen Worte ab, da er sie nicht hören wollte. Ihm selbst hatte es nicht gefallen, seine Artgenossen derart zu überfallen. Allerdings musste er dem königlichen Befehl Folge leisten, angesichts der Loyalität, welche er dem König seines Planeten schwor. Außerdem wollte er das Gespräch baldmöglichst beenden, weil er kein besonders guter Gesprächspartner war, aber das war kein Saiyajin. Man zog den Kampf der Gesellschaft vor – so war es schon immer und so würde es auch bleiben. Aber woher sollte eine Saiyajin – die auf der Erde aufgewachsen war – wissen, was ein Saiyajin beabsichtige und was nicht? Wirklich übel nahm er ihr den Versuch, mit ihm eine Unterhaltung zu führen, nicht. Dennoch störte es ihn, dass er in ihren Augen nicht mehr dieselbe Angst erkennen konnte, die sich vor drei Monaten noch darin widergespiegelt hatte.

 

Das war etwas, das ihn verunsicherte. Es behagte ihm nicht, dass ein Mädchen, das offensichtlich keine Angst mehr hatte, so nahe vor ihm stand.

 

„Gut?“, wiederholte Bulma, ebenfalls verunsichert. Jedoch aus anderen Gründen. Sie verstand nicht, wieso Saiyajins so böswillig waren. Sicher, überall gab es schwarze Schafe, aber eine gesamte Rasse? Das war... nicht so schön.

 

„Ja. Es hat sich seitdem nichts verändert. Ich würde wieder so handeln, wenn man mir den Befehl erteilt – unabhängig davon, ob du eine Saiyajin bist oder nicht.“ Turles überragte Bulma um zwei Köpfe. Was ihm glücklicherweise etwas Selbstsicherheit verschaffte. Demzufolge schloss er den Abstand zu ihr, in der Hoffnung, sie nach hinten zu treiben, doch blieb der gewünschte Effekt aus. „Wo ist deine Angst, Mädchen? Wieso gehst du nicht nach hinten?“, wollte er geringschätzig von ihr wissen, weil es ihn tatsächlich interessierte. Selbst seine schweren Stiefel, die tiefe Abdrücke in der Erde hinterließen als er auf sie zukam und das metallisch klingende Geräusch bisher jeden Gegner erschreckte, schien ihre Furcht nicht zu fördern. Im Gegenteil. Sie blieb stehen, woraufhin Turles' linke Augenbraue nach oben schoss. Möglich, dass es ihm an Taktlosigkeit fehlte, aufgrund ihrer recht hübschen Erscheinung, aber er war noch immer ein Saiyajin, den man zu fürchten hatte. „Warum erzitterst du nicht?“
 

„Sollte ich?“, stellte sie die Gegenfrage nüchtern.

 

„Ja, das solltest du.“ Er hegte nicht die Absicht, ihr zu schaden. Trotz allem wollte er den Grund ihrer erloschenen Angst erfahren. Schließlich hatte schon sein wuchtiger Körper meist ausgereicht, den Gegner in die Flucht zu schlagen. Auch sie erzitterte vor drei Monaten unter seinen Blicken, bis... „Sekunde. Du siehst doch nicht etwa Kakarott in mir?“ Lag darin der Ursprung, dass sie keine Angst vor ihm hatte?

 

„Nein, eigentlich nicht. Son Goku ist... er ist netter?“, erwähnte sie schief grinsend.

 

„Ein Unterschied, den ich zu würdigen weiß“, entgegnete er ebenfalls grinsend, da er das Kompliment erkannte, denn nett war er ganz bestimmt nicht und er wollte es auch nicht sein. Gedanklich fügte er hinzu, dass es gar nicht so schlimm war, sich mit ihr zu unterhalten. Es war sogar angenehm, wenn sie lächelte. „Und doch versuchst du, mich in ein Gespräch zu verwickeln.“

 

„Na ja, wenn wir uns schon über den Weg laufen, dann können wir doch auch miteinander sprechen? Ich kenne hier kaum jemanden“, gab sie verlegen zu, während sie ihre Arme um ihren Oberkörper schlang. „Da ist es immer schön, wenn man ein Gesicht trifft, das man kennt.“ Wenn auch mit negativen Erinnerungen verbunden, doch je länger sie vor dem Saiyajin stand, desto mehr wurde ihr bestätigt, dass er ihr nichts antun würde. „Ich bin übrigens Bulma, aber das wusstest du bestimmt. Man weiß ja vorher, wen man... zurückbringen soll, nicht?“ Trotzdem hielt sie ihm – wie bei Vegeta zuvor – freundlich ihre Hand entgegen, die er erstaunlicherweise nahm.

 

Fasziniert davon, dass er ihre Geste erwiderte, sah sie im Anschluss verblüfft auf seine große, warme Hand, die ihre völlig umschloss.

 

„Du hast dich damals nicht verhört. Ich heiße wirklich Turles.“

 

„Freut mich. Dann sind wir uns jetzt nicht mehr fremd.“

 

Doch, sie waren sich fremd. Schließlich wusste er – abgesehen von seinen Informationen, die er vor seiner Reise zur Erde bekam – nichts über diese Saiyajin und Turles hatte auch nicht vor, mehr über sie zu erfahren. „Für mich bist du eine Fremde“, gestand er offen, ohne sich schlecht zu fühlen, aber es wäre auch verrückt, würde ein Saiyajin so etwas wie ein Gewissen entwickeln.

 

„Findest du?“

 

Anscheinend hatte er etwas falsches gesagt. Allerdings stand Turles zu seinen Worten, weshalb er ihre Frage bejahte: „Ja, aber man wird sich bestimmt des Öfteren sehen.“ Schön, er verspürte doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen, als sie – anlässlich seiner Ehrlichkeit – traurig zur Seite geblickt hatte, weshalb er zumindest einen Teil wieder gerade biegen wollte. Und es half. Sie sah zu ihm zurück – strahlend, offenbar erfreut darüber, dass er es nicht von vornherein ausschlug, nochmals ihren Weg zu kreuzen.

 

„Schön.“ Und es freute Bulma wirklich. Allerdings bemerkte sie seine einkehrende Nervosität, nachdem seine Augen an ihrem Kopf vorbei lugten. „Ist... Ist alles in Ordnung?“ Zaudernd sah sie über ihre Schulter, obwohl sie ihn noch gerne gefragt hätte, ob er mit zum See kommen wollte. Aber vermutlich hätte er verneint.

 

Derweil hatte auch Vegeta einen Entschluss gefasst. Länger wollte er dieser Rührseligkeit nicht mehr beiwohnen, weswegen er sich vom Baum abstieß und absichtlich durch das herabgefallene Laub trat. „Du solltest ihr auch erklären, warum ihr euch über den Weg laufen könntet.“

 

„Königliche Hoheit!“

 

„Spar dir die Worte, Turles“, winkte er verächtlich ab. „Davon wird mir höchstens schlecht.“ Vegeta ahnte es bereits. Im Hause Briefs hatte es ihn schon wahnsinnig gemacht, daran zu denken, dass sein Vater ihn beschatten lassen könnte. Seinen unfreiwilligen Schatten jedoch leibhaftig vor sich zu sehen, war der Auslöser, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Blanker Hass war es, der Vegetas Gemüt umnachtete.

 

„Mein Prinz, ich -“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Ehrfürchtig verneigte er sich vor dem Thronfolger, doch gab der Sohn des Königs ihm gar nicht erst die Chance, sich hinsichtlich der unausgesprochenen Anschuldigung zu exkulpieren, woraufhin er sich demutsvoll erhob.

 

„Die Prämisse einer Spionage ist, sich nicht erwischen zu lassen, Turles. Wenn du also schon auf den Befehl meines Vaters hier bist, solltest du meinen Rat beherzigen“, erklärte er dem ergebenen Untertanen spöttisch. „Oder sollte ich meinem Vater dankbar sein, dass er nur Vollidioten losschickt?“ Nein, dankbar wäre er nicht, da sein Vater davon auszugehen schien, dass Vegeta grenzdebilen Saiyajins auf den Leim ging und sie gar nicht erst bemerkte, doch da müsste der König früher aufstehen, um ihn zu linken.

 

„Spinnst du?“, klinkte sich nun auch Bulma ungefragt ein. „Was soll das? Und was machst du überhaupt hier?“ Dass Turles nicht grundlos hier war, interessierte sie nicht. Sie war einfach nur froh, jemanden kennengelernt zu haben, ohne Schaden davon zu tragen.

 

„Du hältst dich raus, Fräulein.“ Ihm war die gute Laune vergangen.

 

„Ich -“ Und wieder wurde sie unterbrochen. Turles erschien vor ihr, um Vegeta zu besänftigen.

 

„Königliche Hoheit, ich versichere Euch, dass es nicht in meinem Ermessen liegt, Euch zu bespitzeln. Lediglich um ein Auge auf Euch zu werfen. Das ist nicht unüblich, wie Ihr wissen müsstet.“

 

„Geh aus dem Weg, Turles. Sofort!“, befahl Vegeta herrisch, weil er noch lange nicht mit Bulma fertig war. Er wollte auf das Spiel verzichten, da er sie ungespitzt in den Boden gerammt hätte, aber sie legte es darauf an und erdreistete sich, ihm zu widersprechen. Selbstverständlich würde er darauf reagieren. Folglich hob der kleinere der beiden männlichen Saiyajins seine Hand. Unfassbar schnell hatte sich eine goldene Ki-Kugel darin geformt, die er ohne zu zögern abfeuern würde. „Ich warne dich.“

 

„Majestät, ich bitte Euch. Tut nichts, was Ihr später bereut.“

 

Im Augenwinkel sah Vegeta, dass sich hinter Turles ein Schatten fortbewegte – unfassbar schnell und anstatt seinem Gegenüber zu antworten, dem die Attacke eigentlich galt, feuerte er die Kugel in den Baum, hinter dem die Saiyajin gerade verschwinden wollte. „Hiergeblieben!“, skandierte Vegeta, wonach sich auch Turles umdrehte und mit großen Augen zu dem Einschlagloch sah, das Vegetas Angriff hinterlassen hatte. Daneben sah er Bulma – auf dem Boden liegend, von Holzsplitter und Staub übersät.

 

Als der königliche Krieger dann noch sah, wie Vegeta abermals den Arm hob, musste er einschreiten – selbst wenn er sein Leben verlieren würde, aber er musste handeln. „Nein, nicht! Das reicht, Vegeta.“ Er war dem Prinzen, angesichts seiner Größe, im Vorteil – den er nutzte und zu ihm herantrat, im folgenden seinen Arm griff und diesen entschieden nach unten drückte. „Es reicht wirklich.“

 

„Ich sage, wann es reicht – nicht du, Turles. Du bist nur ein unbedeutender Handlanger des Königs, nicht mehr“, informierte er die Marionette seines Vaters, ehe er dieser seinen Arm entzog und angewidert vor Turles' Füße spuckte. „Und jetzt nochmal: Geh mir aus dem Weg!“

 

Er musste gehorchen. Turles musste zur Seite treten...

 

Vegeta dagegen marschierte – mit deutlich besserer Laune – an ihm vorbei; direkt auf Bulma zu, vor der er in die Hocke ging und ihren aufgewühlten, ja, gänzlich schockierten Ausdruck musterte. „Niemand – und ich meine wirklich niemand – dreht mir“, hauchte er in ihr entgegen, bevor er nach ihrem Kinn griff und ihren Kopf anhob, „unerlaubt den Rücken zu. Auch du nicht.“

 

Mit offenem Mund hatte sie ihn angesehen – in das Gesicht eines kaltblütigen Monsters, das ohne Rücksicht auf Verluste handelte. Ihre immer größer werdenden Augen folgten unterdessen seinem Blick, der – entgegen ihrer Erwartung – über ihr Kinn, über ihren Hals, sowie die Halsbeuge und schlussendlich zu ihrem bebenden Oberkörper wanderte. Verständnislos hatte sie ihm dabei zugesehen, bis ihr in ihrer Panik aufging, was er sich ansah. Keuchend hatte sie ihren Kopf aus seinem Griff befreit und ihren Arm vor ihre Brust gehoben, ehe sie sich zur Seite legte und mit dem Gesicht im Dreck landete. Aber lieber würde sie Sand zwischen ihren Zähnen schmecken, statt... statt von ihm betrachtet zu werden auf eine Art, die ihr dermaßen unangenehm war, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre.

 

Sie konnte mit der Schmach leben – keine vollwertige Saiyajin aufgrund ihrer mangelnden Kraft zu sein –, doch warum mussten ihre angesammelten Tränen siegen? Schluchzend hatte sie ihren Arm von ihrer hektisch auf und absinkenden Brust genommen, ihn zu ihren tränenden Augen herangeführt, wo sie die nachfolgenden Tränen mit dem Handrücken wegwischte.

 

„Tze, und ich dachte, dieses Mal käme mehr als heiße Luft. Offensichtlich ein Irrtum.“
 

Bulma erkannte keinen Funken Verlegenheit. Nein, so abgebrüht war der Mistkerl, sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Verschwinde endlich.“

 

Ihr Verhalten hatte bestimmt dramaturgische Gründe, weshalb er genervt die Augen verdrehte. „Ja... Ja, das wäre besser, weil ich mir dein nerviges Schauspiel nicht länger ansehen kann. Du bist nämlich gar nicht so pfiffig und raffiniert, wie du glauben magst.“

 

„Ach ja?“

 

„Ja“, betonte er streng. „Blöd, wenn das kleine schüchterne Mädchen durchschaut wird und nicht länger die Maskerade aufrecht erhalten kann.“ Oh, er war grandios, was Lügen betraf. Vegeta selbst trug eine eigens für ihn angefertigte Maske. „Ich frage mich, ob du überhaupt noch in den Spiegel sehen kannst, denn wir wissen doch beide, dass das deine wahre Maske ist – ängstlich, brav und hilfsbereit, anstelle von Übermut, Cleverness und Schlagfertigkeit.“

 

Parallel zu seinen Worten blickte Bulma an sich herab – zu ihren schwitzenden Händen, die immer stärker zitterten. Sie erahnte seine Blicke in ihrem Rücken und es fühlte sich an, als würde Vegeta, mitsamt seiner Entourage um sie herumstehen, während sie Beifall klatschten, im Bezug auf seine Enthüllung. Ein Häufchen Elend war gegen sie gerade der reinste Goldbarren. Sein schamloses Feixen verschlimmerte ihre Gefühlslage umso mehr, weshalb sie auch gar nichts auf seine Worte erwidern konnte.

 

„Schlimm, wenn man demaskiert wird, oder? Dabei habe ich dich noch gewarnt. Du hättest mir Respekt entgegenbringen sollen“, belehrte er das am Boden liegende Mädchen weiter. Aus ihm sprach der Hass... Der Hass auf seinen Vater, den er fälschlicherweise auf das unschuldige Wesen vor sich projizierte.
 

Aber Bulma wäre nicht Bulma, wüsste sie nicht, wie sie ihm sprichwörtlich zwischen die Beine hätte treten können. Er mochte sie mit seinen treffenden Worten vielleicht verletzt haben. Ja, aber sie würde dreifach zurückschlagen; mit neu gewonnenen Kräften. Denn aus seinen Floskeln hatte sie heraushören können, dass ihm Stolz wichtig war. Stolz, den man brechen konnte und das würde sie – mit ihren bloßen Händen, ohne Gnade. Eiskalt. Für all die Gemeinheiten, für jede Demütigung, der er sie innerhalb weniger Stunden ausgesetzt hatte.
 

Wenn die Gerechtigkeit auf diesem Planeten schon ungerecht verteilt war, dann... dann sollte zumindest einer der vielen leiden, die bisweilen immer Glück im Leben hatten.

 

Ein letztes Mal rieb sie sich über ihre geröteten Augen, ehedem sie aufstand und den Schmutz von ihrer Kleidung klopfte – ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Wenigstens war ihr das gelungen; Aufzustehen und ihre Krone zu richten, denn nur darauf kam es an. Es zählte nicht, wie oft man zu Boden fiel. Maßgeblich war nur, dass man letztendlich wieder auf den Beinen stand. Zu guter Letzt strich sie ihre zerzausten Haare zurück, bevor sie mit erhobenem Haupt an dem Saiyajin vorbeischritt, der ihre Würde zu Boden warf und darauf herumtrampelte. Aber sie würde sich bücken, ihre Selbstachtung zusammenfegen und sich aufrichten.
 

Allerdings blieb sie noch einmal stehen. Sanftmütig lächelte sie und blickte über ihre Schulter – hinüber zu Turles, der wiederum verstört ihren Blick erwiderte. „Danke für das nette Gespräch. Ich hoffe, wir finden noch einmal die Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Mich würde -“

 

„Komm zum Punkt“, drängte Vegeta, der inzwischen seine Arme verschränkt hatte und seine linken Finger ungeduldig auf den rechten Arm tippte.
 

Davon ließ sich die blauhaarige Saiyajin jedoch nicht beeinflussen. Sie hatte sowieso alles verloren – vor allem ihr Gesicht. „Mich würde es freuen. Wirklich.“ Das Lächeln auf ihren Zügen war geblieben, denn das konnte Vegeta ihr nicht nehmen – ihre Lebensfreude. Dennoch war sie froh, als sie sich umdrehte und den Weg zum See antrat. Ja, sie würde zum See gehen. Schließlich hatte sie versprochen, später nachzukommen.

 

Und sie dachte den ganzen Weg über an Turles und die Ähnlichkeit zu Son Goku. Erschreckend, wie ähnlich sie sich doch waren und es erschütterte Bulma, dass sie sich tatsächlich freuen würde, wenn sie Turles wieder sah. Aber warum bloß? War die Ähnlichkeit zu ihrem Son Goku schuld? Konnte sie deswegen über sein damaliges Vergehen hinwegsehen? Mochte sie diesen Saiyajin, aufgrund einer Phase, die ihre Mutter mit ihren schändlichen Worten ausgelöst hatte?

 

Hilfe.

 

Bulma war schrecklich verwirrt. Und leider kam ihr ein weiterer Verdacht... Lag es im Bereich des Möglichen, dass Bulma schon länger in Son Goku verliebt war? Gingen ihre Gefühle weit über die einer Freundschaft hinaus, ohne dass sie selbst es bemerkte? Hatte sie über die Jahre ansteigende Gefühle entwickelt, die entfacht wurden, nachdem sie ihn nach so vielen Jahren wiedersah, gleichzeitig aber alles auf Turles projizierte, weil... weil sie und Son Goku eben Freunde waren und diese innige Bindung wegen jener Gefühle nicht zerstört werden durfte?

 

Oh je, das verwirrte sie noch mehr. Diese Gedanken waren befremdlich. Zumal sie auch plötzlich über Turles' damaligen Angriff hinwegsehen konnte, was jenseits von Gut und Böse war. Niemand, der halbwegs normal war, würde eine Entschuldigung für einen derartigen Angriff finden...

 

Tja, allem Anschein nach war Bulma nicht normal.
 

 
 

~*~
 

Glaubte dieses Weib etwa, dass ihr Abgang würdevoll war? Oder war sie gar der Annahme, humorvoll zu sein? Selbst Akira war witziger und das sollte schon etwas heißen, wenn er dem Alten Humor zuschrieb. Darüber hinaus sollte auch er allmählich das Weite suchen, ehe er Turles noch niederschlug. Die Versuchung war nämlich gewachsen, nachdem Bulma gegangen war und die beiden Männer alleine zurückgelassen hatte.

 

Ja, nichts wie weg hier. Jedoch nicht, ohne einen abtrünnigen Blick nach hinten zu werfen. Die Redewendung, dass Blicke oftmals mehr als tausend Worte sagten, bewahrheitete sich, da auch Turles im Dunkel des Waldes verschwand, woraufhin Vegeta seinen Weg fortsetzen konnte.

 

Weiterhin überlegte er, ob sein Handeln ein Nachspiel haben könnte, sollte die Kleine ihn verraten. Aber auch hierfür hätte er einen Plan, der wie folgt aussah: Sollte sie sich wagen, ihn zu verpetzen, würde sie jedenfalls nicht mehr die Gelegenheit haben, Turles zu treffen. Soviel stand fest. Ha, und war es nicht witzig, dass diese Frau schon wieder seine Gedanken beanspruchte?
 

Missmutig flog er einen Baum hinauf, ließ sich auf einem breiten Ast nieder und starrte sehr, sehr lange in die Ferne. Wie lange, das konnte er nicht sagen, aber zum ersten Mal, soweit er sich erinnern konnte, lehnte er sich entspannt gegen die Rinde, legte seinen Kopf in den Nacken, ließ sein rechtes Bein in der Luft baumeln und atmete die gesamte Luft aus, die sich in seinen Lungen befand. Die wunderbare Stille war berauschend, da er bisher nur die Hektik, seinen angespannten Körper oder das laute Geschrei im Palast gewöhnt war. 
 

Aber im Moment? Im Moment genoss er die Ruhe, die sein Körper dankend annahm. 
 

Allerdings rannte ihm die Zeit davon. Er sah bereits die Sonne nicht mehr. Schon bald müsste er sich auf den Rückweg machen. Vegeta konnte es immer noch nicht fassen. Tatsächlich zog er es in Erwägung, zu diesen Primitivlingen zurückzugehen, in das Haus des Grauens. Aber was blieb ihm auch anderes übrig, als zu gehorchen, wenn er sein Erbe nicht verlieren wollte? Sein Vater schien diesbezüglich sehr entschlossen zu sein. Anfangs dachte er noch, es handelte sich um einen Scherz.

 

Tja, falsch gedacht.
 

Sein Vater meinte alles ernst, was er sagte. Jedes gottverdammte Wort und es fuchste ihn, dass er seinem Vater in dieser Hinsicht ähnelte.
 

Als er vor drei Monaten nach Namek geschickt wurde, erwähnte sein Vater, dass es an der Zeit wäre... Vegeta ging davon aus, dass er – nachdem er die Mission erfolgreich geleitet hätte – bald zum König gekrönt wurde, aber... seine Mission war nun einmal nicht von Erfolg gekrönt worden. Nappa, Radditz und er waren mit leeren Händen zurückgekommen. Zwar war ihnen die Eroberung des Planeten gelungen, jedoch konnte Vegeta das, was sein Vater haben wollte, nicht finden. Dabei hatte er sich angestrengt! Er hatte jeden Stein, jedes Sandkorn mehrmals umgedreht, aber nichts dabei erreichen können. Selbst seine Drohungen wurden belächelt, weil die Namekianer zusammen gehalten hatten – sie waren ein Volk, das füreinander einstand, selbst über den Tod hinaus und Vegeta hatte viele Namekianer zu Fall gebracht. Nicht alle, aber viele. Hätte er alle getötet, würde man das Gesuchte niemals finden.
 

Was ihm aber eher auf der Seele brannte, war die Frage, wann er nach Hause zurückkehren konnte – gebrandmarkt mit den Erfahrungen, die er hier hätte lernen sollen. Tja, der erste Tag war nicht sehr erfolgreich gewesen.
 

Nein, absolut gar nicht. Ha, sein Vater wäre sicher nicht sehr erfreut über einen weiteren Misserfolg.
 

Genervt stieß er sich vom Baum ab, um rechtzeitig in der Baracke anzukommen. Doch selbst das schnelle Fliegen hatte nichts gebracht. Das Haus lag im Dunkeln, abgesehen von einem Raum. In der Küche brannte Licht, woraufhin er seufzte, am Boden landete und sachte gegen die Tür klopfte. Im gleichen Atemzug fuhr seine Hand nach oben, die er sich gegen die Stirn schlug.
 

Das Fenster... Er hatte es doch offen gelassen.
 

Scheiße!  
 

Egal, abhauen würde er nicht. Niemals. Er war doch kein Feigling, der wie ein kleiner Junge davonrannte. Vermutlich hatte ihr Vater bloß auf ihn gewartet. Deshalb brannte noch Licht in der Küche. Die Schritte, die sich im Anschluss der Tür näherten, vernahmen seine Sinne sofort, was er zum Anlass nahm, sich aufrecht hinzustellen, die Hände in die Hüften zu stemmen und sich die passenden Worte zurechtzulegen, welche er dem alten Narren entgegen schmettern wollte.

 

Ja. Er war bereit, dem Herren des Hauses abermals die Leviten zu lesen. Doch kam es anders als erwartet, nachdem die knarrende Tür ein Stück weit nach innen gezogen wurde.
 

„Ja?“, wisperte sie verschüchtert in die Nacht hinaus.

 

Natürlich. War ja nicht anders zu erwarten. Sie stand in der Tür – frisch geduscht, die Haare feucht, während ihr Körper nach Tannen roch. Vegeta hätte es sich doch denken können. „Grundgütiger, was soll das werden?“ Verärgert schob er die Tür etwas weiter auf, wodurch die silberne Kette zerbrach – die wohl als Schloss diente – und klirrend zu Boden fiel. Sowohl seine, als auch ihre Augen waren nach unten geflattert, doch im Gegensatz zu ihr, ertönte aus Vegetas Mund ein hämisches Lachen, wohingegen sie bekümmert zu ihm sah. „Denkst du wirklich, das würde helfen? Ich versichere dir“, fuhr er zähneknirschend fort, „dass, wenn jemand hier hereinkommen will, auch reinkommen wird. Da hilft dir auch keine Kette, oder siehst du das anders?“ Nein, das würde sie nicht anders sehen, oder? Immerhin hatte er ihr gerade den Beweis geliefert, die Tür komplett nach hinten geschoben und feixend in der Tür gestanden. „Wenn du schon ängstlich bist, dann lass die Tür lieber gleich zu“, empfahl er ihr, bevor er lustlos das Silber schnappte, das er unbeeindruckt in ihre Hand drückte. Anschließend zwängte er sich an ihr vorbei. Die Schatten, die er zuvor geworfen hatte, wurden immer kleiner, bis sie schlussendlich verschwunden waren und Vegeta noch einmal inne hielt, als seine Hand das Treppengeländer berührte.
 

Langsam fuhr sein Kopf zur Seite, um besser über seine Schulter blicken zu können. Er sah ihr dabei zu, wie sie leise die Tür schloss und teilnahmslos stehen geblieben war. Offenbar wartete sie darauf, dass er ging. Ja, vermutlich, denn sie hatte sich nicht einmal zu ihm umgedreht, sondern weiterhin die Tür angestarrt.
 

„Netter Bademantel, Onna.“ Der Bademantel war alles, aber nicht nett und schön schon gar nicht. Der rosafarbene Velours war grottenhässlich. Zu seinem Leidwesen betonte der Stoff jedoch die richtigen Stellen.

 

„Was bedeutet Onna?“ Ihre Hand lag immer noch auf der Klinke der Tür, als sie sich zu ihm umdrehte. Sie war nicht einmal sauer, weil er sie verspottete. Sie war... Ja, sie war noch zu verwirrt, wegen all den Einflüssen, die auf sie niederprasselten und ins Chaos stürzen würden. Auch am See hatte sie sich nicht davon lösen können, weshalb sie nicht lange im Wasser geblieben war, sondern mehr Zeit auf ihrem Badetuch verbrachte und ihren Freunden dabei zusah, wie sie sich ihre Köpfe gegenseitig unter Wasser getunkt hatten. „Ist... Ist es eine Beleidigung?“

 

Statt die Stufen zu erklimmen, entfernte er sich von ihnen. Er steuerte auf geradem Weg auf Bulma zu, blieb vor ihr stehen und sah ihr zu, wie sie den Knoten der Schlaufe enger band. „Nein.“ Wieder sah er zu dem Knoten, der ihre zierliche Taille zum Vorschein brachte. „Es ist keine Beleidigung.“
 

„Sondern?“, fragte sie mit gesenktem Blick auf seine Hände, die Turles' Händen so ähnlich waren.

 

Argwöhnisch zog er eine Augenbraue nach oben. „Es ist auch kein Kompliment. Onna ist das saiyajinische Wort für Frau.“

 

Daraufhin zuckten ihre Mundwinkel. Tatsächlich war es schön, die wahre Bezeichnung ihres Geschlechts aus seinem Mund zu hören, ohne dass er es in Verbindung mit abfälligen Kosenamen brachte. Leider hielt ihr Schmunzeln nicht lange an. „Wirklich?“

 

Vegeta zögerte. „Wirklich.“

 

„In Ordnung.“

 

„Du bist eine Saiyajin und sprichst nicht unsere Sprache?“

 

Oh nein. Er hatte wieder einen Streitpunkt entdeckt. Dabei wollte sie doch nur wissen, was das Wort bedeutete – nicht mehr und nicht weniger. „Das war nie notwendig“, log Bulma. Sie wollte ihm nicht erzählen, dass ihre Eltern zweiundzwanzig Jahre bezüglich ihrer wahren Herkunft Stillschweigen bewahrten und Bulma auf ungalante Art erfahren musste, dass sie in Wirklichkeit kein Mensch war. „Auf der Erde spricht niemand saiyajinisch.“

 

„Tatsächlich?“, gab er murrend von sich.

 

Für einen kurzen Moment hatte sie die Hoffnung, zu Vegeta hindurch zu dringen, ihn vielleicht zu verstehen, weshalb er so war, doch hatte er ihr zeitgleich diese Aussicht genommen. „Ja, aber... vielleicht möchtest du sie mir beibringen?“ Oh nein, das war keine gute Idee, ihn danach zu fragen, wenn sie seinen Ausdruck richtig deutete. „Ich meine, solange du hier lebst, sollten wir uns... uns irgendwie verstehen? Und vielleicht wäre es ein Anfang, wenn du mir die Sprache -“

 

„Ausgeschlossen!“

 

„Wieso nicht?“ Ihre Schultern sackten nach unten. Ihre Kraft war verbraucht und einen weiteren Tag wie den heutigen würde sie nicht überstehen. Vegeta war eine Nummer zu groß für sie, obwohl sie sich anhaltend einredete, ihm endlich Paroli zu bieten.

 

„Deine Eltern haben jahrelang auf unsere Sitten gespuckt.“ War er die Wohlfahrt? Nein, war er nicht. Sie hatte die Sprache nie gebraucht, wie sie selbst sagte. Sollte sie doch selbst zusehen, wie sie die Sprache der Saiyajins lernte. Von ihm jedenfalls nicht.

 

„Aber -“
 

„Das ist mein letztes Wort. Wenn es deine Eltern damals nicht für nötig befunden haben, dir unsere Werte zu vermitteln, hast du schlichtweg Pech gehabt.“
 

„Nein. Das... Das verstehst du falsch, Vegeta.“ Sie war überfordert, angesichts seines Zynismus und womöglich verschlimmerte sie die Situation, weil sie ihm widersprach und seine Auffassungsgabe in Frage stellte.
 

„Tue ich das?“ Nun schwenkte Vegeta seinen Körper komplett zurück. Blitzschnell hatte er sie gegen die geschlossene Tür gestoßen, bevor seine Hände polternd neben ihrem Kopf landeten und sie diesen vor Schreck einzog. „Dein Atem ist nicht gerade lang, was unser kleines Spiel angeht, nicht? Wo ist denn deine große Klappe von heute Mittag? Wo ist das vorlaute Weib, das sich eben noch aufspielen wollte?“ Das tat sie auch schon vor Kakarott, diesem... diesem Verräter, der es nicht fertig gebracht hatte, die Erde zu erobern. „Ha, dachte ich's mir doch. Mir wirfst du vor, ich bluffe. Dabei bist du diejenige, die blufft.“ Eine wegwerfende Handbewegung seinerseits sollte ihre symbolisieren, wie sehr ihn ihre Schwäche ankotzte.

 

Sie war schon wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen. Herrgott nochmal. Aber sie verspürte Kraft – in ihrer Hand, die nach oben schoss.

 

„Untersteh dich.“

 

Derselbe Ausdruck wie im Wald breitete sich in ihrem Gesicht aus, als ihr bewusst wurde, dass Vegeta ihr Gelenk hielt. Doch statt sie weiter anzubrüllen, drückte er behutsam ihre Hand nach unten.

 

„Tu das nicht noch einmal, verstanden? Das nächste Mal -“

 

Was unweigerlich folgte. Bulma wusste nicht, ob es seiner Unachtsamkeit geschuldet war, aber sie hatte sich aus seinem Griff retten und erneut ihre Hand heben können. Viel schneller, viel konzentrierter –

 

„Gut, dann auf die harte Tour!“ Gekonnt fing er ihr Gelenk ab, bevor sie ihn schlagen konnte. Folglich schob er sich ganz nah zu ihr heran. Er sperrte ihren Körper zwischen sich und der Tür ein und beugte sich zu ihr nach vorne. Sie waren sich so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Hör. Auf. Damit! Haben wir uns verstanden?“
 

„Du... Du tust... mir weh, Vegeta!“, wisperte die junge Erfinderin bestürzt, deren Tränen schon in den Startlöchern standen.
 

„Wenn dir das schon weh tut, dann kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ich richtig ausraste, oder? Ich werde dein kleines Machtspiel von heute einfach vergessen. Ich sehe darüber hinweg, dass du versucht hast, mich vor Turles und Kakarott zu kompromittieren, weil ich ein netter Kerl bin und heute der erste Tag war.“

 

Nett? Dieser Saiyajin schien nicht zu wissen, in welchem Zusammenhang man das Wort nett verwendete. Sonst würde er es nicht so arglos wählen. „Lass... Lass mich los. Bitte Vegeta!“
 

„Oh, aber gerne, denn ich hege nicht die Absicht, dich länger als nötig anzufassen. Sei dir sicher!“ Abrupt ließ er ihren Arm los, quittierte seinen Satz mit einem Lächeln und ließ Bulma – wie Turles im Wald – stehen. Ja, er hatte das letzte Wort. Nicht sie, nicht Turles und auch nicht sein Vater. Oh nein.
 

Währenddessen wartete Bulma, bis er den oberen Treppenabsatz erreichte und verschwunden war, bevor sie die angehaltene Luft ausstieß. Grundgütiger... Was war Vegeta bitte für ein Irrer? Wen hatten ihre Eltern bloß in ihr Haus gelassen? Egal, wie lange ihr Vater den König kannte, er schien nicht zu ahnen, wie gefährlich der Königssohn sein konnte.

 

Das wusste scheinbar niemand... Ob sie dieses Martyrium überleben würde? Bulma wusste es nicht. Sie wollte es gar nicht wissen.

 

In der Zwischenzeit waren fünfzehn Minuten vergangen, bis sie genügend Kraft gesammelt hatte und sich von der Tür abstoßen konnte. Der Schock saß ihr deutlich in den Knochen, während zur sie Küche hastete und den Wasserkessel vom Herd nahm, dessen Inhalt sie ungenutzt in den Abfluss der Spüle schüttete. Doch war genau das der Grund, wieso sie zur Küche gegangen war – sie wollte bloß einen Tee trinken, allerdings würde selbst der stärkte Beruhigungstee nach diesem Fiasko nicht helfen, das war so sicher wie eine weitere Drohung in ihre Richtung, seitens Vegeta.

 

Hätte sie gewusst, dass er noch nicht zuhause gewesen wäre, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, sich in die Küche zu setzen...

 

Im Nachhinein setzte sie sich für zehn Minuten an den Tisch. Das musste sie, sonst würde sie wie ein nasser Mehlsack umkippen. „Das kann ja was werden“, flüsterte sie dem Boden zu, nachdem sie ihren starren Blick löste und ihre Stirn auf die kühle Tischplatte legte, ehe sie das Licht in der Küche löschte und ebenfalls in ihr Zimmer ging. Nein, sie schlich auf Zehenspitzen zurück, da sie an Vegetas Zimmer vorbei musste.

 

Ein Kampf gegen Windmühlen

Liebe deine Feinde, denn sie verraten dir deine Fehler.

- Benjamin Franklin


 

 
 

~*~
 

 

- Kapitel sieben -


 

Drei Tage waren – im Bezug auf ihre Erfolgsquote – recht ansehnlich gewesen. Zu keiner Stunde hatte sie damit gerechnet, ihm drei Tage – unter Vortäuschung falscher Tatsachen – aus dem Weg zu gehen, nachdem sie beschloss, sich im Labor ihres Vaters zu verbarrikadieren und zusätzlich zu behaupten – sofern man nach ihr rief –, dass sie den Radar prüfte, sowie die Pläne des Gravitationsraums überarbeitete. Insgeheim wollte sie jedoch Son Goku und vor allem Vegeta aus dem Weg gehen – zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein konnten und doch verwirrten sie die blauhaarige Saiyajin zutiefst. Allerdings verursachten die beiden Saiyajins auch unterschiedliche Gefühle. Während sie Son Goku unheimlich mochte, entfesselte Vegeta höchsten einen Würgereiz in ihr. Alleine an ihn zu denken brachte Bulma auf Hochtouren, angesichts seiner Arroganz. Immer wenn sie an diesen selbstgefälligen Sack dachte, verspürte sie das dringende Bedürfnis, ihn zu blamieren, ihn aufgrund seiner Art ihr gegenüber auflaufen zu lassen, aber dem gegenüber stand wiederum ihre Angst.

 

Oh ja, sie hatte wirklich Angst vor ihm, nachdem er ihr nun schon mehrmals zu verstehen gegeben hatte, inwiefern sich ihr Verhalten ihm gegenüber auf ihr weiteres Leben mit ihm auswirken konnte. Und tatsächlich hatte es sie beeinflusst. Entkräftet hatte sie ihre weiteren Notizen aufgeschrieben, während sie ferner über diese seltsamen Tagträume nachdachte, welche auf Vegeta-Sei immer öfter von Bulma Besitz ergriffen hatten.

 

Es waren marternde Träume, die sich von Bulmas ausgeschöpften Kräften ernähren wollten. Sie katapultieren Bulma in ein Paralleluniversum, um die junge Erfinderin regelrecht zu quälen, da es sich so echt anfühlte. Als... Als befände sie sich mittendrin, ohne entfliehen zu können. Und es waren immer dieselben Bilder, dieselben Sequenzen. Immer wieder fand sich Bulma in einer im Chaos versinkenden, zerstörten, brennenden Stadt wieder – umgeben von riesigen Affen, die über den Boden trampelten. Aus ihren Mündern schossen goldene Strahlen, aber nie hatte sie sehen können, was genau die Affen jagten. Stattdessen hatte sie jedes Mal hilflos mit ansehen müssen, wie Häuser in sich zusammenstürzten, wie bepflanzte Felder niederbrannten und sie nichts dagegen ausrichten konnte. Doch selbst das war noch erträglich gewesen, im Gegensatz zu den quälenden Schreien, die sie weit abseits vernehmen konnte.

 

Und jedes Mal fragte sie sich aufs Neue: Welche Rolle spielte sie in diesen Träumen? Denn einen Zusammenhang hatte sie nie herauskristallisieren können.

 

Den einzigen Konnex, den sie mit sich, sowie den Träumen herstellen konnte, waren die Saiyajins, denn sie waren es, die schreiend an Bulma vorbeiliefen. Aber wieso sah sie die Saiyajins leiden? Wieso wurde ihr die Bürde auferlegt, ihre Artgenossen leiden zu sehen, obwohl sie nichts mit Ihresgleichen zu tun haben wollte? War es eine Strafe? Doch inwiefern? Weil sie nichts mit ihnen zu tun haben wollte und die Träume sie dahingehend zwingen wollten, dass sie sich endlich mit dem Faktum arrangierte, eine Saiyajin zu sein?

 

Und überhaupt: In welcher Zeitperiode passierte das, was Bulma immerzu sah? Wüteten einst diese gigantischen Affen auf Vegeta-Sei? Wurde sie Zeugin der saiyajinschen Vergangenheit, um zu sehen, dass sich diese Wesen in keinster Weise geändert, gar gesteigert hatten? Oder... Oder sah sie die Zukunft?

 

Nein, das war noch abwegiger. Niemand, so befand der wissenschaftliche Teil in ihr, konnte die Zukunft voraussehen. Vielleicht war es auch einfach der Angst geschuldet. Angst, dass sie erneut das Opfer eines brutalen Überfalls werden könnte?

 

Ach, sie wusste es nicht, doch wurde jeder neue Tag zur Qual, weil sie sich fürchtete, erneut in diese andere Dimension zu fallen. Dieser Hilflosigkeit ausgesetzt zu sein war mitunter das Schlimmste, was einem Menschen... nein, was einem Saiyajin widerfahren konnte. Hinzu kamen ihre Bedenken, die ihr ebenfalls keine Ruhe lassen wollten, bezüglich der Ernsthaftigkeit. Sollte sie die Träume ernst nehmen? Oder basierten diese Träume tatsächlich aufgrund ihrer Angst? Oder bestand ferner die Möglichkeit, dass es am Stress lag? War all das, was sie die letzten drei Monate erlebt hatte, einfach zu viel gewesen? Oder vermisste sie bloß ihr Studium, das sie nicht weiterführen konnte? Oder war es auf den unfreiwilligen Umzug nach Vegeta-Sei zurückzuführen? Hatte sie die Umstellung nicht verkraftet?

 

Dem Ursprung auf den Grund zu gehen kam der bekanntlichen Nadel im Heuhaufen gleich. Es wäre eine Suche, dessen Erfolg nicht abzusehen war, wenngleich Bulma davon überzeugt war, niemals eine adäquate Antwort finden zu können.

 

Unterdessen breitete sich Verzweiflung in ihr aus. Schnaubend lehnte sie ihren Rücken gegen die Stuhllehne, während sie ihren Kopf in den Nacken legte und zur Decke sah. Doch würde der strahlend weiße Rauputz ihr bestenfalls sagen, dass sie sich lieber ihren Notizen widmen sollte – die vergessen vor ihr lagen.

 

„Hey!“, donnerte es vor der Tür. „Aufmachen!“

 

Aufgrund dessen, dass sie unvorbereitet angesprochen wurde, schreckte Bulma nach oben, ehe sie über ihre Schulter zur verschlossenen Tür sah, gegen welche pausenlos gehämmert wurde. Verschüchtert davon, weil sie nicht wusste, welchen Grund es gab, der ihre Anwesenheit bedurfte, erhob sie sich bedächtig aus ihrem Stuhl, bevor sie sich mit stockenden Schritten der Tür näherte.

 

Zuletzt sah sie ihn im Wald, als sie mit Turles gesprochen hatte. Dort und das darauffolgende Treffen am Abend hatten ihr Angst eingejagt, weshalb sie beschlossen hatte, dass das das letzte Mal sein sollte, dass sie sich über den Weg liefen. Allerdings schien er das anders zu sehen.

 

Währenddessen kam sie der Tür auf leisen Sohlen immer näher. Ja, es wäre klüger, würde sie sich nicht bemerkbar machen. Sie sollte sich weiterhin ruhig verhalten und darauf warten, dass er ging. Zugegeben, sie hatte schon bessere, clevere und durchaus effektivere Ideen, aber allem Anschein nach bestand ihre Hirnmasse nur noch aus Brei, was es ihr erschwerte, durchdachter vorzugehen, im Hinblick darauf, ihn loszuwerden. Erwachsen wäre es, würde sie die Tür öffnen und ihm sagen, dass sie derartige Treffen nicht wünschte, aber sie war... sie war feige.

 

„Wenn du die Tür nicht aufmachst, werde ich sie öffnen – was jedoch nicht angenehmer sein wird, versprochen!“ Die drohenden Worte hatte Bulma deutlich hören können, aber statt dem nachzukommen, was er verlangte, erstarrte die blauhaarige Saiyajin inmitten ihrer Bewegung. „Insofern rate ich dir, endlich diese verdammte Tür zu öffnen.“

 

Um Himmels Willen. Doch statt den gewünschten Effekt zu erzielen, erreichten Vegetas Warnungen lediglich, dass Bulma noch ängstlicher wurde.

 

„Los!“, brüllte er hinter der geschlossenen Tür. „Ich weiß, dass du da drin bist. Schließlich kann ich deine Furcht durch meterdicke Stahlwände riechen und wenn du dich weiter weigerst, gehorsam zu sein, werde ich dich lehren, was es heißt, sich dem Prinzen der Saiyajins zu widersetzen.“ Feixend besah er sich die schwere Eisentür, die ihn von dem Mädchen trennte. Nun, die ihn vorerst von ihr trennte.

 

„Äh... Vegeta“, begrüßte sie ihn stotternd und blickte hektisch um sich, nachdem sie es geschafft hatte, die Leere von sich zu schütteln. Darüber hinaus war ihr klar geworden, dass es schwachsinnig war, weiter zu schweigen denn er hatte recht. Saiyajins waren im Stande, die Auren anderer Wesen zu spüren – sofern sie in unmittelbarer Nähe waren. Auren, die mehrere hundert Meter entfernt waren, konnten sie nur mithilfe ihrer Scouter lokalisieren – das war der Unterschied, den sie ganz vergessen hatte. Allerdings gab es einen Saiyajin, der nicht auf die Hilfe eines Scouters angewiesen war – Son Goku. Er hatte in unzähligen Kampfturnieren auf der Erde gelernt, den Standort seiner Gegner anhand seiner Sinne zu präzisieren.

 

„Was?“, schnaufte er verbissen. „Kommt da noch was?“

 

„Ähm... Ich... Ich habe gerade gar keine Zeit, tut mir leid.“ Mist. Mist. Obermist. Fieberhaft suchte sie nach einer Ausrede, während ihre zitternden Pupillen auf ihre schwitzenden Hände sahen und ihr doch keine Lösung einfallen wollte. Außerdem wollte sie eine abermaligen Begegnung tunlichst vermeiden, da sie grundsätzlich zu ihrem Nachteil ausgingen.

 

Anlässlich ihrer Angst und ihrem Instinkt folgend, fiel ihr nichts anderes ein, als ihre Hände auf den kalten Stahl zu drücken, sich jedoch darüber bewusst, wie ineffektiv ihr Handeln war. Dennoch gab sie sich der Illusion hin, etwas ausrichten und Vegeta daran hindern zu können, die Tür zu öffnen, die ihr im Moment noch Schutz bot.

 

„Ach ja? Warum das denn?“

 

„Ich... Ich bin beschäftigt!“, rief sie pathetisch und hoffte gleichermaßen, dass ihre Improvisation überzeugend klang.

 

„Womit?“

 

Scheiße. Dieser Mistkerl gab aber auch nicht nach. In der Hektik hatte sie ihren Kopf zur Seite gedreht, um letztendlich den Radar zu fokussieren, der unberührt auf dem Schreibtisch ruhte. „Ich teste gerade den Radar. Den, von dem mein Vater gesprochen hatte. Erinnerst du dich?“ Innerlich war sie zerrissen, einfach machtlos und nicht fähig, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen, aber sie war froh, dass zumindest ihre Stimme das Spiel der falschen Selbstsicherheit mitspielte. „Er spinnt noch ein wenig, was wohl an den elektromagnetischen Wellen liegt. Ich habe ihn auf der Erde entwickelt. Folglich ist er mit den Strahlungen hier auf Vegeta-Sei nicht kompatibel, verstehst du?“ Oh Gott, sie tischte ihm Märchen auf. Hoffentlich gut verpackte Märchen, denn anders als ihre Stimme, bebte ihr Körper. Selbst ihre sonst eher ruhigen Hände, die routiniert und perfektioniert arbeiteten, sobald es darum ging, die kleinsten Metallplatten miteinander zu veröden, erzitterten über dem Eisen. „Sie sind logischerweise ganz anders als auf der Erde.“

 

„Kann sein, interessiert mich aber überhaupt gar nicht.“ Tatsächlich erinnerte er sich an das Gespräch und er hatte auch erwähnt, dass die physikalischen Gesetze ganz anders waren als auf der Erde, woraufhin sie erwiderte, darüber im Bilde zu sein... Ja, von wegen. Seinetwegen hatte sie womöglich den Fehler gefunden. Seinetwegen war es ihr scheinbar gelungen, den Radar – wofür sie diesen auch brauchte – den Umständen anzupassen.

 

Ob er auf ihren Dank bestehen sollte? Oh, das sollte er zu gegebener Zeit tatsächlich.

 

„Ach so, dann... dann entschuldige.“ Bulma hatte die zunehmende Ungeduld in seiner Stimme heraushören können, doch noch immer fiel es ihr schwer, diese verdammte Tür zu öffnen.

 

„Fräulein, entschuldige dich für nichts, was du nicht ehrlich meinst. Am Ende tut dir noch mehr leid und jetzt: Mach endlich diese gottverdammte Tür auf!“ Die letzten sechs Worte hatte er geschrien, weil er die Geduld verlor. Zusätzlich hatte er seine Faust gegen die Tür geknallt, woraufhin er ihren Hechtsprung vernahm und die Beule in der Tür sehen konnte. „Verlass dich drauf, ich öffne sie und es ist mir scheißegal, ob du dich abermals der Tür näherst oder die Flucht ergreifst. In die Finger bekomme ich dich – so oder so.“ Schlussendlich vergingen weitere Sekunden. Momente, die sie scheinbar nutzte, um die Tür zu verbarrikadieren. Das glaubte er zumindest, denn er hörte Mobiliar, das kratzend über den Boden geschoben wurde. Daraufhin sank sein Kinn gegen seine Brust, ehe er den Blick hob und grinste, hinsichtlich des Amüsements. „Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Es ist unerheblich, welches Möbelstück du vor die Tür schiebst und anstatt dich mit Dingen zu befassen, die nicht von Erfolg gekrönt sind, solltest du dich eher dem widmen, wovon du etwas verstehst.“

 

Das Verrücken der Möbel hörte dennoch nicht auf. Dahingehend legte er seine flache Hand auf die Oberfläche der Tür, er schloss seine schwarzen Augen und hob sein Gesicht an, während seine Nasenflügel unaufhörlich zu flattern begannen. Der Duft ihrer Angst drang in seine Nase, er ließ seine Nackenhaare förmlich zu Berge stehen, während in der Mitte ein undefinierbares Kribbeln freigesetzt wurde.

 

„Es tut mir leid, Vegeta, aber ich kann dich nicht reinlassen.“

 

Augenblicklich flogen seine Lider nach oben. „Hör auf, mit mir zu diskutieren“, entgegnete er zähneknirschend, weil er spürte, wie seine Geduld immer weniger wurde. Bald hing sie am seidenen Faden. Lange würde es nicht mehr dauern.

 

„Hier drin ist alles geheim und wenn du hier reinkommst, kann ich nicht mehr garantieren, dass unsere Erfindungen geheim bleiben. Nachher verkaufst du noch geheime Informationen.“ Ihre Ausrede war lächerlich, aber ihr war nichts besseres eingefallen.

 

Bezichtigte sie ihn gerade der Spionage? „Na sicher, weil ich auch nichts anderes zu tun habe“, erwiderte er ruhiger, gleichzeitig aber auch belustigt. Ja, genau. Vegeta würde, weil es ihm ungeheuren Spaß machte, ihre Erfindungen verkaufen. „Aber diesbezüglich kann ich dich beruhigen – das Verkaufen von Planeten ist deutlich lukrativer. Wohingegen ich dich allerdings weniger beruhigen kann, ist der Umstand, dass ich dich allmählich darüber informieren sollte“, führte er gefasster fort, nachdem er wieder ernst wurde, „dass ich weitaus gefährlicher bin als du annehmen magst. Glaub mir“, hauchte er der verschlossenen Tür entgegen, sich sicher, dass sie ihm zuhörte, „du befindest dich in größerer Gefahr, wenn du dich weiter querstellst. Außerhalb dieses Hauses gibt es Dinge, die ungefährlicher sind – das als letzte Warnung, Weib.“

 

Wie viele Warnungen würde er aussprechen? Konnte sie sich sicher fühlen, weil er bisher nicht intervenierte? War das ein kleiner Wermutstropfen? Zumindest dachten das ihre Hände, die sich zitternd zu Fäusten ballten. Geladen mit Wut, die sich bis in ihre blauen Haarspitzen zog, marschierte sie wutschnaubend zur Tür – vorbei an den schweren Schränken, die sie davor schieben wollte. Sicher, Herr über die Lage zu werden und den Konflikt sachlich zu beenden, öffnete sie mit zusammengekniffen Augen die Tür.

 

„So! Du hörst mir jetzt zu!“, brüskierte sie sich vor dem Mann, der ihr inzwischen rasch näher gekommen war, nachdem er ihre Erscheinung wahrnahm. Das, und sein Blick, schüchtern sie tatsächlich wieder ein, aber... sie schluckte ihre Angst hinunter, sie zwang sich, nicht zurückzutreten und ihn gewinnen zu lassen.

 

Nein, dieses eine Mal nicht.

 

Möglich, dass Vegeta gefährlich war. Ja, vielleicht war er brandgefährlich und wartete bloß darauf, dass sie aus ihrem Schneckenhaus herauskam, um ihr zu schaden – insbesondere, weil sie es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Seine Uniform – bestehend aus seiner Kampfrüstung und dem dazugehörigen roten Umhang – versuchte sie dahingehend zu ignorieren. Vor allem das königliche Emblem, das seine Rangordnung plakativ hervorhob, durfte keinen Einfluss auf ihre Entschlossenheit nehmen.

 

„Du... Du hörst mir jetzt genau zu!“, entgegnete sie immer krächzender, während ihre Augen nun doch auf der Kennzeichnung hafteten. „Mein Name ist... Bulma, und so möchte ich auch endlich von dir genannt werden. Des Weiteren verbitte ich mir jedwede Beleidigung meiner Eltern und mir gegenüber.“ Grundgütiger, ihr Herz begann in ihrer linken Brust zu rasen, als sie ihren Blick hob und seinen bedrohlichen Ausdruck zu deuten versuchte.

 

Würde er jetzt zuschlagen?

 

„Du verbittest dir das?“ Skeptisch beäugte er sein Gegenüber. Zwar bereitete es ihm Freude, ihre Angst nicht nur zu riechen, sondern auch zu sehen, doch war er misstrauisch allem Neue gegenüber – und genau das war die Situation vor ihm. Sie war ihm fremd, weil er immer das bekam, was er haben wollte. Allerdings bot sie ihm – trotz ihrer grenzenlosen Angst – die Stirn, das Mädchen stellte sich ihm tapfer entgegen. Nachfolgend schob er die Tür weiter auf, wodurch er sie immer tiefer in den Raum drängte, nachdem sie die Tür erschrocken losgelassen hatte und zurückgewichen war.

 

„Ja“, stotterte Bulma und stützte sich, während sie nach hinten ging, krampfhaft an den Gegenständen fest, die ihre Hände zu fassen bekamen. Bulma bereute die Worte, die sie bisher gesprochen hatte nicht, aber jedes, das sie in seiner Gegenwart herunterschlucken musste und damit musste Schluss sein. „Ich möchte von dir genauso behandelt werden, wie du von mir.“

 

„Und wenn ich mich nicht daran halte?“ Ha, wieso sollte er einen Anfang machen? Vegeta war der Prinz. Schon immer wurde das getan, was er wollte – nicht umgekehrt. Indessen beobachtete er genau, wohin sie schweigend ging, während er feixend seine Hände in die Hüften stemmte und ihr dabei zusah, wie sie der näher kommenden Wand nicht mehr ausweichen konnte und mit ihrem Rücken dagegen stieß. Das war wiederum sein Zeichen, rasch zu ihr aufzuschließen, seine Hände zentimetergenau neben ihrem Kopf zu platzieren und mithilfe seiner Beine die ihrigen in Schach zu halten. Es war ein Kinderspiel, ihre Flucht aus dem Zimmer zu verhindern. „Na? Was passiert“, begann er zu flüstern, nachdem seine Lippen über ihr rechtes Ohr glitten, „wenn ich mich nicht daran halte?“

 

„Das willst du gar nicht wissen“, keuchte sie entsetzt, ehe sie ihre Kopf zur Seite neigte, um seinem Atem nicht länger ausgesetzt zu sein, der ihr erbarmungslos entgegenschlug.

 

„Na dann. Ich hoffe“, pointierte er flüsternd und richtete ihren Kopf mit seiner Hand nach vorne, so dass sie ihn ansehen musste, „dass deine Rache grausam sein wird. Sonst macht das Ganze gar keinen Spaß.“ Heiliger Saiyajin-Mist, er wollte sie gar nicht mehr berühren. Vegeta durfte sie nicht berühren – um seinetwillen, weil er sich beweisen musste, sie überhaupt nicht anziehend zu finden, obwohl sie aufgrund ihrer Andersartigkeit eine gewisse Faszination auf ihn ausübte – was keinesfalls gut war. Dieses Problem sollte er ebenfalls in den Griff kriegen. „Willst du oder kannst du nicht antworten?“, fragte er nachdrücklich und umfing ihr Kinn ein wenig gröber – jedoch nicht zu fest. „Erzähl mir von deiner Rache. Schließlich muss ich meinen Feinden nahe sein, denn nur diese sagen dir die Wahrheit, im Gegensatz zu Freunden, welche dir – gefangen in ihrer Pflicht – eiskalt ins Gesicht lügen.“ Die Erschrockenheit war in ihren Augen abzulesen und noch etwas erkannte er darin: Dass er vor ihr keine Angst haben müsste.

 

Nein, sie konnte ihm in keinster Weise gefährlich werden. Selbst ihr ansehnliches Aussehen würde keinen Einfluss auf ihn nehmen können. Immerhin war er kaltherzig genug, um zu wissen, dass man niemandem trauen durfte. Und ihm durfte man noch weniger trauen.

 

Was ihm jedoch Sorgen bereitete, waren ihre klaren, offenen Augen. Ihre vibrierenden Iriden verrieten so vieles, dass Vegeta annahm, in einem Buch zu lesen und er befürchtete, dass er irgendwann Gefahr laufen könnte, ihre Empfindungen bewusst wahrzunehmen. Er hatte Angst davor, dass es ihm irgendwann nicht mehr egal sein könnte, was sie empfand.

 

Aber wieso war das so? Warum beschäftigte ihn der Gedanke? Nichts als Kälte wohnte in ihm. Er hatte immer zu seinem Nutzen gehandelt. Nie hatte er Rücksicht auf andere genommen.

 

„Du sollst aufhören“, entfuhr es Bulma nach einigen stillschweigenden Momenten ihrerseits.

 

Verwirrt darüber, dass sie doch noch mit ihm sprach, grinste er. Ja, er musste lächeln, um seine eigene Unsicherheit zu überspielen. Aber auch das Wissen, dass sie im Grunde ängstlich und feige war, war ungemein hilfreich. „Ich höre auf, wenn es mir passt. Verstanden?“ Um seinen Standpunkt zu untermalen, packte er ihre Schulter und drückte ihren Rücken fester gegen die dahinterliegende Wand.

 

„Nein, es reicht, Vegeta!“ Inzwischen hatte ihre Hand selbstständig reagiert, die unweigerlich auf seiner stählernen Brust gelandet war, um ihn und seinen Körper von sich wegzuschieben. Aber das war gar nicht so einfach wie sie sich das vorgestellt hatte. Bulma glaubte nämlich, dass er angesichts ihrer Berührung zurückspringen würde, weil er eben nicht von ihr angefasst werden wollte, aber sie irrte sich.

 

Es war zum Schreien. Welchen Weg sie auch wählte, es war stets der verkehrte.

 

„Auch das ist ein Denkfehler. Nicht du sagst mir, wann es reicht“, informierte er sie blasiert. „Das bestimme ebenfalls ich.“

 

Unterdessen spürte Bulma immer einschneidender den Druck, welchen die Wand in ihrem Rücken hervorrief, doch die Schmerzen unterdrückte sie, indem sie sich seufzend auf die Unterlippe biss und nuschelte: „Spiel deine kleingeistigen Spiele mit dir selbst, Vegeta. Ich habe keine Zeit, mich in einem sinnlosen Kampf mit dir zu messen.“

 

„Interessant. Dabei ist es ein unbeschreibliches Gefühl, die Beute zappeln zu lassen“, gestand er seine wahren Absichten und strich zur selben Zeit mit zwei Fingern ihre Haarsträhnen nach hinten. „Und weißt du, wieso es so unbeschreiblich ist?“

 

Antworten konnte sie nicht. Viel zu entgeistert sah sie ihm ins Gesicht, ehe sie ihre Augen fest zusammenkniff und heftig ihren Kopf schüttelte.

 

„Nicht?“ Das überraschte ihn nicht. Woher sollte sie das auch wissen? „Nun, oftmals wiegt die Beute sich in großer Sicherheit – in falscher Sicherheit. Sie glaubt, dem Jäger überlegen zu sein. Aber“, erzählte er weiter, doch wurde seine Stimme immer leiser, „diese falsche Sicherheit schlägt schlagartig um, sobald die Beute ihre Niederlage realisiert. Die darauffolgende Angst wird umso größer. Angst, die den Jäger antreibt, ihn ernährt und animiert, die Jagd zu beenden.“

 

„Nein. Du... Du lügst“, stammelte sie, nachdem sie ihre blauen Augen öffnete und zu Vegeta hinauf sah.

 

„Finde es doch heraus? Aber denk gar nicht dran, abzuhauen“, murrte er durch seine gebleckten Zähne, als er ihr Vorhaben durchschaute und geistesgegenwärtig handelte. Zwar wäre die Flucht für ihn spaßig gewesen, aber er wollte ihr nicht das Gefühl geben, dass sie ihn überlisten konnte. „Du wirst schön hierbleiben“, fügte er anschließend hinzu, während er sein rechtes Bein zwischen ihre schob.

 

Daraufhin sah Bulma fassungslos gen Boden – hinab zu seinem Bein, das gegen ihre Mitte gepresst worden war, um sie am Weglaufen zu hindern. Anschließend wanderte ihr Blick etappenweise nach oben, jedoch sah sie davon ab, weiter mit ihm zu diskutieren. Stattdessen öffnete sich ihr Mund und sie schrie: „Papa! Papa, komm schnell, ich bin im Labor.“

 

„Netter Trick, aber leider wirkungslos“, stieß er knurrend aus und berührte ihre Stirn mit seiner, nachdem er sich zu ihr nach vorne gebeugt hatte. „Deine Eltern sind außer Haus, was der Grund meiner Anwesenheit ist.“

 

Was? Ihre Eltern verließen das Haus und ließen Bulma mit diesem Monstrum alleine? Alleine mit Vegeta? „Wenn ich Son Goku erzähle, was du -“

 

„Ah“, lachte Vegeta auf und zog sich langsam von ihr zurück. „Sind deine Eltern kein geeignetes Druckmittel, greifst du auf Kakarott zurück? Schlechter Tausch, da weder Kakarott, noch deine Eltern etwas gegen mich ausrichten können.“

 

„Du würdest dich wundern!“

 

„Wach endlich auf, Fräulein. Ich bin der Prinz der Saiyajins und gehöre zur absoluten Elite“, schilderte er unliebsam, ohne ihre Bewegungen aus den Augen zu lassen.

 

„Ha, darauf verlässt du dich? Auf deine Abstammung? Nur zu, denn Son Goku und Kuririn würden dich in der Luft zerreißen!“, fauchte sie ihm angriffslustiger entgegen, da die Nähe zu ihm nicht mehr gegeben war, nachdem er sich von ihr entfernt hatte. Das verschaffte Bulma Luft, die sie dringend brauchte, um ihm entgegen zu funkeln.

 

„Der laufende Meter und Kakarott? Wird ja immer besser hier, aber sei dir darüber bewusst, dass nicht derjenige mit den meisten Soldaten gewinnt, sondern derjenige, der seine Soldaten am besten einzusetzen weiß.“ Ob er sich in seiner jetzigen Position gut fühlte? Mehr als das. Er fühlte sich unbesiegbar, da man sich hier vor ihm fürchtete. Hier konnte er das ausleben, was ihm im Palast untersagt wurde.

 

„Dann... Dann...“

 

„Hüte dich und sieh zu, dass du selbstbewusster wirst. Ansonsten wird Turles dich nicht wollen. Er mag keine ängstlichen Saiyajin-Weiber, die ihm zur Last fallen.“
 

„Ach ja?“

 

„Ja!“, fügte er mit geschwellter Brust hinzu, vor der er seine Arme verschränkte. „Oder glaubst du, ich hätte deine klimpernden Augen nicht bemerkt? Dann wäre ich wirklich blind.“ Es war offensichtlich, dass sie Turles mochte. Ja, ihre Blicke waren ihm aufgefallen und sie unterschieden sich deutlich von Vegetas Blicken, der selbst nahestehenden Personen jederzeit wütende Blicke zuwarf – im Gegensatz zu ihr. Oh ja, dieses Mädchen war so anders. Sie stach aus der Masse hervor und unterschied sich sowohl im Aussehen, als auch charakterlich von den anderen, was ihm tierisch auf den Sack ging. Allerdings erfreute er sich darüber, sie im Hinblick auf ihre Gefühle verletzt zu haben, woraufhin seine Schultern zu zittern anfingen – jedoch nicht vor Angst, sondern aufgrund seines intensiven Lachens.

 

Sie sollte mit den Augen geklimpert haben? Woran hatte sich Vegeta gestoßen, um solch einen Schwachsinn von sich zu geben? „Welche Hirngespinste dich auch verfolgen, du irrst dich. Davon aber abgesehen, geht es dich auch überhaupt nichts an.“

 

„Dann setz mich dem Weiberkram nicht aus.“

 

Es war sinnlos, sich weiter über ihn aufzuregen. Das tat sie schon in seiner Abwesenheit zur Genüge. Dieser selbstverliebte Trottel hatte sein Ziel erreicht und Bulma so weit getrieben, dass sie sich maßlos über ihn ärgerte, jawohl. „Schön, und was genau willst du jetzt hier?“ Die Distanz zu ihm tat ihr wahrlich gut. Auch ihre Körperspannung lockerte sich auf, nachdem nun schon mehrere Minuten vergangen waren, in denen er ihr nicht mehr zu nahe gekommen war.

 

„Gut, dass du es ansprichst“, ging Vegeta auf ihre Frage ein und hob seinen Zeigefinger. „Deine Eltern sind ja unauffindbar – keine Ahnung, was sie treiben. Ich will es ehrlich gesagt auch nicht wissen, aber da gibt es ein Problem.“

 

„Welches?“ Um ihn schnellstmöglich loszuwerden, sollte Bulma alsbald sein Anliegen klären.

 

„Ich hab Kohldampf! Treib was zu essen auf.“

 

„Tja Vegeta“, erwiderte Bulma, neigte ihren Kopf ein wenig nach unten und grinste schelmisch. Gleichzeitig verschränkte sie ihre Arme, lehnte ihren Rücken sanfter gegen die Wand und überkreuzte ihre Beine. „Das kann ich nicht. Wenn dein Vater“, fuhr sie fort und ihr Grinsen wurde breiter, „es nicht als Notwendigkeit ansah, dir kochen beizubringen, dann hast du schlichtweg Pech gehabt.“ Oh, es war toll, ihn in seine Schranken zu weisen und zu zitieren.

 

„Was sagst du da?“

 

„Dort hat der Maurer das Loch gelassen. Auf Nimmerwiedersehen“, warf sie belanglos in den Raum und zeigte zur Tür, ehe sie sich von ihm wegdrehte, um sich weiter mit ihrer Arbeit – die sie lange genug vernachlässigt hatte – zu befassen.
 

Vegeta verstand das Sprichwort nicht. Selbst wenn, hätte er es sowieso nicht beherzigt. „Ich soll was?“ Sicher, er fragte sie etwas, doch die Frage war einem Reflex geschuldet, weil er nicht fassen konnte, in welch einem Ton sie mit ihm sprach. „Sieh zu, dass du nach oben kommst. Du wirst mir was zu essen machen – und zwar jetzt.“ Vegeta war fassungslos, aber noch klar genug, um auf sie zuzugehen. Er würde sie über seine Schulter werfen und in der Küche einsperren, aber selbst dazu kam er nicht, weil sie sich offenbar wappnete, sich mit der Situation abgefunden hatte und nicht länger seiner Angst Platz machen wollte.

 

Nun, das würde ihr aber nicht gelingen.

 

„Du bist also noch nicht einmal fähig genug, dir ein Brot zu schmieren, Prinz der Saiyajins? Bedauerlich, weil du bloß den Kühlschrank öffnen müsstest.“ Abschließend warf sie ihm einen letzten vernichtenden Blick zu, bevor sie sich gänzlich von ihm abwandte und zu ihrem Schreibtisch zurückging – davon ausgehend, dass auch Vegeta ging, weil er sich ihre Unverschämtheit nicht länger antun wollte.

 

Und Vegeta ging. Er verließ kommentarlos das Labor, woraufhin sie ausatmend über ihre Schulter zur mittlerweile wieder verschlossenen Tür sah und achselzuckend auf die Blätter zurückblickte, diese sortierte und einen Ordner hervorzog, um sie später darin abzuheften. Im späteren Verlauf würde sie die restlichen Daten in ihrem Computer speichern, der im Hinblick auf Simulationen viel praktischer war als ihre Zeichnungen. Außerdem war ein Rechner effizienter, was Ordnung betraf. Nirgends würden unnötige Papiere herumfliegen, man müsste sich nicht durch sämtliche Ordner quälen.

 

Allerdings besagte ein irdisches Sprichwort, dass das Genie das Chaos beherrschte, wohingegen der Primitivling in Ordnung lebte.

 

Wie dem auch war, Bulma schaltete ihren Computer ein und entnahm die Kanne Kaffee aus der Maschine, um ihre Tasse zu befüllen, während der Rechner hochfuhr. Daraufhin setzte sie sich deutlich entspannter auf einen der vielen Tische, blies den Dampf zur Seite und genoss das schwarze, koffeinhaltige Heißgetränk.

 

Eindeutig. Kaffee galt nicht umsonst als anregendes Getränk.

 

Während sie diesen genoss und auf die Bereitschaft ihres Computers wartete, schloss sie die Augen und dachte über den Kleinkrieg mit Vegeta nach, der ihrer Meinung nicht nötig wäre, da es genügte, ihm das zu sagen, was man von ihm dachte. Unterdessen ruhten ihre Lippen auf dem Rand der warmen Keramik, wodurch ihr die erneute Anwesenheit ihres erklärten Feindes entgangen war, der auf leisen Sohlen zurück geschlichen war – mit einer riesigen Überraschung im Gepäck.

 

Lediglich der laute Aufprall ließ Bulma aufschreien. Sogleich fiel ihre Tasse zu Boden, die unverzüglich in tausend Einzelteile zersprang und die schwarze Flüssigkeit den Boden benetzte, sowie die Schubladen des Tisches besprenkelte.
 

„Hier!“

 

Wie ein aufgescheuchtes Reh sah sie zur Tür, ehe das Reh den Blick abwandte und in den Lichtkegel des heranrasenden Autos sah und zur gegenüberliegenden Wand starrte, wo sie einen gigantischen Riss erkannte, der sich vom Boden bis zur Decke erstreckte. Folglich entdeckte sie auch die Ursache des lauten Knalls – nämlich den brief'schen Kühlschrank, der seitlich und mit offener Tür am Boden lag.

 

„Spinnst du?“ In Ermangelung besserer Worte kam ihr bloß diese Frage über die Lippen.

 

„Nein, ich habe deinen Rat befolgt, aber wie du siehst, ist der Kühlschrank leer.“
 

Bulma war immer noch wie gelähmt. Vegeta hatte tatsächlich den Kühlschrank zu ihr ins Labor getragen. „Meinst du das ernst? Trag sofort den Kühlschrank zurück.“
 

„Nö.“

 

„Und ob. Dass du ihn ersetzen wirst, muss ich nicht sagen, oder?“ Ohne Umschweife war sie zum Kühlschrank gegangen, wovor sie in die Hocke ging, um sich den weiteren Schaden darin anzusehen. Zähneknirschend versuchte sie die Scherben der gesprungenen Glasplatten zu entfernen, während sie zornig hinzufügte: „Ist es eigentlich normal, dass Saiyajins fremdes Eigentum mutwillig zerstören? Liegt das in deren Natur?“

 

„Genau das macht einen Saiyajin aus. Es kümmert uns“, betonte er, weil auch sie eine Saiyajin war, „nicht im Geringsten, ob wir fremdes Eigentum zerstören. Es geht lediglich um unseren Stolz, um Gold, um Macht und darum, dem Universum zu zeigen, wer die stärkste Rasse ist.“

 

„Du bist ein widerliches Etwas“, teilte sie ihm unverblümt mit, nachdem ihr Körper herumwirbelte. Wenn diese Eigenschaften einen Saiyajin ausmachten, hatte Vegeta hier nichts mehr verloren. Das müsste auch ihr Vater einsehen, dem sie unverzüglich davon berichten würde und es war ihr egal, ob sie eine Petze wäre. „Was würdest du sagen, wenn ich mich in deinem Zimmer austobe?“

 

„Wird nicht passieren, da sich in meinem Zimmer nur prädestinierte Saiyajin-Weiber austoben – wenn du verstehst“, entgegnete er frivol. „Aber um das Ganze endlich abzuschließen, rate ich dir, nach oben zu gehen und zuzusehen, dass du mir was essbares auf den Tisch stellst. Glaub mir“, fuhr er nahtlos fort und lehnte seine Schulter gegen den Türrahmen, „ich habe noch viele Dinge gesehen, die meiner Zerstörungswut, aufgrund meines Appetits, nicht standhalten.“

 

Wenigstens hatte sie die Wahl, sich zwischen Krieg und Frieden zu entscheiden und Bulma würde immer den Frieden wählen. Ja, immer. Selbst wenn Vegeta im Endeffekt gewann und seinen Willen bekam, aber Bulma wollte keinen weiteren Kampf riskieren. Die letzten Aufeinandertreffen hatten an ihren Kräften gezehrt und sie war des Kampfes wirklich müde geworden.

 

„In... In Ordnung, aber ich muss in die Stadt fahren. Meine Mutter scheint vergessen zu haben, dass wir... dass wir ein unersättliches Großmaul durchfüttern müssen.“ Zack, dieser Seitenhieb hatte sie wieder für sich entscheiden können. Immerhin etwas, dachte sie, als sie den Raum verließ und nach oben ging. „Was möchtest du?“ Nachdem sie keine Antwort vernahm, glaubte sie, dass er im Labor geblieben wäre, weswegen sie sich verdutzt umdrehte und doch erschrak, als er so dicht hinter ihr stand und mit gehobener Augenbraue ihren Blick erwiderte.

 

„Mir egal. Hauptsache, ich bin am Ende satt.“

 

Argwohn überzog Bulmas Gesicht, denn sie rechnete mit Widerstand, mit einer Retourkutsche, aber nichts dergleichen passierte. Stattdessen hatte er ihr normal geantwortet. „Gut.“

 

„Ach, und übrigens.“ Rechtzeitig hatte er ihr Handgelenk greifen können, bevor sie sich umdrehte und weitergehen konnte. So war sie aber gezwungen, stehen zu bleiben und ihn anzusehen. „Ich glaube nicht, dass mich deine Mutter vergisst. Schließlich, so waren doch ihre Worte, bin ich ein hübscher, attraktiver Mann, nicht wahr?“

 

Nein, er würde ihr die Schamesröte nicht ins Gesicht treiben. „Das kommt auf den Betrachter an, Vegeta, denn nicht jeder glänzende Stein ist automatisch ein Diamant“, informierte sie ihn verlegen und entzog hastig ihre Hand aus seinem Griff. „Aber wenn dir das wichtig ist, dann -“

 

„Unterstell mir nichts, was nicht stimmt und überlege dir in meiner Gegenwart immer genau, was du sagst. Es könnte nämlich das letzte sein, was du sagst“, drohte er ihr mithilfe der nötigen Strenge in seiner Stimme an. „Und so leid es mir tut, es lässt sich nicht vermeiden, dass wir aufeinanderstoßen, dennoch solltest du deine Worte peinlichst genau abwägen, bevor sie deinen Mund verlassen und womöglich auf Gegenwind stoßen könnten.“ Er bräuchte normalerweise keinen einzigen Griff, um sie Schachmatt zu setzen, aber als er sie im Labor berührte... das hatte er gar nicht steuern können. Sein Instinkt hatte die Nähe zu ihr gewollt, weshalb er dieses Mal standhaft blieb und nicht dem nachgab, was sein Kopf scheinbar wollte.
 

Sie hingegen war kommentarlos geflüchtet, ohne ihn eines weiteren Blickes, gar einer Antwort zu würdigen. Nein, sie hatte ihre Beine in die Hand genommen und war abgehauen, da sie anscheinend seine Worte verstand und verinnerlichte.
 

 
 

~*~
 

Diese dumme Gans. Sie war doch niemals, nie und nimmer, einkaufen.
 

Vor zwei Stunden verließ sie das Haus. Vor zwei Stunden!
 

Seitdem saß er hier, hielt geduldig die Gabel in seiner Hand, starrte auf den nun leeren Platz, an dem einst der Kühlschrank stand und passiert war nichts. Richtig, gar nichts, was seinen Geduldsfaden außerordentlich strapazierte. Ob er mit ihr – wie nannte sie es noch gleich? – in die Stadt hätte fahren sollen? Als er jedoch das seltsame Ding sah, in das sie gestiegen war, überdachte er seine Idee schnell. Niemals! Keine zehn Pferde hätten ihn in dieses Teil kriegen können.
 

Erstaunlich, wie sie sich seit drei Tagen verstecken konnte. Vegeta war es nur recht. Als er aber ihre Eltern nicht fand, musste er notgedrungen auf sie zurückgreifen. Vegeta selbst hatte seine Tage damit verbracht, in die Berge zu fliegen um dort zu trainieren... Wie lächerlich. Das alles hätte er auch von Zuhause erledigen können, denn er lernte hier einfach gar nichts – viel mehr wurde er ja in seinem Tun und Denken unterstützt. Man bot ihm nicht wirklich die Stirn, man verbot ihm nichts, sondern ließ ihn ziehen – weshalb also dieses Affentheater? Vegeta verstand es nicht. Hinzu kam das Warten. Dieses unendliche lange Warten auf ihre Rückkehr, die gar nicht erst erfolgte.

 

Wo war sie bloß abgeblieben, verflucht?
 

Dahingehend sah er sich gezwungen, ihr zu folgen, denn sein Hunger wurde nicht gesättigt, indem er Luft einatmete. Ebenso seine Wut, die kontinuierlich anstieg. Schäumend knallte er das Essbesteck auf den Tisch zurück, erhob sich und hielt inne, als er die Tür ins Schloss fallen hörte. Seine Augen zogen sich eng zusammen und mit geballten Fäusten wollte er diesem Weib entgegentreten, ihr nochmals – da es nötig war – nahelegen, wie gefährlich er sein konnte. Doch stattdessen sah er in die überraschten Gesichter ihrer Eltern, nachdem er in den Flur trat.

 

„Oh! Vegeta, hallo“, kicherte ihre Mutter künstlich, ehe sie sich ihm zügig näherte und die Einkaufstüten neben ihm abstellte. „Was machst du denn hier?“
 

„Ich... Ich dachte, Bulma wäre zurückgekommen.“ Diese Frau brachte es mit ihrer nervigen Art fertig, ihn aus dem Konzept zu bringen. Unfassbar.
 

Bulma?“, erhob die schwarzhaarige Saiyajin erfreut ihre Stimme. „Du hast auf Bulma gewartet? Oh, ist sie denn nicht hier?“
 

Nein, verfluchte Scheiße! Offensichtlich war sie nicht hier. War er nur von Idioten umgeben? Woraus bestand sein Volk? Aus unzähligen Vollidioten. „Nein, sie ist nicht hier. Sie wollte in die Stadt fahren, weil ich Hunger hatte“, gab er unverblümt zu.
 

„Ohhh, sie wollte dir etwas kochen? Wie reizend.“
 

Oh Gott, ihre Mutter war dumm wie trocken Brot. Wenn sie wüsste, wie er ihre Tochter dazu aufforderte, ihm etwas essbares zu beschaffen, würde sie gewiss nicht so erfreut und übereifrig sein. Wenigstens enttäuschte ihn ihr Vater nicht, dessen Ausdruck sich unmittelbar nach Vegetas Aussage zu verändern schien. Ja, diesem alten Mann waren die Gefahren, die in der Stadt lauerten, bekannt. Ganz offensichtlich. Er schien sich auch nicht in die Irre führen zu lassen und zu erahnen, inwiefern Vegeta seine Tochter aufgefordert hatte, doch schwieg er beharrlich.
 

„Ich werde sie suchen gehen“, schlug Vegeta heuchlerisch vor, denn aufgrund von Sorge machte er sich den Weg sicher nicht. Nein, ganz bestimmt nicht. Der wahre Grund war, weil er stinksauer war und seit zwei Stunden auf sie wartete.
 

„Ja, tu das bitte“, erwiderte Panchy und kniff Vegeta grinsend in die Wange. „Du bist so ein zuvorkommender Mann, Vegeta. Bulma kann sich glücklich schätzen, dich bekochen zu dürfen. Deine Anwesenheit ist herrlich erfrischend und sag Bulma doch bitte, dass wir einkaufen waren. Und wenn ihr nach Hause kommt“, fügte sie erfreut hinzu und Vegetas Wange weiterhin fest im Griff, „erwartet euch ein köstliches Abendessen.“
 

Schnell hatte er sich von der Frau loseisen können. Allerdings verließ er das Haus nicht ohne seinen Scouter. Eilig war er nach oben gerannt, doch bevor er seine Tür öffnete, blieb er stehen und sah den Gang entlang. Zwei Zimmer weiter sah er die offen stehende Tür und er glaubte zu wissen, wessen Zimmer sich dahinter verbarg. Seine geschlossenen Augen halfen ihm, die naheliegende Umgebung schneller zu kontrollieren und als sich seine Augen langsam öffneten, schlich sich ein böses Lächeln auf seine Lippen.
 

Er zog die Hand von seiner Tür zurück und ging zu ihrem Zimmer. Aber auch hier hielt er an, bevor er das Zimmer betrat. Sie war so kleinlich, da es ihm unglaublich schwer fiel, an Zufall zu glauben. Dieses Weib würde doch niemals ihre Tür offen lassen – schon gar nicht, wenn er im Haus war, oder?
 

„Clever, aber nicht clever genug.“ Feixend brach er den Ast einer herumstehenden Pflanze ab, um diesen durch die Tür zu werfen und gerne – ja, sehr gerne – hätte Vegeta aufgelacht, nachdem ein Wassereimer über der Tür zum Vorschein kam, der unverzüglich auf den Boden krachte und den ausgebreiteten Teppich benetzte. Danach wartete er noch ein wenig, doch würde es ihn nur aufhalten, wenn er länger hier verweilte. Mit nach oben gestrecktem Kinn ging er zur Tür, um nachzusehen, weshalb der Eimer nach unten fallen konnte. Und tatsächlich schimmerte ihm etwas rotes entgegen, je näher er gekommen war.
 

War das ein Sensor, der einen Mechanismus auslöste, sobald man das Zimmer betrat? Es konnte nur so sein. Wie sonst hätte der Eimer fallen können? Irgendetwas musste den Fallmechanismus ausgelöst haben.
 

Dieses Weib war allemal erfinderisch – ohne Zweifel. Lachend, weil sie ihn eben nicht überlisten konnte, betrat er das Zimmer und setzte diabolisch grinsend einen Fuß durch die Tür, doch er hatte die Rechnung ohne Bulma gemacht. Vegeta konnte gar nicht schnell genug reagieren, da plumpste bereits der zweite Wassereimer über ihn, der nicht – wie der erste – ihren Teppich, sondern Vegeta einsaute. Allerdings... Moment! Seine Hand fuhr schleppend nach oben zu seinem Haar, als ihm etwas grünes auf seiner Kleidung und dem Boden aufgefallen war.
 

Nein! Nein, das... das war nicht wahr? Schlimm genug, dass seine Haare getroffen wurden, aber seine Rüstung?
 

Nachdem er seine Hand vor sein Gesicht hielt, verengten sich seine Augen. Starr vor Schreck, blickte er zu seiner Hand - eine Hand, welche in grünen Glibber getaucht war... Etappenweise wanderte sein Blick zu Boden, wo er eine Notiz am Henkel des Eimers sah. Stoisch - denn er musste Haltung bewahren, um seine Wut vollständig auf sie zu reflektieren - griff er danach, drehte das Papier und das war es, was das Fass zum Überlaufen brachte.
 

Erbost und Zähnefletschend zerknitterte er den Zettel, der anschließend zu Boden fiel. Jedoch war Vegeta schneller in seinem Zimmer verschwunden, als der Zettel überhaupt auf dem Boden landen konnte. Blindwütig hatte er seinen Scouter geschnappt, ihn an der ihm zugedachten Stelle platziert und war unweigerlich darauf aus dem Fenster geflogen – gepaart mit seiner Wut, sowie dem grünen Glibber, der seinen Körper schmückte. Tja, und auch ihren Zettel hatte er nicht vergessen. Schon gar nicht den genauen Wortlaut.
 

Reingefallen, Vegeta! Dummheit muss bestraft werden und grün steht dir ganz ausgezeichnet.

- Bulma
 

Dieses Weib hatte keine Scheu, ihm ganz ehrlich zu schreiben, dass sie hinter dieser Attacke steckte. Nun, dann sollte sie auch seinen blanken Hass zu spüren bekommen, denn Vegeta befand, dass die Röte in ihrem Gesicht - wenn ihm grün so ausgesprochen gut stand – ihr ganz wunderbar stand, solange er der Ursprung dafür war. 

Wer nicht hören will, muss fühlen

Jeder von uns ist sein eigener Teufel, und wir machen uns diese Welt zur Hölle.

- Oscar Wilde


 

 
 

~*~

 

- Kapitel acht -


 

Zischend betrachtete er einige Sekunden den großen Krater, welcher nach Vegetas unsauberen Landung entstanden war, ehe er sich kopfschüttelnd abwandte und seinen Weg fortsetzte – zu ihr. Zu dem Weib, das ihn gedemütigt hatte. Ja, sie alleine beschwor die angefangene Polemik gegen ihn hinauf und nun musste sie mit den Konsequenzen leben. Völlig neben sich stehend hatte er sogar vergessen, sich den grünen Glibber aus den Haaren, sowie seiner Kleidung zu waschen, allerdings spielte das – angesichts seiner schäumenden Wut – keine Rolle. Zielorientiert war er dem piependen Signalton seines Scouters gefolgt, um schlussendlich vor einem Gebäude anzukommen, das man ungern alleine betrat. Es war eine Spelunke, um das Kind beim Namen zu nennen – schmutzig, heruntergekommen, abartig... Einfach widerwärtig, aber die graue, triste Fassade passte zu ihr und ihren verabscheuungswürdigen Ansichten. Abschließend sah er nach oben gen Himmel, jedoch erspähte er viel mehr das herunterhängende Schild des Ladens. Jeden einzelnen Buchstaben, der auf das marode, von Moos überzogene Holz geschmiert worden war, hatte er sich angesehen, bevor er entschied, sich der Holztür zu nähern. Seine schweren Stiefel stampften über den Boden und zeitweise überkam ihn Angst. Davor, von Elite-Kämpfern gesehen zu werden, die folglich zu seinem Vater rannten und den König darüber in Kenntnis setzen würden, in welchen Gegenden sich der königliche Sohn herumtrieb. Aber das war noch abwegiger, da man sich nur selbst ins Fleisch schneiden würde, oder? Niemand der königlichen Garde würde zugeben, sich in solchen Absteigen herumzutreiben, nicht wahr?

 

Wie dem auch war. Es war Vegeta mittlerweile egal geworden. Sein Vater interessierte sich sowieso nicht dafür. Viel mehr ging es dem König um Macht und darum, seinem Sohn zu zeigen, wer am längeren Hebel saß. Weswegen sich also Sorgen machen? Zumal Vegeta – sollte sein Vater jemals davon erfahren – ihm somit zeigen konnte, wie sehr er auf die königlichen Anweisungen spuckte und zusätzlich Bulmas Vater in Bredouille brachte.

 

Das war doch auch ein netter Zeitvertreib.
 

Außerdem suchte er nach diesem seltsamen Ding, das Bulma in die Stadt gebracht hatte. Aber er war zu langsam gewesen, um besagtes Gefährt tatsächlich zu erkennen. Lediglich den Qualm, der den quietschenden Reifen geschuldet war, hatte er durch die Wolkendecke sehen können, weshalb er nach genau diesen Merkmalen suchte. Noch nie zuvor hatte er etwas ähnliches gesehen, aber wunderte er sich wirklich noch darüber? Schließlich waren ihr Vater und Bulma Erfinder, die banalen Hirngespinsten nachjagten, darauf bauend, am Ende des Tunnels eine geniale Entdeckung zu machen. Zuzüglich fragte er sich, ob jeder Erdling ein solches Ding sein Eigen nennen konnte und es erschütterte ihn, über einen fremden Planeten nachzudenken und den dortigen Kulturen und Sitten Aufmerksamkeit zu schenken. Vegeta würde es sowieso nie erfahren, da er sich für andere Gepflogenheiten nicht interessierte.

 

Hinzu kamen die Gedanken, wie sich das blauhaarige Weib womöglich auf seine Kosten im Innern der Kneipe amüsierte, während er zuhause gewartet hatte, ehe er sich auf den Weg machte, um nach ihr zu suchen. Angesäuert stand er vor der Tür, umfing die Klinke und hielt dennoch inne, statt das Innere zu betreten. Sein Blick war automatisch zu einer engen Gasse gewandert. Missmutig erkannte er, dass jener Weg ihn zum Palast führen würde und die Versuchung, seinen Vater aufzusuchen, war verdammt nochmal gewachsen. Insgeheim musste er sich zwingen, seine inneren Dämonen überwinden und zur geschlossenen Tür zurückblicken, die er im Anschluss schwungvoll nach innen schob und von Dampf umhüllt wurde. Doch statt gehässig aufzulachen, gesellte sich zu seiner Wut noch mehr Zorn. Mit Sicherheit amüsierte sich auch sein Vater über ihn, wie das Weib, das in den Räumlichkeiten dieses... dieses Etablissements vorzufinden war. Ja, sicherlich taten sie das, während Vegeta sich damit herumärgern musste, eben jenes Mädchen einzusammeln und nach Hause zu bringen.

 

Zum Kotzen. Nicht nur, dass sie ihn in seinem Stolz gekränkt hatte, nein, sie hatte ihn auch überlistet und entsprach in diesem Moment wohl überhaupt nicht den Erwartungen, die sein wertgeschätzter Vater an ihn stellte. Im Gegenteil. Vegeta vergaß sowohl sich, als auch die Prinzipien, welche man von ihm als Sohn des Königs erwartete. Stattdessen keimte die alte Lust wieder auf und er tat genau das, was er nicht machen sollte – Angst und Schrecken in die Gesichter seiner Gegenüber zaubern. Aber verdammt, er wollte wieder der Saiyajin sein, vor dem sich jeder fürchtete. Auch Bulma sollte ihn fürchten.

 

Andererseits dachte er auch an die Warnung seines Vaters und – so ungern er die Tatsache zugab – es schüchterte ihn wahrhaftig ein. Er wusste, was auf dem Spiel stand, wenngleich er keine Probleme hätte, sich alleine durch den Weltall zu schlagen, aber es gab immer noch die Kehrseite: Er dürfte nie wieder zurückkommen, Vegeta würde seinen Anspruch auf den saiyajinischen Thron verlieren. Zugegeben, würde er König werden, müsste er sein Training auf das Nötigste beschränken, aber – und das war jenes aber, das man nie hören wollte, sobald es ernst wurde – er wäre der rechtmäßige Herrscher Vegeta-Seis, was er um jeden Preis werden wollte. Jene Privilegien, die man als König genoss, wollte er an sich reißen. Vegetas Entscheidungen würde niemand mehr anzweifeln, seine Beschlüsse würde niemand mehr behindern. Vegeta hätte freie Hand, hinsichtlich seiner Verdikte, seiner Art, sowie seiner Dekrete, welche er anordnen würde. Und genau das war es, was den jungen Saiyajin zur Räson zwang.

 

Gott verdammt, er musste sich zusammenreißen, weil er das elende Weibsbild für all seine diffusen Gedanken – die ihn ins Chaos zu stürzen drohten – bluten lassen wollte. Bis auf den letzten Tropfen, den ihr jämmerlicher, wenngleich auch ansehnlicher, zierlicher Körper eben hergab.

 

Letztendlich musste er die Tür passieren, da bereits zahlreiche Gesichter zu ihm sahen, anlässlich der Zugluft, welche durch die Räume zog. Wenigstens erkannte man ihn nicht sofort, weswegen er sich in Ruhe umsehen und das Mädchen suchen konnte. Indessen drang er tiefer in den abgedunkelten Raum ein, umsichtig ging er an mehreren Tischen vorbei, an denen ältere Herrschaften beisammen saßen, die anhaltend zur Theke sahen, wohin auch Vegetas Blick letztlich wanderte.

 

Anders als Vegeta, schienen die Personen ihn nicht zu bemerken, die plaudernd am Tresen saßen und Krüge vor sich stehen hatten. Geradewegs wollte er sich ihnen nähern, als plötzlich einer der Saiyajins aufstand und zu ihm torkelte. Unverzüglich umhüllte ihn, neben den Rauchwolken, der Duft von hochprozentigem Alkohol, woraufhin der Prinz angewidert die Nase rümpfte und sich zeitgleich an dem Betrunkenen vorbei zwängen wollte.

 

„Werter Herr, Sie... Sie scheinen alleine unterwegs... zu sein?“, nuschelte der unbekannte Saiyajin mühsam, während er sich an der Rückenlehne eines Stuhls abstützen musste.

 

Daraufhin blickte auch Vegeta ihn an. Genervt studierte er die glasig roten Augäpfel des Fremden und es erzürnte ihn bloß mehr, als er sah, was aus Saiyajins wurde, die am Rande der Stadt lebten.

 

Waren Saiyajins keine stolzen Geschöpfe? Wo war der Stolz derjenigen, die ihr Dasein hier fristeten? Hatten sie ihre Würde gänzlich verloren?

 

„Wollen... Wollen Sie uns... Gesellschaft leisten?“, fragte der ergraute Saiyajin höflich, ehe er hinter sich zeigte – zu einem Tisch, an dem weitere Männer saßen und Karten spielten.

 

„Kein Bedarf“, winkte Vegeta entnervt ab. Selbst der Bart des unbekannten Mannes war vergilbt und zeugte davon, wie armselig er war... Wie... Wie schlecht es ihm in Wirklichkeit ging, aber das war es nicht, was ihn primär störte. Was ihn nervte, war, dass er angesprochen wurde, auf eine Art, die man nur mittellosen Individuen entgegenbrachte.

 

„Warte!“ Der Saiyajin wirkte urplötzlich klar, als der Jüngere von beiden an ihm vorbei schritt. Geistesgegenwärtig hatte der Ältere nach dem Arm des jungen Mannes gegriffen, ihn zu sich herumgedreht und ausgiebig sein Gesicht gemustert, bevor er skeptisch fortfuhr: „Ich... Ich habe das Gefühl, als... als würde ich dich kennen.“ Vergeblich versuchte er unterdessen auf den Namen seines Gegenübers zu kommen, doch es gelang ihm nicht. Aber er wusste, irgendwo hatte er diese markanten Gesichtszüge schon einmal gesehen. Bloß wo?

 

„Du irrst dich“, erwiderte Vegeta knurrend. Im Anschluss wanderte seine Hand zu der Pranke desjenigen, der es gewagt hatte, ihn anzufassen. „Wir kennen uns nicht“, schob er hinterher und entfernte die Hand, die unerlaubterweise auf ihm gelandet war. Zu groß war die Gefahr, dass er doch die Fassung verlor und ausrastete. Daher galt die Devise, jeglicher Gefahr zuvorzukommen, sie zu eliminieren und einen möglichen Aussetzer zu vermeiden. „Und jetzt empfehle ich dir, dass du Land gewinnst“, fügte er bissig hinzu, ohne den Mann zu Wort kommen zu lassen. „Haben wir uns verstanden?“

 

Dieses Gesicht... Dieser Tonfall... Ja, eindeutig. Es bestand keinerlei Zweifel mehr und der fremde Saiyajin wusste, wen er vor sich stehen und unerlaubterweise berührt hatte. Prinz Vegeta war es, der den Laden betreten hatte. „König- Königliche Hoheit, verzeiht!“ Augenblicklich hatte der Alte eine demütige, ehrfürchtige Haltung eingenommen, die sofort unterbrochen wurde, nachdem der Prinz den Kragen des Mannes packte und zu sich heranzog. In den pechschwarzen, klaren Augen, angestrahlt von den Kerzen, die aufflackerten, erkannte er die Abscheu, welche der Prinz für ihn – einen erbärmlichen Saiyajin – übrig hatte. „Ich hatte nicht die Absicht, Euch -“

 

„Geh mir endlich aus der Optik, alter Mann“, funkelte Vegeta ihm bösartig entgegen, da er nicht gewillt war, sich weiterhin mit diesem Etwas auseinanderzusetzen. Alleine der Umstand, dass er angefasst wurde, hatte ausgereicht, um ihn wieder einmal wütend zu machen, obwohl er jenen Zustand unbedingt vermeiden wollte. Daher war er selbst überrascht, dass er sich schnaufend loseisen und weitergehen konnte, ohne dem Mann körperlichen Schaden zuzufügen. Wobei es nicht mehr lange gedauert hätte...

 

Anschließend suchten seine Augen den Winkel, den er vorerst anvisiert hatte, um sich den schwatzenden Personen unbemerkt zu nähern. Schließlich war das Blau ihrer Haare unverkennbar. Man würde sie im Dunkeln leuchten sehen – so versessen war er darauf, ihre Erscheinung ausfindig zu machen. Es war, als würde er sich an ihr festklammern, weil er sie finden und zur Schnecke machen wollte. Darüber hinaus näherte er sich den zwei Damen immer mehr, bis er hinter ihnen – ohne von den anderen Anwesenden weiter wahrgenommen zu werden – zum Stehen kam und sich hörbar räusperte, ehe er seinen Kopf zwischen die Schultern der beiden drängte. „Störe ich?“

 

Seine Frage ließ eine der beiden Frauen hochschrecken, wohingegen Bulmas Begleitung entgegen seiner Erwartungen, angesichts der leeren Gläser, nüchtern zu ihm nach oben sah und eine Augenbraue anhob. Sie war unscheinbar, trotz ihres Gesichtsausdrucks, der darauf schließen ließ, dass sie alles andere als nett war. Doch was störte es ihn? Er war selbst nicht nett.

 

„Was machst du hier, Onna?“, wollte er zugleich von ihr wissen, nachdem er sich zurückzog, die Arme verschränkte und aufrecht hingestellt hatte, während er auf ihre Antwort wartete.

 

Skeptisch hatte Lunch dagegen ihre Hand auf Bulmas Schulter platziert, ehe sie sich zu ihr hinüberbeugte und flüsterte: „Du Bulma, kennst du diesen Schwachmaten etwa?“ Darauf folgte ein erneuter Blick zu dem männlichen Saiyajin, der ihre Unterhaltung gerade gestört hatte, weswegen sie Bulmas steife Haltung nicht weiter beachtete und stattdessen Vegetas Ausdruck fokussierte. „Was willst du von uns?“

 

Bulma hingegen hörte den beiden gespannt zu, während ihr Kopf nach unten sank und ihre Augen den klebrigen Tresen beäugten. Inständig hoffte sie, dass Vegeta ging, wenn sie ihm nicht antwortete, aber sie wusste es verdammt nochmal besser. Er würde nicht gehen... Nein, er war ihretwegen hierher gekommen, um Bulma zu desavouieren. Vegeta gehörte nämlich zu den Saiyajins, die sich nicht dafür interessierten, ob sie jemanden fertig machten oder nicht. Und wieder bewies er, wie wenig Taktgefühl er besaß. Schlimm genug, dass er sie aufsuchte. Noch schlimmer war jedoch, dass er abermals sprach.

 

„Was ist los? Antworte deiner Freundin und“, fuhr er knurrend fort, als auch er zaghaft seine Hand auf ihre Schulter legte, um ihren Körper zu sich herumzudrehen, „betrachte mich gefälligst, wenn ich schon etwas trage, was mir – deiner Meinung nach – so ausgezeichnet gut steht.“

 

„Bitte was?“, entfuhr es Lunch, statt Bulma, die ungläubig zwischen den beiden ungleichen Saiyajins hin und her sah. „Bulma, wovon redet dieser Saiyajin? Wer ist das?“

 

„Ja, erzähl ihr doch, wer ich bin“, pflichtete Vegeta der unbekannten Saiyajin hämisch bei. Allerdings war es nicht gut, dass er sie berührt hatte, da er es zu genießen schien, in ihrer Nähe zu sein. „Oder bin ich dir zuwider?“

 

„Stopp“, unterbrach Lunch ihn, bevor sie sich zum wiederholten Mal an Bulma wandte, die noch gar nicht die Zeit gefunden hatte, sich überhaupt zu rechtfertigen. Stattdessen war es Lunch, welche die Zügel in die Hand nahm. „Ist das etwa der Saiyajin“, begann sie und ihre Stimme wurde immer leiser, während sie Bulma im Auge behielt, „den du magst?“ Im Anschluss hob sie ihren Blick und betrachtete Vegeta stumm von unten bis oben, ehe sie sich erneut an Bulma wandte und argwöhnisch hinzufügte. „Hm... der sieht aber gar nicht aus wie der Saiyajin, der Kakarott ähneln soll.“

 

„Lunch! Bitte sei still“, wisperte Bulma, deren Wangen wahrscheinlich rot glühten, weil es ihr unangenehm war, dass Vegeta all das mitbekam, was Lunch hinausposaunte.

 

„Deine Freundin scheint etwas cleverer zu sein als du, Onna. Kompliment.“ Folglich sah er wieder zur anderen Saiyajin, die wenigstens einer Saiyajin würdig war und anders als Bulma ihren Unmut deutlich zeigte. „Ich bin auch nicht derjenige, den du meinst“, stellte er außerdem schnippisch klar, da es einer Unverschämtheit gleichkam, dass er – Vegeta! - mit Turles verwechselt wurde.

 

Aber egal. Es konnte nur besser werden. Ja... Später, wenn er sie an ihren Haare in die Ruine schleifen würde. Dann wäre er zufrieden und beruhigt.

 

„Dann sag schon mal Auf wiedersehen, Fremder. Du bist an unserem Tisch nicht erwünscht. Es sei denn -“ Süffisant grinste Lunch ihm entgegen, bevor sie ihr Glas hob und den wenigen Inhalt eindrucksvoll hin und her schwappen ließ. „Du willst uns auf ein weiteres Getränk einladen – was absolut in Ordnung wäre.“ Zuzüglich klimperte sie mit ihren Wimpern, während ihre Augenbrauen auf und ab wippten, doch noch ehe sie lasziv grinsen konnte, stellte sie ihr Glas zurück und auch ihr Ausdruck wurde wieder ernster. „Wenn nicht, darfst du dich gerne verpissen.“

 

„Um Gottes Willen, Lunch“, wisperte Bulma aufgeregt, die mithilfe ihrer rechten Finger die Haut ihres linken Handrücken knetete, um zumindest etwas ruhiger zu werden. Jedoch bearbeitete sie ihre weiche Haut so fest, dass bereits rote Flecken zu sehen waren, die spätestens morgen zu Blutergüssen mutiert wären. „Du machst einen Fehler. Ich bitte -“

 

„Lass sie ausreden, Onna. Ihr Angebot war schließlich mehr als fair, nicht wahr?“

 

„Richtig“, bestätigte Lunch amüsiert. „So bin ich – immer fair“, ergänzte sie, um ihre frivolen Absichten weiter auszuschmücken.

 

„Lunch“, begann Bulma erneut, bevor sie nach der Hand ihrer Freundin griff. Sie musste etwas anderes tun, als die Tropfen in ihrem Glas anzusehen, die aufgrund seiner Stimme Wellen schlagen konnten – was die Gefährlichkeit seinerseits noch mehr verdeutlichte. „Das ist kein gewöhnlicher Saiyajin. Das ist -“

 

„Und ich schlage vor“, unterbrach der männliche Saiyajin die beiden Mädchen, „dass wir diesen Laden verlassen, bevor es hier richtig ungemütlich wird.“ Vegeta hatte schlichtweg keine Lust mehr, sich weiter mit diesem Quatsch zu befassen. Viel zu lange hatte er mit leerem Magen auf sie warten müssen und nun musste er sich tatsächlich mit diesem anderen Saiyajin-Mädchen auseinandersetzen, dessen Mundwerk dem seinen in nichts nachstand. Aber auch das war eine der vielen Schattenseiten eines Saiyajins, die letztendlich keine Grenzen kannten. Und wenn welche gezogen wurden, war ein Saiyajin im Stande, sie zu verändern, wenngleich zu überwinden. Außerdem – und das war der triftigste Grund, dass er endlich hier verschwinden wollte – war ihm das unbekannte Weib nicht geheuer. Ganz zu schweigen von ihren abartigen Andeutungen, ihren abnormen Anzüglichkeiten, für die Vegeta noch nie wirklich empfänglich gewesen war. Es gab in seinem Leben wichtigeres als sexuelles Verlangen – wie zum Beispiel seinen gottverdammten Magen mit Nahrung zu füllen.

 

„Ich glaube, du tickst nicht mehr ganz richtig, Junge!“, blaffte daraufhin Lunch, die ihren verletzten Stolz verteidigen musste. Zerrüttet und die Hand bereits über ihrem Holster, stand sie auf, ehedem sie sich vor ihre verschüchterte Freundin stellte. „Bulma entscheidet selbst, ob sie mit dir gehen will oder nicht. Aber so, wie ich sie einschätze, hat sie gerade keinen Bock, dich zu begleiten.“

 

„Scher dich weg, Weib“, knurrte Vegeta genauso herausfordernd, nachdem er den Oberarm des Mädchen packte und ihren Körper unsanft zur Seite stieß, um besser an Bulma heranzukommen. Auch ihren Arm packte er – allerdings behutsamer als den von Lunch – und zog ihren Körper zu sich heran, so dass er in ihr Ohr flüstern konnte: „Und du, Onna, siehst zu, dass du dich endlich bewegst, bevor ich dich nach Hause bringe – auf meine Art. Haben wir uns verstanden?“

 

„Vegeta, ich... ich möchte nicht -“

 

„Ist mir scheißegal. Du hast mich jetzt lange genug zum Narren gehalten. Wir gehen – jetzt!“ Kompromisslos zog er die junge Saiyajin auf die Beine, weg von dem Tresen, doch wieder mischte sich Lunch ein, die sich scheinbar sammeln konnte und wieder ihren Fokus auf das Wesentliche richten konnte.

 

„Jetzt reicht es aber. Wenn du nicht gehst, werde ich dich rauswerfen lassen“, fauchte sie resolut – noch immer die Hand am Holster. Sie war jederzeit bereit, ihre Waffe zu ziehen, um dem selbstgefälligen Ignoranten seine Grenzen aufzuzeigen. „Bulma, soll ich den Typen rauswerfen lassen? Er scheint nämlich etwas übermütig zu werden.“

 

„Ruf deine Leute, Mädchen“, forderte Vegeta sie derweil auf. „Aber beschwer dich am Ende nicht, wenn ich die Bruchbude in seine Einzelteile zerlege und deine Helden darunter begrabe.“

 

„Lunch, lass es bitte“, flüsterte Bulma neben ihm. Sie wollte nach vorne gehen, nach dem Arm ihrer Freundin greifen, um sie zur Räson zu bringen, da sie wusste, dass auch Lunch ihre Grenzen nicht kannte und einen Aufstand erzwingen würde – der definitiv zu ihrem Nachteil ausgehen würde. Schließlich kannte sie Vegeta nicht. „Ich... Ich werde mit ihm gehen und wir sehen uns die Tage, in Ordnung?“

 

„Aber Bulma, du kannst doch nicht -“

 

„Ist in Ordnung, Lunch. Wirklich“, nickte die blauhaarige Saiyajin beharrlich, da sie nun diejenige war, die gehen wollte, angesichts der zunehmenden Spannung. Sie wollte den Prinzen der Saiyajins unbedingt nach draußen bringen, bevor die Situation doch noch eskalierte. „Mach dir keine Sorgen.“

 

Zischend drehte die aggressive Saiyajin sich zur Seite, stemmte die Hände in ihre Hüften und stierte zu Vegeta hinüber, der blasiert und überheblich neben Bulma stand. Oh, wie gerne sie diesem Arsch das Lachen aus der Visage geschlagen hätte, aber vermutlich hatte Bulma recht... Dieses eine Mal müsste sie fünf gerade sein lassen und auf ihren verletzten Stolz spucken. „Gut, aber wenn etwas sein sollte... Du weißt, wo du mich findest, ja?“

 

„Und jetzt geh. Wir haben nämlich noch etwas zu klären, Fräulein.“

 

Bulma ignorierte seinen Wortlaut. Stattdessen drängte sie ihre Schulter widerwillig gegen seine, um ihn nach draußen zu drängen. Zum Abschluss winkte sie Lunch zu, bevor sie gemeinsam mit Vegeta die Absteige verließ und davor ihren Arm mühsam aus seiner Gefangenschaft befreite. „Kannst du mir jetzt erklären“, begann Bulma und blickte gleichzeitig zur Seite, während ihre Hand über ihren gegenüberliegenden Arm rieb, „wieso du mich auf die denkbar unwürdigste Weise aus der Kneipe abgeholt hast?“ Endlich hatte sie etwas Mut fassen und Vegeta die Stirn bieten können, doch zugleich baute er sich vor ihr auf, um ihr diesen augenblicklich zu nehmen.

 

„Wenn du deinen vorlauten Mund schon aufmachst, erkläre mir lieber, was das hier soll?“, betonte er und zeigte mit seinen Finger zuerst zu seinen verklebten Haaren, bevor er zu seiner verdreckten Kleidung hindeutete. „Ist das Mode, oder was soll der Scheiß? Dir ist darüber hinaus hoffentlich klar, dass du meine Kleidung waschen wirst.“

 

Empört darüber, öffnete sich ihr Mund, doch antworten konnte sie auch nicht, da Vegeta erneut das Wort ergriff.

 

„Mich wirst du selbstverständlich auch waschen!“, fügte er herablassend hinzu. „Jeden einzelnen Millimeter meiner nackten Haut, Onna.“

 

„Was?“ Sehr plakativ hatte Bulma ihren Zeigefinger gehoben, den sie sich außergewöhnlich oft gegen ihre Schläfe tippte. „Das werde ich bestimmt nicht tun“, echauffierte sie sich weiter, nachdem ihr Gesicht folglich zinnoberrot angelaufen war, angesichts dieser... Forderung.

 

Ha, innerlich amüsierte sich Vegeta köstlich, hinsichtlich ihrer Prüderie. Andererseits war es unglaublich anziehend, den Gedanken – dass sie ihn wusch – zu vertiefen. Allerdings war es aber auch genauso gefährlich, da er sich auf etwaige Gedankengänge gar nicht einlassen durfte. Schließlich, so hatte er doch eben festgestellt, war er doch gar nicht empfänglich, für derartige Dinge. Oder etwa doch? Verfluchter Saiyajin-Mist.

 

Nein, er war nie so gewesen. Er interessierte sich gar nicht für die sexuellen Belange, aber die Nähe zu ihr war animalisch, wodurch er beinahe die wichtigen Prinzipien vergessen hätte – ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ja, das war sein Ziel und nicht, wie ihre Finger über seinen bebenden Körper fuhren.

 

„Du wirst. Oder soll ich dich zwingen?“, formulierte er abschätzig, als er abermals nach ihrem Arm greifen wollte, um die Deutlichkeit seiner Drohung besser hervorzuheben. „Und jetzt geh endlich voraus, damit wir in die Baracke zurückkommen. Hunger habe ich nämlich immer noch.“ Im Anschluss stieß er sie genervt nach vorne, verschränkte die Arme vor seiner Brust und wartete darauf, dass sie etwas unternahm, um diesen Ort schnellstmöglich verlassen zu können.

 

„Ist ja gut“, lamentierte Bulma ängstlich und zog die Schatulle ihrer Hoipoi-Kapseln aus der Innentasche ihrer Weste. „Du solltest etwas zur Seite -“

 

„Mach schon!“

 

Mit geweiteten Augen drehte sie sich weg von ihm. Vorsichtig entnahm sie die Kapsel aus der Halterung, welche sie weit von sich warf und ein lauter Knall die Folge war, nachdem das Plastik den Boden berührte und etwas zum Vorschein kam, das Vegeta verdutzt aufblicken ließ. Es war genau das Teil, mit dem sie weggefahren war, nachdem er sie aufgefordert hatte, etwas zu essen zu besorgen. Danach blickte er skeptisch zu Bulma, die hastig das glänzende Blech umrundete und die Tür dieses... Dinges öffnete. Von weitem konnte er den Sitz erkennen, auf dem sich das Weib niederließ und zu hantieren anfing, nachdem sie geräuschvoll die Tür des unbekannten Objektes geschlossen hatte, woraufhin sich auch Vegeta mit hochgezogener Augenbraue näherte. Doch statt die zweite Tür zu öffnen, stellte er sich demonstrativ davor und begutachtete ihre hektischen Bewegungen im Innern.

 

„Was soll das werden? Steig aus“, forderte er streng, während er seinen Fuß gegen die polierte Stoßstange tippte.

 

Aufgewühlt, angesichts der Situation und der Angst, die sie vor Vegeta hatte, kurbelte sie das Fenster hinunter, streckte ihren blauen Schopf durch den Spalt und biss sich verlegen auf die Lippen, bevor sie zu sprechen anfing. Eigentlich hätte sie ihn anschreien und auffordern müssen, sofort den Fuß von ihrem Auto zu nehmen, aber wer wusste, wie er darauf reagieren würde? „Vegeta, du... du musst zur Seite gehen. Dann können wir auch sofort nach Hause fahren“, informierte sie ihn, obwohl es in ihr brodelte.

 

Fahren?“

 

„Ja... Das... Das ist ein Auto. Auf der Erde -“

 

Ah... Auto nannte man das mysteriöse Teil. „Auf der Erde?“, wollte er lachend wissen, legte den Kopf in seinen Nacken und wusste nicht, ob er weinen oder weiterhin lachen sollte. Aber er entschied sich für die Ernsthaftigkeit, weswegen sein Kopf unverzüglich zurückflog und sein Ausdruck ernstere Züge annahm. „Steig aus. Wir gehen zu Fuß!“

 

„Aber Vegeta, das -“

 

„Keine Widerworte. Steig aus, damit wir endlich zurückgehen können, verdammte Scheiße!“, donnerte er verdrießlich, und mit Genugtuung konnte er sehen, wie sie immer tiefer in den Sitz hineinsank und ihre Hände zwanghaft um das Leder des Rads legte, das vor ihrer Nase montiert war. „Ich hab Kohldampf und will endlich das Essen essen, das mir deine Mutter versprochen hat, die mir – um es gelinde zu sagen – tierisch auf den Geist geht.“

 

„Dann geh ihnen aus dem Weg.“

 

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich das täte“, informierte er sie nonchalant, während er sein Bein hob und seinen Fuß gegen das Metall drückte, das ihm entgegen schimmerte. „Lässt sich, angesichts der Umstände, aber nicht vermeiden. Ich könnte, aber dann müsstest du ohne deine Eltern leben und das willst du nicht, oder?“

 

„Bitte lass das. Ich steige ja schon aus“, beschwichtigte sie den unbändigen Saiyajin, der jenseits von Gut und Böse war. Es war überhaupt nicht kalt und doch fröstelte Bulma, als sie ausstieg und zu Vegeta ging, der nach wie vor den Fuß gegen ihren Wagen stemmte. „Können wir uns jetzt wie vernünftige Saiyajins benehmen?“

 

Vernunft... Sie erinnerte ihn gerade an seinen Vater, der selbiges von ihm erwartete. „Du erwartest Vernunft? Nach allem, was du dir -“

 

„Ich habe nichts schlimmes getan!“, wehrte sie seine unausgesprochenen Vorhaltungen ab, die mit Sicherheit sowieso nicht der Wahrheit entsprochen hätten, da Bulma sich bisher gar nichts zu Schulden kommen ließ – abgesehen von dem Eindringen in den Palast. „Im Gegensatz zu dir. Du benimmst dich wie ein -“

 

„Wie ein was?“, wollte er wissen, nachdem sich seine Hand kraftvoll um ihre Wangen schmiegte. „Wie ein Kind, ja? Wolltest du das sagen?“ Kurz pausierte er, aber sie antwortete ihm schon wieder nicht, was ihn immer mehr in Rage versetzte, da sie augenscheinlich nicht zu dem stand, was sie dachte. In seinen Augen war sie – neben ihrem hübschen Aussehen – eben doch nur eine elende Heuchlerin, die austeilen wollte, doch sobald es darum ging, das Echo zu vertragen, in sich zusammenfiel. „Nenn es wie du willst, Onna. Letztendlich ist es mir scheißegal, was du von mir denkst, denn solange ich meinen Willen bekomme, ist mir der Weg zum Ziel echt egal.“ Nachfolgend packte er ihre Hüften, drehte sich rasch mit ihr um und zwängte ihren Körper zwischen die Motorhaube und seinen Körper, bevor er seine Hände neben ihrem Kopf platzierte und sich gefährlich nahe ihrem Gesicht näherte. „Ungünstige Position, nicht wahr?“

 

„Nein, geh weg!“, schrie Bulma panisch auf, als ihr die tatsächliche Verfänglichkeit aufgegangen war. Indessen trommelten ihre zitternden Hände gegen seinen Brustkorb, was ihm lediglich ein Lachen entlockte. „Vegeta, lass mich sofort aufstehen.“ In ihrer Verzweiflung versuchte sie, ihn zu treten und dort zu treffen, wo es am meisten schmerzte. Jedoch war Vegeta ihr immer einen Schritt voraus, weshalb er gekonnt ihren Tritt abfangen und ihr schwebendes Bein festhalten konnte. „Vegeta, lass los!“

 

„Dann unterlass solche hirnrissigen Versuche. Allerdings ist es beeindruckend, wie du trotz deiner Angst versuchst, mir Einhalt zu gebieten – wenn auch mit mäßigem Erfolg.“

 

Ob ihre Ambitionen hilfreich waren oder nicht. Zumindest erreichte sie, dass er in seinen Bewegungen inne hielt und nicht weiter gegen Bulmas Körper stieß, geschweige denn sie weiter in die Enge trieb. Und genau das nutzte das verschüchterte Mädchen, um Vegeta hart gegen die Brust zu schlagen, wodurch er sich aufrichtete und Bulma zur Fahrertür rennen konnte, sie öffnete, das Fenster nach oben kurbelte und das Auto verschloss. Des Weiteren kramte sie den Schlüssel des Fahrzeugs aus der Seitentasche, um den Motor zu starten, doch ehe sie das Gaspedal durchtreten konnte, stand Vegeta wieder vor der Motorhaube – den Fuß erneut gegen die Stoßstange gelehnt.

 

„Du wirst nicht wegfahren.“ Es grenzte fast an Körperverletzung, als er sich zusammenriss und nicht über sie herfiel. Zum Glück war sie es, die das Ganze unterbrach, da Vegeta nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, dass er sich hätte zurückhalten können – sofern es zum Kuss gekommen wäre. Verdammter Scheiß, und es wäre dazu gekommen. Ganz sicher.

 

Dass er so einfältig war, hätte er nicht gedacht. Dass solche Banalitäten ihn derart aus der Fassung bringen konnten, hatte er ebenfalls nicht erwartet und doch wäre es beinahe zum Äußersten gekommen – wenn es nach ihm gegangen wäre... Hinzu kam der persönliche Kleinkrieg, den sie heraufbeschworen hatte, weil sie nicht das tat, was Vegeta verlangte.

 

„Zum letzten Mal, Püppchen. Steig aus der verdammten Karre, sonst garantiere ich für gar nichts mehr!“

 

Darauf folgte bloß ein böser Blick, den sie ihm zuwarf. Ihre Augenbrauen zogen sich gefährlich nahe zusammen, bevor sie das Fenster einen kleinen Spalt herunterkurbelte und ihm zurief: „Geh aus dem Weg, Vegeta! Du hast mich lange genug gedemütigt.“

 

Ach... Ja? Sie war es doch, die... Ach, egal. „Gedemütigt? Du weißt anscheinend nicht, was wirklich entwürdigend ist, Fräulein. Andernfalls würdest du nicht solchen Humbug von dir geben. Du weißt nämlich nicht, was es heißt, auf die nur denkbar unwürdigste Weise“, zitierte er ihre Worte, „behandelt zu werden. Kapiert?“

 

„Doch... Das weiß ich, seit ich dich kenne, da du mir nichts anderes als Hass, Spott und Hohn entgegenbringst.“ Wehmütig umklammerte sie ihr Lenkrad, blickte zum Fußraum hinab und hoffte, dass sie nicht vor ihm weinen würde. Wenn doch, dann... dann hoffte sie wenigstens, dass er die Tränen nicht sehen konnte.

 

Das verletzte sie bereits? Was hatten ihre Eltern mit ihr gemacht, dass sie so larmoyant geworden war? Ob es überhaupt gut gewesen war, sie nach Vegeta-Sei zurückzuholen? Denn offensichtlich konnte sie mit dem harten Umgangston nicht umgehen, der sich ihretwegen auch nicht ändern würde, da es nicht in Vegetas Absicht lag, sich zu verändern. „Wenn du das weißt, frage ich mich, wieso du soweit gegangen bist und meinen Unmut ständig auf dich ziehst?“

 

„Wärst du nicht in mein Zimmer -“

 

„Dann lass in Zukunft die Tür zu? Offene Türen laden geradezu dazu ein, dass man sie passiert!“, feuerte Vegeta zornig zurück, als er sich daran erinnerte, dass grünlicher Schleim seine Haare verklebte. „Aber allem Anschein nach willst du mich wirklich zum Feind haben. Anders kann ich mir dein renitentes Verhalten mir gegenüber nämlich nicht erklären.“ Ihr abstruses Spielchen, das sie sowieso haushoch verlieren würde, konnte sie unmöglich weiterspielen, oder etwa doch? Hatte sie etwa noch weitere Nettigkeiten im Haus versteckt?

 

„Mein Verhalten?“ Wie bitte? War er es nicht, der sie ständig herumkommandierte und zurechtwies? „Was tue ich denn, was dich in deiner Ehre verletzen könnte? Richtig, gar nichts, Vegeta.“

 

„Das zum Beispiel. Du widersetzt dich mir, obwohl du weißt, wie bösartig ich sein kann.“

 

Das... Das war doch nicht zu fassen. Schnaubend startete Bulma den Motor, ohne ihm zu antworten. Sie legte den Gang ein und schwebte mit dem rechten Fuß über dem Gaspedal.

 

„Und was soll das nun werden?“

 

„Ich gebe Gas, Vegeta. Nimm den Fuß runter, sonst... sonst wirst du alt aussehen.“

 

„Na dann“, feixte er und stemmte seinen Fuß noch fester gegen den Wagen, bevor er geringschätzig hinzufügte: „Gib Gas, Onna“, motivierte er das Mädchen hinter der schützenden Scheibe. Dass sie ihm absichtlich schaden wollte, war offensichtlich. Allerdings war sie feige. Feige und voller Angst vor den drohenden Konsequenzen, sollte Vegeta tatsächlich etwas aufgrund ihrer Fahrlässigkeit zustoßen, was jedoch noch abwegiger war. „Worauf wartest du? Gib Gas und zeig mir endlich, was deine Kiste kann.“

 

Ha, er sollte alt aussehen, wenn sie Gas gab? Von wegen. Sie könnte danach das Alteisen entsorgen, da das alles wäre, was am Ende übrig blieb, wenn Vegeta mit dem Schrotthaufen fertig wäre.

 

Aber auch dieses Mal bluffte sie, da sie die Zündung ausschaltete und ihm zurief: „Bitte Vegeta, geh zur Seite.“ Wenn sie ihren Wagen behalten wollte, musste sie zu Kreuze kriechen, weil ihr Auto niemals Vegetas Kraft standhalten könnte. „Ich brauche mein Auto. Es... Es hilft mir, schneller nach draußen in die Wildnis zu fahren, um wenigstens ein bisschen dieser... dieser stupiden Gesellschaft zu entkommen.“ Doch statt ihn zu besänftigen, erzürnte sie ihn bloß mehr, aufgrund der schmähenden Worte, bezüglich seines Planeten und dessen Bewohner.

 

„Ach, tatsächlich?“ Schmunzelnd setzte er den Fuß zurück auf den Boden, umrundete die Vorderseite des Autos und blieb neben dem linken Vorderreifen stehen. Genüsslich stützte er seine Hand auf der Haube ab, betrachtete den Reifen und... trennte diesen mittels eines gezielten Trittes vom Querlenker, woraufhin das Auto entsprechend nach unten sank. Anschließend näherte er sich vergnügt der Fahrertür, die er ebenfalls aus den Scharnieren riss und das Blech achtlos zur Seite warf. „Stupide nennst du mich?“

 

„Nein. Nein, dich meinte ich nicht“, erklärte Bulma vergeblich, während sie mit ihrem Hintern über die Handbremse rutschte, um durch die Beifahrertür zu flüchten.

 

„Hiergeblieben, Onna!“ Rasch griff er nach ihrer Hüfte, an der er sie zu sich heranzog. „Du wirst nicht verschwinden, sondern mit mir den Heimweg antreten – jetzt. Ohne weitere Vorkommnisse, da ich denke, dass wir lange genug gespielt haben. Und genau das wird ab sofort ein Ende haben.“

 

„Ich denke gar nicht dran!“

 

„Dann eben nicht. Dann bringe ich dich eben auf die Art nach Hause, die ich die ganze Zeit vermeiden wollte. Aber da du dich nicht hören willst, musst du eben fühlen.“ Gierig zog er sie aus dem Wagen, bevor er sie über seine Schulter warf und mithilfe seiner Hände fixierte, nachdem sie anfing, mit ihren Händen gegen seinen Rücken zu trommeln. Abschließend nahm er die Kapsel, die auf dem Boden lag und ließ ihr defektes Gefährt darin verschwinden. Glücklicherweise hatte er ihr zugesehen, wie die Kapseln funktionierten. „Das hast du davon. Und jetzt fliegen wir, damit ich sehen kann, wohin du gehst, ehe du dich wieder in deiner Hochsicherheitsburg verschanzt und mir absichtlich aus dem Weg gehst. Damit wird nun Schluss sein!“

Ein seltsamer Code

Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.

- William Faulkner


 

 
 

~*~

 
 

- Kapitel neun -
 

„Lass mich augenblicklich runter“, protestierte Bulma, während ihre Fäuste zur selben Zeit gegen seinen harten Rücken schlugen, um sich zumindest ein wenig ihrer Ehre wieder zurückzuholen. Als er jedoch mitten in der Luft stoppte und stillschweigend über den riesigen Ländereien schwebte, wurde ihr mulmig. „Vegeta, flieg zum Boden!“, fügte sie ängstlicher hinzu, nachdem zwischen ihren Schlägen längere Pausen entstanden waren.

 

„Du willst runter?“, vergewisserte er sich und blickte stur geradeaus – auf der Suche nach dem schnellstmöglichen Weg zu ihr nach Hause. „Sicher?“ Im Anschluss wanderten seine Iriden nach unten, um die Entfernung zum Boden abzuwägen, ehe seine Hand sowohl bestimmend, als auch auffällig auf ihrem Hintern landete, um ihren Körper mit einem Ruck in eine für ihn angenehmere Position brachte.

 

Aufgrund dessen rutschte ihr Oberkörper nach vorne und Bulma sah sich bereits nach unten fallen. „Nein, nicht auf diesem Weg“, schlussfolgerte sie aus seiner abschätzigen Frage. „Du sollst zum Boden fliegen und... und mich dann runter lassen.“

 

„Na dann“, feixte er und flog prompt los – in einem Affentempo, so dass ihr Hören und Sehen vergehen würde. Zuvor war er überzeugt davon, von ihr angeschrien zu werden. So richtig. Doch hatte sich der Klang ihrer lauten Stimme rasch verändert, nachdem er angehalten hatte und ihr die Tragweite ihres Handelns bewusst geworden war. Vor der Behausung der Briefs angekommen, berührte er abermals absichtlich ihren Hintern, während er sie auf dem Boden absetzte und abschätzig von oben auf sie herabblickte, als er seine Arme diabolisch grinsend vor seiner Brust verschränkte. „Zufrieden?“, stellte er nach anfänglichem Schweigen die Frage und beobachtete ihre zappelnden Finger, die sich ineinander verhakten, aufgrund ihrer Machtlosigkeit.

 

„Womit?“

 

„Ich habe dich nach Hause gebracht.“

 

„Aber mit welchen Methoden, Vegeta?“, kommentierte Bulma daraufhin fassungslos. Sollte sie ihm etwa dankbar sein, dass er auf die guten Sitten spuckte und Bulmas Entscheidung kurzerhand außer Kraft setzte, indem er sie über seine Schulter warf – ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis? Nun, nach seinem Gesicht zu urteilen, wollte er wahrscheinlich noch bewundert werden – dafür, dass er sich dazu herabließ, sie nach Hause zu bringen. „Ich habe dich nicht darum gebeten, mich hier her zu fliegen. Wieso tust du das? Dich über alles hinwegsetzen? Und wieso behandelst du jeden Saiyajin wie Dreck?“
 

„Das sind ganz schön viele Fragen“, fasste er kurz zusammen. Folglich dachte er darüber nach, sich in Alkohol zu ersäufen, damit er nicht länger ihre berechtigten Vorwürfe mit anhören müsste.

 

„Die du mir ehrlich beantworten könntest.“ Wieso gab sich Bulma überhaupt noch diese Blöße? Wieso ging sie immer wieder einen Schritt auf diesen grobschlächtigen Saiyajin zu? Weil sie vermenschlicht war. Weil sie in jedem das Gute sehen wollte. Weil sie... die saiyajinischen Ansichten für falsch hielt und nach ihren eigenen Prinzipien leben wollte...

 

„Nicht in diesem Leben, Onna.“

 

„Wieso?“, entfuhr es Bulma knapp. „Wovor hast du Angst?“ Dass er es immer wieder schaffte, sie in Bedrängnis zu bringen, passte Bulma nicht. Natürlich nicht. Wer wollte schon gerne in die Enge getrieben werden, aus der man augenscheinlich nicht flüchten konnte? Darüber hinaus konstatierte sie die dezente Abweichung seines Blickes, der unweigerlich zum Ausdruck kam, nachdem sie ihm ankreidete, vor etwas Angst zu haben.

 

„Angst? Onna“, schmunzelte er perfide, ehe er sich ihr galant näherte und ihre Hülle zur Hauswand drängte. Dort angekommen, steuerte er seine Hand rasend schnell zur Fassade – dicht neben ihren Kopf. „Es gibt nichts, was mir Angst macht. Du solltest deine Empfindungen, die du scheinbar ungern zugibst, nicht auf mich reflektieren. Das gehört sich nicht.“

 

„Auch nicht dein Vater? Hast du vor ihm auch keine Angst?“ Dass sie Salz in offene Wunden streute, war ihr egal. Viel mehr regte sie sich darüber auf, dass er es geschafft hatte, sie vor Lunch zu blamieren – infolge seiner Machtdemonstration. „Wenn nicht, könnten wir ihn ja fragen, was er von deinem Verhalten hält? Stolz wird er auf seine Galionsfigur sicher nicht sein.“ Sie war mutiger als sie sich fühlte, doch sowohl Vegetas Lächeln, als auch seine Darbietung – bezüglich seines festen Griffes um ihren Oberarm – suggerierten der jungen Erfinderin, wie schnell der Mut sie verlassen konnte, da sie unverzüglich in die Knie ging.

 

„Mein Vater? Nun“, kam es räuspernd aus seinem grinsenden Mund. „Es wird dich vielleicht enttäuschen, aber es ist mir scheißegal, was mein Vater denkt oder sagt.“ Demzufolge richtete er sich auf, zog seine Hände zurück und trat einen Schritt zur Seite, was das Mädchen geistesgegenwärtig und mit offen stehendem Mund ausnutzte. Keuchend hatte sie sich von der Wand abgestoßen, ehe sie im Innern der Baracke verschwand und einen sardonisch lachenden Vegeta zurückließ, der nunmehr gemütlich zur Haustür schritt, um endlich etwas essen zu können – mit deutlich besserer Laune, aufgrund des siegreichen Wortgefechts.

 
 

~*~

 

Ohne Umschweife war die blauhaarige Saiyajin in ihr Zimmer gerannt. Sie konnte und sie wollte nicht mit Vegeta an einem Tisch sitzen. Und es war ihr egal, wenn sie auf nüchternen Magen zu Bett gehen würde. Außerdem fraß der Teufel in der Not Fliegen – diesbezüglich könnte sie auch mitten in der Nacht aufstehen und ihren Hunger bändigen.

 

Ja. Das war eine gute Alternative. Sie würde diesem Misogyn keine weitere Plattform des Spottes bieten.

 

Doch bevor sie sich in ihr Bett warf, um der Nacht entgegenzusehen, ging sie zu ihrem Schrank, aus welchem sie eines der langen T-Shirts nahm, das sie sich flink über ihren mittlerweile entkleideten Körper warf. Danach gestattete sie ihrem Körper, entkräftet auf die weiche Matratze zu fallen. Und es tat so gut, sich zu räkeln, zu strecken – einfach nichts zu tun, wodurch es ihr auch endlich gelang, nicht mehr an Vegeta zu denken, der ihr die schlimmsten Sanktionen angedroht hatte.

 

Allerdings machte sie die Rechnung ohne den stolzen Saiyajin-Prinzen, der just in dem Moment an ihre Tür klopfte – scheinbar gesättigt, angesichts seiner ruhigen Tonlage.

 

„Onna, hast du nicht etwas vergessen?“, flüsterte er durch die geschlossene Tür.

 

Zügig hatte Bulma ihren müden Kopf gehoben, den sie zuvor auf eines der weichen Kissen gebettet hatte. Vorsichtig stützte sie sich auf ihren Ellenbogen ab, ehe sie über ihre Schulter zur geschlossene Tür sah und hoffte, er würde sie nicht öffnen.

 

Ha ha, das wäre der Brüller, würde er jetzt hereinkommen. „Etwas vergessen?“, flüsterte sie sich selbst zu, während ihr Blick über ihre nackten Beine glitt.

 

„Ja“, raunte Vegeta, da er sie sehr wohl gehört hatte, wenngleich es nicht in ihrer Absicht lag, gehört zu werden. „Du wirst jetzt rauskommen, mit mir ins Badezimmer gehen und mich waschen.“

 

Oh nein, das meinte er? Unverzüglich bildete sich Angstschweiß auf ihrer Stirn, woraufhin sie in Panik verfiel, stürmisch ihr Bett verließ und in ihrer Verzweiflung ihr Gewicht gegen die Tür stemmte. Schwer atmend lehnte sie ihre Stirn gegen das helle Holz, während ihre linke Hand die Türklinke umschloss und die rechte zitternd auf der Zarge verweilte. „Ich komme nicht mit dir ins Badezimmer, Vegeta. Nicht jetzt und auch zukünftig nicht“, informierte sie ihn teilnahmslos, hinsichtlich der Starre, die Besitz von ihrem Körper ergriff. „Du... Du wirst dich selbst waschen müssen.“

 

Vor der Tür spielte sich ein ähnliches Szenario ab – bloß zitterte Vegetas Körper nicht vor Angst, sondern vor Wut, weil dieses sture Weibsbild nicht in der Spur lief. „Onna, wenn du nicht sofort die Tür aufmachst, wirst du es bereuen“, legte er ihr kaltherzig nahe, obwohl seine Stimme so leise geworden war, dass selbst er Probleme hatte, seine gesprochenen Worte zu hören. „Du wirst mit mir in die beschissene Dusche steigen und mich waschen, sonst siehst du kein Tageslicht mehr.“

 

„Nein, oder hast du gar keine Scham?“ Würde sie ihn in ein Gespräch verwickeln, wäre er vielleicht... empfänglicher für ihre Vehemenz?

 

„Scham? Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste“, teilte er ihr nonchalant mit. „Oder schämst du dich?“ Gott, der Gedanke daran, mit ihr gemeinsam zu duschen, war kräftezehrender als mancher Kampf. Hinzu kam der Zorn, weil sie ihm durch Mark und Bein ging, was gefährlich werden konnte. „Jetzt beweg dich, verdammte Scheiße!“, äußerte er blindwütig, gefolgt von einem dumpfen Schlag gegen ihre Tür.

 

„Nein, vergiss es.“ Gut, er war nicht empfänglich. Demzufolge müsste auch sie lernen, konsequent zu bleiben. Niemals dürfte sie aus Angst nachgeben und sich somit erpressbar machen. „Ich komme nicht raus und jetzt verschwinde. Sonst -“

 

„Sonst was? Rufst du wieder nach deinem Papi?“

 

„Ja“, schluchzte sie, wonach auch ihre Hand der Tür einen deutlich schwächeren Schlag versetzte. Gleichzeitig spürte sie die heißen Tränen, die Zuflucht auf ihrer Haut suchten, da sie scheinbar keinen Platz mehr in ihren Tränensäcken hatten. Ferner betrachtete sie ihre nackten Zehen, vor denen kleine Wasserperlen zerplatzten, anlässlich der Tränen, die über ihre Nasenspitze zu Boden tropften. „Bitte geh jetzt. Ich... Ich möchte alleine sein.“

 

Allerdings antwortete er nicht, was Bulma stutzig nach oben blicken ließ. War er etwa gegangen oder... oder bereitete er den nächsten Schlag gegen sie vor, in Form einer Attacke, die er gegen ihre Tür feuern würde? Den Gedanken konnte sie jedoch nicht vertiefen, da ein plötzlich auftauchendes Klopfen Bulma erneut in Panik versetzte. Erschrocken drehte sie sich um, starrte zum Fenster und... und ihre Schultern erschlafften, nachdem sie das schimmernde Gesicht durch die Scheibe erkennen konnte.

 

Erleichtert, aber innerlich noch verstört steuerte sie das Fenster an, das sie augenblicklich öffnete. Auch wurde ihr bewusst, weshalb Vegeta nicht geantwortet hatte... Offenbar hatte sein Scouter ihm mitgeteilt, dass Son Goku sich dem Haus näherte.

 

Bedächtig zog sie das Fensterglas nach innen, doch bevor ihr Freund hindurch steigen konnte, entkam es Bulma schnippisch: „Bist du verrückt geworden?“ Verdammt nochmal, sie hatte sich so erschrocken und geglaubt, Vegeta wäre vor ihrem Fenster, um letztendlich die Scheibe einzuschlagen. „Du hast mich tierisch erschreckt.“ Zu aufgewühlt war sie, um Son Goku freundlich in Empfang zu nehmen, obwohl sie sich über seinen Besuch freute – führte er doch dazu, dass Vegeta verschwand.

 

Verwundert hielt Kakarott im Fensterrahmen inne. Des Weiteren sah er perplex in die aufgerissenen blauen Augen seines Gegenübers und begann zu sprechen: „Entschuldige, das... das wollte ich nicht, aber es ist schon spät und ich wollte deine Eltern nicht stören.“ Nachdem sie vom Fenster weggetreten war, entschied auch er sich, das Zimmer zu betreten. Jedoch drang er nicht tiefer in ihr Zimmer ein, als er ihren betrüben Ausdruck bemerkte, ehe sie ihm schnaubend den Rücken zukehrte und zu ihrem Bett marschierte. „Ist alles in Ordnung?“

 

„Nein“, seufzte das entmutigte Mädchen, dessen Kraft von Tag zu Tag dezimierter wurde und bevor sie auf ihr Bett fallen und zusammenbrechen konnte, spürte sie bereits eine warme Hand auf ihrer Schulter. Und es war ihr sowas von egal, bloß in einem langen T-Shirt neben Son Goku zu stehen. Schließlich stand neben ihr Son Goku – ihr Son Goku, den sie damals schon nackt gesehen hatte, als sie zum ersten Mal die Dragonballs gesucht hatten.

 

Nun ja, heute waren sie älter, erwachsener und hoffentlich reifer. Sie glaubte kaum, dass Son Goku sich noch einmal vor ihr entblößen würde.

 

„Grundgütiger, Bulma, was ist denn passiert?“ Kurzerhand hatte er seine älteste Freundin zu sich herumgewirbelt, um sie anschließend in seine ausgebreiteten Arme zu ziehen. „Du denkst doch nicht immer noch daran, Vegeta-Sei zu verlassen, oder?“ War das der Grund ihrer Traurigkeit, weil sie sich nicht damit abfinden konnte, hier her zu gehören? Kakarott wusste es nicht, was den Zustand seiner Hilflosigkeit nur verschlimmerte, da er Bulma noch nie so traurig gesehen hatte.

 

Bulma hingegen genoss die innige Umarmung und die Nähe zu ihrem Freund, bevor ihre feuchten Augen nach oben huschten, um in das freundliche Gesicht des Mannes zu blicken, der ihr so viel bedeutete. In manchen Momenten sah sie noch immer den naiven, zwölfjährigen Son Goku, der verlassen in den Bergen lebte, doch heute nicht. Nein, heute sah sie einen heranwachsenden Saiyajin, der anscheinend gelernt hatte, zwischen Ernsthaftigkeit und Spaß zu differenzieren. „Nein, ich denke nicht mehr daran. Schließlich hallen die Worte des Königs noch immer in meinem Kopf. Ich wäre verrückt, wenn ich mich über seine Entscheidungen hinwegsetzen würde. Ich... Ich würde nur die Leben meiner Eltern in Gefahr bringen.“

 

„Vernünftig wie immer“, antwortete er, während seine Hand beruhigend über ihren Rücken strich und mit der anderen nach ihrer Hand griff.

 

„Sicher. Trotzdem sind und werden wir immer Sklaven dieser Gesellschaft sein, die wie Schafe einem Mann folgen, dessen Größenwahnsinn nicht in Worte zu fassen ist“, gab sie nickend von sich. Gleichzeitig zog sie sich etwas zurück, während ihr Hand langsam aus seiner glitt. Der Kontakt zu Son Goku war immer wieder besonders – so herrlich erfrischend und schön. „Von seinem Sohn will ich gar nicht erst anfangen“, fügte sie rauer hinzu.

 

„Redest du von Vegeta?“

 

Tja, und wieder musste sie an dieses Scheusal denken, was ihre Laune sofort in den Keller trieb. „Ja, und ich hätte heute wirklich deine Hilfe gebrauchen können!“ ergänzte sie in ihrer altbekannten Bulma-Marnier, sobald sie sich sicher und stark genug fühlte. „Aber du warst nicht da!“

 

Himmel, tat das gut, ihrer Wut Luft zu machen – nur blies sie den Sturm in die falsche Richtung, wie ihr aufging, nachdem sie ihr Gegenüber zusammenzucken sah und ihre gesprochenen Worte sofort bereute. Das, was sie Son Goku nämlich an den Kopf warf, stimmte nicht. Schließlich war er jetzt da. Hinzu kam, dass Bulma alt genug war, um ihre Probleme alleine zu bewältigen, da ihr bester Freund mit Sicherheit eigene Probleme hatte. Bulma war kein Kind mehr, das auf die schützenden Hände von Son Goku hoffen durfte. Folglich suchte sie händeringend, sowie kopfschüttelnd nach den richtigen, den wahren Worten, die sie zuerst sagen wollte, sofern ihre instabile Emotionalität nicht alles ruiniert hätte. „Ich meine, heute war wirklich ein schlimmer Tag und ich hätte gerne früher ein nettes Gesicht gesehen.“ Zügellose Scham breitete sich in ihr aus – nicht, weil sie in einem langen Shirt und Unterwäsche vor ihm stand, denn das musste ihr nicht peinlich sein, angesichts des Umstandes, dass sie sich so lange kannten. Nein, sie beide waren zusammen gewachsen und noch heute erinnerte sich Bulma an den kleinen, aufrichtigen Jungen. Ein Junge, der heute viel muskulöser, größer und ansehnlicher geworden war. Darüber hinaus war ihre Scham darauf zurückzuführen, weil sie den Falschen abkanzelte. Denjenigen, der immer fröhlich und ehrlich gewesen war. Denjenigen, der von einer Herzensgüte umgeben war, von denen sich viele eine Scheibe abschneiden konnten – Bulma mit eingeschlossen. Vorbehaltlos hatte er ihren Ausbruch über sich ergehen lassen. Son Goku hörte sich ihre Rüge kommentarlos an, ohne den Versuch zu wagen, sich zu verteidigen. Stattdessen stand er vor ihr – ruhig, besonnen und freundlich lächelnd. „Bitte sag doch etwas, Son Goku“, komplettierte sie ihren Satz, obwohl ihr Blick gen Boden gerichtet war.

 

„Es tut mir leid, Bulma.“ Zärtlich fuhr seine Hand unter ihr Kinn. „Entschuldige, dass ich nicht bei dir war, aber ich war mit Radditz in den Bergen – trainieren.“

 

„Das... Das muss dir nicht leid tun“, lamentierte sie, bevor sie ihren Kopf zur Seite neigte, ihren Körper abwandte und zu ihrem Bett zurückging. Seine Fürsorge, so befand die blauhaarige Saiyajin, verdiente sie im Moment nicht. Nein, nicht nachdem sie ihn so widerlich behandelt hatte und anstatt ihr genau jenes Verhalten berechtigterweise vorzuwerfen, entschuldigte er sich. „Mir muss es leid tun. Manchmal sagt man etwas, das man schlussendlich gar nicht so meint“, versuchte sie zu erklären, als sie ihre Beine auf die Matratze zog, anwinkelte und ihr Kinn darauf ablegte, während ihre Arme um ihre nackten Beine geschlungen waren.

 

Manchmal sagt man etwas, das man schlussendlich gar nicht so meint?“, zitierte er, nachdem er sich ungeniert neben sie gesetzt, die schweren Schuhe ausgezogen und ihre Pose nachgeahmt hatte. „Du meinst die Wahrheit?“

 

„Die Wahrheit?“, wollte sie bestürzt wissen. Bulma wusste, worauf er hinauswollte, aber wollte sie dieses Gespräch führen? Eigentlich nicht... „Nein, so meinte ich das gar nicht. Das... Das waren falsche Worte, die man im Zorn sagt und -“
 

„Ich denke, das ist in Ordnung“, unterbrach er sie feixend, schnappte nach ihrer Hand und suchte ihren Blick, den er fand und lächelte, „wenn man etwas in seiner Wut hinausposaunt.“

 

„Das denkst du?“

 

„Ja“, beteuerte er nickend. „Ich denke, dass man – gerade wenn man so wütend ist – unglaublich ehrlich ist. Man sagt das, was man denkt, weil man sich in dem Moment nicht schuldig fühlt und dazu sollte man doch stehen, nicht wahr? Immerhin ist Ehrlichkeit keine Selbstverständlichkeit.“ Anschließend legte er seinen Arm um ihre Schultern, um sie zu sich heranzuziehen. „Wir Saiyajins sind stolze Wesen, die zu ihren Worten stehen. Egal wie treffend sie sind, Bulma.“

 

Er hatte recht. Allerdings hatte Bulma kein Recht, ihn zu denunzieren. „Trotzdem kann ich nicht ständig verlangen, dass du mich rettest.“

 

„Nicht?“, lachte er glockenhell auf, lehnte sich gegen die hinter ihm befindliche Wand und sah Bulma unablässig an.

 

Auch Bulma lehnte sich zurück, um seinen Blick zu erwidern. „Hey, warum lachst du? Was ist so komisch?“ Doch so sehr sie sich auch bemühte, ernst zu gucken, sie schaffte es nicht, da Son Gokus Lachen ansteckend war.

 

Gerne würde er das Mädchen neben sich aufklären und begann zu erzählen: „Weißt du noch, als wir zum ersten Mal die Dragonballs gesucht haben?“ Glücklich ließ er die Erinnerung Revue passieren. „Und du von einem der Flugsaurier mitgenommen wurdest, als du eigentlich austreten musstest?“, umschrieb er die weitere Erzählung.

 

Augenblick verfärbte sich Bulmas Gesicht, wonach sie zur Seite sah. „He, das war überhaupt nicht komisch.“ Parallel überkreuzte sie ihre Beine, um möglichst unbeeindruckt und beleidigt zu wirken, obwohl sie auch wusste, dass er es nicht böse meinte und die Erinnerung bloß mit ihr teilte, um sie aufzuheitern. Son Goku würde dahingehend nie etwas äußern, das Bulma in peinliche Situationen bringen würde. „Außerdem hat deine Rettung“, setzte sie in Anführungszeichen, „ganz schön lange gedauert.“

 

„Tja, das lag an meinem ausgeklügelten Plan“, informierte er sie und tippte sich zur selben Zeit grinsend gegen die Schläfe. „Das erinnert mich an jene Zeit, bevor mich Radditz mit nach Vegeta-Sei nahm“, erläuterte er wehmütig und sah zum Fenster, wodurch er die funkelnden Sterne sehen konnte. „Und daran, dass ich meinen Mönchstab bei Muten-Roshi vergessen habe.“
 

Auch Bulma erinnerte sich an den magischen Stab.

 

„Das war – neben dem Dragonball mit den vier Sternen – das einzige, was mich an Großvater erinnerte.“ Mittlerweile konnte er sogar darüber lachen, dass er damals fälschlicherweise angenommen hatte, dass im Innern des Dragonballs sein toter Großvater weiterlebte – bis Bulma ihn über die mysteriösen Drachenkugeln aufklärte. Zwar war sein Großvater auch nicht sein genetischer Großvater, aber er würde dennoch immer Son Gokus Großvater bleiben...

 

„Warte mal.“ Augenblicklich stand die junge Saiyajin auf, ging zu ihrem Schreibtisch und zog die obere Schublade auf, aus der sie etwas rundes, silberglänzendes herauszog. Abschließend kehrte sie zu ihrem Bett zurück, wo sie Son Goku das silberne Gehäuse vor die Nase hielt. „Nimm ihn.“

 

Skeptisch beäugte er das Gerät, ehe er es wortlos an Bulma zurückgeben wollte.

 

Allerdings nahm sie ihn nicht zurück, sondern umschloss seine Hand mit der ihren. „Behalt ihn ruhig.“

 

„Aber das ist doch dein Dragonradar.“

 

„Mit dem du dir deinen Dragonball zurückholen kannst“, referierte Bulma euphorisch. „Sobald du wieder zur Erde reisen darfst, kannst du dir deine Erinnerung an deinen Großvater zurückholen.“ Sie hatte von Son Goku gelernt, dass der emotionale Wert eines Gegenstandes so viel wertvoller war als etwas materielles. „Oder... Oder möchtest du den Dragonball nicht mehr?“

 

„Nein“, gestand er und schob den Dragonradar in ihre Hand zurück. „So reizvoll es auch klingt, aber wenn ich meinen Dragonball mit nach Vegeta-Sei nehme, haben andere nicht die Chance, sich etwas von Shenlong zu wünschen. Das wäre doch ziemlich egoistisch, oder?“

 

Darauffolgend lächelte Bulma ihm sanftmütig entgegen. Ja, das war der Son Goku, den sie kannte – immer um das Wohl der anderen besorgt, statt auf das eigene Wohlbefinden zu achten. Aber war das immer der richtige Weg? Zumal es Menschen auf der Erde gab, die die Macht der Dragonballs missbrauchen würden. Dennoch zweifelte sie Son Gokus Entscheidung nicht an. Stattdessen nahm sie den Radar, drückte den oberen Knopf und hielt inne, bevor sie das grüne Fadenkreuz des Radars abermals vor seine Nase hielt.

 

„Sieh mal. Das sind nicht die Koordinaten der Erde“, erwiderte sie kritisch und zeigte mit ihrem Finger auf die aufleuchtenden Zahlen.
 

9045YX in Richtung SU83“, las er laut vor, doch Unverständnis breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sind das schlechte Koordinaten?“, fragte er abschließend verunsichert nach.

 

„Ich weiß es nicht, Son Goku. Jedenfalls habe ich ihn den Umständen auf Vegeta-Sei angepasst.“ Dass sie ihn aufgrund von Vegetas Hinweisen geändert hatte, wollte sie nicht erwähnen. „Er funktioniert also und... und zeigt uns einen anderen Planeten an, der unserem anscheinend näher ist als die Erde.“

 

„Sicher?“, hakte der schwarzhaarige Saiyajin noch einmal nach. „Vielleicht ist er doch kaputt?“

 

„Unwahrscheinlich. Der Radar würde uns doch keinen anderen Planeten anzeigen, auf -“ Sie unterbrach sich selbst, während ihre Augen immer größer wurden.
 

„Was? Was ist denn, Bulma?“

 

Verzweifelt blickte sie in Son Gokus Gesicht, bevor sie hinzufügte: „Auf dem Dragonballs vorhanden sind.“ Diese Tatsache konnte Bulma sich nicht im Entferntesten erklären, da sie bis dato davon ausgegangen war, dass es nur die irdischen Dragonballs gab. Doch der Radar belehrte sie eines Besseren.

 

„Dragonballs?“ Neugierig beugte er sich zu Bulma herüber, die ihm die orangenen Punkte zeigte, welche die Drachenkugeln symbolisierten. „Es gibt noch andere Dragonballs?“

 

„Scheinbar schon, ja.“ Es war zum Verrückt werden. Hätten sie nicht über den Mönchstab, sowie den Dragonball mit den vier Sternen gesprochen, wäre Bulma nicht auf die Idee gekommen, den Radar aus der Schublade zu nehmen. Aber wieso wurden ihr sowohl die Kugeln, als auch der Planet nicht angezeigt, als sie den Radar kalibrierte? Musste der Radar sich erst selbst anpassen, was Zeit in Anspruch nahm und deswegen keine Koordinaten angezeigt hatte? Verflucht, es war schrecklich, wenn man etwas enträtseln wollte und dennoch keine Antwort fand. Dabei wollte Bulma alles dechiffrieren, weil es für alles eine Lösung und Erklärung gab. Genauso verhielt es sich auch mit ihrer Schwärmerei für Yamchu, weil sie zuvor nie die richtigen Prioritäten gesetzt hatte und sich lieber auf etwas fixierte, was vergeudete Zeit war. Aber das war im Moment sowieso nebensächlich, vielleicht auch kindisch, da ihr klar geworden war, dass Yamchu und ihr keine gemeinsame Zukunft gehörte.

 

So schlimm der Gedanke auch war, doch letzten Endes würde sich die blauhaarige Saiyajin damit abfinden können. Schließlich dachte sie kaum noch an Yamchu und wenn doch, dann eher im freundschaftlichen Sinne.

 

„Aber wo?“, fuhr Bulma nahtlos fort. „Auf welchem Planeten befinden sich diese anderen Dragonballs?“

 

„Die Frage kann ich dir beantworten“, ertönte eine männliche, kraftvolle Stimme. Parallel wurde die helle Holztür aufgeschoben, doch wagte sich die Person dahinter nicht, ihr Zimmer zu betreten. Stattdessen lehnte er sich vergnügt gegen den Türrahmen, verschränkte die Arme und überkreuzte mit dem linken Bein das rechte, wohingegen die linke Fußspitze ungeduldig auf den Boden tippte.

 

Erschrocken drehte sich Bulma zur Tür, während Son Goku gelassen auf dem Bett saß. „Vegeta, ver- verschwinde! Nach... Nach deiner Meinung hat... niemand gefragt.“ Im Anschluss roch sie den frischen Duft, der von seinem Körper ausging und sich in ihrem Zimmer verteilte. Dessen ungeachtet, trat sie zwei Schritte zurück, während sie ihm misstrauisch entgegensah.

 

„Nicht?“ Zeitgleich betrachtete er seine behandschuhten Fingerkuppen, ehe er blitzschnell den Fokus auf Bulma legte und ihre innerliche Erschütterung genoss, bezüglich seines Erscheinens. „Du hast dich so hilflos angehört. Da dachte ich, dass ich das unwissende Mädchen wieder einmal aufklären könnte. Anhand meiner Äußerungen konntest du ja auch den Fehler deines Radars ausfindig machen, nicht?“

 

Oh! Dieser gemeine Saiyajin! Er wusste demzufolge, dass es ihr mit seiner Hilfe gelungen war, den Radar einzustellen. „Ich brauche deine Hilfe nicht und jetzt mach die Tür zu – von außen.“

 

„Ich denke nicht dran.“

 

„Schön, dann... schließe ich sie.“ Mutig stolzierte Bulma zur Tür, umfing den Knauf und... und zitterte erneut wie Espenlaub, nachdem sie ihrem größten Feind gegenüberstand.

 

„Überleg es dir, Fräulein.“

 

„Nein, ich verzichte.“ Gerade als sie die Tür ins Schloss knallen wollte, hatte Vegetas Hand den entschiedenen Schritt – ihn von ihr zu trennen – verhindert, wodurch die Tür wieder nach innen aufschwang.

 

„Du willst doch wissen, um welchen Planeten es sich handelt. Ich kenne die Koordinaten und würde dir – für eine kleine Gegenleistung – sagen, welcher Planet sich -“

 

„Du kannst dir deine Ratschläge sonst wo hinstecken, Vegeta.“ Und noch ehe Bulma ihre Abneigung, angesichts des Angebots, preisgeben konnte, schaltete sich auch schon Son Goku ein, der aufgestanden und ebenfalls zur Tür herangetreten war.

 

„Welche Gegenleistung?“, kam es enthusiastisch aus seinem Mund.

 

Darauf hob Vegeta argwöhnisch den Blick, zog eine Augenbraue nach oben und begutachtete den großen Saiyajin, der neben Bulma stand. „Ich verhandle nicht mit dir, Kakarott. Oder schiele ich etwa?“

 

Verunsichert, ob sein Gegenüber die Frage ernst meinte, begann Son Goku nach Hinweisen zu suchen, die darauf deuten könnten, dass Vegeta schielte. Als er diese jedoch nicht fand, verschwand seine Hand in seinen schwarzen Haaren, in der Hoffnung – würde er sich am Kopf kratzen –, dass diese Prozedur sein Denken ankurbelte. „Ich -“

 

„Herrgott nochmal, Kakarott. Das war Sarkasmus! Aber was erzähle ich dir?“, erwiderte er mürrisch. „Du würdest Sarkasmus nicht einmal erkennen, wenn ein Schild – auf dem Sarkasmus steht – durch den Raum tanzt.“

 

„Du hast ein Sarkasmusschild?“, fragte Son Goku verblüfft nach und starrte Vegeta mit großen Augen an.

 

„Nein, verdammt! Hab ich nicht, du Idiot.“ Die einfachsten Metapher erkannte dieser Vollidiot nicht. Wieso wurde Vegeta mit soviel Dummheit bestraft?
 

Verärgert stellte ich Bulma vor Son Goku. Auch sie verschränkte herausfordernd ihre Arme. „Du gehst jetzt besser, da ich nicht mit infantilen, cholerischen Kindern verhandle.“ Oh, dieser Seitenhieb tat sehr gut.

 

„Getroffene Hunde bellen bekanntlich am lautesten, Onna. Dabei habe ich dir schon mehrmals nahe gelegt, etwas Respekt vor der Obrigkeit zu haben. Allerdings scheinst du das immer zu vergessen und ich bin es leid, dich andauernd daran zu erinnern“, erklärte er mit immer lauter werdender Stimme, da er allmählich seine gute Kinderstube vergaß.

 

„Ha, ich hoffe, du meinst nicht dich selbst?“, lachte die blauhaarige Saiyajin süffisant auf.

 

„Wie kannst du es wagen?“, fragte Vegeta geradewegs heraus, gefolgt von seiner erhobenen Faust. „Hüte deine Zunge, Weib, sonst wirst du dich -“ Während er sprach, kam er dem Sensor bedrohlich näher, woraufhin Bulma ihn unterbrach und grinsend zur Tür zeigte.

 

„Ich würde nicht weitergehen, oder hast du eine Vorliebe für den grünen Schleim?“, fragte sie blasiert, doch Vegetas nachfolgender Ausdruck, der sich von schierem Wahnsinn in blanken Hohn verwandelte, versetzte Bulma in Angst. Sie musste mit ansehen, wie sich seine Handinnenfläche zum Sensor richtete und eine kleine, goldene Kugel den Sensor in seine Einzelteile zerlegte.

 

Anschließend durchschritt er problemlos den Türrahmen, um vor Bulma zu stoppen, die augenblicklich in sich zusammensacke – wie eben schon, als er sie vor dem Haus in die Enge getrieben hatte. „So, jetzt können wir uns auf Augenhöhe unterhalten, Fräulein.“ Vegeta wollte nach ihrem Arm greifen, die Distanz zwischen ihren beiden Körpern verringern, indem er sie zu sich herangezogen hätte. Allerdings scheiterte sein Vorhaben, als sich seine Hand um ihr Gelenk schloss, woraufhin er in Kakarotts schwarze Augen sah, nachdem er um Bulma herumgegangen und nach Vegetas Arm gegriffen hatte.

 

„Hör auf, Vegeta. Es reicht.“ Entschlossenheit traf auf pure Bosheit. Keiner der beiden Gegenüberstehenden wollte nachgeben, doch beide wussten, dass einer als Verlierer aus diesem Wortgefecht hervorging. „Sie ist viel schwächer als du.“

 

„Halt dich da raus, Kakarott“, knurrte Vegeta ihm entgegen, bevor er angewidert seinen Arm aus Kakarotts Griff befreite.

 

„Nein.“ Nochmals berührte er den Prinzen nicht. Jedoch hielt er konsequent seine ausgestreckte Hand nach vorne, so dass Vegeta daran gehindert wurde, erneut die Nähe zu Bulma zu suchen. „Fass sie nicht noch einmal so grob an.“

 

„Beeindruckt mich nur mäßig und wenn ich weiß, Kakarott, dass ich schwächer bin, halte ich mein vorlautes Mundwerk, was deine Freundin nicht zu beherzigen weiß, aber ich bin ein gütiger Prinz und werde sie gerne darin lehren, was es heißt, ordentlich zu fallen, denn danach – und das versichere ich dir, Kakarott – wird sie so schnell nicht mehr versuchen, sich über mich zu stellen.“

 

Entmutigt sanken die Schultern des größeren Saiyajin nach unten. „Lass uns das auf vernünftiger Basis austragen, ok?“

 

Und schon wieder hörte Vegeta dieses abartige Wort, das er schon viel zu oft hören musste. Vernunft. Was erhofften sie sich davon? Niemand war vernünftig, was nur natürlich war. Wären sie nämlich allesamt vernünftig, gäbe es keine Kriege, keine Dispute – nichts, was jemand anderem schaden könnte. „Langsam nervst du mich, Kakarott. Und jetzt zu uns beiden, Onna.“ Entschlossen trat er um seinen Kontrahenten herum, schloss den Abstand zu dem Mädchen und griff erneut nach ihrem Handgelenk, bevor sie davonrennen konnte. Zudem zeichnete sich Begeisterung in seinen markanten Zügen ab, nachdem er ihre verschüchterte Haltung begutachtete. Zusätzlich umfing er ihr Kinn, beugte sich zu ihr hinab und flüsterte ihr zu: „Ich sage dir, welcher Planet sich hinter dem Code versteckt – vorausgesetzt, du nimmst mich mit, wenn ihr dorthin fliegt. Das ist der Deal – ohne Knochenbrüche, ohne Blut vergießen und ohne Probleme.“

 

„Und... wenn ich mich weigere?“

 

„Wäre unklug, Onna.“ Unbewusst verfestigte sich sein Griff um ihr Kinn, als sie ihm verstecken Widerstand, in Form ihrer dreisten Frage, entgegenbrachte. Noch schlimmer war jedoch ihr Anblick. Die ganze Zeit war es ihm gelungen, ihre nackten Beine zu ignorieren, doch angesichts der Nähe unumgänglich, ihre schlanken Beine nicht mindestens einmal zu scannen und beim heiligen Shenlong, er hätte ihr Shirt gerne etwas höher geschoben. „Option B würde bedeuten, dass ich mit Zwang meinen Willen durchsetze, worauf ich gerne verzichten würde, da ich auch ein ganz netter Kerl sein kann. Oder muss man in deiner Gegenwart die Zügel enger schnüren?“

 

„Wir können nicht wegfliegen“, offenbarte Son Goku. „Außerdem ist doch auch bald das jährliche Fest. Willst du das verpassen?“

 

Genervt sank sein Kopf nach unten, den er jedoch ruckartig wieder nach oben hob, aber anstatt Kakarott anzuvisieren, sah er in Bulmas blaue Augen, bevor er ihr Kinn losließ. „Ich verabscheue die Gesellschaft zweitklassiger Saiyajins, Kakarott.“

 

„Dann verschwinde von hier“, entkam es Bulma plötzlich. „Schließlich sind wir in deinen Augen doch auch bloß unbedeutende Kreaturen.“ Von welchem Fest Son Goku sprach, wusste Bulma nicht, aber sie war sich fast sicher, dass es darum ging, die Auslöschung der Tsufurujins zu feiern. Immerhin war das eines der größten Ereignisse, die die Saiyajins in ihren Schriften niedergeschrieben hatten. Aber wie konnte es passieren, dass man so rachsüchtig wurde, so erfüllt von Zorn, dass man es vollbrachte, ein ganzes Volk auszulöschen? Wieso konnten Saiyajins und Tsufurujins damals nicht miteinander leben?
 

Was war der Anlass für diesen Schritt, für diesen Krieg und die unendliche Zerstörungswut?

 

„Richtig, das seid ihr“, durchschnitt er ihre Gedanken.

 

Wieder mischte sich Son Goku ein. „Du kennst die Gründe, wieso wir dieses Fest -“

 

„Ja, bedauerlicherweise erwähnte ihr Vater etwas derartiges, als wir zu Abend gegessen hatten, wo ich dich, Onna, schmerzlich vermisst habe.“

 

„Spar dir deinen Spott, Vegeta.“ Noch immer wusste sie nicht, wann dieses Fest sein sollte und worum es eigentlich genau ging, da sie ja bloß spekulieren konnte.

 

Amüsiert zuckten seine Mundwinkel, anlässlich ihres gespielten Mutes. „Wie ich sehe, verwechselst du noch immer Mut mit Leichtsinn. Und du, Kakarott, ziehst es tatsächlich in Erwägung, das Fest zu besuchen?“, fragte er verdrießlich und verzog kaum merklich seine Miene.
 

„Ja, ich wollte Bulma eben noch fragen, ob sie mit mir hingehen möchte“, erzählte der große Saiyajin breit grinsend weiter, da er über den Umstand glücklich war, die Situation zunehmend zu entschärfen und den Fokus auf das bevorstehende Fest lenken konnte.

 

„Na dann.“ Langsame Schritten trugen den saiyajinischen Prinzen zur Tür, wo er jedoch inne hielt und tonlos zu Bulma sah, bevor er feixend verschwand, woraufhin auch die beiden zurückgebliebenen Saiyajins erleichtert ausatmeten.

 

Es war jedes Mal eine Herausforderung, sich Vegeta zu stellen. Nicht nur für Bulma, die seelisch bereits sehr angeschlagen wirkte.

 

„Grundgütiger, er ist so... so gemein, Son Goku“, murmelte Bulma, nachdem sie mehrere Minuten stillschweigen auf der Stelle verharrten. „Von welchem Fest hast du eigentlich gesprochen?“ Sie war, wenngleich ihre Nerven arg strapaziert worden waren, extrem neugierig geworden, als Son Goku erwähnte, dass er Bulma mit zum Fest nehmen wollte.

 

„Vom Volksfest der Saiyajins. Dort feiern wir die Eroberung unseres Planeten“, stellte er klar.

 

Sie wusste es, woraufhin sie resigniert nickte. „Wenn du... Also, wenn du Lunch und Kuririn fragst, ob sie mitkommen, würdest du -“ War sie gerade wirklich kurz davor, ihn zu fragen, ob Turles mitkommen könnte? Um Himmel Willen, sie wurde von Tag zu Tag verrückter.

 

„Würde ich was?“

 

„Würdest du Turles fragen, ob er... nun... mitkommen würde?“

 

„Soll ich ihn wirklich fragen?“, vergewisserte er sich, da er einen konkreten Zusammenhang – wieso Turles sie begleiten sollte – nicht erkennen konnte. „Ich frage ihn, wenn du magst.“

 

„Aber sag ihm nicht, dass ich gefragt habe. Einverstanden?“
 

„Einverstanden.“ Es gab Momente, die konnte Son Goku erst im zweiten oder dritten Durchgang verstehen. Aber Bulmas Anliegen verstand er auf Anhieb sofort und er würde sie nicht weiter in Bedrängnis bringen, weswegen er auf ihre Bitte neutral einging. Denn wenn sie glücklich war, wäre auch er glücklich. Nachdem das geklärt war, verabschiedete er sich von Bulma und flog nach Hause, während Bulma in ihr Bett stieg und noch lange wach lag.

Wer A sagt, der muss nicht B sagen

Wer Recht erkennen will, muss zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben.

- Aristoteles

 
 

~*~

 

- Kapitel zehn -


 

 

Eine Woche war bereits vergangen, in der die saiyajinische Hoheit Bulmas Leben zur Hölle hatte werden lassen - herbeigeführt durch seine ständige Präsenz, sowie des dazugehörigen Spotts, den er immer noch nicht für sich behalten konnte. Ob sie jemals lernte, damit umzugehen? Das hoffte sie inständig, während sie mit geschlossenen Augen den Flur passierte und das Handtuch über ihre feuchten Haare rieb. Allerdings wurde dieses morgendliche Ritual – den Duft ihrer frisch gewaschenen Haare wie ein Schwamm aufzusaugen – unterbrochen, nachdem sie die Stimme ihres Vaters vernahm, der offenbar mit Vegeta vor dessen Zimmer stritt. Folglich presste sie ihren Körper eilig gegen die Wand, an der sie zur nächstgelegen Ecke schlich, bevor sie umsichtig herum lugte und ihre Mundwinkel nach unten sanken, als sie die knochig faltigen Hände ihres Vaters verzweifelt gegen das massive Holz schlagen sah. Ihr Vater stritt sich mit Vegeta durch die verschlossene Zimmertür und mit jedem Wortlaut des älteren Saiyajins, glühte der Glimmstängel in seinem Mund. 
 

„Ich soll dir wirklich erklären, wieso du dieses Zimmer verlassen sollst? Weil du seit sieben Tagen hier bist und dich mittlerweile – wenn auch nur geringfügig – eingelebt haben müsstest.“

 

Verbissen kaute sie auf ihrer Unterlippe, während sie den Worten ihres Vaters gelauscht hatte, ehedem sie ihren Kopf zurückzog und niedergeschlagen gen Boden sah. Ihr Vater tat ihr unheimlich leid, weil er in Vegeta etwas finden wollte, was in diesem kämpferischen Körper gar nicht existierten konnte – und zwar einen guten Kern. Der Gedanke, dass ihr Vater daran festhielt, Vegeta ändern zu können, rieb ihr im wahrsten Sinne des Wortes einen Pflock durch den Körper, aufgrund der einkehrenden Enttäuschung, die ihr Vater – so liebenswert er war – erleben würde, wenn auch er erkannt hatte, dass Vegeta ein hinterhältiger, grobschlächtiger Saiyajin war.

 

Demgegenüber hatte Bulma sich aber daran erfreuen können, dass sie Vegeta nicht mehr permanent über den Weg gelaufen war, weswegen sie sich auch intensiver mit dem Dragonradar, sowie den fremden Koordinaten auseinandersetzen konnte. Doch führten ihre Recherchen nicht zu dem gewünschten Erfolg. Bulma konnte nicht herausfinden, um welchen Planeten es sich handelte, welcher auf dem Fadenkreuz ihres Radars erschienen war.

 

„Es interessiert mich einen Scheiß, wie lange ich schon in diesem Loch verkomme. Sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen.“

 

„Vegeta!“

 

Unverzüglich blickte die junge Saiyajin erneut um die Ecke. Die Stimme ihres Vaters hatte sich erhoben – die von Vegeta jedoch auch, was der Grund war, dass Bulma nochmals nachsah, denn Angst breitete sich in ihr aus. Sie fürchtete sich davor, dass Vegeta ihrem Vater in seiner Wut etwas antun würde.

 

„Ich denke“, fuhr der ältere Saiyajin ruhig fort, nachdem er seine Brille auf der Nase zurechtgerückt hatte, „dein Vater wäre, angesichts deiner zeitigen Rückkehr zum Palast nicht sonderlich erfreut. Oder was meinst du?“ Anschließend sog er den Rauch seiner Zigarette tief in seine aufgeblähten Lungenflügel. Gleichzeitig verschränkte er die Arme vor seiner Brust, woraufhin auch Bulma lächelte. Ja, ihr Vater war ein vernünftiger, duldsamer Saiyajin, den man so leicht nicht aus der Ruhe bringen konnte.
 

Es dauerte durchaus, bis man ihn zur Weißglut treiben konnte. Allerdings stutzte Bulma, als sie ihn schmunzeln sah. Etwas, das er selten tat.

 

„Verzeih mir die Forschheit, Vegeta, aber ich glaube, das ist das Letzte, was du willst, oder?“

 

Der verdutzte Ausdruck im Gesicht der lauschenden, blauhaarigen Saiyajin breitete sich zusehends aus, angesichts der Sicherheit in der Stimme ihres Vaters. In keinster Weise konnte sie sich diese Tollkühnheit erklären, da Doktor Briefs ein Saiyajin war, der unnötigen Streit stets vermeiden wollte.

 

„Sie sind sich Ihrer haltlosen Drohungen wohl sehr sicher, was?“, kam es gedämpft durch die Tür zurück.

 

„Haltlos?“, erwiderte Doktor Briefs daraufhin vergnügt. Im Anschluss neigte er den Kopf zur Seite und grinste schelmisch. Und Bulma fiel es wie Schuppen von den Augen, nachdem sie verwundert beide Augenbrauen in die Höhe gehoben hatte. Unverzüglich waren ihr Son Gokus Worte in den Sinn gekommen, als er erwähnte, dass sowohl Radditz, als auch Vegeta etwas ausgefressen hatten...

 

Das war der Grund, weshalb ihr Vater selbstbewusst auftrat. Im Leben des saiyajinschen Prinzen gab es etwas, womit man Vegeta präsumtiv erpressen konnte und diesen Vorteil nutzte ihr Vater gewissenlos aus. Scheinbar, und es war ganz gewiss so, wusste ihr Vater, was Vegeta angestellt hatte... Der König verband Bulmas Verbrechen mit dem von Vegeta, weswegen er ihrem Vater Vegetas Anwesenheit aufbürgen konnte.

 

War Bulma demzufolge Schuld daran, dass der saiyajinische Prinz hier gelandet war?

 

Und was hatte Vegeta getan? Was war es? Es musste sehr gravierend sein. Andernfalls würde Vegeta es niemals dulden, dass ein niederes Wesen die Macht über ihn hatte.

 

„Ja, haltlos“, antwortete der Prinz murrend. „Wieso ködern Sie mich sonst mit meinem Vater? Ist es Verzweiflung -“

 

Bulma hörte die dumpfen Schritte in seinem Zimmer. Innerlich gewappnet, rechnete sie bereits mit einem Aussetzer, der nicht folgte. Stattdessen wurde seine Stimme so leise, dass Bulma ihre Augen schloss, um ihn klar und deutlich zu verstehen.

 

„ - oder ist es Angst, Doktor?“

 

„Vegeta, weder ködere ich dich, noch habe ich Angst. Ich erwähne lediglich Fakten und möchte dir nahe legen, das Zimmer zu verlassen“, kommentierte Bulmas Vater beflissen, als er sich nach unten beugte und die schwarze Katze, welche miauend um seine Beine schlängelte, auf seine Schulter zurücksetzte. „Du könntest zum Beispiel zum Fest gehen. Das wird dir gut tun. Die Gesellschaft wird dich ablenken.“

 

Tatsächlich. Heute feierten die unterklassigen Krieger die Eroberung ihres Planeten. Folglich entriegelte Vegeta die Zimmertür, um daraufhin dem Mann gegenüberzustehen, der – wenn es nach dem rachsüchtigen Saiyajin ging – längst zur Rechenschaft hätte gezogen werden müssen. „Und ich finde“, begann er anschließend, „dass Sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen, anlässlich des zu voreiligen Agierens Ihrerseits.“ Um seinen Unmut noch mehr zur Geltung zu bringen, trat er aus dem Türrahmen – direkt auf den älteren Mann zu.
 

Auch Doktor Briefs bemerkte die rapide Senkung der Stimme seines deutlich jüngeren und stärkeren Gesprächspartners, woraufhin er – noch selbstbewusst genug – den Finger hob und deutlich sprach: „Die Diskussion ist beendet, Vegeta. Du wirst zum Fest gehen und dich endlich in der Gesellschaft einfinden.“

 

Zischend drehte sich Vegeta zur Seite. Er suchte einen Punkt an der Wand, um sich beruhigen zu können. Doch je länger seine Augen die Wand abtasteten, umso weiter erkundeten sie den Flur – bis zum Ende, wo er im letzten Moment Bulmas blaue Haare, sowie ihre feingliedrigen Finger hinter der Ecke verschwinden sah. Fast wirkte er, als wäre er zu Eis erstarrt, aber er konnte sich – ohne von ihrem Vater bemerkt zu werden – rechtzeitig sammeln, sich zur Räson zwingen und teilnahmslos zu dem älteren Saiyajin zurückblicken, der abwartend an Ort und Stelle verweilte.

 

„Ich werde nicht zum Fest gehen, Doktor. Das ist mein letztes Wort.“

 

Währenddessen quälte sich Bulma selbst, indem sie ihren Rücken fest gegen die Wand drückte und ihre Augen so fest schloss, dass es starke Schmerzen in ihr hervorrief. Aber sie ertrug lieber Schmerzen, als in Vegetas abgeklärtes Gesicht zu blicken. Allerdings blieb er ihr fern... Gewiss, es kostete ihn bestimmt Überwindung, sie nicht aufzusuchen und zur Schnecke zu machen. Sollte sie daher nicht selbst die Initiative ergreifen und zum Vorschein kommen, ehe er ihr tatsächlich Voyeurismus zum Vorwurf machte?

 

Schließlich kam sie zufällig hier vorbei. Sie war eben nur vor der Gabelung des Flures stehen geblieben... Genau. Sie schlenderte bloß durch die Flure, nachdem sie aus der Dusche gestiegen war – völlig unverbindlich und neutral.

 

Was sollte sie tun? Stehen bleiben? Däumchen drehen? Oder sich abermals – hinsichtlich seiner Art – einschüchtern lassen? Es wäre besser, die Konfrontation zu suchen, bevor er sie unerwartet traf und Bulma wieder flüchtete, oder? Schließlich hatte sie genügend Zeit, sich für den jetzigen Moment zu wappnen. Jawohl. Außerdem wollte sie eine Eskalation vermeiden, da sie wusste, wie reizbar Vegeta werden konnte, wenn sein Gegenüber ihm nicht den nötigen Respekt zollte.

 

Und vielleicht könnte sie es zu ihrem Vorteil nutzen, wenn Vegeta mit zum Fest ging. Bulma könnte sich endlich der Schlange – welche sich um den Löwenkörper schlang – entziehen und Vegeta zeigen, dass sie durchaus in der Lage war, sich durchzusetzen. Denn wenn sie schon mit ihm hier gefangen war, dann sollte es zumindest für sie lustig werden. Nicht für ihn. Nein, nur für sie. Für Bulma, die sich aus seinen Zwängen befreien würde. Anschließend prüfte sie kurz mit ihren Fingern, ob ihre Mundwinkel weit genug nach oben gezogen waren, bevor sie mit fröhlicher Miene um die Ecke trat und sich den beiden Streithähnen unbeeindruckt näherte.

 

„Guten Morgen“, flötete sie gut gelaunt in die Richtung ihres Vaters und... in seine. Zeitgleich streifte sie das Handtuch von ihrem Schopf, um ihre blauen, noch feuchten Haare graziös nach hinten zu kämmen, während sie lächelnd auf ihren Vater zukam. „Morgen Paps“, fügte sie beherzt hinzu und küsste ihn auf die Wange.

 

„Morgen, mein Kind“, grüßte Doktor Briefs seine Tochter. Sofort hatte sich sein Gesicht erhellt, nachdem er sie bemerkt hatte.

 

„Und?“, fuhr Bulma ungeniert fort – bereit, ihren heimtückischen Plan in die Tat umzusetzen. „Kommst du mit zum Fest?“ Ihr Lächeln war übertrieben freundlich, aber es war Bulma gleichgültig, ob er die Lunte roch. Erfreut stellte sie auch während ihrer Worte fest, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten, doch erwidern konnte er nichts, da ihr Vater ihm zuvor kam.

 

„Ja, eine gute Idee. Nimm ihn mit zum Fest“, stimmte er ihr nickend zu.

 

„Ich sagte doch“, knurrte Vegeta daraufhin erbost, „dass ich nicht zu diesem Fest will. Mein Interesse an diesem dummen, blöden Fest teilzunehmen hält sich in Grenzen und selbst deine nervtötende Anwesenheit ändert nichts daran.“

 

Ah... Ja, dieser hasserfüllte Ausdruck in seinem Gesicht war Bulma bekannt. Erschreckend, wie vertraut ihr diese Mimik bereits war.

 

„Du selbst“, fügte er betont hinzu, verschränkte die Arme und lehnte seine Schulter entspannt gegen den Türrahmen, „warst nicht begeistert davon, als Kakarott denselben Vorschlag äußerte.“ Sie war ein wirkliches Biest. Ein Miststück, das wusste, wie man sich gekonnt in Szene setzte, denn seit sie um die verfluchte Ecke gebogen war, hatte er sie nicht mehr aus den Augen lassen können, aufgrund ihrer grazilen Gangart. Alleine mit ihren Schritten hatte sie ihn gezwungen, sie anzusehen. Auch war ihm klar, dass sie eigennützig handelte, weshalb aufkeimender Argwohn die Selbstsicherheit aus seinem Gesicht blies, in Form seiner hochgezogenen Augenbraue.

 

„Dann möchtest du nicht mitkommen?“, wiederholte sie die Frage selbstsicher, weil die Anwesenheit ihres Vaters ihr Mut verlieh. Sie konnte es zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, aber vor ihrem Vater würde er sie sicherlich angreifen. Nicht, nachdem ihr Vater ihn scheinbar mit etwas erpressen konnte.

 

„Ich verzichte auf die Albernheiten.“

 

„Wie schade.“ Triumphierend legte Bulma ihren Arm auf die Schulter ihres Vaters, während sie Vegetas Blick standhielt und keine Miene verzog. „Wir hätten uns köstlich amüsiert.“ Jedoch auf seine Kosten. Irgendwann musste man diesem verzogenen, unsäglich arroganten Prinzen Grenzen aufweisen. Grenzen, die er nicht überschreiten durfte. Andernfalls würde er sowohl ihrem Vater, als auch ihr ständig auf der Nase herumtanzen. „Aber wenn du nicht mitkommen möchtest, dann kann man deine Entscheidung wohl nicht mehr ändern.“ Indessen wagte sie immer wieder einen abschätzen Blick in seine Richtung, während er hingegen ununterbrochen, aber genauso ehrfurchtslos zurück sah.

 

„Richtig.“ Dieses Weib fühlte sich wohl ganz toll, wenn sie neben ihrem Vater stand. Doch sobald er mit ihr alleine war, verschwanden ihre Allüren. „Ich will nicht mit euch kommen.“

 

„Dann“, kam Doktor Briefs seiner Tochter zuvor, die offensichtlich etwas erwidern wollte, „hast du nichts dagegen, wenn du mir im Labor zur Hand gehst. Meine Schrauben sortieren sich schließlich nicht von alleine.“

 

„Schrauben sortieren?“ Aha... So geheim, wie das Erdlingsweib erwähnt hatte, konnte das Labor demzufolge nicht sein. Aber das wusste Vegeta. Ihm war sonnenklar, dass sie ihn bloß nicht hatte reinlassen wollen – aufgrund ihrer Angst. Allerdings wollte er auch nicht mit dem alten Saiyajin beisammen sitzen.

 

„So können wir beide uns auch endlich besser kennenlernen, Vegeta“, fügte er freundlich hinzu. Bulmas Vater war gewillt, dem störrischen Saiyajin-Prinzen einen Chance zu geben. Er wollte Vegeta zeigen, was Zusammenhalt bedeutete – etwas, das er im Palast scheinbar nie gelernt hatte. „Wir könnten auch an meinem Aufräum-Roboter basteln. Der hinterlässt mir nämlich in letzter Zeit sehr viel Chaos, statt das Durcheinander zu dezimieren.“

 

„Dann habt einen schönen Tag. Ich muss langsam los, Paps.“ Das Saiyajin-Mädchen wusste, dass sie in diesem Moment berechnend war. Sie wusste, dass Vegetas Retoure nicht lange auf sich warten lassen würde, doch gerade jetzt genoss sie die Überhand. In der Gegenwart ihres Vaters konnte sie sich frei und sicher fühlen, was sie gnadenlos ausnutzte. „Wir sehen uns später.“

 

„In Ordnung, Kind. Und pass auf dich auf.“

 

„Mach dir keine Sorgen. Ich werde aufpassen.“ Die Worte ihres Vaters klangen flehentlich. Bulma schätzte die Fürsorge, aber immerzu hier bleiben und das Leben an sich vorbeiziehen lassen wollte die blauhaarige Saiyajin auch nicht. Außerdem wusste ihr Vater, dass er ihr vollends vertrauen konnte. Demnach müsste er sich gar keine Sorgen machen, zumal Son Goku, Kuririn, Lunch und hoffentlich auch Turles an ihrer Seite wären.

 

Zum Abschied winkte sie den beiden Saiyajins zu, ehe sie um die Ecke verschwand.

 

„Na warte, Fräulein, dir werde -“

 

„Bitte?“, unterbrach Doktor Briefs die nuschelnden Worte seines Gegenübers, die er akustisch nicht vernehmen konnte. „Was sagtest du?“

 

„Gar nichts.“ Ohne ihren Vater weiter zu Wort kommen zu lassen, drehte sich Vegeta von ihm weg, bevor er in seinem Zimmer verschwand – in seinem Gefängnis, in dem er sich die wüstesten Szenarien ausmalte. Vor allem, wie er das sture Weibsbild vergessen und gleichzeitig in Rage versetzen konnte, da sie partout nicht aus seinen Gedanken verschwinden wollte. 
 


 

 
 

~*~
 

Seit zwei Stunden quälte sich Bulma durch ihren Kleiderschrank, posierte mit unzähligen Kleidungsstücken vor ihrem Spiegel und überlegte, was sie anziehen sollte. Des Weiteren hatte sie etliche Versuche unternommen, ihre Haare in einen anständigen Zopf zu binden, was wiederum nicht zu ihren Kleidern passte und sie überlegte – für einen Moment – tatsächlich, ob sie die Saiyajin-Kleidung tragen sollte, die seit ihrer Ankunft auf Vegeta-Sei unberührt in ihrem Schrank verrottete.

 

Ob das Turles gefallen würde? Schließlich schätzte er – wie jeder Saiyajin – die Traditionen, zu denen auch der Kleidungsstil gehörte.

 

Nachdem sie sich jedoch in die Panzerung gezwängt und darin begutachtet hatte, beschloss sie, sich nicht für jemanden zu verbiegen, dem sie gefallen wollte. Turles sollte sie so mögen, wie sie war. Zwar immer darauf bedacht perfekt auszusehen, aber eben in ihren Kleidern und nicht in diesen Sachen, mit denen sie sich nicht identifizieren konnte.

 

„Gratulation“, vernahm Bulma den höhnischen Klang, woraufhin sie im Spiegel den Verursacher ausmachen konnte – Vegeta, der feixend im Türrahmen stand und Bulmas Kehrseite musterte.

 

„Was willst du?“ Schluckend, allerdings mit fahrigen Fingern, hielt sie sich ein weiteres Shirt vor ihre Brust, um ungerührt ihr Spiegelbild zu betrachten. In ihr sah es jedoch anders aus.

 

„Nichts besonderes, aber du siehst recht albern aus. Oder ist das eine Kriegsbemalung, die mir fremd ist?“, begann er verächtlich, während er mit dem Finger – wie sie im Spiegel herauskristallisieren konnte – zu seinem Gesicht fuhr, um ihr zu zeigen, dass er die Schminke meinte, die ihr hübsches Gesicht verunstaltete.

 

Daraufhin sanken ihre Arme, die das Shirt hielten, im Zeitlupentempo nach unten, ehe Bulmas beschämter Blick gen Boden folgte, da sie ihn nicht ansehen wollte. Beim heiligen Shenlong, das wollte sie gerade unter keinen Umständen, weil er womöglich recht hatte. Und genau das war es, was sie störte: Dass es schon wieder Vegeta war, der ihr etwas vor Augen führte. „Kriegsbemalung nennst du das?“, erwiderte sie schließlich salopp, bevor sie nach oben sah und sein Antlitz im Spiegel erhaschte.

 

„Allerdings“, bejahte er. „Wobei unsere Vorfahren sich mit dem Blut ihrer Opfer bemalt haben.“

 

Behutsam strich Bulma eine der losen Haarsträhnen hinter ihr Ohr, während sie zwanghaft versuchte, nicht darüber nachzudenken, ob sie wirklich eitel geworden war. Viel Zeit ließ Vegeta ihr jedoch nicht, da er ihr Zimmer betrat und Bulma somit immer näher gekommen war – bis er sie erreichte, dicht hinter ihr stehen blieb und seinen Mund zu ihrem Ohr heranführte.

 

„Wollen wir hoffen“, flüsterte er, „dass sich Turles' Begeisterung nicht in Luft auflösen wird.“ Inzwischen war seine Hand vorsichtig entlang ihrer Wirbelsäule gewandert, ohne sie überhaupt zu berühren, aber die bloße Nähe zu ihr und ihrem Körper schien ihn tatsächlich zu beruhigen, wenngleich er hätte ausrasten können, wenn er nur daran dachte, dass sie Turles mochte.

 

Turles! Den Handlanger seines erbärmlichen Vaters, dessen Schuld es war, dass er mit diesem Mädchen überhaupt erst in Berührung kam und anfing, sie und ihren Körper zu wollen.

 

Geistesgegenwärtig hatte sich Bulma zu ihm herumgedreht, jedoch Abstand zu ihm aufbauen wollen, indem sie ihren Rücken gegen den Spiegel drückte. „Was soll das heißen? Wieso sollte... es Turles nicht gefallen?“ In der Zwischenzeit suchte ihre Hand verzweifelt nach dem Griff der Schranktür, die sie ruckartig aufziehen und gegen Vegetas Gesicht schlagen wollte, um seinen Schikanen zu entkommen.

 

„Ich weiß nicht, Onna“, entgegnete er lächelnd. Indessen war auch Vegeta nicht untätig, der inzwischen ihre Intention erkannte und unterbinden wollte. Blitzartig schossen beide Hände nach vorne, doch trennte sich ihre Wege. Während die linke Hand unter dem Saum ihres Shirts verschwand, an dem er sie zu sich heranzog, war die rechte Hand auf ihrer gelandet, so dass sie nicht weiter nach dem Griff suchen konnte.

 

„Solange du dem Fest fern bleibst, wird es nichts geben, was unsere Laune verschlechtern könnte.“

 

„Ach, stimmt. Du gehst ja zu dem Fest“, quittierte er immer noch grinsend, ohne den Abstand zu ihr zu vergrößern. Stattdessen kam er ihrem abgeneigten Gesicht noch näher. „Ich bin mir sicher, dass du eine Menge Spaß haben wirst – auf einem Fest, dessen Grundlage es ist, die Eroberung unseres Planeten zu feiern. Und das ist doch etwas, womit du dich wunderbar identifizieren kannst, nicht wahr?“

 

„Lass das, Vegeta!“

 

Belustigt ließ er den Schlag gegen seine Brust geschehen, bevor er sich entfernte und einen Schritt zurücktrat. „Schon komisch, oder?“

 

„Was ist komisch?“

 

„Alles“, beantwortete Vegeta ihre Frage wortkarg. Aber er war – wie er ihr schon sagte – auch ein netter Kerl, sofern man nett zu ihm war, weshalb er fortfuhr: „Du gehst zu einem Fest, das auf dem Rücken tausender Opfer ausgetragen wird. Oder dachtest du, die Ur-Saiyajins haben sich gütig mit den Tsufurujins geeinigt, als sie hierher kamen?“

 

Das glaubte Bulma keineswegs. Doch statt ihm recht zu geben, begann sie in typischer Bulma-Manier ihn aufzuklären: „Wenn man nichts nettes zu sagen hat, Vegeta, soll man den Mund halten – eine Weisheit der Erdlinge.“ Um genauer zu sein, war es eine Weisheit eines kleines Häschens, das sie in ihrer Kindheit sehr gemocht hatte, aber Vegeta würde es sowieso nicht verstehen, wenn sie ihm von einem Zeichentrickfilm erzählen würde.

 

„Eine sehr dumme Weisheit, wenn du mich fragst.“

 

„Ich frage dich aber nicht, Vegeta.“

 

„Angesichts deiner Unwissenheit wäre es jedoch ratsamer, mir recht viele Fragen zu stellen. Meinst du nicht?“, fragte er geringschätzig, während er ihr dabei zusah, wie sie beleidigt zu ihrem Schreibtisch marschierte. „Es würde vor allem Konfrontationen vermeiden, wenn du spurst.“

 

„Und ich frage mich, ob der Neid dich so handeln lässt, weil ich wenigstens ein Leben habe oder ob es Willkür ist, dass du so bist?“ Kreidete sie gerade einem Saiyajin, der sie mit einem Faustschlag über den Jordan schicken konnte, Neid an?
 

Das falsche Lachen, das aus seinem Mund drang, wurde von Wut überspielt, die sich unverzüglich in seinem Körper ausbreitete. „Ich soll neidisch sein? Auf dein Leben?“ Oh, noch nie war er so entschlossen, wie jetzt gerade. Er könnte sie mit einem Hieb zur Seite stoßen, ihre hässliche Gesichtsbemalung mit wenigen Worten, aufgrund der darauffolgenden Tränen ihrerseits wegwischen lassen, ohne selbst Hand anzulegen, doch noch verzichtete er darauf. „Gib dich nicht der Illusion hin, dass ich ein Leben wie deines führen möchte. Ich amüsiere mich bloß, hinsichtlich deiner Dummheit, und darauf will ich nicht verzichten, wenn mich hier schon nichts – außer der puren Langeweile – erwartet.“
 

„Dann geh doch wieder zu deinem Vater?“ Bulma lauerte wie ein Tier hinter einer Hecke auf den richtigen Zeitpunkt. „Oder gibt es etwas, das dich daran hindert? Ich meine, du könntest doch einfach zum Palast zurückgehen?“ Bedächtig blickte sie über ihre Schulter zu ihm, um sicherzugehen, dass er nicht wieder hinter ihr stand.

 

„Anscheinend denkst du, ich sei dumm, aber lass dir gesagt sein, dass du cleverer sein musst, wenn du mich austricksen willst.“

 

Das dachte Bulma. „Wieso möchtest du es nicht sagen? Ist es so schlimm?“

 

„Schlimm, im Bezug auf das, was ich gemacht habe, ist gar kein Ausdruck, Onna.“ Nachdem er den Satz beendet hatte, sah er ihre Schultern zucken, was auch Vegeta beruhigte, da ihre Angst wieder sichtbar wurde und Vegeta gleichzeitig Selbstsicherheit verlieh. „Dem ungeachtet, interessiert es mich brennend, wieso du zu einem Fest gehst, dessen Hintergrund du verabscheust? Erkläre es mir, Onna.“ Sie ging einfach nicht weg von ihrem Schreibtisch. Es war quasi eine Einladung für Vegeta, erneut zu ihr zu gehen, seinen Oberkörper gegen ihren Rücken zu lehnen und mithilfe seines Gewichts ihren Körper nach unten zu stemmen, damit er seine Hände auf der Schreibtischplatte abstützen konnte und seine Nase gleichlaufend in ihren Haaren verbarg. „Du fühlst dich weder mit unseren Sitten, noch mit unserer Herkunft verbunden und trotzdem“, lachte er in ihren Haaransatz, „suchst du die Nähe zu dieser – in deinen Augen – abnormalen Gesellschaft. Wieso? Um Turles zu gefallen?“

 

„Vegeta, geh... geh weg von... von mir“, keuchte Bulma, deren Hände sich krampfhaft in den Kanten ihres Schreibtischs verhaken wollten.

 

„Paradox, oder? Mich würde es ankotzen, in zwei Welten zu leben.“

 

„Das... Das ist Quatsch. Ich lebe nicht in zwei Welten“, schilderte sie entgeistert, da sie wusste, dass er mit seinen Äußerungen recht hatte. Allerdings wollte sie diesem missratenen Königssohn ihr stupides Verhalten nicht noch auf einem Silbertablett servieren, weshalb sie die Lüge der Wahrheit vorzog. „Ich muss mich – sehr zu meinem Missfallen – hier zurechtfinden. Dazu gehört auch, dass ich mich unter die Leute mische. Im Gegensatz zu dir, der die Einsamkeit vorzieht.“

 

„Nette Lüge, aber mir musst du nichts vormachen, Onna.“

 

„Erzähl mir lieber, wieso mein Vater dich erpressen kann? Wieso bist du hier? Es muss ein Arrangement zwischen deinem und meinem Vater geben, oder? Andernfalls“, schlussfolgerte Bulma logisch, „wärst du nicht hier. Du... Du würdest dich doch niemals“, fuhr sie schlotternd fort, aufgrund der unangenehmen Nähe zu ihm, „herumkommandieren lassen, oder?“

 

„Muss dich enttäuschen“, hauchte Vegeta ihr entgegen, ehe seine Nase langsam durch ihre Haare, hinab zu ihrem Ohr glitt. „Ich weiß nichts von einem Arrangement zwischen unseren Vätern.“

 

„Du lügst!“

 

Natürlich log er. Vegeta konnte schon immer, sobald sich sein Hals in der Schlinge befand, hervorragend lügen. Sein Aufenthalt hier stand per se in Verbindung mit seinen verübten Schandtaten, aber worum es genau in diesem zwielichtigen Abkommen ging, wusste er tatsächlich nicht. Was Vegeta wusste, war, dass sein Vater stets zu seinem eigenen Vorteil handelte – wie jeder andere Saiyajins auch, Vegeta mit eingeschlossen.

 

Zu keinem Zeitpunkt hatte er seinem Vater geglaubt, dass Bulmas Vater bloß ein alter Freund war, da Saiyajins letztendlich keine Freunde hatten. Allerdings konnte der Saiyajin-Prinz ebenfalls bis drei zählen. Ihm war bewusst, dass entweder Bulma oder ihr Vater etwas getan hatten, was dem König in den Kram passte, um Vegeta dorthin abzuschieben.

 

Darüber hinaus wurde er indessen wahnsinnig, während sie beide zusammen vor ihrem Schreibtisch standen – so nah beieinander, dass sich ihre Kleidung berührten und Vegeta ihren intensiven, wenn auch aufgeregten Herzschlag fühlen konnte. Es lag schlichtweg in der Natur eines jeden männlichen Saiyajins, sich fortzupflanzen, den Bestand der Rasse zu sichern und dafür zu sorgen, dass weitere männliche Nachkommen kamen. Jedoch gab es dahingehend ein Problem...

 

Sie – wollte – ihn – nicht!

 

Schon dieser Gedanke müsste ihn abschrecken. Den jungen Prinzen daran hindern, sich weiterhin vorzustellen, mit seinen nackten Fingern über ihre weiche Haut zu wandern. Aber er konnte die Vorstellung nicht abstellen. Nach wie vor dachte er daran, die verbotene Frucht – die ihn nicht leiden konnte – zu berühren und genau darin lag sein verdammt nerviges Problem...

 

Dieses Mädchen zog ihn an – auf eine Art, die er nicht konkretisieren konnte. Je mehr er daran dachte, die Büchse der Pandora zu öffnen, umso drängender wurde der Wunsch, das Szenario Realität werden zu lassen – trotz der offensichtlichen Gefahren, die ihm ins Gesicht sprangen. Die drohende Zuspitzung war Vegeta bekannt, dennoch konnte er sich der Spannung nicht entziehen. Dieser Saiyajin näher zu kommen war bedeutsamer, als jegliche Bedrohung, die von einem Näherkommen ausging.

 

„Onna, wieso sollte ich lügen?“

 

„Oh“, entkam es ihr mürrisch. „Ich wüsste da einige Gründe. Du willst es, um ein Beispiel zu nennen, mir aus Prinzip nicht verraten.“

 

„Möglich“, grinste er keck. „Hast du noch weitere Vorschläge?“

 

„Mit Sicherheit, aber stattdessen könnte ich dir helfen?“ Innerlich wusste sie, dass es keinen blöderen Vorschlag gab, als Vegeta Hilfe anzubieten.

 

„Inwiefern?“, wollte er knapp wissen, denn nicht nur Bulma, sondern auch Vegeta war hellhörig geworden. Niemals würde sie ihm freiwillig die helfende Hand reichen. Wozu auch? Dazu gab es keine Gründe, weil er nie der Saiyajin gewesen war, der bereitwillig Hilfe annahm – und das wusste sie ebenfalls. Folglich schnappte er sich ihren Oberarm, wodurch er sie zu sich herumdrehte, damit sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.

 

Ihre glasig blauen Augen interessierten ihn nicht. Es war viel mehr die Tiefe, sowie die Intensität des Blaues ihrer Augen, was ihn verwunderte. Noch nie hatte er so klare und offene Augen gesehen. Noch nie standen sie sich so lange und vor allem fast ruhig gegenüber, so dass Vegeta die Zeit bekam, in ihre Augen zu sehen.

 

„Wenn... Wenn wir uns nicht mehr streiten und... und ich meinem Vater sage, dass du dich besserst, dann... Ich wette, dass du früher zum Palast zurückkehren darfst.“

 

Es ging um so viel mehr. Das wusste sie nur nicht, aber woher auch? Im Gegensatz zu ihr, kannte Vegeta seinen Vater, der seinen starrköpfigen Sohn schmoren lassen wollte, weshalb Vegeta noch lange nicht das Licht am Ende des Tunnels erspähte. Unterdessen betrachtete er unbemerkt ihren Kiefer, die leicht herausragenden Wangenknochen und ihre Lippen, über die er seinen Daumen verflucht gerne streichen würde.

 

„Das ist Schwachsinn.“ 

 

„Wieso?“ Bulmas aufkeimende Freude, ihn vielleicht loszuwerden, sank rapide ab. „Wenn mein Vater deinem Vater erzählt, dass -“

 

„Und du denkst, dass mein Vater den Wortes deines Vaters Glauben schenkt? Nach einer Woche?“ Seine Hand, die immer noch ihren Oberarm festhielt, schlenderte langsam nach unten zu ihrem Handgelenk, was ihn unfassbar nervös machte. „Du merkst hoffentlich selbst, dass das unglaubwürdig klingt.“

 

„Dann tu etwas, damit du verschwindest, weil hier wird dich sicher niemand vermissen. Das hast du in den wenigen Tagen, in denen du hier bist, nämlich geschafft.“

 

Erschrocken darüber, ließ er verdutzt ihr Gelenk los. Diese Ehrlichkeit hatte ihn hart getroffen, obgleich es ihm nie wichtig war, erwünscht oder unerwünscht zu sein. Und trotzdem musste er schlucken, als sie ihm die Worte unvorbereitet an den Kopf warf. Sollte er demnach den Versuch wagen, und falsches Wissen vortäuschen um zu erfahren, wer von beiden Erfindern etwas angestellt hatte? Es wäre eine günstige Gelegenheit, doch was, wenn sie zum Gegenschlag ausholte und ihn traf? So hart, dass er sich schwer davon erholen würde?

 

Zweifelsohne wurde sie mit jeder Konversation mutiger, in welcher ihr stets bewusster wurde, dass Angriffe seinerseits in ihre Richtung immer unwahrscheinlicher wurden.

 

Verfluchte Scheiße. Dieses Ass spielte dieses Miststück eiskalt aus. Andernfalls würde sie doch gar nicht den Weg des Widerstandes gehen. Immerhin verspürte er ihre Angst schon oft, sah sie in ihren azurblauen, geweiteten Augen, die ihn im Moment jedoch verschmitzt anfunkelten. Und Vegeta? Er stand vor ihr – einen Kopf größer als sie, perplex... irritiert... verwirrt... Nicht sicher, den nächsten verbalen Schlag zu platzieren.

 

„Ich soll“, begann er langsam, den Blick nicht von ihrem Gesicht nehmend, „mich verpissen? Verstehe ich das richtig?“

 

Nickend bestätigte sie seine Aussage: „Genau. Eine Hirnzelle weniger und du wärst eine Pflanze gewesen, Vegeta. Glückwunsch, du hast dich gesteigert und mich auf Anhieb sofort verstanden“, warf sie ihm herablassend entgegen.
 

„Noch so eine Bemerkung, Fräulein, und deine Zahnbürste greift morgen ins Leere.“ Sein verblüffter Blick hatte sich – wie Bulmas Mimik zuvor – zu einer grinsenden Fratze entwickelt, aufgrund des Spaßes den er anlässlich ihres erschrockenen Ausdrucks empfand. „Ich werde mich nicht verpissen und bezüglich des Arrangements zwischen unseren älteren Herren weiß ich auch nichts. Krieg das endlich in deine Birne, Mädchen.“ Hinsichtlich des Inhaltes hatte er nun mal wirklich keinen blassen Dunst und das sollte sie gefälligst verstehen, bevor er völlig den Verstand und zusätzlich den letzten Nerv verlor.

 

„Dann haben wir uns auch nichts weiter zu sagen“, feuerte die blauhaarige Saiyajin hinterher, bevor sie sich angewidert – angesichts der Nähe – an ihm vorbei zwängte und zu ihrem Spiegel zurückging. Mit zusammengebissenen Zähnen öffnete sie den Schrank, entnahm eine offene Dose, in der sich dutzende Haarnadeln befanden und erschrak schon gar nicht mehr, als sie den Schrank schloss und im Spiegel Vegeta entdeckte, der abermals hinter ihr stand – feixend, mit verschränkten Armen. Diesen Idioten konnte man scheinbar nicht einschüchtern.

 

Vegeta ließ entgegen seiner Erwartungen einige Minuten verstreichen, ehe er sich ungefragt neben sie stellte, seine Schulter gegen die Ecke des Schranks legte und ihr dabei zusah, wie sie ihre glatten Haare nach oben hob und mehrere Haarnadeln in ihrem Schopf verschwanden, die ihrer angestrebten Frisur Halt schenkten. „Sag mal, was hat es eigentlich mit diesem Radar auf sich? Was kann der?“

 

Unwillkürlich hielt Bulma inne, drehte ihren Kopf nach links und sah den interessierten Blick in seinem Gesicht. Wie wandelbar Vegeta doch war...

 

„Wieso fragst du?“ Derweil begann Bulma damit, seinen kryptischen Blick zu studieren, wurde jedoch nicht schlau aus ihm.

 

„Vegeta?“, fügte sie hinzu, nachdem er nicht antwortete. Ferner war sie genauso über den Zustand überrascht, dass sie wieder normal miteinander sprachen, obwohl vor wenigen Momenten eisiger Krieg zwischen ihnen geherrscht hatte. „Was ist mit meinem Radar? Wieso interessiert es dich?“

 

Kritisch sah er zur Seite – in den Spiegel – und betrachtete sein selbstgefälliges Ich. „Reine Neugier, nichts weiter.“ Einmal, so erinnerte er sich, hatte sie etwas von Dragonballs erwähnt. Dass... Dass Kakarott, sofern er dürfte, zur Erde fliegen könnte, um sich seinen Dragonball zurückzuholen. Was bedeutete das? Dass Kakarott eigene Dragonballs besaß oder bestand die Möglichkeit, dass... dass es irdische Dragonballs gab? „Hast du den Radar wirklich auf der Erde gebaut?“

 

Sie antwortete ihm nicht.

 

„Sag schon“, fuhr er bedrohlich laut fort, doch senkte er seine Stimme rasch, als er nach ihrer Hand griff. „Du hast den Radar auf der Erde konzipiert. Du warst nämlich ziemlich überrascht, nachdem dir andere Koordinaten angezeigt wurden.“

 

„Du musst was verwechseln“, empörte sich Bulma, die sich schnellstmöglich aus seinem Griff befreien wollte.

 

„Lüg mich nicht an! Als ich zu euch kam und wir zusammen gegessen hatten, hast du deinem Vater erzählt, dass du fast fertig bist. Du hast den Radar – dank meines Hinweises – richtig anpassen können.“ Längst hatte er das silberne Gehäuse auf ihrem Bett entdeckt, das im Sonnenlicht funkelte. „Du hast ihn modifiziert und ich möchte wissen, weshalb du das getan hast, Onna?“

 

„Er funktionierte auf Vegeta-Sei nicht richtig. Deswegen habe ich ihn repariert.“

 

Bestimmt log sie wieder. „Was war der Anlass, ihn überhaupt zu reparieren, gar einzuschalten? Und wag dich nicht, nach billigen Plattitüden zu suchen. Hättest du von den neuen, nicht-irdischen Koordinaten gewusst, wärst du nicht aus allen Wolken gefallen.“

 

„Vegeta, du... du tust mir weh!“

 

Fuck... Er tat ihr schon wieder weh. Und wieder sagte sie den verhängnisvollen Satz, der notwendig war, um sein Bewusstsein zu aktivieren, das gleichzeitig veranlasste, ihre Hand loszulassen, ehe er ihr sämtliche Knochen darin brach. Folglich seufzte sie erleichtert auf, umschloss mit ihrer Hand die schmerzende und rieb über die stechenden Punkte darin.

 

Taumelnd trat Bulma nach hinten, bis der Schrank sie stoppte und zwang, stehen zu bleiben. „Bitte... Bitte geh jetzt. Ich... Ich muss mich fertig machen.“ Ihr Kampf gegen die Tränen war ein Kampf gegen Windmühlen, woraufhin ihr Zeigefinger vorsichtig unter ihren Augen entlangfuhr, um ihm nicht noch ein Gefühl des Sieges über ihren Geist und ihrer Emotionen zu gewähren.

 

Wortlos – mit offen stehendem Mund – stand er vor ihr, unsicher darüber, welcher Worte er wählen sollte. Daher war es besser, sich kommentarlos abzuwenden. Allerdings blieb er noch einmal im Türrahmen stehen, blickte über seine Schulter und betrachtete ihre zerbrechliche Hülle. Augenblicklich verformten sich seine Lippen zu einer dünnen Linie, weil er dafür verantwortlich war, dass ihre Arme zitternd um ihren Oberkörper geschlungen waren und ihr Blick schluchzend gen Boden gerichtet war.

 

Ob er etwas sagen sollte? Durfte er nach alldem noch einmal das Wort an sie richten?

 

Angesichts der Rangordnung hatte er das Recht, sie noch einmal anzusprechen und eine Antwort zu verlangen. Aber er sah davon ab. Kopfschüttelnd verließ er ihr Zimmer, während er über den kurzen Moment nachdachte. Es war trivial, nicht weiter von Belang, da er ein Saiyajin war, der weder Mitgefühl noch Gnade kannte und doch hatte ihr von Schmerz erfüllter Ausdruck etwas in ihm bewegt. Es hatte Vegeta getroffen, dass er der Grund war, dass sie Schmerzen hatte...

 

Verdammter Saiyajin-Mist!

 

Wo war sein kaltes Herz? Früher hätte es ihn nicht gestört. Nein, er hätte sich daran erfreut, wenn jemand seinetwegen Schmerz, gar Leid empfand.

 

„Verflucht, was ist bloß los mit mir?“, schnaubte er verächtlich, nachdem er sein Zimmer, sowie sein Bett erreichte, auf das er sich ausgelaugt warf. „Was hat dieses Weib nur mit mir angestellt?“, fragte er sich, während er zu seiner geballten Faust sah, die anschließend auf die weiche Matratze schlug.

 

Aber lange verweilte er nicht in seinem Bett. Stattdessen stand er auf, öffnete das Fenster und sah in die Ferne – wie so oft, wenn er grübelte. Vorsichtig stellte er sein linkes Bein auf die Fensterbank, legte den linken Arm auf sein Knie und überlegte, ob er zu Radditz fliegen sollte...

 

Sollte er?

 

Ja. Hauptsache weg von dieser Ruine und... ihr. Im Anschluss stieß er sich kraftvoll ab und verschwand und eins war sicher: So absurd es auch klang, aber Radditz war in diesem Chaos sein einziger Verbündeter...
 

 
 

~*~
 

Der Teufel auf ihrer rechten Schulter rieb sich bereits vergnügt die knochigen Finger, während der Engel mit Engelszungen versuchte, Bulma zum Umkehren zu bewegen. Doch der Teufel hatte jüngst erkannt, dass er das Spiel gewonnen hatte, nachdem Bulma die Küche betrat und ihre Mutter am Esszimmertisch entdeckte, wo sie anmutig saß und die cremefarbene Porzellantasse zu ihrem Mund führte.

 

Kurz überlegte Bulma, ihre Schulter gegen die Wand zu lehnen und stillschweigend ihrer Mutter dabei zuzusehen, wie sie ihren Tee trank. Insgeheim beneidete sie ihre Mutter für die Ruhe, die ihr entspannter Körper verströmte, denn in Bulma war es alles andere als ruhig.

 

In ihr brodelte es vor Aufregung, weil sie Turles sehen würde. Weil... Weil es ein Treffen war, dem er freiwillig zugestimmt und somit entschieden hatte, Zeit mit Bulma zu verbringen.

 

„Mama?“, flüsterte sie, weil sie ihre Mutter nicht erschrecken wollte.

 

„Bulma?“ Fröhlich drehte sich Panchy auf ihrem Stuhl herum, stellte die Tasse ab und musterte erfreut die Erscheinung ihrer Tochter. „Hallo Liebes.“

 

Wie ein begossener Pudel stand die jüngere Frau im Raum – die Beine enge geschlossen, während sie ihre Clutch vor ihre untere Mitte hielt. „Du, ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich weg bin, ja?“

 

„Setz dich doch noch einen Moment, hm?“ Freudestrahlend, angesichts der Aufmachung ihrer Tochter, klopfte sie auf das Sitzpolster neben sich, doch Bulma winkte lächelnd ab. „Komm, Vegeta wird sicher auch gleich runterkommen, um deinem Vater zu helfen.“

 

„Oh, nicht nötig, Mama. Ich bin spät dran.“ Bestimmt wollte sie nicht, dass Vegeta sie sah und beglotzen konnte. Das war das Letzte, das Bulma wollte. Schlussendlich hatte sie sich nämlich dazu entschieden, ein beigefarbenes, kurzes Cocktailkleid zu tragen – kombiniert mit den farblich passenden Schuhen, dem passenden Gürtel, sowie einem hellgrauen Fell-Gilet, das ihre Kleidung wenigstens ein bisschen abschirmen sollte.

 

Allerdings trug Lunch ebenfalls keine Saiyajin-Kleidung, sondern kurze Shorts und Tops in den knalligsten Farben. Vielleicht gab es noch andere Saiyajins, die zu solchen Festen andere Kleidungsstücke bevorzugten? Das hoffte Bulma sehr, denn auffallen wollte sie nicht.

 

„Ich möchte Son Goku, Turles, Lunch und Kuririn nicht unnötig warten lassen.“

 

Turles?“, hakte ihre Mutter argwöhnisch nach.

 

„Ein Freund. Nichts besonderes“, erklärte Bulma – zu schnell, zu nervös, woraus ihre Mutter ihre eigenen Schlüsse ziehen würde.

 

„Schätzchen, kann es sein, dass du unentschlossen bist, seit wir die Erde verlassen haben? Ist es wegen Yamchu? Vermisst du ihn so sehr, dass du dir hier Trost suchst?“

 

„Mama, bitte!“, unterbrach die Jüngere die Ältere barsch. Unter keinen Umständen wollte sie mit ihrer oberflächlichen Mutter darüber reden, da sie – sehr zu Bulmas Leidwesen – der falsche Ansprechpartner gewesen war. Oft hatte Bulma sich gewünscht, mit ihrer Mutter ernsthaft sprechen zu können – egal über welches Thema. Aber das funktionierte noch nie. „Ich suche keinen Trost.“

 

„Ich meine nur. Schließlich ist Vegeta ein so ansehnlicher Saiyajin. Findest du nicht?“

 

„Nein, finde ich nicht, aber ich muss jetzt wirklich los.“ Grundgütiger. Wieso war ihre Mutter so? Man konnte von Panchy Briefs nicht behaupten, dass sie in der Lage war, vernünftige Gespräche zu führen – bei Leibe nicht, nein.

 

„Na gut“, seufzte Panchy betrübt und widmete sich wieder ihrer Teetasse.

 

Und das war auch Bulmas Stichwort. Mit herabhängenden Schultern verließ sie ihr Zuhause.

Vorsicht Bulma!

Der Furchtsame erschrickt vor der Gefahr, der Feige in ihr, der Mutige nach ihr.

- Jean Paul


 

 
 

~*~

 

- Kapitel elf -


 

Genauso unsanft wie vor der Kneipe, aus welcher er Bulma abgeholt hatte, war er vor einem alten Haus gelandet. Die klappernden Fensterläden waren geschlossen, im Innern war kein Licht zu sehen und auch das Gras hinter der alten Hütte war bis zu den Knien gewachsen. Hier hatte man sich schon lange nicht mehr um etwas gekümmert. Nichtsdestotrotz beschleunigte er seine Schritte, bis er die in die Jahre gekommene Tür erreichte, gegen dessen marodes Holz seine Faust klopfte. Ferner tippelte er ungeduldig mit dem rechten Fuß auf den Boden, aber es kam niemand – die Tür vor ihm blieb verschlossen, weshalb er nochmals gegen die Tür klopfte. Fester und lauter.

 

Scheinbar wollte der Bewohner der Ruine nicht aufmachen – aufgrund drohender Konsequenzen, mit denen man auf Vegeta-Sei immer rechnen musste.

 

Zähneknirschend stellte er einen Fuß vor die Tür. Ferner legte er eine Hand auf das Holz, wohingegen er sein Gesicht nah zur Tür heranführte und zu flüstern begann – wohl wissend, dass die Person ihn hörte. „Radditz, mach sofort die Tür auf. Es wird nicht besser, wenn du mir den Zutritt verweigerst.“ Im Anschluss entfernte er sich ein kleines Stück und wartete, bis die Tür nach wenigen Sekunden vorsichtig nach hinten gezogen wurde, ehe die dunkle Gestalt im Schatten des Flures zum Vorschein kam.

 

„Vegeta, was... was machst du hier?“, krächzte der Saiyajin mit den langen, stachelig schwarzen Haaren, nachdem er in den Lichtkegel der Sonne trat, die unermüdlich hell auf Vegeta-Sei schien. „Seit... Seit wann darfst du -“

 

„Glaubst du etwa wirklich, dass ich mir von meinem Vater vorschreiben lasse, was ich darf und was nicht?“ Enttäuscht darüber, dass Radditz seine Autorität in Frage stellte, zierten Falten seine Stirn. Vegeta mochte keine kritische Abfertigung seiner Person und doch hatte Radditz es gerade getan, weshalb sich die Laune des Königssohn verschlechterte, obwohl er eine wunderbare Idee hatte, Bulmas Leben weiter zu erschweren. Ferner trübte auch der Ekel, den Vegeta hinsichtlich Radditz' Behausung empfand, seine Laune. Dennoch betrat er die Hütte, ließ Radditz vorangehen und warf die Tür schallend ins Schloss, ehe sie gemeinsam den dunklen Flur durchschritten, bevor sie in der abgedunkelten Küche ankamen.

 

Hier war es noch schlimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, auf der Spüle stapelte sich das Geschirr und kurz überlegte er, ob er sich tatsächlich setzen sollte. Hinzu kam der Kampf, sich – anlässlich des widerwärtigen Geruchs – nicht zu übergeben.

 

Radditz marschierte währenddessen zum Schrank, woraus er sich eine Flasche Met nahm und diese nahtlos zu seinem Mund heranführte, was Vegeta missbilligend mit ansah.

 

„So sieht dein Leben also mittlerweile aus? Versoffen und ahnungslos?“

 

Daraufhin setzte Radditz die Flasche ab, wischte die Flüssigkeit aus seinen Mundwinkeln und betrachtete sein Gegenüber abschätzig, bevor er sich an den ramponierten Tisch setzte – die Flasche weiterhin in seiner Hand haltend. „Du hast keine Ahnung, was ich durchmache, Vegeta. Ich steh mit dem Rücken zur Wand – quasi am Abgrund.“

 

„Was du“, betonte Vegeta abfällig, „durchmachst?“ Im Anschluss lachte der junge Saiyajin auf und zog den Stuhl zurück, um sich Radditz gegenüber zu setzen. Anschließend legte er seinen Arm auf die Tischplatte, überkreuzte seine Beine und betrachtete Radditz' eingefallenes Gesicht – gezeichnet vom Alkohol und der daraus resultierenden Lethargie.

 

„Ja, Vegeta, denn im Gegensatz zu dir, friste ich mein Dasein in der Armseligkeit.“ Bardocks Abkömmling wusste, was er von sich gab. Er wusste, dass Vegeta gefährlich werden konnte, wenngleich sie zusammen aufgewachsen und befreundet waren – was allerdings noch lange kein Garant dafür war, dass Vegeta Gnade kannte, da man sich in seiner Gegenwart nie sicher fühlen durfte. Vegeta war ein Saiyajin, der einer tickenden Zeitbombe gleichkam. „Ich komme hier nicht mehr weg – wie Nappa. Wir werden unser Leben lang Geächtete bleiben.“

 

Unberührt davon, wippte Vegetas überkreuztes Bein hin und her, während er den Worten seines Kompagnons lauschte, der wohl darauf hoffte, mitleidige Blicke von Vegeta zu erhalten. „Und wieso erzählst du mir das?“

 

Ja, wieso tat er das überhaupt? Den Prinzen interessierte es nicht – er würde, sobald er den Thron bestieg, sowohl seine Privilegien genießen, als auch sein Leben ohne Einschränkungen weiterleben. „Tze, keine Ahnung“, erwiderte er niedergeschlagen und rieb seine Hand über seinen muskulösen Nacken. „Ich hatte wohl fälschlicherweise Verständnis erwartet.“

 

„Von mir?“ Tatsächlich war Vegeta überrascht, angesichts dieser Neuigkeit. Indes tippten seine ausgestreckten Finger ungeduldig auf die Tischplatte. „Lächerlich, aber das siehst du selbst, oder?“

 

„Ja“, murrte der Saiyajin mit den langen, schwarz gezackten Haaren. „Lächerlich.“

 

Unterdessen wanderte Vegetas Blick zum Fenster, das durch die vergilbten Gardinen verdeckt war. Dennoch versuchte er, Konturen durch die Schlitze, die die Vorhänge warfen, zu erhaschen, bevor er das Wort an Radditz richtete, ohne ihn anzusehen. „Wieso bist du nicht auf dem Fest?“

 

„Wieso sollte ich?“, entgegnete er, bevor er sich angeheitert in seinen Stuhl zurücklehnte.

 

„Weil dein Bruder dort ist?“ Gehässig bleckte er die weißen Zähne, ehe er seine Arme zurückzog und diese hoheitsvoll vor seiner Brust verschränkte, um Radditz noch mehr das Gefühl zu geben, ihn entwürdigen zu können, hinsichtlich der Macht, die seine Fasson verdeutlichte. „Ich wette, er amüsiert sich und verweilt in bester Gesellschaft, während du hier sitzt und dich wie ein Idiot besäufst.“

 

„Ich weiß nicht, wo sich Kakarott herumtreibt und es wäre mir auch scheißegal, wenn ich es wüsste.“ Absichtlich umschlang Radditz' Pranke die Flasche fester, hob sie an und trank einen kräftigen Schluck des herben Honigweins. „Seinetwegen sitze ich doch hier.“

 

„Seinetwegen?“ Verblüffung zeichnete sich in Vegetas Gesicht ab, während er auf weitere Erzählungen wartete. „Du weißt schon, dass wir wegen -“

 

„Ich weiß, was wir getan haben, Vegeta! Ich bin nicht blöd.“ Radditz war betrunken. Ansonsten hätte er nicht einmal im Traum daran gedacht, Vegeta zu unterbrechen. „Aber sein Vergehen war der Anlass, meine Strafe so hoch anzusetzen. Seinetwegen werde ich in der Bedeutungslosigkeit versinken.“

 

Radditz' Strafe interessierte ihn nicht. Viel mehr wollte er wissen, was Kakarott angestellt hatte, weswegen er geduldig wartete, bis Radditz jenen Punkt von alleine anschnitt. Vegeta selbst würde nicht fragen. Man sollte bloß nicht denken, dass er sich für das Schicksal eines anderen interessierte. Derweil hatte er seinen linken Fuß auf das zerrissene Polster eines anderen, freien Stuhls gelegt, um eine gemütlichere Position einzunehmen.

 

„Nur, weil er dachte, er könnte deinen Vater – zusammen mit zwei Halbstarken – überlisten. Kannst du dir das vorstellen?“, wollte Radditz wissen, ohne auf eine Antwort zu warten, da er nahtlos fortfuhr: „Er ist mit einem anderen Saiyajin und einem Erdlings-Mädchen in den Palast eingedrungen, um sich in der Vorratskammer deines Vaters zu bedienen.“ Abschließend knallte er den den Flaschenboden seines Mets auf die Tischplatte, woraufhin mehrere Tropfen das rissige Holz benetzten. „Wie absurd.“

 

„Was?“, entkam es Vegeta hektisch, der seinen Fuß augenblicklich zurück auf den Boden stemmte und seinen Körper nach vorne beugte.

 

„Ja! Daraufhin wurde ich in den Palast zitiert“, erzählte Kakarotts älterer Bruder bereitwillig weiter, da er angenommen hatte, Vegeta interessiere sich für ihn und seine Situation. „Ich hätte ihn“, erklärte er rachsüchtig weiter, während der Griff um die Flasche zittriger wurde, „bluten lassen müssen. Ich hätte ihm seine missratene, von den Erdlingen eingebläute Gutmütigkeit austreiben müssen.“

 

Unverzüglich zählte Vegeta eins und eins zusammen, aber dem Zufall wollte er auch nichts überlassen. „Mit einem Erdlings-Mädchen wollte er in die Vorratskammer einbrechen?“

 

„Ja, weil sie dachten“, fügte er süffisant hinzu, „sie könnten den Saiyajins helfen, die am Rand der Stadt leben, indem sie Nahrung verteilen.“

 

„Welches Mädchen?“ Sein Interesse konnte er nicht mehr verbergen. Glücklicherweise hinterließ der Honigwein bereits Spuren, weshalb Radditz keinen Zusammenhang erkennen konnte.

 

„Keine Ahnung“, winkte er kopfschüttelnd ab. „Kakarott kennt das Mädchen von der Erde. Ich dachte, ich steh im Wald, als man mich nachts aufweckte.“

 

In der Zwischenzeit starrte Vegeta zu einer großen Wanduhr, dessen Pendel sich schon gar nicht mehr bewegte und er sich fragte, ob die Zeiger noch funktionierten. Parallel überlegte er, ob er nicht doch zum Fest gehen sollte? Schließlich hatte nicht nur er einiges auf dem Kerbholz – auch sie. Das unscheinbare, nette Erdlings-Mädchen war gar nicht so brav, wie er vorerst angenommen hatte.

 

„Von der Erde, ja?“

 

„Ich hatte dir doch von Kakarotts Vergangenheit erzählt“, bemerkte der größere Saiyajin mit erhobenem Zeigefinger, den er allerdings doppelt vor seinen rotierenden Pupillen sah.

 

Das hatte Radditz tatsächlich getan und Vegeta wollte es nicht noch einmal hören. „Dann lass ihn bluten, Radditz. Zeig deinem kleinen Bruder, dass er sich nicht auf Erdlinge einlassen soll, die sowohl dich, als auch ihn selbst in Verruf bringen.“ Er wurde, bezüglich des Lügens, immer besser. Immerhin lechzte er selbst nach demselben Erdlings-Mädchen, wenngleich er davon ausging, dass sein Interesse sich substanziell von Kakarotts Interesse unterschied. Ja... ihre Interessen gingen, hinsichtlich des Mädchens deutlich auseinander.

 

„Tze, das führt zu nichts. Er wird die Kleine immer beschützen – das tat er schon auf der Erde.“

 

„Dann hat dein Bruder mehr Schneid als du“, knurrte der Prinz verächtlich, bevor er sich aus dem Stuhl erhob.

 

„Was soll das heißen?“, kam es genauso scharf aus seinem Mund zurück.

 

„Dass sich Kakarott irgendwann, wenn er den richtigen Zeitpunkt erkannt hat, über dich stellen wird und dann wirst du untergehen, Radditz.“ Vegeta glaubte zu wissen, dass der stämmige Saiyajin nichts von den Fähigkeiten seines Bruder wusste. Andernfalls wäre er bedeutend vorsichtiger, im Bezug auf Kakarott. Vegeta jedenfalls würde ihn nicht unterschätzen – jedoch auch nicht überbewerten.

 

Sicher wusste er, dass Kakarott als Baby eine Kampfkraft von zwei aufwies – was auch der Grund war, dass er als Säugling zur Erde geschickt wurde. Dennoch schien er vieles auf der Erde gelernt zu haben, was ihn unberechenbar machte – geradezu lebensgefährlich.

 

„Niemals!“ Auch Radditz erhob sich aus seinem Stuhl, der daraufhin nach hinten flog.

 

„Doch, er wird, Radditz. Es sei denn“, sprach er geringschätzig und schielte zur Flasche, „du lässt die Finger vom Alkohol und wirst wieder du selbst, statt in Selbstmitleid zu baden.“ Des Weiteren betrachtete er die Gesichtszüge seines Gegenübers genau. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass er mit seiner Aussage besiegelte, auch sie bluten zu lassen. Letztendlich würde sich nämlich nicht nur Kakarott über Radditz erheben, sondern auch Bulma über Vegeta, wenn er diesem störrischen Weib nicht endlich Einhalt gebot. „Wir Saiyajins sind disziplinierte, stolze Krieger und wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, dass du, mein lieber Radditz, ein jämmerlicher Versager geworden bist. Aber zu meinem Bedauern weiß ich es eben besser. Allerdings bin ich – so sehr es mir widerstrebt – bereit dazu, mich von deinem jetzigen Verhalten überzeugen zu lassen, dass selbst ich mich irren kann und du eben doch eine Pfeife bist.“ Folglich hatte er seinen Kopf schnaubend zur Seite gedreht, darauf wartend, dass Radditz reagierte.

 

„Willst du mich zurechtweisen, Vegeta?“ Verstört blickte Radditz seinem alten Freund entgegen. „Willst du das?“ Seine geballten Fäuste erzitterten, wodurch auch der Tisch darunter zu beben begann.

 

„Hinsichtlich deiner Starrköpfigkeit wären weitere Drohungen ineffizient – ich müsste sofort handeln, aber ich glaube, du bist genug gestraft, nicht?“ Der Saiyajin-Prinz musste keine Antwort hören. Der Blick in Radditz' Gesicht genügte, der wie vor den Kopf gestoßen wirkte, als seine glasigen Augen sekündlich größer wurden. Daraufhin verspürte Vegeta das Gefühl von Überlegenheit – nach so vielen Tagen wieder. Im Anschluss entfernte er sich zischend vom Tisch, doch hielt er im Rundbogen, der in die Küche führte inne und sah über seine Schulter zu Radditz, der steif stehen geblieben war. „Schlaf deinen Rausch aus, Radditz, und werd verdammt nochmal klar im Kopf.“

 

Infolgedessen, nachdem er Vegetas Warnung realisierte, fing Radditz zu lachen an. Es hörte sich fast krankhaft an – so gehässig lachte er. „Oh nein, Vegeta. Dieses Mal“, begann er flüsternd, hob seinen Finger und grinste frech herüber, „sind wir am Arsch – auch du! Während ich in der Armut versinke, wirst auch du deinen Platz in der Hierarchie finden, und das wird nicht an der Seite deines Vaters sein. Ganz sicher.“ Damit sein Körper nicht der Schwerkraft nachgab, stützte er sich wieder mit beiden Händen am Tisch ab, blickte kurz nach unten und entblößte seine weißen Zähne, ehe er feixend zu Vegeta zurück sah. „Glaub mir, du, Nappa und ich... Wir... Wir werden kein Land mehr sehen.“

 

„Träum weiter, Radditz!“

 

„Denk an meine Worte, Vegeta! Auch dich wird dasselbe Schicksal ereilen.“

 

„Du scheinst zu vergessen, wer ich bin.“ Es war nicht von Belang, ob Radditz recht haben könnte, da Vegeta nun wusste, womit sein Vater Doktor Briefs in der Hand hatte. Er würde diese Fügung zu seinem Vorteil nutzen – wie es schon sein Vater immer getan hatte – und den König letzten Endes mit seinen eigenen Waffen schlagen. „Ich bin Vegeta – Prinz der Saiyajins – und niemand, auch mein einfältiger Vater nicht, wird diesen Zustand je ändern. Haben wir uns verstanden, Radditz?“ Abschließend machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Dunkelheit des Flures, ehe er die Tür öffnete und fluchtartig in der Ferne verschwand. Mit einem bestimmten Ziel – das alljährliche Fest der Saiyajins.
 

 
 

~*~
 

Unsicher und immer wieder nach hinten blickend, spazierte Bulma über den rauen Pfad, der eine Straße darstellen sollte. Neben ihr ging Son Goku – dessen Arme vergnügt hinter seinem Kopf verschränkt waren. Er schien sich allem Anschein auf das Fest zu freuen, was Bulma nicht nachvollziehen konnte. Neben Son Goku flanierten Kuririn und Lunch, die ebenso erfreut wirkten. Aber darüber – dass alle, außer sie glücklich wirkten – würde sie nicht weiter nachdenken, da sie ansonsten zugab, dass Vegeta recht hatte – was sie unter keinen Umständen wollte, weshalb sie lieber gute Miene zum bösen Spiel machen und ebenfalls lächeln sollte.

 

„Hey, ist alles in Ordnung?“

 

„Natürlich“, erwiderte Bulma perplex, nachdem sie in Son Gokus wissendes Gesicht sah. Er lächelte, aber es wirkte nicht sonderlich erfreut. „Es ist alles bestens, wirklich.“

 

„Ist es wegen ihm?“, modulierte Son Goku, ehedem er einen kurzen Blick nach hinten warf und in die Richtung des Saiyajins nickte, der mit etwas Abstand hinter ihnen ging, woraufhin auch Bulma betrübt nach hinten sah, bevor sie – auf ihrer Unterlippe kauend – zu ihrem Freund aus Kindertagen zurück sah.

 

„Nein“, keuchte sie verlegen, gleichermaßen ertappt. „Ich bin nur etwas müde.“

 

Unauffällig umschloss Kakarott daraufhin fürsorgliche ihre Hand. „Alles wird gut, Bulma. Lass ihm etwas Zeit, sich damit anzufreunden, dass seine Anwesenheit erwünscht ist. Das alles scheint neu für ihn zu sein.“ Parallel zu seinen Worten übte er sanften Druck auf ihre Hand aus, ehe sein Lächeln echter und aufrichtiger wurde.

 

„Er wirkt nur so... so traurig und in sich gekehrt“, stammelte Bulma leise vor sich hin. Dass sie Son Goku nun doch die Wahrheit sagte lag daran, dass sie ihren Freunden nichts vormachen musste. Son Goku kannte Bulma – das hatte er schon erwähnt, als sie in den Palast eingedrungen waren – und trotzdem schämte sie sich für die Gedanken an Turles, die sie allzu gerne unter den Teppich gekehrt hätte. Zur selben Zeit konnte sie bereits den ansteigenden Lärmpegel in der Ferne vernehmen, woraufhin sie ihren Blick hob und gigantische Zelte – die an einen Zirkus erinnerten – empor ragten. Und für einen Moment, so minimal er auch war, fühlte sich Bulma zuhause – zurück auf der Erde. Ihre Augen weiteten sich mit jedem Schritt, den sie näher kam. Zu sehr war sie von der gewaltigen Kulisse fasziniert gewesen. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie sogar den Duft von Bratäpfeln, kandierten Äpfeln, Zuckerwatte und weiteren Süßigkeiten schmecken. Unverzüglich versank sie in Erinnerungen – an bessere Zeiten, die sie mit Chichi und Yamchu auf der Erde geteilt hatte...

 

Chichi und Yamchu...

 

Es war immer schön gewesen, mit Chichi, Yamchu, Tenshinhan und Chao-Zu durch die engen Gassen zu schlendern, während die unzähligen Menschen gemeinsam und friedlich an Rundtischen standen – sei es um zu plaudern oder die Trinkfestigkeit des jeweils anderen auf die Probe zu stellen...

 

Anschließend sah sie noch einmal nach hinten – zu Turles, der stillschweigend hinter ihnen gelaufen war und kommentarlos das Geschehene um sich herum betrachtete. Wie gerne würde sie mit ihm sprechen, sich ernsthaft mit ihm unterhalten, bloß um seine Stimme zu hören.

 

„Ist fast wie auf der Erde, nicht wahr?“

 

„Die Erde?“, hakte Lunch ungläubig nach. Ihr war dieser Planet nicht geheuer, aufgrund der Erzählungen. Einzig das Geld, das dort zu Hauff zu existieren schien, faszinierte die junge Saiyajin, die sich ihr gelbgrünes Top zurechtrückte. „Wir sind Saiyajins, Son Goku. Einzig die Kohle wäre ein Grund, dorthin zu fliegen.“

 

„Quatsch. Bulma und ich waren damals auf dem einundzwanzigsten Turnier. Dort sah es genauso aus wie hier – überall konnte man sich etwas zu essen kaufen. Man wusste gar nicht“, fuhr Son Goku seine abschweifende Erzählung vollumfänglich fort, „was man zuerst essen sollte. Es gab so viele Leckereien!“

 

Genervt rollten Lunchs Augen in ihren Höhlen hin und her, ehe sie genervt antwortete: „Denkst du auch an etwas anderes außer Essen?“

 

„Ähm... Wir Saiyajins haben halt immer Hunger. Stimmt doch, oder Turles?“ Verschmitzt sah Son Goku nach hinten zu dem angesprochenen Saiyajin, der jedoch genervt abwinkte.

 

„Ja, ja.“ Turles hatte ganz andere Prioritäten als sein Ebenbild, doch bevor er sich einer endlosen Diskussion aussetzte, die zu nichts führte, marschierte er geradlinig an den Anwesenden vorbei, um neben Bulma stehen zu bleiben, der er einen undefinierbaren Blick schenkte. Es war seltsam, neben ihr zu stehen. Noch vor drei Monaten standen sie sich feindselig gegenüber. Turles hatte den klaren Befehl, sie nach Vegeta-Sei zurückzubringen – mit oder ohne Gewalt, das war ihm überlassen und er war nicht zimperlich vorgegangen. Und heute – drei Monate später – standen sie sich wieder gegenüber, aber es war anders. Zwischen ihnen herrschte kein böses Blut und das verunsicherte den blutrünstigen Saiyajin, der von seinem Stolz zerfressen war. Neben ihm stand ein Mädchen, das lächelnd zu ihm hinauf sah. Als... Als würde sie versuchen, ihn zu mögen.

 

Etwas, das ihn noch mehr aus der Bahn warf, weil er nicht der Saiyajin war, den man überhaupt mögen könnte.

 

„Und? Erinnert dich das Fest auch an die Erde?“, bemerkte Turles daraufhin skeptisch.

 

Bulma, die nicht damit rechnete, von ihm überhaupt angesprochen zu werden, sah bedächtig zu ihrer rechten, sowie ihrer linken, bevor sie nickend zu Turles zurückblickte. „Ja, schon. Es erinnert sehr an die Kampfturniere.“ Das Gefühl, das in ihr ausgebrochen war, konnte sie nicht beschreiben. Es fühlte sich an, nachdem Turles neben ihr erschienen war, als stünde ihr Körper in Flammen und der Wunsch, ihm nahe zu sein, wuchs ins Unermessliche. Ihr wallendes Blut schlug förmlich Blasen, angesichts der Nähe zu ihm und seinem Körper.

 

Erschreckend, wie sehr sie diese Nähe auch noch genoss.

 

„Wenn wir schon vom Kampfturnier sprechen, Bulma“, klinkte sich Son Goku in die recht wortkarge Unterhaltung mit ein. „Hast du nochmal etwas vom Herrn der Schildkröten gehört?“

 

„Von Muten-Roshi?“ Kurz überlegte die blauhaarige Saiyajin, indem sie ihre Arme verschränkte, nach oben sah und ihre Erinnerungen Revue passieren ließ. „Nein, seit du... nicht mehr da warst, bin ich auch nicht mehr dort gewesen.“ Und trotz der Tatsache, dass Muten-Roshi ein perverser Lüstling war, waren ihr seine Paff-Paff-Anfälle gerade deutlich lieber, als mit Vegeta in einem Haus zu leben.

 

„Ich wollte bei ihm trainieren, nachdem ich im Turnier gegen Jackie Chun verloren habe, aber ich kam gar nicht dazu“, erzählte Son Goku weiter, während sie weiter den schmalen Pfad passierten, um das Fest endlich zu erreichten. „Auf dem Weg zu ihm hat mich Radditz abgefangen. Er hat mir erzählt, wieso ich zur Erde geschickt wurde, bevor er mich mit nach Vegeta-Sei genommen hatte.“

 

„Ja, deswegen habe ich nie wieder etwas von dir gehört“, erwiderte Bulma. Sie war tatsächlich erschrocken, dass sie sich nicht schon vorher Gedanken über Son Gokus Schicksal gemacht hatte. Aber sie war immer so beschäftigt gewesen... mit Dingen, die gar nicht erwähnenswert waren und über die sich Bulma aufregte. Statt nach ihren Freunden zu sehen, hatte sie damit begonnen, sich für Jungs zu interessieren.

 

Gott, war das peinlich.

 

Beschämt darüber blickte sie zur Seite, wo sie die wehenden Grashalme beobachtete, die wie ein weinendes Kind vom Wind hin und her getragen wurden. Nur mit einem Ohr hatte sie Son Gokus weiteren Geschichten von früher gelauscht, die er gerne erzählte. Selbst die Erinnerung, dass er seinen roten Mönchsstab auf der Erde vergessen hatte, erzählte er bereitwillig. Turles hingegen zeigte seine Abneigung ganz deutlich, der – leicht befremdlich der Situation gegenüber – genervt die Arme verschränkte, die Augen schloss und stillschweigend neben Bulma ging.

 

„Wo ist eigentlich Vegeta?“, fragte Son Goku, nachdem er seinen eintönigen Monolog zu Ende geführt hatte und dicht hinter Bulma gegangen war. „War er wieder stur und wollte nicht mitkommen?“

 

Augenblicklich horchte Turles auf. Seine Augen waren weit geöffnet, während er Bulmas Gesichtszüge studierte und seine defensive Haltung fallen ließ. Nachfolgend stemmte er die Hände in seine Hüften und blieb, wie die anderen ebenfalls stehen – verwundert über Kakarotts Worte. Schließlich kannte Turles den Prinzen, der solche Feste stets verachtete und die Zeit damit totschlug, in seinem Trainingsraum zu trainieren.

 

Als niemand weitersprach, entschied sich Turles, die Stille zu umgehen: „Was soll das heißen, Kakarott?“ Er konnte unmöglich warten, bis das Mädchen abwog, ihm zu erklären, was es mit Kakarotts Äußerungen auf sich hatte, weshalb er an den schwarzhaarigen Saiyajin herantrat, seine Hand unsanft auf seiner Schulter platzierte und eindringlich in das Gesicht seines Gegenübers sah. „Sollte Vegeta etwa auch mitkommen?“

 

„Keine Ahnung, Turles“, entgegnete Son Goku, dessen Hände beschwichtigend nach oben geflogen waren. „Wir haben ihn gefragt, ob er mitkommen möchte. Der Höflichkeit halber.“

 

„Der Höflichkeit halber? Willst du mich verarschen, Kakarott?“

 

„Nein. Gott bewahre, nein, aber wir wollten auch nicht unhöflich sein und ihn alleine lassen. Dass er nicht mitkommen wollte, dafür können wir auch nichts.“

 

Wollte Vegeta tatsächlich zum Fest kommen? Wenn ja, wieso? Seine Synapsen rotierten, in seinem Kopf entwickelten sich dichte Rauchschwaden – Nachdenk-Rauchschwaden! Aber er fand keine Erklärung, verdammt! Turles hätte das Haus bewachen sollen, statt sich von Kakarott dazu überreden zu lassen, dieses saudämliche Fest zu besuchen. Wie konnte er nur so blind sein, und sich vom Haus entfernen? Und da er keine passable Erklärung fand, beschloss er, sich an Kakarott festzubeißen. Hart packte er die Schulter, seine Finger drückten in die richtigen Stellen, so dass Kakarotts Mund schmerzlich verzogen wurde.
 

„Nicht unhöflich sein?“, wiederholte er abermals die Worte, die Radditz' kleiner Bruder gewählt hatte, um Turles in Sicherheit zu wiegen. „Du meintest wohl, dass ihr mich verarschen wollt und absichtlich vom Haus weggelockt habt, nicht wahr?“ Konnte das sein? War es ihre Intention, ihn unter Vorbehalt falscher Tatsachen vom Haus wegzulocken, damit sie Vegeta in eine Falle locken konnten? Verwunderlich wäre es nicht, wusste Turles doch selbst, wie gemein und abfällig Vegeta sein konnte. „Ist es nicht so? Ihr habt mich verarscht. Komplett verarscht!“

 

„Was? Nein, das haben wir nicht. Wirklich nicht, Turles!“, bekräftigte Son Goku aufgebracht. „Wieso sollten wir das tun?“

 

„Sag du es mir, Kakarott!“

 

Wie aus dem Nichts war Bulma neben den beiden Kontrahenten aufgetaucht, um nach Turles Gelenk zu greifen – allerdings feinfühliger als er es bei Son Goku getan hatte. Und obwohl sich in seinem Gesicht die blanke Wut widerspiegelte, nahm sie all ihren Mut zusammen, schluckte ihre Angst herunter und... und antwortete ihm, anstelle von Son Goku. „Wir... Wir haben dich wirklich nicht hinters Licht geführt, Turles.“ Dass er anschließend den Blick von Son Goku nahm und Bulma ansah, veranlasste die junge Frau, zögerlich weiterzusprechen. „Wir haben ihn gefragt, ob er mitkommen möchte – ganz ohne Hintergedanken. Auch mein Vater hat ihm nahegelegt, das Haus zu verlassen, aber... das wollte er auch nicht, das versichere ich dir.“

 

Ergriffen von Panik, versuchte sie mit ihrer ruhigen Stimme den rasenden Saiyajin zu beruhigen. Er kannte nichts als die Extreme, das verstand Bulma, aber er konnte und durfte auch Momente erleben, die nicht von Böswilligkeit geprägt war. Bulma wollte ihm zeigen, dass es auch eine andere Zustände gab – friedliche, liebevolle Momente, fernab der grenzenlosen Wut, die anscheinend jeder Saiyajin in sich trug. Nebenbei blendete sie das fröhliche Gelächter, das vom Fest zu ihnen herüber drang, vollständig aus.

 

„Turles, das... das stimmt“, fing auch Son Goku von Neuem an, ehe er seine freie Hand um seine schloss, die weiterhin um Son Gokus Gelenk geschlungen war, während er immer noch Bulma misstrauisch musterte. „Was hätten wir davon, dich zu verarschen? Wir sind doch schließlich auch hier!“ Während er weiter auf seinen Zwilling einredete, standen Kuririn und Lunch verunsichert hinter ihnen – nicht sicher, wie sie sich verhalten sollten. „Wir haben dich wirklich nicht verarscht.“

 

„Ihr scheint gar nicht zu wissen, was passiert, wenn dem Prinzen etwas zustößt“, echauffierte sich Turles, der schemenhaft Kakarotts Arm los gelassen und sich zur Seite gedreht hatte. „Mit ihm steht und fällt alles!“

 

„Aber Turles, wir -“

 

„Kein aber, Kakarott!“, knurrte er angesäuert zurück, bevor er sich erneut von ihnen wegdrehte und mit zusammengebissenen Zähnen nach vorne starrte. Seine Finger krallten sich unterdessen in den jeweils gegenüberliegenden Arm, aufgrund seiner Dummheit. Wie konnte er seine persönlichen Belange – dieses Fest aufzusuchen – bloß über seine königlichen Pflichten stellen?

 

„Turles, ihm wird -“ Prompt hatte Bulma zu sprechen aufgehört, nachdem sie seinen grimmigen Ausdruck bemerkte, der sich allerdings rasch änderte, als er ihren erschrockenen Ausdruck wahrgenommen hatte. „Ihm wird nichts passieren, weil er seit Tagen in seinem Zimmer sitzt. Er kommt bloß zum Essen“, rechtfertigte sie sich nervös, während ihre Finger unaufhörlich an ihrem Gürtel zurrten.

 

„Als wir beide uns gesehen haben, war er auch nicht in seinem Zimmer!“, beanstandete er und beugte sich mit erhobenem Zeigefinger zu ihr herab.

 

„Das... Das stimmt, aber ich“, betonte sie energisch, „würde dich nicht anlügen.“ In der Hoffnung, mit dieser Aussage zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, streckte sie versöhnlich ihre Hand nach ihm aus, die er zu ihrem Erstaunen in seine warme Hand legte. Wie vom Blitz getroffen, beäugte sie die ineinander geschlungenen Finger und es freute Bulma, dass er ihre Geste verstand, mit der sie ihm zeigen wollte, dass er ihr vertrauen konnte, wenngleich ein solches Vertrauen erst aufgebaut werden musste, aber sie wollte dieses Wagnis eingehen. Und genau das sollte Turles erkennen. Auf der anderen Seite wollte sie ihn auch beruhigen, damit sie sich zumindest ein bisschen besser kennenlernen konnten – ohne die drohende Skepsis, die wie eine Wolke über Turles schwebte.

 

„Es wäre auch nicht gut, wenn du mich belügst“, offenbarte er drohend. Doch auch jetzt verwandelte er seinen ernsten Ausdruck zu einem freundlicheren, da er merkte, dass sie ihre Hand erschrocken wegziehen wollte. Im Nachhinein taten ihm seine forschen Antworten auch leid, nachdem er sie ängstlich zurückschrecken sah, aufgrund seiner Gebaren. Im Gegenzug fragte er aber auch sein Inneres, was dieses Mädchen mit ihm anstellte? Denn eigentlich sollte es ihm doch egal sein, wie diese Saiyajin reagierte, aber das war es nicht. Im Grunde kannte er sie nicht und doch wollte er ihre Hand nicht loslassen, weshalb er mehr Druck ausübte und gleichzeitig ihren Blick suchte.

 

Es war verstörend, dass er sie so genau ansah – wie damals, als er sie zum ersten Mal auf der Erde sah und feststellte, dass sie hübsch war.

 

Grundgütiger!

 

Wieso dachte er das? Wie konnten ihn solche Gedanken nur befallen? Er war ein Krieger der königlichen Garde. Er hatte sich dem König verschworen, gelobte diesem und seinem Volk Loyalität und doch schaffte es dieses Mädchen, sich einen Platz in seinen Gedanken zu verschaffen.

 

Lag es demzufolge nahe, dass er... dass er womöglich anfing, dieses Mädchen gern zu haben?

 

„Leute, lasst... lasst uns nicht streiten“, wagte sich Kuririn breit grinsend zu sagen, während er mit hochroten Wangen seine Hand über die polierte Glatze führte. Es behagte ihm nicht, dass sie so lange an einer Stelle verweilten, ohne weitere Worte zu verlieren. Zumal er wusste, dass Turles zur königlichen Garde gehörte – die alles, aber bloß nicht zart besaitet waren.

 

Und es war ja nicht so, als ob Kuririn etwas geahnt hätte, aber er wusste von Anfang an, dass das Mädchen Probleme machen würde. Er hatte es kommen sehen.

 

„Dann kann Son Goku“, fuhr der glatzköpfige Kuririn belustigt, aber noch genügend Unbehagen in der Stimme fort, „auf dem Fest den Hauptpreis abräumen, während wir uns zurücklehnen und uns amüsieren.“

 

„Wir streiten nicht, Glatze – wir diskutieren“, korrigierte Turles ihn herablassend, wonach er Bulmas Hand ruckartig losließ – als hätte ihn etwas gestochen. „Und wer will schon etwas gewinnen, das für Kinder gedacht ist?“

 

„Öh... Na ja, der Gutschein für die Essensausgabe ist doch auch etwas für Erwachsene, nicht?“, nuschelte der kleine Saiyajin peinlich berührt, weil es ihm scheinbar wichtig genug war, sich über Nahrung zu freuen.

 

„Wenn du meinst, Glatze.“ Grundgütiger. Turles hätte zuhause bleiben sollen – sich in seinem Bett verkriechen und dieses gar nicht mehr verlassen sollen. Es war ein Fehler gewesen, Kakarotts Bettelei nachgegeben zu haben. Andererseits hatte es ihn mit Stolz erfüllt, dass Bulma diejenige war, die Kakarott angestiftet hatte, Turles zum Fest einzuladen. Er wusste es auch nicht, aber es war ein unbekanntes und doch berauschendes Gefühl, zu wissen, dass man akzeptiert wurde. Dass es... Dass es Saiyajins gab, die seine Gesellschaft schätzten.

 

Und doch war es zum Verrückt werden. Bevor dieses Mädchen auf Vegeta-Sei aufgetaucht war, hatte er klare Regeln, die er befolgt hatte. Alles war wunderbar und plötzlich kam sie – stellte sein Leben binnen weniger Begegnungen auf den Kopf. Davor hatte alles seinen geregelten Gang. Turles wusste, was zu tun war und bis dato hatte er nie den Drang verspürt, ein Mädchen kennenzulernen, doch mittlerweile sah es so aus, als würde er nichtsnutzigen Dingen – wie Zeit mit ihr verbringen zu wollen – mehr Beachtung schenken.

 

„War ja nur ein Vorschlag, Turles. Okay?“, begütigte Kuririn sanfter, indem er ergeben seine Arme hob. „Kein Grund, direkt an die Decke zu gehen. Okay?“

 

Genervt trat dieser an Kuririn heran, da ihm der kleine Molch gehörig auf den Zeiger ging. „Junge, hör auf“, murrte er und verharrte in der gebückten Haltung, „ständig okay zu sagen, okay?“

 

„Ok- Okay?“

 

Augenrollend stieß Turles ihn zur Seite, marschierte voran und wartete wenige Meter weiter entfernt missmutig auf die anderen, die unweigerlich zu ihm aufschlossen, nachdem sie sein Schnaufen richtig gedeutet hatten.
 

 
 

~*~
 

Es hatte nicht lange gedauert, bis er das Fest – nachdem er wieder zum brief'schen Haus geflogen war – erreicht hatte und etwas abseits der Menge gelandet war. Er hatte sich einen seiner langen Umhänge übergezogen, dessen Kapuze er tief in sein Gesicht zog, um neugierigen Blicken ausweichen zu können. Schließlich hatte man ihn schon in der Kneipe erkannt, weswegen er kein weiteres Mal auffallen wollte. Das wäre, im Bezug auf das, was er vor hatte, nicht hilfreich gewesen. Sorgsam, doch immer noch durcheinander, weil er tatsächlich hier war und an seinem Plan festhielt, steuerte er den Weg zum Fest an.

 

Nach und nach – je näher er der Masse kam – konnte er vereinzelte Sätze verschiedener Gesprächsthemen aufschnappen, nachdem er sich überstürzt durch die Menge zwängte und sich die Frage stellte, wie man bloß hier sein konnte, statt durch den Weltraum zu fliegen und andere Planeten zu erobern?

 

Hatten die Saiyajins hier ebenfalls keinen Stolz? War ihr einziger Lebenswille nicht, gegen andere Wesen zu kämpfen, um die eigene Kampfkraft zu steigern? Offenbar nicht, wenn er sich die trinkfreudigen Artgenossen ansah, die feierlich zusammensaßen und die augenscheinlich friedliche Zusammenkunft genossen.

 

Unerklärlich, so befand Vegeta, war das Verhalten der niederen Saiyajins und gerne hätte er jeden einzelnen an die Wand gestellt, um sich persönlich an ihnen auszutoben. Allerdings wusste er auch, dass der Fisch am Kopf zu stinken anfingen. Er wusste, auf wessen Mist das Fest gewachsen war. Sein eigener Vater hatte das Fest zu Ehren der Ur-Saiyajins ausgerufen, um jährlich daran zu erinnern, was sie ihren Ahnen zu verdanken hatten...

 

Zischend zog er die Kapuze, während er durch die Menge schlenderte, noch tiefer in sein bereits vermummtes Gesicht, dessen untere Hälfte er mithilfe der Länge des Umhangs verbergen konnte. Er versuchte mit seinen Sinnen, etwas ausmachen zu können. Fieberhaft wollte er das schaffen, was Kakarott konnte – Auren anhand ihres Ki's aufspüren.

 

Aber er konnte es nicht. So sehr er sich bemühte – aufgrund der unzähligen Saiyajins war es ihm nicht möglich, die Auren bestimmter Personen aufzuspüren. Und die Kapuze abnehmen konnte er auch nicht, da sich seine Anwesenheit wie ein Lauffeuer verbreiten würde, wodurch seine eigentliche Zielsetzung hinfällig geworden wäre. Stattdessen besah er sich vielen Stände, er hörte dem Gelächter der Kinder zu, die sich ausgiebig über Gewinne und sonstige Preise freuten, welche ihre Eltern an etlichen Ständen gewonnen hatten...

 

Darüber hinaus kam er dem Kern des Festes immer näher, woraufhin er unmerklich seinen Scouter am Ohr anbringen und den Knopf drücken konnte. Anschließend wartete er auf die erfolgreiche Ortung derjenigen, wegen denen er hier aufgetaucht war. Währenddessen lief es ihm kalt den Rücken runter, als ihm aufging, dass es niemanden zu stören schien, dass hier jemand herumrannte, dessen Gesicht verdeckt war...

 

Wieso waren sie so unvorsichtig geworden? Wieso wurde niemand misstrauisch? Warum wurde er nicht angesprochen, angesichts der Anonymität? Warum waren sie so leichtsinnig geworden? Dachten sie etwa, dass... dass sie sich in Sicherheit wiegen konnten, sobald sie allesamt beisammen waren? Und gerade hasste Vegeta jeden einzelnen, der hier war.

 

Ja, er hasste es, obwohl er seine Abstammung so schätzte.

 

„Na endlich“, zischte er wütend, als der Scouter entsprechende Signale von sich gab und Vegeta den Weg wies, den er sogleich einschlug, um seinem eigentlichen Ziel näher zu kommen.Im Anschluss folgte er brav dem Pfeil, den die pinke Scheibe über seinem linken Ohr anzeigte – solange, bis er ein rotes Zelt erreichte, vor dessen Eingang ein gigantischer Stand aufgebaut worden war, der von riesigen Kuscheltieren, Süßigkeiten und weiteren Spielzeugen umgeben war.

 

Zielorientiert war er dem Gelächter gefolgt, das man unschwer überhören konnte. Man machte es ihm allzu leicht, das Gesuchte ausfindig zu machen. Jedoch blieb er abrupt stehen, als er sie entdeckte...

 

Umsichtig hatte er seine Hand gehoben, die er langsam zum Saum seiner Kapuze führte, um diese soweit nach hinten zu ziehen, dass er sie besser im Blick hatte.

 

Jetzt durfte nichts mehr schief gehen. Gar nichts mehr.

 

Ohne bemerkt zu werden, schlich er sich an den restlichen Saiyajins vorbei, die ihm im Weg standen. Behutsam drückte er einige der Störenfriede zur Seite. Ferner wurden seine Schritte immer schneller, als er ihnen näher kam. Ebenso die Gespräche... Ihre Stimme war wie ein Messer, das sich tief in seine Haut schnitt, um ihn leiden zu lassen, denn ihre Stimme klang erfreut, fröhlich, höflich, amüsiert... Sie klang so anders. Ganz anders, als wenn er mit ihr sprach.

 

Verdammter Scheiß, ja. Sobald sie sich unterhielten, war ihr Stimme kühl, ihre Körperhaltung war stets distanziert...

 

Er hätte förmlich die Zeltplane steil hinaufrennen können.

 

Des Weiteren erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit – etwas, das ihm buchstäblich den Atem raubte, nachdem sein Blick über ihre blauen Haare, hinab über ihren Rücken gewandert war.

 

Alleine der Umstand, wie nah sie neben Turles stand, hätte seinen Körper in Flammen setzen können – in lodernde Flammen, die nicht mehr zu bändigen waren. Ja, es kotzte ihn an, weil er das Mädchen nicht leiden konnte, und doch den Wunsch hatte, ihr genauso nahe zu sein, wie Turles es gerade war. Hinzu kamen die Blicke, die sie untereinander austauschen.

 

„Hey Turles, denkst du, du kannst mich überbieten?“

 

Blitzschnell wanderten Vegetas Augen nach links, wo er Kakarott erkannte, der mit einem Plüschtier in der Hand zu den beiden Vertrauen schlenderte... Gott, Vegeta wollte wieder kotzen.

 

„Ich will es gar nicht erst versuchen.“

 

„Sei kein Spielverderber, Turles. Komm schon“, animierte Kakarott ihn weiterhin, ehe er ihm zusätzlich mit dem Ellenbogen in die Seite stieß.

 

„Nein, verdammt!“

 

„Willst du es wirklich nicht versuchen?“ Auch Bulma hatte zu Turles nach oben gesehen, bevor sie ihre Hand hob, um diese im selben Abschnitt auf seinen stählernen Armschützer zu legen. „Das macht unheimlichen Spaß“, bemerkte sie strahlend, während ihre andere Hand zu den vielen bunten Luftballons zeigte, die man mit Pfeilen abschießen musste.

 

„Verflucht nochmal, nein! Ich will diesen albernen Scheiß nicht versuchen.“ Seine Stimme war infolge ihrer Annäherung und der Berührung ihrerseits immer lauter geworden. Es machte ihn sichtlich nervös, weswegen er einen Schritt zur Seite trat und gleichzeitig mit ansah, wie Bulma selbiges tat. Auch sie war – erschrockener als er – nach hinten gegangen. Folglich blickte er zu dem älteren Saiyajin hinter der Theke, der scheinbar darauf wartete, dass Turles ebenfalls sein Glück versuchte, aber darauf konnte der Alte lange warten. Oh ja, denn Turles würde sich nicht zum Affen machen, nur um die anderen zu belustigen.

 

Das hatte er nun wirklich nicht nötig. Immerhin war dieser Stand noch immer für die – anlässlich seines Ausbruchs ebenfalls entgeisterten – Kinder gedacht, die das hart verdiente Gold ihrer Eltern hier ließen, um irgendein Plüschtier zu gewinnen, das schlussendlich doch in der hintersten Ecke des Kinderzimmers landen würde.

 

„Beruhige dich, Turles. Du machst ihnen Angst“, beklagte Kakarott, dessen Finger auf die Kinder zeigte.

 

Sollten Kakarotts Worte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein? Das dachte Turles zumindest, denn unweigerlich war sein Blick nach links gewandert, um Bulma achtsam nachzusehen, die indes schon das Gespräch mit Kuririn gesucht und ihren Körper peinlich berührt zur Seite gedreht hatte. Irritiert davon, sah er zu Kakarott zurück, der derweil kopfschüttelnd die Augen verdrehte, ehe er an Turles vorbeiging, um sich an dem Gespräch zwischen Bulma und Kuririn zu beteiligen.

 

Und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen... Stirnrunzelnd war ihm aufgegangen, dass sie anscheinend hoffte, dass er ihr eines der Plüschtiere schenkte und mit jedem weiteren Gedankengang daran, wurden seine schwarzen Augen größer, die Erkenntnis umso klarer – ebenso wie die Silhouette von Lunch, die jählings vor ihm erschienen war.

 

„Sehr feinfühlig, Arschloch!“, donnerte sie ihm entgegen, bevor sie ihre Haare nach hinten warf, die Hände in ihre Hüten stemmte und zu den anderen ging.

 

Scheiße! Bulma erhoffte sich tatsächlich, dass er ihr etwas schenkte, aber wozu? Er kannte sie doch im Endeffekt gar nicht, er wusste nichts – rein gar nichts – über sie. Anhand welcher Reaktion hätte er herauslesen können, was sie wollte und was nicht? Er war kein Hellseher, wenngleich sie alle den Anschein machten, als wären sie allesamt Profis...

 

Tja, Turles war kein Profi. Im Umgang mit Frauen war er eine glatte Null – eine schöne elliptische Null, die nicht wusste, was Frau wollte.

 

Bevor Bulma in sein Leben getreten war, waren stets andere Sachen wichtiger und nun wurde seine Präzedenz auf etwas anderes gelenkt, womit er zuvor nie konfrontiert worden war. Erwartete sie demnach, dass er beim ersten Mal alles richtig machte?

 

Er fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes hilflos, weshalb er auch mit leicht gesenktem Haupt, während seine Hand verkrampft durch seine abstehenden Haare fuhr, zu den anderen aufschloss und sich absichtlich neben Bulma stellte.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte er heiser nach – noch immer die Hand in seinen Haaren vergraben, die mittlerweile in alle Richtungen standen.

 

„Sicher“, nickte sie ihm aufmunternd zu. „Bei dir auch?“

 

Statt ihn böse anzusehen, blickte sie ihm doch tatsächlich lächelnd entgegen, was ihm zum wiederholten Mal den Wind aus den Segeln nahm. Auch die Tatsache, dass sie sich nach seinem Wohlbefinden erkundigte, war etwas, was Turles nicht kannte. „Äh... Ja, bei mir ist auch alles klar.“

 

„Gut.“ Zugegeben, sie war verletzt, aber nicht wegen Turles, sondern wegen ihrer eigenen Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. Aber woher sollte er auch wissen, was Bulma wollte? Außerdem fing sie an zu glauben, dass jedwede Situation, die sich zum Guten wenden sollte, stets dazu entschloss, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, um die ehemalige Physikstudentin zu ärgern.

 

Ach, wie gerne würde sie jetzt in einer ihrer langweiligen Vorlesungen sitzen und ihrem Professor lauschen, statt hier zu stehen und in Schamesröte zu versinken?

 

Kakarott indessen, der die Situation entschärfen wollte, trat an Bulma heran, legte einen Arm um sie und führte sie zu einem Getränkestand, wo er seinen Arm auf die polierte Theke platzierte und mit den Fingern schnipste, um die Aufmerksamkeit der Bedienung zu erhaschen. Unterdessen neigte er seinen Kopf zur Seite, um Bulma ein strahlendes Lächeln zu schenken, das sie prompt erwiderte. „Was möchtest du trinken?“

 

Darauffolgend betrachtete Bulma die Getränkekarte. „Das musst du nicht, Son Goku. Die Preise sind -“

 

„Egal. Such dir was aus.“ Neben ihm standen etliche Saiyajins, die ebenfalls der unermüdlichen Sonne trotzten und dennoch ihr kühles Getränk genossen. „Also?“

 

Just in dem Moment, bevor Bulma antworten konnte, drängte sich Turles zwischen die beiden, der etwas gut machen wollte, nachdem er Bulma so angegangen hatte. „Lass gut sein, Kakarott. Ich... mache das.“ Anschließend legte er mehrere saiyajinische Goldmünzen auf den Tresen.

 

„Meinetwegen“, begrüßte er Turles' Aussage, ehedem er sich klammheimlich zurückzog und den beiden den Moment der Zweisamkeit gönnen wollte.

 

Turles hingegen sah seinem Ebenbild argwöhnisch und mit hochgezogener Augenbraue nach, bevor er sich wieder an Bulma wandte. „Ähm... gut. Was möchtest du?“

 

„Hm...“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie nochmals die Karte, während sie mit ihrem Zeigefinger grübelnd gegen ihre Unterlippe tippte. „Ein Bier? Und du?“

 

„Na dann. Bedienung, zwei Bier!“, rief er der schwarzhaarigen Saiyajin zu, die nickend seine Bestellung bestätigte und zwei bis zum Rand gefüllte Bierkrüge vor seine Nase stellte.

 

„Ich wusste gar nicht, dass du so spendabel bist, Turles“, quittierte der hinzukommende Saiyajin feixend, der um einen stämmigen Mann herum getreten war und in den Fokus des angesprochenen Saiyajins trat. „Seit wann ist das so?“ Im Augenwinkel beobachtete er jede ihrer Bewegungen haargenau, was aber nicht notwendig gewesen wäre, da sie inmitten ihrer Bewegung – den Krug anzuheben – inne hielt und perplex zu ihm starrte.

 

„Majestät, ich -“
 

„Spar dir die Mühen, Turles.“ Ehe er seine kalte Rache in die Tat umsetzen konnte, schnaufte er verdrießlich, in der Hoffnung, die Ketten um seinen Körper zerbersten zu können, da sie ihn am Vorwärtsgehen hindern wollten. Indessen hob sich seine Brust langsam nach oben und im dem Moment, als er ausatmete, schossen seine Hände nach vorne, die sich augenblicklich um Bulmas Nacken legten.

 

Ohne Rücksicht auf Verluste, zog er sie zu seinem Körper heran, ungeachtet dessen, wie verblüfft Turles, Kakarott und zwei weitere Saiyajins ihn ansahen.
 

Die Blicke waren ihm egal. Hier ging es um seine Rache. Es interessierte ihn nicht, dass sein Kopf im selben Augenblick schrie, das Mädchen loszulassen, das scheinbar nicht in seine, sondern in Turles' Arme wollte.

 

Oh Gott, wie sehr er diesen Saiyajin verachtete – noch mehr als zuvor.

 

Aber egal. Was zählte, war, sie in Misskredit zu bringen – vor all ihren Freunden und vor Turles... Ja... Das, und dass sie sich vor ihnen erklären müsste, war sein Ziel gewesen, das er endlich erreicht hatte. Abschließend würde er sie angrinsen, sie intensiv ansehen und gehen... Vegeta würde sie mit ihrem wütenden Blick zurücklassen. Er würde sie mit zahllosen Fragen alleine lassen, so dass sie gezwungen war, ihm nachzulaufen.

 

Ha, jawohl!
 

Doch bis dahin wollte er den Moment genießen. Bestimmend zog er Bulma weiter zu sich heran, die ihn vor Schreck gewähren ließ. Quälend langsam sank sein Kopf zu ihrem herab. Vegeta wollte Herr über die Zeit werden, diesen Moment einfrieren, indem er einen kurzen Moment mit seinen Lippen vor ihren verweilte, um sich noch einmal in ihrem sonst so angriffslustigen Blick zu spiegeln, doch alles, was ihm entgegensah, waren blaue Augen, welche panisch in ihren Augenhöhlen umher huschten. Es dauerte keine zehn Sekunden, da ging Vegeta zum zweiten Teil seiner Rache über, indem er ihre Starre ausnutzte. Eiskalt ausnutzte und seine Lippen beharrlich auf ihre presste. Währenddessen war eine seiner Hände über ihren Rücken geglitten, hinab zu ihrer Taille, um den Kuss zu intensivieren und sie gleichzeitig in Schach zu halten...

 

Und es war ein verdammt gutes Gefühl, ihre Lippen zu berühren.

Hunde die bellen, beißen doch

Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.

- George Orwell / 1984

 
 

~*~

 

- Kapitel zwölf -


 

Der Kuss zwischen den beiden unterschiedlichen Saiyajins hatte zur Folge, dass ein hörbares Raunen durch die Runde ging, wovon sich Vegeta aber nicht beirren ließ. Wie auch? Dieser irreführende Körperkontakt zu ihr tat sein übriges, um Vegetas Wahrnehmung über Bord zu werfen. Im Moment war nichts interessanter, nichts animalischer als die Berührung ihrer Lippen – was allerdings ein erneutes Problem darstellte. Vegeta verfolgte ein Ziel: sie psychisch anzugreifen, sie in die Enge zu treiben und vor ihren Freunden zu kompromittieren.
 

Das war zumindest sein Plan gewesen.

 

Dass der Kuss – der hinterhältig geplant war – ihn jedoch berührte, ihn selbst zum Abgrund trieb, das hatte er nicht im Entferntesten erwartet, denn das war das genaue Gegenteil von dem, was er bewirken wollte. Innerlich hatte er damit gerechnet, dass es ihm gefallen könnte... Ja, könnte. Dass es ihm gefiel, aber nicht, dass er selbst aus der Bahn geworfen wurde, aufgrund dieser Banalität, die ihn früher auch nie interessiert hatte. Doch mittlerweile verunsicherte es ihn – so sehr, dass er seine Augen aufschlug, um kurzerhand in ihr erschrockenes Gesicht sehen zu können, das seine Zweifel noch mehr bekräftigten.

 

Vegeta, der sowohl distanzierte, als auch stolze Saiyajin-Prinz sah Emotionen in ihrem Gesicht, die er nicht zuordnen konnte. Worte wie Trauer, Verzweiflung und Schwäche – Dinge, die in ihrem Gesicht geschrieben standen – kannte er nicht. Sie existierten in seiner Welt nicht, da es mit Attributen in Verbindungen gebracht wurde, die er verachtete und doch sah er in ihren geweiteten Augen die Abneigung ihm und der Nähe gegenüber, die er zu ihr aufgebaut hatte.

 

Aber auch davon durfte er sich nicht beirren lassen. Schließlich wollte er zurück in seine Zwischenwelt – fernab der Realität –, in der er Bulma eng umschlungen in seinen Armen hielt, während der Kuss intensiver und leidenschaftlicher wurde. In Vegetas Welt waren sie miteinander verbunden, ihre Schweife – sofern das blauhaarige Saiyajin-Mädchen einen gehabt hätte – ineinander verflochten, sodass sie sich nicht verloren. Jedweder andere, negative Gedanke, so gab Vegeta mürrisch zu, wäre ein Verrat seiner eigenen Wahrnehmung ihr gegenüber gewesen.

 

Ja, denn er wollte sie unbedingt küssen.

 

Weiterhin nahm er inmitten seiner nebulösen Gedanken wahr, dass seine Hände schemenhaft, unerlaubt und unaufgefordert über ihren zierlichen Rücken glitten, bis seine zitternden Hände ihre Taille erreichten, in der sich seine Finger festkrallten – nur um sicherzustellen, dass sie nicht entkommen konnte. Allerdings hatte das weniger mit Zärtlichkeiten zu tun. Im Gegenteil: Vegeta wollte Macht ausüben. Macht über Bulma und ihren hilflosen Körper, weil sie sich gegen ihn nicht wehren konnte.

 

Hinzu kam, dass ihm das nicht genügte. Der eigensinnige Prinz wollte mehr - bedeutend mehr. Infolgedessen zwang er seine Sinne, seine einst festgefahrenen Finger weiterzuschicken - erneut ihren Rücken hinauf, um über ihre Oberarme zu ihrem Gesicht zu gelangen, das er zwischen seinen Händen festhalten wollte. Dahingehend war es beinahe beängstigend, wie sanftmütig seine Fingerkuppen über ihre Wangen strichen, die jedoch noch genügend Druck auf ihr Gesicht ausübten, so dass sie wusste, dass er derjenige war, der sowohl den Ton, als auch den Rhythmus vorgab.

 

Und doch störte ihn etwas. Die ganze Zeit schon, in der Vegeta das eingeschüchterte Mädchen ansah. Normalerweise hätte er Freudensprünge machen müssen, angesichts dieses Erfolgs. Aber es breitete sich kein Glücksgefühl aus... Stattdessen entflammte ein Bild vor seinem inneren Auge. Ein so klares Bild, das schrecklicher nicht sein konnte.

 

Folglich erstarrten kurzzeitig seine Finger, die über ihre Wange strichen - wie ein Reh, das plötzlich im Lichtkegel einer Attacke auftauchte und starr vor Schreck stehen geblieben war. Jedoch gehörten die leuchtenden Augen im Schein seiner Attacke keinem Reh, sondern Bulma...

 

Es waren ihre traurigen Augen, die Vegeta sah. Es war ihrer trüber Blick, der ihr Entsetzen nicht im Ansatz auszudrücken vermochte, Vegeta diesen allerdings umso besser deuten konnte... Denn das war etwas, das Vegeta kannte. Die Angst in den Augen seiner Gegner zu sehen. Diesem Glanz, diesem Sturm, der regelrecht in den Augen tobte, war es zu verdanken, dass Vegeta ohne Rücksicht auf Verluste weitermachte.

 

Aber er wollte nicht mehr. Der blutrünstige Saiyajin entdeckte ihre glasigen Augen, er erblickte ihre Iriden, die in einem Meer aus Tränen schwammen und er wusste, hätte das Mädchen die Kraft, sie hätte Vegeta just in diesem Moment von sich gestoßen, ihn vermutlich zum Teufel gejagt - zurecht hätte sie das.

 

Und doch fehlte ihre wieder einmal besagte Kraft, um sich Vegetas Macht entgegenzustellen. Dementsprechend konnte Vegeta auch noch ihre Nähe genießen, wenngleich es ihn massivst zu stören schien, dass sie - ausgerechnet dieses Mädchen - ihn nicht mochte, geschweige denn wollte.

 

Stattdessen hatte er ihre Ausweglosigkeit, sowie den eisernen Käfig - der Bulma verbot, sich Vegeta zu widersetzen - eiskalt ausgenutzt, um jetziges Szenario herbeizuführen.

 

Und es war ihm egal... Ja, sowas von egal, dass er sie in diese prekäre Situation hineinmanövriert hatte. Schlussendlich durfte es ihn nämlich gar nicht interessieren, wie sie sich gefühlt hatte. Einem Prinzen der Saiyajins war das Wohlbefinden anderer schlichtweg egal. Uninteressant. Bedeutungslos. Dass er sie infolge dieses Kusses in Erklärungsnot brachte, hatte ihn genauso wenig zu stören, wie der Gedanke daran, dass das arglose Mädchen ihn überhaupt nicht leiden konnte.

 

Vegeta selbst mochte sie auch nicht, oder?

 

Er mochte sie nicht, nein.

 

Ebenso die Blicke, die beide auf sich gezogen hatten. Aber das war eines der Übelkeiten, die Vegeta verschmerzen konnte, im Gegensatz zu dem anhaltenden Gedanken, sie zu wollen.

 

Wieso rückte dieser Gedanke immerzu in den Vordergrund, wohingegen der Gedanke, seine Rache gestillt zu haben, zusehends im Hintergrund verschwand? Wieso? Warum schaffte es dieses Mädchen, sich Zutritt zu seinen Gedanken zu verschaffen? Warum beschäftigte sie ihn überhaupt?

 

Je intensiver er darüber nachdachte, umso ungeduldiger wurde er, weil Vegeta keine Antwort fand. So sehr er sich anstrengte und nach einer Lösung suchte - er fand keine, die plausibel klang. Zudem vernahm er ein erschreckendes Geräusch, das seine Aufmerksamkeit erregte.

 

„Was zur -“

 

Erst die darauffolgenden Worte ermöglichten zumindest Bulma, ihre Starre abzuwerfen und den Kuss - diesen bitterbösen, schändlichen Kuss, der sie zusätzlich in Misskredit gebracht hatte - zu lösen, indem sie ihre Hände gebrauchte und gegen Vegetas stählerne Brust schlug, wodurch dieser wiederum einen Schritt zurückgehen musste. Die klirrenden Scherben gaben Bulma den nötigen Impuls, endlich Abstand zu diesem widerwärtigen Saiyajin aufzubauen, aber es war zu spät.

 

„Was... Was soll das?“

 

Reflexartig hätte sie geantwortet, aber sie wollte sich nicht zu der Stimme umdrehen, welche den zerbrochenen Scherben zuzuordnen war. Indessen verspürte sie mehr und mehr den Drang, Vegeta eine schallende Ohrfeige zu verpassen, aufgrund seines postpubertären Verhaltens. Zu ihrem Bedauern war es aber immer noch Vegeta, der vor ihr stand. Demzufolge war es logisch, dass dieser vorbildlich reagieren und ihre herannahende Hand nahezu mühelos abfangen und ihren Körper abermals zu sich heranbringen konnte.

 

„Fräulein“, flüsterte er bedrohlich. „Wag es nicht noch einmal, die Hand gegen mich zu heben.“ Er klang wütender als er war, denn noch immer war er benebelt. Wäre er bei klarem Verstand, hätte es ihn wahrlich erschrocken, dass sie ihn geschlagen hätte - und wieder zurecht. „Hast du das verstanden?“ Ihr falscher Mut, der sie dazu verleitete und ihr fälschlicherweise das Gefühl gab, ihm ebenbürtig zu sein, schockierte ihn ebenfalls. Denn genau das war sie nicht. Bulma würde immer unter Vegeta stehen und nachdem er sie grinsend von sich gestoßen hatte, leckte er sich abschließend geradlinig über seine noch feuchten Lippen, um ihren Geschmack noch einmal schmecken zu können - etwas, das Bulma angeekelt zur Kenntnis nahm.

 

Oh ja, jenes Verhalten war ein weiterer Schuss auf das hochentzündliche Pulverfass, das Bulma symbolisierte.

 

Ferner - auch, um Vegetas Farce nicht länger mit ansehen zu müssen - wollte Bulma sich kopfschüttelnd wegdrehen. Sie wollte jemanden ansehen, der ihr keine verächtlichen Blicke zugeworfen hätte und doch erblickte sie in der Saiyajin-Menge den Mann, den sie aus Scham nicht ansehen wollte...

 

Turles...

 

Ihm und... und diesem statischen Blick wollte sie partout nicht ausgesetzt sein und doch musste sie hinsehen. Des Weiteren erspähte sie vor seinen Füßen einen zerbrochenen Bierkrug, dessen Inhalt sich davor erstreckte, ehe die Flüssigkeit sich ihren eigenen Weg nach vorne bahnte. Parallel wanderte ihr Blick zurück zu Turles, neben dem Son Goku stand. Auch ihm blickte sie demütig entgegen, bevor sie zu Kuririn und Lunch sah, die ebenso verwundert zurückblickten und nichts zu erwidern wussten.

 

„Ich... Son Goku, ich... ich weiß nicht, was -“ Trotz ihrer Bemühungen, brachte sie keinen vernünftigen Satz zustande. Es fühlte sich an, als würde man ihr die Luft abschnüren. Als würden Vegetas Hände ihren Hals umschlingen... Hinzu kamen die Blicke, die man Bulma zuwarf und gleichzeitig dafür Sorge getragen hatten, das beklommene Mädchen in ein moralisches Dilemma zu befördern. Schließlich hatte Bulma bis zuletzt gehofft, in verständnisvolle Gesichter zu sehen, doch wurde diese Hoffnung hemmungslos zerschlagen. Ja, man betrachtete die Saiyajin, als wäre sie ein Schandfleck, den man schleunigst ausbrennen sollte, weshalb sie sich auch so hilflos fühlte.

 

Es glich einem grausamen Bild. Ein Bild, auf dem Bulma in der Mitte stand - umringt von Saiyajins, die sie auslachten und ihr das Gefühl gaben, nicht zu ihnen zu gehören.

 

Ein Szenario, vor dem sie sich schon zu Lebzeiten auf der Erde gefürchtet hatte - irgendwann alleine zu sein.

 

Aber es war gar kein Bild. Nein, das Trugbild entsprach der Realität: Bulma gehörte nicht zu ihnen. Nur das schadenfrohe Gelächter fehlte, was durch ihren Skeptizismus ausgeglichen wurde, der ein weiteres Indiz dafür war, dass sie dieses idiotische Fest nur besuchte, weil sie sich - dumm und naiv wie sie war - mehr Zeit mit Turles erhofft hatte.

 

Schlimmer noch: Selbst Vegeta erkannte, dass Bulma nur hier war, um jemandem zu gefallen... Inwiefern hatte sie sich demnach schon verändert, dass sie sogar so weit ging und gegen ihre Prinzipien verstieß, indem sie ein Fest aufsuchte, dessen Hintergrund sie verabscheute? Tatsächlich nur, um Turles zu gefallen? Ihm mit ihrer Präsenz zu zeigen, dass sie eine wahre Saiyajin war, die es zusätzlich wert war, von ihm wahrgenommen zu werden und den Erwartungen entsprach, die ein Saiyajin zu erfüllen hatte?

 

Was Turles wohl gerade dachte? Der sonst eher furiose Turles - den man nicht so leicht in die Knie zwingen konnte - musste dem schweigsamen Turles weichen...

 

Ob er sie verachtete? Der Gedanke daran ließ Bulma schlucken. Indes waren ihre verschwitzen Hände stockend nach oben zu ihren wässrigen Augen geschlittert, wo sie ihre Finger fest hineingraben wollte, nach wenigen Sekunden aber bitterlich zu schluchzen anfing, ehe sie sich einen Weg durch die dichte Menge bahnte - ganz gleich, ob ihr angerempelte Saiyajins wütend oder mit Drohgebärden nachsahen. Aber es war ihr egal.

 

Viel mehr dachte sie an Turles. An ihn und seinen Blick, den Bulma nicht mehr vergessen konnte. Wie erschrocken er zu ihr gesehen hatte, nachdem sie sich von Vegeta loseisen konnte... Und genau diese Erinnerung - Turles' Blick - ging ihr nahe, weil sie anfing, den fremden Saiyajin zu mögen, der Son Goku so ähnlich war. Bulma begann Hirngespinsten nachzujagen und immer dann, wenn Turles nicht da war, dachte sie an ihn. Immer dann, wenn sie ihn nicht sah, schloss sie die Augen und stellte sich vor, wie er seine Hand nach ihr ausstreckte, die Bulma freudestrahlend nahm.

 

Kurz und knapp: Sie sehnte sich nach Turles. Nach einem Mann, der sie vor drei Monaten noch in Angst versetzt hatte und genau diese Hürde überwand sie - was ein deutliches Zeichen war, oder? Man verzieh niemandem, der etwas so grauenvolles tat, wenn nicht etwas liebenswürdiges in demjenigen stecken würde, oder? Man sehnte sich auch nicht grundlos nach jemandem - und Bulma schon gar nicht, da sie das beklemmende Gefühl kannte, wenn man jemanden von Herzen vermisste...

 

Fernab dieser Achterbahnfahrt der Gefühle, verschwand Bulma immer tiefer im angrenzenden Wald... Weit weg von Turles. Weit weg von Son Goku, Kuririn und Lunch. Und... noch weiter weg von... von Vegeta.

 
 

~*~

 

 

Geschockt von den Vorkommnissen, schaffte es Son Goku nur mühevoll, sich von Bulmas Antlitz, das in der Menge immer kleiner geworden war, abzuwenden und daraufhin den Prinzen mit abstoßenden Blicken zu würdigen. „Vegeta, was zur Hölle sollte -“

 

„Halt den Rand, Kakarott“, erwiderte Vegeta lakonisch, bevor er lächelnd die Arme vor der Brust verschränkte.

 

„Was?“, richtete der Angesprochene daraufhin brüsk die Worte an Vegeta, der für das Gefälle der bisher harmonischen Stimmung verantwortlich gewesen war.

 

„Du hast mich schon verstanden.“

 

Turles hingegen nutzte die Auseinandersetzung, um sich umzudrehen und dem Mädchen nachzusehen, das seit geraumer Zeit in seinen Gedanken auftauchte.

 

„Und ich will wissen, was das sollte?“, entfuhr es Son Goku erneut. „Hast du den Verstand verloren?“ Hinter ihm stand Kuririn, der nichts weiter tun konnte, als an Son Gokus Hüften vorbeizusehen und den Saiyajin-Prinzen mit offenem Mund anzustarren.

 

„Was das sollte, willst du wissen? Nun“, fuhr er sardonisch grinsend fort. „Das geht dich, Kakarott, einen feuchten Scheiß an, klar?“ Um die Situation noch mehr ins Lächerliche zu ziehen, beschloss er, seinem Gegenüber blasiert entgegen zu feixen. Einfach, um Radditz' kleinen Bruder noch ein wenig mehr zu provozieren.

 

„Vegeta, bist du auch in der Lage, dich vernünftig zu unterhalten?“ Er war fassungslos, hinsichtlich dieser Scheißegal-Einstellung, die der Hochwohlgeborene Vegeta an den Tag legte.

 

„Ob ich in der Lage bin?“ Zweifelte der Sohn eines elenden Versagers an seiner Perzeption? Unterstellte ihm dieser Idiot, dass er sich nicht eines Saiyajins würdig artikulieren konnte? Deutete dieser Dreckskerl mit seiner Äußerung an, dass er - Vegeta! - ein Feigling war, der nicht zu seinen Handlungen stand?

 

„Ja, oder bist du taub? Genau das habe ich dich gefragt.“ Noch immer konnte er nicht das verarbeiten, was eben passiert war, aber er war wütend genug, um sich zumindest auf den Störfaktor, in Form von Vegetas Anwesenheit, zu fokussieren. „Und ich möchte endlich eine Antwort. Wieso hast du das getan?“

 

„Was genau meinst du?“

 

„Ach so, heute fahren wir also diese Schiene, Vegeta. Okay, auch gut.“ Persifliert hatte Son Goku mit den Achseln gezuckt, um nicht gänzlich seine Fassung zu verlieren, denn die musste er behalten. „Dann nochmal für dich, Prinz Vegeta“, spottete er nahtlos weiter. „Was hast du dir dabei gedacht?“ Zeitgleich wurde in seinem Körper eine Wut entzündet, die sich ungebremst nach oben befördern wollte, nachdem er Vegetas unergründliche Dreistigkeit erkannte. Dass Vegeta diesen absurden Weg wählte, indem er versuchte, Son Goku zu verspotten und alles zu bagatellisieren, entzog sich seinem Verständnis, aber er musste auch Vegetas rabenschwarze Beweggründe nicht verstehen. Einzig die Tatsache, dass Vegeta zu weit gegangen war, war von Relevanz.

 

Inzwischen war es Turles gelungen, sich von den Streithähnen zu entfernen - jedoch nicht ungesehen. Während Kakarott ihm skeptisch nachsah, verwandelten sich Vegetas Züge von freundlich zu sauer. Doch statt sich noch mehr darüber aufzuregen, verbarg er seinen aufkeimenden Zorn, denn auch er wollte die Chance nutzen und kommentarlos gehen, da sein Plan aufgegangen war und er heilloses Chaos hinterlassen hatte.

 

Vor allem in Bulmas Leben. Dort hatte er einen gigantischen Scherbenhaufen herbeigeführt, welchen er fein säuberlich aus seinem in das ihrige gefegt hatte. Aber das war das, was er wollte - ihr Leben auf den Kopf stellen, weil er unschuldige Saiyajins für seine Taten büßen lassen wollte, weil... weil er seine eigenen Fehler nicht sehen wollte.

 

Aber was waren schon Fehler in Vegetas Leben? Schließlich war er der Prinz - unantastbar und fehlerfrei. Er machte niemals Fehler, weshalb er die Strafe seines Vaters - ihn zu fremden Leuten zu schicken - damit sühnte, indem er das Leben derer, die seine Anwesenheit ertrugen, zur Hölle werden ließ. Außerdem wollte er endlich fortfahren und von hier verschwinden, doch hatte er die Rechnung ohne Kakarotts Reflexe gemacht.

 

„Wohin soll's denn gehen?“

 

Gerade als sich Vegeta umdrehte, um seinen Weg fortzuführen, war Kakarott vor ihm erschienen. Ganz plötzlich. So schnell, dass Vegeta gar nicht wusste, wie schnell dieses Kretin vor ihm aufgetaucht war.

 

„Du wirst nicht einfach verschwinden, Vegeta. Wir haben noch was zu klären.“ Dass er sich gegen den Prinzen dieses Planeten auflehnte, das... das wusste Son Goku und er selbst war es, der Bulma warnte, nicht überstürzt zu handelt. Genau das sollte auch er beherzigen, aber er war so zornig. „Und das klären wir jetzt, Hoheit!“

 

„Seit wann nehme ich“, betonte er scharf, „Befehle eines dahergelaufenen Idioten entgegen? Willst du mich wirklich aufhalten, Kakarott?“ Auch Radditz' kleiner Bruder schien größenwahnsinnig geworden zu sein. Ansonsten wäre er nie auf den Gedanken gekommen, sich mit Vegeta auf eine Stufe zu stellen. „Niemand, und schon gar nicht du, Kakarott, wird mich davon abhalten können.“

 

„Du bist ganz schön selbstsicher, was?“, pfefferte Son Goku genauso herausfordernd zurück, wohingegen Kuririn und Lunch immer kleiner wurden und hofften, dass sie heil aus diesem Schlamassel herauskamen.

 

„Du nicht?“

 

„Nein“, kommentierte der größere Saiyajin abschätzig. „Ich muss mich mit meinen Kräften nicht profilieren, Vegeta.“

 

Zwischenzeitlich war Kuririn langsam an die beiden Saiyajin herangetreten, jedoch hielt er es für klüger, erneut hinter seinem Freund zu verschwinden. „Son... Son Goku, lass... lass ihn doch gehen“, flüsterte er daraufhin furchtsam. „Wir... Wir werden zurückgehen und -“

 

„Genau. Hör auf deinen kleinen Affen, der – jämmerlich wie er ist – dir am Rockzipfel hängt“, entgegnete Vegeta, der die Aussage des kleinen Saiyajins belustigt mit angehört hatte. Eigentlich hätte er sich – angesichts der Feigheit des Kleinen – echauffieren müssen, doch das tat er schon genug; sich über labile, nicht kampfbereite Saiyajins aufzuregen. Er sollte, so befand er, sich mehr über deren Dummheit amüsieren.

 

„Nein, Kuririn, ich lasse ihn nicht gehen. Erst, wenn wir das geklärt haben.“
 

Verdammt. Kuririn schlug sich missmutig mit der Faust in seine Handinnenfläche. Hatte er Son Goku nicht noch gewarnt? Dass das Mädchen nur Ärger bringt? Ja, aber niemand wollte auf ihn hören. Niemand. „Son Goku, bitte sei doch vernünf-“

 

„Ich sagte nein, Kuririn“, unterbrach Son Goku ihn barsch.

 

„Kakarott, ich versichere dir, dass ich nicht davor zurückschrecke, dir zu zeigen, wer das schwächste Glied in der Kette ist, kapiert?“, fauchte Vegeta schroff zurück, da ihm allmählich die Geduld flöten ging. Um dies zu kompensieren, schlug er schnaufend seinen Umhang zurück, ehedem er an Kakarott vorbeimarschierte. Oh ja, er musste weg. Schleunigst. Der Saiyajin wusste, was alles auf dem Spiel für ihn stand, wenn hiesige Situation eskalierte und die Gefahr war drastisch angestiegen, dass er sich bald vergessen würde. Irgendwann, wenn die Zeit gekommen wäre, würde er sich für diese Drohung revanchieren - ganz sicher.

 

„Vegeta!“, blaffte Bardocks Sprössling gereizt und doch wurde seine Stimme gekonnt ignoriert. „Vegeta, du sollst stehen bleiben!“

 

Mit jedem weiteren Schritt nach vorne, bäumte sich sein Umhang hinter ihm unheilvoll auf. Und jeden weiteren Schritt den er tat, hoffte Vegeta, das Mädchen vor Turles zu finden - der mit Sicherheit ebenfalls nach ihr suchte.

 
 

~*~

 

„Grundgütiger, was war das denn?“, flüsterte Kuririn, der immer noch perplex neben seinem alten Freund stand und zu ihm nach oben sah, wo er den verzerrten Ausdruck wahrnahm, welcher Son Gokus Gesicht umrahmte und Kuririn zeitgleich mitteilte, was dieser vorhatte. Daraufhin sprach er weiter: „Du... Du willst ihm doch nicht etwa nachgehen, oder?“ Unmöglich könnte er das wollen? „Oder? Nein, das... das willst du nicht, Son Goku?“

 

Ehe der Angesprochene zu Kuririn hinab sah, veränderte sich seine Mimik abermals. „Doch, Kuririn. Doch, genau das werde ich.“ Nickend blickte er seinem verängstigten Freund ins Gesicht, bevor er zur ebenfalls eingeschüchterten Lunch sah – für die es ganz untypisch war, zaghaft die Situation in sicherem Abstand zu beobachten. „Wartet hier. Es wird nicht allzu lange dauern“, versicherte er erbost, um anschließend denselben Weg wie Vegeta einzuschlagen.
 

„Nein! Nein, mach das nicht.“ Hastig war Kuririn an Son Gokus Seite erschienen. „Ich bitte dich als Freund, Son Goku, mach das nicht.“

 

Berührt von der Sorge seines Freundes, lächelte der großgewachsene Saiyajin aufrichtig, nachdem er seine Hand brüderlich auf Kuririns Schulter platzierte. Im selben Moment spürte er die Vertrautheit – sie war anders als zu seinem Bruder Radditz. Ihr Band war lange nicht so stark wie das, was ihn mit seinen Freunden verband. „Mach dir keine Sorgen. Mir wird nichts passieren.“

 

„Du verstehst nicht. Das... Das ist immer noch Vegeta, dem du dich gegenüberstellen willst.“

 

„Vegeta ist auch nur ein Saiyajin, der... der ein Ventil sucht“, rechtfertigte Son Goku die fragwürdigen Aussetzer des Prinzen. Ferner blickte er zurück in die Ferne – dorthin, wo Vegeta verschwunden war, bevor er mehr zu sich selbst als zu Kuririn sprach: „Ja... ein Ventil.“

 

„Aber Son Goku, er -“

 

„Nein!“, entfuhr es ihm zorniger als beabsichtigt. „Das wird geklärt, oder war es in Ordnung, Bulma in diese Lage zu bringen? Hast du nicht gesehen, wie verletzt sie war?“ Ja, er erwartete Verständnis – für sich, sein bevorstehendes Handeln, aber auch für Bulma.

 

„Doch, natürlich, aber -“

 

„Es gibt kein aber, Kuririn“, fuhr Son Goku fort und hob die Hand, woraufhin Kuririn schwieg. „Du verstehst nicht, wie nah Bulma und ich uns stehen. Wie sehr wir uns vertrauen. Sie war... Sie war das erste Mädchen, das ich in meinem Leben sah.“ Demütig sank sein Kinn gegen seine Brust, als er von der ersten Begegnung mit Bulma sprach, doch rasch hatte er wieder den Kopf gehoben. „Bulma bedeutet mir unendlich viel, dass ich es nicht ertrage, sie leiden zu sehen, während wir schweigsam daneben stehen.“

 

„Aber -“

 

„Nein, es reicht. Wir beenden diese Diskussion jetzt.“ Unmittelbar darauf marschierte er los – auch, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren und Vegeta schlussendlich aus den Augen zu verlieren. Entschuldigend und oftmals mit gehobenen Armen zwängte er sich an den Saiyajins vorbei, die ihm im Weg standen, bis er sich letzten Endes, als er die Menge überwand, erneut neben Kuririn wiederfand, der zögerlich zu ihm hinauf lächelte. Daneben stand Lunch, die – schon wieder untypisch für sie – ebenso ehrlich lächelte. „Ich sagte doch“, begann er demzufolge kopfschüttelnd, aber schmunzelnd, „dass ihr warten sollt.“

 

„Ja“, bestätigten beide synchron. „Aber Bulma ist auch unsere Freundin“, endete Kuririn, dessen schlechtes Gewissen mehrmals auf ihn eingeschlagen hatte, als er daran dachte, dass er Son Goku vor Bulma und ihren Drang zur Tollpatschigkeit gewarnt hatte. Parallel entfernten sie sich immer weiter vom Fest – die Stimmen der Saiyajinmasse wurde immer gedämpfter, immer leiser, wohingegen Vegetas Umrisse immer deutlicher vor den dreien zum Vorschein kam. Geradewegs lief der Prinz zum Dorf zurück, in dem sie alle – Kuririn, Lunch, Son Goku, Bulma und auch seit kurzem Vegeta – lebten. Anscheinend wollte Vegeta ihnen suggerieren, dass er nach Hause wollte, aber die anderen wussten es besser – Vegeta legte bloß eine falsche Fährte, weil er von seinen Verfolgern wusste.

 

Und das verdeutlichte er auch, nachdem er den Feldweg verließ und die gepflasterte Straße betrat und stehen geblieben war – ohne sich jedoch zu ihnen zu drehen. Stattdessen fingen seine Schultern zu beben an, ehe das spöttische Lachen aus seinem Mund zu hören war.

 

„Was gibt es zu lachen, Vegeta?“

 

Den Kopf über die Schulter geneigt, hob er seine Hand, um sich spielerisch mit dem Handrücken über den Mund zu wischen. „Ich soll mich wohl geschmeichelt fühlen, weil ihr euch nicht von mir lösen könnt?“

 

„Ganz und gar nicht“, offenbarte Son Goku und ärgerte sich, dass Vegeta scheinbar die ganze Zeit wusste, dass er verfolgt wurde. Insofern zeigte er mit diesem arglosen, selbstsicheren Verhalten doch nur, wie wenig er sich draußen – zudem noch alleine – fürchtete. Wahrscheinlich wollte er seinen Verfolgern auch noch aufzeigen, wie bedrohlich er war, im Hinblick auf seine gespielte Nachlässigkeit und der daraus folgenden Gefahr, angegriffen zu werden. „Wir wollen dir bestimmt nicht schmeicheln.“

 

„Oh doch“, äußerte er lapidar. „Scheint ja nur für mich und meine grenzenlose Macht zu sprechen.“

 

„Tatsächlich?“, knurrte Son Goku.

 

„Aber ja“, feixte er und wandte sich zu seinen Verfolgern um. „Da laufe ich alleine in euer schäbiges Dorf zurück, biete dir somit die beste Möglichkeit, mich anzugreifen und doch gelingt es dir nicht, Kakarott. Wie erbärmlich manche Saiyajins sind.“

 

„Erbärmlich, ja? Weil wir nicht alles mit Gewalt lösen?“ Hörte er das gerade wirklich? Es klang so surreal in seinen Ohren. „Macht uns das erbärmlich?“

 

Ihr?“, höhnte Vegeta. „Ja, das macht dich und diese beiden jämmerlichen Figuren, die scheinbar deine Verstärkung sind, erbärmlich, Kakarott.“

 

„Vorsicht, Vegeta. Sie sind härter als du denkst.“

 

„Lächerlich.“ Das Gras am Rande des Weges war kniehoch gewachsen. Durch den leichten Windzug, der durch das Dorf jagte, wurden die Halme hin und her geweht, die Vegeta wiederum am Bein kitzelten. Das war allerdings kein Grund, sich ablenken zu lassen. „Du kommst zu einem Messerkampf, den du anzettelst, mit einer Waffe, Kakarott. Das ist ganz schön frech, findest du nicht?“

 

„Ich habe nicht die Absicht, mich mit dir zu prügeln“, entgegnete er entschlossen. Keineswegs wollte er einen Streit zwischen Vegeta und sich hinaufbeschwören. Son Goku wollte lediglich mit ihm sprechen – nichts weiter, da er sowohl die Macht, als auch die Kraft des Königssohn nicht unterschätzte.
 

„Nicht?“ Betroffen fuhr sich Vegeta an sein Herz. Allerdings verwandelte sich die gespielte Betroffenheit schnell in einen undefinierbaren Ausdruck, der einem dem Wahnsinn verfallenen Irren glich. „Wozu dann dieser klägliche Etat, der dir im Übrigen nicht helfen kann?“

 

„Lass dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen“, erwähnte er siegessicher bevor er beide Hände auf die Schultern seiner beiden Begleitet legte.

 

„Gewiss, Kakarott. Gewiss.“

 

„Sieh du lieber zu, dass du nicht noch einmal ein Mädchen gegen ihren Willen... küsst.“ Vorsichtig war er einen Schritt nach vorne gegangen. „Oder ist das normal?“

 

Angesichts dieser haltlosen Behauptung, blieb Vegeta nichts anders übrig, als weiterhin zu lachen. Wie sonst hätte er Kakarotts Forschheit übertrumpfen können? „Gegen ihren Willen?“

 

„Ja, verdammt. Gegen ihren Willen, Vegeta. Ich kenne Bulma und -“

 

„Kannst du beweisen, dass ich sie unerlaubterweise geküsst habe? Vielleicht ist deine Bulma“, spuckte er ihm entgegen, „gar nicht so harmlos wie du denkst?“ Die Entrüstung in den Gesichtern der niederen Saiyajins erheiterte Vegetas Gemüt. Es musste furchtbar sein, so etwas anormales über ihre Freundin zu hören. „Vielleicht wollte die kleine Göre es ja auch? Schon mal auf den Gedanken gekommen?“

 

„Ha, das glaubst du doch selbst nicht. Niemals hätte Bulma dich geküsst. Niemals! Ich kenne sie und weiß, dass -“

 

„- dass sie was?“, raunte Vegeta. „Gar nichts weißt du, Kakarott. Gar nichts. Und bevor ich gänzlich die Geduld verliere, solltet ihr zusehen, dass ihr Land gewinnt.“ Indessen glitt seine geballte Faust entsetzlich langsam nach oben vor seine Brust. Darauffolgend spreizte er die Finger – welche er präzisiert auf die drei Saiyajins richtete –, so dass man zwischen den Schlitzen das aufkeimend goldene Licht einer herannahenden Attacke erahnen konnte. „Ich warne dich, Kakarott, ich bin äußerst unduldsam und sehr leicht zu reizen.“

 

„Und trotzdem: Sie würde dich nicht küssen. Egal, wie oft du es dir einredest.“

 

„Ge- Genau!“, mischte sich Kuririn zögerlich ein, dessen Selbstbewusstsein minimal gestiegen war, nachdem er um Son Goku gewandert und mutig zu ihm aufgesehen hatte. „Das... Das würde -“

 

„Schnauze!“ Als ob er jonglieren würde, warf er die Attacke von der einen zur anderen Hand, während er Kuririns versuchten verbalen Angriff mit schnalzender Zunge unterband. Daher verwunderte es ihn auch nicht im Geringsten, dass der glatzköpfige Junge sich entgeistert zurückzog. „Ihr wisst nichts, und doch wollt ihr euch mit mir messen.“ Knurrend zerquetschte er die goldene Kugel in seiner Hand, ohne den Funken – die zu Boden rieselten – nachzusehen. „Ihr begebt euch in eine Schlangengrube, aber mir soll's egal sein. Also: Was soll's? Greift mich an!“

 

Der Prinz war sich seiner Kraft bewusst, zweifelsohne. Dennoch war er überrascht, dass niemand zum Angriff überging.

 

„Worauf wartet ihr? Wer von euch Pfeifen will sich zuerst mit mir anlegen?“
 

Schweißgebadet war Lunch ebenfalls einen Schritt vorgetreten, doch bevor sie handeln konnte, war es Son Gokus Arm, der vor ihrem Körper aufgetaucht war – doch statt sie anzusehen, ihr mit Blicken mitzuteilen, was er vorhatte, richtete er die Worte aus seinem Mund gezielt an Vegeta. „Das ist doch nur ein Vorwand, um uns zu provozieren!“

 

„Ist es so?“
 

„Ja!“, antwortete er, ehe er sich schützend vor Lunch stellte. „Mir erschließt sich nur nicht, wieso du das tust?“
 

„Weil ich es kann, Kakarott, und im Gegensatz zu anderen nicht aufpassen muss, was ich tue, nicht wahr?“ Gut gelaunt verschränkte er die Arme vor der Brust. „Es muss wahnsinnig ätzend sein, jeden seiner Schritte zu kontrollieren, oder? Es würde mich nerven.“
 

„Was?“ Ertappt vergrößerten sich die schwarzen Iriden des Saiyajins, weil er nicht fassen konnte, was Vegeta gesagt hatte.

 

„Du hast mich schon verstanden. Wenn man nicht mehr frei heraus handeln kann, muss es schon einen triftigen Grund für diese Konsequenz geben“, erläuterte Vegeta – gehässiger, noch spöttischer als zuvor. „Richtig?“
 

„Du... Du warst bei Radditz!“, schlussfolgerte er panisch. Es konnte nur so sein. Weshalb sonst hätte Vegeta einen derart komprimierten Bezug herstellen sollen, wenn er nicht genau Bescheid wusste? Aber statt ihm zu antworten, hüllte sich der königliche Bastard in Schweigen. „Antworte mir! Warst du bei Radditz?“ Indes schlich sich die blanke Entrüstung in sein Gesicht, angesichts des Verrats, den sein großer Bruder ihm gegenüber begangen hatte und Son Goku sich fragen musste, was er nur im Leben falsch gemacht hatte, dass Radditz diesen Weg gegangen war?

 

Hatte er nicht immer gehorcht? Doch. Son Goku hatte sich seinem Schicksal – zurück nach Vegeta-Sei zu kommen – widerstandslos gebeugt. Er war seinem Bruder nach Hause – dort, wo seine Wurzeln lagen – gefolgt, aber für welchen Preis?

 

Und wieso interessierte sich Vegeta ausgerechnet für seinen Diebstahl in die königliche Vorratskammer, wenn es nichts gab, woraus Vegeta seinen Vorteil ziehen könnte?

 

Und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Es war nicht seine Strafe, die den Prinzen interessierte, sondern Bulmas...

 

„Ist das so wichtig? Es würde nichts ändern, wenn du die Wahrheit kennst. Du kannst die Zeit eben nicht zurückstellen“, informierte er Radditz' jüngeren Bruder verlustiert, woraufhin sich dessen Nasenflügel aufblähten. „Aber ich gehe davon aus, dass du das gar nicht wollen würdest, oder? Schließlich sind Saiyajins stolze Krieger, die zu ihren Taten stehen.“

 

„Ach, wirklich? Du auch, Vegeta?“

 

„Clever, aber nicht clever genug, Kakarott.“ Als ob er sich dazu verleiten ließ, aufgrund der Provokation, diesem vermenschlichten Saiyajin zu sagen, was er getan hatte und ob er dazu stand. Nicht in diesem Leben. Zwar würde Vegeta gerne die Zeit zurückdrehen, jedoch nur, um marginale Dinge zu verändern. Er müsste zukünftig eben vorsichtiger sein, um Situation zu vermeiden, die ihn in Bredouille brachten und zwangen, sich zu rechtfertigen. „Und da ihr zu feige seid, mich anzugreifen“, erzählte er plaudernd, während er auf sie zuging und erneut die Hand hob, „werde ich diese unnötige Diskussion endgültig beenden.“

 

Lunch und Kuririn waren es, die zuerst die Gefahr erkannten. Doch trotz ihrer Angst, trotz... trotz der Gefahr, die von Vegeta ausging, blieben sie reglos neben Son Goku stehen. Sie würden ihm treu zur Seite stehen, obwohl ihnen die Angst im Nacken saß.

 

„Vegeta!“

 

„Mir reichts, Kakarott!“

 

„Vegeta, tu das nicht. Um Himmels Willen!“ Von der Angst umnachtet, versuchte Son Goku ihn dennoch zu kalmieren, wenngleich es einem Versuch gleichkam, einem Schimpansen Tischmanieren beizubringen. Demzufolge sah er mit an, wie sich Vegetas Hand weiter nach oben hob, die goldene Kugel zurückkehrte und er die Ausrichtung seiner Hand präzisierte, gleichlaufend aber auch Son Goku perfide entgegen grinste. „Vegeta!“, skandierte er daraufhin zum wiederholten Mal. Ebenso schien ihn die Angst – die die drei Saiyajins ausströmten – zu motivieren. „Mach keinen Blödsinn!“

 

Aber jedes weitere Wort schien Vegeta noch mehr zu erzürnen und Son Goku musste – ja, er musste – akzeptieren, dass es in der Welt des Thronfolgers nicht den Frieden gab, den sowohl er, als auch Bulma und ihre Eltern kannten.

 

„Das... Das ist Wahnwitz. Los, wir müssen verschwinden.“ Als er jedoch die Hände von Lunch und Kuririn packen wollte, raste Letzterer schreiend an Son Goku vorbei.

 

„Rennt... Rennt weg!“, hechelte Kuririn unterdessen, während er zielorientiert auf Vegeta zuraste. „Schnell!“ Er fokussierte den Prinzen, hob seine Hand zum Gegenschlag aus und schrie weiter: „Sucht Bulma! Ich werde ihn -“

 

Ihr Name reichte aus, um Vegetas Mimik zu verändern. Das einstige Feixen in seinem Gesicht war verschwunden. Infolgedessen hob auch Vegeta die Faust, um den kleinen Wicht mit einem einzigen Hieb niederzureißen. „Schluss jetzt!“, bemerkte er anschließend abfällig, bevor er angewidert neben Kuririns Kopf – dessen Gesicht im Staub lag – spuckte. „Du hetzt mir tatsächlich diesen Schwachkopf auf den Hals?“

 

„Kuririn!“ Son Goku blieb nicht die Zeit, zu realisieren, was gerade mit Kuririn passiert war, da er schon im Augenwinkel das nächste Unheil bevorstehen sah, als Lunch sich einmischte.

 

„Hier, friss das, du arroganter Wichser!“ Flink hatte Lunch aus ihrem zurückgedrehten Oberschenkelholster eine geladene Pistole gezogen, die sie übergangslos auf Vegeta richtete. „Das“, schrie sie weiter, während sie das gesamte Magazin auf ihn abfeuerte, „ist für jede beschissene Beleidigung, die du Son Goku, Kuririn, Bulma und mir an den Kopf geworfen hast!“ Abschließend keuchte sie auf, ließ die Waffe in ihrer von Schmauchspuren übersäten Hand sinken und... und sah zu Vegeta, vor dessen Gesicht ihre abfeuerten Kugeln schwebten. „Nein, das... das ist unmöglich“, japste sie erschrocken und trat zurück.

 

„Willst du mich verarschen, Mädchen?“ Mit einem Augenschlag krachten die Kugeln, welche er mithilfe seiner Sinne aufgehalten hatte, zu Boden. „Beleidige nicht meine Intuition, Fräulein. Du wirst keinen einzigen Saiyajin mit diesem Spielzeug in die Flucht schlagen, das garantiere ich dir.“ Im Anschluss setzte er etwas seiner Energie frei, deren Kraft jedoch schon ausreichte, um Lunch zu Boden zu befördern.

 

„Lunch, ist alles in Ordnung?“ Augenblicklich war Son Goku an ihrer Seite, legte einen Arm um ihre Schulter und sah auf ihren nach unten gerichteten Kopf. „Lunch?“

 

„Und jetzt gebe ich euch fünf Sekunden.“

 

„Was? Aber Vegeta!“ Fassungslos hatte Son Goku die vergeblichen Mühen seiner Freunde beobachten müssen und nun lagen sie da – gedemütigt und verletzt am Boden. „Das kann nicht dein -“

 

„Schnauze, Kakarott. Ich habe mir das Schauspiel lange genug mit ansehen müssen.“ Das hatte er, ja. Vermutlich hatte Turles sie schon längst gefunden, während er sich mit dümmlichen Kinderstreichen – die jeder zweijährige Saiyajin im Keim ersticken konnte – herumärgern müssen. „Eins!“, fing er folglich zu zählen an – gefolgt von seinem Zeigefinger, der die Anzahl der verbleibenden Zeit symbolisieren sollte. „Zwei!“, fügte er rasch und deutlich lauter hinzu.

 

„Hör auf, Vegeta!“

 

„Drei!“ Amüsiert sah er dabei zu, wie Kakarott dem Weib auf die Beine half und sich vergewisserte, dass sie alleine stehen konnte, bevor er hastig zu dem bewusstlosen Glatzkopf rannte und sich nach dessen Befinden erkundigte. „Ich würde euch zur Eile raten“, schlug er nach wenigen Sekunden latent vor und ließ den goldenen Ball in seiner Hand noch heller erstrahlen, so dass sich der goldene Schimmer nach und nach zu einer festeren Form manifestierte.

 

Diese kleine Ki-Attacke konnte erheblichen Schaden anrichten, das wusste Vegeta, aber er fürchtete die Ausmaße nicht. „Vier!“

 

Zur selben Zeit klemmte Son Goku den Körper des ohnmächtigen Kuririn zwischen seine Hüfte und seinen Arm, wonach er mit der anderen Hand nach Lunchs Handgelenk griff, um mit ihr zu flüchten.

 

„Viel zu langsam.“ Gewissenlos verzichtete Vegeta auf die letzte Zahl. Er schoss rücksichtslos in ihre Richtung, ganz egal, was geschehen würde. Und es war ein mächtiges Gefühl, nicht derjenige gewesen zu sein, der angstvoll davonrannte.

 

Oh Nein, Vegeta hatte sich ihnen gestellt, obwohl sie in der Überzahl waren und es dennoch nicht fertig brachten, ihn zu bezwingen. Jenes Gefühl verlieh ihm Stärke. Dass Kakarott indessen einen Ausweg fand, indem er mit letzter Kraft Lunch nach links, sowie sich selbst und Kuririn nach rechts stieß, sodass die Attacke nur knapp zwischen ihnen durchflog, schmälerte seine Freude keinesfalls. Seine Mundwinkel zuckten sogar, als er den Umstand wahrgenommen hatte.

 

„Das passiert, wenn man sich mir widersetzt“, flüsterte Vegeta, nachdem er den Abstand zu den am Boden liegenden Saiyajins geschlossen hatte. Doch noch ehe er sich vom Boden abstieß und über den herausragenden Baumwipfeln verschwand, warf er einen letzten abschätzigen Blick auf die drei Gefallenen.

 

„Verdammt“, wisperte Son Goku, als er seinen Körper mühevoll zur Seite drehte, sich aufrecht hinsetzte und mit einer Hand einen sicheren Sitz gewährleistete. Abschließend schirmte er die glühende Sonne vor seinen Augen ab und sah zu de Bäumen, hinter denen Vegeta verschwunden war. „Grundgütiger, was für eine Energie. Ich... Ich habe ihn unterschätzt“, ergänzte er seine Erkenntnis, während er sich keuchend den Schweiß aus seinem Gesicht wischte. Danach berührte er vorsichtig seine Schulter, die schmerzlich pochte. „Lunch? Lunch, geht es dir gut?“

 

Nuschelnd konnte er sie antworten hören, ehe er schwankend auf die Beine kam und zu Kuririn ging, da dieser wohl noch einige Minuten bräuchte, bis er wieder zu sich kam.

 

 
 

~*~
 

Seit der letzten Biegung hatte Bulma nahezu ihre komplette Orientierung verloren, aufgrund der Tränen, die ihre Sicht trübten. Viel zu traurig war sie, um sich überhaupt Gedanken zu machen, wie sie den Weg nach Hause finden sollte, aber sie war nun einmal so sauer. So verzweifelt. So... So niedergeschlagen. Und selbst wenn sie sich auf ihre Umgebung fixiert hätte, wäre ihr spätestens nach der zweiten Kreuzung aufgefallen, dass es sowieso überall gleich aussah.

 

Ja, alles sah gleich aus. Auch die Vögel. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie gaben denselben Laut von sich wie die Vögel, deren Zischlaute sie schon vor zehn Minuten gehört hatte. Aber sie war zu sehr von ihren dämlichen Gefühlen übermannt, welche ihre Rationalität auslöschten und das Mädchen immer weiter in den Wald trieben – in der Hoffnung, niemandem zu begegnen, damit sie mit ihrer Scham alleine sein konnte.

 

Und Schuld daran war Vegeta. Ihr Zorn. Ihre Traurigkeit. Und Vegeta. Ihre Sensibilität. Ihr Bauchgefühl, das sagte, das sie alles unter Kontrolle hatte. Und Vegeta!

 

„Was habe ich mir nur dabei gedacht? Dass ich einmal glücklich sein könnte?“ Missmutig kickte sie einen Stein vor ihren Füßen weg. „Ha, auf Vegeta-Sei? Ich muss dumm gewesen sein, das geglaubt zu haben. Niemand wird hier je glücklich werden.“ Seufzend sah sie nach oben gen Himmel. Sie musste bereits die Augen zusammenkneifen, um das Blau des Himmels zu sehen, da die Bäume immer dichter beieinanderstanden und zeigten, dass sie immer tiefer im Wald verschwand. „Nein, niemand wird auf diesem Planeten sein Glück finden.“
 

Ach, verdammt!

 

Nach etwa zwanzig Minuten begannen auch ihre Füße zu schmerzen. „Auch das noch. Blöde Schuhe.“ Entnervt steuerte sie einen kleinen Felsen an, auf dem sie sich niederlassen und ihre hinderlichen Schuhe ausziehen konnte, um den restlichen Weg dann eben barfuß zu meistern. Aber bevor sie sich erhob, genoss sie noch einen Moment die Stille. Nirgends hörte man Stimmen. Nirgends sah sie jemanden, der au sie herabschaute.

 

Es war himmlisch und doch schniefte sie, als die Erinnerungen wieder über sie hineinbrachen. Alles war so kompliziert geworden, seit sie auf Vegeta-Sei lebte. Darüber hinaus rieb sie zermürbt ihre Hand über ihre noch feuchten Augen und es war ihr egal, dass sie den Kajalstift verschmierte, dessen schwarze Farbe nunmehr an ihren Fingern haftete.

 

Und so, wie die Fingerkuppen aussahen, so fühlte sie sich – furchtbar, schmutzig und katastrophal.

 

„Ist doch sowieso alles sinnlos.“ Ihren Oberkörper nach vorne gebeugt, stützte sie konsekutiv ihre Ellenbogen auf ihre angewinkelten Beine, um ihr Kinn schnaufend auf ihre nach oben haltenden Hände zu platzieren. Nicht einmal das Blätterrascheln beruhigte sie und das Zwitschern der Vögel machte sie schier wahnsinnig. Sie konnte nicht anders, wenngleich sie jedes Tier respektierte, aber sie musste böse nach oben zum Blätterdach sehen. Ja, sie schaute so böse nach oben, als wären die kleinen Geschöpfe an ihrem Elend Schuld, aber es nützte nichts – sie trällerten fröhlich weiter. Als plötzlich auch noch das Gebüsch hinter ihr zu rascheln begann, verlor sie völlig die Contenance.

 

„Wer ist da?“, rief sie unsicher, als sie sich – noch immer auf dem Stein sitzend – herumdrehte. „Hallo?“ Scheinbar lauerten auch dort sekkante Vögel, um ihren Gesang noch besser an Bulma heranzutragen, um sie noch ein wenig mehr zu ärgern.

 

Allerdings kam aus dem Gebüsch kein Zwitschern, weshalb sich Bulma entschied, selbst nachzusehen. Umsichtig erhob sie sich und näherte sich vorsichtig den Zweigen. „Hallo?“ Vergessen waren auch ihre Schuhe, die sie am Stein zurückgelassen hatte.
 

Aber wieso näherte man sich immer einer augenscheinlichen Gefahr? Wieso rannte man nicht einfach weg? Nun, weil einige Saiyajins – zu denen wohl auch Bulma zählte – unendlich neugierig waren. Nachdem sie die störrischen Äste zur Seite geschoben und den Ursprung des Rascheln entdeckt hatte, schlich sich auch heimlich ein strahlendes Lächeln, das immer größer wurde, auf ihren Mund. Ja, es kroch fast anmutig über ihre Züge.

 

„Hey, na ihr?“, murmelte sie erfreut. „Was macht ihr denn hier?“ Strahlend zwängte sie sich durch das Gebüsch hindurch, um dem – was sie erblickte – näher zu kommen und beinahe hätte sie, aufgrund ihrer Freude, die Hand zum Gruß gehoben, aber das wäre doch albern gewesen, wenn sie zwei spielende Welpen begrüßt hätte, oder? Zumal die Kleinen aufgehört hatten, herumzutollen und miteinander zu spielen, nachdem Bulma scheinbar ihr Heim betreten hatte. „Wer seid ihr denn? Seid ihr Hundekinder? Oder doch eher Wolfskinder?“

 

Hechelnd kam eines der Jungen zu Bulma getapst, was Bulma ein Kichern entlockte, ehe sie in die Hocke ging und vorsichtig eine Hand nach dem mutigen Welpen ausstreckte. Allerdings erschreckte das den näher kommenden Welpen – der just stehen blieb und die junge Frau interessiert musterte –, woraufhin die blauhaarige Saiyajin behutsam sprach: „Ssshh, ihr müsst keine Angst vor mir haben. Ich werde euch nichts tun, versprochen. Ich werde mich hier hinsetzen und warten, bis ihr zu mir kommt, einverstanden?“, erklärte sie unnötigerweise und tippte neben sich auf die Erde, was der Welpe prompt ausnutzte und sich nochmals in Bewegung setzte.

 

Das war doch richtig, nicht? Dass sie selbst den Abstand wahrte, bis die Tiere sich freiwillig entschlossen, zu ihr zu kommen, oder? Offensichtlich schon, denn es funktionierte ja. „Seid ihr schon die ganze Zeit alleine? Wo ist denn eure Mama?“ Besorgt reckte Bulma daraufhin ihren Kopf in die Höhe, auf der Suche nach Hinweisen, die auf die Dauer der Abwesenheit des Muttertiers hindeuten könnten. Während sie das tat, bemerkte sie gar nicht, wie der Hund näher kam – bis dieser schlussendlich sein weiches Köpfchen gegen ihre Handinnenfläche stieß.

 

„Du bist aber mutig“, honorierte sie die Tapferkeit des Kleinen, was innerhalb weniger Augenblicken mit einem aufgeregten Bellen und einem wedelnden Schwanz belohnt wurde. „Und du? Bist du auch so mutig, Kleiner?“, fragte sie den anderen Welpen, der das Verhalten seines Geschwisterchens skeptisch und aus sicherer Entfernung beäugte. „Oder... bist du in demselben Maße ängstlich wie ich? Wenn ja, dann... dann verstehe ich das. Ich fürchte mich auch des Öfteren, leider.“

 

Ihre Freude, bezüglich der zahmen Hunde, währte jedoch nur kurz, da sie sich bewusst wurde, wie lächerlich sie sich gerade gemacht hatte. „Was mache ich hier überhaupt? Ich rede mit kleinen Hundewelpen, die vermutlich kein einziges Wort verstehen.“ Klagend legte sie ihr Gesicht in ihre Hand, während die andere die weichen Ohren des Hundes kraulte. „Ihr habt es gut, ihr seid noch klein. Ihr müsst euch noch keine Sorgen machen oder euch mit der harten Welt da draußen auseinandersetzen.“

 

Ja, die Realität war oft hart, sie schlug Bulma oftmals erbarmungslos ins Gesicht und die Realität verspottete Bulma, in jeder Situation, in der sich die neunmalkluge Saiyajin verängstigt zurückzog.

 

Der Welpe schien Bulmas Gemütsschwankungen unwiderleglich zu bemerken, da er traurig zu jaulen anfing, auf Bulmas Schoss sprang und sich noch enger an ihren wärmenden Körper schmiegte. „Ach herrje, du bist ja lieb, aber Hunde waren schon immer anhänglich und sehr treu, nicht?“ Kurz konnte die junge Frau ihre Sorgen vergessen, als sie in das hübsche Gesicht des Hundes blickte. Ein Hund würde auch niemals die Hand beißen, die ihn zuvor gefüttert hatte, was ihr den himmelweiten Unterschied zwischen dem Hund und einem saiyajinischen oder menschlichen Wesen aufzeigte. Selbst die kalte Schnauze eines Hundes war bedeutend wärmer, als die Kaltschnäuzigkeit mancher Saiyajins...

 

„Ihr habt bestimmt Hunger und wartet auf eure Mama, die auf Nahrungssuche ist. Hätte ich erahnen können, auf welch nette Gesellschaft ich hier stoße, hätte ich euch etwas mitgebracht.“ Nochmals wandte sie unsicher ihren Kopf zur Seite. „Wo bleibt eure Mama bloß? Euch einfach hier zurücklassen kann ich nicht. Aber mitnehmen geht wiederum auch nicht.“

 

Gemeinsam mit ihrem neuen tierischen Freund überlegte sie fieberhaft, was sie tun könnte. Ihren Ellenbogen stützte sie auf ihren Oberschenkel ab, die linke Hand ruhte unter ihrem Kinn, während Daumen und Zeigefinger grübelnd ihre Mundpartien entlangfuhren. „Oder soll ich euch mitnehmen? Dann könnt ihr etwas essen und danach bringe ich euch zurück. Wäre das ein Kompromiss?“

 

Das freundliche Bellen des Welpen schien Bulma zum Anlass zu nehmen, ihren Vorschlag umzusetzen. „Abgemacht. So wird's gemacht.“ Natürlich verstanden sie ihre Worte nicht, aber Bulma fühlte sich sehr viel wohler, wenn sie mit den Hunden sprach, statt schweigsam vor ihnen zu stehen und über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. So fühlte es sich immerhin an, als hätte sie die Kleinen vorgewarnt.

 

Nachfolgend stand Bulma auf, ehe sie sich mit knackenden Knien hinabbeugte, um den Welpen auf den Arm zu nehmen. Allerdings wurde ihr Vorhaben unterbrochen, als... als sie hinter sich ein unheilvolles Knurren vernahmen.

 

Wie von einer Tarantel gestochen, schreckte Bulma herum. „Oh... Oh nein... Bitte nicht“, stammelte sie aufgebracht, bevor sie sich stockend zu ihrer vollen Größe aufrichtete und ihr zwei pechschwarze Augen entgegensahen, sowie einer nassen Nase, die zu einem noch viel größeren Hund gehörte – alles andere als freudig gestimmt. „Oh je. Das... Das ist bestimmt... eure Mama, richtig?“, leitete sie ab, nachdem die beiden Welpen – auch der, der die ganze Zeit schüchtern war – fiepend zur Mutter gerannt waren und ihren Köpfe gegen ihren drückten. Hechelnd beschnupperte diese ihre Kinder, bevor sie wieder ihren Kopf hob – doch dieses Mal langsamer, zähnefletschend und mit einem bösen Blick im Gesicht, der Bulma signalisierte, dass sie nicht Willkommen war.

 

„Bitte... Ich... Ich hatte nichts böses vor. Wirklich nicht.“ Wie zu anfangs, versuchte Bulma sich möglichst ruhig zu verhalten, um den Hund bei Laune zu halten. Ja, bloß keine hektischen Bewegungen, die Bulma als Beute darstellen könnte. „Ich hatte keine bösen Absichten. Glaub mir, bitte. Ich... Ich würde keinem Lebewesen Schaden zufügen.“

 

Kurz sah es so aus, als würde das Muttertier sie verstehen. Sie senkte denk Kopf, allerdings um sich darauf knurrend Bulma zu nähern. Nachdem sie ihr Maul öffnete, hätte Bulma – hätte sie die Zeit gehabt – jeden einzelnen Zahn abzählen können. Oh ja, aber sie konnte auch so erahnen, dass ihr ein ausgeprägtes, starkes Gebiss entgegen starrte. Ebenso das folgenreiche Belle unterschied sich von dem der kleinen Welpen.

 

Die warmen Tränen auf ihren Wangen spürte sie nicht, da ein warmer, feuchter Stem ihre Kniekehlen streichelte, woraufhin sie sich erschrocken umdrehte und...

 

„Oh... Oh bitte nicht!“ Hinter ihr war ein weiterer Hund erschienen – offenbar der Vater der Kleinen, der sich danach verzehrte, seine Fangzähne in ihre Haut zu rammen. Scheinbar hatten sie Bulma und die Welpen so lange beobachtet, bis die blauhaarige Saiyajin beschlossen hatte, die Welpen mitzunehmen. Das schien den Beschützerinstinkt der Eltern aktiviert zu haben und Bulma gleichzeitig in den Wahnsinn zu treiben. Das, was gerade geschah, war jenseits von Gut und Böse – noch schlimmer, als das, was auf dem Fest passiert war. Ja... Ja, noch viel schlimmer. Unter einem tosenden Aufschrei nahm sie ihre Beine in die Hand und spurtete los – vorbei an der Mutter, immer weiter in den Wald hinein und sie wusste nicht, wie es ihr gelang, aber sie überwand jeden Stein, jeden Baumstamm, sowie jedes Hindernis, das sie zu Falle hätte bringen können.

 

Hauptsache weg von hier. Diplomatisch wäre sie sowieso nicht weitergekommen. Die Tiere verstanden sie nicht. Das würden sie auch nie. Stattdessen rannte sie schreiend davon – weg von der Gefahr. Sie wollte auch keinen einzigen Blick nach hinten riskieren, aber sie wollte wissen, ob sie von den Hunden verfolgt wurde.

 

Sollte sie einen Blick wagen? Nur einen einzigen?

 

„Nein, ich... ich hätte“, keuchte sie bereits erschöpft, „es wissen müssen.“ Das hätte sie, denn die Tiere waren ihr auf den Fersen – dicht hinter ihr. „Wieso... Wieso muss... mir das... passieren? Hilfe!“, schrie sie das letzte Wort aus Leibeskräften. Sie zwängte diese notwendigen Worte, wenngleich ihre Kehle staubtrocken war, aus ihrem brennenden Mund. „Hilfe! Ich... Ich brauche Hilfe! Son... Son Goku!“ Aber weit und breit war nichts von einem rettenden Son Goku zu hören, abgesehen von den dumpfen Laufgeräuschen, die sie, sowie die Pfoten der Hunde verursachten. „Son Goku, hilf mir. Ich... Ich bitte dich!“

 

Es kam niemand! Bulma sah bloß die Bäume. Sie sah die Vögel, die weit oben – fernab jeglicher Gefahr – auf den Ästen saßen und die wilde Verfolgungsjagd zu beobachten schienen. Das Dickicht um sie herum wurde noch dichter, nichts deutete darauf hin, dass sie sich dem Dorf näherte – gar nichts. Überall waren Büsche zu sehen, wilde Sträucher und Bäume, deren Zweige ihr ins Gesicht peitschen und sicher den einen oder anderen Kratzer in ihrem Gesicht hinterließen. Der Weg wurde hinderlicher und Bulma wurde immer müder. Ihr taten die Lungen weh, ihre nackten Füße schmerzten von den kleinen Steinchen, die sich in ihre Haut pressten, sobald sie auf diese trat. Hinzu kam die Orientierungslosigkeit, die alles umso gefährlicher machte und Bulma daher nicht abschätzen konnte, wie weit sie schon in den Wald gelaufen war. Außerdem... ihr... ihr Tempo verlangsamte sich rapide.

 

Ebenfalls etwas, das lebensbedrohlich war, angesichts der Situation, in der sich Bulma befand.

 

„Nein... Das... Das darf jetzt nicht... passieren“, entfuhr es ihr heiser. „Bulma, halte... halte durch. Dir darf jetzt nicht... die Luft wegbleiben. Nicht... jetzt, verdammt!“, animierte sie sich und ihren Überlebenswillen, der sekündlich sank – sich nach und nach von ihr verabschiedete. Trotzdem wollte sie auf Nummer sicher gehen und nichts unversucht lassen, weshalb sie noch einmal brüllte: „Son Goku!

 

Alleine durch ihren Aufschrei, wurde ihre Ausdauer noch mehr verkürzt, was eines der Tiere eiskalt ausnutzte. Mit einem Satz war das Tier, dessen graues Fell nach Unheil und Tod stank, in Bulmas schmerzenden Rücken gesprungen, was zur Folge hatte, dass Bulma das zusätzlich Gewicht nicht tragen konnte und mitsamt dem Hund zu Boden fiel. Glücklicherweise – sofern man es Glück nennen konnte – gelang es der Saiyajin, den Sturz mit ihren Händen zu bremsen. Allerdings spürte sie schon, wie sich ihre Haut aufschlitzte, aufgrund des sandigen Bodens, der sich wie Rasierklingen in ihre Haut schnitt. Dennoch schaffte sie es, sich auf den Rücken zu rollen, das Tier von sich abzuwerfen, aber nur, um sich Sekunden später unter dem Hund wiederzufinden, der rasch über sie gesprungen war und knurrend seinen Kopf zu ihrem Gesicht neigte. Warmer, dickflüssiger Speichel – der langsam aus dem Maul lief – tropfte folglich auf Bulmas Wange, was sie zusätzlich in Angst versetzte und sie zwang, die Augen zu schließen. All die Angst trieb das Mädchen dazu, zu Gott auf der Erde zu beten, von dem Son Goku ihr schon einmal erzählt hatte, dass er ein gütiger Gott sei, der stets darauf achtete, die Menschheit zu schützen.

 

Ob das auch für Saiyajins galt?

 

Anscheinend nicht. Aus dem Mund des Hundes kam ihr ein Geruch entgegen, der Bulma sagte, dass sie nicht die erste Beute für heute wäre. „Das... Das ist mein Ende“, wimmerte sie wehrlos. So schwach es auch klang, Bulma schloss bereits mit allem ab. Sie konnte nicht einmal mithilfe ihrer Ellenbogen wegrobben, um eventuell erneut die Chance zur Flucht zu ergreifen. Nein, diese Chance wurde ihr verwehrt und sie sah schon die gewaltigen Zähne... Wie... Wie diese an ihren Sehnen zerrten, die Bulma förmlich zerrissen. Sie konnte sich schon verzweifelt schreien hören. Niemand sonst würde sie hören...

 

Abschließend hoffte sie, dass sie nicht zu lange leiden würde, woraufhin sie wieder die Augen fest zusammenschloss und die Tränen über ihre Schläfen, hinein in ihr Haar kullerten.

 

Plötzlich vernahm sie das schreckliche Jaulen des Hundes. Augenblicklich waren ihre blauen Augen offen, um der Ursache auf den Grund zu gehen und Bulma konnte nicht glauben, was sie sah. Über ihrem Körper war kein Hund ersichtlich – was sie nutzen sollte. Völlig egal, was passiert war. Sie sollte gefälligst ihrem ausgemerzten Kadaver befehlen, sich zu erheben und wegzulaufen – so, wie es jeder vernünftige Mensch tun würde. Ächzend rollte sie sich auf den Bauch, um sich torkelnd mit ihren Beinen und ihren Händen vom Boden abzustoßen, jedoch wurde sie sogleich gehindert, das Weite zu suchen.

 

„Nein, nicht!“, flüsterte eine raue Stimme, deren dazugehörige Hand sanft nach Bulmas Schulter griff, um sie vorsichtig auf den Boden zurückzudrücken. „Keine hektischen Bewegungen, Onna. Das treibt sie an.“

 

„Was?“, stöhnte sie aufgebracht zurück, ehe sie ihren Kopf zur Seite drehte und konsterniert feststellte, dass Vegeta in die Knie gegangen war, und seinen stählernen Körper schützend über ihren beugte. „Vegeta?“ Bulma konnte sehen, wie Vegeta permanent zur ihr hinab, sowie zu den Hunden sah, von denen einer verwundet am Boden lag, während dessen Gefährte die blutende Kopfwunde beschnupperte.

 

„Kannst du aufstehen, Onna?“

 

„Aufstehen?“, gab sie perplex zurück.

 

„Ja, aufstehen. Oder...“ Ihm war es sichtlich unangenehm, den Satz fortzuführen. „Oder soll... ich dich tragen?“, endete er knurrend und behielt weiterhin die Hunde im Visier. Infolgedessen legte er unbewusst die Hand auf ihren Rücken, während er anschließend ihren Körper inspizierte, auf der Suche nach offenen Verletzungen.

 

„Vegeta, was... was machst du hier?“ Ihre Sicht war noch nicht klar, weswegen sie sich die Tränen aus den Augen wischen musste, bis sie Vegetas Konturen klar vor Augen hatte. „Wie hast du -“

 

„Lass uns gehen, Onna.“ Er wollte ihr nicht die Möglichkeit geben, ihn mit weiteren Fragen zu löchern. „Sonst besinnen sich die beiden schneller als uns lieb ist und greifen womöglich nochmal an.“ Fürsorglich griff er unter ihren Arm, nachdem er aufgestanden und sich zu ihr hinabgebeugt hatte, um ihr auf die Beine zu helfen. Würden die Viecher es in Erwägung ziehen, sie nochmal anzugreifen, würde Vegeta nicht davor zurückschrecken, sie ins Jenseits zu befördern. Er hatte sogar jetzt einen guten Grund, die Biester zu eliminieren, allerdings hielt ihn eine Sache davon ab.

 

Bulma...

 

Vegeta sah, versteckt hinter einem Baum, wie rührend sie sich um die kleinen Hundewelpen gekümmert hatte. Den Tod der Hunde, die seinen und Bulmas Tod billigend in Kauf genommen hätten, würde die junge Saiyajin sicherlich bestürzen, weswegen er davon absah, ihnen etwas anzutun. Dass er Zeuge ihrer unbegrenzten Tierliebe wurde, verschwieg er dagegen, weil er dieses Wissen mit niemandem – nicht einmal mit ihr – teilen wollte.

 

Und nachdem er sicherstellte, dass sie alleine stehen konnte, ließ er ihren Arm ruckartig los, als hätte er sich an ihr verbrannt. „Können wir gehen?“

 

„Ja.“ Wie er sie gefunden hatte, das würde Bulma nie erfahren – wieso also danach fragen? Es war nur etwas befremdlich, dass Vegeta etwas selbstloses tat. Das verunsicherte die blauhaarige Saiyajin, die noch leicht wackelig auf den Beinen stand und ihre zerzausten Haare mit ihren Fingern aus ihrem Gesicht kämmte.
 

Vegeta schien überrascht. Er rechnete mit einem Ausbruch ihrer Gefühle, damit, dass sie ihn schlug, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen blickte sie ihn fragend an – vermutlich wartete sie darauf, dass er voranging, weil sie den Weg nicht kannte? „Du kannst froh sein, dass ich meinen Scouter dabei hatte, Fräulein. Ansonsten hätte ich nur noch deine Überreste gefunden.“ Was schlichtweg gelogen war. Natürlich hatte er sie schon viel früher entdeckt, aber er war noch immer Vegeta, der es genoss, Salz in die offenen Wunden zu reiben. „Das hier“, erklärte er weiter, als er voranschritt und sah, dass sie ihm folgte, „hätte böse ausgehen können. Das ist dir hoffentlich klar?“

 

„Ja, ich weiß und -“ Sekunde! Wollte Bulma sich gerade bedanken? Nach all dem, was passiert war? Bei ihm? Bei Vegeta?

 

„Beende deinen Satz, Onna. Du kannst dich ruhig bei mir bedanken.“
 

„Bitte?“ Nun kehrte auch ihre Wut zurück, sie überwog all die Traurigkeit, die bis gerade eben noch in ihr wohnte. „Hättest du -“
 

„Hätte ich was?“ Die Spannung fiel von ihm ab. Vegetas Herzschlag beruhigte sich, der eben noch gigantische Anschläge erreichte, als er das Weib unter dem Tier erblickte. Grundgütiger, er dachte schon, er wäre zu spät gewesen... Mit hochgezogenen Augenbrauen überkreuzte er die Arme vor seiner Brust und wartete gespannt darauf, wie sie seinen Kuss – auf den sie sicher anspielte – umschreiben würde.
 

„Hättest du mich nicht überrumpelt, wäre ich gar nicht weggelaufen!“
 

Ach, überrumpelt hatte er sie? Interessant. „Ach so. Dann frage ich mich, wieso du den Kuss nicht unterbrochen hast?“, sprach er amüsiert weiter und hob die Hand, als Bulma protestieren wollte. „So schlecht kann er ja nicht gewesen sein.“
 

„Ich war geschockt!“, empörte sich die junge Frau mit erhobener Stimme. „Ich... Ich musste mich erst mal akklimatisieren.“
 

„Wäre mir neu, dass dich etwas – im Bezug auf mich – schockieren könnte.“

 

„Ich war es aber“, klärte sie ihn unermüdlich auf, während sie den Wald durchquerten.

 

„Ist klar. Wärst du bei Turles auch schockiert gewesen?“

 

„Das geht dich gar nichts an. Turles ist -“

 

„- nervig? Zügellos? Ein Arschloch? Ein... Saiyajin?“, betonte er scharfzüngig. „Wir wissen beide wieso du auf dem Fest warst, Onna. Ich sah meine Chance und das zwischen uns ist passiert, weil ich es so wollte. Ich wollte mich revanchieren. Für alles. Sogar für die Dinge, für die du nicht einmal verantwortlich bist.“ Da dachte Vegeta doch wirklich, sein Herz hätte sich beruhigt... Pustekuchen. Wieder schlug es ihm bis zum Hals, weshalb er sich auch brummend von ihr entfernte, um den Heimweg anzutreten. Allerdings blieb er doch noch einmal kurz stehen. „Denk nicht, dass mir der Kuss gefallen hat. Ich wollte nur meine Rache!“

 

Ihm bedeutete der Kuss gar nichts – einzig und allein seine ausgeübte Rache war ihm wichtig. Punkt. Genau. Ja. Der Kuss war belanglos, langweilig – gar nicht erwähnenswert.
 

„Du wolltest“, entkam es ihr angriffslustig, „mich vor Turles bloßstellen?“ War ja klar. Sie ahnte etwas derartiges schon. Doch Vegeta antwortete ihr nicht, sondern ging weiter seiner Wege, was Bulma rasend machte. Sie lief ihm nach, packte nach seiner Schulter und wollte ihn aufhalten, ihn anschreien, damit er ihr endlich zuhörte, ohne jedes ihrer Worte herabzusetzen. „Ist es das, was du -“
 

„Hey!“ Gleichermaßen aggressiv, schlug er während seiner Drehung ihren Arm von seiner Schulter. „Fass mich“, knurrte er bedrohlich, „nicht noch einmal an, Onna!“
 

„Dein Motiv war Rache? Spinnst du, Vegeta?“ Sie ging gar nicht auf seine Aufforderung ein. „Was habe ich dir getan, dass -“

 

„Das fragst du noch?“ Klar fragte sie. Woher sollte sie auch wissen, dass er sie insgeheim anziehend fand, obwohl er das alles gar nicht wollte? Woher sollte sie wissen, dass sein Körper ihn verriet, seine Triebe ihn unberechenbar machten und er selbst nicht erklären konnte, wieso er sie wollte? „Ich bin ein Gefangener in eurer Drecksbude. Ich bin der Prinz der Saiyajins und werde gezwungen -“

 

„Von deinem Vater! Nicht von meinem, Vegeta!“

 

„Richtig. Von meinem Vater.“ Gegen den ich chancenlos bin und ich deswegen keinen Ausweg mehr sah, als meinen Frust an dir auszulassen... Das hätte er noch hinzufügen müssen, doch war das bloß seine innere Stimme, die Bulma nicht hören konnte.

 

„Aber was kann ich dafür? Wieso machst du mir mein Leben zur Hölle?“

 

Gar nichts konnte sie dafür. Verdammte Scheiße, das wusste Vegeta – wie so vieles, das er wusste und doch das Gegenteil tat. „Weil -“ Ja, er wollte ihr erklären, dass er sie nicht mochte und er sie tyrannisierte, weil sie eben das passende Ventil war, um seinen Ballast abzuwerfen. Doch etwas hatte seine Sinne gestört – ihn regelrecht gewarnt, endlich von hier zu verschwinden.

 

„Weil was?“

 

„Gar nichts. Ich verschwende bloß meine Zeit mit dir, du undankbares Weib.“

 

„Aber -“

 

„Nochmal zum Mitschreiben: Lass mich zufrieden, Onna. Versuch nicht, die Situation zu zementieren und komm auch nicht auf die Idee, dass du auch nur einen Hauch von Interesse in mir geweckt hättest – dem ist nicht so! Meine Absicht, und das sage ich dir jetzt zum letzten Mal, war es, dich seelisch zu treffen!“, flüsterte er abschließend, da er wusste, dass sie nicht mehr lange alleine wären. Mit Sicherheit wollte er nicht, dass der Ankömmling von Vegetas wahren Absichten erfuhr.

 

Und endlich gelang ihm die Flucht. Ja, sie schaffte es, dass er flüchtete – vor ihr. Vor einer Saiyajin, die... die so schön war, verdammter Saiyajin-Mist! Hinzu kam, dass er sich mit dieser Aktion selbst ins Fleisch geschnitten hatte und damit meinte er nicht, dass Turles sauer sein könnte. Turles, sowie dessen Gefühle, sofern er mehr als unverdautes Mammutfleisch in sich trug, waren Vegeta sowas von Wurst! Nein, er hatte sich selbst ins Fleisch geschnitten, weil... weil er sich selbst eingestehen musste, dass er sie nochmal küssen würde, wenn er die Gelegenheit bekäme.

 

Schnaubend wandte er sich gänzlich von ihr ab, stieß sich noch inmitten seiner Drehung vom Boden ab, sodass er schnell an Höhe gewann und verschwand.
 

Niedergeschlagen ging Bulma daraufhin in die Knie, ließ sich auf ihren Hintern fallen und sah Vegeta nach, der in Windeseile nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne war und ehe sie sich nach hinten auf die Wiese, die sie mittlerweile erreicht hatten, fallen ließ, neigte sie ihre Kopf noch einmal nach hinten, doch dieses Mal war kein Hund hinter ihr her, worauf sie sich unbekümmert ins Gras fallen ließ und den blauen, klaren Himmel bestaunte.

 

„Was für ein Idiot!“, murmelte sie im Anschluss gekränkt.
 

„Ich hoffe, du redest nicht von mir!“

Unverhofft kommt oft

Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben.

- Eleanor Roosevelt


 

 
 

~*~

 

- Kapitel dreizehn -

 

 

Rasch war Bulmas Körper nach oben geschreckt, den Blick jedoch stur geradeaus gerichtet, da sie der bekannten Stimme, zu der ein Gesicht gehörte, nicht entgegensehen wollte. Zu beschämt war sie – noch immer –, angesichts der vorhergegangen Situation auf dem Fest. Anstatt sich wie eine erwachsene Frau zu benehmen, die sich der Konfrontation zu stellen wusste, sah die blauhaarige Saiyajin keinen anderen Ausweg, als seufzend in eine andere Richtung zu blicken und sich zu fragen, wieso man ihr nicht einmal die Ruhe gönnte, die sie bitter nötig hatte? Zumal sie vor wenigen Minuten von zwei wild gewordenen Elterntieren gejagt wurde, aus deren Fänge sie nicht entkommen wäre, hätte Vegeta nicht eingegriffen.

 

„Hm, scheint so“, begann Turles stutzig, „als würdest du doch von mir reden, was?“ Am Hinterkopf kratzend näherte er sich ihr vorsichtig, aber nicht einmal das raschelnde Gras brachte sie dazu, sich zu ihm umzudrehen. „Ich hab deine Ignoranz wohl verdient.“

 

„Nein... Ich rede nicht von dir.“ Umsichtig neigte sie ihren Kopf über die Schulter, jedoch nur so weit, dass sie die schwarzen Stiefel – umrundet von goldenen Gamaschen – sehen konnte. Fokussiert betrachtete sie dieses stechende Gold, um einer weiteren Niederlage – in Form seines ablehnenden Ausdrucks – aus dem Weg zu gehen.

 

„Verstehe“, nickte er, ohne von ihr angesehen zu werden. „Aber ich merke, wenn ich unerwünscht bin.“ Das war er ziemlich oft. Turles war nie der Saiyajin gewesen, dessen Anwesenheit geschätzt wurde – bis sie in sein Leben trat. Eine – dazu noch weibliche – Saiyajin, die seine Nähe genoss... Das war etwas Neues, etwas Aufregendes, etwas, das Turles zuvor nie erlebt hatte. Neben all diesen positiven Aspekten war aber noch immer die Furcht. Die Furcht vor dem Unbekannten. Die Angst, diese Nähe zuzulassen und ebenso wie sie zu genießen.

 

Dieses Gefühl kannte er nicht, weshalb er nicht damit umzugehen wusste.

 

Bulma hingegen kämpfte gerade gegen den Zwang, zu ihm nach oben zu sehen, denn sofern sie dies täte, würde sie sowieso wieder reumütig nach unten sehen. Da Turles jedoch darauf anspielte, zu gehen, gewann der falsche Mut, der Bulma nötigte, zu ihm aufzusehen. „Nein, warte.“ Sie wusste nicht, warum sie ihn zurückhielt, da sie sich vor wenigen Sekunden nichts anderes wünschte, als alleine zu sein. „Bleib doch noch“, entgegnete sie, nachdem sie sich sitzend drehte und im Eifer des Gefechts nach Turles Handgelenk greifen wollte, das allerdings in unerreichbare Ferne gerückt war, aufgrund dessen, dass er bereits wenige Schritte rückwärts gegangen war.

 

„Na ja, ich habe eher das Gefühl, als würdest du lieber alleine sein wollen, oder?“ Bevor der reservierte Turles zurückkehrte, hatte es der im Innern verborgene, fröhliche Turles geschafft, ihn schmunzeln zu lassen, als sie ihn zurückrief und vorschlug, bei ihr zu bleiben. Tatsächlich hatte er sich an dieser Kleinigkeit erfreut.

 

Ihr dagegen war es ein Bedürfnis, die Dinge richtig zu stellen. Demzufolge drängte sie ihre Motorik, sich mit ihren Händen vom Boden abzustützen, um die Distanz zwischen sich und Turles zu verringern. „Ich habe wirklich nicht von dir gesprochen, sondern -“

 

„- sondern?“, griff er ihren Satz auf, nachdem sie nicht weitersprach.

 

Oh man, dieser Saiyajin... Er ließ ihr Herz deutlich schneller schlagen. „Ich habe... von jemand anderem gesprochen.“
 

Daraufhin zuckten seine Mundwinkel verschmitzt. Er konnte sich denken, wem die Beleidigung galt und eigentlich hätte es ihn erzürnen müssen, weil er jeden zurechtzuweisen hatte, der weder Loyalität, noch Gehorsam der königlichen Familie entgegenbrachte – das war die Schattenseite eines königlichen Soldaten, da solche Tadel nicht verbal ausgetragen wurden. Aber er wollte ihr gar keinen Schaden zufügen, was genauso skurril war. Ja, es war bizarr. Turles konnte sich das Interesse, das sie in ihm geweckt hatte, nicht erklären. Ausgerechnet sie – eine Saiyajin, deren Kampfkraft bei fünf Prozent lag. Und genau das, ihre mangelnde Kampfkraft, störte ihn nicht. Etwas, auf das er sonst so viel Wert gelegt hatte, schien ihn im Bezug auf sie nicht im Geringsten zu stören.

 

Hinzu kam ihre unkonventionelle Art. Jeder Saiyajin, der auf dieselbe Weise wie Bulma seinen Weg gekreuzt hätte, hätte ihn verdammt. Aber nicht sie. Nein... Sie verachtete ihn nicht, obwohl er vor drei Monaten gemeinsam mit Tōma ihr Zuhause überfallen hatte. Sie schien es nicht vergessen zu haben, allerdings hegte der hochgewachsene Saiyajin den Verdacht, dass sie... dass sie ihm – entgegen jener Erwartung – verziehen hatte.

 

„Das dachte ich mir schon“, erwiderte er distinguiert, ehe er eindringlichen Blickkontakt zu ihr aufzubauen versuchte – was sie wiederum verhindern wollte, indem sie ihren Blick senkte. Folglich schluckte er die Angst vor dem Unbekannten hinunter, streckte seine Hand aus und legte Zeige- und Mittelfinger behutsam unter ihr Kinn, bevor er dieses anhob. „Trotzdem solltest du derartige Äußerungen unterlassen“, bemerkte er nebenbei, während er – im Gegensatz zu ihr – Blickkontakt halten konnte.

 

„Wieso?“, fragte sie skeptisch, den Blick traurig nach oben gerichtet. Im Gegensatz zu Vegeta, ließ sie Turles gewähren. Sie versuchte nicht, sich aus seinem Griff zu befreien.

 

Schnaubend zog er seine Hand zurück, bevor er ihr antwortete: „Weil es manchmal besser ist, wenn man den Mund hält, auch wenn es dir im Bauch kribbelt.“ Er wollte ihr nicht explizit erklären, wieso es gesünder wäre, keine Beleidigungen in der Gegenwart des Prinzen auszusprechen – es stand ihm nicht zu, da es einer zweiten Chance gleichkam, die das Mädchen aufgrund ihrer Äußerung nicht verdient hatte. Genau genommen begann er – als er sie nicht in den Senkel stellte – Hochverrat. „Verstehst du das?“

 

Diese Saiyajin war so anders – was er nicht auf ihre sonderbare Haarfarbe bezog, sondern auf ihre einzigartigen Charakterzüge, die entgegen all jener Vorstellungen eines Saiyajins waren. Schon auf der Erde war ihm aufgefallen, inwiefern sie sich voneinander unterschieden. Sie war stets höflich, hatte ihn sogar gesiezt. Parallel war sie aber auch eingeschüchtert, sie hatte damals panische Angst vor ihm und Tōma, was sich ganz deutlich in ihren Augen widergespiegelt hatte. Aber trotz dieser Befangenheit und dem Gedanken, womöglich ihr Leben zu lassen, hatte sie nichts unversucht gelassen, um ihre Eltern und ihre Freundin zu schützen. Falscher Mut war es, den Bulma damals antrieb, als sie sich dazu entschlossen hatte, sich ihm in den Weg zu stellen – das wusste Turles, gleichermaßen hatte es ihn fasziniert.

 

Wie groß musste die Zuneigung zu diesen Wesen gewesen sein? Wie unerbittlich musste das Verlangen gewesen sein, diese Wesen in Sicherheit zu wissen, während ihr Leben am seidenen Faden hing? Wieso war sie so ängstlich, gleichzeitig aber so mutig?

 

Es waren Fragen, auf die Turles keine Antwort wusste, weil er selbst nie in diese Situation gekommen war, in der er sich fragen musste, was mehr Gewicht in seinem Leben hatte – das Leben seiner Lieben zu schützen oder das eigene? Der Saiyajin, der Kakarott so ähnlich war, würde auch nie in diese Lage kommen, da seine Eltern schon vor langer Zeit – als Turles noch ein Kleinkind war – im Kampf umgekommen waren.

 

„Bulma“, wiederholte er nach mehreren schweigsamen Sekunden, „verstehst du das?“

 

„Dass man die Wahrheit nicht sagen darf? Nein“, erwähnte sie kopfschüttelnd, „das werde ich vermutlich auch nicht verstehen, aber beherzigen“, fügte sie nahtlos hinzu und kniff ihre Augen fest zusammen, weil sie mit einem Ausbruch seinerseits rechnete – das tat sie bei Vegeta auch; immer vom Schlimmsten auszugehen. Währenddessen sie vergeblich auf seine Erwiderung wartete, kaute sie auf ihrer Unterlippe – in der Hoffnung, nicht zuckend oder weinend zusammenzubrechen, da sie erst jetzt bemerkte, dass seine Finger unter ihrem Kinn verschwunden waren.

 

„Nicht das, was ich hören wollte, aber es ist zumindest ein Anfang.“

 

„Turles, ich bin auf der Erde aufgewachsen.“ Was es nicht besser machte. Der blaue Planet beherbergte ebenfalls Menschen, die den Saiyajins ähnlich waren – ebenso verbittert und gesinnt auf Rache. Aber das würde Turles nicht verstehen. Kein Saiyajin würde das, da diese Rasse jede andere verabscheute und auslöschen wollte. „Ich bin mit anderen, ehrlichen Werten groß geworden und -“

 

„Das zählt hier nicht, Mädchen.“ Binnen weniger Sekunden, in denen er seine Beweggründe zu erforschen versuchte, gelang es ihr, ihn zu belehren. Eine Handlung, für die er noch nicht bereit war. Wie auch, wenn er gerade erst damit begann, zu akzeptieren, dass... dass er dieses Mädchen mochte. Dass er Gefühle für sie zuließ, die er noch niemandem entgegengebracht hatte.

 

Diese Erkenntnis zerstörte sie, indem sie ihm sagen wollte, was auf Vegeta-Sei richtig und falsch war.

 

„Hier zählt bloß die Treue dem König und seiner Familie gegenüber – zu der, so sehr es dir missfällt, Vegeta gehört. Verstanden?“

 

Protestierend hob Bulma ihre Hände. „Aber -“

 

„Er ist dein zukünftiger König. Du schwörst ihm mit deiner Geburt Loyalität – ob du das willst oder nicht.“ Er stritt sich mit ihr, obwohl dass das Letzte war, was er wollte. Dementgegen fügte er versöhnlicher, wenn auch weniger intelligent hinzu: „In Ordnung?“

 

Resigniert schlug sie ihre Augen zu, ehe ihr Kopf nach unten sank. Bulma war unendlich müde – erschöpft von den kapriziösen, exzentrischen Dialogen, die sie die letzten Monate hatte führen müssen. Der zusätzliche Konflikt mit Turles war ein Bruchteil der Spitze des herausragenden Eisbergs. „Wie hast du mich eigentlich gefunden?“, wollte sie anschließend bekümmert wissen.

 

Ob er ihren Streit mit Vegeta gesehen hatte? Bulma hoffe nicht.

 

Folglich erschien ein seltsam aussehendes Lächeln auf seinen Zügen. Seltsam, weil er selten lächelte. Solche Aussetzer der eigenen Mimik empfand er als Zeichen der Schwäche, da man angreifbar wurde, anlässlich der Einblicke, die man seinem Gegenüber gewährte. Schließlich war Turles kein Saiyajin, der Blumen mit seinen Händen erschuf, sondern Attacken, die lebensgefährlich waren und meist tödlich endeten.

 

Ja, seine Welt war schon immer grau gewesen und in diese Welt musste er zurück flüchten, weswegen er gekonnt die Hände in die Seiten stemmte. „Mit meinem Scouter?“, quittierte er feixend, bevor er das lebenswichtige Utensil, das normalerweise jeder Saiyajin bei sich trug, aus dem Beutel zog, der an seinem Gürtel befestigt war. „Vegeta war jedoch schneller als ich, nicht?“ Vergnügt sah er dem einkehrenden Schock entgegen, der sich in Bulmas Gesicht ausbreitete – was gut war, denn so verspürte er nicht noch einmal das Bedürfnis, mit ihrer Haut zu kollidieren.

 

„Ja, leider. Er... hat mir geholfen.“ Zugegeben, sie hätte alles abstreiten können. Sie hätte behaupten können, dass sie sich stritten – wie immer. Aber Bulma wollte Turles nicht belügen. Sie wollte bloß nicht alles erzählen, da es zu früh war, Turles so sehr zu vertrauen, dass sie ihm sagen konnte, was schon alles zwischen ihr und Vegeta vorgefallen war.

 

„Das habe ich gesehen.“

 

Skeptisch zog sie die Augenbrauen hoch. Worauf spielte er an? Auf den Kuss oder die tatsächliche Hilfe? „Nun ja, geholfen wäre das falsche Wort. Vegeta“, spuckte sie säuerlich, „handelt immer zu seinem Vorteil – nicht aus Nächstenliebe. Er würde auch niemals so handeln, sofern ihm das Wort Nächstenliebe geläufig wäre, was ich jedoch stark anzweifle.“

 

Nach wie vor feixte Turles, angesichts ihrer prononcierten Schilderung. „Das kann ich nicht beurteilen, da -“

 

„Du willst und darfst es nicht beurteilen“, urteilte Bulma wissend, während sie ihre Arme vor der Brust überkreuzte. Hinsichtlich seines erstarrten Blickes, wusste Bulma, dass sie ins Schwarze traf. Schließlich wusste Turles – als er die junge Saiyajin im Wald getroffen hatte – wie rabiat Vegeta vorging, wenn er nicht seinen Willen bekam. „Hab ich recht?“ Des Weiteren gewann sie immer mehr Sicherheit, je mehr sie sich aus der Schusslinie entfernte.

 

Wie auch das Mädchen vor ihm, verschränkte Turles seine Arme vor der geschwellten Brust, wohingegen er sich – im Gegensatz zu Bulma – prächtig amüsierte, bezüglich ihrer ziemlich schlecht einstudierten Anfeindung. Wobei es nicht einmal einer Anfeindung gleichkam. Getroffen hatten ihn ihre Worte auch nicht, wenngleich sie goldrichtig lag. Niemandem war es gestattet, sich ein Urteil zu bilden und das müsste auch die blauhaarige Saiyajin noch lernen, da sie immer noch in ihrer demokratischen Welt gefangen war, was keinesfalls der Staatsform nahekam, die auf Vegeta-Sei herrschte.

 

„Was willst du jetzt von mir hören?“, wollte er anschließend grinsend von ihr wissen.

 

„Die Wahrheit?“

 

„Die Wahrheit?“, wiederholte er erstaunt, nachdem seine Schultern kurz nach unten gesackt waren. Die Antwort hatte er nämlich nicht erwartet. Turles hatte mit Verschwiegenheit oder einem Schulterzucken gerechnet. „Über mich“, begann er stockend, weil er die Antwort nicht hören wollte, „oder über Vegeta?“ Nebenbei hatte er zwar das zuvor auftretende Aufblinken seines Scouters deutlich wahrgenommen, ihm jedoch weniger Beachtung als Bulma geschenkt.

 

„Deine Wahrheit, Turles. Du könntest mir zum Beispiel erklären, wieso du hier bist?“ Grundgütiger, sie war ein wenig stolz auf sich und ihren Mut, dass sie ihn tatsächlich danach fragte, aber Bulma wollte ihn wirklich verstehen. Sie wollte seine Beweggründe erfahren oder handelte er aus denselben Gründen wie Bulma? Wollte er ihr auch noch nicht alles erzählen? Möglich, da er – ein waschechter Saiyajin – bedeutend misstrauischer der Welt gegenübertrat als die gutherzige Bulma, die sowohl in jedem Mensch, als auch in jedem Saiyajin das Gute suchte. „Oder wieso mit ihm alles steht und fällt? Was macht ihn so außergewöhnlich?“

 

„Er ist der Thronerbe Vegeta-Seis. Das macht ihn für unser Volk wichtig“, erklärte er belanglos, als würde er über das Wetter plaudern.

 

„Ist das deine Wahrheit?“, wollte Bulma niedergeschlagen wissen, weil sie wusste, dass er nicht alles preisgab. „Weil er das Glück hatte, in die höher gestellte Familie geboren worden zu sein?“

 

„Ja, aber das sind Dinge, mit denen du dich nicht befassen musst – und vor allem nicht sollst.“ Im Anschluss sah er, wie sie empört ihren Mund öffnete und zusätzlich ihre Hände in die Hüften stemmte – was ihre Entrüstung wohl besonders hervorheben sollte.

 

„Und wieso bist du nun hier?“

 

Turles' Teint war glücklicherweise etwas dunkler als der von Kakarott, was es der Röte erschwerte, die auf seinen Wangen erschien, herauszustechen. „Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich einfach nur sicherstellen wollte, dass du zuhause ankommst.“ Das entsprach der Wahrheit. Er ließ lediglich das Detail aus, dass er sie heimlich während des Heimweges beobachten wollte – um eben jener Frage aus dem Weg zu gehen. Wieso er sich dennoch bemerkbar gemacht hatte, konnte er sich nicht erklären. War es seiner Dummheit geschuldet? Ja, möglicherweise. „Allerdings habe ich dich recht schnell aus den Augen verloren. Ich musste zuerst nach Hause meinen Scouter holen.“ Und das – genau das – war gelogen! Turles trug seinen Scouter immer bei sich. Auch heute. Als er Bulma jedoch immer näher gekommen war, hatte sein Scouter eine weitere Aura wahrgenommen, wegen der sich der königliche Krieger auch zurückgehalten hatte.

 

Er wollte abwarten, wer zum Vorschein käme. Dass es Vegeta gewesen war, hatte ihn erstaunt. Unverzüglich hatte er sich gefragt, was die Intention des Prinzen war, bis zu der Erkenntnis, dass es Turles nichts anging. Verfluchter Bockmist. Ja, es hatte ihn nicht zu interessieren, welche Ziele Vegeta verfolgte. Auch die Verbindung zu Bulma, angesichts des Kusses, hatte ihn nicht zu interessieren und er wäre froh, er könnte von sich behaupten, dass es ihn nicht interessiere, aber... es interessierte ihn. Seine eigentliche Aufgabe, den Prinzen zu schützen, hatte immer Vorrang, doch gerade war diese Wichtigkeit in den Hintergrund gerückt.

 

„Aber wie du gesehen hast, war ich trotz Scouter zu spät“, versuchte er weiterhin die Situation zu entschärfen. Der junge Saiyajin wollte nicht enttarnt werden. Er wollte nicht, dass man seine wahren Absichten kannte.

 

„Äh... Ja.“ Oh je, was sollte sie darauf erwidern? Ihre Gesicht war bestimmt zinnoberrot angelaufen. Wenn sie ihre heroische Selbstwahrnehmung behalten und die Maske, die sie trug, nicht verlieren wollte, sollte sie jedoch schleunigst anfangen, entsprechend zu reagieren. Die Maskerade durfte nicht bröckeln und zu Boden fallen. Bulma wollte ihr Gesicht nicht verlieren. „Scheint wohl so, ja“, entgegnete sie daraufhin und warf im selben Moment ihre Haare über ihre Schultern. „Dann solltest du das nächste Mal einfach schneller sein?“

 

„Touché!“, lachte Turles laut auf, da sie ihn immer wieder überraschte – was ihn gleichermaßen faszinierte. Der Soldat sah in seinem jungen Leben schon viel Leid, verschanzte sich aufgrund dessen in seiner dunklen Welt und doch gab es da dieses Mädchen. Dieses eine Mädchen, das ihn überraschen konnte. Es war trivial, aber es erfreute ihn. Diese Herzlichkeit die von ihr ausging war erfrischend und anziehend zugleich. Hinzu kam die Gabe, dass sie Turles überraschen konnte, obwohl es in dieser Welt kaum etwas gab, worüber man sich freuen konnte. „Du hast recht. Ich sollte an meiner Ausdauer und Schnelligkeit arbeiten, in der Tat.“ Wieder diese tiefen Einblicke, die er aus Selbstschutz niemandem zeigen wollte, weil jenes Verhalten unmittelbar nach Bekanntgabe angeprangert wurde.

 

Gerade wollte Bulma ihm nickend zustimmen, den Zeigefinger heben und seinen Vorsatz bejahen. Allerdings kam sie gar nicht dazu, da Turles' Blickwinkel rasch nach rechts über seine Schulter gehuscht war, was auch Bulma bemerkte und automatisch einen Schritt zurückging.
 

„Turles?“, flüsterte sie im Anschluss, ehe sie zögernd ihre Hand hob, die sie auf seinen Unterarm legen wollte, aber auch dazu kam sie nicht mehr.

 

Sein Gespür war feinfühlig genug, um die Nadel im tosenden Applaus auf den Boden fallen zu hören, weshalb er auch das leise Knacken des Astes – der einige Meter von ihm entfernt war – hören konnte. Geistesgegenwärtig hatte er sich umgedreht und einen Energiestrahl zu den nahestehenden Bäumen gefeuert, woraufhin deren Geäst nachgab und in sich zusammenstürzte. Parallel hörten die beiden unverletzten Saiyajins lautes Aufstöhnen.

 

„Bleib stehen“, wies er Bulma währenddessen auf, als er sich mit schnellen Schritten den heruntergestürzten Zweigen näherte, sie anschließend mit dem linken Fuß achtlos zur Seite kehrte und... in die verdutzten Gesichter dreier durchgeschüttelter Saiyajins sah. „Was? Kakarott?“, entkam es ihm ungläubig.

 

„Oh... Das tat weh. Oh! Hallo!“, ächzte dieser schmerzerfüllt, während seine Finger über die pochenden Stellen rieben, auf die die Äste gefallen waren. Zeitgleich schüttelte er die losen Blätter aus seinen schwarzen Haaren, ehe er mit einem geöffneten und einem zusammengekniffenen Auge hinauf sah. „Hallo Turles.“

 

„Hallo“, grüßte er formloser zurück und tippte mit einem Fuß unentwegt auf den sandigen Boden, nachdem er seine gewohnte Haltung eingenommen und murrend zu den Neulingen hinunter gesehen hatte. „Was“, begann er, als ihm niemand antwortete, „soll das werden, Kakarott?“ Schäumend vor Wut hatte er sich zu Radditz' kleinem Bruder hinabgebeugt und ihn am Arm gepackt, um ihn rasch auf die Beine zu ziehen.

 

„Was das soll, fragst du? Äh... Na ja“, druckste er herum, „weißt du, das... das ist eine ganz verrückte -“

 

„Komm zum Punkt“, verlangte Turles ungeduldig. Auch sein Griff um Kakarotts Arm wurde zusehends fester.

 

Unterdessen suchte Son Goku fieberhaft nach einer Ausrede, die zudem halbwegs glaubwürdig klang, um nicht noch mehr Turles' Unmut auf sich und seine Freunde zu ziehen, die sein Gegenüber bereits abschätzig in Augenschein genommen hatte. „Also wir, Lunch, Kuririn und ich hatten eben eine bizarre Konfrontation, bevor wir hierherkamen. Du kannst dir vermutlich nicht vorstellen, wie bizarr.“

 

„Langsam macht sich bei mir Unmut breit, Kakarott.“ Nein, Turles wollte sich auch gar nicht vorstellen, welches skurrile Ereignis zuvor passiert war.

 

„Ja, natürlich, natürlich“, winkte er mit erhobenen Händen ab. „Wir -“

 

„- haben, wie du auch, nach Bulma gesucht“, raunte Lunch, die sich neben Son Goku stellte und wachsam zu Turles sah, dem sie unter keinen Umständen verraten wollte, dass sie sich mit Vegeta duelliert hatten. Am Ende würde Turles noch falsche Schlüsse daraus ziehen und die Anwesenden unweigerlich in Gewahrsam nehmen. Dann würde ihnen keine Ausrede mehr helfen. Nicht einmal die Wahrheit, denn jeder wusste, dass sie im Vergleich zu Vegeta Schwächlinge waren.

 

Oh ja, man würde Son Goku, Lunch und Kuririn zur Verantwortung ziehen.

 

„Ja, sicher habt ihr das“, entgegnete Turles kritisch, als er Lunchs Worte missbilligend zur Kenntnis genommen hatte.

 

Ferner war Bulma herangetreten, nachdem auch sie sah, dass vom Rascheln der Äste keine Gefahr ausging und Lunch, Kuririn und Son Goku zum Vorschein kamen. Erfreut kam sie neben Turles zum Stehen, bevor sie vor diesem antwortete. „Das ist lieb. Danke, dass ihr nach mir gesucht habt, aber Vegeta war schneller als ihr.“

 

„Vegeta?“ Nun verstand Son Goku gar nichts mehr. „Ähm... Okay, und wo warst du?“, fragte er anschließend frappiert in Turles' Richtung, während er seinen linken Armen nach oben, sowie den linken nach unten streckte, um seine Gliedmaßen wieder in Form zu bringen.

 

„Das geht dich überhaupt nichts an!“, belle der Saiyajin augenblicklich und stieß seinem Widersacher gegen die Schulter, so dass Son Goku zuckend in seiner Bewegung innehielt, ehe sein Arm langsam nach unten zur Seite sank.

 

„Hey, sachte. Ich habe doch bloß gefragt“, kritisierte er Turles' Verhalten und fuhr nahtlos fort: „Es hat eben den Anschein erweckt, als wolltest du dich unterhalten.“ Als er allerdings den Ausdruck im Gesicht seines Ebenbilds sah, ruderte er versöhnlicher zurück: „Oder auch nicht?“

 

„Seh ich so aus, als ob ich mich mit dir unterhalten will? Sehe ich so aus, Kakarott?“

 

Beschwichtigend hob er erneut die Hände. „Ich bitte vielmals um Verzeihung“, entgegnete er folglich amüsierter, obwohl Turles dem Prinzen, hinsichtlich des Aggressionspotenzial sehr ähnelte. Aufgrund dessen war Vorsicht geboten, da es Turles gestattet war, sich über gewisse Instanzen und Gesetze hinwegzusetzen – von seiner Kraft müsste man gar nicht erst sprechen. Son Goku war sich sicher, dass Turles sich auf demselben Level wie Vegeta befand. Andernfalls wäre er niemals für die königliche Garde rekrutiert worden. Hinzu kam auch, dass er Radditz nicht weiter in Verruf bringen wollte – und das würde er, sollte er sich nun auch noch mit Turles, einem königlichen Soldaten, anlegen. „Ich wollte dich keinesfalls beleidigen, Turles.“

 

Statt ihm zu antworten, traktierte er Kakarott indes mit bösen Blicken. Ob Radditz' kleiner Bruder immer alles für die anderen beiden, recht wortkargen Saiyajins ausbaden mussten? Die standen nämlich bloß neben ihm und hatten alles – nur keine Kraft, weshalb Turles davon absah, sich überhaupt mit ihnen zu unterhalten. Womöglich müsste er nur einmal kräftig ausatmen und die beiden, ihm unbekannten Saiyajins würden wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.

 

„Wir haben uns halt auch auf die Suche nach Bulma gemacht und da wir sie gefunden haben, können wir ja wieder zurück?“, knüpfte er an seine vorherige Aussage an, da niemand sonst sprach. Abschließend sah er zu Lunch, Kuririn und Bulma, bevor er zu Turles blickte, woraufhin sich seine Augen vergrößerten und er – im Gegensatz zu Turles – ebenfalls den Kopf schüttelte; bloß viel langsamer als sein Gegenüber. „Nicht?“, erwiderte er nochmals – jedoch ganz langsam und immer noch kopfschüttelnd. „Äh... Dann gehen nur wir“, fügte er stockend fort und zeigte simultan auf sich, Kuririn und Lunch, „zum Fest zurück? Ohne euch?“

 

Aufgrund dieser nervigen Fragerei, kräuselten sich Turles' Lippen. Sie verzogen sich zu einer dünnen Linie, infolgedessen er gespannt seinen Daumen, sowie seinen Zeigefinger auf seine mittlerweile geschlossenen Augen presste. „Kakarott, es ist mir scheißegal, was ihr treibt.“

 

„Also -“

 

„Meine Fresse!“, skandierte Turles daraufhin, öffnete die Augen und ballte die gesunkenen Hände zu Fäusten – so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. „Es interessiert mich nicht. Meinetwegen könnt ihr auch dämliche Affengeräusche von euch geben, solange ihr mir nicht weiter auf den Sack geht“, instruierte er weiterhin seine Ansichten. Kakarott war... Grundgütiger, dieser Saiyajin war so begriffsstutzig, dass er es eigentlich verdiente, dass Dummheit wehtat und er ununterbrochen schreiend durch die Gegend laufen müsste.

 

Er glaubte sogar, dass derjenige, der Kakarotts Idiotie ausgesetzt war, höllische Schmerzen verspüren musste.

 

„Bleib ruhig. Man muss ja nicht gleich den Verstanden verlieren.“ Unglücklicherweise verringerte Son Gokus Ratschlag jedoch nicht Turles' grimmige Mimik.

 

„Wie soll ich es ausdrücken, Kakarott? Viele – zu denen du dich dazu zählen kannst – verlieren erst gar nicht ihren Verstand, weil sie keinen haben.“

 

Nach diesen Worten verspürte auch Bulma das Bedürfnis, zurück zum Fest zu gehen, weil seine Worte nicht nur Kakarott, sondern auch sie getroffen hatte, angesichts der Pauschalisierung. Turles wählte die Worte nicht mit Bedacht und griff gleichzeitig jeden Saiyajin an, der nicht mit ihm – ähnlich seiner Kameraden – gleichgestellt war. Sichtlich verletzt, sank ihr Kinn gegen ihre Brust, sie biss sich verlegen auf die Unterlippe und wollte an ihm vorbeigehen – zurück zu ihren Freunden, die ebenso bestürzt zu Turles, dem unnahbaren Saiyajin sahen –, doch hinderte sie sein ausgestreckter Arm am Weitergehen, wodurch sie gezwungen war, stehen zu bleiben und den Kopf zu heben.

 

„Ja?“, stammelte sie perplex.

 

„Soll... Soll ich dich nach Hause bringen?“ Ohne ihren Blick zu erwidern, starrte er stur geradeaus. Er wollte schlichtweg nicht, dass sie zum Fest zurückging. Turles selbst wollte nicht noch einmal Teil dieser Gesellschaft sein – zumal es in ihm zu kribbeln anfing, als er darüber nachdachte, auf dem Nachhauseweg mit ihr alleine zu sein. Ja, es kribbelte ein wenig, und es war nicht wirklich unangenehm, aber die Hemmschwelle war zu groß, als offen zuzugeben, dass er gerne mit ihr alleine wäre. „Nach allem, was heute passiert ist, wäre es besser, nicht wahr?“

 

Es war keine Frage. Es war eine Feststellung.

 

Demgegenüber richtete sie ihr Augenmerk auf ihre wartenden Freunde, von denen jedoch nur Son Goku dezent nickte, um nicht von Turles gesehen zu werden. „Ist es in Ordnung, wenn ich nach Hause gehe?“

 

„Wenn... Wenn du nach Hause möchtest, dann geht das natürlich in Ordnung, Bulma.“ Son Gokus Mundwinkel zuckten aufmunternd, weil er wusste, dass – auch wenn Turles recht... eigensinnig war – Bulma sicher zuhause ankäme. Der Rest, wie er von Turles behandelt wurde, war nebensächlich.

 

„Okay, dann sehen wir uns, ja?“ Ach, Bulma hatte – entgegen ihrer Erwartungen – richtige Freude, die sie wortlos verstanden. Sie gaben Bulma das Gefühl, nicht minderwertig zu sein. Im Gegenteil. Sie motivierten die blauhaarige Saiyajin stets. Sie sprachen Bulma ein gewisses Maß an Selbstständigkeit zu, indem sie ihre Entscheidungen nicht kritisierten. Zwar konnte sie ihre Freunde an einer Hand abzählen, aber ihr waren eben diese Freunde auf Vegeta-Sei zehn Mal lieber, als zehn falsche Freunde, die ihr – sobald sie sich umdrehen würde – ein Messer in den Rücken rammen würden. Zum Abschluss winkte sie ihnen lächelnd zu, bevor sie sich zu Turles drehte – der gegen die untergehende Sonne stand und Bulma somit nur seine Silhouette wahrnahm – und jeder seinen Weg ging.

 

Aber trotzdem erkannte sie ihn. Und er war Son Goku wirklich nicht ähnlich. Nein, auf keinen Fall. Er würde auch niemals Son Goku ähnlich sein. Alleine die Art der beiden grundverschiedenen Saiyajins war ein besonderes Merkmal, wobei sie glaubte, dass auch in Turles – so aufbrausend er auch war – ein guter, vielleicht sogar liebenswürdiger Kern zu finden war. Ja, es gelang ihr bisher nur noch nicht, ihn an die Oberfläche zu befördern. Aber sie begann, Turles zu schätzen.

 

Es war verrückt, absolut.

 

„Möchtest du mir vielleicht erklären, was auf dem Fest passiert war?“, fragte er ungeniert, nachdem sie schon eine Weile stumm nebeneinander den holprigen Kiesweg entlang geschlendert waren.

 

Klar, er fing an, das Mädchen zu mögen – jedoch nicht um jeden Preis. Heraufbeschwören würde er gar nichts, den ersten Schritt demzufolge niemals wagen.

 

„Auf dem Fest?“, antwortete sie irritiert, obwohl sie ihn deutlich verstanden hatte.

 

„Ja? Zwischen Vegeta und dir?“

 

Missmutig verschränkte sie die Arme, weil er ein Thema anschnitt, das Bulma am liebsten wie ein Blatt Papier verbrennen würde, damit die Asche in alle Winde zerstreut werden konnte. Ferner lokalisierte in der Ferne die Schornsteine, aus denen dichte Rauschschwaden stiegen und ihr sagten, dass sie dem Dörfchen immer näher kamen. Es bildete einen schönen Kontrast zur untergehenden Sonne. Allerdings trübte Turles' Frage jenen schönen Anblick. Noch eben hatte sich Bulma in Sicherheit gewogen, war glücklich, dieses Thema nicht thematisieren zu müssen und plötzlich stellte er genau die Frage, vor der Bulma mit jedem weiteren Schritt flüchten wollte.

 

„Das... Das war gar nichts. Vegeta wollte mich nur ärgern.“

 

„Ärgern?“ War das ihre Erklärung? „Er hat dich -“

 

„Ja, ärgern!“, wiederholte sie mit Nachdruck. „Vegeta und ich, wir... wir mögen uns gar nicht. Wir können uns gar nicht leiden“, erklärte sie gestikulierend. Zeitgleich verengten sich ihre Augen, während sie von Vegeta sprach.

 

Turles dagegen wunderte sich. Wieso hatte Vegeta sie geküsst? Wollte der Prinz ihn allegorisch darauf hinweisen, dass Turles seine Finger von ihr zu lassen hatte? Das wäre zumindest der einzig logische Rückschluss, hinsichtlich seiner Aktion, von der sich Vegeta offenbar eine Reaktion von ihm erhoffte. Aber wozu, verdammter Saiyajin-Mist? Bulma erwähnte es bereits - sie mochten sich nicht. Kein Stück, weshalb er sich die Handlung nicht erklären konnte. „Gut, lassen wir das so stehen. Es geht mich ja auch nichts an, was du treibst.“

 

„Ja... Ja, richtig“, untermauerte sie gekränkt, den Blick erneut nach vorne gerichtet. Turles erwähnte den Umstand so ausdruckslos, während sie ziellos durch die Einöde streiften und Bulma das angrenzende Dorf immer besser erblicken konnte. Deutlich zeichneten sich die Umrisse der einzelnen Häuser vor dem Sonnenuntergang ab und die getroffene Saiyajin erkannte, in welcher Schicht sie mit ihren Eltern lebte. Während in der Stadt das pompöse Fest gefeiert wurde, hinter dem sich die in den Himmel emporragenden Häuser abzeichneten, waren die Häuser hier bloß zweckdienlich gebaut worden – klein, heruntergekommen, einfach unschön.

 

Die Zweiklassengesellschaft hatte sich wunderbar herauskristallisieren können. In der Stadt lebten die königlichen Krieger, die Saiyajins, die einen angemessenen Lebensstandard führten – wie Turles -, während Son Goku, Lunch, Kuririn, Bulma selbst und... und auch Radditz ein Dasein inmitten der Dörfer fristeten, fernab des luxuriösen Stadtlebens. Der Reichtum ihres Vaters nützte ihr hier nichts. In keinster Weise, da das Geld keinen Wert auf Vegeta-Sei hatte.

 

„Ich denke“, begann Bulma, nachdem sie den Unterschied zwischen sich und Turles erkannte, „dass ich von hier aus alleine weiterlaufen kann.“ Es war nicht mehr weit bis zur ehemaligen Capsule Cooperation, denn sie hatten das erste Haus des Dorfes schon passiert, hinter deren dünne Fassade sie einen lauten Streit mit anhören konnte, der Bulma zusammenzucken ließ. Hinzu kam, dass sie unbedingt alleine sein wollte – mit ihrer Traurigkeit und der Erkenntnis, dass Turles und sie in zwei verschieden Welten lebten, wenngleich sie derselben Rasse angehörten und den gleichen Planeten bewohnten. Ein weiterer Punkt war, dass Turles womöglich gar kein Interesse an ihr hatte – was wohl auf ihren Stand und ihre Zugehörigkeit zurückzuführen war.
 

Schließlich war sie bloß eine Saiyajin. Er hingegen war ein angesehener Soldat, der der königlichen Familie diente. Auch gab er ihr zu verstehen, dass sie tun und lasse konnte, was immer sie wollte – ein zusätzlicher Anhaltspunkt, der Turles' Desinteresse offenbarte.
 

„Nein, ich werde dich nach Hause bringen.“ Entschlossen wanderte seine Hand zu ihren Rücken, doch stoppte er seine Bewegung abrupt, bevor es zum Körperkontakt kam. Es fehlten bloß wenige Zentimeter. Nur ein kleines Stückchen, aber das Mädchen neben ihm war schneller. Rasch war sie einen Schritt nach vorne gegangen, was ihm zeigte, dass er zu weit gehen würde, wenn er sie berührte.

 

„Danke, aber das ist wirklich nicht nötig, dass du mich nach Hause bringst“, gab sie ihm schnippisch zu verstehen.

 

„Jetzt sei doch nicht so.“ Er wollte nach ihrem Oberarm greifen, sie zurückhalten, aber wieder war sie schneller. „Ich wollte -“

 

„Was wolltest du, Turles?“, entfuhr es Bulma, nachdem sie sich zu ihm umdrehte. „Mir sagen, dass ich nicht alleine auf mich aufpassen kann?“ Sie war unfair ihm gegenüber, aber sie war auch immer noch Bulma, die sich auf den Schlips getreten fühlte, wenn man ihr absprach, alleine zurechtzukommen. „Das musst du mir gar nicht sagen, das weiß ich selbst.“

 

„Wenn Vegeta mir nicht zuvorgekommen wäre, hätte ich eingegriffen. Ich hätte dir geholfen, falls du darauf anspielst.“ Dass er sich erklären musste, gefiel dem jungen Saiyajin nicht. Dennoch wollte er dem engstirnigen Mädchen bewusst machen, dass er sie beschützen würde.

 

„Schön zu wissen.“

 

„Bulma, ich bin noch immer ein Saiyajin. Ich darf und werde mich nicht gegen Vegeta stellen. Er war nun mal schneller und da habe ich mich zurückzuhalten. Dir scheinen unsere Sitten nicht klar zu sein. Ansonsten würdest du verstehen, dass -“

 

„Ich verstehe das sehr gut. Wirklich.“ Seine Entschuldigung besänftigte das Mädchen nicht. Indessen sammelte sie einen Kieselstein von der Erde auf, den sie sich von der einen zur anderen Hand zuwarf, um Turles' Blicken nicht weiter ausgesetzt zu sein. „Ich verstehe, dass du deine Pflichten über alles stellst.“

 

„Falsch, du missverstehst -“

 

„Nein, ich missverstehe selten etwas, Turles.“ Die Angst überkam sie, dass das – wenn er jetzt ging – ein Abschied ohne Wiederkehr wäre, angesichts ihres Trotz, der fälschlicherweise Turles zu spüren bekam. Besser wäre es, wenn sie ging – schnellstmöglich –, denn jedes weitere Wort, das sie in ihrer Wut sagen würde, wäre eines zu viel.

 
 

~*~

 

Sein Bett, das er zuvor immer verabscheut hatte, wurde stets gemütlicher. Es fiel ihm immer leichter, tatsächlich ein- und auszuschlafen – was einem Novum gleichkam, da er für gewöhnlich nie fest eingeschlafen war. Dass er sich zudem wohler als im Palast fühlte, setzte dem ganzen noch die Krone auf. Ebenso das Essen – das um ein vielfaches besser als im Palast war. In dieser Bruchbude lernte er ganz abstruse Sachen kennen; beispielsweise Bananen und Litschis, was nur zwei von vielen Obstsorten war. Bulmas Mutter hatte in einer Kammer Nahrung gehortet, die es hier auf Vegeta-Sei nicht gab – und vermutlich nie geben würde.

 

Auch wusste er nicht, dass Affen Bananen liebten – eine recht witzige Metapher, wo Saiyajins sich doch in Vollmondnächten in riesige Affen verwandelten.

 

Der Gedanke an Essen genügte, um ihn aus dem Bett zu treiben. Sein Magen meldetete sich daraufhin zu Wort und verlangte, gefüttert zu werden, woraufhin er eilig die Bettdecke zur Seite schlug und seine Füße den knarzenden Vinylboden berührten. Nur in Boxershort bekleidet, zog er leise die Tür auf und lauschte den Geräuschen. Allerdings konnte er weder ihren Vater, noch ihre Mutter hören – die offensichtlich schon zu Bett gegangen waren.

 

Ob das Mädchen wieder zum Fest zurückgegangen war? Aus ihrem Zimmer, das in derselben Etage war wie seines, war jedenfalls nichts zu hören. Auch drang kein Licht unter dem Türspalt hindurch, was Vegeta sagte, dass sie zurückgegangen war und er gemächlich die Stufen zum Erdgeschoss hinabgehen konnte.

 

Dort angekommen, durchquerte er die dunklen Räume, die durch den blutroten Himmel – dessen Nuancen dezent durch die Gardinen leuchtete – minimal erhellt wurden. Erschreckend, dass er sich so gut zurechtfand, auch, weil er nicht darauf achtete, wohin er trat. Er ging fast blind durch das Haus, weil er immer wieder an das Arrangement zwischen seinem und ihrem Vater denken musste. Vegeta zerbrach sich den Kopf darüber, womit der König Bulmas Vater in der Hand hatte.

 

Bulmas Einbruch in die Vorratskammer des Königs konnte doch nicht alles sein? Zugegeben, es schien ein zusätzlicher Bonus gewesen zu sein, um einen Grund zu finden, Vegeta des Palastes zu verweisen, aber es musste doch noch etwas geben, oder? Dass sein Vater ihn darüber hinaus wie ein Kleinkind behandelte, dem man die Bauklötze wegnahm – für die sich das Kind gar nicht interessierte –, war nur ein Bruchteil dessen, was seine Wut ausmachte. Schließlich traf er Vegeta mithilfe dieser Erziehungsmaßnahmen nicht. Wieso auch?

 

Zwar hatte er seinem Sohn die königlichen Privilegien genommen, aber noch immer fürchtete man den Königssohn.

 

Wie dumm sein Vater doch war. Er schien seinen einzigen Sohn nicht zu kennen. Andernfalls wüsste er, wie lang Vegetas Atmen war – der sich vieles von ihm gefallen ließ, jedoch niemals vergaß, geschweige denn verzieh. Genauso dumm wie sein Vater, waren auch seine Hoffnung, die er in seine verhängte Strafe setzte. Obzwar Vegeta die Privilegien im Palast schätzte, so hätte der König wissen müssen, dass man ihm niemals seine Immunität auf Vegeta-Sei nehmen konnte. Auch die Sache, was Bulmas Radar betraf, war ihm schleierhaft.

 

Wieso hatte das Weib ihn repariert? Das hätte sie doch niemals getan, weil sie davon ausgehen musste, dass es hier keine Dragonballs gab – ähnlich wie Vegeta, der von der Existenz der irdischen Dragonballs bisher nie etwas wusste. Es gab demzufolge nie Gründe, ihn zu modifizieren...
 

Es sei denn, sein Vater hätte seine Finger im Spiel gehabt? Beauftragte er etwa Bulmas Vater mit der Instandsetzung des Radars, weil Vegeta auf Namek gescheitert war? Denn dort gab es tatsächlich Dragonballs, die Vegeta hätte beschaffen sollen...

 

„Scheiße, ob es damit zu tun?“, flüsterte er, ehe er stehen geblieben war und die Hände niedergeschlagen über sein Gesicht gerieben hatte. „Bin ich deswegen hier, weil ich die Dragonballs nicht mitgebracht hatte?“ Folglich kräuselten sich missgestimmt seine Lippen, bevor sein Fuß gegen den Türrahmen trat. „Fuck, mit Sicherheit hat es damit was zu tun.“

 

Unterdessen arbeiteten insgeheim seine Sinne, die ihm Ankömmlinge ankündigten, bevor er anschließend die Stimmen außerhalb des Hauses gedämpft hören konnte. Folglich drehte er sich hastig vom Türrahmen weg, um zur nächsten Ecke zu schleichen, von der er die Haustür fokussieren konnte.

 

Höchst konzentriert starrte er zur Tür, wovor er sowohl Turles', auch auch Bulmas Stimme vernahm, die scheinbar miteinander stritten. Was nicht weiter schlimm wäre, aber Vegeta befürchtete, dass Turles sich auf Bulma einlassen würde und somit Vegetas Spaß ein jähes Ende fände.

 

Und genau das wollte er nicht. Er wollte nicht, dass die beiden Saiyajins sich näher kamen. Zumal die Göre kein Glück verdiente, wenn es Vegeta schon verwehrt wurde. Ferner fasste er den Entschluss, dass – solange er sein Glück nicht zurückbekam – er ihr anbahnendes Glück verhindern musste und das hatte überhaupt nichts mit Eifersucht zu tun. Gar nichts.

 

Er kannte so etwas wie Eifersucht gar nicht, auch wenn es ihn ärgern würde, wenn sie Turles näher käme. Sogleich merkte er, wie sich sein Herzschlag beruhigte, als er das Klicken des Türschlosses hörte, das Licht angeschaltet wurde und das Mädchen alleine im Flur stand, bevor sie – scheinbar trübsinnig – die Tür sachte ins Schloss knacken ließ.

 

Ehedem sie ihn dabei ertappte, dass er sie beobachtete, machte er sich selbst bemerkbar: „Du bist schon zurück?“ Hätte er mehr Zeit gehabt, wäre er unweigerlich in seinem Zimmer verschwunden, weil er ihr heute nicht mehr über den Weg laufen wollte.

 

Entgeistert war sie zusammengezuckt. „Vegeta?“, keuchte sie kopflos, während sie über ihre Schulter zu ihm sah. „Was... Was tust du hier?“

 

„Wohnen. Bedauerlicherweise“, konterte er in knappen Worten. „Und was machst du schon hier? Das Fest wird erst zu später Stunde interessant, wenn sie untereinander kämpfen, aufgrund des Alkoholpegels.“ Oder erkannte sie etwa, dass Vegeta recht behielt und sie einsehen musste, dass sie bloß zum Fest gegangen war, um jemandem zu gefallen? Wäre zumindest der erste Schritt.

 

„Ich... war müde.“ Bestimmt wusste er, dass sie gerade log, aber sie wollte ihm nicht die Wahrheit erzählen.

 

„Müde?“ Zischend verschränkte er die Arme vor der Brust. Anschließend stieß er sich mit der Schulter von der Ecke ab, hinter der er sich zuvor versteckt hatte, um ihm Licht zu erstrahlen – mit aller Arroganz, die sein Körper ausstrahlen konnte. „Wie ist es eigentlich, wenn man kontrolliert wird? Ist super, wenn man sein Leben vorgeschrieben bekommt, oder?“

 

Nein, unmöglich hatte er sie vor der Tür hören können? Oder doch? „Was? Wovon redest du?“ Vor der Tür war Turles, nachdem Bulma sich beruhigt hatte, zu ihr herangetreten. Er hatte ihre Hände mit seinen umschlossen und ihr zugelächelt, nachdem sie so sauer auf ihn gewesen war – nicht zuletzt, weil ihm scheinbar alles egal war. Aber nie hätte er sie so intensiv angesehen, wenn Turles tatsächlich nur mit ihr spielen würde, oder doch?

 

Bulma ging es diesbezüglich gar nicht gut. Ihr Herz raste, ihr war unglaublich schwindelig geworden, weil sie nicht wusste, ob sie die Lüge in Turles' Augen übersah, weil sie lieber an die Wahrheit in seinen Worten glaubte.

 

Schließlich hatte er zum Ende seine Hände zurückgezogen und ihr freundschaftlich seine Hand zum Abschied entgegengestreckt. Etwas, das Mädchen in so einer Situation gewiss wollten. Ja. Die Hand zum Abschied schütteln.

 

„Davon, dass Turles dich nur nach Hause gebracht hat, um uns zu kontrollieren.“

 

Das war nicht wahr. Nein. Turles brachte sie nach Hause, weil... er sicherstellen wollte, dass ihr nichts passierte! „Das stimmt nicht, Vegeta.“ Skeptisch musterte sie sein Verhalten, dieses selbstgefällige Grinsen, das in seinem Gesicht thronte. Auf eine weitere Konfrontation war sie außerdem nicht vorbereitet – mit Vegeta schon gar nicht. „Er wollte -“ Unsicher unterbrach sie sich und sah zu Vegeta.

 

„Was wollte er?“

 

„Sekunde mal. Du hast an der Tür gelauscht! Wie sonst wüsstest du, dass -“

 

„Einfältiges Mädchen! Weil wir Saiyajins sind und Auren in unmittelbarer Nähe spüren können – dazu brauchen wir keine Scouter.“

 

Wie? Aber wieso hatte Son Goku eine eigens für ihn praktische Lösung gefunden, einen Scouter unbrauchbar zu machen? Lag es tatsächlich bloß an der Entfernung? Letzten Endes schien das der Unterschied zu sein, da Son Goku nie auf einen Scouter angewiesen war. Er konnte – unabhängig von der Entfernung – Auren spüren. Konnten Saiyajins, die sich nur auf ihre Geräte verließen, ebenfalls Auren wahrnehmen, jedoch nur, wenn diese sich in unmittelbarer Nähe befanden?

 

„Und trotzdem hast du an der Tür gelauscht!“ Bulma war in ihrem Element – sich mit Vegeta zu messen. Jeden weiteren Seitenhieb versuchte sie daher umso besser zu kontern. Dass sie sich diesbezüglich irrte, ignorierte sie erfolgreich.

 

„Das war nicht nötig“, winkte er bedeutungslos ab. „Man hat euch Kilometerweit gegen den Wind gehört – ob man wollte oder nicht.“

 

„Du spinnst.“ Kopfschüttelnd wollte sie sich an ihm vorbeizwängen, sie biss sich fest auf ihre Unterlippe, damit sie nicht Gefahr lief, ihre Fassung zu verlieren. Allerdings sah sie wenige Sekunden nach ihrem Vorhaben tonlos vor ihren Bauch, wo sie seine Hand sah, die verhinderte, dass sie nach oben ging und statt ihm zornig entgegenzublicken, starrte sie grimmig nach vorne.

 

„Hattest du wenigstens Spaß?“

 

Fassungslos neigte Bulma nun doch ihren Kopf zur Seite. „Willst du darauf wirklich noch eine ehrliche Antwort?“

 

Der Provokation zu Liebe strichen seine Finger entlang seiner Mundpartien, die seine gespielte Überlegung vortäuschten. „Nö, eigentlich nicht, aber ich bin mir sicher, dass du es mir trotzdem erzählen willst.“ Und ja, er wollte es unbedingt wissen, um sein Ego noch ein wenig mehr anzuheben.

 

„Wieso fragst du dann?“ Sie war es leid gewesen – diese ständigen Herabsetzungen seinerseits. Umso dringlicher wurde das Bedürfnis, ihren Vater zu fragen, wie lange der König den Umstand – seinen missratenen Sohn hier einzuquartieren – noch in Betracht zog. Die vergangenen Tage, die Vegeta bereits hier verbrachte, waren zu viel. Einfach zu viel.

 

„Weil ich“, begann er augenrollend, „davon ausgehe, dass du mir unbedingt die Schuld an allem geben willst. Ich gab dir bloß den nötigen Schubs.“ Er wollte den Spieß umdrehen, sie in die Enge treiben und das Mädchen – aufgrund der Anziehung, die sie auf ihn ausübte – weiterhin schikanieren.

 

„Das bist du auch.“

 

„Is' klar“, entgegnete er jovial. „Wenn das so ist, kann ich dich ja noch eine Klasse tiefer degradieren und dich daran erinnern, wie tief du unter mir stehst, Onna.“ Fast wäre er lachend zusammengebrochen, als er an die Gesichter – und vor allem an Turles' Gesicht – zurückdachte. Wie lächerlich sie allesamt aussahen – wie schockiert sie gewesen waren, anlässlich des Kusses. Es war zum Niederknien komisch.

 

„Du spinnst doch.“ Erst jetzt machten sich die Seitenstiche bemerkbar – verursacht durch die Flucht vor den Hunden und es tat weh. Unheimlich. Nichtsdestotrotz zog sie ihr Gilet aus, legte es über ihren Arm und versuchte abermals an ihm vorbeizugehen – den Blick nach unten zu ihren nackten, verschmutzten Füßen gerichtet. Bulma wollte nicht weiter von ihm gedemütigt werden und sich die Schuld aufladen, die nicht ihr gebührte. „Lass mich vorbei.“

 

„Wie schwach, Onna“, quittierte er feixend und anders als Turles, war er schneller und konnte seine Handinnenfläche auf ihren warmen Bauch legen, was sie jedoch unterband und zurück schritt. „Dein Durchsetzungsvermögen lässt zu wünschen übrig. Oder werde ich einfach mit jedem Streit besser, der zwischen uns eskaliert?“ Abschließend lehnte er sich hämisch grinsend gegen das Treppengeländer, das sie erklimmen wollte und er zu verhindern wusste. „Hm, ich bin wohl in allen Belangen unbesiegbar.“ Ferner hob er – wie so oft, wenn er sich siegessicher fühlte – seine Hand und betrachtete seine behandschuhte Hand. Währenddessen wurde sein sardonischen Lächeln immer breiter, was sie noch mehr in Rage versetzte.

 

Ach, es war auch einfach zu verführerisch, sich mit ihr anzulegen.

 

„Und du willst wissen, ob ich Spaß hatte? Ich hatte keinen Spaß, Vegeta. Dank dir!“, feuerte sie energisch zurück, bevor sie ihm schluchzend gegen die Brust stieß. Dass sie ihn tatsächlich darüber aufklären musste, war das wirklich Lächerliche. Schließlich – und das wusste dieser Tyrann bestens – war er der Grund ihrer Wut, ihrer Unbeholfenheit, ihrer Traurigkeit, sowie all den negativen Seiten, die sein Einzug in die Capsule Cooperation mit sich brachte. „Du alleine hast mich in eine kompromittierende Situation gebracht, aber wieso erzähle ich dir das? Du warst dabei und trotzdem juckt es dich kein Stück, andere Saiyajins bloßzustellen. Solange du“, betonte sie verletzt, „deine abartigen Späße durchziehen kannst – und es ist egal, ob diese auf Kosten anderer entstehen –, scheint ja alles in bester Ordnung zu sein, nicht wahr? Insofern muss ich dir nicht noch erläutern, wieso ich keinen Spaß hatte.“ Inzwischen hatte sich Bulma schon mehrmals über ihre bereits verschmierten, wässrigen Augen gerieben und sie war froh, wenn sie diese hässlichen Zeugen ihrer Machtlosigkeit im Bad fortwischen konnte.

 

„Du könntest aber mehr Dankbarkeit zeigen“, erwiderte er – völlig aus dem Zusammenhang gerissen. „War schließlich nicht das erste Mal, dass ich dir geholfen habe.“

 

„Was? Erwartest du wirklich, dass ich mich bei dir bedanke?“, höhnte sie verärgert. „Das hoffe ich nicht. Ansonsten muss ich an deinem Verstand zweifeln.“ Sie standen sich nach wie vor reglos gegenüber – herbeigeführt dadurch, weil Vegeta ihr den Weg versperrte. Darüber hinaus fuhr ihre Hand unbewusst zu ihrer Stirn, da ihr Körper – noch vor ihren Sinnen – zu bemerken schien, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Scheinbar ausgelöst durch den ganzen Stress, fühlte sich Bulma von Minute zu Minute unwohler. Schweiß bildete sich rasend schnell auf ihrer kalten Stirn aus, gefolgt von Herzrasen, das dazu führte, ihre Beine erzittern zu lassen, weshalb ihre Hand zitternd auf Vegetas Unterarm landete.

 

Ihr fehlte sogar die Kraft, ihre Hand zurückzuziehen. Zusätzlich verschwamm das klare Bild vor ihren glasigen Augen.

 

„Onna?“, kam es unsicher von Vegeta, dessen Blick zuerst zu ihrer bebenden Hand auf seinem Unterarm wanderte, ehe er in ihr schweißgebadetes Gesicht blickte. „Hey, was ist los?“

 

„Ich... Kannst du mich bitte vorbeilassen? Bitte!“ Jede folgende Silbe wurde leiser, brüchiger... Sie spürte die drohende Ohnmacht, doch noch zwang sie sich, erst in ihrem Zimmer zusammenzubrechen – alleine, ohne Vegeta. Nachfolgend tauchten wieder die verschwommenen Bilder ihrer Tagträume auf, die ihr schon auf der Erde zu Denken gaben. Zuerst waren sie wieder unscharf, jedoch mit jedem schnelleren Augenschlag klarer – ein Zeichen dafür, dass sie bald in Trance verfallen würde.

 

Diese bösen Träume jagten ihr zudem immer mehr Angst ein.

 

„Vegeta, bitte.“ Keuchend beugte sie ihren Oberkörper nach vorne. Indessen presste sie ihre freie Hand gegen die stützende Wand, um sich auf den Beinen zu halten, ehe diese der Schwerkraft nachgaben. „Ich... muss nach oben.“ Sie sprach blind zu ihm, denn vor ihren Augen erschienen wieder die riesigen Affenmonster. Erneut musste sie die brennenden Häuser sehen, die meterhohen Flammen, die die Bewohner des Planeten aus ihren Häusern trieben. Abermals musste sie die Qualen der Unschuldigen miterleben, während sie hilflos danebenstand und nichts unternehmen konnte.

 

„Ist das eines deiner Spiele?“ Irritiert blieb Vegeta stehen, weil er glaubte, dass sie ihm bloß entkommen wollte und sich hinsichtlich dieses Vorhabens für keine Ausrede zu schade war. „Sag mir bitte, dass du das gerade spielst.“ Als ihr Blick jedoch seinen traf, glaubte er nicht mehr an ein Schauspiel. Nachdem auch ihre Beine nachgaben und er sie im letzten Moment auffangen konnte, ehe sie zu Boden fiel, war auch ihm bewusst geworden, dass das kein Spiel mehr war. „Onna, was ist los?“

 

Ihr feucht schimmernder Blick machte Vegeta Angst. Große Angst, weil er nicht wusste, was mit ihr geschehen war.

 

Und Bulma schaffte es nicht, sich aus ihrer Abwesenheit zu befreien. Sie war gefangen in ihren Träumen, verlor immer mehr die Kontrolle, zwischen Realität und Fiktion zu differenzieren, während ein Nebel ihre Wahrnehmung umhüllte, der gleichbedeutend ihre Sinne auf Standby fuhr, um gleichzeitig die Bilder messerscharf vor ihre Augen zu projizieren.

 

„Scheiße, was soll das? Onna, was treibst du da?“ Aufgebracht umklammerte er ihren schwachen Körper. Indes fuhr eine Hand zu ihrem Hals, wo er ihren rasenden Puls fand – der alles andere als normal war. Simultan flatterten ihre Lider immer wieder auf und ab, was ihn ebenfalls in Panik versetzte.

 

Allerdings entsetzte es ihn noch mehr, als er ihre Finger plötzlich am Kragen seines Brustpanzers spürte und die unerklärlichen Tränen sah, die aus ihren Augen schossen.

 

„Onna, rede doch mit mir? Wie kann ich dir helfen?“ War er für das gerade Geschehene verantwortlich? War es seine Schuld, dass sie zusammengebrochen und der Bewusstlosigkeit nahe war? Behutsam – mit ihr im Arm – kniete er sich zu Boden, strich ihre zerzausten Haare zurück und betrachtete ihr vom Schweiß überzogenes Gesicht. Antworten konnte sie ihm offensichtlich nicht mehr, ihre zuckenden Lider war öfter geschlossenen als offen. Bedächtig wischte er anschließend den Schweiß von ihrer Stirn, ehedem er sie auf seine Arme hob und die Stufen leise nach oben erklomm.

 

Was sonst sollte er tun? Ihre Eltern aufwecken, die ihm die Schuld geben würden? Nein, darauf wollte er verzichten, wenngleich er sehr wohl für ihren Zustand verantwortlich sein könnte. Immerhin hatte er einiges von ihrem Körper abverlangt, aber das musste er ignorieren. Was er letztendlich tat – bis er die Tür zu ihrem Zimmer erreichte, diese mithilfe seines Fußes auftrat und dem zerstörten Sensor im Rahmen einen kritischen Blick zuwarf. Anschließend marschierte er manieriert zu ihrem Bett, in das er ihren bewegungslosen Körper legte und unverzüglich Abstand zu ihr aufbaute.

 

Kurz hatte er nämlich den Wunsch gespürt, sich neben sie zu setzen, was er schlussendlich nicht tat. Er konnte nicht. Er wollte nicht. Es stand ihm nicht zu. Sie stattdessen hilflos auf ihrem Bett liegen zu sehen, lag ihm schwer im Magen. Der Anblick ihrer Hülle versetzte ihm einen Stich und er hätte sich ohrfeigen können, dass er anfänglich annahm, sie würde ihm etwas so ernstes vorspielen. Zumal das eher zu Vegeta passte – nicht zu ihr.

 

Bulma war anständig, im Gegensatz zu ihm. Und obwohl er sie nicht wirklich kannte, wusste er, dass sie viel zu gutherzig war, vielleicht auch etwas leichtsinnig – im Bezug darauf, sich mit Vegeta zu messen –, aber niemals würde sie eine so ernste Lage ausnutzen, um Vegeta zu entkommen. Im Anschluss wandte er sich von ihr ab, er öffnete das Fenster und schnappte sich ihren Schreibtischstuhl, den er vor ihr Bett stellte, um sich darauf niederzulassen.
 

Nachträglich überkreuzte er seine Beine, verschränkte die zitternden Arme unter seiner Brust und beschloss, zu warten, bis sie aufwachte. Aber anscheinend - so erkannte der Prinz nach fünfzehn Minuten - entschied ihr Körper, sich Erholung zu verschaffen, indem er die Strapazen mithilfe ausgiebigen Schlafes verarbeitete. Ja, Vegeta sah ein, dass er ihr, ihrem Selbstwertgefühl und ihrem Körper zusetzte, aber er war so wütend, so... Ach, er war stinksauer auf sie, weil sie sich immer gegen ihn auflehnen musste, obwohl er ihr doch schon mehrmals zeigte, inwiefern sich ein weiterer Streit entwickeln konnte. 

 

Hinzu kam Turles. Der und seine Griffel, die Vegeta nicht an Bulma sehen wollte. Und jetzt? Jetzt saß er missmutig vor ihrem Bett, darauf wartend, dass sie aufwachte. Wenn dies geschah, müsste er jedoch zusehen, dass er aus ihrem Zimmer verschwunden war. Aus dem einfach Grund, weil... er ihr eben nicht erklären wollte, wie sie in ihr Zimmer gekommen war.

 

Ja, genau. Deshalb würde er auch nur noch zehn Minuten hier sitzen bleiben - nur der Vorsicht halber. Nicht länger. Nur zehn Minuten, um sicherzugehen, dass... eben alles in Ordnung war.

 

Und zehn Minuten konnten verdammt lange sein...

Königliche Fänge

Es ist leichter das erste Verlangen zu unterdrücken, als alle folgenden zu befriedigen.

- Benjamin Franklin


 

 
 

~*~

 

- Kapitel vierzehn -

 

Der nächste Morgen kam früher als erwartet und nur dem durchnässten Kissen unter Bulmas Kopf war es geschuldet, dass sie überhaupt aufwachte – langsam, nicht zu schnell. Zwar waren ihre Augen noch geschlossen, doch bereitete ihr Körper sich auf den Prozess des Aufwachens vor, weshalb sie auch geruhsam zuerst das eine, danach das andere Lid aufschlug, um ferner der hineinströmenden Sonne entgegenzublicken – deren Strahlen sich durch die Schlitze ihres Vorhangs stahlen.

 

Sanftmütig lächelte sie, infolgedessen sie vorsichtig ihre Hand über die weiche Matratze strich, um nachfolgend ihre Haare aus dem Gesicht zu streifen. Dazwischen – und der Gedanke raubte ihr kurzweiliges Lächeln – dachte sie an gestern zurück. An Vegeta. An Turles. An... ihren Zusammenbruch, der Bulma – wäre ihr Körper nicht so träge – aufgefordert hätte, kerzengerade im Bett zu stehen. Dem ungeachtet, konnte ihr Gedächtnis aber auch nicht erklären, wie sie in ihr Zimmer gekommen war.
 

Bulma wusste, dass sie in Vegetas Armen – was sie genauso entsetzte wie die Erinnerung an gestern – zusammengebrochen war. Demzufolge lag es im Bereich des Möglichen, dass... Nein, das hätte er nie getan, oder? Viel eher hätte er die junge Erfinderin zu Boden fallen, sowie sich die Hände abhacken lassen. Die hinzukommenden Kopfschmerzen trugen ihr Übriges dazu bei, Bulmas Bemühungen einzuschränken, hinsichtlich einer Erklärung. Nicht einmal die Massage über ihre schmerzenden Schläfen verschafften ihr Linderung.

 

„Oh, was ist nur passiert?“, krächzte sie verschlafen, gleichsam darauf bedacht, keine zu schnellen Bewegungen zu machen, die ihre Kopfschmerzen verschlimmern konnten. „Habe ich mich selbst die Treppen hinauf geschleppt?“, murmelte sie verärgert, bevor sie ihren Kopf hob und verwundert zur geöffneten Tür sah. „Und wieso habe ich die Tür offen gelassen? Das... kann doch unmöglich wahr sein?“ Im Anschluss stemmte sie ihren Körper nach oben, schob achtsam ihre Decke zur Seite und ließ ihre Füße zu Boden fallen. Dicht gefolgt von der Erkenntnis, dass sie nicht das trug, was sie gestern getragen hatte.

 

Woher nahm sie die Kraft, sich noch umzuziehen? Wieso wusste sie das nicht mehr?

 

Weil es unbedeutende Erinnerungen waren, die ihr Gedächtnis verbannte? Lag es daran? Argwöhnisch fuhren ihre Hände über den seidenen Stoff ihres Spitzennachthemdes, das ihren geschwächten Körper schützend umhüllte. Zusätzlich spürte sie, nachdem sie aufstehen wollte, ihren alarmierenden Körper, der Bulma eindeutige Signale sendete, ihren erhobenen Hintern auf die Matratze zurückfallen zu lassen. Im selben Augenblick erspähten ihre müden Augen den zu ihrem Bett herangezogenen Stuhl – ebenfalls etwas, das sie nicht zuordnen konnte.

 

„Was soll das bloß? Was habe ich nur hier getrieben?“ Die Umstände in ihrem Zimmer waren skurril. Der Stuhl, das Nachthemd und die Tatsache, im Bett aufgewacht zu sein – alles Begebenheiten, die sie nicht nachvollziehen konnte. Außerdem klopften neben ihren Kopfschmerzen allmählich die Erinnerungen an die Eingangstür ihres Hirns – unvollständig, aber ausreichend genug, um eventuell Zusammenhänge zu ziehen.

 

Bulma wusste, dass sie in Vegetas Gegenwart – infolge des Stressfaktors der letzten Tage – zusammengebrochen war und das Bewusstsein verlor. Zuvor erinnerte sie sich dumpf daran, dass er sie fragte, was los sei. Auch glaubte sie, dass sie seine Armen unter ihrem Rücken spürte. Oder war das die Folge ihrer Ohnmacht – von Bildern, ähnlich ihrer Tagträume, geplagt zu werden, die sie nicht sehen wollte? Es konnte nur so sein. Nie und nimmer würde sich Vegeta dazu herablassen und Bulma die helfende Hand reichen, indem er sie nach oben trug. Dazu war Vegeta zu stolz.

 

„Verflucht! Streng dich an, Hirn! Lass mich nicht hängen“, forderte sie ihr Erinnerungsvermögen auf, während sie leicht nach vorne gebeugt auf der Bettkante saß – den Kopf in ihren Händen haltend. „Erinnere dich.“ Allerdings wurde der Druck nicht gemildert. Das hatte Bulma gehofft, dass zumindest die Kopfschmerzen verschwanden, wenn sie wüsste, was geschehen war und somit wieder Platz zum Denken vorhanden gewesen wäre. Aber Pustekuchen. Im Hinblick auf diese Katastrophe, ließ sie ein unbekanntes Geräusch erstarren, nachdem sie hochgeschreckt war und zur Tür sah, die – wenn ihre Sinne sie nicht täuschten – gerade bewegt wurde.

 

„Spinne ich jetzt komplett?“ Bulma waren die Alarmglocken ihres Körpers egal geworden. Nicht länger konnte sie tatenlos auf ihrem Bett sitzen, da sie sich sicher war, bemerkt zu haben, dass die Tür bewegt wurde. Augenblick erhob sie sich, sammelte sich zwei Sekunden und schritt eilig zur Tür, an deren Klinke sie sich klammerte, ehe sie ängstlich in den leeren Flur hinausblickte, der in sanftes Sonnenlicht getaucht wurde.

 

„Hallo?“ Verflucht. War sie wieder ihrer Einbildung auf den Leim gegangen? „Ist hier jemand?“, wisperte sie der Stille entgegen, ohne eine Antwort zu erhalten. Folglich schwang ihrer Körper zurück, ihr Rücken lehnte gegen das Holz, während sie schwer ein- und ausatmete. Ihre Schnappatmung würde vermutlich noch dazu führen, dass sie wieder zusammenbrach, angesichts der raschen, unkontrollierten Atmung, mit der ihr Körper nicht umgehen konnte.

 

Unterdessen kreisten permanent die unbeantworteten Fragen durch ihren Kopf, was nicht förderlich war, hinsichtlich der inneren Ruhe, die Bulma sich erhoffte. Was geschah bloß mit ihr, ihrer Wahrnehmung und diesen abstrusen Träumen, die sie in den Wahnsinn trieben? Wieso war sie kein normales Mädchen, das wie andere ein unscheinbares, ruhiges – manchmal vielleicht auch chaotisches – Leben führen konnte? Wieso war ihr Leben stattdessen so beschwerlich? Indessen näherte sie sich mit wachsamen Augen dem Stuhl, der nicht dort stand, wo er hingehörte. Ohne diesen tatsächlich zu berühren, fuhren ihre Fingerkuppen zurückhaltend über die Rückenlehne – als würde die dünne Holzsprosse sie beißen können.

 

So sehr sie sich bemühte, sie kam auf keinen gemeinsamen Nenner. Ihre Gedanken spannen sich die unmöglichsten Dinge zusammen. Den Kopf in den Nacken gelegt, begann sie, abermals über ihr müdes Gesicht zu reiben. „Vielleicht sollte ich einfach nur kalt duschen“, nuschelte sie durch die reibenden Hände. „Das wird meinen Kreislauf in Schwung bringen.“ Unten konnte sie schon ihre Mutter herzhaft lachen hören. Es drang bis zu ihrem Zimmer und Bulma wäre froh, ebenso erfrischend lachen zu können.

 

Aber nein, sie wurde noch paranoid, aufgrund der mysteriösen Faktoren.

 

„Ja, doch. Ich sollte duschen, statt mich mit weiteren Hirngespinsten herumzuärgern“, maßregelte sie sich im Anschluss selbst, bevor sie ihre Hand zurückzog und diffus zu ihrem Kleiderschrank trottete, aus dem sie sich frische Kleidung, Unterwäsche und Schuhe zusammensuchte. Das kalte Wasser würde den Dunst wegwaschen, der ihre Sinne umhüllte, dessen war sich Bulma sicher. Anschließend schlich sie sich – beladen mit ihren Klamotten – zum Bad, schloss die Tür und legte ihre Kleider auf einer Ablage ab, bevor sie zwei weiche Handtücher dem Stapel Kleidung hinzufügte. Danach sah sie – etwas abseits – zu dem großen Badespiegel, worin sie sich sah und feststellen musste, wie schlimm das Ausmaß ihres Aussehens tatsächlich war. Schluckend näherte sie sich dem Glas und es stimmte Bulma traurig, nachdem sie ihr Spiegelbild ausgiebig, aber auch abschätzend betrachtete hatte – entgegen blickte ihre eine entkräftete Frau, deren Haut sowohl fahl, als auch blass wirkte. Die Foundation, die verschmierte Wimpertusche, der Kajal – alles, was sie sich gestern ins Gesicht geschmiert hatte – hatten ihren Dienst erfüllt und ein Bild des Grauens zurückgelassen. Von den entsetzlichen Augenringen, die sich zu allem Übel stark abzeichneten, wollte sie gar nicht erst anfangen.

 

Es war zum Fürchten, den Zustand ihres Make-up's zu beurteilen, weshalb sie davon absah und ratlos mit ihren Fingern gegen ihre Wangen drückte. War das wirklich sie oder blickte ihr bloß das Abbild einer gebrochenen Frau entgegen, die Bulma Briefs tatsächlich war? War sie in Wahrheit gar nicht so taff, wie sie immer dachte?

 

Sie wusste es leider nicht. Schnaubend wandte sie sich daraufhin von ihrem Spiegelbild ab und entkleidete sich, ehe sie die benötigten Utensilien parat legte, um all das Übel, das sich in ihrem Gesicht widerspiegelte, mit frischem Mape-up zu übermalen. Die unterschiedlichsten Pinsel legte sie akkurat neben das Waschbecken. Daneben stapelte sie mehrere Tücher aufeinander, sowie weitere Kosmetika, die ihre Maskerade auffrischen würde, bevor sie seufzend die Dusche betrat und das Wasser aufdrehte. Jeden einzelnen Tropfen, der auf ihre Haut prasselte, genoss die blauhaarige Saiyajin – es glich einer angenehmen Massage, die jeden Muskel in Bulmas Körper zucken ließ, ehe sich die Tropfen ihren eigenen Weg zum Boden bahnten.

 

Das duftende Wasser war ein zusätzlicher Bonus, den Bulma genoss. Es hatte eben seine Vorteile, wenn der eigene Vater ein genialer Erfinden war und es zustande brachte, dass Wasser wohlriechende Düfte aufnehmen konnte. Zusehends entspannter begann Bulma anschließend, ihren Körper einzuseifen und recht zügig hatte sich der Duft – ähnlich wie die aufsteigenden Dampfschwaden – im Badezimmer ausgebreitet, während ihr Körper jede sanfte Berührung dankend annahm. Ebenso der fließende Schaum, der über ihren Bauch hinab zu Boden tropfte, schien die junge Frau zu entspannen – es war, als würde sie den ganzen seelischen Schmutz abwaschen. Indessen vergaß sie völlig die Zeit. Erst als ihre Haut schrumpelig wurde, griffen ihre Hände nach den Handtücher. Das eine band sie sich wie einen Turban um ihre nassen Haare, während sie das andere Handtuch um ihren Körper wickelte.

 

Beruhigt und entspannt verließ Bulma die Dusche und erst jetzt konnte sie sich womöglich wieder im Spiegel ertragen – natürlich, sauber, befreit. Und so befremdlich und abstrus es klang, Bulma hatte nicht nur den seelischen Dreck von sich gewaschen, sondern auch mithilfe des Wasser die blutsaugenden Erinnerungen an den gestrigen Tag weitestgehend wegspülen können. Dadurch versprach sie sich, zwanglos in den neuen, hoffentlich schönen Tag zu starten.

 

Ja, heute würde ein schöner Tag werden. Sie könnte zu Son Goku gehen, obwohl sie seinem Bruder nicht über den Weg traute. Bulma könnte sich auch mit Lunch treffen. Schließlich war der Planet groß genug, um etwas zu unternehmen – weit abseits von Vegeta und Turles. Zwei Saiyajins, die sie ungern heute antreffen wollte, wenngleich das Verlangen – den zweitgenannten Saiyajin zu sehen – enorm gestiegen war. Schlussendlich, und diese bittere Pille schmeckte der jungen Frau gar nicht, würde sie wieder weich werden, wenn Turles vor ihr stünde. Bulma würde ihm vermutlich jede Lüge glauben, weil sie blind war. Blind vor Naivität. Aber genau deswegen wollte sie auch etwas machen, was sie ablenkte. Etwas, das sie zwang, nicht an Turles zu denken.

 

Aus diesem Grund zog sie unter dem Waschbecken einen kleinen Hocker hervor, auf den sie sich niederließ und nach den Pinseln griff – wie früher, als sie noch ein kleines Mädchen war und sich mit der Schminke ihrer Mutter vor dem Spiegel Farbe ins Gesicht schmierte, bloß um am Ende noch schlimmer auszusehen. Ach, was waren das schöne Probleme, die sich Bulma wieder zurückwünschte. Als Kind war man enthemmt. Man fand Jungs doof und umgekehrt war es wohl genauso. Alles war so angenehm, weil Kinder andere Prioritäten setzten als Erwachsene. Kinderaugen sahen die Dinge oft anders – besser, schöner...

 

Während sie darüber nachdachte, legte sie kurz ihren Pinsel zurück, schritt zur Ablage und griff nach ihrer Kleidung, ehe sie zurückgehen wollte. Allerdings blieb sie abrupt stehen. Inmitten ihrer Schritte erstarrte sie zur Salzsäule, als die Badezimmertür geöffnet wurde... Aber sie schrie nicht.

 

Wieso nicht? Warum sah sie dabei zu, wie die Tür immer weiter nach innen geschoben wurde, während sie ihre Kleidung gegen das weiche Handtuch presste, das zum Glück ihre Brust verdeckte? Wieso gab sie dem Eindringling, der immer tiefer in ihre Intimsphäre drang, kein Zeichen, dass noch jemand hier war? Alleine die Dunstwolke, die über den beiden Saiyajins schwebte, hätten dem männlichen Part signalisieren müssen, dass er noch hätte warten müssen. Stattdessen öffneten sich simultan ihre Münder, sie sahen sich tonlos an und niemand der Anwesenden schien in Erwägung zu ziehen, das Zimmer zu verlassen. Im Gegenteil. Vegetas schwarze Iriden glitten geistesgegenwärtig – als müsste er das tun – über das knappe Handtuch, das bloß das nötigste verdeckte.

 

Bulma hingegen biss sich vor Scham auf ihre Unterlippe, während der Prinz ihre Erscheinung gründlich in Augenschein nahm – wie vor wenigen Tagen, als er sie im Wald mit Turles entdeckt hatte. Anstatt sich ebenfalls beschämt abzuwenden, schob seine Hand – die immer noch den Knauf umfing – die geöffnete Tür immer näher zum Schloss, in welches der Schnapper schlussendlich einhakte und die Tür verschlossen war. Dass Vegeta, anders als Bulma, arge Probleme mit seiner Fassung hatte, verschwieg er. Alternativ mimte er den unnahbaren Prinzen, wie man ihn kannte – herablassend, höhnisch, unausstehlich...

 

„Onna?“, entgegnete er sardonisch grinsend und er sah, wie sich ihre Finger immer fester im Stoff des Handtuchs, als auch in ihren Kleidern vergruben. „Netter Auftritt, aber ich muss ins Bad.“

 

„Ich... bin noch gar nicht fertig“, stammelte Bulma verdutzt. „Ich brauche noch etwas“, erklärte sie in ruhigem Ton, jedoch vermied sie es, ihn dabei anzusehen, weil er – dreist wie er war – nur in Boxershort vor ihr stand, ohne den Hauch von Scham zu spüren. Zu allem Überfluss hörte sie auch plötzlich ihre Mutter von unten rufen.

 

Ja. Ganz toll. Es musste so eine Situation entstehen. Als ob man sie nicht schon genug gedemütigt hatte, nein, jetzt – in diesem Moment – musste auch noch ihre Mutter rufen, was der perfekte Startschuss gewesen wäre, den Saiyajin loszuwerden. Aber er blieb stehen. Vegeta rührte sich nicht vom Fleck und Bulma revidierte ihre Aussage, im Bezug auf den schönen Tag, den sie hätte beginnen können.

 

Es ging eben immer noch eine Stufe schlimmer. Der heutige Tag würde, wie die restlichen zuvor, im Desaster enden. Ihre oberflächliche Mutter würde nochmals die falschen Schlüsse ziehen, ganz sicher und nur anhand ihrer Nachlässigkeit befanden sich beide in dieser prekären Situation.

 

„Bulma?“, ertönte abermals die Stimme ihrer Mutter. Nachdem man auch das Knarzen der einen Stufe hörte, die seit jeher Geräusche von sich gab und Bulma meistens verraten hatte, wenn sie sich – als sie noch auf der Erde lebte – aus dem Haus schleichen wollte, wurde das innere Warnsystem der blauhaarigen Saiyajin unverzüglich aktiviert.

 

„Ve- Vegeta, bitte. Bitte versteck dich!“ Ihn anzuweisen, das Badezimmer zu verlassen, war zu spät. Mit Sicherheit war ihre Mutter bereits in der Nähe, was eine Flucht ausweglos erscheinen ließ. Beide Hände griffen im Anschluss nochmals nach dem Handtuch, angesichts des rutschenden Stoffes. Ihr Blick suchte unterdessen verzweifelt den Boden ab, weil sie wieder einmal naiv genug gewesen war und glaubte, dort die Lösung ihrer Probleme zu finden, während ihre innere Stimme schrie, seinen nackten Oberkörper anzusehen. Aber... das ging einfach nicht. Bulma weigerte sich vehement, dem Wunsch ihrer teuflischen Stimme nachzukommen. Vegeta würde sie bloß wieder denunzieren und erniedrigen. Zusätzlich wäre sie gerne aus dem Fenster gesprungen, um seiner folgenden Schadenfreude zu entkommen, aber auch das ging nicht. „Vegeta, ich bitte dich inständig“, richtete sie ihr Anliegen ein weiteres Mal an ihn, nachdem er ihr nicht geantwortet hatte.

 

„Wo?“, bemerkte er knapp.

 

„Bulma? Schätzchen, ist alles in Ordnung?“ Ihre Mutter klang hektischer als zuvor. Ihre Stimme kam näher, sie wurde lauter. Ebenso die nervösen Schritte, die hastig über das Laminat des Flures zu hören waren.

 

Daraufhin musste Bulma atemlos erkennen, dass ihr Badezimmer keine Alternativen bot, um sich wirksam vor den neugierigen Augen ihrer Mutter zu verstecken, woraufhin sie sich kommentarlos in Bewegung setzte. Erst als sie vor Vegeta stoppte und panisch zu ihm aufsah, rief sie: „Ich... Ich komme zu dir, Mama. Warte!“ Unbeherrscht stieß ihre linke Hand gegen seine nackte, ehedem sie versuchte, Vegeta nach hinten zur Tür zu schieben. Da ihre Tür nach innen aufschwang, wenn man sie öffnete, sah sie dort ihre einzige Möglichkeit, unangenehmen Fragen – seitens ihrer Mutter – auszuweichen.

 

„Du berührst mich wohl gerne, was?“, warf er – in seinen Augen – die berechtigte Frage in den Raum. Des Weiteren wollte er nach ihrem Handgelenk greifen, doch schritt sie erschrocken zurück, nachdem ihr aufging, was er vor hatte. Folglich zuckte er lediglich mit den Schultern und schenkte ihr, ehe sie noch weiter zurückging und sich abwenden konnte, ein zynisches Lächeln, das ihr hoffentlich noch sehr lange im Gedächtnis blieb.

 

„Nein, ich fasse dich überhaupt nicht gerne -“

 

„Bulma?“, drang die Stimme ihrer Mutter durch die Tür. Gleichzeitig klopfte sie vorsichtig gegen das weiß gestrichene Holz. „Liebes, kann ich reinkommen?“

 

Bulmas zinnoberrotes Gesicht glühte auf. Flehentlich sah sie Vegeta an und hielt ihren Zeigefinger vor ihren geschlossenen Mund, was dem jungen Saiyajin suggerieren sollte, leise zu sein, sobald Bulma die Tür öffnen würde. „Bitte, sei still!“
 

„Bulma! Was ist nur los?“ Noch keine zwei Sekunden später wurde auch prompt die Tür aufgerissen, welche fast gegen Vegeta stieß und er sich im letzten Augenblick mit dem Rücken zur Wand pressen konnte. Zur selben Zeit schaffte es Bulma gerade noch rechtzeitig nach hinten zu gehen, bevor die Tür sie gegen Vegeta drücken konnte. Im Eifer des Gefechts hatte er sogar die Hände hochheben müssen, diese jedoch nach unten fallen lassen, nachdem er sich sicher war, nicht getroffen zu werden. „Himmel, Kind“, fuhr ihre Mutter fort, als sie ihre Tochter vor sich stehen sah. „Antworte mir doch, wenn ich nach dir rufe.“

 

„Das... habe ich doch. Ich war... halt noch nicht ganz fertig“, erwiderte sie und sah an sich herab. Anschließend, als sie ihren Blick hob, weiteten sich ihre blauen Augen, nachdem die Tür leicht quietschend nach vorne rutschte und plötzlich Vegeta zu sehen war. Der wiederum jedoch binnen weniger Sekunden die Tür geräuschlos zurückzog – wenigstens einer von beiden behielt einen kühlen Kopf... „Ich war duschen und... Ich komme einfach gleich runter, ja?“

 

„Ach... Schätzchen.“ Beinahe fürsorglich hatte sich Panchy Briefs' Hand nach oben zu Bulmas Wange bewegt, um darüber zu streichen. „Weißt du, dein Vater und ich machen uns Sorgen.“ Die blauhaarige Saiyajin war fast geneigt gewesen, ihrer Mutter zu glauben. Aber sie kannte ihre Mutter, die pure Lebensfreude verströmte und nicht den Anschein erweckte, als würde sie sich um ihre einzige Tochter sorgen. Ja, ihre Mutter war stets unbekümmert und glücklich. Das würde sie immer sein... Sorgenlos durch das Leben gehen. Bulma wäre froh, selbiges über ihr Leben zu behaupten.

 

Sorgen? Warum?“

 

„Hach, ich weiß auch nicht. Du wirkst so anders, Bulma, und als Mutter spürt man, wenn es dem eigenen Kind nicht gut geht, oder?“

 

Ja, eine besorgte Mutter spürte das Leid des eigenen Kindes, allerdings störte dieses oder am Ende des Satzes. Bulma merkte sofort, dass ihre Mutter verunsichert war – das war sie immer, sobald sich ein Gespräch in eine ernsthafte Konversation entwickelte. Hinzu kam, dass ihre Mutter Bulmas Bestätigung wollte, für etwas, das die junge Frau nicht wusste, aufgrund der Tatsache, dass sie nun mal keine Mutter war.

 

„Liegt es daran“, fuhr Panchy ungehindert fort, „weil wir zurück nach Vegeta-Sei gegangen sind? Findest du... keinen Anschluss?“ Sie beugte ihren Oberkörper nach vorne, platzierte ihre Hände auf Bulmas nackten Schultern und sah lächelnd in das Gesicht ihrer Tochter. Es sah so... blöd aus, weil Bulma sich fühlte, als wollte ihre Mutter ihr gleich in die Wange kneifen.

 

„Nein? Wie kommst du auf diesen Blödsinn? Und dann noch um diese Uhrzeit?“ Ihrer Mutter war scheinbar nicht mal aufgefallen, dass Son Goku sehr oft zum Essen gekommen war. Selbst Turles' Namen schien mittlerweile kein Begriff mehr für Panchy Briefs gewesen zu sein, obwohl sie gestern noch neugierig genug war, um nach ihm und dem Stand zu Bulma zu fragen. Aber es war eben ein weiterer Beweis dafür, dass Bulma sich ihrem Vater viel verbundener fühlte. Mit ihm konnte sie jederzeit reden – offen, ehrlich und ohne die Angst zu haben, auf ihr Aussehen reduziert zu werden.

 

„Bulma, es ist bereits Mittag“, echauffierte sich die schwarzhaarige Frau, nachdem sie ihre Hände zurückzog und diese in die Hüften stemmte.

 

„Wir sollten das Gespräch vielleicht verschieben? Auf nachher, wenn ich fertig bin, okay? Ich... Na ja, du siehst ja, ich muss mich noch anziehen.“

 

„Bitte?“ Plötzlich fing Panchy zu kichern an. „Aber mein liebes Kind, ich bin deine Mutter. Es ist nichts verwerfliches, wenn ich dich nackt sehe.“

 

Doch! Doch, es war verwerflich. Bulma war erwachsen, wenngleich sie sich nicht immer ihrem Alter entsprechend benahm, aber sie war erwachsen, verdammt! Und sie wollte sich gewiss nicht vor ihr oder – was noch schlimmer war – vor Vegeta entblößen! „Mama, bitte. Es ist nichts, abgesehen von der jetzigen Situation.“

 

„Ach, wirklich?“

 

„Wirklich“, beharrte Bulma. „Ich möchte mich in Ruhe anziehen. Ich bin kein kleines Kind mehr“, fügte sie doppelzüngig hinzu, weil ihre Mutter den Eindruck vermittelte, als könnte Bulma sich nicht einmal die Bluse alleine zuknöpfen, geschweige denn die Andeutung verstehen, endlich das Badezimmer zu verlassen.

 

„Liegt es an Vegeta?“

 

„Was? An Vegeta?“ Oh, aufpassen! Bulma durfte nichts durchsickern lassen, was darauf hindeuten könnte, dass sie Vegeta nicht mochte, auch wenn der Zeitpunkt gerade günstig wäre, ihn loszuwerden.

 

„Ja. Hast du dich in ihn verliebt?“

 

„Mama!“

 

„Ich sehe doch, wie er dich ansieht. Ich habe einen Blick dafür und es wäre gar nicht schlimm, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht, aber -“

 

Nein. Sie musste ihre Mutter unterbrechen, bevor Vegeta sich vor Lachen nicht mehr einkriegen würde. „Alleine dass du so denkst, Mama, zeigt mir, wie wenig du mich kennst. Andernfalls wüsstest du, dass ich nicht in Vegeta verliebt bin“, klärte sie ihre Mutter reserviert auf, weil sie nichts verstand und inmitten dieser Diskussion wusste Bulma, dass sich Vegeta hinter der Tür ins Fäustchen lachen würde. Ihr war klar, dass sie später Vegetas Spott ausgesetzt wäre – dank ihrer Mutter, die keine Ahnung hatte und davon ganz schön viel. Traurig genug, dass sie sich so wenig mit ihrer Mutter verstand, die nicht sah, dass Turles derjenige war, den Bulma mochte. Hätte sie – wie Panchy behauptete – einen Blick für etwaige Dinge, wäre ihr klar gewesen, dass Turles der Saiyajin war, in den sich Bulma mehr und mehr verliebte. Am meisten regte sich die junge Frau jedoch über die persönlichen Empfindungen ihrer Mutter, sowie über die hirnrissigen Ansichten hinsichtlich Vegeta auf – aufgrund ihrer Leichtfertigkeit. Panchy Briefs war... Sie war eine bornierte Persönlichkeit, die immerzu auf ihr Recht pochte, obwohl sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, bezüglich Bulmas Verfassung. „Außerdem war von ihm gar nicht die Rede. Aber du willst wieder nur das sehen, was du sehen willst und dich erfreut. Ansonsten wäre dir aufgefallen, dass Vegeta und ich uns gar nicht verstehen und jetzt“, beanstandete sie erschöpft, „wäre ich wirklich froh, wenn du gehst.“ Das wäre sie, weil der bevorstehende Disput mit Vegeta genug Kraft kosten würde. Aber lieber wappnete sie sich mit letzter Kraft gegen Vegeta, statt sich haltlose Äußerungen ihrer Mutter weiterhin anhören zu müssen.

 

„Wo ist Vegeta überhaupt? Er hat noch gar nicht gefrühstückt.“

 

So? War das das einzige Problem ihrer Mutter? Nun, besser als andere Probleme. „Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er draußen und das darf er doch, solange er sich nicht zu weit von hier entfernt? Außerdem verstehe ich sowieso nicht“, entgegnete sie tückisch, „was er hier macht? Oder hat er etwas angestellt, was es rechtfertigt, ihn zuhause rauszuschmeißen?“

 

Bulma ergriff die Chance, etwas über Vegeta zu erfahren – während seiner Anwesenheit. Sie würde Bulma bestimmt antworten, weil sie in ihrer Frage etwas anderes sehen würde als Bulma – nämlich Interesse.

 

„Na ja“, fing Panchy an, die scheinbar vergessen hatte, vor zehn Sekunden noch im Clinch mit ihrer Tochter gewesen zu sein. „Der Prinz der Saiyajins scheint ebenfalls eine Vorliebe für Missetaten zu haben – ähnlich wie du, Schätzchen“, erzählte sie kichernd und schlenderte zur Tür. Davor drehte sie sich noch einmal um. „Ihr könntet voneinander lernen und wer weiß? Vielleicht bringt euch das näher und ihr beginnt, euch zu mögen. Schließlich neckt sich bekanntlich das, was sich liebt.“

 

„Danke, für deine aufbauenden Worte, Mama“, verabschiedete sie ihre Mutter kopfschüttelnd, die ihr zum Abschied verschmitzt zuzwinkerte und die Tür hinter sich verschloss, wodurch sie wieder Vegetas Blick ausgesetzt war, der – wie sie fälschlicherweise angenommen hatte – nicht spöttisch den ihren erwiderte. „Sag, was du sagen willst“, blaffte sie ihm entgegen.

 

„Was soll ich sagen?“, schnaufte er angespannt. „Dass ich mich hinter dieser dämlichen Tür, die mir ins Gesicht gedrückt wurde, amüsiert habe? Willst du das hören und dich damit selbst quälen?“ Auch ihm war die Situation sichtlich unangenehm gewesen, da er gar nicht Zeuge dieser Barriere – die zwischen Mutter und Tochter entstanden war – werden wollte. Obzwar er sich das Wissen zu Nutzen hätte machen können, so lag es ihm fern, auch das noch unter die Nase zu treiben. Vegeta – und das leugte er nie – war ein Arschloch, doch sah er davon ab, auf einen Saiyajin einzutreten, der bereits blutend am Boden lag, obwohl Bulma ihm womöglich genau das zum Vorwurf machen würde – dass er jemand wehrloses weiter trat. „Muss dich enttäuschen. Ich hab mich weder amüsiert, noch kaputtlachen können.“

 

Veralberte er sie gerade? Die Kraft, die ihr dank der erfrischenden Dusche verliehen wurde, sah Bulma schon jetzt nach unten sinken. „Das... ist gut?“ Nachträglich schlang sie ihre Arme um ihren frierenden Körper.

 

„Für dich vielleicht, weil uns deine Mutter nicht zusammen gesehen hat. Für mich war es eine Katastrophe.“ Während er nämlich hinter der Tür darauf wartete, dass ihr Mutter verschwand, fand er genügend Zeit, sich ihren Körper einzuprägen – den er in diesem Zustand sicher nicht mehr sehen würde. Es war nicht einmal geplant, sie so vorzufinden, da er ebenfalls gedankenverloren zum Bad getrottet war, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass jemand anderes im Bad sein könnte. Ja, er hatte sich Erlösung in der Dusche erhofft, angesichts der Faktizität, dass er nicht wie gewohnt in seinem, sondern in ihrem Zimmer aufgewacht war. In ihrem Zimmer – eingeschlafen in dem Stuhl, den er neben ihr Bett gestellt hatte und in den er sich setzte, nachdem er... sie umgezogen und ihren Körper gesehen hatte.

 

Diese Erinnerung hatte heute Morgen ihren Tribut gefordert, weil er dumm genug war, ihren schlummernden Körper zu beobachten, den er zuvor ins Bett gelegt hatte. Unablässig hatte er ihre ruhige Atmung bewacht, gleichzeitig ihren friedlichen Gesichtsausdruck im Dunkeln angesehen, ehe er mit verschränkten Arm eingenickt und schlussendlich fest eingeschlafen war.

 

Erst ihr röcheln in der Früh hatten Vegeta aufgeweckt und es war ihrer langsamen Wahrnehmung zu verdanken, dass er unentdeckt ihr Zimmer verlassen konnte. Danach war er dermaßen angespannt – wegen so vielen Faktoren –, dass er einfach nur noch unter die Dusche wollte.

 

„Danke Vegeta.“ Sein skeptischer Blick brachte Bulma zum Schmunzeln. Es war zu erwarten, dass er ihrem Dank misstraute – war sie doch noch vor kurzem der Überzeugung, ihm niemals danken zu wollen.

 

„Wofür?“, brummte er.

 

„Dass du hinter der Tür geblieben bist. Du hättest all das auch anders aussehen lassen können, und... du hast ja gehört, wie -“

 

„- unausstehlich deine Mutter ist? Ja, wenigstens einmal sind wir uns einig, was die seltsamen Eigenschaften deiner Mutter betrifft, obwohl ich zugeben muss, dass es mir unheimlichen Spaß gemacht hätte – sofern ich nicht selbst betroffen gewesen wäre. So war ich leider gezwungen, die Füße still zu halten“, erklärte er feixend, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Fliesen, auf dessen Oberflächen bereits Kondenswasser entstanden war. Er musste dringend Selbstsicherheit gewinnen, da ihr Anblick kräftezehrend war.

 

„Immerhin hast du sie still gehalten. Das erspart uns eine Menge Fragen.“ Sie standen sich unschlüssig gegenüber und Vegeta antwortete ihr nicht, weshalb sie hinzufügte: „Also... nochmals Danke. Würdest du dann jetzt auch gehen? Ich beeile mich auch.“

 

Vegeta war immer der Annahme, rational zu denken und entsprechend zu handeln, aber heute schien das anders zu sein. „Ich werde gehen, wenn du mich für meine Mühen entlohnt hast.“ Ihre Empörung daraufhin war Antwort genug, weswegen er sich dazu herabließ, sie aufzuklären: „Oder dachtest du, ich mache das für lau?“

 

„Wow, ich hätte dir fast geglaubt, Vegeta.“ Nun lag es an ihr, lauter als beabsichtigt zu lachen. Der Prinz der Saiyajins verstand es, Bulma immer noch aufs Glatteis zu führen, aber dieses Mal durchschaute sie ihn. „An dir ist ein wahrer Komiker verloren gegangen. Aber bitteschön, wie hättest du denn gerne deine Entlohnung?“ Sie entschied sich, das Spiel mitzuspielen, nachdem sie grinsend zum Waschbecken ging, sich nach vorne beugte und nach einem Pinsel griff. „Nimmst du Schecks? Oder lieber getreu dem Motto: Nur Bares ist Wahres?“

 

Ihr Lachen verschwand jedoch, als sie seine Hand spürte, die sich grob um ihr Handgelenk schmiegte, bevor er ihren Körper zu sich herumwirbelte und das Handtuch auf ihrem Kopf zu Boden fiel.

 

„Glaubst du, ich scherze?“, flüsterte er ihr zu und drückte seine Nase in ihre feuchten Haare, während er nach dem anderen Gelenk griff und die Beule in seiner Hose gegen ihre Mitte presste. Darüber hinaus war ihm bewusst, dass er offensiv vorging, aber etwas in seinem Innern, das in feste Ketten gelegt worden war, drohte auszubrechen. Etwas, das nicht länger durch Vegetas Ausreden genährt werden wollte, sondern endlich in den Körper eindringen wollte, der unter seinem eingeklemmt war und trotz seiner erschöpfenden Verteidigungsmaßnahmen, verlor er immer mehr die Kontrolle über diesen bösen Trieb, der erwachte. „Wie sieht es jetzt aus?“ Nach und nach wurde es ihm gleichgültiger, dass sie spüren konnte, wie groß sein Verlangen geworden war. „Denkst du immer noch, dass ich Witze reiße?“

 

„Vegeta!“, ächzte sie, da sie sich bemühte, seinen Körper von ihrem zu stoßen. „Lass... das!“

 

„Entlohne mich, Erdenmädchen, danach bin ich weg“, raunte er, als seine Lippen zu ihrem Hals gewandert waren. Zeitgleich löste sich eine seiner Hände, die nahtlos zu dem Stoff gewandert war, der noch zwischen ihnen stand. Ungeduldig zupfte er daran, während seine Finger über ihre Taille, über ihren Bauch und schlussendlich zu ihrem Hals geklettert war, wo sie jedoch nur kurz verweilte, da er seine Finger anschließend auf ihre Wange legte, um besser ihren Kopf steuern zu können, der vorher widerständig von der einen zur anderen Seite gedreht wurde.

 

„Du sollst“, ergänzte sie und griff nach seiner Hand, „das unterlassen, habe ich gesagt.“ Statt seine Hand wegzuschlagen, wie ihr Verstand es verlangte, verharrte ihre Hand inmitten der Bewegung – verschlossen mit seiner Hand.

 

„Du bettelst so schön, Onna.“

 

„Das... ist kein Scherz, Vegeta!“ Verdammt. Ihr Unterbewusstsein wusste, dass sie geradewegs in ihr Unglück rannte, aber es war so reizvoll. Das Unbekannte war schon immer anziehend und prickelnd. Aus dem Grund begannen Jugendliche oftmals Fehler, weil sie die Herausforderung suchten, aber durfte sie – Bulma Briefs, eine Saiyajin mit Würde – ihrem indoktrinierten, vergifteten Willen nachgeben? Durfte sie die Büchse der Pandora öffnen, ihre Selbstachtung verraten und der Zerreißprobe, der sie ausgesetzt war, ein Ende setzen?

 

Sie täte das falsche, das war nicht von der Hand zu weisen, aber wo kein Kläger war, der ihr Verhalten anklagen konnte, gab es auch keinen Richter, der über sie richtete. Zudem würde es darauf hinauslaufen, dass sie sich ewig die Frage stellen würde, wie es wäre, wenn sie zustimmte? Auf der anderen Seite wusste sie, dass das, was sie gerade davor waren zu tun, einer Operation am offenen Herzen gleichkam.

 

Gott, sie fühlte sich schäbig. Als würde man eine Messlatte täglich tiefer legen, aber sie es immer noch schaffte, aufrecht darunter durchzugehen.

 

„Sicher, dass du nicht scherzt?“ Inzwischen fuhren seine Lippen lustvoll über ihre Haut, während mittlerweile beide Hände ihre Hüften erreichten, sich fest darin verhakten und er zumindest einen Teilschmerz seiner Lenden verbannen wollte, indem er sie hochhob und auf dem Waschbecken absetzte. Per se nicht ohne Hintergedanken, denn so konnte er sich noch besser zwischen ihre gespreizten Beine zwängen. „Ich mache nämlich auch keine Scherze.“

 

Nein, sie... sie scherzte nicht! Sie konnte sich ihr Verhalten und diese lüsterne Versuchung nicht erklären, aber es war falsch. Das sah Bulma nochmals eindringlich, als sie diesem eindrucksvollen Saiyajin ins Gesicht sah, das zeigte, dass er ihr immer einen Schritt voraus wäre. Diesem sadistischen Thronfolger sah sie in die Augen – in diese pechschwarzen Augen und es schien, als wäre auch er, der hochwohlgeborene Vegeta verunsichert, anlässlich seiner Verfassung. Genau wie Bulma, deren Atemfrequenz so tief gesunken war, dass es beinahe beängstigend war. Ebenso ihr Puls, der vermutlich deutlich höher war als bei Astronauten, die einer gewaltigen Gravitationsbelastung ausgesetzt waren.

 

Nachdem Vegetas Daumen zärtlich über ihre Lippen fuhr, wurde es nur schlimmer. Der heiße Dampf, der im Bad gestaut war, tat das Übrige – Bulmas Denkzelle in einen matschigen Brei zu verwandeln, denn anders wäre eine solche Situation niemals entstanden. Ja, daran lag es. Am Dampf.

 

„Sag noch einmal, dass ich gehen soll und ich bin weg, Onna.“ Sein seliges Flüstern drang langsam zu Bulma hindurch, als ihre verschleierten Augen den Versuch wagte, klare Konturen auszumachen. „Du kannst auch gar nichts sagen und -“ Folglich ließ er seine Hand weitersprechen, die vor ihrer hitzigen Mitte stoppte und vorsichtig das Handtuch nach oben schob. Jedoch hielt er kurz vorm Ziel inne und wartete auf ihre Erlaubnis. Auf irgendein Zeichen, das ihm sagte, dass seine Hand unter dem Handtuch verschwinden durfte.

 

„Und... Und was?“

 

„Dich auf mich einlassen“, vollendete er den unausgesprochenen Satz.

 

Auf... ihn einlassen? Nein! Bulma, du solltest endlich schreien. Ihn zwingen, von dir abzulassen und zusehen, dass du verschwindest, aber ganz schnell! Das waren die warnenden Worte ihrer kleinen Engelsstimme, die ihr nichts böses wollte – im Gegensatz zu den inneren Dämonen, die Bulmas Lust entfachten.

 

„Vegeta, bist du... verrückt geworden? Das... Das geht nicht“, keuchte sie ermattet auf, bevor ihr Stirn kursorisch gegen seine Schulter stieß – womöglich vor Erschöpfung, aus purer Verzweiflung oder vor der Angst. Sie wusste es nicht, konnte ihre Empfindungen gar nicht mehr ordnen, aufgrund des Blutest, das in ihrem Körper förmlich Blasen schlug.

 

„Wieso nicht?“

 

„Es geht einfach nicht!“

 

„Dann solltest du gehen“, legte er ihr nahe. Bevor er sie jedoch aus seinem Griff entließ, berührten seine Fingerkuppen ihren nackten Oberarm, gefolgt von seinem Mund, der wenige Zentimeter über ihre Wange glitt, so dass sie seinen warmen Atem spürte. „Geh, Onna, bevor wir es uns anders überlegen.“

 

Und obwohl er ihr nahegelegt hatte, das Feld zu räumen, umschlossen seine Finger im selben Atemzug ihr Kinn, woraufhin sie konterte: „Du wolltest wohl sagen“, widersprach sie nach Atem ringend, „dass du es dir anders überlegen könntest.“ Zum wiederholten Mal griff sie nach seiner packenden Hand, um diese – wie sie es schon vor Minuten hätte tun sollen – zur Seite zu schlagen und stöhnend Abstand zwischen sich und diesen bösen Mistkäfer zu bringen.

 

„Tu doch nicht so, als wärst du abgeneigt“, quittierte er lachend, obwohl ihm nicht nach Lachen zumute war. Schließlich war sie es – eine schwache Saiyajin – die Stärke bewies, indem sie ihn abwies.

 

„Ich bin abgeneigt. Zum Teil auch angewidert!“

 

„Ach, ist das so? Wieso hast du es nicht viel früher unterbunden?“ Wieder ging er den Weg des geringeren Widerstandes, da er wusste, sie würde – in Anbetracht seiner lächerlichen Vorwürfe – chancenlos sein. Sie war eben zu aufgewühlt um zu erkennen, dass sie tatsächlich recht hatte. Er war schließlich derjenige, der anfing und mehr wollte – nicht sie. Aber das würde und dürfte sie niemals erfahren. „Ich sage es dir: Weil du es wolltest!“ Er wollte es genauso, weil ihn die hinterhältig überfallen hatte. Wie sie. Auch ihre Lust wurde, bedingt durch sein Handeln hervorgerufen. „Aber wenn du es ja nie wolltest, rate ich dir, zukünftig die Tür abzuschließen. So laufen wir nicht Gefahr, uns gegenseitig die Klamotten vom Leib reißen zu wollen.“

 

„Ich... wollte dir gar nicht die Klamotten vom Leib reißen.“ Ihre Stimme wurde immer leiser. „Du hättest vorher ja auch mal anklopfen können. Ist schließlich mein Bad, das ich großzügigerweise mit dir teile.“

 

„Großzügig? Zu mir jedenfalls nicht.“ Er beschloss in die Offensive zu gehen, weil er keine passenden Argumente gegen ihren Einwand darlegen konnte. „Aber vielleicht wolltest du ja auch, dass ich dich so vorfinde?“ Indessen trugen ihn seine Füße wieder zu ihr heran, da es ihm deutlich leichter fiel sie zu verunsichern, als ihr etwas anzutun.

 

„Ha! Das würde ich bestimmt nicht wollen“, versicherte sie ihm mit Nachdruck, währenddessen sich ihre Augenbrauen zornig zusammenzogen und die Wut wie Lava aus einem Vulkan aus ihr herausbrach. Und ja, wie wollte ihn schlagen – mit ihrer geballten Faust, was Vegeta mit einer einzigen Handbewegung verhinderte.

 

„Versuch es gar nicht, Onna. Du weißt, dass ich dich mit einem Hieb zu Boden bringen kann und das willst du ja angeblich nicht. Aber mittlerweile zweifle ich daran, weil du es immer wieder provozierst, dass wir auf dem Boden landen. Bedauerlich, nicht wahr?“

 

„Was ist bedauerlich?“, wollte sie empört wissen, angesichts dieser... dieser Behauptung.

 

„Es ist bedauerlich, dass wir so lange aneinander vorbeigeredet haben, wo es doch offensichtlich ist, dass wir dasselbe wollen.“ Er hatte ihr die Schamesröte ins Gesicht getrieben und es stand ihr erstaunlich gut, vor allem, weil er derjenige gewesen war, der die Röte in ihr hervorgerufen hatte.

 

Dass Bulma nur im Handtuch vor ihm stand, rückte immer mehr in Vergessenheit. Sie war zu wütend, um noch daran denken zu können. Auch, weil sie sein perfides Spiel durchschaute. Ja... Daher auch diese Andeutungen, dass nur nach seinen Regeln gespielte wurde, als er mürrisch den Gravitationsraum verlassen hatte. „Dasselbe?“, höhnte Bulma. „Mit dir garantiert nicht.“

 

Spürte der junge Prinz gerade einen Tobsuchtsanfall in sich aufkeimen? „Ach, mit Turles schon, oder?“ Wenn er daran dachte, wie das – was er gerade sagte – zur Realität werden könnte, verspürte er immer mehr das Bedürfnis, seine Wut zu entladen. „Ich wette, er wäre erfreut, wenn es das wüsste.“

 

„Es wäre besser, wenn du gehst, damit ich mich endlich umziehen kann“, forderte sie ihren persönlichen Störfaktor auf. Bulma würde nicht mehr darauf eingehen und ihm weiterhin eine Plattform bieten. Damit musste Schluss sein und noch mehr sollte sie aufhören, daran zu denken, wie es gewesen wäre, wenn sie unter ihm gelegen hätte. Woher kam dieses Verlangen bloß, sich ein solch perverses Szenario vorzustellen? Wollten ihre Hormone Bulma nun gänzlich strafen, weil sie offenbar nicht wusste, was sie wollte? „Vegeta, raus aus meinem Bad!“, wiederholte sie ihre Forderung, nachdem sie keinerlei Regung in seinem Gesicht und seinen Gebeinen wahrnahm.

 

„Ich gehe, Onna... Aber nicht nach draußen, sondern unter die Dusche.“ Scheiße, er musste die Oberhand behalten. Er war der Prinz. Er war der Stärkere, woraufhin er mit Bedacht seine Daumen unter den Bund seiner Short schob, um diese anschließend nach unten zu ziehen.

 

„Was soll das? Hör auf!“

 

„Womit?“, wollte er scheinheilig von ihr wissen, während seine Zunge geradlinig entlang seiner Lippen fuhr.

 

„Damit!“, entfuhr es Bulma entrüstet, deren Hand gezielt zu seiner Mitte deutete. Gleichzeitig hafteten ihre Augen abwechselnd auf seinem nackten Oberkörper und... seiner Short. „Du siehst doch, dass ich noch nicht fertig bin. Also, geh endlich!“ Nochmals würde sie ihn nicht bitten – das tat sie bereits, und was geschah? Nichts. Er honorierte ihre Bitte mit Ablehnung und Widerstand.

 

„Fein.“ Er zog es gar nicht in Betracht zu gehen. Nicht jetzt. „Ich gehe. Allerdings nicht alleine.“ Er ging zu der Ablage, auf der Bulmas Kleidung lag und nahm ihr Höschen. Anschließend sah er über seine Schulter zu ihr. „Kannst es ja nachher abholen, wenn du fertig bist.“

 

„Ich soll was?“ Nein, das würde sie bestimmt nicht!

 

„Hast mich schon verstanden.“ Nachdem er seinen Kopf zurückgedreht hatte, nahm er im Augenwinkel ihren Ansturm auf ihn wahr. Seine geschulten Reflexe handelten sofort. Unweigerlich drehte er sich zu ihr, umfing ihre ausgestreckten Hände und drehte sich mit ihr zur Wand, wodurch sie mit ihrem Rücken gegen die Fliesen stieß und aufstöhnte. Das interessierte ihn jedoch herzlich wenig. Stattdessen schob er sein Bein zwischen ihre, sodass ihr Fluchtweg abgeschnitten war. Parallel hob er zwei seiner Finger nach oben und zum Vorschein kam etwas hauchdünnes, doch bevor er es vor Bulmas Augen hielt, entfaltete er das zusammengedrückte Bündel, sodass es von seinem Zeigefinger herabbaumelte – direkt vor ihrer Nase. „Onna, was war denn das? Du beschwörst solche Situationen doch absichtlich herauf, hab ich recht? Dabei habe ich dir doch eben zu erklären versucht, dass du nur -“

 

„Gib mir -“

 

„Das hier?“ Dank seiner Kraft schaffte er es mühelos, ihre Hände mit einer Hand über ihrem Kopf zusammenzuhalten. „Wieso? Der Gedanke, du würdest ohne dieses störende Teil in mein Zimmer kommen, macht mich wahnsinnig. Du kannst dir gar nicht ausmalen, wie wahnsinnig es mich machen würde.“

 

„Du bist widerlich, weißt du das?“, knurrte sie ihm ungehalten entgegen. Bulma war gefangen in seinen Fängen. Verzweifelt versuchte sie, sich zu befreien, aber auch hieran scheiterte sie kläglich. „Ein widerwärtiger Saiyajin – nichts weiter.“ Ob es taktisch klug war, ihn zu provozieren, obwohl sie körperlich nicht im Stande war, sich gegen ihn zu wehren? Nein, aber in Momenten der Hilflosigkeit griff man zu ungewöhnlichen Maßnahmen, von denen man sich Erfolg erhoffte. Bulma musste erfolgreich sein – vor allem, nachdem sie spürte, wie seine Brust gegen ihre stieß und es nur dem hinderlichen Stoff – der nicht mehr fest saß – zu verdanken war, dass... dass sie … nicht nackt unter ihm lag.

 

Oh Gott, hoffentlich hörte das bald auf. Hoffentlich verschwand er bald.

 

„Wenn das so ist, dann -“ Eingenommen von der Situation, war Vegeta auf dem besten Weg, seinem Verlangen nachzugeben. Nichts wollte er in diesem Moment mehr, als mit ihr zu schlafen. Er wollte es unbedingt. Jetzt. Vegeta wiederholte den Prozess von eben, als sie noch vor ihm auf dem Waschbecken saß. Wieder verschwand seine Hand, nachdem er ihr Höschen achtlos fallen gelassen hatte, unter ihrem Handtuch – doch dieses Mal schob er den Stoff nach oben. Nichts hielt ihn auf. Nicht ihre Vehemenz, einfach gar nichts. Unterdessen erklommen seine Finger ihre feuchten Oberschenkel... Hinzu kam die ungebremste Lust, die er nicht mehr aufhalten konnte. Oh nein, er konnte sich nicht mehr halten – in keinster Weise. Gesteuert von seinen Trieben, presste Vegeta seine Lippen abschließend hemmungslos auf ihre, wonach er übergangslos von ihrem süßlichen Geschmack eingenommen wurde – ohne zu merken, dass sich eine gewaltige Gewitterwolke über ihm zusammenbraute.

 

Und der Donner ließ nicht lange auf sich warten, denn die Tür zum Bad wurde ungefragt geöffnet.

 

„Bulma, Kind, du kannst dir nicht vorstellen, wer -“ Augenblicklich verstummte Doktor Briefs. Seine fröhlich klingende Stimmlage verschwand, als er die Situation erkannte, in der er seine Tochter vorfand. Vor ihm bot sich ein Bild, von dem er stets gehofft hatte, es nie sehen zu müssen. Es war ein Bild des Grauens und er wusste, als König Vegeta ihn darum bat, seinen verzogenen Sohn aufzunehmen, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Er hatte damals Bedenken – starke Bedenken, doch hatte der König keine Widerworte geduldet. Er hatte entschieden und Bulmas Vater hatte gehorcht.

 

Aber es war vorbei. Nicht länger würde Doktor Briefs die Anwesenheit dieses... dieses Saiyajins erdulden. Egal, was der König sagen würde.

 

„Vegeta“, knurrte der ältere Saiyajin erbost. „Nimm deine Hände von meiner Tochter!“, kam es im Anschluss brüllend aus seinem Mund, ehe er nach den nackten Schultern des Prinzen schnappte und diesen hasserfüllt zur Seite stieß, während Bulma zurückweichen und sah, wie der Hass in den Augen ihres Vaters aufloderte.

 

„Papa, nicht!“ Aufgeschreckt hob sie ihre Hand, um ihren Vater zu beruhigen. So wütend hatte sie ihn in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen und es machte ihr Angst. „Bitte, lass... lass ihn los“, stotterte sie und hielt mithilfe ihrer Hand das locker sitzende Handtuch fest.

 

„Nein!“, herrschte er seine Tochter an. „Panchy, bring mir sofort das Telefon!“ Ununterbrochen sah er währenddessen in Vegetas erblasstes Gesicht, den Bulmas Vater zwischenzeitlich zwischen sich und der Wand gefangen hielt. Dass Vegeta sehr viel stärker als er selbst war, ignorierte er konsequent. Es schien auch Vegeta entfallen zu sein, dass er der Stärkere war, da er die Situation widerstandslos akzeptierte und sich unterordnete. Nicht einmal Bulmas Blick konnte er erwidern, da er verstört in das Gesicht eines besorgten Vaters sah...

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Ein guter Rat ist wie Schnee. Je sanfter er fällt, desto länger bleibt er liegen.

- Simone Signoret


 

 
 

~*~

 

- Kapitel fünfzehn -

 

 

 

Seit mehr als zwanzig Minuten stand Bulma fassungslos im Türrahmen, welcher die Küche vom Flur trennte. Hinter ihr befand sich ihre Mutter, deren Hand nervös auf Bulmas Schulter platziert worden war, während ihr Vater ungeduldig am Küchentisch saß und seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die junge Frau angezogen, nachdem Doktor Briefs sie mit Vegeta in einer verfänglichen, gar nicht missverständlichen Situation erwischt hatte und die Hölle über sie hereingebrochen war. Es gab nichts falsch zu verstehen und alles bloß, weil ihr Vater – wie ihre Mutter zuvor – ins Bad kommen wollte, um ihr etwas zu sagen, aber nicht einmal das hatte sie in der Aufregung in Erfahrung bringen können, weil alles so schnell gegangen war.

 

„Papa“, zwang Bulma sich zu sagen und stoppte kurz, als die wutverzerrte Mimik ihres Vaters ihren Blick traf. Sie erkannte die Wut in seinen zusammengezogenen Augen deutlich und nie hatte er so zornig zu ihr gesehen. Nicht in den schrecklichsten Diskussionen, die spätestens beim Mittagessen immer wieder vergessen waren, eben weil ihr Vater kein nachtragendes Wesen war. Zwischen Vater und Tochter hatten, im Bezug auf physikalische Gesetze und dergleichen oft Streitigkeiten geherrscht, aber gerade jetzt blickte er enttäuscht zu ihr. Ganz deutlich hatte die junge Frau jene Enttäuschung in seinem Gesicht ablesen können. „Papa, bitte. Es... ist gar nicht so, wie du wahrscheinlich denkst.“

 

Natürlich nicht. Wie sonst hätte ihr Vater die Situation deuten sollen, nachdem er sie halbnackt im Bad vorfand? Schließlich war das keine alltägliche Sachlage.

 

„Du hast das alles missverstanden, und -“

 

„Hör auf, ihn zu verteidigen, Bulma. Es gibt nichts, worüber wir noch diskutieren müssten“, informierte dieser seine Tochter missgestimmt, ehe er den über den Boden kratzenden Stuhl nach hinten schob, aufstand und neben Bulma inne hielt – allerdings im Anschluss zur Treppe ging, wo seine Hand spannungsgeladen auf dem Geländer landete und seine Finger ungeduldig auf das Holz tippten.

 

„Aber Papa, ich -“

 

„Vegeta!“, rief er – ohne Bulma zuzuhören – nach oben. „Beeil dich.“

 

Mit herabgesenkten Schulter und einem nach unten gerichteten Blick rieb sich Bulmas Hand über ihren anderen Oberarm. Sie müsste es wieder versuchen – solange, bis ihr Vater zuhörte. „Nochmal. Ich sollte dir die Umstände erklären, dann würdest du erkennen, dass du die Situation missverstanden hast. Wir -“

 

„Es reicht, Bulma. Wirklich“, ermahnte der alte Saiyajin mit erhobener Hand. Man sah ihm an, dass er nicht länger darüber reden wollte.

 

Gut, ihr Vater wollte partout nicht zuhören, seinen Willen durchsetzen und weiterhin daran glauben, dass Bulma ihn schützen wollte, was nicht abwegig war. Dennoch fühlte sie sich mitschuldig, weshalb sie Schadensbegrenzung leisten und Vegeta aus der immer enger werdenden Schlinge ziehen wollte. Kurzum neigte sie ihren Kopf zur Seite und sprach flüsternd zu ihrer Mutter: „Mama, bitte, du musst mir glauben und Papa verständlich machen, dass er sich irrt.“ Doch zog ihre Mutter es vor, ihr nicht zu antworten und zur Treppe zu sehen – was auch Bulma tat, nachdem sie Panchys Blick gefolgt war und am oberen Treppenabsatz die Stiefel erkannte, die Vegetas Anwesenheit erahnen ließen. Schleppend waren ihre Augen den Schritten hinab gefolgt, da auch Vegeta sie keines Blickes würdigte, geschweige denn das Wort an sie oder sonst jemanden richtete. Er zog es nicht einmal in Betracht, sich selbst zu verteidigen – vermutlich, weil er ebenso wusste, wie vergebens es wäre, ihren Vater vom Gegenteil zu überzeugen. Stattdessen trottete er tonlos hinab, hielt in einer Hand seine gepackte Tasche und blieb – noch immer sprachlos – vor Doktor Briefs stehen, dessen Blick er ausweichen wollte.

 

Sie alle bemerkten den Zwiespalt und doch war niemand fähig, vorerst etwas zu sagen – bis der alte Saiyajin beschloss, alles unter Dach und Fach zu bringen.

 

„Du hast mich enttäuscht, Vegeta“, offenbarte der alte Erfinder, während er sich im Geländer festkrallte um sicherzustellen, dass er den Jüngeren nicht niederschlug. „Um es mit den richtigen Worten zu sagen: Ich bin fassungslos, hinsichtlich deiner Durchtriebenheit.“

 

Kommentarlos nickte Vegeta ihm zu, hob seinen Blick und entschied, die weiteren treffenden Worte stumm zu erdulden. Was sollte er auch sonst tun? Er hatte genug Probleme damit, gegen Doktor Briefs' Enttäuschung anzukämpfen, da dies etwas war, was ihn... nun... nicht verletzte, aber härter traf als jeder Faustschlag. Enttäuschungen bedeuteten, dass man gescheitert war. Dass man versagt hatte und es nichts gab, was den Zustand ändern konnte. Vegeta verachtete sich diesbezüglich so sehr, dass er am liebsten gegangen wäre, aber er wartete... Er wartete auf weitere Worte, auf weitere Schuldzuweisungen und auf den erwarteten Schlag, den er verdient hatte. Zudem war ihm sonnenklar, was ihn erwartete, sobald er den Palast betrat und seinem Vater gegenüberstand.

 

Er konnte den König bereits toben hören. Wie unfähig sein einziges Kind doch war. Welch eine Schande Vegeta wäre, da er schon auf Namek gescheitert war, als er die Dragonballs beschaffen sollte.

 

Es waren Sätze, die Vegeta kannte. Allerdings bot seine jetzige Verfassung eine gute Angriffsfläche, da er schon am Boden lag – geschwächt und getroffen von Doktor Briefs' Enttäuschung.

 

„Ich hatte gehofft“, holte der alte Mann weiter aus, „dass ich zu dir durchringe – einem stählernen Panzer, den man mit Herzlichkeit und Güte bremsen könnte, aber noch immer vergesse ich, dass du ein Saiyajin bist – einer der schlimmsten, die ich bisweilen erleben musste.“ Er konnte die Emotionen gar nicht alle in Worte fassen, was Vegeta anbelangte. Er hatte immer gehofft, in dem Jungen doch etwas wie eine verlorengegangene Seele zu finden, aber er irrte sich gewaltig. „Obwohl ich dir ein Dach über dem Kopf gegeben habe, dich trotz des Misstrauens meiner Familie an deren Leben teilgenommen lassen habe, habe ich – ungeachtet meines Gerechtigkeitssinn – meinen Willen durchgesetzt und dich aufgenommen. Ich wollte dir ein Leben zeigen, das dich erkennen lässt, wie gut es dir in Wirklichkeit geht. Ich hatte Erwartungen“, fuhr er nahtlos und mit erhobener Hand fort. „Logisch, du hattest die auch, als du gezwungen wurdest, zu uns zu kommen.“

 

„Papa, ich -“

 

Aber er sprach einfach weiter, ohne seiner Tochter zu antworten: „Ich habe über deine herablassende Art hinweggesehen, weil du nichts anderes kennst als die Extreme. Ich habe dir Freiheiten gelassen und alles, was ich dafür verlangt habe, war, dass du lernst, Verantwortung zu übernehmen. Das, Vegeta, war alles, was ich wollte. Ich habe gar keine Dankbarkeit erwartet, aufgrund dessen, dass dir sowieso alles an deinem königlich privilegierten Hintern vorbeigeht. Auch habe ich mit Widerstand gerechnet, aber das... das, was ich eben sehen musste, hätte ich am allerwenigsten erwartet.“ Seufzend, weil der Verrat unermesslich groß war, trat er näher an den Königssohn heran, er biss sich auf die Lippen, als er seine Hand heben und diese auf Vegetas Schulter legen wollte, sich letztendlich aber dagegen entschied. „Ich weiß, dass du der Prinz dieses Planeten bist und irgendwann mein König sein wirst – dem ich Loyalität schwöre. Aber“, ergänzte er mahnend, „ich werde all das vergessen und meine Ideale über Bord werfen, wenn meine Familie Schaden davonträgt.“ Anschließend schmunzelte er. Er konnte nicht anders, da ihm bewusst war, dass Vegeta – sobald er das Haus verlassen hätte – darüber lachen würde. „Obzwar ich die ganze Zeit gehofft hatte, dass du lernst, Verantwortung zu übernehmen. Wirklich, ich hatte es inständig gehofft, dass du baldmöglichst lernst, was es heißt, für seine Familie – sowie für sein Volk – Verantwortung zu übernehmen. Ich zum Beispiel“, bemerkte er abschließend, „übernehme Verantwortung, indem ich meine Tochter vor dir schütze und dich nach Hause schicke, ganz gleich, welche Konsequenzen ich daraus ziehen werde.“

 

Das... Das konnte und wollte Bulma nicht mehr hören. Energisch stieß sie sich vom Türrahmen ab, marschierte zu ihrem Vater und blieb aufgeschreckt stehen, als Vegeta zu ihr sah – seine stille Bitte, nicht näher zu kommen, akzeptierte und sprach: „Papa, du musst mir jetzt zuhören.“ Denn das, was er Vegeta vorwarf, entsprach nicht der Wahrheit, wenngleich der Zeitpunkt günstig war, Vegeta noch mehr in die Bredouille zu bringen. „Er hat mir zu keinem Zeitpunkt Schaden zugefügt.“ Die Chance war so greifbar. Bulma hätte ihrem Vater davon erzählen können, welches Tohuwabohu er im Wald angerichtet hatte, als sie Turles nach drei Monaten zum ersten Mal sah und so sehr sie ihn eigentlich auch hasste, Bulma konnte ihm die alleinige Schuld nicht zuweisen. „Das versichere ich dir.“

 

Wieder erhielt sie keine Antwort, woraufhin sie – Vegetas Blick ignorierend – erneut auf ihren Vater zugehen wollte, im selben Augenblick jedoch bemerkte, dass auch Vegeta eine Treppenstufe hinab getreten war, um sie notfalls eigenhändig am Weitergehen zu hindern.
 

Wieso auch immer er das tat? Schützen wollte er sie mit Sicherheit nicht.

 

„Verdammt, das musst du mir glauben!“ Freudlos wandte sie sich an ihre Mutter, deren Gesichtsausdruck sie nicht deuten konnte. War es Verwirrung, was sie in Panchy Briefs' Gesicht erblickte? War es Unglaube oder war es, angesichts der Situation pure Verzweiflung? „Mama, bitte! Sag doch etwas.“

 

Wieso erwiderte ihre Mutter nichts? Wieso wandte sie sich kopfschüttelnd ab, um in der angrenzenden Küche zu verschwinden?

 

„Ich würde dir gerne glauben, Bulma, aber es ist zu spät. Ich hab den König bereits kontaktiert, der wiederum umgehend gehandelt hat und zwei Soldaten ausgesandt hat.“ Folglich wollte er nach Vegetas Tasche greifen, dem Schnösel symbolisieren, dass er draußen warten konnte, doch hatte seine Tochter ihn zurückgehalten, die schweigsam an ihn herangetreten war und ihre Hand auf seinem Rücken positioniert hatte. „Ich muss das unterbinden, Bulma. Ich muss“, betonte er.

 

„Wieso? Wieso musst du das unterbinden?“ Anscheinend schenkte er ihr endlich Gehör, was die blauhaarige Saiyajin nutzte. „Was ist los, Papa?“

 

„Das verstehst du nicht.“

 

„Dann erkläre es mir?“, erwiderte sie ruhig, die Hand noch immer auf dem Rücken ihres Vaters.

 

„Das ist kompliziert, Bulma. Es gibt Dinge, die älter sind als wir alle zusammen. Dinge, die du nicht verstehen kannst!“

 

Mit dieser nichtssagenden Aussage wollte Bulma sich nicht abspeisen lassen. Lange genug hatte sie sich zurückhalten und akzeptieren müssen. Die Zeiten der Lügen, der Vorenthaltungen und der Geheimniskrämerei mussten vorbei sein. „Ich möchte wissen, was los ist. Dass wir – Vegeta und ich – eure Marionetten waren, das war mir schon lange klar, aber ich möchte endlich den Grund für euer Spiel erfahren.“ Sie war seit Vegetas Frage nach ihrem Dragonradar misstrauisch geworden. Die unbekannten Koordinaten hatten ihre anfängliche Skepsis nur verschlimmert. Warum interessierte man sich für eine Gerätschaft, die der Technik der Saiyajins weit hinterher hinkte? „Was haben wir damit zu tun? Und... wieso warst du so interessiert daran, dass ich den Dragonradar modifiziere?“ Es musste mit diesem Planeten zusammenhängen, den Bulma nicht kannte. Andernfalls hätte ihr Vater sie nie gedrängt, den Radar fertigzustellen.

 

„Eine ganze Menge haben wir damit zu tun, Onna.“

 

Ihr Kopf wirbelte zu Vegeta herum, aber sie sprach nicht, sondern wartete auf seine Weiterführung der Erzählung, die offensichtlich noch nicht zu Ende war.

 

„Die Koordinaten, die dir und Kakarott angezeigt wurden, gehören zum Planeten Namek – ein trostloser, in unserer Umlaufbahn liegender Planet, den ich, Radditz und ein weiterer Komplize aufsuchen mussten.“

 

„Weil?“, fragte sie kritisch.

 

„Weil“, begann er schildern, „wir die namekianischen Dragonballs meinem Vater übergeben sollten. Dein Radar, die Rückkehr hierher -“ Vegeta schluckte, bevor er die nächsten Worte aussprach. „Ich bin verantwortlich dafür, dass ihr zurückkommen musstet, weil ich versagt habe und keine einzige Kugel mitgebracht habe.“

 

„Deswegen?“ Ungläubig sah Bulma zu ihrem Vater, der Vegetas Worten gelauscht hatte. „Wegen den Dragonballs und meinem Radar? Das ist der lächerliche Grund, dass wir alles, was wir uns auf der Erde aufgebaut haben hinter uns gelassen haben?“ Bulma dachte, ihre Eltern – speziell ihr Vater – wären klüger gewesen. Sie dachte stets, dass ihre Eltern nie von Profit oder der Macht getrieben wurden. „Das ist nicht wahr. Sag mir, dass das nicht wahr ist, Paps!“ Peu à peu konnte Bulma das unüberschaubare Puzzle zusammenfügen. Sie fing an, die zuvor unerklärlichen Zusammenhänge zu verstehen.

 

„Doch“, nickte ihr Vater anhaltend. „Es ist wahr.“

 

Verstört schüttelte Bulma ihren Kopf, während sie ihre Gedanken sortierte. „Der König sagte mir – nachdem man uns erwischt hatte –, dass er dir vor einundzwanzig Jahren die Erlaubnis gab, zur Erde zu reisen, aufgrund deiner Neugier. Das war gelogen, nicht wahr?“ Nicht mehr Vegeta oder sie waren der Mittelpunkt, sondern der König und ihr Vater, die hinterrücks agierten und nicht davor zurückschreckten, ihre Kinder zum eigenen Zweck zu benutzen. Aber der Zweck heiligte nun mal nicht die Mittel, verflucht.

 

„Doch, nachdem ich um die Reise bat, wurde mir mein Wunsch gewährt – angeknüpft an die Bedingung, jederzeit zurückzukehren, sofern dies verlangt wird und nach einundzwanzig Jahren kam der Zeitpunkt.“

 

„Und? Hast du ihm von den irdischen Dragonballs erzählt?“ Wenn ja, wäre die Erde in großer Gefahr, wenn es Vegeta schon nicht gelungen war, die namekianischen Dragonballs zu beschaffen.

 

„Nein.“

 

Währenddessen war Vegeta hellhörig geworden. Ihre Aussage, bezüglich der irdischen Dragonballs, wäre seine Lebensversicherung, da sein Vater nichts von deren Existenz wusste. Man hatte ihre Familie lediglich zurückgeholt, um mithilfe eines Radars die namekianischen Wunschkugeln aufzuspüren – nicht die irdischen...

 

Ob diese genauso mächtig wie die unauffindbaren Kugeln auf Namek wären? Scheißegal, Vegeta wusste etwas, das seinem Vater nützlich wäre und für diese Information über Vegetas Rausschmiss hinwegsehen würde. Schlussendlich könnte man sowohl die irdischen, als auch die namekianischen Dragonballs zusammentragen, um herauszufinden, welche die mächtigeren waren. Mittels Radar wäre das schließlich das kleinste Problem.

 

Eine andere Möglichkeit wäre, sollte er verbannt werden, selbst die Erde zu bereisen und die dortigen Kugeln ausfindig zu machen.

 

„Allerdings sind die Dragonballs das allerwenigste, was dich interessieren sollte“, informierte Doktor Briefs seine Tochter. „Es geht einzig und alleine darum, dass Vegeta gehen muss. Bulma“, flüsterte er kompromisslos, als er ihren protzigen Ausdruck bemerkte, „er gehört nicht in unsere Welt, die weit abseits des Palastes liegt.“ Auch er war – wie der König und womöglich Vegeta selbst – an den Eigenschaften des jungen Prinzen gescheitert. Vegeta würde sich stets selbst im Weg stehen, weshalb Bulmas Vater einen zeitnahen Untergang des Planeten erahnte, wenn Vegeta den Thron besteigen würde. Dieser latenten Gefahr wollte er zuvorkommen, seine Familie in Sicherheit bringen und darauf hoffen, irgendwann in Vergessenheit zu geraten – um somit einer späteren Rache zu entkommen.

 

Und Bulma verstand endlich, was Turles' Worte bedeuteten. Sie wusste, wieso mit Vegeta alles stehen und fallen könnte... Aufgrund der Gebundenheit, die der König infolge der Thronbesteigung seinem Volk gegenüber einging, benutzte er seinen Sohn um seine schäbigen, niederträchtigen Machenschaften zu verfolgen. Vegeta war – wie jeder andere Saiyajin – eine Schachfigur gewesen. Auch ihr eigener Vater war in diesen Strudel der Kriminalität hineingeraten. Jeder Saiyajin hatte seine Seele verkauft, weil sie dem jetzigen Regent dienten. „Tze, sind das deine Worte, oder die des Königs, der seinen Sohn strafen will – indem er ihn einer Welt aussetzt, die er gar nicht kennt und der er logischerweise misstrauisch entgegentritt?“

 

„Was willst du damit sagen?“

 

„Dass du – wie der König auch – nur nach einem passenden Grund gesucht hast, Vegeta nach Hause zu schicken.“ Sie konnte es nicht fassen, dass sie Partei für einen Saiyajin ergriff, den sie vor kurzem noch loswerden wollte. Aber Bulma verspürte Mitleid mit Vegeta, weil er wie sie ausgenutzt wurde. „Wird es euch zu ungemütlich, entledigt ihr euch einfach dem Problem, indem ihr es wie Müll wegwerfen wollt. Aber Überraschung, Paps, der Müll verschwindet nicht einfach.“
 

„Bulma, wie redest du mit deinem Vater? Ich erkenne dich -“

 

„Nein“, stoppte Bulma den Wortlaut ihrer Mutter, die zurückgekehrt war und scheinbar ihre Stimme wiedergefunden hatte. „Nicht ihr erkennt mich nicht mehr, sondern ich erkenne euch nicht mehr“, konterte sie unverblümt weiter, angesichts ihrer angestauten Wut, die sie im Bauch verspürte. Nicht nur, dass man ihr zweiundzwanzig Jahre – weshalb auch immer – ihre wahre Herkunft verschwieg, nein, eine weitere Kerbe, verursacht durch einen zweiten, massiven Vertrauensbruch wurde ins Holz geschlagen und dann sprach ihr Vater von Zusammenhalt? Ha, wäre es nicht so verdammt traurig, hätte Bulma Tränen gelacht.

 

Jedoch wurde ihr wieder einmal bestätigt, dass man niemandem trauen durfte, denn selbst der Schatten einer weißen Rose war schwarz – in ihrem Fall sogar pechschwarz.

 

Ihre sonst so liebevollen Eltern waren verschwunden und zum Vorschein kamen die unzähligen Lügen. Wer wusste, inwiefern man sie noch belogen hatte? Bulma fühlte sich ihren Eltern so fremd. Ja, im Grunde standen plötzlich zwei Fremde vor ihr und seltsamerweise fühlte sie sich Vegeta gegenüber sehr viel verbundener, bezüglich desselben Schicksals. Nun verstand sie seine Vehemenz. Sie konnte nachvollziehen, wieso er so gemein und hinterhältig war – weil er vor Bulma erkannte, dass man niemandem trauen konnte. Sie konnte verstehen, weshalb er kühn und arrogant wirkte. Weil er musste. Ähnlich wie sie, hatte sich auch Vegeta eine perfekte Maske angeeignet und schließlich war die Maske der einzige Teil des Gesichts, den man sich selbst aussuchen durfte.

 

„Schluss Bulma. Genug!“, schimpfte ihr Vater und wandte sich kurz von Vegeta ab. In seinem Haus war das Chaos ausgebrochen. Imaginäre Scherben lagen auf dem Boden und er war sich fast sicher, diese nicht mehr auffegen zu können.

 

„Nein, Paps. Für dich ist Schluss, weil du scheinbar die Wahrheit nicht verträgst.“ Es tat weh, mit ihrem Vater diese Art der Konversation zu führen, obwohl sie beide immer ein inniges Verhältnis hatten, worauf Bulma immer so stolz gewesen war. „Du sagst, du bist von Vegeta enttäuscht?“ Sie wartete, ob eine Reaktion folgte, aber Bulma fuhr resigniert fort: „Weil er ehrlich war? Nun... Dann ist er euch beiden“, erweiterte sie ihre Aussage anklagend, „einen großen Schritt voraus.“ Ferner warf sie einen letzten Blick zu ihm – zu ihrem Leidensgenossen, ehe sie sich umdrehte und bloß noch an die frische Luft wollte, da sie das gesagt hatte, was ihr auf der Seele brannte.

 

Nichtsahnend, dass Vegeta ihr zur Tür gefolgt war, nachdem er die Tasche zu Boden fallen ließ und wortlos an ihrem Vater vorbeigegangen war. Es war zwar nicht sonderlich klug, vor den Problem wegzulaufen, aber in diesem Moment wusste Bulma sich nicht anders zu helfen. Weitere Lügen, weitere Ausreden... Das wollte sie nicht mehr hören. Dennoch wurde sie an der Tür zurückgehalten, als sie nach der Türklinke greifen wollte, die ihr die ersehnte Freiheit brachte, sobald sie die Tür geöffnet hätte.

 

„Onna, was soll das?“ Die ganze Zeit hatte er ihr zugehört – wohl zum ersten Mal richtig zugehört – und er war... nun... Vegeta war beeindruckt von ihr. Er war, angesichts der Worte die sie gewählt hatte, überwältigt gewesen, da er zuvor noch nie Zuspruch von jemandem erhalten hatte.

 

„Ich... weiß es nicht“, gestand sie schluchzend, weil sie es sich selbst nicht erklären konnte, dass sie für diesen Sadisten einstand. „Ich hab keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet dir beistehe, Vegeta!“

 

Er wusste es auch nicht und trotzdem musste er lächeln. „Hat dir nicht wirklich gefallen, mir beizustehen, was?“

 

Nein, ihr hatte es nicht gefallen, aber was spielte das für eine Rolle? „Wieso sagst du nichts dazu? Wieso lässt du das über dich ergehen?“, wollte sie stattdessen wissen, weil sie in Erfahrung bringen wollte, woher er die Stärke nahm.

 

Darauffolgend beugte er sich nach vorne, damit nur sie ihn hören konnte. „Weil ich es getan hätte und dein Vater recht hat. Ich wäre bis zum Äußersten gegangen und ich hätte auch – ohne mit der Wimper zu zucken – mit dir geschlafen. Deshalb, Onna.“ Er wollte sie schlichtweg nicht in Bedrängnis vor ihren Eltern bringen, weil... weil es eben so war. Im Anschluss war er derjenige, der die Tür öffnete um der Situation zu entkommen, denn noch immer hatte sie nicht verstanden, dass nicht er der Starke war, im Bezug auf die Anziehung, welche sie auf ihn ausübte. Vegeta war es bestimmt nicht, sondern sie. Sie hatte Mut bewiesen, als sie sich gegen ihre eigenen Eltern auflehnte.

 

Allerdings warteten die Soldaten seines Vaters bereits vor der Tür auf ihn, wie ihm unmissverständlich klar geworden war, als er die zwei Schergen entdeckte. Demzufolge blieb ihm nicht mehr genügend Zeit, um ihr weiteres zu erklären, da beide Hünen das Wort an ihn richteten.

 

„Königliche Hoheit, seid Ihr fertig?“
 

„Bin ich, ihr jämmerlichen Trottel“, antwortete Vegeta. Stolz stand er neben Bulma im Türrahmen, die sich nicht an den Riesen vorbeizwängen wollte. Ehe er sich allerdings dazu entschied, von dannen zu ziehen und seinem Schicksal entgegenzutreten, drehte er sich noch einmal zu Bulma, denn eins hatte er gelehrt – nicht mehr davon zu laufen. Abschließend, bevor er ging, wanderten seine Augen von ihren Beinen hinauf zu ihrem Gesicht, das er sich einprägen wollte. Im Anschluss hielt er ihr seine Hand entgegen, die Bulma nahm und schüttelte.

 

Es überraschte ihn, dass sie nach seiner Hand gegriffen hatte, doch sagte er nichts, sondern zog seine Hand zurück und kehrte dem Haus, das in den letzten Tagen – auch dank Bulma – zu einem wahren Zuhause geworden war den Rücken zu.
 

Bulma indes blickte verwundert in ihre Hand hinab, nachdem auch die beiden Hünen in der Luft verschwunden waren. Ein kleiner, in dem Moment unbedeutender Zettel lag auf ihrer Handinnenfläche, welchen sie schnell entfaltete – ganz gleich, ob ihre Eltern anwesend waren. Heute war soviel passiert, was erheblichen Einfluss auf sie hatte. Unmöglich hätte sie warten können, bis sie alleine wäre. Hastig klappte sie den Zettel auf und las die seltsamen Symbole...
 

Resignation folgte, als ihr aufging, dass es sich hierbei um die saiyajinische Schrift handelte, woraufhin ihre Freude und Euphorie getrübt wurde. Ja... das sah Vegeta ähnlich, sie selbst in diesem Augenblick auf die Schippe zu nehmen. Traurig zupfte sie weiter an dem Papier, bis eine weitere Seite aufgeklappt wurde und sie Worte sah, die sie tatsächlich entziffern konnte.
 

Jeden einzelnen Buchstaben besah sie sich... Und... sie konnte den Satz lesen. Vegeta hatte ihn auch in ihrer Sprache aufgeschrieben.
 

Ich habe gelogen, Onna...

Rache war eines der letzten Dinge, an die ich dachte.
 

Was? Was tat er nicht aus Rache? In der Hoffnung, in der Ferne, in der Vegeta verschwand, Antworten zu finden, sah sie rasch nach oben, doch die Ausbreitung enormer Glücksgefühle in ihrem Körper nahm ihr die Sicht auf das Wesentliche, als sie in ein lächelndes Gesicht sah, das aus dem Nichts aufgetaucht war.

 

 
 

~*~
 

Vegeta verschwendete zu viele Gedanken daran, was passieren könnte, wenn er durch das große Tor marschierte, vor welchem er seit geraumer Zeit umher tigerte. Noch wichtiger und präsenter war die Frage, ob es richtig war, ihr diesen Zettel, den er in der Eile geschrieben hatte, während er seine Tasche packte, in die Hand zu drücken.
 

Der seichte Engel auf seiner Schulter bejahte sein Verhalten, der Teufel dagegen, der so monumental und gigantisch wirkte und den Engel überragte, war in Rage. Ja, wie konnte er sich dazu herablassen, ihr etwas so derartig unechtes zukommen zu lassen? Glauben würde sie ihm sowieso nicht. Himmel nochmal, Vegeta selbst glaubte sich nicht einmal, dass er das schrieb. Viel mehr erschreckte ihn sein agonistisches Verhalten. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Packte ihn die Angst? Wenn ja, was war das für eine Angst, die er nicht kategorisieren konnte? Fakt war, dass er dieses Mädchen nicht kannte – woher auch? Sie kannten sich seit kurzem und doch war es, als würde er sie schon ewig kennen, als... als wären sie miteinander verwachsen, wie die unzähligen Wurzeln, die schlussendlich eins waren und zu einem einzigen Baum gehörten.
 

Ach, Unsinn! Sollte er sie jemals wieder sehen und sie es wagen sollte, ihn darauf anzusprechen, würde er alles abstreiten. Punkt.
 

Entschlossen legte er beide Hände auf das Tor, das nachgab und sich öffnete. Durch den Spalt konnte er seinen Vater sehen. Wieder stand er vor der großen Fensterscheibe und überblickte sein Reich, das Vegeta mittlerweile insgeheim Sklavenvolk nannte. Nichts anderes waren sie... Kleine Insekten, die man mit einem einfachen Tritt zerquetschen und auslöschen konnte. Mit hoher Sicherheit konnte Vegeta hinzufügen, dass sein Vater allerdings noch die bestialische Methode vorzog und genüsslich dabei zusehen würde, wie die Gliedmaßen der Insekten brachen und das Blut aus ihrem Körper floss. Neben seinem Vater, je näher Vegeta kam, erkannte er seinen königlichen Berater Akira, welcher auch zuerst zu Vegeta aufsah und sich ehrfürchtig verbeugte.

 

„Vegeta, ich bin erfreut, Euch wohlbehalten zu sehen.“ Er kam mithilfe seiner Gehilfe auf Vegeta zu, doch er winkte ab um ihm klarzumachen, dass Akira sich nicht die Mühe machen musste, auf ihn zuzugehen.

 

„Akira, du scheinst der einzige zu sein, der sich über meine Anwesenheit erfreut“, erwähnte er gehässig, nachdem er das Profil seines Vaters studiert hatte, „aber immerhin etwas, nicht wahr?“

 

„Tze“, schnalzte der König verächtlich mit der Zunge, bevor er knurrend hinzufügte: „Du hast deine vorlaute Klappe behalten – wie bedauerlich.“ Parallel warf er seinen königlichen Umhang zur Seite, um sich seinem Sohn zuzuwenden, dem er anhand seiner Blicke zu verstehen gab, wie abstoßend er ihn in diesem Moment fand. „Aber was wundere ich mich noch? Du spuckst ja grundsätzlich auf das, was einen Saiyajin ausmacht, richtig?“ Abschätzig betrachtete er seinen Erben und ein weiteres Detail fiel ihm auf, was ihn zusätzlich erzürnte. „Und wo ist deine königliche Uniform, Vegeta?“

 

„Wozu? Die brauche ich doch sowieso nicht mehr, wenn ich mich richtig an unser Gespräch erinnere, in dem du mir gedroht hast, mich zu verbannen?“ Die Worte schmerzten ihn. Immer, solange er denken konnte, war ihm seine Abstammung heilig. Sie stand über allem. Dessen ungeachtet hatte er so oft betont, wer er war. Dass er, er alleine, der Prinz der Saiyajins war und diese Aussage, so erinnerte er sich, hatte ihm viele Türen geöffnet. Nur war Vegeta dumm genug diese Türen oftmals nicht zu nutzen, weil er daran zog, statt zu drücken – ha, wie passend das Wortspiel doch im Bezug auf den jetzigen Zustand war. „Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass ich meinen Umhang nicht mehr benötige, oder habe ich auf anderen Planeten diplomatische Immunität?“

 

„Man hat dir wohl nicht genügend Anstand beigebracht, Junge.“ Sein Lachen erstarb augenblicklich, nachdem er seinem Sohn direkt ins Gesicht sah. Blanker Hohn strahlte ihm entgegen, was König Vegeta nur noch mehr aufregte. „Was soll diese hirnrissige Frage? Natürlich hast du diese nicht, was dich hoffentlich nicht erschrecken wird, wenn du ziellos durch das Weltall reisen musst?“

 

Gelangweilt hatte Vegeta seine erhobene Hand betrachtet. Er zeigte seinem Vater sehr deutlich, wie wenig er sich für dessen Worte interessierte, da seine behandschuhten Finger bedeutend spannender waren als das Gerede seines alten Herren. „Es erschreckt mich zumindest nicht so sehr, dass es dich erfreuen könnte.“ Auf dem Weg hierher hatte er noch Bedenken, sich gegenüber seinem Vater nicht artikulieren zu können, aber allem Anschein nach war das eine unbegründete Angst. Seine Selbstsicherheit kehrte automatisch zu ihm zurück – wie ein Bumerang, der nach seiner Rückkehr zum Palast scheinbar Vegetas Sinne reaktiviert hatte.

 

„Ach, denkst du das? Dass mich der Zustand erfreuen könnte, meinen Erben verbannen zu müssen?“

 

„Ja, zumal ich deinen Plan durchschaut habe. Seltsame Ziele, aber ich muss gestehen, es war gar nicht so übel, mich für deine Zwecke auszunutzen.“ Von sich und seiner Aussage überzeugt, machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte geradewegs zu einem Tisch, auf dessen Oberfläche eine Karaffe thronte, die er sich schnappte und den daneben stehenden Kelch mit der Flüssigkeit befüllte, ehe er diese in einem Zug hinabwürgte. Die Repugnanz zwischen Vater und Sohn wuchs mit jeder Sekunde weiter und noch nie fühlte er sich von seinem Vater so weit entfernt wie jetzt. Ganz anders als zu Bulma... Trotz der Ferne zu ihr, konnte er die Nähe zu ihr merklich spüren.

 

Missmutig betrachtete der König unterdessen das auffällige Verhalten seines aufmüpfigen Sohnes. „Dass ich an unser Volk denke, willst du mir zum Vorwurf machen? Junge!“, entfuhr es ihm anschließend, nachdem er neben seinen Sprössling getreten war und die flache Hand auf den Tisch knallte. „Das! Genau das war es übrigens, was du lernen solltest – Verantwortung deinem Volk gegenüber zu entwickeln. Aber wie ich sehe, sind meine Bemühungen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen, richtig?“ Als er zudem bemerkte, wie anmaßend Vegeta war, infolge der Ignorierung seiner Worte, sah er knurrend zu Akira, der selbst nur mit den Achseln zuckte. „Vegeta, ich rede mit dir!“

 

„Merkt man“, entgegnete er gelangweilt, während er den Kelch erneut bis zum Rand füllte.

 

„Dann antworte mir gefälligst! Hast du – während deiner Zeit außerhalb des Palastes – dazugelernt?“ Diese Urgenz klang so bösartig, wie spöttisch zugleich.
 

„Hat meine Antwort Einfluss auf meine Zukunft?“, wollte Vegeta wissen, während er den Kelch in seiner Hand hin und her schwang, so dass die Flüssigkeit im Innern beruhigende Wellen schlug.
 

„Nein!“, antwortete der König, nicht sicher, worauf Vegeta hinaus wollte.

 

„Dann“, replizierte Vegeta und stellte den mittlerweile leeren Kelch auf den Tisch zurück, „habe ich nichts gelernt!“ Er hasste Alkohol, doch ignorierte er seinen Standpunkt absichtlich. Es schien seinem Vater nämlich zu sehr zu missfallen, was Vegeta tat und alles, was seinen Vater nervte, aufregte oder in den Wahnsinn trieb, würde Vegeta mit Genugtuung tun. Sei es auch, wenn er Alkohol trank.

 

„Ja. Das dachte ich mir. Ansonsten hättest du dieses Mädchen in Ruhe gelassen, Vegeta! Du hättest deine Triebe niemals über deine königlichen Pflichten stellen dürfen, verdammt nochmal!“ Der König war außer sich vor Wut. Diese Gelassenheit, mit der Vegeta antwortete, brachte ihn nur noch mehr auf die Palme. „So hübsch das Mädchen anzusehen ist, aber du hast deine Finger von ihr zu lassen. Sie ist die Tochter eines Mannes, der unsere Gebräuche vergessen hat, nachdem er jahrelang auf der Erde gelebt hat und -“

 

„- der zufällig einen Radar besitzt, der dir nützlich ist?“

 

„Ja! Er ist nützlich für unser Volk!“

 

„Dein Volk“, spottete der Prinz. „Es geht dir nicht um dein Volk. Du willst das Beste – aber nicht für dein Volk, zu dem sie übrigens genauso gehört. Es geht dir doch lediglich um deine Belange.“

 

„Und dir geht es um deinen schändlichen Trieb, den du nicht unter Kontrolle hast. Versuch gar nicht, dich herauszureden – ich bin bestens darüber informiert, in welcher Situation man dich mit dem Mädchen erwischt hat!“

 

„Na und? Wäre immer noch meine Sache, was ich mit ihr treibe.“

 

„Du hast gar nichts mit ihr zu treiben, verstanden?“ Nicht mehr lange und König Vegeta würde komplett die Fassung verlieren. Sein Sohn wusste nichts und doch würde er es schaffen, mit seiner leichtsinnigen Art ein ganzes Volk auszulöschen. „Behalte deine Finger bei dir, verdammt! Ansonsten werde ich dafür sorgen, dass sie bloß noch eine blasse Erinnerung von dir sein wird.“

 

„Was? Du willst zu solch dreckigen Mitteln greifen?“

 

Bevor er sich weiter in Rage sprach, drängte sich ein böser Verdacht in seine Gedanken. „Sekunde!“ Drohend hob König Vegeta seine Faust, ehe er sich lauernd seinem Sohn näherte, der inzwischen auf dem Thron Platz genommen hatte und sämtlichen Anstand verlor. „Was drängt dich dazu, das armselige Leben dieser Familie zu verteidigen, indem du meine Maßnahmen in den Dreck ziehst?“ Eine leise Vorahnung beschlich ihn und seine Augen waren präzise auf die Haltung seines Sohnes gerichtet. Die nachfolgende Reaktion Vegetas würde seine Vermutung entkräften oder – was er nicht hoffte – bestätigen.

 

Lächelnd stützte der junge Prinz die Ellenbogen auf den Armlehnen des Thrones ab, während seine Finger vor seinem Gesicht gegeneinander tippten. Zudem dachte er, sein Vater wäre mit Intelligenz gesegnet worden. Vegeta dachte immer, dass sein Vater auf dämliche Köderungen nicht zurückgreifen müsste, aber gerade wurde er eines Besseren belehrt. Er war somit nicht nur außerhalb des Palastes von Idioten umgeben. Nein, die pure Dummheit stoppte nicht einmal vor seiner eigenen Familie. „Ich muss das Leben dieser Familie weder verteidigen, noch schützen. Ich wollte bloß meine Bestätigung, dass du dein Volk nutzt, um dir nicht selbst die Finger dreckig zu machen – nichts weiter.“

 

„Natürlich wolltest du das“, bellte sein Vater ungehalten. „Damit kennst du dich ja am besten aus, nicht wahr? Immerhin hast du selbst genug Dreck am Stecken, mein Sohn.“

 

„Du willst das Spiel echt fortführen?“ Vegeta könnte Stundenlang mit seinem Vater streiten. Er hatte diesbezüglich einen langen Atem.

 

„Ich denke, wir sollten uns unter vier Augen weiterunterhalten.“ Gleichzeitig hob der König seine Hand, um Akira nach draußen zu schicken.

 

„Unterhalte dich unter zwei Augen – meine kannst du vergessen.“ Diese sinnwidrige Diskussion führte doch zu nichts. Diese Zeit hätte er besser in etwas anderes investieren können. Verflucht, er konnte nicht einmal in Erfahrung bringen, was es mit diesen Kapseln auf sich hatte, in denen sich dieses Ding befand, mit dem Bulma in die Stadt gefahren war. Er hatte es nicht einmal geschafft, in Bulmas konzipiertem Gravitationsraum zu trainieren. Was tat er eigentlich bei den Briefs? Gar nichts, stellte er nüchtern fest. Er hatte sich nur darauf fixiert, Bulma das Leben zur Hölle zu machen, oder sich mit Kakarott anzulegen. Der krönende Abschluss lag in der Erkenntnis, dass ihm der Kuss mit Bulma gefiel... Toll.

 

„Vegeta, bitte bedenkt, dass noch immer Euer Vater vor Euch steht“, mischte sich Akira ein, um auf den störrischen Thronfolger einzureden – allerdings erfolglos.

 

„Wir wollen nicht unfair werden, gar die Ansichten meines Vaters – hinsichtlich eines perfekten Saiyajins – in Frage stellen, oder Akira?“ Verschmitzt betrachtete er den alten Greis und es überraschte Vegeta überhaupt nicht, als dieser mit geweiteten Augen zum König der Saiyajins sah. „Sei vorsichtig, alter Mann. Mein Vater könnte sich bedroht fühlen, wenn du mich zurechtweist und somit seine Autorität untergräbst.“

 

„Raus!“, erklang die Stimme seines Vaters bedrohlich leise. „Geh mir aus den Augen, Vegeta, bevor ich mich vergesse!“
 

Positiv war, dass auch sein Vater nicht an seinen Drohungen festhielt, wenn es um Vegeta ging. Ob er das fehlende Durchsetzungsvermögen von ihm geerbt hatte? Schließlich hatte er Bulma auch so vieles angedroht und es nicht in die Tat umgesetzt. Aber darüber konnte er sich in seinem Zimmer weitere Gedanken machen. Jetzt sollte er tatsächlich zusehen, dass er sich zurückzog, kapitulierte – wenn auch widerwillig – und wartete, bis Gras über die Sache gewachsen war, ehe er sich seinem gewohnten Alltag wieder widmen konnte... Solange sollte er sich in Zurückhaltung üben, seinem Vater zumindest das Gefühl geben, in der Spur zu laufen, was er natürlich nicht täte und dann weiter intervenieren.
 

Feixend ließ er den Thronsaal hinter sich, doch statt sein Zimmer aufzusuchen, suchte er jemand anderen auf... Jemanden, der ihm helfen sollte.

 

Unterdessen kehrte in dem großen Saal allmählich Ruhe ein.

 

„Majestät“, begann Akira bedenklich, nachdem Vegeta die Tür von außen geschlossen hatte. „Vegetas Worte klingen verhängnisvoll, meint Ihr nicht?“ Akira war in höchster Alarmbereitschaft, nachdem er hörte, was bei den Briefs vorgefallen war.
 

„Ja, sehr besorgniserregend. Bedenke nur, was geschehen wäre, wenn sie weiter gegangen wären. Nicht auszumalen, im Bezug auf dessen, was auf dem Spiel steht.“ Erschöpft nahm er seinen Platz ein und zog ein Amulett aus seinem Brustpanzer, das er ausgiebig in Augenschein nahm, es zwischen seinen Fingern wandern und anschließend in seinen Schoss fallen ließ, bevor seine Hand zu seinem Kopf fuhr und über die verschwitzte Stirn strich. Es handelte sich um eine silberne Scheibe, in welcher sechs Saphire eingelassen waren. In der Mitte prangten zwei Gestalten, die sowohl einen männlichen, als auch eine weibliche Saiyajin symbolisierten.
 

„Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein, Majestät. Ihr solltet mit Vegeta darüber sprechen – nicht heute, aber bald.“
 

Schmunzelnd sah er zu seinem königlichen Berater, hob das Amulett und verbarg den Anhänger in seiner geballten Faust. „Interessant, Akira. Du dachtest noch vor kurzem, dass Vegeta nicht der richtige für die Mission nach Namek sei und nun glaubst du ernsthaft, dass ich mich mit meinem Sohn unterhalten könnte? Ich schlage vor, dass ich mit Vegeta rede, wenn du mit deinem Bruder gesprochen hast? Einverstanden?“ So, diesen Zahn hatte er Akira gezogen. So sehr er seine Weisheit schätzte, so sehr hasste er seine unbrauchbaren Ratschläge, was Familie betraf. Ihm selbst Weisheiten um die Ohren jagen, aber seine Familienverhältnisse selbst nicht besser klären können. Ja, das war doch, in Anbetracht der Gesamtsituation, beruhigend. Saiyajins waren eben keine Lebewesen, die in Familien zusammenleben sollten. Man sah ja, dass es nur Schwierigkeiten brachte.
 

„Das sind ganz andere Umstände, Hoheit.“
 

„Ach ja? Inwiefern?“
 

„Ihr kennt die Umstände, die zu dem Bruch zwischen mir und meinem Bruder geführt haben. Insofern dürfte sich dieses Unterfangen als schwierig gestalten.“ Beklommen klammerte sich der Alte an seine Gehhilfe. Über dieses Thema zu sprechen gestaltete sich als schwierig und dabei unterhielt er sich mit dem König. Wie wäre es nur, wenn er sich mit seinem Bruder unterhalten würde, der damals schon nichts davon wissen wollte, als Akira ihn warnte.
 

„Bereinige das Problem mit deinem Bruder, Akira, da ich das Mädchen – sobald der Radar in meinem Besitz ist – zur Erde zurückschicken werde.“

 

„Ist das weise? Sie einfach fortzuschicken?“

 

„Nein, aber es ist die beste Lösung – vielleicht nicht für sie, aber für Vegeta.“ Der König hätte umsichtiger sein müssen, aber er hatte immer gedacht, sein Sohn wäre klüger und disziplinierter... „Ich muss meinen Sohn schützen, Akira, auch wenn er das nicht sehen will.“

 

Der alte Saiyajin war ein folgsamer Saiyajin. Dennoch beunruhigte die Aussage des Königs ihn. „Ihr solltet Vegeta darüber informieren.“

 

„Nein, er wird es früh genug erfahren. Du hast doch seinen Blick gesehen, als wir über das Mädchen gesprochen haben, oder nicht?“ Sein Berater wäre blind, hätte er nicht die Wut in Vegetas Augen aufblitzen gesehen, als der König seinem Sohn verbot, noch einmal Hand an die blauhaarige Saiyajin zu legen.

 

„Ja, sein Blick sprach Bände, wenngleich er nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar war.“

 

„Und diesen Bruchteil müssen wir auslöschen“, beharrte König Vegeta, während er sich mit der geballten Faust in die Handinnenfläche schlug.

 

„Majestät, Ihr wollt es womöglich nicht hören, aber glaubt Ihr nicht, dass Vegeta doch etwas sehr wichtiges gelernt hat? Es erweckte zumindest den Anschein.“

 

„Worauf willst du hinaus, Akira?“

 

„Er hat zwar nicht gelernt sein Volk zu schützen, aber“, bemerkte der königliche Berater bedächtig, „er hat gelernt, das schützen zu müssen, das ihm wichtig ist.“ Akira war im Bezug auf Vegetas Veränderung wohl genauso in Erstaunen versetzt worden, wie sein Vater. „Er wurde nie mit solchen Gefühlen konfrontiert, daher umso verständlicher, dass er so... aufgebracht reagierte.“

 

„Was denkst du? Wird er ihr folgen, wenn ich sie zur Erde schicke?“, stellte er die Frage an seinen Berater. Akira würde es ihm niemals ins Gesicht sagen, doch König Vegeta wusste, was der alte Saiyajin dachte. Nur er, der König, war schuld, dass es soweit kommen konnte. Schließlich war er es, der Vegeta zu Briefs schickte, aber es bot sich einfach an. Als das junge Mädchen dabei ertappt wurde, wie sie in seine Vorratskammer eindringen wollte, war die Versuchung zum Greifen nah. Nie hätte er gedacht, dass Vegeta etwas anderes als sein Training ins Auge fassen konnte...

 

„Die Frage sei mir erlaubt, Majestät, aber was denkt Ihr?“

 

Ja... Akira war ein intelligenter Saiyajin. „Ja. Ja, ich bin mir sicher, dass er ihr folgen würde.“ Und der König alleine war Schuld an dieser Misere. Er alleine konnte schlussendlich dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sein Sohn das saiyajinische Volk in den Abgrund trieb – weil er blind gehandelt hatte, als er Vegeta zu Briefs geschickt hatte. Hinzu kam Akiras damalige Warnung. Diese bitterböse Warnung, die der König für ein Ammenmärchen hielt – wie die Legende des Super Saiyajins...

 

Verflucht, wäre er doch nur klüger gewesen. Wäre er doch bloß vorsichtiger gewesen. Er hätte nicht an seinem Stolz festhalten dürfen, als er sowohl Briefs, als auch Vegeta strafen wollte. Schlimmer noch, er hätte ahnen müssen, dass das Mädchen eine anziehende Wirkung auf seinen Sohn hätte... Schließlich kannte er doch Akiras Warnung...

Die Hand greift nach dem, was das Auge sieht

Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter.

- Ralph Waldo Emerson

 

 
 

~*~

 

- Kapitel sechzehn -

 

 

Sein Ziel war klar – das war es schlussendlich immer, weil er nichts tat, ohne darüber nachzudenken. Allerdings lag es oftmals an der Umsetzung, jenes Ziel zu verwirklichen, weil er für seinen Geschmack zu oft unter Beobachtung stand. Dieses inadäquate Stadium würde sich jetzt – nach all seinen Fehltritten – auch nicht mehr ändern, sondern verschlimmern. Aber er wäre nicht Vegeta, wenn er nicht auch diese Lästigkeit abschütteln konnte. Er müsste nur cleverer als die anderen sein, was keine allzu große Herausforderung sein dürfte, angesichts dessen, dass die Soldaten seines Vaters komplette Vollidioten waren. Siegessicher rieb er sich seine Hände, als er dem großen Tor näher kam, das ihn von der Außenwelt abschottete. Der Fehler seines Vaters war einfach, dass er vergaß, dass auch Vegeta hier aufgewachsen war und wusste, wo sich welcher Wachposten befand. Anlässlich der Routine, die im Palast herrschte, wurde es ihm nur noch einfacher gemacht, den dicken Palastmauern zu entkommen.

 

Dennoch musste er vorsichtig sein, da sein Vater der Überzeugung war, dass Vegeta parierte. Wie dumm der König war... Vegeta war von seinem Stolz zerfressen. Niemals würde er kapitulieren – vor seinem eigenen Vater schon gar nicht und wäre sein Plan nicht so wichtig, würde er es sogar darauf ankommen lassen, erwischt zu werden, nur um Zeuge davon zu werden, wie unbeherrscht sein Vater um Fassung rang, wenn er von Vegetas Ungehorsam erfuhr. Aber es war ihm nun mal nicht egal. Daraufhin öffnete er auffallend unauffällig das Tor, er schob das knarzende Holz zurück und passierte den Bogen, der das Tor umfasste.

 

„Sie machen es mir auch wirklich zu einfach“, entkam es ihm grinsend, nachdem er nach oben zur Schlossmauer sah und den patrouillierenden Wachposten entdeckte. Vorsichtshalber warf er noch einen Blick zur Seite; wer wusste, inwiefern hier rationell vorgegangen wurde? Schließlich bestand die Möglichkeit, dass man ihn in falsche Sicherheit wiegen wollte, aber auch diesen Gedanken schob er von sich, nachdem er einen weiteren, bekannten Wachposten erspähte. „Viel zu einfach“, fügte er missbilligend hinzu. Infolgedessen umkreisten Bilder seine Gedanken. Bilder, wie er mit Energiefesseln in sein Zimmer geführt wurde, aber nichts dergleichen geschah. Der Prinz wurde weder angesprochen, noch aufgehalten. Stattdessen sahen sie ihm wortlos hinterher, ohne aktiv zu werden. Doch das sollte seine letzte Sorge sein, entschied er, während er in die Lüfte stieg und davonflog.

 

Ob sein Vater davon ausging, nichts dummes anzustellen? Wie töricht. Dachte er wirklich, Vegeta würde sich seinem Willen beugen und in seinem Zimmer verrotten? Befahl er daher seinen Soldaten, nicht einzugreifen, weil er der Annahme war, sein Sohn würde sich nicht allzu weit vom Palast entfernen? Beim heiligen Polunga, nicht nur Vegeta hatte nichts gelernt – auch sein Vater nicht, der scheinbar jedem blindlings vertraute.

 

„Sei's drum.“ Vegeta überquerte die vielen Landschaften und je tiefer er in die Dörfer drang, umso besser kristallisierten sich die Verhältnisse heraus – die Häuser wurden niedriger, kleiner, ungeschützter... Straßen waren durch einfache Lehmwege ersetzt worden, was ihm zuvor nie aufgefallen war, weil er nie über den Tellerrand hinausblickte. Aber auch das war unwichtig. Inzwischen war er so weit geflogen, dass sich bereits dutzende Wälder unter ihm abzeichneten. Keine Struktur war zu erkennen, doch kannte er den Weg auswendig, wäre er doch – angekommen an seinem Ziel – auch in ihrer Nähe und wenn er recht überlegte, war sein Vorhaben lächerlich und würdelos, vielleicht auch krank, doch würde er sich von diesen Eindrücken – diesen bösartigen Attributen, die er gar nicht in den Mund nehmen wollte – nicht aufhalten lassen. Zu fixiert war er auf sein Bestreben.

 

Folglich landete er auf dem sandigen Boden und tigerte – wie schon vor dem Thronsaal – umher, bis er beschloss, das marode Holz, das eine Tür darstellen sollte, mit herben Schlägen zu bearbeiten. Im Innern der Behausung konnte er dumpfe Schritte vernehmen – die dennoch hektisch klangen und hinter der Tür inne hielten. Aber wieso öffnete man ihm nicht? Aufgrund seiner heruntergefahrenen Aura? Zog das Misstrauen neuerdings in die Köpfe seiner Untertanen?

 

Vegeta klopfte abermals gegen das Holz – dieses Mal noch fester. „Mach die verdammte Tür auf, Radditz! Ich bin's – Vegeta“, giftete der Saiyajin gereizt.

 

„Vegeta? Radditz, es ist Vegeta!“

 

„Ich bin nicht taub, du Idiot!“, zischte der ältere Saiyajin zurück, nachdem er seinen kleinen Bruder brummend zur Seite stieß.

 

Augenrollend klinkte sich Vegeta in die Unterhaltung ein; trotz verschlossener Tür: „Redet doch noch ein bisschen lauter, damit auch der letzte Saiyajin im Palast euch hören kann.“ Und Radditz war der Saiyajin, dem Vegeta widerwillig vertraute? Vielleicht war seine Idee, ausgerechnet hierherzukommen nicht seine beste Idee? Nein, quatsch. Er sollte diese Aussage revidieren. Radditz war immer vertrauenswürdig gewesen, wenngleich sein kleiner Bruder ein elender Quälgeist war. Entsprechend seiner Manier – die Arme vor seiner Brust verschränkt –, wartete er darauf, dass man endlich diese scheiß Tür aufzog. „Verflucht, wo hängt's denn, Radditz?“ Im Anschluss hörte er, wie ein Körper gegen die Wand gestoßen wurde, was den wartenden Saiyajin erheiterte. Gerne hätte er diesem Spektakel beigewohnt. Jawohl, er wäre sogar bereit gewesen, Radditz zu applaudieren, der scheinbar kapierte, dass er über Kakarott stand.

 

„Geh nach oben, Kakarott“, drang die dunkle Stimme durch die verschlossene Tür, bevor sie jäh aufgezogen wurde. Kleine Staubwolken wurden aufgewirbelt – verursacht durch den einkehrenden Windzug –, die im Sonnenlicht deutlich sichtbar wurden.

 

„Na endlich“, beschwerte sich der Prinz und rümpfte ablehnend die Nase, angesichts des Staubes. „Wir müssen reden, Radditz“, ergänzte er, ohne seinem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, sich zu sammeln – gar den Prinzen hereinzubitten.

 

„Müssen wir das?“

 

„Ja“, bemerkte er – der Explosion nahe. Obwohl ihm der Zutritt noch nicht gewährt wurde, schob er Kakarotts Bruder in das Innere der kleinen Behausung und schloss die Tür, woraufhin die Konturen der beiden Saiyajins von der Dunkelheit verschluckt wurden und Vegeta sich fragte, wie man es bevorzugen konnte, in dieser Dunkelheit zu leben? Kein Wunder, dass Radditz so blass aussah. Jedoch war sein Anliegen dringlicher, das er baldigst geklärt haben wollte. „Bevor wir uns aber darüber unterhalten, musst du mir noch was erklären.“ Kurz darauf erreichten sie einen weiteren Raum, der allem Anschein nach als Küche diente.

 

„Und das wäre?“, murrte Radditz.

 

„Höre ich Abscheu in deiner Stimme?“, erwiderte der kleine Saiyajin, dem Radditz' Vorbehalte sauer aufstießen. Pah, sein Volk erwartete die Erfüllung der königlichen Pflichten. Demzufolge erwartete Vegeta Respekt. Radditz hätte wenigstens so tun können, als würde er diesen Vegeta zollen. „Das solltest du ablegen, aber schnell.“

 

„Ich bin bloß misstrauisch, was ihn betrifft“, betonte der Low-Level-Kämpfer niedergeschlagen, während er zur Zarge deutete, die den Flur zur oberen Etage abgrenzte.

 

„Na klar, aber lassen wir fünf einmal gerade sein.“ Angewidert umrundete er den schäbigen Tisch, doch hielt er abrupt an, platzierte seine Hand auf der Oberfläche und sah seinem Komplizen entgegen. „Wieso hat er gezögert, die Tür zu öffnen?“ Zwischenzeitlich wägte er gedanklich ab, wie er seinen unausgesprochenen Befehl rechtfertigen konnte, da man sein Vorgehen mit Sicherheit hinterfragen würde. „Radditz? Nochmal frage ich nicht.“

 

Sein Name ließ ihn dazu hinreißen, den Blick des Prinzen zu erwidern. „Er hat mir von deinem Angriff erzählt – nach dem Fest. Er hat mir auch gesagt, wo du lebst.“

 

„Hat er das, ja?“

 

„Ja. Zugegeben, ich war verblüfft, aber nicht sonderlich überrascht. Kakarott hingegen traut dir seitdem aber nicht mehr über den Weg.“ Die Aussage verleitete ihn dazu, zu schmunzeln, war sein Bruder doch vorher nicht so scheu. Aber Kakarott war schon immer anders als die anderen Saiyajins – er war aufgeschlossen, gnädig, anders eben. Er entsprach nicht dem typischen Bild eines Saiyajins. „Ich dagegen finde es amüsant.“

 

Es erfreute Vegeta ebenfalls. Er mochte Demut, jedoch keine Skepsis, hinsichtlich seines Kalküls. „Ich bin nicht hier, um über meinen verkürzten Aufenthalt zu scherzen. Auch wenn mein Vater mich gerne lebenslänglich dort einquartiert hätte. Nein, ich bin wegen etwas anderem hier.“

 

„Dass ich nicht sonderlich begeistert bin, was das betrifft, ist dir -“

 

„Unwichtig, Radditz“, winkte er ab. „Ob du begeistert bist oder nicht, interessiert mich nicht.“

 

Er hatte es befürchtet. Sobald Vegeta ihn aufsuchte, um etwas mit ihm zu besprechen, wusste Radditz, dass es sich dabei um etwas handelte, was Vegeta selbst in Schwierigkeiten bringen könnte. Diesbezüglich schob er diese Verantwortung von sich, so dass er sich keinen seiner königlichen Finger beschmutzte. Schlimmer war jedoch die Tatsache, dass Radditz den Befehl ausführen würde.

 

„Wenn du es clever anstellst, wird dir nichts passieren“, fuhr Vegeta fort, nachdem er zurücktrat, sich gegen die Küchenzeile lehnte und abermals die Arme vor der Brust überkreuzte. „Demzufolge rate ich dir, klüger als die anderen zu sein“, endete er grinsend, da Radditz' Schmunzeln dem blanken Entsetzen weichen musste.

 

„Vegeta, du bringst mich -“

 

„Wenn du dich weigerst, wirst du – sobald ich den Thron besteige – in der Versenkung verschwinden, Radditz. Ich schwöre dir bei meiner Ehre, ich werde dich nicht zur königlichen Armee berufen.“ Erpressung half immer. Jeder Saiyajin war bestechlich, so auch der vor ihm stehende Saiyajin, der die Chance – ein sorgenfreies Leben in der Stadt zu führen – ergreifen würde. Schließlich war dies Radditz lang gehegter Wunsch, den der Prinz ihm erfüllen könnte, dafür aber eine entsprechende Gegenleistung verlangte. „Führ meinen Befehl aus. Lass dich nicht erwischen und alles wird bestens.“

 

„Vegeta, das sagst du immer. Schlussendlich sind wir immer aufgeflogen. An unsere letzte Aktion muss ich dich doch nicht erinnern, oder?“

 

„Spielst du auf Namek an, ja?“ Daraufhin bleckte Vegeta die Zähne. Wollte Radditz etwa damit sagen, dass Vegeta immer scheiterte? Er gab zu, dass sie nicht vorangekommen waren. Sie – Vegeta, Radditz und Nappa – konnten den Auftrag nicht erfüllen, aber anhand einer gescheiterten Mission Vegetas Bilanz – bezüglich seiner Taktik – in Frage zu stellen, war doch etwas zu viel des Guten. Zusätzlich erinnerte ihn Radditz' Vorwurf an die Aussage, die ihm Bulmas Vater an den Kopf warf, der seine Enttäuschung sehr akribisch ausgedrückt hatte.

 

„Nein. Ich rede von der Aktion, die uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind – am Boden.“

 

Nein, Vegeta würde sich nicht reizen lassen. Stattdessen hob er feixend den Zeigefinger, während er Radditz' Züge genau musterte. „Es hängt dieses Mal nicht von mir, sondern von dir ab. Du alleine bist für den Erfolg verantwortlich.“

 

„Dann erkläre mir endlich, was du willst.“

 

„Fein.“ Mit Vergnügen kam Vegeta diesem Gefallen nach. Er stieß sich von der Zeile ab, näherte sich dem Tisch und zog den Stuhl zurück. Er würde seinem ältesten Freund konkretisieren, womit genau er ihn beauftragte. Ihn zudem als Freund zu bezeichnen, klang abstrus, aber wenn er einen aufzählen müsste, dem er vertraute, dann war das Radditz. „Ich möchte, dass du Kakarotts kleine Freundin im Auge behältst.“

 

„Was?“ Nebst Vegeta hatte sich auch Radditz auf einem der alten Stühle niedergelassen. „Die Kleine von der Erde? Warum?“

 

„Weil ich wissen will, was sie treibt – klingt einleuchtend, oder?“ Dass er alles von ihr wissen wollte, erwähnte er nicht explizit, war in Anbetracht seines Auftrages aber auch nicht notwendig, da man die Schlüsse herleiten konnte. „Ich will informiert werden, wenn sich jemand Fremdes ihr nähert. Ich möchte, dass du ihr folgst, wenn sie das Haus verlässt – ohne, dass Kakarott etwas bemerkt. Schaffst du das?“

 

„Vegeta.“ Kopfschüttelnd und mit wedelnder Hand stemmte Radditz seinen Körper gegen die Rückenlehne des Stuhls. „Das ist Irrsinn. Das Mädchen ein, vielleicht auch zwei Mal zu beschatten – in Ordnung. Ihr Leben auf Schritt und Tritt zu verfolgen – das ist Wahnsinn.“ Beide Saiyajins saßen lange in der abgedunkelten Küche, angesichts der Intensität ihres Gesprächs. Der Saiyajin mit den bodenlangen schwarzen Haaren wollte dem Prinzen seinen Einfall ausreden – sofern man etwas so diffiziles Einfall nennen konnte. „Kakarott würde es merken, wenn ich ständig außer Haus bin, um dem Mädchen nachzustellen, das scheinbar deine Welt auf den Kopf gestellt hat.“

 

„Dann lass dir was einfallen.“ Wie verzweifelt war er, als er diesen Plan nach seinen Vorstellungen formte? „Es ist mir egal, wie du das anstellst – ich lasse dir freie Hand. Aber tu es, Radditz.“ Grundsätzlich fiel es ihm immer leichter zu beteuern, dass es ihm gut ging, statt zu erklären, wie zermürbt er war. So auch hier. Ihm würde es erst besser gehen, wenn Radditz ihr Schatten geworden wäre.

 

„Das ist unvernünftig, und das weißt du.“ Radditz war nicht wohl dabei, das Leben des Mädchens auf Biegen und Brechen zu schützen. „Ich verstehe von diesen Dingen nichts, aber ich sage es dir nochmal: Das, was du vor hast, ist rückständig.“ Nein, Radditz kannte sich in Liebesbeziehungen nicht aus. Das wollte er auch nicht, weil es mit Problemen zusammenhing, die er nicht gebrauchen konnte. Ihm genügte es, wenn er die leicht bekleideten Damen aufsuchen konnte, die keinerlei Verpflichtungen von ihm erwarteten.

 

„Was bist du? Meine Amme?“ Witzig, dabei ging Vegeta stets davon aus, dass Turles diese Rolle einnahm. „Was du davon hältst, ist irrelevant. Du wirst das tun, was ich dir sage. Haben wir uns verstanden?“

 

„Vegeta, ich -“

 

„Ob du mich verstanden hast?“, knurrte Vegeta, nachdem er aufgestanden und zu Radditz gegangen war. Anschließend krallten sich seine Finger in seinen buschig schwarzen Haaren fest, wodurch er Radditz' Kopf auf die Tischplatte schlagen konnte, ehe Vegeta sich zu seinem Gesicht hinabbeugte und die blutige Nase entdeckte. „Du wirst das Mädchen beschützen. Im schlimmsten Fall sogar eingreifen – koste es, was es wolle!“

 

„Vegeta, meine -“

 

„Wenn ihr etwas zustößt, Radditz, dann versichere ich dir, werde ich dich umbringen.“ Natürlich brachten ihn seine Absichten nicht weiter, aber es befriedigte ihn, inoffiziell an ihrem Leben weiter teilzunehmen und das würde er, wenn Radditz ihm erzählte, wie ihr Leben ohne ihn vonstatten ging. „Und jetzt hör auf, mir zu widersprechen. Ansonsten“, fuhr er herausfordernd fort, zog Radditz' Schädel nach hinten und schlug diesen erneut auf die Platte, „wird Kakarott das ausbaden müssen.“ Nachfolgend packte er Kakarotts älteren Bruder am Kragen, um ihn abschließend gegen die Spüle zu stoßen, worin sich bereits das dreckige Geschirr zu Hauff stapelte und klirrend in sich zusammenstürzte.

 

„Nein“, entfuhr es dem großen Saiyajin panisch, der in sich zusammengesunken vor der Spüle hockte und seinen schmerzenden Kopf rieb. „Ich machs ja, versprochen.“

 

Vergnügt trat Vegeta an den am Boden kauernden Saiyajin heran. „Ach, sieh an. Das Schicksal deines Bruders scheint dir doch nicht ganz so egal zu sein, wie du mir weismachen wolltest.“ Es war nett zu erfahren, dass Kakarott ein geeignet Druckmittel wäre, sollte Radditz ihm Schwierigkeiten bereiten. „Scheint dir ja doch was zu bedeuten.“

 

„Er ist mein Bruder.“

 

„Wie rührend.“ Ihm bereitete es sichtlich Spaß, Salz in Radditz' offene Wunden zu streuen und dabei zuzusehen, wie die Wunde darunter litt. „Dann schlage ich vor, dass du nicht scheiterst.“ Einzig Radditz würde leiden, sollte er versagen. Kakarott war lediglich ein formvollendeter Faktor, Radditz zusätzlich zu provozieren und an seine Pflichten dem Prinzen gegenüber zu erinnern.

 

Herr Gott nochmal, sein Schädel brummte unaufhörlich. „Ist dir überhaupt die Tragweite deines Handelns bekannt, Vegeta?“

 

„Was soll das, Radditz? Willst du an mein Gewissen appellieren?“, wollte er belustigt wissen, nachdem er sich umdrehte und zur Tür marschiert war. Es war nicht länger nötig, in dieser Baracke zu verweilen. Alles widerte ihn hier an – angefangen bei dem bestialischen Geruch, der sich scheinbar schon in den Wänden des Hauses festgesetzt hatte und dieser nur verschwinden würde, wenn man die Bruchbude abriss. „Du solltest mich besser kennen und wissen, dass ich nie eins hatte.“ Mit diesen Abschiedsworten ließ er seinen ältesten Freund alleine zurück.

 

 
 

~*~

 

Vor knapp zwei Stunden war Vegeta abgeholt und Bulma mit der Nachricht konfrontiert worden – die ihr Vater ihr eigentlich mitteilen wollte, als er ins Badezimmer gestürmt kam -, dass Chichi und Yamchu hierher gekommen waren. Das war der Grund, weshalb Doktor Briefs nach oben kam und es überhaupt erst dazu kommen konnte, dass sie zusammen mit Vegeta im Bad erwischt wurde - demnach hatte die Ankunft ihrer Freunde schlimmeres verhindert, mit denen Bulma derweil durch ein nahegelegenes Tal wanderte – nicht unweit des Dorfes, dem Bulma gerne entkommen wollte, aufgrund der vielen Erinnerungen mit Vegeta. Ob diese gut oder schlecht waren, da schieden sich die Geister.

 

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir hier sind, Bulma.“ Das schwarzhaarige Mädchen hakte sich in Bulmas Arm, während sie entlang des Ufers eines großen Sees gingen und die Blicke der Mädchen umherschweiften, anlässlich der wunderschönen Umgebung. An manchen Stellen ragte das Schilf über zwei Meter aus dem Wasser, was einen herrlichen Rückzugsort bot, sollte Bulma je das Bedürfnis verspüren, ihrem Zuhause für mehrere Stunden zu entrinnen.

 

„Ich auch nicht, Chichi. Es fühlt sich an, als befände ich mich in einem Traum. Es... wirkt so surreal, dass ihr tatsächlich hier seid - hier auf Vegeta-Sei.“ Zaghaft war ihr Blick zu ihrer besten Freundin gewandert, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Und wie oft hatte die junge Saiyajin sich gewünscht, Chichi – die in vielen Belangen unausstehlich war – in ihre Arme zu nehmen? Insgeheim hatte sie jede Nacht darum gebeten und nun entsprach ihr Wunsch der Realität, was sie hätte glücklich stimmen müssen. Doch irgendetwas trübte ihre Freude. „Aber ich freue mich so, euch wieder zu sehen und wenn es ein Traum ist, hoffe ich, nicht so schnell aufzuwachen.“

 

Ebenso wie Chichi, drückte sich auch Bulma an den Körper ihrer Freundin. Ach, sie war doch glücklich, nicht wahr? Sie war dankbar, dass ihre Freunde bei ihr waren. Ihre richtigen Freunde, die sie kannten und verstanden. 

 

Unterdessen glitt ihr Blick zur linken Seite – zu Yamchu. Zu dem Mann, den sie auf der Erde gerne ihren Freund genannt hätte. Seit Jahren war sie Yamchu verfallen, sie hatte ihn und seine Art gemocht, was scheinbar auch der Grund war, dass Chichi ihn mit hierher brachte. Aber diese Gefühle, die Art ihrer Zuneigung spürte sie nicht mehr. In den letzten Monaten waren sie abgeklungen. So als... als ob sie nie dagewesen wären, was eigentlich schrecklich war, da die Tochter des Erfinders sich zu Zeiten auf der Erde nichts sehnlicheres wünschte und nun sollten diese Gefühle einfach weg sein?
 

Wieso?

 

„Frag uns mal“, entgegnete stattdessen Yamchu freudestrahlend, der ebenfalls neben den Mädchen gegangen war. Nur hatte er sich nicht bei ihnen eingehakt. „Wir waren selbst überrascht, als wir gemerkt haben, dass wir auf einem fremden Planeten gelandet sind. Wir dachten, dass wir woanders landen - aber auf einem fremden Planeten? Das war das Letzte, was wir erwartet hatten, oder Chichi?“

 

„Oh ja“, bestätigte das Erdenmädchen nickend. „Wir waren irritiert, als wir die merkwürdigen Häuser sahen, aber wir sind auch clever genug, die Capsule Cooperation unter einhundert Häusern wiederzufinden.“

 

Ja, Bulma hatte ihnen erzählt, wo sie gelandet waren und was in den letzten Monaten passiert war. „Ist in der Einöde auch nicht allzu schwierig, nicht? Aber erzählt. Ihr müsst mir alles erzählen, ja?“ Sie vermisste die Erde, ihr fehlten die Gespräche mit Chichi und noch immer dachte sie an ihr Studium zurück. „Ich möchte alles wissen.“ Die fehlenden Gespräche mit Chichi würde sie hoffentlich in naher Zukunft nachholen können, sofern sie und Yamchu noch auf Vegeta-Sei blieben.

 

„Klar, aber sag mal“, warf Chichi skeptisch und mit zusammengezogenen Augenbrauen ein. Fast sah es so aus, als wären sie zusammengewachsen. „Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst traurig.“ Ihre in die Hüften gestemmten Hände waren tief darin vergraben, um bloß nicht über Bulma herzufallen und sie zu zwingen, sich ihr anzuvertrauen. Aber sie musste gerade reden. Nicht nur Bulma schien etwas vor ihr zu verheimlichen – Chichi selbst trug ein Geheimnis mit sich, das sie alsbald ihrer Freundin erzählen sollte. „Und du weißt, dass du mir nichts vormachen kannst“, ergänzte sie, nachdem sie ihr Gesicht ganz nah vor Bulma Front brachte, um Merkmale in ihrem Blick auszumachen, die die blauhaarige Bulma der Lüge überführen könnten.

 

„Na klar“, zwinkerte diese anschließend. „Alles in Ordnung. Das Leben hier ist nur etwas anders – beschwerlicher, um es vorsichtig auszudrücken.“ Ob Chichi sich immer noch über die Wasservorräte der Erde Gedanken machte? Immerhin konnte ihr Vater seine Erfindung der Menschheit nicht mehr zur Verfügung stellen – eine Maschine, die Salzwasser innerhalb von wenigen Sekunden in Trinkwasser umwandeln konnte.

 

Notfalls könnte Bulma ihr die Maschine – versteckt in einer Kapsel – mitgeben, sobald sie zur Erde aufbrachen.

 

„Aber erzählt endlich. Wie habt ihr mich gefunden?“ Eine Frage, die Bulma die ganze Zeit auf der Seele brannte. Inzwischen waren sie zum Ufer herangetreten und kickten unbeabsichtigt Steine ins Wasser, während Yamchu selbiges auflas, um Steinhüpfen zu spielen.

 

„Streng mal dein schlaues Köpfchen an“, tadelte Chichi ihre Freundin. „Dann weißt du, wie wir dich gefunden haben.“

 

Doch Bulma wollte es nicht einfallen, weshalb sie verwundert zu Yamchu sah, der ihr – im Gegensatz zu Chichi – hoffentlich eine präzise Antwort liefern würde. „Ich hab keine Ahnung. Ich würde nicht fragen, wenn ich es wüsste, Chichi.“

 

„Bulma“, begann daraufhin Yamchu, der einen Stein gekonnt übers Wasser flippen ließ, „wir haben dich mithilfe der Dragonballs gefunden. Du erinnerst dich?“, schilderte der einstige Wüstenbandit amüsiert weiter, hinsichtlich Bulmas Ahnungslosigkeit. „Shenlong, der heilige Drache? Du hast damals den Dragonradar erschaffen, um die sieben Dragonballs zu finden.“

 

„Ihr... Ihr habt meinetwegen die Dragonballs gesucht?“ Bulma war gerührt, dass sich ihre Freunde auf eine derart gefährliche Reise begaben, nur um sie zu finden. Angesichts dieses Freundschaftsbeweises, kullerten Tränen aus ihren blauen Augen, ehedem sie schluchzend fortfuhr: „Ihr seid doch verrückt, wisst ihr das? Aber wie konntet ihr die Kugeln finden? Ihr habt doch gar keinen Radar, oder?“

 

„Stimmt, aber hey, das war vielleicht ein Grund, nicht danach zu suchen, aber für uns kein besonders großes Hindernis. Gut“, begann Chichi ihr irdisches Abenteuer zu erzählen, „wir haben fast vier Monate gebraucht, bis wir alle Kugeln beisammen hatten, weil wir die gesamte Erde absuchen mussten, aber -“

 

„Ihr seid wirklich verrückt“, unterbrach Bulma ihre Erzählung, da sie nicht länger an sich halten konnte und ihre Freunde in die Arme schloss. „Wirklich. Ihr seid mehr als verrückt.“

 

„Ja, wie du“, nuschelte Chichi, deren Mund aufgrund der Umarmung zusammengedrückt wurde. Gemeinsam drehten sie sich so weit, bis Chichi eine Gestalt in der Ferne entdeckte, die ihre Aufmerksamkeit erregte. Ihr frappierender Gesichtsausdruck haftete an gezackten, nach oben stehenden Haare, die sie an jenes Ereignis vor so vielen Jahren erinnerte und sie umso mehr zwang, das Geheimnis zu lüften. Sie wurde mit der Vergangenheit konfrontiert, von der sie dachte, diese erfolgreich überwunden zu haben, doch dem schien nicht so gewesen zu sein. Nein, die Vergangenheit holte Chichi ungebremst ein, was zusätzlich ihren Zorn schürte.

 

Oh ja, sie bemerkte die aufsteigende Wut in ihrem Körper, der sich unweigerlich versteifte.

 

„Du?“, entkam es ihr folglich, bevor sie sich aus Bulmas Umarmung löse, die ebenfalls über ihre Schulter sah. Chichi hingegen marschierte bereits an ihren beiden Freunden vorbei – geradewegs auf den Mann zu, den sie entdeckt hatte und dem sie jetzt gehörig den Marsch blasen würde. Dass sie somit zwangsläufig ihr Geheimnis aussprechen müsste, war ihr egal, da die Wut auf diesen Mistkerl größer war als die Angst, sich später vor ihren Freund rechtfertigen zu müssen.

 

„Chichi?“, rief Bulma ihr verwirrt hinterher, bis auch sie den Auslöser für Chichis Wut herauskristallisierte. Ungefähr zwanzig Meter von ihnen entfernt stand er – Turles. Damit wurde ihr auch klar, weswegen Chichi wutentbrannt zu ihm ging. Scheinbar war sie sauer, weil er derjenige gewesen war, der vor knapp vier Monaten zu ihnen auf die Erde kam und die Bewohner – darunter auch Chichi und Bulma – in Angst und Schrecken versetzte. Mit großen Augen beobachtete sie, wie ihre Freundin schnaubend die Ärmel ihres gelb-violetten Kimonos nach oben krempelte; scheinbar bereit, Turles auf ihre Art zurechtzuweisen. „Chichi, warte!“

 

Wenn die schwarzhaarige Frau wütend war, war eine Stampede im Vergleich zu ihr der reinste Kindergeburtstag, was sowohl Bulma, als auch Yamchu wussten, die sich daher nur verlegene Blicke zuwarfen. Beide wussten, dass Chichi nicht aufzuhalten war, wenn die Pferde mit ihr durchgingen. Dennoch entschieden sie sich, ihr zu folgen.

 

„Moment!“, keifte die Angesprochene unterdessen säuerlich zurück, nachdem sie brodelnd vor dem großgewachsenen Mann stehen blieb. Das darauffolgende Tippen ihres Fußes schien den Mann ebenfalls nicht zum Reden zu bringen, was Chichi umso wütender machte und sie die Stille durchbrach, indem sie nach seinem Handgelenk griff. „Hör mal, erkennst du mich etwa nicht?“

 

„Was?“ Ausgiebig betrachtete er die kleine Frau vor sich, deren Stimme ohrenbetäubend war. Ihre Stimmlage war mehrere Oktaven nach oben geschossen, was ihm sauer aufstieß. Allerdings erkannte er sie – entgegen ihrer Erwartung. Sie war das Mädchen, das im Haus der Briefs' gewesen war, während seines kurzen Aufenthalts auf der Erde. War das der Grund, weshalb sie erzürnt war? „Nein, deine Erscheinung ist mir unbekannt, Mädchen“, log er ihr gekonnt ins Gesicht, da er sich nicht weiter vor ihr erklären wollte.

 

„Bitte was? Sag das nochmal!“, verlangte Chichi, die zornig an seinem Gelenk rüttelte.

 

„Ich sagte“, antwortete Turles mürrisch, der ebenfalls nach dem Gelenk des Weibes griff, „dass ich dich nicht kenne, und jetzt geh mir aus den Augen, verstanden?“ Er hätte, wie ihm jetzt aufgefallen war, zuhause bleiben sollen. Hierhergekommen war er bloß, weil er Bulma sehen wollte. Turles wollte die Worte, die er ihr gestern auf dem Nachhauseweg ins Gesicht schleuderte, neu formulieren – ohne Streit. Stattdessen musste er sich mit dieser Verrückten herumärgern, während das Mädchen, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging, peinlich berührt zur Seite sah, nachdem auch sie hinter der schwarzhaarigen Frau angekommen war.

 

„Aber... Nein, das kann nicht sein. Du lügst!“ Chichis Wangen färbten sich puterrot. Fuchsteufelswild war sie nicht, nein. Sie war über alle Maße erbost, angesichts seiner Taktlosigkeit. „Du musst mich erkennen!“
 

„Chichi, bitte“, wiederholte Bulma bestürzt.

 

„Nein, nichts Chichi. Die ganze Zeit trage ich das Wissen mit mir herum, und ich hätte es auch noch länger mit mir herumgetragen, aber jetzt... Nachdem dieser Mistkerl“, beschimpfte sie Turles und zeigte mit dem Zeigefinger auf ihn, „dieses Spiel mit mir treibt, kann ich es nicht länger für mich behalten“, entfuhr es Chichi aufgewühlt.

 

„Wovon redest du, Chichi?“ Ja, ihre Freundin war schon immer impulsiv. Vielleicht neigte sie auch dazu, jähzornig und cholerisch zu sein, aber so aufgebracht hatte Bulma sie noch nicht erlebt. Schon gar nicht in den letzten zwei Jahren, da Chichi zunehmend erwachsen und souverän auftreten wollte. „Was ist denn los?“

 

„Dieser feine Kerl“, fing sie verbissen an, „ist ein Idiot! Erinnert ihr euch noch an eure Suche nach den Dragonballs? Wir sind uns damals begegnet – ich war nur etwas jünger als ihr.“ Währenddessen verstanden die anderen nicht, wovon die hysterische Chichi sprach. „Ihr seid mit Muten-Roshi zum Bratpfannenberg gekommen, nicht wahr?“ Noch immer schwiegen sie, aber sie nickten verwirrt. „Ich bin die Tochter des Rinderteufels.“

 

„Was?“

 

„Ja, ihr habt schon richtig gehört.“

 

Aber, Chichi, wieso hast du nichts gesagt?“ Unverzüglich hatte Bulma zu ihrer Freundin aufgeschlossen, um einen ihrer Arme um Chichis Schulter zu legen.

 

„Ich weiß es doch auch nicht“, schluchzte sie in ihre Hände, die sie vor ihr Gesicht hob, nachdem sie sich ihrer Freundin zuwandte. „Ich wusste es schon länger, und als ihr damals nicht zurückgekommen seid, da... Ich war froh, dass ich euch Jahre später wiedergefunden habe und ihr in meinem Leben geblieben seid – nicht wie damals, als ihr einfach weg wart.“ Chichi wollte ihre neu gewonnenen Freunde nicht mehr verlieren. Als sie Yamchu nach all den Jahren wieder sah, kam auch ihre Erinnerung zurück, da sie den Wüstendieb gefragt hatte, ob er ihr Freund sein würde. „Ihr habt mich nicht erkannt und... und ich wollte es auch nie erzählen.“

 

„Oh, Chichi.“ Parallel zu ihren Worten, nahm sie Chichi in die Arme, der sie unbedingt Trost spenden wollte. Seit so vielen Jahren trug sie das Geheimnis mit sich herum, ohne sich jemandem anzuvertrauen. „Ich... Ich habe dich gar nicht wiedererkannt.“

 

„Ich verstehe es immer noch nicht“, bemerkte Yamchu noch immer verwirrt. Die Suche nach den Dragonballs lag schon etliche Jahre zurück – sie alle waren jung, kindlich und naiv. Aber sie wurden reifer und vergaßen die Vergangenheit, weil sie alle sich auf wichtige, zukunftsorientierte Dinge konzentrierten.
 

„Natürlich kannte ich eure Namen nicht, aber du“, nun zeigten ihre Finger auf Yamchu, „wolltest mich schon damals nicht. Du wolltest nicht mein Freund sein, obwohl ich all meinen Mut zusammennahm, dich das zu fragen. Und dann... Ihr habt meinem Vater geholfen, seinen Palast zu löschen, als er in Flammen stand und er schickte diesen Jungen los, um mich zu finden - diesen Jungen!“ Wieder deutete sie hektisch auf Turles. „Er hat mich gefunden. Dieser Junge nahm mich auf seiner seltsamen Wolke mit.“ Sie redete dermaßen schnell, dass sie sich selbst kaum folgen konnte, aber sie musste alles erzählen. Sie musste alles, an was sie sich erinnerte vortragen. 
 

Langsam dämmerte es auch den beiden. Dunkel kamen die Erinnerungen zurück und es bestätigte sich das, was Chichi ihnen vorwarf. Sie kannten sich alle tatsächlich länger als sie glaubten. Während ihrer damaligen Suche nach den Dragonballs, bat der Rinderteufel sie, seine Tochter zu finden... Seine Tochter, deren Name Chichi war... Im Austausch erhielten sie den Dragonball, der sich zum damaligen Zeitpunkt im brennenden Schloss befand.

 

Grundgütiger! Synchron flogen die Hände von Yamchu und Bulma auf ihre Münder, doch Bulma war es, die zuerst sprechen konnte.
 

„Chichi, das... es tut mir so leid“, stellte sie fassungslos klar. Ihre beste Freundin, von der sie dachte, alles über sie zu wissen, kannte sie bereits aus ihrer Jugend. Das war eine erschreckende Nachricht. Wie konnten die beiden Mädchen das nicht bemerken? 
 

„Das muss es gar nicht“, schniefte die junge Frau, die den Abstand zu Turles geschlossen hielt, um sich anschließend zu ihm umzudrehen. „Aber du! Du bist ein Mistkerl, der mich über alle Maße enttäuscht und der seine Versprechen nicht hält. Du hast mir versprochen, dass du mein Freund bist und mich heiraten wirst. Aber, wie hätte es auch anders sein können, du kamst nicht.“
 

Nun regte sich auch etwas in Turles' Gesicht. Seine markanten Züge entgleisten ihm kurzweilig, ehe er zu seiner alten Fassung zurückfand und sich zähnefletschend an Chichi wandte. „Was? Wiederhole das, Weib!“
 

„Du hast mich schon verstanden. Du hast mir versprochen, zu mir zurückzukommen und hast es nicht getan.“ Wutschnaubend hoben sich ihre Fäuste, die nachträglich gegen Turles' Rüstung schlagen wollten, doch wurden diese speditiv abgefangen. Erstarrt darüber, blickte sie brummend zu dem Mann hinauf, der sie warten ließ, der... der sich nicht mehr meldete und verschwand und Chichi im Ungewissen ließ. 
 

„Schafft mir diese Irre vom Leib“, forderte Turles die beiden anderen Anwesenden auf, die ebenfalls wie Chichi, angesichts seiner Äußerung, starr vor ihm standen und keine Anstalten machten, dieses Weib von ihm zu entfernen. Daher musste er selbst agieren und diese Frau, wenn auch mit solch harten Maßnahmen, von sich schieben. „Ich kenne dieses Weib überhaupt nicht und versprochen“, knurrte er ihr entgegen, „habe ich dir gar nichts. Kapiert?“
 

„Rede dich nur -“
 

„Chichi?“, flüsterte im Nachhinein Bulma, die an ihre Freundin herangetreten war. Sanft griffen ihre Hände nach ihren Schultern, bevor sie weiter sprach: „Er hat recht. Du verwechselst ihn vermutlich mit Son Goku. Das hier ist Turles und er lebte nie auf der Erde“, erörterte sie eingeschüchtert, denn Turles' Blick sprach Bände. Er war gar nicht angetan von Chichis Art und würde sie ihn weiter in Beschlag nehmen, so konnte Bulma erkennen, würde er nicht davor zurückschrecken, Chichi am Kragen zu packen und von sich zu schleudern. 
 

„Was?“, entfuhr es auch Chichi, der das Ganze, als ihr bewusst war, einen Fehler begangen zu haben, sehr peinlich wurde und sie gerne im Erdboden versunken wäre. „Das...“ Ihr Kopf flog zur Seite, um Turles ins Gesicht sehen zu können, doch egal wie sehr sie ihn ansah – immer wieder sah sie den Mann, der sie veralberte und nicht, wie versprochen, zu ihr kam. 
 

„Richtig gehört“, schnauzte Turles und er selbst war verwundert, wieso der andere Mann nicht eingriff. Bulma hatte doch so großen Wert darauf gelegt, wie friedlich die Erdlinge waren – wieso griff er nicht ein, um diesem Weib zu helfen? Waren die Erdlinge feige? Allerdings lag es nicht in seinem Ermessen, das Verhalten derer, die er nicht mochte, zu analysieren oder zu beurteilen. Er wollte sich mit diesen Lappalien auch nicht herumärgern. Stattdessen verschwendeten sie bloß seine Zeit. „Und jetzt lass -“
 

„Nein, nicht!“ Bulmas Hand klammerte sich rechtzeitig an Turles' Arm fest, nachdem er diesen hob und Chichis Kragen bereits umschlang. „Turles, bitte. Chichi... Sie ist ein Mädchen und Mädchen behandelt man nicht so grob“, versuchte sie ihn milde zu stimmen und sie dachte, sie hätte tatsächlich Einfluss auf ihn ausüben können, denn seine Hand sank von selbst nach unten – ohne Bulmas Zutun. Dabei sah er sie die ganze Zeit an – ununterbrochen, was einen Schauer über ihren Rücken jagte. Gerne hätte sie ein leises Danke gehaucht, doch war sie in dem Moment froh, die Situation friedlich gelöst zu haben. 
 

„Wo sind wir hier nur gelandet?“ Yamchu war nicht wohl dabei. Wenn jedes Lebewesen, das hier lebte, so reagierte... Dann wären sie doch lieber auf der Erde geblieben. Himmel nochmal. Sie begaben sich sowieso auf ein Himmelfahrtskommando und hätten sonst wo landen können. Nach Chichis Miene zu urteilen, war auch sie nicht mehr bereit, weiter auf diesen großen Mann, der Son Goku in der Tat glich, verbal einzuschlagen. Auch sie war fassungslos, aufgrund dieser Brutalität – ebenso Yamchu, der sich nicht rühren konnte, als Chichi so ungestüm angefahren wurde. 
 

Und Bulma? Sie wirkte zwiegespalten. Sie wusste nicht, ob sie fasziniert oder erschrocken sein sollte. Zum Einen handelte Turles brutal, aber dann gab es diesen Moment, als sie ihn darum bat, Chichi nichts anzutun...

 

 

 
 

~*~
 

Vier Tage waren vergangen, seit Vegeta wieder im Palast lebte und Radditz aufsuchte. Seit vier Tagen wartete er darauf, dass etwas Neues in seinem Leben – abgesehen von den individuellen Trainingseinheiten – passierte; was vielleicht auch mit Bulma zu tun hätte. Aber nein, er saß nur im Palast und langweilte sich, wodurch ihm noch mehr Zeit blieb, über Bulma nachzudenken. 
 

Hätte sie doch bloß diese dämliche Aussage nie getätigt. Hätte sie vor ihrem Vater doch niemals Partei für ihn ergriffen, wäre er nicht auf diese absurden Gedanken gekommen, dass sie vielleicht doch etwas für ihn übrig hatte. Nein, niemals, aber diese Fürsorge... sie infizierte Vegeta, sie nahm Besitz von ihm – so sehr, dass er ständig daran denken musste und wie ein Versessener darauf wartete, dass Radditz ihn suchte und erzählte, was er gesehen hatte. Ihn befielen leichte Skrupel, da er seinen Freund nötigte, ihm diesen Gefallen zu tun... Ihn zu zwingen, Bulma zu beschatten, weil er selbst zu schwach war, sie aufzusuchen und ihr zu offenbaren, dass sie ihn auf eine seltsame Art und Weise faszinierte. So musste er sich eben auf diese hinterhältige Taktik verlassen, die ihm Befriedigung verschaffte. Ja, sie weckte seine Faszination ihr gegenüber unabsichtlich und Liebe war das, was er fühlte, auch nicht. Jedoch war ihre Person interessant genug, um ergründet zu werden. 
 

Es lag nicht nur an ihrem Aussehen. Sie hatte so viel mehr zu bieten, was sein Interesse weckte. Sie war ihm gegenüber völlig wertfrei, behandelte ihn nicht anders als andere und stellte sich ihm immer in den Weg, obwohl sie wusste, wie chancenlos sie gewesen wäre, hätte Vegeta aus Spaß Ernst werden lassen – Furcht war etwas, das in ihr wohnte, sie jedoch das Talent besaß, diese zu unterdrücken. Sie war mutig, weil sie sich trotz ihrer Angst ihm stellte und wäre Vegeta ein Saiyajin, der über etwas sprechen wollen würde, war er sich sicher, er könnte es mir ihr. Sie wäre eine Saiyajin, die die Angst mit ihm teilte, die für ihn da wäre. Aber wollte Vegeta das? Wollte er sich so weit aus dem Fenster lehnen und jemandem die Lizenz erteilen, Einblicke in sein Innenleben zu erhaschen, die Bulma später eine Angriffsfläche boten, um ihn absichtlich zu verletzen? Nein, womöglich nicht. 
 

Aber theoretisch wäre es machbar. Nur so vom Gedanken her. Ja, Bulma war klug genug, Ängste und Sorgen angemessen zu behandeln. Gewiss wäre sie die Letzte, die so etwas als Schwäche sah...
 

Während all dieser abwegigen und chaotischen Gedankenstränge, war Vegeta inmitten seines Trainingsraumes stehen geblieben. Sein glasiger Blick ruhte auf den zerstörten Robotern, die bis eben noch seine Aufmerksamkeit auf sich zogen, doch nun lagen sie ruhig auf dem Boden – zerstört von Vegetas Frust. Schweißgebadet löste er den Blick, den er auf die Gravitationsanzeige richtete und zu schnaufen begann.. Zweihundertfache Schwerkraft war enorm. Jedoch zerrte nicht nur diese Kraft an seinem Körper, auch die wirren Gedanken um Bulma, die mit jedem weiteren Tag mehr Platz in seinem Hirn einforderten. 
 

Was musste sie auch so beharrlich sein? Knurrend machte er sich auf den Weg zum Armaturenbrett. Seine Wut war so drastisch angestiegen, dass er die Anzeige gerne auf zweihundertfünfzig gedreht hätte, doch nicht einmal seiner eigenen, aufgestiegenen Wut konnte er nachgeben, weil seine Gedanken wiederum schön und befreiend waren. Hinzu kam ein unangenehmer Druck, der auf seine Lungenflügel drückte, der es ihm erschwerte, den Zähler höher zu drehen. Kleine Schweißperlen tropfen mit horrender Geschwindigkeit über sein Kinn hinab zum Boden und der Einschlag war gigantisch. Wie die Tatsache, gerne wieder in Bulmas Nähe zu sein. Allerdings würde ihr Vater sich hüten, ihn nochmals in ihre Nähe zu lassen, weshalb er sie wohl oder übel abpassen musste, sollte er noch einmal die Gelegenheit dazu haben.
 

Das war ein Plan, aber er würde sich, solange es ihm möglich war, ablenken. Er musste sich ablenken, denn die einkehrende, ennuyante Haltung half ihm, wie er festgestellt hatte, gar nicht. Viel eher musste er an sie denken – wie sie vor ihm stand, in ein Handtuch gehüllt. Ob sie damals schon nichts darunter trug, als er sie in ihrem rosa Bademantel sah und sie ihn fragte, ob er ihr die saiyajinische Sprache beibringen würde? Hätte er doch bloß ja gesagt. Indessen stützten sich beide Arme auf der weißen Platte ab, auf der viele bunte Knöpfe thronten. Sein Kinn sank gegen seine Brust und seine Atmung wurde deutlich schneller. Selbst sein Spiegelbild, das sich leicht in den glänzenden Fliesen unter ihm widerspiegelte, schien zu verschwinden und ihn täuschen zu wollen, indem ihm Bulmas lächelndes Gesicht gezeigt wurde, deren Lächeln er gerne erwidert hätte.
 

Verdammter Mist.
 

Ein weiterer Schweißtropfen, der Richtung Boden fiel, ließ Bulmas Antlitz verschwinden und doch schaffte es Vegeta nicht, den Blick von der Fliese zu nehmen. Erst das Klicken seiner mechanischen Tür verschaffte ihm Abhilfe, worüber er insgeheim dankbar war. Sonst würde er noch länger in dieser Position verharren. Jedoch war der Ausdruck desjenigen, der ihn aufsuchte, alles andere als erfreut. 
 

Radditz war panisch vor ihm angekommen und man sah, wie ihm die Begebenheiten, anhand des fehlenden Trainings, zu schafften machten. Ächzend beugte er sich nach vorne, als wäre er bereits im Eiltempo hierher gelaufen. Seine Hände fanden den Weg zu seinen Knien, nachdem er sich nach vorne beugte und keuchend zu Vegeta sprach: „Ve- Vegeta, du... du musst mitkommen.“
 

Um ihm nicht das Gefühl zu geben, ihn in einer unschönen Situation ertappt zu haben, stolzierte Vegeta hochmütig an ihm vorbei, doch blieb er stehen, als die gesprochenen Worte durch den Raum hallten. „Wieso?“, fragte er argwöhnisch nach.
 

„Es... Es wird dir nicht gefallen, aber die Situation erfordert deine Anwesenheit.“
 

„Radditz“, pöbelte Vegeta los, dessen Hand noch während seiner Umdrehung zu seinem Kragen schnellte und sein Kompagnon gezwungen war, ihn anzusehen. „Deine Ausdrucksweise ist unangebracht. Red endlich deutlicher. Ist irgendetwas passiert?“ 
 

„Ja.“
 

Seine Alarmglocken schrillten in den höchsten Tönen. Ungeachtet dessen, ob Radditz sich verletzen konnte, ließ er ihn los und sprintete zu einem kleinen Tisch, auf dem seine Rüstung lag, in welche er rasch rein schlüpfte. Unterdessen gelang es auch Kakarotts Bruder, zur Tür zu hechten und gemeinsam ließen sie den Raum, sowie den Palast hinter sich.

Guter Saiyajin - Böser Saiyajin

Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben.

- Konfuzius


 

 
 

~*~

 

- Kapitel siebzehn -


 

 

Bulmas Leben verlief seit vier Tagen harmonischer. Es war idyllischer geworden, seit ihre Freunde in den beiden leerstehenden Gästezimmern schliefen und der blauhaarigen Saiyajin jeden Morgen ein Lächeln ins Gesicht zauberten, anlässlich ihrer Anwesenheit. Insofern müsste es ihr doch gut gehen, aber etwas fehlte ihr. Es waren vermutlich die kleinen Streitigkeiten mit Vegeta, die die Capsule Cooperation mit Leben füllten, oder? Andererseits wachte sie nicht mehr mit quälenden Bauchschmerzen auf. Ihr Verstand musste sich nicht sorgen, wie sie den restlichen Tag überstand – all das war von ihr abgefallen, nachdem er vor vier Tagen in der Ferne verschwunden war. Demzufolge überwogen diese positiven Aspekte Vegetas fehlende Nähe doch deutlich. Und es hätte Bulma verdammt nochmal dazu anregen müssen, tanzend vor ihrem Spiegel zu stehen. Zumal auch Turles auf sie zugekommen war.

 

Turles, der Mann auf den sich Bulma konzentrieren wollte. Er war es, der sie ansprach, der... der sich nachträglich nach ihrem Wohlergehen erkundigte – trotz Chichis ridiküler Begrüßung, deren Verhalten ihr immer noch peinlich war und sie mehrmals andeutete, Turles nicht mehr über den Weg laufen zu wollen.

 

Aber das war nun mal Chichi. Ihre beste Freundin war authentisch, weshalb auch Turles darüber hinwegsehen konnte und im Gegensatz zu Vegeta, war Turles nicht hasserfüllt oder mit Drohgebärden abgehauen, sondern hatte ihnen weiterhin Gesellschaft geleistet. Waren das nicht eindeutige Anzeichen dafür, dass Turles ein gütiger, offener Saiyajin war – jemand, nach dem Bulma immer suchte und ihn wider Erwartungen auf Vegeta-Sei fand?

 

Es waren glückliche Fügungen, doch trotz allem wurde die Freude getrübt, bezüglich Vegetas Fernbleiben. So vernunftwidrig und hirnrissig es klang, Bulma vermisste diesen Starrsinn in seinen Augen. Ihr fehlten die Streitigkeiten wegen Banalitäten, zusätzlich hing sie Erinnerungen nach, die nicht gesund waren und womöglich die Bindung zu Turles schädigen würden. Dabei wollte sie diesem Saiyain eine Chance geben – nebst der kollektiven Erinnerungen mit Vegeta.

 

Aber wieso befasste sie sich so sehr mit dem saiyajinischen Prinz? Lag es an der Gewöhnung, weil er ständig in ihrer Nähe gewesen war? Immerhin hatte sie sich auch schnell an Son Goku gewöhnt. Himmel nochmal, Bulma hatte diesen naiven Jungen sogar in der ersten Nacht im Haus schlafen lassen, obwohl sie ihn nicht kannte – mit dem Unterschied, dass Son Goku damals erst zwölf Jahre alt gewesen war.

 

Inmitten ihrer Gedanken sah sie sich im Spiegel an – sie tanzte nicht, sondern kämmte stattdessen ihre nassen Haare. Darüber hinaus war ihr aufgefallen, wie schelmisch ihr Lächeln war, sobald sie an diesen präpotenten Prinzen dachte, der sein Ziel – ihr Leben zur Hölle zu machen – mit Bravur gemeistert hatte. Hinzu kam, dass sie auch gar nicht mehr wütend auf ihn war – konnte es scheinbar auch nicht, obgleich ihrer anhaltenden Bemühungen. Andernfalls hätte sie jedes Mal, wenn sein Name gedanklich gefallen war, ihrem Spiegelbild böse Blicke zugeworfen.

 

Aber das geschah nicht.

 

Nein, sie würde sich bloß selbst belügen, wenn sie ihre tiefer gehenden Gedanken unterbrach, die um Vegeta kreisten. Ferner blickte sie mittlerweile über ihre Schulter – zu der Stelle neben dem Lichtschalter, wo sie vor vier Tagen mit Vegeta gestanden hatte, ehe ihr Vater hereingekommen war und die Situation sich veränderte. Ihr Vater hatte das verhindert, wozu sie zu schwach gewesen war und ihr Körper sich gesehnt hatte – denn entgegen ihrer Wahrnehmung; so kalt Vegetas Herz auch war, umso mehr konnte sie die ausströmende Wärme seinerseits spüren, welche ein unerlässliches Kribbeln in ihr verursachte, das schrie, den nächsten Schritt zu wagen. Aber je unschuldiger ein Mädchen war, desto weniger wusste es die Methode der Verführung anzuwenden. Bulma hatte so hilflos gewirkt, was ihre Chance gewesen wäre, dem Treiben Einhalt zu gebieten, aber sie konnte sich nicht wehren. Sie wollte sich auch nicht länger dagegen wehren, da ihr Begehren – seine Haut zu berühren – ihre Neugier weckte. Unterdessen legte sie benebelt die silberne Haarbürste auf die Kommode zurück, wonach ihre Finger unselbstständig über das weiße Holz wanderten.

 

Wie wenig sie insgeheim doch von der Liebe verstand, wurde ihr auf Vegeta-Sei vor Augen geführt. All das, was sie mit der Liebe auf der Erde verband, existierte schlichtweg nicht auf ihrem Heimatplaneten. Vegeta-Sei zeigte ihr die abtrünnigen Schattenseiten, der Planet zeigte ihre Hilflosigkeit in Form der fehlenden Charakteristika eines Saiyajins auf, in Anbetracht auf ihre illusionären, irreführenden Wahrnehmungen der Liebe. Ihr liebliches Weltbild brach wie ein Kartenhaus zusammen, das auf einem Fundament aus Lügen erbaut wurde – und mit ihm all die wunderschönen Vorstellungen einer glücklichen Liebe.

 

Die blauhaarige Saiyajin war so tief in ihren Gedanken versunken, dass sie nach oben schreckte, als ihr das Klopfen bewusst wurde.

 

„Hey Bulma, bist du fertig?“, flüsterte Chichi betrüblich durch die verschlossene Tür, da sie bereits mehrmals gegen die Badezimmertür geklopft hatte. „Deine Mutter schickt mich – das Abendessen ist fertig.“ Außerdem wollte sie noch mit ihrer Freundin über die Zukunft sprechen und ob die Möglichkeit bestand, dass Bulma mit ihr zurück zur Erde kehren würde.

 

„Abendessen?“, wiederholte Bulma irritiert. Nach ihrem Zeitgefühl zu urteilen, war es früher Morgen, aufgrund ihrer müden Verfassung. Aber sowohl ihre Naivität, als auch ihre unausgereifte Reife ließen die junge Frau ermüden. „Ist es schon so spät, Chichi?“ Perplex rieb ihre Hand durch ihre blauen Haare, in der Hoffnung, die Berührung würde sie wachrütteln, doch je mehr sie es versuchte, umso härter wurde ihr klar, dass nicht die Müdigkeit schuld daran war, dass es Bulma nicht gut ging... Es lag an etwas anderem – an ihren verworrenen Gefühlen, die sie nicht eingliedern konnte.

 

Chichi hingegen blickte schmunzelnd zu ihren nackten Füßen. „Ja, Bulma. Es ist schon nach sieben.“ Zur selben Zeit – noch während sie sprach, es aber verdrängte – spürte die schwarzhaarige Frau eine unheilvolle, immer stärker werdende Erschütterung unter ihren wippenden Zehen. Es war dasselbe Beben, das die Erde vor vier Monaten heimgesucht hatte – unschön, laut, polternd. Ein ungutes Gefühl befiel Chichi. Ebenso wurde ihr Gehirn mit bösen Erinnerungen geflutet – vor Chichis schwarzen Augen flimmerten die Ereignisse vorbei, die das Leben der beiden Frauen maßgeblich verändert hatten. „Bulma? Bulma, kannst du... das spüren?“

 

Wo eben noch Lethargie herrschte, keimte Angst in der blauhaarigen Saiyajin auf, denn auch sie konnte das Beben deutlich spüren. Die vielen kleinen Haarnadeln vibrierten nervös auf ihre Kommode, während ihr blauer Schopf phlegmatisch zur Seite gedreht wurde. „Chichi?“

 

„Bulma?“ Ihre Stimme wurde immer schwächer, während das Poltern immer lauter wurde und drohte, Chichis Stimme zu verschlingen. Panik bereitete sich in ihren Körper aus – hergeleitet durch die lauten, hinzugekommenen, aggressiven Stimmen die von draußen zu hören waren. „Um Himmels Willen, hörst du das?“, flüsterte sie unbändig gegen die Tür, gegen die mittlerweile ihre Stirn gelehnt war. Das folgende Aufschlagen der Haustür vergrößerte Chichis Angst, woraufhin sie panisch die Badezimmertür öffnete und dahinter verschwand. Doch kaum war sie im Innern des Raumes, stieß sie auch schon gegen Bulma, die sich erhoben und zur Tür geeilt war. „Bulma, was... was ist da los?“, entfuhr es ihr auch sogleich, nachdem sie ihre Freundin erreichte und nach ihren Händen griff, die – wie ihre – zitterten.

 

„Ich weiß es nicht, Chichi. Ich... Ich bin genauso ratlos wie du“, erwiderte Bulma genauso ahnungslos wie ihr Gegenüber. Allerdings wollte sie – im Gegensatz zu Chichi – der Ursache auf den Grund gehen. Sie wollte herausfinden, wer für diesen Tumult im Haus verantwortlich war. „Aber wir müssen nachsehen, wer das ist.“

 

Als Bulma um Chichi herum nach dem Türgriff fassen wollte, wurde ihre ausgestreckte Hand zurückgehalten. „Bulma, du... du willst doch nicht etwa da runter?“ Fassungslos starrten schwarze Augen in blaue. „Bitte sag mir, dass du oben bleiben wirst.“ Jedoch kannte sie Bulma zu gut. Ihr war bewusst, was Bulma tun würde, weshalb sie ihren Rücken gegen die Tür presste, die Arme ausbreitete und ihren Kopf wild schüttelte. „Ich... Nein, ich lasse dich bestimmt nicht nach unten gehen“, beanstandete sie im Anschluss mit zitternder Stimme, da ihr insgeheim klar war, dass sie chancenlos gegen Bulma wäre, sollte sie es tatsächlich in Erwägung ziehen, nach unten zu gehen. „Das ist Irrsinn.“

 

Doch all ihre Bemühungen, mit Engelszungen auf die Saiyajin einzureden, führten nicht zum gewünschten Erfolg, nachdem ein folgenschwerer Aufschrei im Erdgeschoss zu hören war. „Ob Irrsinn oder nicht, ich muss nach unten“, entgegnete Bulma konsterniert und überzeugt davon, sich gegen Chichi durchzusetzen – vor allem, nachdem sie ihre Eltern schreien hörte.

 

„Bitte erinnere dich zurück, Bulma. Du weißt, was... auf der Erde passiert war, oder?“ Sie musste an die Vernunft der uneinsichtigen Saiyajin appellieren, die sich wissentlich in Gefahr bringen wollte. „Du weißt doch noch, was sie uns angetan haben?“

 

Innerhalb weniger Sekunden war ihre Traumblase zerplatzt, wodurch Bulma in die bittere Realität geworfen wurde. „Chichi, bitte. Du musst mich durch die Tür lassen.“ Natürlich verspürte sie – wie ihre Freundin – auch Angst, aber sie konnte nicht tatenlos stehen bleiben, in der Hoffnung, es würde genügen, die Situation auszusitzen. Das konnte und durfte Bulma nicht, da es sich um ihre Eltern handelte. Zudem würde sie – wenn sie sich im Badezimmer verschanzte – diese Ekeln in ihrer Machtposition bestärken. Bulma würde ihnen mit ihrem ängstlichen Verhalten suggerieren, dass sie sich alles erlauben konnten. „Ich muss nach meinen Eltern sehen“, fügte sie eindringlich hinzu, nachdem Chichi immer noch steif die Tür versperrte.

 

„Ich flehe dich an“, stotterte Chichi jedoch beflissen weiter, ohne Bulmas Sorgen zu erkennen. „Bitte bleib hier oben, Bulma. Wir... Wir können doch gar nichts ausrichten – sieh uns doch nur mal an.“ Grob griff sie nach den Schultern ihrer Freundin. Sie wollte Bulma schütteln, bis sie zur Einsicht käme, dass sie nichts unternehmen konnten.

 

„Nein!“, erwiderte sie entschlossen. Darauf bedacht, ihrem Gegenüber nicht wehzutun, stieß sie Chichi umsichtig zur Seite, nachdem sie unverkennbare Geräusche vernahm, die darauf hindeuteten, dass Schränke aus ihren Scharnieren gerissen und Stühle umgeworfen wurden. Hinzu kamen die quälenden Schreie ihrer Eltern, die Bulma verhalfen, sich an Chichi vorbeizuzwängen – ganz gleich, wie bitterlich Chichi zu weinen anfing. Doch bevor sie die Tür aufzog, sah sie über ihre Schulter – hinüber zu Chichi, deren Hände bibbernd vor ihrem Mund inne hielten. „Sobald ich aus der Tür bin, verbarrikadierst du sie, ok?“ Dass ihre Glieder gerade einfroren, aufgrund der anbahnenden Katastrophe, ignorierte Bulma geflissentlich. Ihre Motorik hatte ganz einfach zu funktionieren. Punkt.

 

„Das ist Wahnsinn“, wagte Chichi erneut den Versuch, ihre Freundin vor einer Dummheit zu bewahren. „Du kannst dich doch nicht in eine Situation stürzen, deren Ausmaße du nicht kennst – das ist lebensgefährlich, Bulma.“

 

Getrieben von ihren Emotionen, ruhte ihre Hand nervös auf der Klinke. Jede Wette würde Bulma eingehen, dass ihre Psyche womöglich irgendwann instabil werden würde, anlässlich der hier herrschenden Tyrannei. Es wäre nicht verwunderlich, würde Bulma irgendwann zusammenbrechen. Man musste sich nur ihr bisheriges Leben, das keinen guten Anfang fand, auf Vegeta-Sei ansehen.

 

Allerdings musste Bulma den Blick für das Wesentliche behalten, da sich weitere Diskussionen erübrigten. „Das weiß ich doch selbst, Chichi, aber -“ Sie wollte ihr gerade erklären, wieso sie so handelte, allerdings wurde sie von einem weiteren Beben unterbrochen, woraufhin die beiden Mädchen mit wackligen Beinen in die hintere Ecke des Zimmers getrieben wurden. Folglich gingen sie in die Hocke, um nicht zu stürzen. Des Weiteren gaben sie sich gegenseitig Halt. Sie umarmten sich, um sich Kraft und Trost zu spenden.

 

„Was... Was war das?“, schluckte Bulma erschrocken, nachdem sie sicherstellte, nicht den Halt zu verlieren. Anschließend sah sie nach oben – zur erloschenen Zimmerlampe. Allem Anschein hatte die Erschütterung Auswirkungen auf ihren elektrischen Speicher, der ihr Haus mit irdischem Strom versorgte.

 

„Ich weiß es nicht“, schluchzte die Angesprochene mühselig. Ihr Hals schmerzte bereits vom Weinen, sowie dem kräftigen Herunterschlucken der sich bildenden Klöße in ihrer Speiseröhre. „Ich weiß nur, dass ich nach Hause will – sofort.“

 

Das Weinen ihrer Freundin trug nicht dazu bei, dass sie nachdenken konnte. Von jetzt auf gleich musste Bulma überlegen, was sie tun konnten, da sich die Vergangenheit zu wiederholen schien – dieses Mal nur schlimmer... fataler. Bilder der Vergangenheit tauchten vor ihr auf und sie sah Turles. Den Saiyajin, den sie mochte und doch vor vier Monaten vor ihr gestanden hatte und sie zwang, mit ihr die Erde zu verlassen. Zudem bemerkte sie die Krämpfe in ihrer Magengegend, die ihr signalisieren wollten, dass sie es nicht wagen sollte, die Tür zu öffnen. Ihr Verstand wiederum empfahl ihr, das genaue Gegenteil zu tun – nach unten zu rennen und ihren hilfesuchenden Eltern beizustehen. Zuzüglich musste sie dafür Sorge tragen, dass Chichis Weinen den Eindringlingen nicht ihren Standort verriet.

 

„Chichi, bitte. Bitte beruhige dich doch“, versuchte sie dahingehend beruhigend und einfühlsam auf sie einzuwirken. Diesbezüglich war sie jedoch nicht sehr erfolgreich, da Chichi aufsprang, zum Fenster hechtete und dieses öffnete. Zeitgleich eilte Bulma zur Tür und drehte den Schlüssel zwei Mal herum, was – wie ihr aufging – nicht sonderlich helfen würde, die Einbrecher fernzuhalten. Schließlich war es Vegeta auch gelungen, die Stahlkette der Haustür mühelos zu zerbrechen.

 

Himmel nochmal, was konnten sie noch tun?

 

„Wir... Wir müssen hier weg“, schrie unterdessen Chichi verschreckt auf, während eine erneute Erschütterung das Haus heimsuchte und die Mädchen endgültig zu Fall brachte.

 

Am Boden liegend, sah Bulma hinüber zu Chichi, die indessen unaufhörlich weinte. Auch ihr standen Tränen in den Augen – verursacht durch die quälende Unwissenheit. Zusätzlich schmerzte ihre Hand, auf die sie gefallen war und ein unschönes Knacken im Innern die Folge war. Die immer mehr aufkeimende Angst – die ihr buchstäblich im Weg stand – nistete sich wie ein Parasit in Bulmas Körper ein und hinderte sie daran, besonnen zu handeln.

 

„Chi- Chichi“, röchelte Bulma daraufhin, aufgrund dessen dass sie mit ihrem Brustkorb auf ihre Hand gefallen war. „Hast... Hast du dir wehgetan?“, ächzte sie weiter, während aufgewirbelter Staub im sanften Blau, das der Abend verursachte, sichtbar wurde. Wie gerne wäre Bulma dem Licht, welches der aufgegangene Mond hineinwarf, entgegengelaufen? Aber wie hätte sie das bitteschön anstellen können? Welchen Weg gab es, dieses Minenfeld unverletzt und ungesehen zu durchqueren? Aber vielleicht bestand die Chance – wenn sie nur leise genug waren – nicht entdeckt zu werden? Allerdings war es vermessen, sich dieser schwachsinnigen Hoffnung hinzugeben, aufgrund der Tatsache, dass Saiyajins mithilfe ihrer Scouter jeden im Handumdrehen aufspüren konnte. Selbst wenn sie ihre Aura löschen könnte; der Scouter würde jegliche Position verraten – erbarmungslos.

 

„Bulma?“, flüsterte Chichi, deren verkrampftes Gesicht es nicht eher zugelassen hatte zu antworten. Inzwischen ebbte auch der Geräuschpegel im unteren Stockwerk ab, was Chichi jedoch keineswegs beruhigte – es verunsicherte sie bloß noch mehr. Hinzu kamen die unheimlich leisen Stimmen, die zuvor noch laut und deutlich zu hören waren. Das Schlimme aber war, dass... dass sie die flüsternden Stimmen hören konnte, was wiederum bedeutete, dass die Stimmen näher kamen.

 

Auch Bulma konnte es hören. „Shhh, Chichi. Wir müssen leise sein“, flüsterte sie schockiert hinter sich – noch immer auf dem Boden liegend. Parallel passte sie ihre Atmung den Schritten an, die sie hören konnte. Jede Stufe, die die Unbekannten erklommen, atmete Bulma leise aus. Ergänzend vernahm sie leise Klickgeräusche die den langen Flur vor dem Badezimmer mit ihrem unheimlichen Klang erfüllten und den Gamaschen von Turles' Stiefel gleichkamen. Das Unheil, das sich anbahnte, wurde von pulsierenden Schläfenadern, von brodelndem Blut, das durch die Adern der jungen Frauen schoss und vielsagender Angst begleitet. Beide Herzen – so unterschiedlich sie waren – schlugen unglaublich schnell und weder aus Bulmas, noch aus Chichis Mund waren irgendwelche Laute zu hören. Alles, was die beiden Frauen verraten könnte, waren ihre hektischen Atmungen, sowie ihr rauschendes, blasenschlagendes Blut. Ferner behielten ihre blauen Augen unterdessen den schmalen Türschlitz im Auge, den sie wunderbar sehen konnte, da sie in unmittelbarer Nähe auf dem Boden verweilte. Sie rührte sich keinen Millimeter, atmete jedoch kurz erleichtert auf, nachdem das Licht im Flur wieder ansprang und ihr mitteilte, dass scheinbar niemand vor der Tür stand.

 

Das war ihr Lichtblick – das spärliche Licht, das den Flur erhellte. Doch binnen weniger Minuten, wurde das Licht, das in Bulma den letzten Funken Hoffnung schützte, von den näher kommenden Schatten regelrecht verschlungen... Ebenso zerbarst ihre Hoffnung, wie eine eingeworfene Glasscheibe und ehe sie aufschreien konnte, schaffte es ihre Hand, sich flach auf ihren bereits aufgerissenen Mund zu pressen.

 

Grundgütiger, ihre Nerven lagen blank... Aber beide – Chichi und Bulma – mussten ihre Nerven behalten. Sie durften diese lebenswichtigen Seile, die ihren Körper zusammenhielten, nicht verlieren. Unter gar keinen Umständen. Als zu der draußen herrschenden Dunkelheit, aufgrund der Schatten, sich jedoch die passenden Stimmen hinzugesellten, war es um Bulma geschehen. Schweißperlen bildeten sich unmittelbar auf ihrer Stirn, die es allerdings bevorzugten, auf direktem Weg über ihre Stupsnase zu Boden zu tropfen – es glich einer gigantischen Explosion.

 

„Hier zeigt der Scouter weitere Auren an“, entfuhr es der fremden Stimme klanglos.

 

Und just in diesem Moment wusste Bulma, dass sie das Versteck-Spiel verloren hatten. Im Hinblick auf einen fehlenden Ausweg, schossen aus ihren Augenwinkeln heiße Tränen. Ihr Leben, so dachte sie, würde auf die nur denkbar grausamste Weise enden. Jedoch korrigierte die junge Saiyajin ihre Gedanken, so lange ihr noch die Zeit blieb – nicht jetzt endete ihr Leben... Es hatte schon geendet, seit ihrer Ankunft auf Vegeta-Sei...

 

Währenddessen mussten beide mit ansehen, wie unliebsam die Tür aufgebrochen wurde, die den Mädchen bis dato Schutz bot. Es genügte minimale Kraft, um die hölzerne Tür sprichwörtlich in die Knie zu zwingen. Das Licht, das folglich in das Zimmer drang, wurde sogleich von zwei wuchtigen, muskulösen Körpern verdeckt und hatte zur Folge, dass Chichis Aufschrei gar nicht mehr zu Bulma hindurchdringen konnte, da einer der Eindringlinge bereits zu der schwarzhaarigen Frau herangetreten war und mithilfe seiner Pranke ihren Mund verschloss. Indes ruckte Bulmas Kopf in Zeitlupe herüber, während vereinzelt blaue Strähnen ihre Nasenspitze kitzelten, bevor sie grob an den Beinen nach hinten gezerrt wurde. Mechanisch streckte sie ihre Hand aus, wollte noch nach der Hand ihrer wimmernden Freundin greifen, aber es war zu spät. Der Abstand zu Chichi wurde immer größer – wie eine Kluft, die sich zusehends vergrößerte.

 

„Das hier“, grollte der hochgewachsene Saiyajin höhnisch, nachdem er Bulma, sowie ihren zerbrechlichen Körper in Augenschein genommen hatte, „ist die Tochter des Professors.“

 

„Die Saiyajin?“

 

„Ja, sie ist saiyajinischer Abstammung.“ Die Nase des Mannes glitt über Bulmas Haaransatz, während seine Finger simultan ihren schlanken Hals umklammerten. „Du hast Glück, Mädchen – anders als die kleine Schwarzhaarige.“

 

„Lasst... Lasst sie in... in Ruhe“, krächzte Bulma. Ihr war es gerade noch möglich, ihren Kopf zur Seite zu drehen, angesichts der Übelkeit, die in ihr aufgestiegen war, nachdem sie den Atem des Fremden roch. Ihr Magen fuhr Achterbahn und doch verhielt sie sich still, zwang sich zusätzlich, sich nicht vor diesem widerlichen Aas zu übergeben.

 

„Briefs' Tochter brauchen wir nicht, oder?“, ertönte derweil wieder die Stimme des Fremden, dessen Hand in Chichis schulterlangen Haaren verschwand, um sie weiterhin problemlos in Schach zu halten. Ihre Kampfkraft lag bei zwei Prozent – deutlich niedriger als die Kampfkraft der Saiyajin, die sein Weggefährte in den Schwitzkasten nahm. „Nein, die brauchen wir nicht“, lachte er auf und neigte seinen Kopf nach unten, um Chichi zuzuflüstern: „Wir sind deinetwegen hier, kleines Fräulein, weil unser König“, sprach er ungeniert weiter und schlang seine Hand um ihren Hals, „es gar nicht gerne sieht, wenn sich Fremdlinge auf unserem Planeten herumtreiben – die zudem nicht mal den Schneid besitzen, sich zu melden und ihren Aufenthalt nicht rechtfertigen.“

 

„Das... Das wussten wir nicht“, stammelte Bulma vergeblich. Ihre Augen waren nach oben in ihre Höhlen gewandert, um Chichi ansehen zu können – wenngleich sie aufgrund ihrer Position alles kopfüber betrachten musste.

 

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, elende Saiyajin“, spuckte der Saiyajin, der Chichis Hals immer fester umgriff. „Unser König ist sehr daran interessiert, wer deine kleinen Freunde sind.“

 

„Oder willst du uns sagen“, fauchte anschließend der größere der beiden Saiyajins Bulma an, „wer der Junge und das Mädchen sind?“

 

So kraftlos Bulma auch war, so sehr schätzte sie aber ihre Freunde, die ihr unendlich wichtig warten; hatten sie nicht etliche Strapazen auf sich genommen, um sie ausfindig zu machen, indem sie sich auf die nicht ungefährliche Suche nach den Dragonballs machten. Anders als sie, hatte Bulma ihren Mut noch nicht unter Beweis stellen müssen, denn bislang kam ihr immer jemand zur Hilfe – was dieses Mal wohl nicht passieren würde. Nein, Son Goku würde nicht kommen. Er würde weder Bulma, noch Chichi aus der brenzligen Situation – die sowieso unfair aufgeteilt worden war, angesichts der Kräfteverhältnisses – befreien können. Tränen der Verzweiflung rannen inzwischen über ihre glühenden Wangen, die Pein stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber verraten würde sie nichts und niemanden – schon gar nicht ihre Freunde. Immerhin musste sie auf Vegeta-Sei lernen, wie bedeutungsvoll eine Freundschaft war; vor allem auf diesem vom Neid zerfressenen Planeten, dessen Bevölkerung dem anderen nicht mal die Butter auf dem Brot gönnte. Freundschaft konnte vieles überstehen, Freundschaften hielten grundsätzlich auch länger als Beziehungen, was sie zu schätzen gelernt hatte.

 

„Von mir“, begann sie bedrohlich zu flüstern, „erfährt ihr nichts – gar nichts!“ Begleitet von einem ekelerregenden Geräusch, sammelte sie ausreichend Speichel in ihrem Mund, bevor sie die gesamte Ladung in das Gesicht des Saiyajins spuckte, der nach wie vor über ihrem Körper verweilte und sein hässlich markantes Gesicht dem ihren näher brachte. So sehr es die blauhaarige Saiyajin anwiderte, aber genau das und noch viel mehr verdiente dieser Mistkerl, der gemeinsam mit seinem Komplizen in ihr Zuhause eindrang – hinein in ihre Privatsphäre, hinein in ihre Welt, in die sich Bulma stets zurückziehen konnte, wenn es ihr auf Vegeta-Sei zu viel wurde. Ferner zog sie ihre Augenbrauen zusammen, runzelte ihre Stirn und ihre blauen Augen blickten finster drein, ehe sie hinauf in das Gesicht des Saiyajins sah. „Da hast du deine Antwort, Dreckskerl!“, fügte sie knurrend hinzu.

 

„Ganz schon aufsässig, Kleine.“ Feixend wischte er sich den Speichel vom Gesicht, doch anders als von Bulma erhofft, hatte sich der Hüne die Nässe mithilfe seiner Finger in die Haare gekämmt – scheinbar als Zeichen dafür, sich mit dem Sekret seiner Feinde zu markieren; so, wie andere Stämme es schon vor ihnen taten. „Aber das treibt mich nur noch mehr an, dir jenes Verhalten ordentlich auszutreiben. Es ist ein Leichtes, aufmüpfige Mädchen gefügig zu machen, nicht wahr, Cado?“ Im Anschluss, um seiner ausgesprochenen Drohung Taten folgen zu lassen, indem er seine geballte Faust in ihren Magen schlagen wollte, unterbrach eine andere Stimme sein Handeln. Zischend hielt er in seiner Bewegung inne, stoppte vor ihrem Bauch und zeigte Bulma sein abfälligsten Grinsen: „Denk nicht, dass es das war, Mädchen.“ Angrenzend drehte er seinen Kopf zur Seite, bis er die Gestalt erkannte, die seine Autorität untergraben hatte.

 

„Es reicht, Totipa. Genug für heute.“

 

Den Blick über seine Schulter gerichtet, konnte der Eunuch den Neuankömmling erfassen. Allerdings wanderten seine Augen zu dem eingefallenen Gesicht der angeschlagenen Saiyajin zurück. „Es genügt noch lange nicht“, flüsterte er Bulma entgegen, während sein Daumen energisch über ihre Wange strich. „Niemand sagt mir, wann Schluss ist.“ Er sprach leise – so leise, dass nur Bulma ihn hören und seine folgende Handlung in Zeitlupe wahrnehmen konnte. Folglich schoss seine Hand um Bulmas Kopf, er ahmte die Handhabung seines Nebenmannes nach, infolgedessen sich seine Finger in ihrem blauen Haarschopf vergruben. Die Ausführung seiner unterbrochenen Handlung führte er fort; insofern war es nicht verwunderlich, dass das Mädchen aufschrie, nachdem sein gezielter Fausthieb in ihrem Magen landete. Unweigerlich darauf riss sie ihre Augen auf, bevor sie in den Armen des Saiyajins zusammenbrach.

 

„Totipa!“ Der hinzugekommene Saiyajin passierte die Tür, doch noch ehe er den Angesprochenen erreichte, hatte dieser Bulmas Körper gepackt, den er geistesgegenwärtig gegen die gegenüberliegende Wand katapultierte. „Bist du übergeschnappt?“, entkam es dem Saiyajin daraufhin, der abschließend Totipa zur Seite stieß und zu Bulmas reglosem Körper herantrat. „Das war unnötig.“

 

„Turles“, knurrte Totipa genervt, während seine Hand den überschüssigen Speichel aus seinen Mundwinkeln entfernte. „Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein, kapiert? Das Mädchen war störrisch. Ich habe ihr nur Manieren beigebracht, da sie scheinbar vergessen hat, wer hier den längeren Atem hat.“

 

Aber anstelle von Turles war es Chichi, die für wenige Sekunden ihre Angst vergaß und brüllte: „Du mieses Arschloch, spinnst du?“ Energielos hatte sie diese bösartige, hinterhältige Aktion mit ansehen müssen, ohne etwas unternehmen zu können. Der grenzenlose Zorn, der sie übermannte, konnte ihre Angst hervorragend hinunter spielen, was ihr nur zugute kam. Andernfalls hätte sie sich niemals getraut, diesem Sadisten verbal entgegenzutreten. „Du hast wohl nicht mehr alle Nadeln an der Tanne. Was fällt dir ein, dich an einem wehrlosen Mädchen zu vergreifen?“ Chichi wollte sie losreißen, sie wollte zu Bulma, doch musste sie recht schnell erkennen, wie leicht es den Saiyajins gefallen war, sie bewegungsunfähig zu machen, indem ihr Wächter ihre Arme hielt, sie einige Zentimeter vom Boden hob und ihren Körper mühelos unter seinen Arm klemmte.

 

„Hör zu, Erdlingsmädchen“, brummte der von Chichi gescholtene Saiyajin, dessen Finger knackten, nachdem er an Bulma herangetreten war und das Fenster öffnete, durch welches sie gleich gemeinsam fliegen würden. „Du hältst besser deinen Mund, denn du“, betonte er gehässig, „hast noch weniger Rechte als diese erbärmliche Saiyajin. Ich rate dir, die Füße still zu halten. Ansonsten findest auch du dich in der Ohnmacht wieder – wie deine kleine, beklagenswerte Freundin, für die es besser gewesen wäre, mit uns zu kooperieren, statt uns zu hintergehen.“

 

„Nein, sie -“

 

„Schweig! Deine Freundin ist eine Saiyajin, und trotzdem hintergeht sie ihr Volk. Sie steht auf deiner Seite und verschweigt uns sowohl deinen Namen, als auch deine Herkunft.“ Schnaubend kehrte er der Menschenfrau den Rücken zu und wandte sich an Turles. „Was ist mit dir? Fliegst du mit zum Palast?“

 

„Nein“, winkte Turles desinteressiert ab.

 

„Dann eben nicht“, verabschiedete sich Totipa großkotzig und anstatt seinem Gefährten aus dem Fenster zu folgen, schritt er zur Badezimmertür und wählte den Weg nach unten – womöglich um Doktor Briefs' mit zum Palast zu nehmen.

 

Erst als beide Saiyajins verschwunden waren, ging Turles in die Hocke. Sanftmütig strich er die zerzausten blauen Strähnen aus Bulmas Gesicht. „Du hast deinen Mut an falscher Stelle eingesetzt, Mädchen“, äußerte er leise, wohl wissend, dass Bulma bewusstlos war und ihn nicht hören konnte. Ebenso wenig würde sie bemerken, wie Turles ihren geschwächten Körper auf seine Arme hievte und ihren Kopf vorsichtig gegen seine Schulter lehnte, ehe er mit ihr verschwand.

 

 
 

~*~

 

 

Schweißgebadet kam er dem Haus immer näher, das äußerlich einen normalen Eindruck machte – als wäre nichts ungewöhnliches darin geschehen. Allerdings war Radditz' Hilfeersuchen ausreichend, um die Ausmaße im Innern erahnen zu können. Schneller als ein Blitz war Vegeta geflogen. Kakarotts Bruder hatte massive Probleme mitzuhalten, aber das war weniger primär im Bezug auf dessen, was ihn im Haus erwartete. Das war es, was den Königssohn beunruhigte – das Ungewisse. Vor allem weil es das Mädchen betraf, dem er sich besser nicht mehr hätte nähern sollen, weil sie Emotionen in ihm auslöste, die ihm völlig fremd waren. Außerdem waren die Wort seines Spions ein weiteres Indiz dafür, dass es Ärger geben könnte – riesigen Ärger. Dennoch landete er hastig, aber immer noch gekonnt vor der zerbrochenen Tür, deren Einzelteile in der Eingangshalle des Hauses zerstreut waren und wäre Vegeta kein geübter Flieger, hätte seine Landung auch in einer gewaltigen Bruchlandung enden können. Augenblicklich merkte er aber die dort herrschende Ruhe – niemand war zu hören, geschweige denn zu sehen, was ihn zur äußersten Vorsicht zwang, da es nur zwei Schlussfolgerungen gab. Entweder waren er und Radditz zu spät, oder die Eindringlinge versteckten sich und bauten darauf, die beiden Saiyajins in einen Hinterhalt zu locken.

 

Eines der beiden Szenarien würde eintreffen und Vegeta wäre kein stolzer Saiyajin, würde er sich nicht selbst davon überzeugen und den unverkennbaren Tatsachen ins Auge sehen.

 

„Shhh“, flüsterte der Prinz durch seinen halb geöffneten Mund, auf dem sein Zeigefinger ruhte. Um seiner Warnung mehr Ausdruck zu verleihen, schlich er vor Radditz zur zerstörten Tür, da sie nicht wussten, womit sie es zu tun bekämen, sobald sie einen Fuß in das Innere setzten. Aus diesem Grund zog er die Vorsicht seines Übermutes vor, trotz dessen, dass er immer darauf bedacht war, jederzeit – und dank seiner Reflexe rechtzeitig – anzugreifen, doch wollte er derjenige sein, der seine Gegner überraschte; nicht umgekehrt, was zugegebenermaßen auch seinen Reiz hätte, sofern es nicht Bulma betreffen würde.

 

Nebenbei betätigte er nacheinander die Knöpfe seines Scouters, während er auf irgendeine Reaktion wartete. Derweil trat er näher an die Tür heran, nachdem sein Scouter ihm zwei schwache Auren mitteilte.

 

„Radditz?“

 

„Ja?“, wisperte er genauso leise.

 

„Es befinden sich bloß zwei Auren hier. Was hat das zu bedeuten?“ Sein strapazierter Geduldsfaden wurde noch mehr auf die Probe gestellt. Es fehlte nicht mehr viel und das dünne Bändchen, das einen Ausraster seinerseits bisher vermied, würde reißen. „Wieso werden uns nur zwei Auren angezeigt, verdammt nochmal?“

 

„Ich... Das kann ich dir auch nicht erklären, Vegeta. Wie auch?“ Radditz war unweigerlich zum Palast aufgebrochen, nachdem er die zwei fremden Saiyajins in der Nähe des Hauses bemerkte. Ohne darauf zu warten, dass sie in das Haus eindrangen, war Radditz losgeflogen, um mit Vegeta rechtzeitig wieder hier zu sein, aber die Unbekannten waren allem Anschein nach schneller. „Ich bin sofort zu dir gekommen, aber es hat gedauert, bis man mich zu dir ließ. Ich muss dich ja nicht daran erinnern, dass ich ein Low-Level-Kämpfer bin, dem man den Zutritt zum Palast verwehrt, oder?“ Konnte oder wollte Vegeta sein Engagement nicht wertschätzen? Denn im Gegensatz zu dem stolzen, unfehlbaren Prinzen, bemühte sich Radditz wenigstens und tat das, was Vegeta verlangte.

 

„Das ist mir scheißegal!“, entfuhr es ihm wütend und packte Radditz' Kragen, um ihn zu sich nach unten zu ziehen. „Durch dein Verhalten sind wir gezwungen, etwas zu unternehmen – ohne zu wissen, was uns erwartet. Ist dir das überhaupt klar?“ Er hätte sich gerne seine zu Berge stehenden Haare gerauft, doch stattdessen fuhr er knurrend fort: „Wieso hast du nicht gewartet?“

 

„Was?“ Vor Entrüstung klappte seine untere Mundhälfte nach unten. Warten sollte er? Nun, vorausgesetzt Radditz hätte gewartet, so wusste er – nein, er war sich sicher –, dass das dem königlichen Besserwisser auch nicht gepasst hätte. Grundsätzlich fand Vegeta nämlich immer ein Haar in der Suppe, er fand immer einen Grund, Radditz zurechtzuweisen – egal in welcher Form. „Ich dachte, es wäre vernünftiger, wenn ich dich über diese Veränderung sofort in Kenntnis setze. Deswegen bin ich sofort los geeilt – noch ehe die beiden Saiyajins die Tür aufgebrochen haben.“

 

„Hör auf zu denken!“, erwiderte er als er über seine Schulter blickte. Anschließend drehte er sich kopfschüttelnd um und ging weiter. Ähnlich wie in Radditz' Behausung, war auch hier Dreck und Staub aufgewirbelt worden, wenn auch aus anderen Umständen – Radditz war schlichtweg zu faul, seine Hütte sauber zu halten. Und ständig konfrontierte man Vegeta mit so etwas bösem wie dem vor ihm befindlichen Szenario und wäre er nicht der Prinz, wäre er gewillt, vielleicht Mitleid zu empfinden, aufgrund der Tatsache, dass man dieser Familie bereits genügend Leid angetan hatte. Schließlich wurden sie auf unliebsame Weise wieder zurück nach Vegeta-Sei geführt, Bulma durchlebte vermutlich die letzten Monate die Hölle, angesichts der fehlenden Erfahrung als Saiyajin. Aber Vegeta war nicht fähig, Empathie zu empfinden – so gerne er gewollt hätte. Nein, er war ein böser Saiyajin, ein kaltes, herzloses Geschöpf, dem es nicht vergönnt war, etwas so triviales an sich heranzulassen. Wenn er jedoch mit sich selbst im Reinen bleiben wollte, musste er sich eingestehen, dass er diese Empfindungen auch gar nicht wahrnehmen wollte. Er wollte so bleiben wie er war – rachsüchtig, elitär und grausam. Attribute, mit denen er sich besser auskannte als mit dem, was ihn in letzter Zeit heimsuchte.

 

Inzwischen war er über die herausgebrochene Tür gestiegen, passierte auf leisen Sohlen den Eingangsbereich und suchte gezielt nach der Aura, die ihm am nächsten war. Demgegenüber wies er seinen Begleiter per anhaltender Handzeichen an, nach der anderen schwachen Aura zu suchen. Hektisch deutete sein Zeigefinger zum Nebenzimmer, das sich neben der Küche befand und durch einen mit Stuck verzierten Rundbogen erreichte. Mit Sicherheit sähe ihre stumme Unterhaltung für einen Außenstehenden lustig aus, doch was in diesem Moment so lustig aussah, war für Vegeta ein lebenswichtige Situation. Beide Freunde befanden sich in einer höchst brisanten Lage, die augenblicklich – wenn sie unvorsichtig wurden – umschwenken und zur Gefahr werden konnte. Immerhin bestand die Gefahr, im Fadenkreuz der Angreifer zu landen, wenngleich sein Scouter ihm nur die beiden Auren anzeigte, die sie bereits lokalisierten. Aber man wusste nie. Schließlich sprach Bulmas Vater schon davon, dass Saiyajins im Stande sein könnten – sofern sie trainiert genug waren – ihre Aura zu minimieren, im schlimmsten Fall sogar zu löschen.

 

Aber so weit dachte der Thronerbe Vegeta-Seis nicht. Niemand den er kannte, war mächtig genug. Nicht einmal sein eigener Vater und entsprechend seiner Vorsicht, erreichte er zuerst die offene Küche. Höchst konzentriert lugte er um die Ecke. Vor ihm türmte sich das Ausmaß der vorhergegangenen Zerstörung in seiner vollen Pracht aus, in Form sämtlich aufgerissener Küchenschränke und zu Boden geworfener Stühle. Das Porzellangeschirr ihrer Mutter lag in Scherben auf den verstaubten Fliesen, das dazugehörige Mobiliar wurde mutwillig zerstört. Doch das erschreckendste was er vorfand, waren die schwarzen Haare, sowie eine bewegungslose Hand, die unter dem Tisch hervorragte – umgeben von einer Blutlache.

 

Das Wimmern ließ darauf zurückschließen, dass es sich um eine Frau handelte... Eine ältere Frau, deren Haare schwarz waren. So schwarz, dass es sich nur um... um Bulmas Mutter handeln konnte.

 

Unverzüglich eilte er zu dem Tisch und warf die sperrigen Holzbretter – die Panchy Briefs begruben – von ihrem Körper, ehe er sie hinausziehen und zur Seite drehen konnte. Glücklicherweise sah er auch sofort, dass sich ihre Brust hob – sie atmete, was er sogleich kontrollierte, indem er sein Ohr wenige Zentimeter über ihren Mund hielt.

 

„Ve- Vegeta“, hüstelte Panchy leise, aufgrund des Staubs, der sich in ihrem Mund festgesetzt hatte. Zeitgleich platzierte sie ihre zitternde Hand auf dem stählernen Unterarm, wonach sie spüren konnte, wie die dazugehörige Hand ihr dabei half, sich aufrecht hinzusetzen. „Was... Was tust du hier?“, ächzte sie schmerzverzerrt und nachdem ihre Finger vorsichtig ihren Körper berührten, konnte sie erahnen, woher der Schmerz und das Blut kam. Über ihre Stirn zog sich eine klaffende Wund, dessen Blut ihr sonst geschminktes Gesicht in ein tiefes Rot verwandelte. „Wieso... bist du hier?“ Zu konfus war sie, um ihr Gegenüber aufzuklären.

 

„Das spielt keine Rolle“, murrte er ihr entgegen. Dass er Radditz den Auftrag erteilt hatte, Panchys Tochter zu beschatten, würde sowohl Radditz', als auch sein Geheimnis bleiben, was beide Saiyajins mit ins Grab nehmen würden. „Sagen Sie mir lieber, ob noch andere im Haus sind?“ Dazwischen drehte er immer wieder seinen Kopf umher, allerdings war Radditz noch nicht in der Küche aufgetaucht, was jedoch kein Beinbruch war – passiert war ihm sowieso nichts, denn Vegetas Scouter teilte ihm mit, dass Radditz' Energie konstant geblieben war. „Ich muss wissen“, begann er nochmals nachdrücklicher, „ob noch jemand hier ist?“

 

„Ich... Ich weiß es nicht“, stöhnte Panchy, deren Hand zu ihrer Stirn fuhr. „Ich weiß auch gar nicht, was... was los ist, geschweige denn, wieso... das alles passiert?“ Im Nachhinein sah auch sie sich benommen um. Panchy war es unerklärlich, wieso ihre Familie überfallen wurde, während sie – ihr Mann, Yamchu und sie selbst – am Tisch saßen und auf die Mädchen warteten. Des Weiteren analysierten ihre geschwollenen Augen weitere Verletzungen auf ihrem Arm, herbeigeführt durch das heiße Essen, das man ihr wohl absichtlich darüber verschüttete. „Ich habe lediglich gehört“, schluchzte sie weiter, „dass jemand zurückgekommen war, nachdem wir dachten, dass die Gefahr vorbei wäre und meinen niedergeschlagenen Mann mit sich zerrte.“ Während ihrer Erzählungen rannen Tränen ihre Wangen hinab. Es war ein bizarres Bildnis, da Vegeta etwas so trauriges nie mit Panchy Briefs in Verbindung gebracht hätte. Er hätte – wäre er nicht selbst Zeuge ihrer Tränen geworden – sogar geglaubt, dass Bulmas Mutter nie Tränen vergoss, angesichts ihrer Fröhlichkeit.

 

„Sie warten hier!“, befahl Vegeta. Als er sich jedoch erhob, bemerkte er ihre Hand auf seinem Unterarm.

 

„Vegeta, was... was passiert hier und... und wo ist mein Kind?“

 

Er entschied sich gegen eine Antwort. Der Mutter des Mädchens – das ihn unwahrscheinlich faszinierte, aus Gründen, die er nicht kannte – konnte er nicht die Wahrheit sagen. Dass Bulma womöglich im Palast war, das... das konnte er nicht erwähnen, weil es wiederum mit ihm in Verbindung stand. Schließlich war Vegeta der Prinz, der folglich im Palast lebte. Stattdessen stand er wortlos auf und verschwand im angrenzenden Nebenzimmer, wo er Radditz, sowie einen ihm unbekannten, bewusstlosen Mann vorfand.

 

Wer war dieser Mann, dessen Haare so schwarz wie die eines Saiyajins waren, seine Kraft jedoch der eines saiyajinischen Kriegers nicht würdig war?

 

„Kennst du den Jungen?“ Säuerlich drehte Kakarotts Bruder den ohnmächtigen Körper, bevor seine Hand in dem schwarzen Haar verschwand, so dass er den Kopf des Mannes grob nach oben halten konnte, wodurch es seinem Gegenüber möglich war, in das Gesicht zu blicken.

 

„Das fragst du mich?“, entgegnete Vegeta prosaisch. „Solltest nicht du wissen, wer das ist?“

 

„Was denkst du, Vegeta?“, entfuhr es dem Größeren fassungslos. „Denkst du, ich bin zu ihr gegangen à la: 'Hey Kleine, ich werde dich 'n bisschen verfolgen.'? Ich hab sie natürlich beobachtet, aber sie war immer alleine, wenn ich -“

 

„Ich sagte aber, dass du ihr Schatten sein sollst, verdammt!“ Himmel nochmal, was hatte Radditz in den letzten vier Tagen gemacht? Diesbezüglich hätte Vegeta aus der Haut fahren können, doch stattdessen beugte er sich nach vorne und umfasste selbst das Kinn des Mannes, um ausgiebiger die schlaffen Züge desjenigen zu betrachten. „Nein, ich kenne das Gesicht nicht, aber nur er und ihre Mutter sind hier – niemand sonst.“ Er würde noch gänzlich die Nerven in diesem Chaos verlieren, aufgrund der Ungewissheit. Niemand war hier, der ihm eine plausible Antwort liefern konnte. Darüber hinaus trieben ihn seine Sinne in den Wahnsinn, weshalb er angewidert das Kinn des Fremden losließ, ehedem er in die Küche zurückkehrte – zu ihrer Mutter, die die Kraft gefunden hatte, sich auf einen herangezogenen Stuhl niederzulassen.

 

Auch Radditz war ihm gefolgt. „Vegeta, lass uns zurück, bevor jemand -“

 

„Sei still“, verkündete er ruhig, woraufhin er seine Augen schloss um sich intensiv mit seiner Umgebung zu befassen. Zusätzlich dachte er über Radditz' Einwurf nach, dass möglicherweise jemand zurückkommen könnte, um nachzusehen, dass die verrichtete Arbeit sauber vonstatten gegangen war. Aber selbst wenn... Vegeta wäre bereit, demjenigen gegenüberzutreten. Der Prinz resümierte den Ablauf und egal, wie oft er über die Periodizität des Überfalls spekulierte; immer wieder kam er zu dem Entschluss, dass es sich hierbei um einen Auftrag des Palastes handeln musste – eine Verpflichtung, gesteuert von der Hand des Teufels.

 

„Vegeta.“

 

Langsam fuhren seine Lider nach oben, sein entschlossener Blick suchte den ihrer Mutter, die ihn prompt erwiderte. Wenn dies das Werk seines Vaters gewesen war, musste er den Antrieb dafür in Erfahrung bringen. „Haben diese Leute irgendetwas gesagt?“

 

„Ich... Nein, ich... ich glaube nicht“, murmelte Bulmas Mutter betroffen, während sie ihre ineinander gefalteten Hände in ihrem Schoß knetete.

 

„Oder Ihnen etwas vorgeworfen?“, schob Vegeta die nächste Frage hinterher. Zwar war für eine derartige Befragung gar keine Zeit, aber er musste sich die Zeit nehmen, die so schnell verstrich, bevor er noch ins Blaue hinein handelte. Es regte ihn per se auf, sich an Kleinigkeiten aufzuhalten, aber hellsehen konnte er nun mal auch nicht. „Wissen Sie wenigstens, wieso man Ihren Mann mitgenommen hat?“

 

„Ich weiß es nicht, Vegeta“, brach es verzweifelt aus Panchy heraus, nachdem sie die Hände vor ihr Gesicht schlug und versuchte, die ausbrechenden Tränen dahinter zu verbergen. Ihre folgenden Worte waren daher nur gedämpft zu hören. „Mein... Mein Mann, Yamchu und ich wurden überrascht. Ich... weiß noch nicht einmal, wohin man Bulma und... und Chichi gebracht hat.“

 

Yamchu und Chichi?“, hakte Radditz nach, während er unbemerkt – jedoch verwirrt – zu dem Nebenzimmer sah, in dem der bewusstlose Mann lag. Wie auch Vegeta, war ihm das Gesicht des Mannes unbekannt. Ebenso der Name, der ihm – sofern er Radditz' bekannt vorgekommen wäre – Aufschluss darüber hätte geben können, wo der Mann eventuell lebte.

 

„Ja. Sie sind... Freunde meiner Tochter. Mithilfe der Dragonballs kamen sie hierher – von der Erde“, gestand Panchy, die mit ihren Ausführung sonst eher sehr prägnant war und ihr Wohlwollen, bezüglich attraktiver Männer plakativ zum Ausdruck brachte, doch aufgrund der kritischen Situation, blieb jenes Verhalten auf der Strecke.

 

Im Hinblick darauf, was Bulmas Mutter offenbarte, gelang es Vegeta, die Glasscherben in seinem Kopf zügig zu einem gesamten Puzzle zusammenzusetzen. Er konnte anhand ihrer Schilderungen Parallelen erkennen, die auf denjenigen zurückführten, der für diese Konfusion verantwortlich gemacht werden konnte – sein Vater, dem es zu Ohren gekommen sein musste, dass sich Erdlinge auf Vegeta-Sei befanden. Menschen, die von der Existenz ihres Planeten gar nichts wissen dürfen, angesichts ihrer mangelnden Weitsicht und der Annahme, dass Menschen alleine im Universum lebten. Vegeta wurde auch klar, wieso es so weit gekommen war, er konnte sich denken, was der Auslöser war – sein Vater fühlte sich bedroht, da die Erdlinge es geschafft hatten, hierher zu kommen.

 

Aber wer überfiel die Familie, die Vegeta wie einen Freund aufgenommen hatte? Wer, verflucht? Und woher wusste sein Vater von Bulmas Freunden? Es waren Fragen, die Vegeta nicht beantworten konnte. Nicht einmal Radditz war darüber informiert, hinsichtlich der Anwesenheit ihrer Freunde. Es folgten böse Seitenblicke zu Vegetas angeblich wachsamen Ersatzaugen, die Radditz bemerkte und augenblicklich die Hände hob, um seinen Nebenmann stumm zu beschwichtigen. Daraufhin wandte sich Vegeta bloß zischend ab. Andernfalls wäre er geneigt, Radditz einen derart festen Schlag zu verpassen, dass selbst der heilige Drache Polunga ihn nicht wiederfände.

 

„Wohin gehst du, Vegeta?“, hielt stattdessen Panchy ihn mit erhobener Hand zurück. Aufstehen war ihr noch nicht möglich gewesen – zu sehr zitterten ihre Beine, zu aufgewühlt waren ihre Gedanken. Dass sie scheinbar vergaß, dass Vegeta in diesem Haus nicht mehr Willkommen war, war ein weiterer Grund für den Prinzen gewesen, sie alleine zurückzulassen. Er konnte und wollte nicht mehr in die verzweifelten Augen blicken, auf deren stumme Fragen er sowieso keine Antwort hatte. Zudem fürchtete er sich vor einer weiteren Enttäuschung, die eintreffen würde, wenn er ihr sagen müsste, dass er nicht wusste, wo sich Bulma befand.

 
 

~*~

 

Der wissende Gesichtsausdruck in König Vegetas Gesicht, den er seinem rechtmäßigen Erben zuwarf – nachdem dieser wütend den Thronsaal erreicht hatte –, sagten mehr als eintausend Worte. Vegeta musste kein Experte sein um zu verstehen, dass er mit dem, worüber er den ganzen Weg zum Palast spekulierte recht hatte. Nachdem die Erdlinge, sowie deren Standort auf Vegeta-Sei lokalisiert worden war, informierte man den König unverzüglich, der natürlich wissen wollte, wie es Menschen – die mit ihren rückständigen Maschinen Jahrtausende nach Vegeta-Sei bräuchten – gelungen war, diesen in einer so kurzen Zeitintervalle zu erreichen. Zudem wollte er wissen, wer die Menschen über die Existent ihres Heimatplaneten in Kenntnis setzte. Immerhin war die saiyajinische Rasse ein gefürchtetes Kriegervolk, das man ungern freiwillig aufsuchte. Zwar hielt der Tourismus die Wirtschaft Vegeta-Seis am Leben, aber Vegeta-Sei wurde von Geschöpfen beurlaubt, deren Kampfkraft deutlich über der eines Menschen lag. Zusätzlich war es nur auserwählten Völkern gestattet, ihren Planeten zu bereisen, mit denen Saiyajins Handel betrieben. Und selbst das war kein Garant dafür, dass Erdlinge über den Bestand der Saiyajins Bescheid wussten, da die erkorenen Völker das Dasein der Saiyajins nicht weitertrugen – schon gar nicht zu Erde. Saiyajins bevorzugten es, unerkannt zu bleiben. Auch, weil es für gewöhnlich so war, dass man – wenn Saiyajins zum Angriff übergingen und einen Planeten zur Auslöschung aufsuchten – die Augen eines Saiyajins zuletzt sah, bevor man das Zeitliche segnete.

 

Das gehässige Lachen seines Vaters war ihm während des gesamten Weges, der ihn immer tiefer in den Palast führte, im Gedächtnis geblieben. Diese markanten, sehr straffen Zügen wurden durch ein kaltherziges, böses Lachen vertrieben, nachdem er Vegeta darüber informierte, dass er von den magischen Kugeln und deren Verbleib wusste.

 

Es fuchste ihn, dass der König bezüglich der irdischen Dragonballs bereits im Bilde war – war es doch Vegetas Freifahrschein, der es ihm ermöglicht hätte, seinen Vater erpressbar zu machen. Aber nein, das war nach der Aussage des Erdenmädchens, welches sein Vater sofort befragt hatte, zunichte gemacht worden. Demnach sollte er das Weib aufsuchen, das nicht nur seinem Vater half, sondern auch nützlich sein könnte, im Hinblick auf Bulmas Aufenthaltsort. Denn im Palast war das blauhaarige Weib nicht, verdammt. Und niemand besaß die Güte, ihm mitzuteilen, wohin man die junge Saiyajin gebracht hatte, deren Sicherheit Vegeta unbedingt sicherstellen wollte. Und das Schlimme war... Vegeta erkannte Parallelen zu sich und dem Verhalten seines Vaters. Der König war dasselbe Monster und hatte diese Facetten an seinen Sohn weitergegeben. Es war schrecklich, wenn man das erkannte und die eigene, ekelerregende Medizin schlucken musste, anlässlich der Erkenntnis, dass man – wäre man in der Position des Königs – genauso gehandelt hätte.Es war ein abartiges, widerwärtiges Gefühl, wenn der Charakter-Spiegel einem vorgehalten wurde. Durchweg war Vegeta überzeugt, dass es nichts Gutes gab – weder auf Vegeta-Sei, noch in den Köpfen der jeweiligen Bewohner – und er selbst war nicht gewillt, dazu beizutragen, diese Welt besser zu machen. Vegeta wäre der Letzte, der soviel Selbstlosigkeit aufbringen würde, aber sie... Bulma strahlte all das aus, wovon der Prinz stets dachte, dass diese Dinge nie existent seien. Das Mädchen war – so diffus es sich anhörte – der Beweis, dass es Dinge gab, die man wertschätzen und schützen musste; eben wie der Fortbestand der saiyajinischen Rasse und Bulma war... Sie war die letzte Blume, die auf Vegeta-Sei blühte.

 

Was ihre Freundin betraf, so erhoffte sich Vegeta Informationen, die ihm Einblicke in das Geschehene gewähren sollte, weshalb ihn auch seine Füße zügig die kalten, von Moos überzogenen Steinstufen hinabführten. Bevor er die gesuchte Zelle im Untergeschoss des Schlosses erreichte, hatte er sich zuvor eine Fackel – die die Wege in die Kerker zum Teil erleuchteten – aus dessen Verankerung geschnappt. Anschließend passierte er die störrischen Wachen, durchquerte die immer dunkler werdenden Flure und kam dem Mädchen somit immer näher. Je tiefer er hinabstieg, umso mehr konnte er die Feuchtigkeit in dem alten Mauerwerk fühlen. Die Tropfen, die von der Decke zu Boden stürzten, erzeugten einen unheimlichen, wehklagenden Klang, sie spielten die Melodie der Einsamkeit, der man hier unten ausgesetzt war. Die stinkenden Tropfen waren die Wiegenlieder der Gefangenen...

 

Seine Schritte wurden immer schneller, bis er schlussendlich vor ihrer Zelle ankam. Dahinter konnte er die schwache Aura wahrnehmen, was ihn jedoch nicht abschreckte. Im Gegenteil. Vom Zorn getrieben, riss er die Tür auf. Taktisches Vorgehen erschien ihm hier eher hinderlich, statt nützlich, weshalb er darauf verzichtete. Ob ihn seine Wut weiterbringen würde? Unwahrscheinlich, aber rationales Denken war in Anbetracht der hiesigen Situation nicht mehr möglich. Aus diesem Grund schloss er knurrend die Tür, ließ die Fackel in eine der Pfützen fallen und verschränkte die Arme, nachdem er ihr aufgeschrecktes Keuchen hörte.

 

„Wo ist sie?“, stellte er formlos die wohl wichtigste Frage. Ferner hallten seine Schritte unheilbringend durch die Zelle, wohingegen der mit einkehrende, kalte Luftzug seine Haare hin und her wehen ließ.

 

„Wer... Wer bist du?“ Chichis Rücken tat unheimlich weh, trotzdem presste sie ihre Knochen gegen die kalte Wand – soweit es ihr möglich war. „Ich... Ich habe doch schon alles gesagt, was... was ich weiß.“

 

Wo?“, skandierte Vegeta.

 

Röchelnd presste sich Chichi, deren Haare in ihrem kreidebleichen Gesicht kleben, immer mehr gegen die Wand. Ihr Gesicht neigte sie zur Seite, um der dunklen Silhouette nicht entgegenblicken zu müssen, doch die schweren Eisenketten – die sich tief in ihre blasse Haut fraßen – erschwerten ihr die Flucht vor dem Unausweichlichen.

 

„Ich... Ich weiß es nicht. Wirklich nicht“, wisperte sie ihm erschöpft entgegen. „Ich bin doch nur hier, weil... weil ich Bulma besuchen wollte. Ich wollte doch nur wissen“, hechelte sie weiter, „ob es ihr gut geht, nachdem sie... einfach verschwand.“ Ihre schwarzen Augen huschten unterdessen aufgeregt in ihren Höhlen umher, kullerten von dem einen zum anderen Augenwinkel. „Plötzlich gab es die Erschütterung. Hätte ich gewusst, welche Ausmaße -“

 

„Wo ist das Mädchen? Wohin hat man sie gebracht?“ Er wollte ihre ach so grausamen Erlebnisse nicht hören. Bulma hatte mit ihm viel schlimmeres erlebt und dieses Weib vor ihm machte schon schlapp, obwohl er noch gar nicht angefangen hatte, mit ihr – auf seine Weise – zu reden. „Ich will wissen, wo sie ist, verdammte Scheiße!“ Dieser Erdling war... so schwach, so bemitleidenswert, dass Vegeta zu der Annahme kam, dass der Umgang hier die reinste Folter für sie sein musste. Noch etwas, das ihn erschreckte, war, dass Bulma anatomisch gesehen eine reinrassige Saiyajin war, mental jedoch der menschlichen Rasse gleichkam, deren Schwäche und Hilflosigkeit er so sehr verabscheute, dass er diesem Elend am liebsten ein Ende gesetzt und das Erdenmädchen vor sich erlöst hätte. Aber er tat es nicht... er konnte es nicht. Stattdessen schoss sein Körper nach vorne – direkt vor das Gesicht des Mädchen, das eingeschüchtert und gefesselt auf ihrer Pritsche saß.

 

„Ich sagte doch, dass -“

 

„Rede! Ansonsten werde ich dir den Garaus machen“, manifestierte er abschätzig. Um seiner Drohung noch mehr Ausdruck zu verleihen, griff er widerwillig nach ihrem Hals, woraufhin sein Daumen ihr Kinn nach oben drückte. „Wie sah der Saiyajin aus, der sie mitnahm? Und ich rate dir, ehrlich und rasch zu antworten, sonst wirst du dir noch wünschen, dass dein Todesurteil schon eher vollstreckt worden wäre. Verlass dich drauf.“

 

„Der... Der Mann war groß – recht muskulös.“

 

Nun, das traf auf fast jeden männlichen Saiyajin zu. „Weiter!“, verlangte er, während er seinen Griff intensivierte.

 

„Er trug eine dunkelblaue Rüstung und auf der linken Brust prangte ein rotes Emblem. Er... Er hatte schwarze, nach oben stehende gezackte Haare. Seine Augen waren dunkel – so dunkel wie die Nacht“, seufzte sie entkräftet weiter. „Dieser Mann hat Bulma auf seine Arme gehoben, nachdem eines der Arschlöcher – das uns überfiel – Bulma gegen die Wand geschleudert hatte.“

 

Was? Jemand hatte ihr körperlichen Schaden zugefügt? „Dir scheint es noch gut zu gehen, wenn ich mir deine Beleidigungen so anhöre.“ Unglaublich. Die Menschen waren der lebende Beweis dafür, dass das Versagen des Gehirns nicht zwangsläufig zum Tod führte. Dieses Mädchen wusste scheinbar nichts über deine Kräfte, oder? Vermutlich nicht, denn sie war nicht im Stande, seine enorme Kraft zu spüren, was sie offenbar so mutig werden ließ.

 

Verdammt, was für abartige Spiele spielte man mit ihm? Wieso wusste niemand, wo Bulma war? Dass er zudem keine brauchbaren Informationen erhielt, ließ ihn schnaufend zur Seite blicken. Angespannt starrte er die einzelnen Steine an, die die gigantischen Schlossmauern zu einem Ganzen formten und die unendlich schweren Lasten trugen, in Form des Blutes, das hier schon unzählige Male vergossen wurde.

 

„Vielleicht weißt du ja noch, wer dich hierher gebracht hat?“ Die Schmerzen, die sein Gegenüber aushielt, mussten qualvoll sein.

 

„Ich kenne den Mann nicht, aber der... der Bulma geschlagen hat, steht... steht draußen“, flüsterte sie heiser.

 

„Was macht dich so sicher?“, fragte er darauffolgend. „Du kannst nicht aus der Zelle blicken. Du bist gefangen auf dieser Pritsche, Mädchen.“

 

„Ich erkenne seine Stimme“, japste Chichi verschüchtert, die trotz der Dunkelheit versuchte, das Gesicht des Mannes zu erkennen, der vor ihr stand. „Er redet viel und äußert sich abfällig – über... über Bulma und mich.“

 

„Anhand einer Stimme?“ Vegetas Hand lockerte sich, um sie anschließend zu Chichis Stirn zu führen. Ihre Haut glühte und doch war der Schweiß darauf eiskalt, was seine Vermutung bestärkte – das Mädchen hatte Fieber und wurde krank. „Bist du dir sicher?“ Ihr schwaches Nicken genügte, um Vegetas nächsten Schritt nachzuvollziehen. „Totipa?“, rief er, ohne den Blick von dem schwarzhaarigen Mädchen zu nehmen. Das folgenreiche Zittern das darauf folgte, ließ Vegeta ansatzweise erahnen, was sie im Hause Briefs erleben musste. Es war, als fühlte er aufgrund ihres Zittern all den Schmerz, all die Pein, die sie erdulden musste und es bedurfte eigentlich keiner Rückversicherung, da er dem Saiyajin – der sich ächzend zur Zellentür wandte – eine solche Niedertracht zutraute.

 

„Königliche Hoheit?“

 

Doch statt dem Saiyajin zu antworten, beugte er sich zu Chichi hinab, griff in ihre Haare und flüsterte ihr unheilvoll zu: „Sieh dir den Mann genau an“, forderte er, da er wusste, dass sie Totipa sehen konnte. „Ist das der Saiyajin, der deiner Freundin gegenüber handgreiflich geworden war?“ Bevor sie antwortete, fügte er bissig hinzu: „Überlege genau, Mädchen, weil das Schicksal dieses Saiyajins in deinen Händen liegt.“

 

„Ja“, hauchte Chichi lamentiert. „Das... Das ist der Mann.“

 

„Gut.“ Nicht sie unterschrieb ihr Todesurteil, sondern das Subjekt, das sich gewagt hatte, Bulma zu nahe zu kommen. Amüsiert, als würde er sich an ihrem Leid ergötzen, drehte er sich zu dem königlichen Krieger, dessen Arme stoisch vor seiner Brust verschränkt waren. Vegeta dagegen lockerte seine Schulter, fing zu lachen an und marschierte geradewegs auf Totipa zu, der zukünftig nicht weiter täte, als Schäfchen zu zählen und es war Vegeta sowas von egal, was sein Vater von diesem Schritt halten würde.

David gegen Goliath

Große Leidenschaften sind wie Naturkräfte. Ob sie nutzen oder schaden, hängt nur von der Richtung ab, die sie nehmen.

- Ludwig Börne
 

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel achtzehn -

 

 

Die obskure Finsternis legte sich wie ein anschmiegsamer Mantel über den Planeten, der von dickem Staub bedeckt und mit Dreck und Blut übersät worden war. Der einst strahlenden Sonne gelang es dahingehend nicht mehr, sich einen Weg durch die dichten Staubwolken zu bahnen, was den Planeten in zusätzliche Schwärze hüllte. Das Gefühl der falschen Sicherheit wurde von der Dunkelheit verschluckt. Überall – egal wohin man ging – konnte man verbrannte Erde riechen, hier und da erspähte man eingestürzte Häuser, welche bis zu ihren Grundmauern niedergebrannt waren und ein Bild des Grauens erzeugten.

 

Das Feuer, das für diese Katastrophe verantwortlich war, schritt weiter voran - rücksichtslos und ohne Erbarmen suchten sich die hungrigen Flammen ihre nächsten Opfer.

 

Die hilflosen Schreie, die zunächst abebbten, die unheilvolle Stille danach, trieben die junge Frau – an deren Hand sich eine weitere, ihr bekannte Hand befand – in den Stadtkern hinein, weil sie voller Hoffnung war, ihre erhaltene Kraft in Rettungsmaßnahmen zu investieren. Doch kaum war sie angekommen, sah sie das Leid. Sie sah das Abbild des Bösen, in Form geschundener, verbrannter Körper für die jene Hilfe, die sie anbieten wollte, zu spät kam und je weiter sie ging, desto öfter wiederholten sich die Bilder. Es wurde nicht besser; vielmehr schlimmer, grauenvoller, dramatischer... Die beiden charakterlich unterschiedlichen Saiyajins wurden – angesichts ihrer erschöpfenden Suchmaßnahmen – nicht fündig. Nirgends konnten sie ein Haus mehr ausmachen, das noch einigermaßen intakt war. Niemand – keine einzige Seele – lief ihnen über den Weg, der ihnen zumindest hätte erklären können, was für diese entsetzliche Zerstörung verantwortlich gewesen war.

 

Ihre umherschweifenden Blicke suchten nach Lösungen – etwas, das ihr Aufschluss geben konnte, aber nichts, was ihre Machtlosigkeit hätte besiegen können, fiel ihr vor ihre aufgeregt tippelnden Füße.

 

Einzig der milde Druck, den man auf ihre Hand ausübte, ließ Bulma hoffnungsvoll nach oben blicken – in das Gesicht eines Mannes, der aufrichtig lächelte, ihr aufgrund dessen etwas wie Zuversicht symbolisierte. Alleine seine Anwesenheit bezeugte ihr, dass sie nicht alleine war und sie gemeinsam dieses Martyrium überstehen konnten. Sein mitreißender Mut, sowie ihre waghalsige Entschlossenheit würde ihnen über die vielen Verluste hinweghelfen; das war ein kleiner, wenn auch schwacher Trost für das sorgenvolle Mädchen. Eigentlich, so war ihr nächster Gedanke, konnte man ihren Zusammenhalt mit einem starken Ast assoziieren. Zu zweit würde es dem Feind schwerer fallen, sie zu zerbrechen; alleine würde es dem Angreifer bedeutend leichter fallen. Ja, in ihrem Begleiter sah die junge Saiyajin einen Verbündeten, eine... eine Perspektive. Dass sie seine Hand und er die ihrige hielt, zeigte doch ganz deutlich, dass es zwischen ihnen etwas gab, das tiefer ging als Zuneigung, offener und herzlicher als jede Freundschaft.

 

Wir müssen zum Tibasuny-Plateau“, erklang die schallende Stimme zusammenhanglos, angesichts Bulmas Versunkenheit in ihre eigenen Gedanken. Ihr Körper handelte ohne ihr Zutun, als ihre Füße stehen blieben und entschieden, zwei Schritte nach hinten zu gehen, nachdem sie die Kälte und Brutalität in seiner Tonlage herauskristallisieren konnte. „Bulma, hast du das verstanden?“

 

Aber wir können doch nicht weglaufen.“ Auch Bulmas Stimme verursachte ein surrendes Echo in ihrer Umgebung. Hinsichtlich ihrer Worte, spürte sie die kleinen offenen Stellen auf ihren Lippen, die fürchterlich zu brennen begannen, nachdem ihre Zunge die Wunden befeuchtete. Anschließend vernahm sie selbst nur ein Krächzen, so dass weitere Sätze im Keim erstickt wurden und alles, was sie bisher getan hatte, geschah, weil sie ihrem Instinkt folgte und nicht, weil sie einen Plan verfolgte.

 

Wir laufen nicht davon“, flüsterte die kräftige Stimme, während die warme, freie Hand zärtlich über ihren Wangenknochen strich.

 

Bulma spürte infolgedessen die Fetzen seines in Mitleidenschaft gezogenen Handschuhs, die unweigerlich ihre aufgeschürfte Haut kitzelten. Jedoch fixierten sich ihre Augen auf die ihr entgegen starrenden Augen. Das glänzende Schwarz, in dem sich ihr Gesicht widerspiegelte, offenbarte ihr einen Sturm der Entrüstung – als würde sich ein Strudel bilden, der Bulma in die Tiefe ziehen wollte. So gebannt starrte sie in seine Augen...

 

Wenn wir fliegen“, wisperte er, „erreichen wir das Gebirge schneller. Das Plateau befindet sich hinter den Wäldern eures Dorfes – danach wird alles gut“, säuselte er erfreut, da er sich sicher war, den Kampf zu überleben und als Sieger hervorzugehen. „Es ist nicht sehr weit. Flieg mit mir zum Plateau, damit ich mein Versprechen einhalten und dich beschützen kann, Bulma“, annoncierte ihr Gefährte, bevor er ihre verwundeten Hände in seine nahm.

 

Mein Dorf liegt, wie die anderen auch, in Schutt und Asche.“ Was sollte geschehen, wenn sie das Plateau erreicht hatten? Letztendlich würde es darauf hinauslaufen, dass sie von den unbezwingbaren Flammen eingekesselt wären, nachdem sie sich von den letzten Habseligkeiten der Saiyajins ernährt hätten, ehedem das Feuer weiterzog, um sich weitere Felder, Wiesen, Häuser und Bäume habhaft zu machen. Bulma befürchtete, dass letzten Endes ihre Kräfte nicht mehr ausreichten, um den Flammen zu entkommen...

 

Das wird nicht passieren. Ich werde es nicht zulassen, dass dir etwas zustößt. Vertrau mir.“

 

Gerne würde Bulma seinen positiven Worten glauben, die ihr zudem versprachen, dass sie diesen feigen Angriff überlebten. Aber würden sie weiterhin hier stehen bleiben, würde sich nichts ändern – das erkannte die blauhaarige Saiyajin, trotz ihrer Abgeschlagenheit. So bedenkenlos und motiviert ihr Kompagnon war, Bulma war es nicht, obwohl sie niemandem ihre Hilfe verwehren würde. Niemals. Aber sie war noch immer sie selbst – eine Frau, deren Überlebenswille stärker war und es vorzog, sich nicht freiwillig in den Tod zu stürzen. Bulma war eben keine... stolze Saiyajin. Sie war lediglich eine Saiyajin, die... die als solche geboren wurde, die dazugehörigen Facetten jedoch nie angenommen hatte, anlässlich ihrer liebevollen Erziehung und der irdischen Umgebung. Man hatte ihr nie eingebläut, dass es eines Saiyajins würdig war, sich in den Kampf zu stürzen und gegebenenfalls für sein Volk zu sterben.

 

Ich vertraue dir, Turles.“ Im Anschluss legte sie ihre Hand auf seinen Oberarm. Gleichlaufend nahm sie seinen fürsorglichen Griff wahr, als er sie auf seine Arme hob und mit ihr in der Ferne verschwand. Insgeheim hoffte sie, je mehr sie sich von dem unter ihnen befindlichen Inferno entfernten, desto besser könnte sie den Ist-Zustand verdrängen, aber sie scheiterte kläglich. Erst in der Luft wurde ihr die Tragweite der Schlacht vor Augen geführt. Dennoch versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie musste – auch für Turles – einen kühlen Kopf bewahren und Stärke beweisen. „Hast du... einen Plan?“ Der Wind hatte ihr unterdessen pausenlos ins Gesicht gepeitscht, ihre Worte klangen, als hätte sie seit Monaten nicht gesprochen. Ihr Hals tat unglaublich weh, ihre Kehle war staubtrocken und ihre Stimmbänder würden womöglich demnächst dazu neigen, elendig zu reißen.

 

Nein“, lächelte er seine innerliche Angst weg, nachdem er Bulma angesehen hatte. „Ich muss improvisieren und der Mond wird mir dabei helfen.“

 

Der Mond?“ Beflissen sah sie gen Himmel, der verdunkelt über ihnen lag. Nur den Staubwolken war es zu verdanken, dass das Firmament nicht dunkelrot schimmerte, was keineswegs ihre Angst schmälerte. „Aber Turles, man... man sieht den Mond nicht.“ Selbst wenn das Gegenteil der Fall gewesen wäre, wusste sie nicht, wie der Mond ihnen hätte behilflich sein können. „Und ich habe ihn auch noch nie gesehen – seit ich hier bin.“ War Turles verwirrt? Was war der Grund, dass er so fahrlässig handelte und sich auf eine Lösung fixieren wollte, die ausgeschlossen und nicht umsetzbar war?

 

War Angst der Grund? Hatte Turles Angst, weshalb sie sich vom Ort des Geschehen entfernten?

 

Es hätte mich beunruhigt, wenn du ihn auf Vegeta-Sei gesehen hättest.“

 

Warum?“, flüsterte Bulma, bevor Turles landete und darauf achtete, sie vorsichtig auf dem Plateau abzusetzen.

 

Weil der Zyklus des Mondes sich auf acht Jahre beläuft. Nach dieser Zeit erscheint ein Vollmond, den wir Saiyajins zu unseren Gunsten nutzen.“ Schwer atmend sah er nach oben, während eine unermessliche Kraft durch seinen Körper schoss. Danach sah er erleichtert in ihr schönes, anmutiges Gesicht, deren fragende Mimik er ausgiebig musterte. „Ich werde unserem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen müssen, indem ich einen Powerball erschaffe.“

 

Sie verstand nicht, was er meinte. „Einen Powerball?“

 

Ja.“ Folglich richtete er seine Handinnenfläche nach oben, während er seine Energie kontinuierlich steigerte. „Mithilfe eines Powerball sind die Krieger der königlichen Garde in der Lage, einen Miniatur-Vollmond zu erzeugen. Infolgedessen werde ich meinen Ki mit der Atmosphäre vermischen.“ Seine Worte wurden von kleinen Blitzen begleitet, die immer größer wurden und schlussendlich eine kleine Lichtkugel manifestierten, die abwartend über seine Hand schwebte. „Mein Powerball erzeugt dieselbe Lichtintensität, wie die eines Vollmondes.“ Er nahm den Blick von Bulma, um die kleine Kugel zu fixieren. „Weißt du, was passiert, wenn wir in den Vollmond schauen?“

 

Nein“, antwortete sie ehrlich. Auch Bulma sah staunend der Kugel entgegen.

 

Unser Schweif reagiert unmittelbar, nachdem wir hineinsehen. Der Vollmond ist des Saiyajins stärkster Verbündeter, er ist unser Bruder, da er unsere Oozaru-Form ermöglicht“, erklärte er dem Mädchen sachlich, ehe er die Kugel voller Hoffnung nach oben schoss, die nach ihrer Ankunft im Himmel explodierte und das nach unten projizierte, was jedem Saiyajin helfen sollte.

 

Bulma verstand es nicht. Sie wusste nicht, was er von sich gab und schob es auf die innerliche Unruhe. Allerdings schrak sie zurück, als Turles' lautes Keuchen ertönte – vorerst schwach, doch zunehmend stärker, je länger seine geweiteten Augen nach oben sahen. „Turles, ist... ist alles in Ordnung?“ Vorsichtig wollte sie nach seiner Hand greifen, unterließ es jedoch, als sein dunkler Schweif zu zucken begann, während ihr Körper sich nicht regte.

 

Aber wieso nicht? Perplex wanderte ihr Blick ebenfalls nach oben, doch noch immer geschah nichts. Und was sollte ein Oozaru sein? Hatte diese Form etwas mit dem Schweif eines Saiyajins zu tun? Reagierte sie deshalb nicht auf den künstlich erschaffenen Mond, weil ihr als Säugling der Schweif abgenommen wurde, damit sie von ihrer wahren Herkunft nichts erfuhr? Unablässig betrachtete sie das grelle Licht, das im Kontrast mit dem dunklen Himmel wunderschöne Schatten auf dem Boden bildete, wenngleich die Lage alles andere als schön war. Aber lange konnte sie dem Naturschauspiel nicht zusehen, da sie bemerkte, dass etwas mit Turles' Körper nicht stimmte. Es schien, als würde dieser sich deformieren... Seine weißen Zähne wurden länger und spitzer, aus den feinen Poren seiner Haut sprossen grobe, dunkelbraune Haare, die sich über seinen gesamten Körper erstreckten. Nachdem auch schlussendlich sein Gesicht länger wurde und seine schwarzen Augen sich in ein glühendes Rot verfärbten, das nichts mehr mit dem bis dato anhaltenden, sanftmütigen Blick gemein hatte, war es um Bulma geschehen. Im Vergleich zu Turles' gewachsenem Maul, öffnete sich ihr kleiner Mund, aber sie konnte nicht schreien, oder doch? Sie konnte es gar nicht hören, angesichts des lauten Gebrülls, das das riesige Geschöpf von sich gab...

 

Schrie sie?

 

Nein!“ Nach Atem ringend, öffneten sich müde Augen, die sich gezwungenermaßen wieder verschlossen, nachdem das zarte Sonnenlicht auf die blauen Iriden traf. Ihr Traum, aus dem sie gerade aufschreckte, wirkte so... authentisch und echt, dass es Bulma ängstigte. Unbewusst hatten sich ihre Hände in einem weichen Kissen verhakt, das sie nach dem ersten Schrecken langsam losließ.

 

Grundgütiger, was war gerade passiert? War es einer ihrer Tagträume, der sie jetzt schon bis in den Schlaf verfolgte? Aber das wäre ja noch skurriler, weil sie bisher niemand sah, der an ihrer Seite war. Nie zuvor hatte jemand ihre Hand gehalten, um Bulma sicher durch das entstandene Chaos zu führen. Niemals ging einer ihrer Träume so weit, dass es jemanden gab, der sich gegen den Angriff auflehnte und nach einer Lösung suchte. Erschreckend kam hinzu, dass die Affenmonster aus ihren Träumen ein Gesicht bekamen – ein bekanntes Gesicht, das allerdings nicht ihr Feind, sondern ihr Retter sein wollte. Ihr Befreier wollte... er wollte Bulma anscheinend vor etwas viel schlimmeren schützen; vor etwas, das sie bislang nicht erkennen konnte und nachdem sie Vegeta kennenlernte, war sie der Überzeugung, dass dieser im Zusammenhang mit ihren Träumen stand, doch widerlegte ihr Traum dieses Gedankensystem rigoros. Nicht Vegeta war es, der alles und jeden ins Chaos stürzte. Nein, es war Turles, der wider Erwarten Bulma vor Unheil bewahren wollte – das genaue Gegenteil von dem, was Bulma die ganze Zeit über angenommen hatte.

 

Gleichzeitig wollte sie in Erfahrung bringen, was es mit der Oozaru-Form und ihrer Nicht-Verwandlung auf sich hatte. Bulma wollte mehr über dieses Phänomen erfahren und den Grund enträtseln, wieso es ihr nicht gelungen war, sich zu verwandelt. Eine Erklärung gab es schließlich immer und sie spekulierte darauf, dass es mit ihm fehlenden Schweif in Relation stand, der augenblicklich reagierte, sobald das Licht des Vollmondes die Netzhaut des Auges berührte.

 

Währenddessen öffnete sie immer wieder mal die Augen, um sich an das Licht baldmöglichst zu gewöhnen. Rasch war ihr aber aufgefallen, dass... sie sich gar nicht in ihrem Bett befand, aufgrund der kalkweißen Decke, die ihr entgegensah – trist und trostlos. Auch die ungewohnt raue Felldecke ließ darauf schließen, an einem ihr unbekannten Ort zu sein. Es war auch kein richtiges Bett, sondern eine scheinbar frisch bezogene Couch, die stark nach Lavendel roch – aufgezwungen und künstlich, als ob derjenige versuchte, einen vorerst streng herrschenden Duft zu übertünchen. Aber das verkraftete sie noch, im Gegensatz zu den einkehrenden Erinnerungen, hinsichtlich des zweiten Überfalls auf ihr Zuhause und sie dachte an ihre Eltern, an Chichi und Yamchu, während sie schwermütig seufzte. Die Hemmschwelle, im Bezug auf das Tränen vergießen, sank rapide ab, je länger sie sich mit der Ungewissheit auseinandersetzte. Auf diesem feindseligen Planeten war doch nichts normal. Hier gab es nichts, was Bulma als alltäglich oder regulär einstufen würde. Jeder einzelne Bewohner Vegeta-Seis war mit Hass, Jähzorn und Aversionen aufgewachsen, die sich allesamt im Alter weiter ausbreiteten – wie ein Virus. Zermürbt und unsicher schlug Bulma die Decke zur Seite, bevor ihre nackten Zehenspitzen den Boden berührten. Darüber hinaus wanderte unverzüglich ihr Blick umher, auf der Suche nach Hinweisen, bezüglich ihres Aufenthaltsort. Das Zimmer war spärlich eingerichtet, nur das nötigste schien hier mehr schlecht als recht aufgebaut worden zu sein – wie der Tisch vor ihr, auf dem lediglich eine an den Kanten abgebrochene Vase stand, in der grob gepflückte Blumen ihr Dasein fristeten, obzwar es eine nette Geste gewesen war. Ferner schweifte ihr Blick weiter zu den kahlen Wänden, an denen kein einziges Bild angebracht worden war und dem Zimmer zusätzlich etwas trauriges verlieh.

 

In wessen Haus war sie bloß gelandet?

 

„Hallo?“, rief sie bedächtig in die Stille hinein, während ihr Körper leicht nach vorne gebeugt war. Zeitgleich versuchte sie, ihren Traum zu deuten. Ob er Bulma auf das bevorstehende Leid vorbereiten wollte? Zeigten diese Träume die Zukunft oder wie sollte sie die Szenarien verstehen?

 

Himmel nochmal. Wieso fand sie keine plausible Erklärung?

 

„Hallo? Ist hier jemand?“, wiederholte sie, aber man antwortete ihr nicht. Kein Laut war zu hören. War sie etwa alleine in diesem fremden Haus? Geistesgegenwärtig – und es war ihr egal, dass ihre Beine weich wie Pudding waren – stand sie auf, bevor sie langsam den Tisch umrundete und einen Rundbogen anvisierte, der Bulma in den nächsten Raum führte – offensichtlich die Küche, die keinesfalls wie eine Küche aussah, obwohl die gängigsten Geräte zu erkennen waren. Indessen wanderte sie stets weiter, ihr Fingerkuppen schwebten sanft über das Holz, bis sie die warme Herdplatte erreichte. Daraufhin suchte sie nochmals nach Hinweisen. Darauf hoffend, auf dem Küchentisch eine Notiz zu sehen, näherte sie sich diesem, aber auch dort war nichts zu finden.

 

War... War es möglich, dass... Nein, sie wollte diesen Gedanken nicht festigen, aber bestand die Möglichkeit, in Turles' Haus aufgewacht zu sein?

 

„Turles?“, flüsterte Bulma, deren Herzschlag förmlich Saltos schlug. „Bist du da?“ Aber wo sollte sie sonst sein? „Bitte antworte mir doch“, flehte sie, aber sie war scheinbar alleine. Daher beschloss sie, ihre Schuhe – die sie unerwartet im Flur vorfand – anzuziehen und zurück zu ihren Eltern, Yamchu und Chichi zu laufen. Irgendwo müsste sie mit ihrer Suche beginnen, obwohl sie nicht wusste, wohin sie laufen müsste. Aber... das wäre das kleinste Problem. Vorschnell marschierte sie zur Haustür, doch bevor sie diese aufzog, blickte sie noch einmal über ihre Schulter – die Treppe hinauf, die in einen dunklen Flur führte und Bulma nur bestärkte, schnell das Haus zu verlassen. Zwar konnte sie ihre Neugier nur schwer bremsen, doch der Gedanke – nach ihren Eltern zu sehen – überwog ihre Impertinenz.

 

„Nein, ich muss nach Hause. Das ist viel wichtiger.“

 

Sie musste wissen, was mit ihren Eltern, sowie ihren Freunden passiert war. Ebenso wollte sie endlich erfahren, was hier gespielt wurde und das könnte nur ihr Vater beantworten, der definitiv mehr wusste, als er zugab. Mittlerweile konnte Bulma nämlich sehr wohl erkennen, dass es ein Abkommen zwischen dem König und ihrem Vater gab. Ja, es musste etwas sein, das ihren Vater in Bedrängnis brachte, etwas, das ihn zur Marionette umfunktionierte, denn schließlich war Vegetas Vater der König, der keinen passenden Zeitpunkt hätte abwarten müssen, um seinen Sohn zu ihnen nach Hause zu schicken.
 

Dass Vegeta lernen sollte, Pflichtgefühl seinem Volk gegenüber zu entwickeln, war doch nur eine billige Ausrede, um die Wahrheit zu verbergen.

 

Folglich drückte sie die Klinke hinunter und wappnete sich gegen einen Windzug, der ihr ins Gesicht peitschen konnte, doch alles, was zu ihr gedrungen war, waren entfernte Stimme, die immer lauter wurden. Aufmerksam suchte sie die Quelle, indem sie sich entlang der Fassade schlich und um die Ecke lugte. Von dort konnte sie einen kleinen Weg erspähen – umsäumt von hochgewachsenem Gras, sodass die beiden streitenden Männer nur halb zu sehen waren und trotz der Vorkommnisse der letzten Tage und Wochen, umspielte ein Lächeln ihre Mundwinkel, nachdem ihr Herz zu hüpfen anfing.

 

Erfreut darüber rannte Bulma los, kletterte mühevoll über den ramponierten Zaun, der das Haus umzäunte und rief: „Turles!“ Ihr Lächeln wurde immer breiter, denn er würde ihr bestimmt erklären können, was geschehen war. Vielleicht würde er sie auch nach Hause bringen?

 

„Bulma?“, hauchten seine Lippen fast stumm und auch seine Mundwinkel zuckten kurz, doch verwandelte sich seine Miene zu einem düsteren Gesichtsausdruck, nachdem er zu dem Mann zurück sah, der ihm wütend gegenüberstand, jedoch den Blick von Turles nahm, als auch dieser Bulmas Stimme aufgeschreckt vernahm.

 

Indessen durchquerte Bulma winkend das Gras. Endlich hatte sie jemanden gefunden, der Licht ins Dunkel bringen konnte, was ein wenig ihre Angst hinunterfuhr. Ihre Freude währte allerdings nur kurz, denn Vegeta stellte sich ihr prompt in den Weg – den Blick abschätzig, die Arme in typischer Manier vor der Brust überkreuzt.

 

„Verdammt nochmal“, bellte er auch schon los, woraufhin das Weib verdutzt stehen geblieben und ihr Lächeln verschwunden war. „Wo warst du, verflucht?“

 

„Was?“ Hatte sie eine freundliche Begrüßung erwartet? Nein.

 

„Was fällt dir ein, gut gelaunt hierher zu kommen?“ Verdammt, er hatte sich Sorgen um dieses dumme Weib gemacht. Die schlimmsten Bilder nahmen bittere Gestalt in seinem Kopf an und was tat sie? Quicklebendig und in bester Verfassung auf Turles zustürmen? Na prima. Wäre er ein wirklich hochgradiges Arschloch – das er vor ihrer Zeit immer gerne gewesen war –, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt gekommen, sie an ihren Haaren zum Palast zu schleifen, sie anschließend in sein Zimmer zu sperren und sie dort so lange versauern lassen, bis sie auf dem Zahnfleisch zu ihm gekrochen käme.

 

Stattdessen hoben sich bloß ihre Augenbrauen. Ihre Augenbrauen, verdammt!

 

„Königliche Hoheit, ich versichere Euch, dass -“

 

„Halt dein Maul, Turles. Halt einfach dein verlogenes, schäbiges Mundwerk. Du hättest mich sofort informieren müssen und hast es nicht getan.“ Dass er Totipa zu Tode geprügelt hatte, nachdem er Vegeta offenbarte, dass Turles sie mitgenommen hatte, erwähnte er nicht. Wozu auch? Viel mehr regte er sich darüber auf, dass er nicht von alleine auf den Gedanken gekommen war, dass der Saiyajin vor ihm sich natürlich einmischte. Es lag doch auf der Hand, dass Turles... dem Mädchen nicht abgeneigt war. Aber der Prinz war so von seiner Wut zerfressen, dass nicht einmal ein hell erleuchtetes Plakat – auf dem ihr Standort prangte – ihn darüber hätte aufklären können, wo sie sich befand.

 

Aber wenigstens war sie – soweit er erkennen konnte – unverletzt. Dennoch störte ihn ihre passive, abweisende Haltung ihm gegenüber. Es trieb ihn so weit, dass er näher zu ihr herantrat und knurrte: „Verfluchte Scheiße, wo warst du, Onna?“ Dass sie ihm nicht antwortete, stimme ihn gewiss nicht milde. Daraufhin wurde seine Stimme immer leiser. „Ich habe nach dir gesucht und ich erwarte eine beschissene Antwort, wenn ich dich etwas frage.“ Und nichts war so herrlich ansteckend wie schlechte Laune, da auch Bulmas zuvor erschienenes Lächeln allmählich verschwand. „Oder erlaubt dir das Helium in deinem Kopf nur eine aufrechte Gangart? Erschwert es dir demnach, auf eine einfache Frage Stellung zu beziehen?“

 

„Königliche Hoheit, es war genau so, wie ich es Euch im Vorfeld berichtet habe.“ Seine Ehrfurcht verbot es Turles, sich Vegeta in den Weg zu stellen, aber er tat es, obwohl ihm die Konsequenzen klar waren. Anschließend schloss er den Abstand, bis er vor dem Königssohn zum Stehen kam. „Vegeta, ich habe sie aus dem Schlachtfeld geholt, weil ich schlimmeres verhindern wollte. Totipa hat sie -“

 

Verdammt, er wusste, was Totipa getan hatte!

 

„Sagte ich nicht, dass du deinen Mund halten sollst? Ich will keine Erklärung vom Handlanger meines Vaters, dem ich nicht mal über den Weg trauen würde, wenn ich dabei gewesen wäre. Verstanden?“ Nach wie vor war sein kalter Blick auf Bulmas Gesicht gerichtet, die mit offenem Mund vor ihm stand, weil sie der Unterhaltung nicht folgen konnte. Aber sie müsste auch nicht wissen, wie heldenhaft Turles reagiert hatte, als er sie mit zu sich nach Hause nahm. „Halt einfach deine vorlaute Klappe.“

 

„Tze, ich hoffe“, mischte sich Bulma ein, „du redest nicht von dir, Vegeta? Turles ist nämlich keiner der Idioten, welche dir in deinen königlichen Hintern kriechen, nur damit es dir besser geht.“ Sie verspürte das Bedürfnis, sich auf Turles' Seite zu stellen. Schließlich war er es – so hatte sie mit anhören können –, der sie gerettet hatte; wie in ihrem Traum.

 

„Hast recht“, kommentierte er pointiert. „Mir kriecht er nicht in den Hintern, aber meinem Vater“, provozierte er erfolgreich weiter, da er ihre angestiegene Wut fühlen konnte. Dabei war Streit eines der letzten Punkte, die auf seiner Liste standen. Ja, heute wollte er keinen Streit mit ihr. Vegeta wollte lediglich seinem Nebenbuhler die Leviten lesen. Stattdessen lief er Gefahr, sich alsbald in seiner Königsdisziplin wiederzufinden – Bulma verbal anzugreifen. Weder sie, noch Vegeta konnten das Verhalten abstellen. Es wurde zu einem Ritual. „Aber gut, dass du mich aufklärst. Scheinbar habe ich seine Stellung wohl die ganzen Jahre über falsch interpretiert“, schilderte er höhnisch.

 

„Wenn wir schon von deinem Vater sprechen: Was fällt diesem -“

 

„Vorsicht, Onna!“, unterbrach Vegeta ihre Injurie mit erhobenem Zeigefinger. „Sag nichts, was dir letzten Endes leid tut.“

 

„Was mir leid tun könnte? Bedaure, Vegeta, aber ich sage lediglich die Wahrheit, wenn ich deinen Vater einen Mistkerl nenne, klar?“ Wie schnell sich ihre Freunde in Wut umwandelte, war erstaunlich. „Wenn du die Wahrheit nicht verträgst, kann ich es nicht ändern.“ Lange genug hatte sie sich von ihm herumschubsen lassen. Damit musste endlich Schluss sein. „Und jetzt nochmal: Was fällt deinem Vater ein, meine Eltern zu überfallen? Wieso seid ihr so abstoßend? Oder habt ihr so viel Langeweile im Palast, dass ihr euch die Zeit damit vertreiben müsst, unschuldige Menschen anzugreifen?“

 

Nun war es ihr doch herausgerutscht.

 

Das Wort Mensch. Aber ihr war es selbst gar nicht aufgefallen, da das Wesentliche sich endlich Aufmerksamkeit verschaffte. Dass sie überhaupt noch hier stand und mit ihm diskutierte, glich einer Utopie. Sie sollte den schnellstmöglichen Weg nach Hause wählen, aber nachdem sie Turles sah... Nachdem sie hörte, dass er sie tatsächlich geborgen hatte, verschaffte ihr einen winzigen Moment der Erleichterung. Für die kurze Dauer konnte sie all die Trümmer um sich herum ausblenden.

 

„Du stellst die falschen Fragen, Onna. Wer sagt dir, dass mein Vater den Auftrag erteilte?“

 

„Weil niemand auf diesem Planeten so viel Hass sät, wie deine Familie!“, spuckte Bulma ihm blindwütig entgegen. „Denn wer mit den Wölfen heult, darf sich schlussendlich nicht wundern, wenn man aus der Ferne für einen gehalten wird, Vegeta.“

 

„Ach, ist das so?“ Eine sachliche Diskussion wäre zwischen ihnen wohl nie möglich, weil das Weib vor ihm nicht bereit war, ihm zuzuhören. Daher sah er keinen anderen Ausweg, als sie in die Enge zu treiben, sie anzugreifen und von Turles wegzutreiben.

 

Aber das verstand Bulma nicht, weshalb sie hilfesuchend zu dem Saiyajin sah, in dem sie so viel mehr sah, als ein kaltblütiges Wesen. „Turles?“

 

„Er wird dir nicht helfen, Onna. Ich bin der Prinz und er wird das ausführen, was ich sage – nicht, was du willst.“ Seine ausgestreckten Arme verhinderten, dass sie an ihm vorbeilaufen konnte. Selbst wenn sie sich umdrehte, würde er der Schnellere sein. Vegeta würde sie im Handumdrehen einholen. „Begreif endlich, dass du nicht in der Stellung bist, jemandem Befehle zu erteilen. Das obliegt immer noch mir!“

 

Fassungslos sah Bulma ihm entgegen. „Was diskutiere ich überhaupt noch mit dir? Ich habe gar keine Zeit, um mich mit dir herumzuärgern.“ Das, was Vegeta verhindern wollte, traf ein. Bulma drehte sich um, sie wollte einfach nur noch nach Hause, hatte jedoch die Rechnung ohne den Prinzen gemacht, der just vor ihr aufgetaucht war. „Was soll das, Vegeta?“

 

Hilfe durfte sie von ihm sowieso nicht erwarten. Was wollte er demnach noch von ihr? Sie weiter demütigen? Ihr wieder das Gefühl von Machtlosigkeit näher bringen?

 

„Wohin?“, fragte er stattdessen angespannt. Dass er vermeiden wollte, dass das Mädchen ihr zerwühltes Zuhause sah, sagte er ihr nicht. Wieso auch? Den schwierigeren Weg zu gehen war schließlich einfacher.

 

„Ich habe für deine blöden Ratespiele keine Zeit, Vegeta. Ich muss nach Hause, um nach meinen Eltern zu sehen, die von deinen“, schluchzte sie und zeigte mit ihrem Finger auf ihn, „königlichen Bastarden angegriffen wurden.“ Das Kinn in die Höhe gereckt, wandte Bulma sich vollständig ab, presste ihre Hände in ihre Hüften und entfernte sich von ihm, in der Hoffnung, dass wenigstens Turles ihr folgen würde und er darauf pfiff, was Vegeta sagte.

 

„Von meinen königlichen Bastarden?“ Wäre sie nicht so unsäglich nervig, hätte er ihr Bezeichnung doch sehr süß gefunden. Eine solch schamlose Beleidigung, die nicht im Ansatz eine war, hatte er aus ihrem Mund nicht erwartet. „Dann ist das aber der falsche Weg, Onna. Der Palast ist in dieser Richtung“, äußerte er belanglos – innerlich erleichtert, dass er sie von ihrem Zuhause fernhalten konnte. Gerne wäre er mit ihr gemeinsam den Weg zu ihrem Haus gegangen, gerne hätte er ihre Hand gehalten, aber sein unbrechbarer Stolz baute eine Barriere auf, die es ihm untersagte, etwas derartiges zu tun. Immer wieder zwang er sich zur Räson. Vegeta dachte daran, welche Plattform er ihr bot, wenn er ihr die helfende Hand reichen würde.

 

Vegeta würde sich erpressbar machen...

 

Das war der Grund, weshalb er stattdessen die Hand hob und mittels seines Daumens grinsend hinter sich zeigte. „Sofern du wirklich dorthin willst? Denn etwas anderes – als dass man deinem Vater die Wahrheit aus dem Leib prügelt – wirst du nicht sehen.“

 

„Du widerlicher Sadist“, spuckte Bulma, die kaum an sich halten konnte und den Abstand zu Vegeta schloss. „Du erfreust dich offenbar daran, wenn Unschuldige leiden.“

 

„Welcher Saiyajin tut das nicht?“, erwiderte er gelangweilt. „Frag doch mal Turles. Er kann dir das sicherlich besser beantworten – immerhin war er gestern dabei. Er weiß auch bestimmt, was der Grund war, dass man deinen Vater und deine Freundin mit zum Palast nahm“, fabulierte er, bevor er seine Aussage feixend quittierte.

 

„Was?“ Bulma sah schockiert an Vegetas Kopf vorbei – direkt zu Turles, der peinlich berührt ihren Blick erwiderte. „Das... Nein, das ist nicht wahr“, sprach sie – nachdem sie zu Vegeta zurück sah – kopfschüttelnd weiter. Dass darüber hinaus nur ihr Vater und Chichi zum Palast mitgenommen wurden, während ihre Mutter und Yamchu zu Hause waren, verdrängte sie, angesichts des veränderten Umstandes, dass Turles mit von der Partie gewesen war.

 

Bisher dachte sie, dass... dass er später gekommen wäre, um sie aus den Trümmern zu bergen.

 

„Er lügt, oder?“ Mit Tränen in den Augen schob sie den Körper des Prinzen zur Seite, bevor sie zu dem Mann ging, der in diesem Moment Kakarott noch ähnlicher sah. Verschwunden war der böse Blick, verschwunden die Arroganz eines Saiyajins. „Turles, er... er lügt doch, richtig?“

 

„Nein, es stimmt. Ich war dort, aber -“

 

„Du gehörst zu denen?“, entfuhr es der blauhaarigen Saiyajin betroffen, deren Hände vor ihren offen stehenden Mund geflogen waren. Ihr wurde klar, dass ihre letzte Stütze in sich zusammengebrochen war – vor ihren Augen. Dabei war Turles der einzige Saiyajin in diesem Hexenkessel gewesen, dem Bulma Vertrauen schenken wollte. Wie leichtsinnig sie doch wieder einmal war. Eine weitere Enttäuschung gesellte sich zu den anderen, aber man lernte nun mal erst richtig fliegen, wenn man aus allen Wolken flog.

 

Die weiche, wolkige Masse hatte ihre Gedanken geblendet und ihre Rationalität in Watte gepackt.

 

„Du wusstest, dass man uns angreifen würde? Aber -“ Eilig versuchte sie, ihre Gedanken zu sortieren. Bulma wollte ihrer Wut Platz machen, zur selben Zeit aber sachlich weiter diskutieren. Aber das war gar nicht möglich, da ihr Zorn unkontrolliert herausbrach. „Wieso? Was in Gottes Namen haben wir getan, dass man uns so straft?“

 

„Nein, warte“, begann er zugleich, nachdem er auf Bulma zustürmte und die Hand nach ihrer ausstreckte. „So war das nicht.“ Sicher weiter erklären, konnte er auch nicht, da Vegeta ihm ins Wort fiel.

 

„Nein? Laut meinen Informationen ist es doch so gewesen, dass mein Vater euch angewiesen hat, sowohl ihren Vater, als auch das Mädchen in den Palast zu bringen, weil er wissen wollte, wie sie nach Vegeta-Sei gekommen waren. Und du, Turles, du warst ebenfalls dabei.“ Was Turles mit Bulma vor hatte, wollte Vegeta sich gar nicht ausmalen, es brachte ihn jedoch zur Weißglut, dass der königliche Krieger das Mädchen mit in sein Haus genommen hatte. „Nimm es mir nicht übel, Turles, aber eins und eins kann ich gerade noch so zusammenzählen“, scherzte er blasiert.

 

Fuck! So war es doch gar nicht gewesen. Vegeta, sowie auch Bulma interpretierten die Situation völlig falsch. „Nein, das... es war anders.“ Er musste etwas unternehmen, in Form einer Erklärung, die er Bulma geben wollte, weshalb er zu ihr aufschloss und flüsterte: „Ja, es stimmt. Ich sollte zu dir nach Hause kommen, aber -“

 

„Aber was?“, fauchte das Mädchen zornig.

 

Turles hingegen wusste nicht weiter. Er musste mit ihrer Wut klarkommen, die sie gänzlich auf ihn projizierte und er musste es akzeptieren, was ihm nicht gut gelang. Immerhin war er nicht der Saiyajin, der sich von niederen Wesen kommandieren lassen wollte. „Ich bin erst dazugestoßen, nachdem alles schon passiert war. Das ist die Wahrheit.“

 

Kopfschüttelnd entzog sich Bulma seines Blickens, da der Boden unter ihren Füßen buchstäblich rissiger wurde. Als würden sich die Erdplatten erheben, um sich im Umkehrschluss zu verschieben, so dass Bulma von den beiden Männern weggetrieben wurde – was ihr ganz recht gewesen wäre. Allerdings wollte sie wissen, wieso Turles so hinterhältig mit ihr gespielt hatte – war es doch stets Vegetas Part gewesen, Bulma an der Nase herumzuführen.

 

„Die Wahrheit“, wiederholte sie trotzig, da Bulma glaubte, die Wahrheit besser zu kennen. „Du hast Chichi und Yamchu verraten. Ist doch so, oder?“, schlussfolgerte sie nach Vegetas Worten, bevor sie nahtlos hinzufügte: „Ja, kann nur so gewesen sein, weil... Du hast uns gesehen, nachdem Chichi und Yamchu hierher gekommen waren. Du bist mit uns spazieren gegangen und hast uns in falsche Sicherheit gewogen.“

 

Was musste die blauhaarige Saiyajin in ihrem früheren Leben für eine böswillige Person gewesen, um so etwas zu verdienen? War sie eine derartige Bestie gewesen, die man im Nachhinein bestrafen musste?

 

„Was“, flüsterte sie schluchzend und trat an den großen Saiyajin heran, „habe ich dir getan, Turles, dass du scheinbar keinen anderen Ausweg sahst, als meine Familie in diese Situation zu bringen? Wieso strafst du meine Eltern, wenn ich das eigentliche Ziel deiner Infamie bin?“

 

„Grundgütiger, Bulma, das ist nicht wahr!“ Turles versuchte so leise wie möglich zu antworten, aber er wusste, dass Vegeta jedes Wort hören konnte.

 

Plötzlich lachte Bulma auf, denn der Grund seiner Handlung fiel ihr wie Schuppen von den Augen. „Ja, die königlichen Pflichten waren dir sowieso immer heiliger als alles andere. Egal, wie sehr du andere mit deinem Handeln verletzt: Solange du mit dir und deinen königlichen Pflichten im Reinen bist, ist alles in bester Ordnung, hab ich recht?“ Es lag doch auf der Hand. Der König musste seinem treu ergebenen Diener befohlen haben, die Briefs' weiterhin zu beobachten, obwohl Vegeta nicht mehr dort verweilte. Erst dadurch war es ihm möglich, Bulmas Freunde und deren Leben an den König der Saiyajins zu verkaufen.

 

Ha, und wieder wurde ihr klar, wie gedankenlos sie mit ihrem Vertrauen umgegangen war. Glücklicherweise konnte jenes Vertrauen im Keim erstickt werden, bevor es sich entfalten konnte und Bulma am Ende noch zusätzlich psychisch verletzt worden wäre, angesichts der Enttäuschung.

 

„Nein, und nochmals nein“, gestikulierte Turles mit wedelnden Händen. „Das ist so nicht gewesen, Bulma.“

 

Vegeta dagegen lauschte ihren Vorwürfen interessiert, denn dieses Mal stand nicht er im Kugelhagel, wie sonst immer. Oh nein. Er war ein Außenstehender, den es unheimlich belustigte, dass Turles immer mehr zurückweichen musste, während er selbst amüsiert daneben stand und dem Krieger dabei zusah, wie er von einer Frau – deren Kampfkraft so gering war, dass selbst Säuglinge sie im Handumdrehen erwürgen konnten – in die Enge getrieben wurde. Es war lustig und kam dem Prinzen zugute. So musste er nicht mehr eingreifen und einen Keil zwischen die beiden Saiyajins treiben, die sich so sympathisch waren, dass Vegeta das blanke Kotzen bekam.

 

„Hör auf zu lachen, Vegeta!“, schnauzte Bulma in seine Richtung.

 

Folglich hob der Angesprochene erheitert seine Hände. „Ich? Onna, wer um Regen bittet, muss den Matsch verkraften. Das solltest du dir für die Zukunft merken.“

 

„Deine blöden, unnützen Sprüche kannst du dir sparen.“ Sie war unglaublich traurig, da sie von jedem hintergangen wurde. Jeder schien sich gegen sie zu verschwören.

 

„Dann unterlass es, mit aller Kraft nach der Wahrheit zu suchen, die du offenbar nicht verträgst. Aber so ist das Leben, Onna. Die Wahrheit tut grundsätzlich immer weh, weshalb die meisten die Lüge vorziehen, kapiert?“ Ach, war es nicht herrlich erfrischend, wie Vegeta sich selbst belog? Er selbst wollte doch immer die Wahrheit wissen, die ihn jedes Mal so weit trieb, dass er aus der Haut gefahren war.

 

„Oh ja, natürlich“, entgegnete sie und stemmte wütend ihre Hände in ihre Hüften. „Vom hohen Ross lässt es sich bekanntlich leichter spucken. Oder willst du mir erzählen, dass dein königliches Leben so anstrengend war?“, spie sie ihm aufgebracht entgegen, ehedem sie an ihn herantrat und zu ihm nach oben blickte. „Bestimmt nicht. Du wurdest... Du wurdest nicht attackiert, nein. Du lebst dein gesichertes Leben im abgeschirmten Palast.“ So gesichert war der Palast nicht, da sie andernfalls niemals dort hätten einbrechen können.

 

„Derjenige wäre dumm, wenn er es täte“, antwortete er affektiert und Vegeta bedauerte es, dass Radditz nicht hier war, der bereits das Weite gesucht hatte, als Vegeta zum Palast geflogen war um herauszufinden, wo sich Bulma befand. Vegeta hätte stattdessen wunderbar Radditz vorschicken können, aufgrund ihrer scheuen Art Fremden gegenüber. Ja, Radditz wäre nicht so zimperlich mit ihr umgegangen, wie Vegeta oder Turles. Sie beiden wurden weich in ihrer Gegenwart, sie wurden förmlich zu Wachs und ließen sich von diesem Mädchen abkanzeln. „Dasselbe sage ich dir, Onna: Tu nichts unüberlegtes, wenn du dich dazu entschließt, dich mit mir anzulegen. Es könnte deine letzte Entscheidung sein.“

 

„Das musst du mir nicht sagen. Man muss schon bis an die Zähne bewaffnet und lebensmüde sein, wenn man dir gegenübersteht.“ Das war ihr bewusst, aber Bulma war zu zornig, um zu kapitulieren – was in dieser Situation der richtige Weg gewesen wäre. Sie hätte sich dieser verdammten Lage endlich entziehen und nach Hause gehen müssen. Stattdessen stritt sie sich mit beiden Saiyajins, was sie keinesfalls weiterbrachte. Im Endeffekt wäre sie wieder diejenige, die verletzt worden wäre.

 

Nein, das musste sie korrigieren. Sie wurde bereits verletzt – von Turles, der schweigend neben ihr stand und Bulmas Herz herausgerissen hatte.

 

„Aber im Moment“, gab sie lauernd von sich, „kommen von dir nur leere Drohungen.“

 

„Leere Drohungen?“ Begierig darauf, Abstand zwischen Bulma und Turles zu bringen, näherte er sich unaufhaltsam dem Mädchen, das alles ins Wanken gebracht hatte. Sie hatte es gewagt, sich in Vegetas Gedanken einzunisten – wie eine lästige Zecke. Er hatte wirklich damit zu kämpfen, während sie keinerlei Probleme hatte, ihre Aversionen Vegeta gegenüber zu äußern. „Turles, neige ich dazu, leere Drohungen auszusprechen?“

 

„Nein, königliche Hoheit“, replizierte er ehrfurchtsvoll.

 

„Hast du zugehört, Erdenmädchen?“ Mit einem weiteren Satz nach vorne, dem Bulma gar nicht folgen konnte, war er vor ihr angekommen. Doch statt ihn endlich würdevoll anzusehen, wollte sie zu Turles – zu Turles, verdammt! – Blickkontakt aufbauen. Aufgrund dessen schnipste er vor ihrem Gesicht, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber auch das half nicht und es wurde dem Königssohn zu bunt. Infolgedessen schnappte er nach ihrem Kinn und drehte ihren Kopf in seine Richtung. „Ignoriere ihn und sieh gefälligst mich an, wenn ich vor dir stehe.“

 

„Vegeta, du -“ Bulmas Hand schoss augenblicklich nach oben, doch wurde ihr nächster Schritt vereitelt, als Vegetas Hand die ihre blitzschnell umschloss.

 

„Untersteh dich, Fräulein.“ Er war nicht einmal geschockt darüber, dass sie ihn schlagen wollte. Er war angesichts der Tatsache, dass sie ihn ignorierte, viel fassungsloser. „Wir sind nicht mehr in eurer Ruine, die ich – gütig wie ich war – nicht dem Erdboden gleichgemacht habe. Und sowohl wir, als auch unsere Väter wissen, dass es ein Leichtes für mich gewesen wäre, diesen Umstand Realität werden zu lassen.“

 

„Lass mich los, Vegeta“, nuschelte sie verächtlich. „Du tust mir weh!“

 

„Du hast mir nichts zu sagen – gar nichts mehr.“ Von oben sah er auf sie herab. Vegeta suchte nach Anzeichen, die er ausnutzen konnte, um sie weiterhin zu provozieren. Allerdings verhielt sich Bulma recht neutral, seitdem er sowohl ihre Hand, als auch ihr Kinn gefangen hielt. „Da ich aber ein recht feiner Kerl bin, mache ich dir einen Vorschlag zur Güte: Wir beide werden zum Palast fliegen und -“

 

„Zum Palast?“ Hoffnung keimte in Bulma auf. Würde sie ihren Vater mit nach Hause nehmen können? Schließlich war Vegeta noch immer der Prinz, dessen Befehle strikt befolgt wurden. „Und... Und du sagtest, dein Vater wollte wissen, wie Chichi und Yamchu hierher gekommen sind, richtig?“

 

„Richtig.“ Schematisch waren seine Hände nach unten gesunken, woraufhin das Mädchen ihre Freiheit ausnutzte.

 

Traurig blickte Bulma daraufhin zu Turles. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass er anscheinend dafür verantwortlich war, dass Chichi zum Palast gebracht wurde. „Dann weiß er vermutlich von den irdischen Dragonballs, oder?“ Ununterbrochen sah sie ihn an, in der Hoffnung, dass er etwas erwiderte. Bulma wünschte sich, dass er sich gegen ihre vorangegangenen Vorwürfe wehrte, aber er blieb stumm.

 

„Davon ist auszugehen, ja“, bemerkte Vegeta trostlos. Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass ihre Stimme brach, sie jedoch in die Arme zu nehmen, das war... zu intim, zu persönlich. Er würde zudem glatt behaupten, dass sie von ihm sowieso nicht in die Arme genommen werden wollte und anstatt ihr zumindest tröstende Worte zukommen zu lassen, antwortete er objektiv; ohne jegliche Regung. Aber er war einfach keine Stütze. Das war er nicht – im Gegensatz zu Turles, der Bulma wiederum auffangen könnte. Ja... Turles könnte ihr das geben, wonach ihr Körper verlangte und das störte den Prinzen extrem.

 

War Vegeta demnach einfach nur neidisch? Schließlich konnte man unmöglich ignorieren, wie sie Turles ansah. Ihm war es zuerst gar nicht aufgefallen. Erst seitdem sie in seinen Träumen auftauchte, war es ihm bewusst aufgefallen – sobald es sich um Turles drehte oder sie ihn sah, funkelten ihre blauen Augen wie Sterne. Sie leuchteten hell und strahlten eine Freude aus, die Vegetas Anwesenheit jedes Mal löschte...

 

„Was verspricht er sich von den Dragonballs?“ Unfähig sich fortzubewegen, fokussierten ihre Augen pausenlos Turles. Für Bulma brach mehr und mehr die Welt zusammen, weil er sich nicht äußerte. Dabei hätte er doch zumindest den Versuch starten können, die Dinge ins richtige Licht zu rücken, oder ihr wenigstens erklären können, was ihn angespornt hatte, sie zu verraten?
 

Was hatte man Turles versprochen? Oder... tat er es einfach so, weil Saiyajins sich – wie Vegeta es ausdrückte – am Leid anderer ergötzten? Himmel nochmal, sie machte sich so viele Gedanken diesbezüglich.

 

„Du musst etwas wissen, Vegeta. Ansonsten hätte er dich doch nicht mit dem Auftrag – die namekianischen Dragonballs zu beschaffen – nach Namek geschickt, oder?“

 

„Ich kann es dir nicht sagen, Onna.“ Vegeta konnte nur spekulieren und er blieb seinen Prinzipien immer treu: Erst dann zu antworten, wenn man vorher darüber nachgedacht hatte oder die Wahrheit kannte.

 

„Wieso nicht?“ Sie musste nach Hause, ganz eindeutig.

 

Und sie floh – schon wieder, weil er ihr sowieso nicht antworten würde. Es ging auch einfach nicht mehr. Bulma war mit den Nerven am Ende.

 

Unaufgefordert folgte der Prinz dem einsamen Mädchen. Des Weiteren bedurfte es gar keinen mahnenden Blick, den er Turles zuwerfen wollte, da dieser sich bereits tonlos zurückzog, sich von den beiden flüchtenden Saiyajins entfernte und mit unaufhörlichem Blick über seine Schulter in seinem Häuschen verschwand.

 

„Onna“, rief Vegeta unterdessen, der – nachdem er sie eingeholt hatte – nach ihrer Schulter griff und das schluchzende Mädchen zu sich herumwirbelte. „Wenn wir fliegen, geht es schneller. Einverstanden?“

 

„Wozu noch beeilen? Ich habe meine Eltern doch schon im Stich gelassen.“

 

„Das ist Schwachsinn, aber du solltest zusehen, dass du diesen seltsamen Radar – den du Kakarott geben wolltest – schnellstmöglich zerstörst. Ich weiß nicht, was mein Vater sich von den Kugeln erhofft“, griff er nochmals das Thema auf, weil er sicherstellen wollte, dass sie ihm glaubte, „aber sicher dient es nicht dem Frieden, wie du ihn von der Erde kennst.“

 

„Anfangen kann er mit den Kugeln sowieso nichts“, bemerkte sie zitternd. Ihre Welt löste sich zunehmend in Luft auf, sie wurde quasi platt planiert, bevor sie in ihre Einzelteile brach – direkt vor Bulmas Augen.

 

„Wieso nicht?“

 

„Nun ja... Aufgrund dessen, dass Chichi und Yamchu die Dragonballs benutzt haben, um sich zu dem Ort zu wünschen, an dem ich bin, wurden die Kugeln zu Stein. Das passiert immer, wenn jemand Shenlong ruft und sich etwas von ihm wünscht. Danach verschwindet er und es dauert ein ganzes Jahr, bis er wieder reaktiviert werden kann.“

 

„Auf der Erde vielleicht, aber hier?“

 

Stimmt, das hatte die junge Saiyajin in ihrem brillanten Kopf nicht bedacht. Diese Niederlage wollte sie sich aber nicht eingestehen. „Das ist – denke ich – irrelevant. Aber ich frage mich noch etwas, Vegeta?“, ergänzte sie und blickte zur Seite, bevor sie sich entschied, nicht mehr länger vor etwas weglaufen zu können. „Inwiefern hast du mich belogen?“

 

Oh nein. Es gab ja noch diesen blöden Zettel, den er in ihre Hand gedrückt hatte, nachdem er das brief'sche Haus verlassen musste. Bisher kam ihm auch nie in den Sinn, sich diesbezüglich erklären zu müssen, allerdings bewies Bulma ihm gerade wieder, dass sie anders war. Dass sie alles erfahren wollte, was man dechiffrieren konnte. „Dieser Zettel“, bemerkte er kühl, „ist dein einziges Problem, Onna?“

 

„Nein, aber -“

 

„Dieser Zettel hatte nichts zu bedeuten – reine Provokation. Und angesichts der Lage, in der wir uns befinden, sollte dieses Stück Papier an allerletzter Stelle stehen, meinst du nicht?“ Vegeta wollte nicht über diese Zeilen sprechen – verfasst in seiner Verzweiflung, aufgrund der Annahme, sie nicht mehr zu sehen und rechtfertigen zu müssen.

 

„Du hast recht“, stimmte sie ihm zu, obwohl sie den Zettel nicht ignorieren, sondern den Inhalt verstehen wollte. Allerdings spitzte sich die Situation immer mehr zu, weshalb sie die Frage nach hinten schieben musste. „Ich war nur so irritiert.“ Während sie sprach, verschränkte Vegeta seine Arme vor der Brust – ein Zeichen, dass seine Geduld schwand. „Und alles was gerade passiert, verwirrt mich zutiefst – so sehr, dass ich gar nicht mehr klar denken kann. Ich fühle mich, als wäre ich in einem riesigen Raum gefangen, dessen Wände unabwendbar auf mich zurasen und damit drohen, mich zu zerquetschen.“

 

„Onna, das -“

 

„Und weißt du, was wirklich schrecklich ist?“, fuhr sie fort, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen.

 

„Was?“, fragte Vegeta gebannt und fürchtete sich vermutlich zum ersten Mal vor der Antwort, weil er sie insgeheim wohl kannte.

 

„Du bist die Wand, die mich erdrückt, Vegeta.“ Sie hatten den Weg nun doch zu Fuß zurückgelegt, infolgedessen Bulma versuchte, ihm verständlich zu machen, wie sehr er ihr im Grunde doch schadete. „Manchmal habe ich das Gefühl, als hätte ich dich schon mein Leben lang gekannt und... nachdem wir über meinen Radar gesprochen haben, wurde mir klar, dass wir nur ein Machwerk unserer Väter sind. Ich erkannte die Parallelen zwischen uns – wie ähnlich unsere Schicksale doch sind und trotzdem bist du es, der mir die Luft zum Atmen nimmt. Du bist es, der mich herausfordert, bloß um mich letztendlich in ein Loch zu stoßen, dessen Abgrund mein sofortiger Tod bedeutet.“

 

„Hör zu, mich ehrt das wirklich, dass ich derjenige bin, der Angst in dir auslöst, doch sollten wir unseren Fokus auf wichtigeres legen, ja?“ Das Gespräch war nicht nur für sie, sondern auch für ihn von Bedeutung. Das Problem war, dass Vegeta im Bezug auf solche sensiblen Themen ein Feigling war – womöglich immer einer bleiben würde. Hätte er den Mut, wie er ihn im Kampf bewies, würde er dazu stehen, dass Bulma weitaus mehr als eine Saiyajin geworden war, die er ärgern wollte.

 

„Auf wichtigeres? Und was ist wichtiger, Vegeta?“

 

„Dass wir uns beeilen. Das ist wichtig, Onna.“

 

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihn ganz genau. Vermutlich war es genau dieser Angst geschuldet, von der Vegeta sprach, dass Bulma nicht auf das Wesentliche konzentriert war. Aber die Angst vor der Zukunft, die Wut bezüglich Turles' Verrat, der Zorn auf Vegetas Vater, sowie der Gesamtsituation waren Auslöser, dass Bulma vor der Realität fliehen wollte. Mittlerweile glich das einst fröhliche Mädchen einem Wrack, das drohte zu zerfallen, doch wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben, vergeblich nach einer Stütze zu suchen, die sie vor dem Zusammenbruch bewahrte. Die blauhaarige Saiyajin suchte nach der Nadel im Heuhaufen, um den Schmerz – der unheilvoll durch ihren Körper zog – zu vergessen. Womöglich tat sie das, weil ihre Wut auf Turles kontinuierlich stieg und sie ihn genauso hart treffen und verletzten wollte, wie er es mit ihr getan hatte.

 

Doch war sie nicht diejenige, die ein derartiges Verhalten verteufelte? Eigentlich schon. Gleiches mit Gleichem zu vergelten entsprach nicht ihrem Naturell, aber es zeigte, dass sie vorsätzlich handelte und es zu dem kommen lassen wollte, was bevorstand.

 

„Womit denn?“ Bulma war stehen geblieben und blickte über ihre Schulter, ehe sie ihrem Verlangen nachgab, sich hinzusetzen und die schweren Schuhe abzulegen. Durchtrieben würde Chichi ihr Verhalten nennen, ja. Verrucht und schmutzig, aber der Gedanke – was passieren könnte – erzeugte eine Hitze in ihr, die sich unverhältnismäßig schnell über ihrer Haut ausbreiten wollte.

 

„Onna, was soll das? Du weißt genau, wieso wir uns beeilen müssen.“

 

Fuck! Fuck! Fuck! Vegeta sollte sich von ihr abwenden, sich in seine Hände beißen und schreien, um dem Anblick widerstehen zu können.

 

„Oder ist das Absicht?“ Tat sie es willkürlich? Wollte das Weib ihn wieder so weit treiben, bis er unkontrolliert handelte? War das ihre Rache, weil er nicht näher auf den doofen Zettel einging, den er in einer noch dümmeren Situation geschrieben hatte? Entgegen seiner Erwartungen, sah er ihr jedoch begierig dabei zu, wie ihre Hände über ihre langen Beine fuhren, welche ihr offensichtlich wehtaten.

 

Ob seine Finger genauso fahrig die Linien nach fuhren, die Bulma mit ihren Fingern über ihre Beine zog?

 

Ferner winkelte sie eines ihrer Beine an, während sie darauf ihren Unterarm platzierte und ihren Rücken gegen einen Baumstamm lehnte. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, bevor sie ihm aus dem Zusammenhang herausgerissen antwortete: „Denkst du, alles passiert aus einem bestimmt Grund?“, formulierte sie ihre Frage einprägsam und sah zu ihm auf. „Denkst du das, Vegeta?“

 

„Möglich. Zumindest glaube ich nicht an Zufälle, warum?“ Es war nicht gut, dass sie stehen geblieben waren – ganz und gar nicht.

 

„Wieso ist es im Badezimmer so weit gekommen?“ Noch ehe sie ihren Satz zu Ende sprach, sah sie wieder nach vorne. „War das auch aus einem bestimmten Grund passiert?“ Unendlichen Mut kostete es Bulma, ihn danach zu fragen. Sie war inmitten einer tyrannischen Gesellschaft gelandet, obwohl Vegeta-Sei so friedlich und ruhig vor ihr lag. Aber das Mädchen von der Erde wusste es besser. Bulma wusste, dass das behagliche Bildnis vor ihr trüge, ihr eiskalt ins Gesicht log; es war mehr Schein als Sein, da sie die Wahrheit kennenlernen musste – auf unliebsame Weise. Vegeta-Sei war der Planet, den der Teufel persönlich erschuf und im Anschluss zu schwach war, diese bestialische Rasse in Schach zu halten. Schlimmer noch, Bulma gehörte dazu. Sie gehörte dieser Spezies an, die so vielen Kulturen unendliches Leid angetan hatte. Auch sie war ein Geschöpf des Teufels. Und so unangenehm ihr all das – dieses Gespräch, die Erkenntnis, sowie das Bevorstehende – war, so sehr beruhigte es aber auch Bulma, aufgrund der Normalität, die dieses Gespräch inne hatte.

 

„Was wäre dir lieber?“, schmunzelte er, nachdem er sich direkt neben sie stellte, seine Schulter gegen denselben Baum lehnte und mit ihr gemeinsam dem lügnerischen Bild entgegensah. „Dass es aus einem bestimmten Grund passiert wäre oder gefällt dir der Gedanke des Zufalls besser?“

 

„Ich glaube auch nicht an Zufälle.“ Inzwischen zeichnete sie unbewusst Kreise in den Sand, mittels eines gebrochenen Astes. „Viel eher an innere und äußere Einflüsse, die uns in Entscheidungen behilflich sein sollten.“

 

„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass wir uns jemals einig sein werden.“ Aufmunternd lächelte er sie an, nahm aber rasch härtere Züge an, nachdem sie sein Lächeln nicht erwiderte.

 

„Ja... Ungewöhnlich.“ Der Zeitpunkt war verstrichen. Sie hatte die Brotkrumen gelegt, doch war er nicht darauf eingegangen. Es war der fehlende Mut, der sie noch mehr verließ, wenn es darum ging, den ersten Schritt zu wagen. Derselbe Mut, dieselbe Entschlossenheit als sie Turles' Haus verlassen hatte, um nach ihren Eltern zu suchen war verschwunden – zerplatzt wie eine schützende Seifenblase.

 

„Ja, sehr ungewöhnlich.“

 

„Du hast recht. Wir... sollten weitergehen und das Wichtigste nicht vergessen.“ Anschließend fuhr ihre Hand nach oben – entlang der knorrigen Rinde des Baumes, die ihr half aufzustehen, doch war es Vegetas Hand, die kurz darauf auf ihrer landete, woraufhin sie verunsichert aufsah.

 

„Was soll die Fragerei, Onna, wenn du danach sowieso abrupt aufstehen willst und mir sagst, dass wir weitergehen sollen? Du fragst doch nicht grundlos solche Sachen? Und schon gar nicht nach meiner Meinung“, schilderte er knurrend. Eiskalt hatte er sie erwischt, da ihre Augen nie logen – schon gar nicht, wenn sie wie eine blaue Flamme loderten. „Legst du es darauf an, dass ich meinen Kopf verliere? Lockst du mich absichtlich in deine Falle, in welche ich bereitwillig laufe, um dir zu gefallen?“

 

„Vegeta, ich weiß nicht, was du -“

 

„Weißt du, was wirklich witzig ist?“ Kurz wartete er, doch als sie ihren Mund zum Protest öffnen wollte, sprach er weiter: „Ich habe deine Absichten durchschaut und dagegen wehren kann ich mich trotzdem nicht – so sehr ich es will, aber es gelingt mir nicht.“

 

„Vegeta“, hauchte sie stattdessen, während sie immer wieder in sein abwartendes Gesicht und seiner Hand sah, die ihre immer noch umschloss. Und das war ihr Fehler – in sein Gesicht zu sehen.

 

„Die Frage ist“, flüsterte seine raue Stimme gegen ihr Ohr, „ob dir bewusst ist, was du damit lostrittst? Bist du dir darüber im Klaren, Erdenmädchen?“ Der Schmerz, der sich erneut in der Mitte seines Körpers bemerkbar machte, war kaum auszuhalten. Diesbezüglich hatte er große Mühen, sich zu beherrschen – die bitterböse Nebenwirkungen eines jeden Mannes, dessen Blut nicht mehr in den dafür vorgesehenen Bahnen lief, sondern stromabwärts floss.

 

„Was... soll das?“ Seitlich zu ihm stehend, musste sie hilflos mit ansehen, wie seine andere Hand nach dem Saum ihres Oberteils griff. „Was tust du da, Vegeta?“

 

„Ich tue endlich das, was ich gerne getan hätte, bevor man uns auf unsanfte Art unterbrach.“ Folglich entfernte er seine Hand, die auf ihrer gelegen hatte und platzierte stattdessen seinen Körper vor dem ihren. Sie hingegen erwiderte nichts, sie wehrte sich nicht, das Mädchen blieb reglos vor ihm stehen und sah ihm wortlos entgegen. „Und was tust du, Onna?“

 

Was sie tat? Bulma wusste es nicht.

 

Sollte sie etwas unternehmen?
 

Schreien? Weglaufen?

 

„Dasselbe!“ Sie tat das, was sie am allerwenigsten hätte tun dürfen – in einer Situation, die ihr nicht erlaubte, weiterhin Zeit mit einem Mann zu vergeuden, der ihr sowieso nicht gut tat. Stattdessen griffen ihre Finger gierig nach dem Kragen seines Brustpanzers, um den verringerten Abstand zu ihm noch mehr zu dezimieren. Die Folge war, dass ihre Körper gegeneinander stießen, woraufhin sie beide keuchten.

 

Es war jedoch nicht Vegeta, dessen Lippen sich auf ihre pressten. Es war Bulma, die über sich hinausgewachsen war, indem sie ihre Lippen auf seinen Mund drückten...

Manus manum lavat

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Mit wehenden Fahnen in den Abgrund

Der Gütige ist frei, auch wenn er ein Sklave ist. Der Böse ist ein Sklave, auch wenn er ein König ist.

- Augustinus Aurelius
 

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel zwanzig -

 

 

Wie in Trance nahm sie die heranstürmenden Wachen des Königs wahr, während ihre Augen immer weiter aufgerissen wurden. Das Unheil brach über Bulma herein, weil sie nicht länger mit ansehen wollte, wie ihr Vater gequält und misshandelt wurde. Dass sie jetzt die Gejagte war, war der Preis, den Bulma bereit war zu zahlen, aber sie wusste gar nicht, wie viel Kraft sie in ihren Beinen hatte – bis jetzt. Aber man konnte in brenzligen Situationen doch immer ungeahnte Kräfte wecken, oder? So auch hier. Die Angst hatte sich wie ein Virus in der jungen Saiyajin ausgebreitet, der ihr den nötigen Stoß gab und davonlief. In horrender Geschwindigkeit lief sie den langen, dunklen Flur entlang. Ihre erhöhte Muskelanspannung, sowie ihre hochgejagte Reaktionsgeschwindigkeit konnten jedoch nicht genug dagegenhalten, weshalb sie den saiyajinschen Kriegern auf Verderb ausgeliefert war. Sie konnte – herbeigeführt durch die schiere Angst – ihren Organismus einfach nicht ausbalancieren. Und alles nur, weil sie sowohl ihren Vater retten, als auch die Aussagen des Königs verstehen wollte. Sie wollte diese Verwirrung in ihrem Kopf bereinigen, wodurch es ihr bewilligt worden wäre, nachdenken zu können. Aber das vergönnte man ihr – wie so vieles. Niemandem – auch ihr nicht – wurde etwas auf diesem schändlichen Planeten gestattet, deren Bevölkerung es vorzog, anderen Kulturen zu schaden. Sobald man Kritik übte, wurde man in Gefangenschaft genommen, Sanktionen wurden verhängt. So auch gegen Bulma, die man unwahrscheinlich schnell eingeholt hatte.

 

Hinzu kam die unwürdige Behandlung. Man wollte den Feind schleunigst und konsequent ausradieren. Und selbiges Schicksal würde vermutlich auch Bulma ereilen.

 

Blitzschnell hatte man das Mädchen zu Boden gezerrt, ehe man sie über die Schulter warf und in eine schäbige, stinkend modrige Zelle steckte. Man lies sie mit unzähligen Fragen zurück. Fragen, die Bulma verunsicherten. Fragen, die ihr niemand beantworten würde.

 

Und nun? Nun saß sie hier – in einer dunklen, von der Zivilisation abgeschotteten Kerkerzelle. Angekettet in einer Ecke – wie ein Hund, den man bestrafte. Seufzend legte sie ihren Kopf in ihre angebundenen Hände und ließ den angestauten Tränen freien Lauf. Hier unten war niemand, der sie daran hindern konnte, zu weinen. Und es tat gut, zu weinen. Anhand ihrer Tränen – so schien es – wurden die Lasten aus ihrem Körper gespült, die zuvor auf ihren Schultern ruhten. Allerdings hatte sie hier auch ausreichend Zeit, um an ihre Familie zu denken – eine böse Schattenseite, wenn man gefangen war. Man konnte über das nachdenken, woran man, angesichts der Angst, nicht denken wollte. Es war ein Qual.

 

Bulma wusste nicht, was mit ihrer Familie passiert war. Selbiges galt ihren Freunden – Chichi und Yamchu, die zur falschen Zeit am falschen Ort auftauchten. Dass der Fremde, der den Platz neben dem König eingenommen hatte, der Bruder ihres Vaters war, zog dagegen gefühllos an ihr vorbei. Es interessierte sie nicht. Dass sie jedoch dieselben Fähigkeit wie der alte Saiyajin besitzen sollte – die dem König Unbehagen bereiteten –, machten ihr allerdings Angst.

 

Auch wollte Bulma wissen, wovon der König sprach, als er Umstände ansprach, die ihrer Familie vor einundzwanzig Jahren erlaubten, zur Erde zu gehen und fortan dort zu leben. Welche Umstände führten dazu, dass der König es erlaubte? Wenn sie es doch nur wüsste... Vielleicht könnte sie dann die Entscheidung ihrer Eltern – sie zweiundzwanzig Jahre im Ungewissen gelassen zu haben – viel besser verstehen?

 

Diese innere Spannung, betreffs ihrer Erbanlage – vor allem aber ihre innerlichen Proteste diese zu akzeptieren – war ein weiterer Ausdruck ihrer Malaise, die in einer bodenlosen Verzweiflung enden würde.

 

Verdammt, sie wusste überhaupt gar nichts. Sie hielt sich für so clever, doch im Grunde wusste sie nichts – gar nichts. Nichts über ihre Herkunft, nichts über ihre Träume, nichts über die Sitten dieses Planeten, nichts über Vegeta und auch nichts über... über Turles, der das Treiben kommentarlos mit angesehen hatte. Ihr Hirn wollte einfach nichts mehr verarbeiten, sie wollte nicht mehr nachdenken und sie wünschte sich sehnlichst, ihren Kopf wie ein Computer ausschalten zu können.

 

Oh ja, das wäre nett gewesen und es kümmerte sie auch nicht, dass sie – bezüglich der Einsicht ihrer Niederlage – schwach und feige gewesen war. Ebenso wenig scherte sie sich darum, dass sie aufgab und in Selbstmitleid flüchtete. Außerdem vernahm sie vor der Zellentür dumpfe Schritte, woraufhin sie sich nur noch mehr in die Ecke zwängte, in die man sie angebunden hatte.

 

Trotzdem wurde der Riegel quietschend aufgeschoben. Eine dunkle Silhouette, die im Lichtkegel stand und den Körper in gänzliche Schwärze hüllte, tauchte in der Tür auf, was Bulma erzittern ließ. Anschließend wurde die Tür wieder geschlossen, während die Schritte im Innern der Zelle zu hören waren und sie kamen näher – immer schneller.

 

„Ich hatte zwar gehofft“, schallte die dunkle Stimme durch den Raum, nachdem der Saiyajin vor ihr in die Hocke gegangen war und seine Hand in ihren Haaren verschwinden ließ, „dass wir uns wieder sehen, doch entsprach das nächste Aufeinandertreffen – zumindest in meinen Vorstellungen – anderen Gegebenheiten. Das muss ich neidlos zugeben.“ Folglich zog er seine Hand zurück, die sich grob um ihre Wangen legte, weil sie ihm schon wieder nicht zuhören wollte. „Und ich frage mich“, fuhr Vegetas kaltherzige Stimme ungerührt fort, „ob du alles dafür tust, dass wir uns nicht mehr sehen. Ich habe dir doch gesagt, dass du keinen Ärger machen sollst. Ich habe dich vor meinem Vater gewarnt und doch lehnst du dich wissentlich gegen ihn, aber auch gegen mich auf – indem du meinen Befehl missachtest. Schlimmer noch, du hast meine Autorität vor meinem Vater untergraben, Onna.“

 

„Vegeta, dein Vater... hat meinen Vater -“

 

„Ich war dabei. Denkst du, ich habe dich grundlos draußen gelassen?“ Das hatte er nicht. Er wollte ihr genau diesen Anblick ersparen. „Bist du so dumm und glaubst, dass ich meinen Vater nicht kenne, auch wenn es den Anschein erweckt?“

 

Vorwürfe. Das war das Letzte, was Bulma im Moment gebrauchen konnte, aber darin war Vegeta schon immer gut. „Bitte geh, Vegeta“, munkelte sie leise, doch das Echo trug sie Worte zu dem Prinzen heran, der sich daraufhin vom Boden abstieß, ihrem Wunsch jedoch nicht nachkam und das Gegenteil in Betracht zog.

 

„Ich werde nicht gehen, Onna.“

 

„Bitte lass mich alleine, oder kannst du mich nicht mal in diesem Elend alleine lassen?“ Ihre Hände waren schwer wie Blei, anlässlich der massiven Ketten, die nicht einmal Yamchu mit einem Dietrich knacken könnte. Allerdings waren nicht einmal die Ketten das Problem. Das Problem war der hier herrschende Gestank, die Fäulnis, die sich in ihrer Nase festsetzen wollte und damit drohte, ihre Nasenschleimhäute zu verätzen. Hinzu kam seine Anwesenheit, die das Sahnehäubchen auf dem Berg ihrer Probleme war. „Vegeta, ich -“
 

„Weißt du, Onna, wenn ich sage 'Ich hab es dir doch gesagt', trifft es das nicht ganz, verstehst du?“ Lässig lehnte er sich gegen die Mauer, aus deren Fugen das Moos in das Innere des Raumes drang, während er einen seiner Füße gegen die Wand stieß und die Arme vor der Brust verschränkte. „Hättest du auf mich gehört, würdest du -“

 

„Verschwinde, Vegeta!“, spie Bulma – so laut, wie es ihre Kräfte erlaubten. „Ich... Ich will es nicht hören!“ Torkelnd kämpfte sie sich auf die Beine zurück, infolgedessen sie den Abstand zu Vegeta verkürzen wollte, doch gaben ihre Fesseln ihr nicht den nötigen Freiraum. Unverzüglich wurde sie an ihren Ketten zurückgezogen. „Was verstehst du an meinen Worten nicht?“ Der Zorn fraß sich durch ihre gebrechlichen Glieder, so dass selbst ihre Nasenflügel unter der Zufuhr ihrer Wut sich aufblähten.

 

Das wars. Auch Vegeta war an einem Punkt angekommen, an dem seine Wut das Mitgefühl überwog, das er ihr gegenüber empfand. Entschieden trat er an die Saiyajin heran, die ein Kopf kleiner war als er. Vegeta musste sie gar nicht gegen die Wand drücken – das tat sie schon von sich aus, indem sie nach hinten schritt, um ihm zu entkommen, aber das funktionierte nicht. Infolge dieses erbärmlichen Versuches, schoss seine Hand nach vorne, die sich grob um ihren Nacken schlang. „Hör mir zu, Fräulein“, begann er gereizt – manisch darauf fixiert, sie nicht zu hart anzupacken. „Ich werde gehen, wenn ich es für richtig erachte und nicht, wenn du das sagst oder gar verlangst. Haben wir uns verstanden?“

 

„Vegeta, du tust mir weh!“

 

„Das ist mir scheißegal. Ich bin derjenige, der auf der anderen Seite der Zelle steht, während du hier sitzen musst – angekettet, darauf wartend, dass dein Urteil vollstreckt wird. Ist das klar, Onna?“

 

„Du sollst verschwinden.“ Zischend sog Bulma die Luft ein, als er den Griff intensivierte. Der zusätzliche Druck auf ihre Schulter war genauso unangenehm, doch sie weigerte sich, ihn gewinnen zu lassen und blickte nach oben – in Vegetas Gesicht. Sie erwiderte seinen abfälligen Blick. Aber was er konnte, konnte Bulma auch. Ihr Ausdruck wurde finster, sie rümpfte die Nase und legte die Stirn in tiefe Falten, woraufhin ihre Augenbrauen dicht zusammengezogen wurden und ihre Augen zu Schlitzen wurden. „Aber stattdessen nervst du mich.“

 

„Offen gestanden, nervst du mich, Onna. Ganz besonders deine Destruktivität – die nervt gewaltig.“

 

„Dann will ich das Rätsel lösen: Verschwinde. Dann bist du mich los und ich kann dich nicht mehr nerven“, warf sie brüchig ein, denn je länger sie ihn ansah, umso mehr musste sie daran denken, was zwischen ihnen passiert war. Sie beide hatte jegliche Stufe erklommen, die es auf einer Skala bezüglich der Emotionen gab. Ja, sie hatten sich gestritten, sie tauschten sich untereinander aus, redeten miteinander... Beim heiligen Shenlong, sie schliefen miteinander und nun? Nun stand Vegeta vor ihr, als wäre er ein kalter Eisklotz, der nicht einmal in der Wüste schmolz.

 

Tze, und kurz hatte sie wirklich daran geglaubt, dass sie die Wüste sein könnte. Dass sie diejenige wäre, die ihn erwärmen konnte. Aber alles war nur Lug und Trug – jeder war sich selbst der Nächste.

 

„Ich kann dir ja schlecht aus dem Weg gehen“, brummte sie abschließend.

 

„Ich werde gehen – gleich. Davor möchte ich aber noch etwas wissen.“ Daraufhin schwieg Vegeta. Er wollte warten, bis sie abermals ihren Kopf hob und einen wiederholten, vernichtenden Blick in seine Richtung warf. Und er musste nicht lange warten. Prompt sah sie ihm entgegen, woraufhin sein bekanntes, vertrautes Grinsen auf seinen Zügen erschien.

 

Ja, sie war durchschaubar – wie jeder. Abgesehen von ihm, weil Vegeta immer einzigartig bleiben würde.

 

„Diese Fähigkeiten, von denen mein Vater sprach“, eröffnete er seine Frage geheimnisvoll. „Haben sie etwas mit diesen Wahrnehmungsstörungen zu tun?“ Vegeta wählte bewusst diese Beleidigung.

 

„Wahrnehmungsstörungen?“, wiederholte sie spitz.

 

„Du weißt genau, wovon ich rede. Als du zusammengebrochen bist und ich dich nach oben getragen habe!“ Fuck. Vegeta hatte sich gerade selbst verraten. Dieses Weib sollte nie erfahren, dass er es gewesen war, der sie nach oben getragen hatte, verdammt.

 

Er war ein taktloses Arschloch und sie waren wieder beim Status Quo angekommen.

 

„Nein, ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ Unmöglich konnte sie ihm die Wahrheit sagen. Sie konnte ihm nicht vertrauen. Das bewies er oben im Thronsaal, als er weder ihrem Vater noch ihr geholfen hatte, nachdem man sie entdeckt und anschließend verfolgt hatte. Ein weiterer Grund war, dass er ihre Träume als Störung bezeichnete. Hinzu käme das tiefe Eindringen in ihre Welt. Es wäre ein waghalsiger Schritt, wenn sie ihm Zutritt zu ihren Gedanken gewährt hätte. Er war zu subversiv.

 

Wie hätte sie ihm überhaupt nach diesem widerlichen Grinsen – das alles andere als besorgt aussah – je wieder vertrauen können? Geschweige denn Vertrauen aufbauen können?

 

„Du solltest nicht von mir auf dich schließen, Vegeta“, riet sie ihm entsetzt, gleichermaßen auch erschöpft. Die permanenten Streitigkeiten mit ihm ließen Bulma ermüden. Ihre Lider waren so schwer geworden, die Müdigkeit überfiel sie eiskalt, doch jäh wurde sie davon abgehalten, nachdem Vegeta nach vorne sprang und murrend zu ihr hinabsah.

 

„Hör auf, mich für dumm zu verkaufen. Ich muss zugeben, zuerst konnte ich keinen Zusammenhang finden, ich konnte deinen Worten nicht folgen, als du im Schlaf gesprochen hast, aber ich will Antworten. Daher zum letzten Mal“, knurrte er. „Stehen diese Träume in Verbindung mit den Fähigkeiten, die im Thronsaal angesprochen wurden?“ Seine verdunkelte Erscheinung, das dazugehörige Knurren, sowie das Raunen seiner Stimme erschreckten sie, doch was störte sich Vegeta daran?

 

Machte es ihm etwa etwas aus, dass sie vor ihm Angst hatte? Störte es ihn, dass er sie einschüchterte?

 

Nein, oder? Schließlich war das immer das Gefühl, das er in seinem Gegenüber hervorrufen wollte. Er liebte die Macht, die mit seinem Status einherging. Sonst nichts. Das war die einzige Liebe, die Vegeta kannte. Vegeta war ein stolzer Saiyajin, der niemals dazu fähig war, irgendjemanden zu schätzen, gar zu lieben.

 

Aus diesem Grund durfte es ihm nichts ausmachen, dass sie... ihm gegenüber vor Angst erstarrte.

 

„Antworte mir, Onna!“

 

„Welche Fähigkeiten sollen das sein?“, antwortete sie.

 

„Das frage ich dich, Onna. Was bezwecken diese Träume?“, grummelte der Prinz, der ihr aufgrund ihrer gespielten Einfältigkeit gerne gegen den Hinterkopf geschlagen hätte, um ihr Denkvermögen voranzutreiben. Aber... sie war ein Mädchen. „Ich warte ungern.“

 

„Ich weiß es nicht, Vegeta“, beschwor Bulma verzweifelt. Ihr Hirn war noch immer so voll, gleichzeitig so leer und zusammengepresst, wodurch jegliches Nachdenken zur Qual wurde.

 

Doch bevor Vegeta kontern konnte, zischte die Wache vor der Tür dazwischen. „Königliche Hoheit, Ihr müsst gehen. Ich kann Euch nicht länger gestatten, in Anwesenheit der Gefangenen zu bleiben.“

 

Wie rührend. Man wollte kotzen, wenn man die Besorgnis der weichgekochten Soldaten hörte. „Einen Moment noch“, zischte er ebenfalls zurück – jedoch deutlich aggressiver.

 

„Hoheit, wir haben keine Zeit!“

 

„Ich nehm mir die Zeit, verstanden?“, brüllte er dem Wachposten enerviert entgegen, während sein Körper von seiner Aura umhüllt wurde. Es sah als, als würde sich blauer Dunst um seine Hülle schmiegen wollen, doch symbolisierte sie dem Soldaten, dass der Prinz nicht gut gelaunt war, gar Widerworte duldete.

 

So schnell der Dunst auch erschienen war, so schnell war er wieder verschwunden, nachdem der Schatten des Wachposten vor der Zellentür verschwand.

 

Daraufhin wandte Vegeta sich wieder dem Mädchen zu. „Du hast gehört, worauf mich der nette Saiyajin hingewiesen hat. Also?“

 

„Vegeta, du -“

 

„Was siehst du, wenn du zusammenbrichst? Was sind das für Bilder, die dich heimsuchen, Onna?“ Vegeta kannte die Antwort, aber er wollte sie aus ihrem Mund hören. Oh ja, dieses Weib – das angekettet vor ihm saß – war mit einer Gabe ausgestattet, von der man glaubte, dass nur Akira sie beherrschte. Ein Saiyajin, der dazu bestimmt worden war, das saiyajinische Volk mittels seiner Prophezeiungen zu schützen, wenngleich er nur wenige Augenblicke vor der eintreffenden Realität in die Zukunft sehen konnte.

 

Aber sie... Bulma sah Bilder, die noch nicht eingetroffen waren. Sie sah Vision, aber in welchem Zeitraum? Wann würde ihre Prophezeiungen wahr werden? Waren es überhaupt Vorhersehungen?

 

Doch statt ihm zu antworten, sah sie ihm nur entgegen – lächelnd. Und dieses Lächeln erstarb auch nicht, nachdem sie bemerkte, dass seine Haltung passiver wurde und um Fassung rang. „Wieso hast du das getan? Wieso hast du mich nach oben getragen und... und umgezogen?“ Oh Gott, wenn sie nur daran dachte, dass... dass er sie zu dem Zeitpunkt schon halbnackt gesehen hatte.

 

Ein unschönes Gefühl.

 

„Unwichtig.“ Seine Gesichtszüge entglitten ihm. Entsetzen schmückte sein Gesicht, doch war er zu geübt in seinem Machtspiel. „Ich will wissen, was du siehst, wenn du in diese Parallelwelt eintauchst.“

 

„Du warst die ganze Nacht in meinem Zimmer, richtig? Deswegen stand der Stuhl auch vor meinem Bett“, erwiderte sie stattdessen. „Ich... Ich habe dich gehört, als du das Zimmer verlassen hast. Irrtümlicherweise dachte ich, es sei der Wind gewesen, aber... du warst es, Vegeta.“

 

„Denk darüber was du willst, aber ich lege dir nahe, diesem Umstand nicht allzu viel Bedeutung zu schenken. Am Ende enttäuschst du noch Turles.“ Oh, dieser Name. Er brachte Vegeta zur Weißglut. Ebenso die Lüge, die ihm diesbezüglich so leicht über die Lippen gekommen war. Statt gekränkt zu sein – was zumindest einmal der Wahrheit entsprochen hätte –, neigte Vegeta seinen Kopf zur Seite; direkt in ihr Gesicht, ebenfalls spöttisch grinsend. „Sollen wir dieses Machtspiel weiterspielen?“

 

„Musst du nicht gehen?“

 

„Nein. Ich entscheide, wann ich gehe – niemand sonst.“ Sein schändliches Gewissen, das sich immer weiter ausbreitete und ihn jetzt schon tierisch nervte, setzte ihn darüber in Kenntnis, dass Bulma die ganze Zeit nichts anderes als seine Abwesenheit wollte. „Ich frage mich allerdings noch etwas.“ Ohne Umschweife half er Bulma auf die Beine, trotz ihres Widerstandes. Er zwang sie, gemeinsam mit ihm zu den Gitterstäben zu sehen, die von hier unerreichbar waren. „Onna, ich wüsste zu gerne, was Turles sagen würde, wenn er erfährt, was wir beide gemacht haben.“ Immer näher schob er sich an ihren Körper heran. „Nicht, dass es mich interessiert, aber alleine seinen Gesichtsausdruck zu sehen, würde sich lohnen, ihn dahingehend auf den neusten Stand zu bringen, meinst du nicht?“

 

„Das ist Erpressung“, presste sie hervor.

 

„Ist mir völlig egal.“

 

„Wenn... Wenn ich dir erzähle, was ich sehe, gehst du dann?“ Die blauhaarige Saiyajin war eben doch nicht so machtvoll, wie sie sich vor wenigen Sekunden noch eingeredet hatte. Dass seine Androhung sie in ein tiefes, schwarzes Loch stürzte, erwähne sie nicht, da es diesen gemeingefährlichen Saiyajin sowieso nicht von seinem Vorhaben abbringen würde.

 

„Was ist los? Kein: „Wenn ich es dir sage, musst du mir versprechen, Turles nichts zu sagen“? Das verwundert mich doch etwas, Onna.“ Ferner berührte er mit beiden Händen ihre Schulter, wonach er sie wieder gegen die kalte, harte Wand stemmte. „Du hättest alles von mir verlangen können. Ich wäre jeden Kompromiss eingegangen. Dass du es mir jedoch so leicht machst, zeigt mir, wie geschwächt du bereits bist.“

 

Kommentarlos überging Bulma seinen Seitenhieb. „Ich sehe immer wieder Feuer. Ich sehe Flammen, die sich von Städten und deren umliegenden Dörfern ernähren, bis nichts weiter übrig bleibt, als... als Leere.“

 

„Was siehst du noch?“ Es hatte ihn nicht sonderlich getroffen. Vegeta sah schon viele Städte brennen. Er sah schon so viele Planeten, die in Schutt und Asche lagen. Schließlich war er nicht der Thronfolger eines friedlichen Staates. Im Gegenteil. Vegeta war für zahllose, unschuldige Opfer verantwortlich – die nichts weiter wollten, als zu leben. Aber Vegeta war es, der über Leben und Tod entschied. „Siehst du irgendwelche Wesen, die anders aussehen als wir? Sind es Kreaturen, die deiner Auffassung zufolge skurril wirken?“ Denn davon ging er aus. Immerhin waren Erdlinge naiv genug, zu denken, dass sie die einzige Rasse im Universum seien.

 

Ha, wie töricht ihr Denkverhalten war. Wie egoistisch von den Menschen, ernsthaft davon auszugehen, dass sie die einzigen Lebewesen waren, die existierten.

 

Diese jämmerlichen Erdenbewohner, die dachten, über allem zu stehen, obwohl sie zu den Bewohnern des Universums zählten, die den Schwächsten der Schwächsten angehörten.

 

„Ja“, nickte sie eifrig. „Ich sehe große, gigantische Affen, die -“

 

„Was?“, unterbrach er sie, woraufhin sie zusammenzuckte. Sie hätte nur ihr Kinn heben und ihren Mund öffnen müssen, um ihn... Ach, verdammt. Fokus, Vegeta! „Bist du dir sicher, dass du riesige Affenmonster siehst?“ Das... konnte doch unmöglich wahr sein?

 

„Ich bin mir sicher“, krächzte ihre klanglose Stimme, nachdem sie ihm zuvor mehrmals entgegen gebrüllt hatte. „Sie... Sie sehen wie Gorillas aus – nur viel größer, viel furchterregender“, flüsterte sie ängstlich und fügte hinzu: „Sie verbreiten ein Gefühl von Angst. Es... Es fühlt sich an, als würde jegliches Glück restlos verschwinden.“

 

Angestrengt versuchte der Königssohn, das Rätsel zu lösen. Vergeblich suchte er nach den fehlenden Puzzlestücken, aber sie waren abhanden gekommen. Verständlich, dass in all dem Chaos alles drunter und drüber ging. Angefangen hatte alles mit diesen seltsamen Gefühlen, die er für dieses nervige Weibsbild empfand. Danach folgte nur noch Ärger.

 

Wie sehr würde sein Vater toben, wenn er hiervon erfuhr?

 

Aber wieso sah Bulma riesige Affen? In welcher Verbindung stand der Oozaru zu ihren Visionen? Sicher, es lag in der Natur eines Saiyajins – sobald sie in ihrer Oozaru-Form gefangen waren –, sämtliches Leben auszulöschen, aber was bedeutete ihre Vorsehung? Konnte man ihre Fähigkeiten so betiteln? Ganz offensichtlich, denn sein Vater schien sich vor ihrer Gabe zu fürchten.

 

Das war der Grund, den Briefs' zu erlauben, die Erde zu bereisen – und nicht, wie er vorgab, dem Wunsch eines alten Freundes nachzukommen. Ha, sein Vater hatte nämlich keine Freunde. Hinzu kam die Furcht vor der Zukunft. Oh ja, der König fürchtete die Zukunft. Schließlich hatte Akira schon einmal versagt, was das betraf. Dank seiner unpräzisen Angaben konnte es den Tsufurujins gelingen, die Saiyajins hinterhältig anzugreifen.

 

Aber welche Zukunft fürchtete der König? Seine eigene oder doch die Zukunft seines Sohnes? Und was hatte es mit Bulmas Träumen auf sich? Waren ihre Träume die Zukunft, oder spiegelten sie die Vergangenheit wider? Waren die Saiyajins diejenigen, die angegriffen wurden? Oder waren die Saiyajins, die einen Planeten überfielen?

 

„Erzähl mir von der Umgebung. Wie sieht es in deinen Träumen aus?“ Doch wieder erschien der Schatten des Wachpostens in seinem Blickfeld, der Vegeta zwingend zur Eile bewegen wollte, anlässlich Bulmas Bestrafung, die unmittelbar bevorstand. Geflissentlich ignorierte er die Zwischenrufe der Wache und schenkte seine Aufmerksamkeit ihr...

 

Es war erschreckend, wie sie zwischen ihm und der Wand gefangen gehalten wurde und trotzdem schaffte sie es, ihn anzusehen. Völlig wert- und vorurteilsfrei. Ihr Gesicht, das von Schmutz übersät worden war, blickte ihm offen und... und wunderschön entgegen. Gott, sie war so verflucht schön und es glich dem Moment, als er sie in ihrem Zimmer vorgefunden hatte.
 

Damals, als sie sich für das alljährliche Fest zurecht machte. Wie unbekümmert sie vor dem Spiegel gestanden hatte und unzählige Haarnadeln in ihre blauen, weichen Haare steckte. Dieser Moment, er zählte zu Vegetas liebsten Erinnerungen. Es war der schönste Moment in seinem Leben, weil sie so herrlich normal miteinander umgegangen waren, aufgrund der Vertrautheit – obgleich sie sich Minuten zuvor noch an die Gurgel hatten springen wollen.

 

Aber Vegeta glaubte, dass es nicht daran lag, eine normale Unterhaltung mit ihr geführt zu haben. Nein, es war die Tatsache, dass sie zum ersten Mal neben ihm gestanden hatte, ohne Angst vor ihm zu haben. Ohne das Gefühl zu verspüren, sich gleich hinter der nächsten Ecke vor ihm verstecken zu müssen.

 

„Onna, kannst du die Umgebung beschreiben? Hast du irgendetwas gesehen, woraus man schließen könnte, um welchen Planeten es sich handelt, den die Affenmonster angreifen?“

 

„Sie greifen niemanden an, Vegeta“, flüsterte Bulma mit Tränen in den Augen. Zusätzlich wurde ihre Stimme immer leiser. „Sie... Sie verteidigen sich“, schluchzte sie anschließend. „Und am Ende... sterben die Affen. Es ist der Planet der Affen, der letztendlich mit einer Wüste gleichzusetzen ist.“ Ihre Augen waren konstant auf seine gerichtet und sie konnte in seinen dunklen Augen etwas schreckliches erahnen. Bulma konnte es nicht genau lokalisieren, was ihn in Angst und Schrecken versetzte, doch musste es etwas sein, das ihn oder sein Umfeld betraf.

 

„Hoheit, ich muss nun wirklich darauf bestehen, dass Ihr geht.“

 

Dieser schlichte Satz aus ihrem Mund war das Puzzlestück, das er vergeblich gesucht hatte... Er hatte es gefunden – weit abseits der anderen Teile, die er zuvor zu einem Bild zusammenfügen konnte. Überwältigt von der Information, die ihn wie ein Tsunami überrollte, trat er gefasst mehrere Schritte zurück und entfernte sich von dem Mädchen.

 

Befangen trat er zur Zellentür, doch blieb er stehen, bevor er dahinter verschwand und Bulma alleine zurücklassen würde – wenn auch aus anderen Beweggründen, denn die hatten sich schlagartig geändert, nachdem ihr klar wurde, was auf dem Spiel stand.

 

Nicht länger wollte er eine Marionette sein. Der Prinz musste handeln – für sich, für sein Volk und für eine Saiyajin, die sich ungefragt Zutritt zu seinen Gedanken verschafft hatte.

 

„Onna?“ Verschmitzt zogen sich seine Mundwinkel nach oben, doch nach Schmunzeln war ihm nicht zumute, weshalb er vorerst den schmutzigen Boden betrachtete, ehe er ihren Blick suchte, der maßgeblichen Einfluss auf ihn hatte. Aber davon wusste sie nichts. Es wäre auch zu fatal, würde sie es wissen.

 

„Ja?“

 

Die dicken Mauern hinterließen ihre Spuren bereits nach Stunden, der kalte Wind, der durch die zugigen Flure peitschte – all das waren Dinge, die Besitz von ihrem Gemüt nahmen, das ebenso kalt wie der Wind wurde. Und wieder verspürte Vegeta Angst. Angst davor, dass sie sich – aufgrund der Gefangenschaft – in dasselbe kalte, herzlose Monster wie Vegeta verwandelte.

 

„Wir sind Saiyajins, das weißt du, oder?“, richtete er die neutrale Frage an sie, bevor er hinzufügte. „Tu wenigstens so, als würde noch ein klein wenig Stolz – der uns Saiyajins so einzigartig macht – in dir ruhen. Hör auf, in Selbstmitleid zu ertrinken, denn du alleine hast dich in diese Situationen manövriert – trotz mehrmaliger Warnungen meinerseits.“ Was verstörend hinzu kamen, war der Bestand der Selbsterkenntnis. Vegeta sah in Bulma sich selbst. Vegeta erkannte Parallelen, sowohl was ihre Abfälligkeit, als auch ihre Egozentrik betraf. Sie spiegelte all das wieder, was sein Vater so sehr an ihm verabscheute. Und Vegeta entdeckte es in seiner Bulma, die vom Trotz gesteuert so handelte. Andernfalls wäre sie viel klüger, weiser und raffinierter vorgegangen. Aber es war wohl der Situation geschuldet, dass sie sich nicht ihrer Eigenschaften entsprechend verhalten konnte.

 

Es waren Worte, die Bulma verletzte. „Willst du mich noch mehr verspotten?“

 

„Nein, ich will, dass du nicht aufgibst.“ Er drehte sich zur Tür, klopfte dagegen und wartete, bis man den Riegel zur Seite schob. „Ich komme dich nachher abholen, Onna. Versprochen.“

 

 
 

~*~

 

 

Um der Gefahr zu entkommen, blindwütig mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, atmete Vegeta mehrere Male durch, als er das große Portal zum Thronsaal erreichte. Seine Schultern hingen indessen schlaff herunter. Die Arme, nicht wie sonst üblich, hingen lethargisch zur Seite, während seine Augen jeden Millimeter der Tür begutachteten. Er scannte jeden Winkel, bevor er das Tor aufstieß und der Person gegenüberstand, die er am liebsten aus dem Fenster katapultiert hätte.

 

Stattdessen besann er sich. Aber hätte er gewusst, dass er sie zum letzten Mal sah, hätte er womöglich andere Worte zum Abschied gewählt. Worte, die vielleicht netter geklungen hätten. Vegeta konnte sich nicht einmal darauf vorbereiten. Nein, er wurde mit der Realität erbarmungslos konfrontiert. Sie schlug auf ihn ein, obwohl er innerlich schon längst am Boden lag und sich nicht mehr wehren konnte.

 

Aber wer war er schon, sich darüber zu echauffieren, wenn man auf ihn einschlug? Schließlich war er doch selbst keinen Deut besser. Er hatte sich nie dafür interessiert, inwiefern sein Opfer schon gequält wurde. Und nun schluckte er seine eigene Medizin – viel mehr die Medizin, die sein gesamtes Volk seit Jahrhunderten austeilte.

 

Grundgütiger, er war vor dreißig Minuten – gemeinsam mit Radditz – nach unten in die Kerker gegangen, um Bulma abzuholen; wie versprochen. Doch alles was er vorgefunden hatte, war Leere. Um ihn herum hatte erdrückende Stille geherrscht, die ab und an durch Radditz' Atmung unterbunden wurde. Er war so erschlagen von dieser Leere, dass er auf die Knie gesunken war. Die Verzweiflung, hinsichtlich ihres Verschwinden, hatte ihn in die Knie gezwungen und es war Radditz zu verdanken, der Vegeta auf die Beine zog und zum Thronsaal begleitete, den die beiden jungen Saiyajins unaufgefordert betreten hatten und nun dem Mann gegenüberstanden, der für ihr Verschwinden verantwortlich war.

 

Eine bezaubernde, wenn nicht sogar vorzügliche Wendung, hinsichtlich der bevorstehenden Hysterie, in der sich Vegeta wiedergefunden hatte. Aber die angestaute Wut, angesichts seiner Verzweiflung, sowie der resultierenden Hilflosigkeit veranlassten ihn, seinen zerfallen Kadaver weiter nach vorne zu tragen.

 

„Vegeta, was soll das?“, wollte König Vegeta erzürnt von seinem Sohn wissen, der eines Tages auf seinem Thron sitzen würde. Und der König fürchtete jenen Tag. Jenen Tag, an welchem ein neuer Tyrann geboren werden würde, infolge Vegetas Thronbesteigung. Der König fürchtete den Tag, an dem Akira seinem Sprössling den königlichen Umhang über seine Schultern streifen würde.

 

Vegeta wäre... er wäre ein schlechter König, der sein Volk ins Verderben stürzen würde, angesichts seiner neu entdeckten Eigenschaften. Eigenschaften, die eines Saiyajins unwürdig waren. Eigenschaften, die der herrschende König ihm austreiben musste und sogleich damit begann, indem er Bulma verschwinden ließ. Ja, er tat es für Vegeta. Er tat es für sein Volk, das wichtiger als alles andere war. „Was treibt dich dazu, wie eine wild gewordene Stampede hier hereinzuplatzen?“

 

Er ließ die Aussage seines Vaters, anlässlich Vegetas Respektlosigkeit unkommentiert. Etwas anderes war von größer Bedeutung, woraufhin er knurrend zu seinem Vater sah.

 

„Wo ist sie?“ Schnaubend verringerte er den Abstand zum König. Vegeta spürte Radditz' Aura, allerdings konnte er sehen – nachdem er sich zu Radditz umdrehte –, wie dieser sich zögerlich umsah... Wohl auf der Suche nach einem geeigneten Fluchtweg, sollte es zur Eskalation kommen.

 

Was ein Versager. Selbst Kakarott bewies mehr Courage als sein älterer Bruder. Ja, Kakarott hatte sich Vegeta zu jeder sich bietenden Gelegenheit entgegengestellt, hatte ihm immerzu die Stirn geboten, wenn es nötig war.

 

„Ich habe“, knurrte er herausfordern, „dir eine Frage gestellt.“ Sein funkelnder Blick nahm unverzüglich seinen Vater ins Visier.

 

„Lass die Albernheiten, Vegeta. Mir ist überhaupt nicht nach Spaß zumute und jetzt verschwinde.“ Der König bemerkte jedoch recht schnell, dass sein Sohn dem Wunsch nicht nachkam. „Habe ich mich unklar ausgedrückt? Du sollst verschwinden, Vegeta!“ Entnervt war er im Anschluss aufgestanden, um seinem Sohn entgegen zu kommen, da dieser die Absicht hatte, ebenfalls den Abstand zu seinem Vater zu schließen.
 

„Raus mit der Sprache“, entfuhr es dem jüngeren Monarch. „Ich will wissen, wohin du sie gebracht hast. Sonst garantiere ich für gar nichts mehr.“

 

„Sonst garantierst du für gar nichts mehr?“, zitierte er seinen Sohn abfällig. „Habe ich das gerade richtig verstanden?“

 

„Ja, oder bist du taub?“

 

„Vegeta!“ Sie waren nicht mehr König und Prinz. Hier standen sich Vater und Sohn gegenüber, während der Vater seinem Sohn in dessen kalte, leere Augen sah. Anschließend wanderte sein Blick langsam zu der geballten Faust seines Kindes, die sich zaghaft öffnete und eine kleine Kugel darin manifestiert wurde. Das Licht war so hell, dass die Auge des König zu Schlitzen verengten. „Wenn du glaubst“, fauchte er wütend und griff nach der Hand, die leer war, „dass mich das abschreckt, dann lass dir gesagt sein, dass ich mich nicht von dir ködern lasse. Dein kindliches Verhalten wird mich keineswegs einschüchtern, Junge.“

 

Nun, er war sehr wohl beunruhigt. Immerhin stand sein Sohn vor ihm, der – seit er stehen konnte – das beste Training erhalten hatte, das man ihm bieten konnte.

 

„Das glaube ich nicht. Ich weiß es bereits, dass es dich einschüchtert. Aber ich gebe dir noch einmal die Chance, mir zu sagen, wo sie ist?“ Vegeta schäumte fast über vor Wut. „Finden werde ich sie – so oder so. Ganz gleich, ob du mir ihren Aufenthaltsort verrätst.“

 

„Wieso fragst du dann?“

 

„Weil ich es von dir wissen will.“ Ob der Königssohn dem Wahnsinn verfallen war? Durchaus, denn ihn hinderte nun nichts mehr. Bulma war nämlich nicht da. Folglich hatte er auch nichts mehr zu verlieren.
 

„Treib es nicht zu weit, Vegeta.“ Seine Pupillen huschten zu Radditz, der – trotz seiner Skepsis – kampfbereit hinter Vegeta stand. Und genau darin sah der König seine Chance. „Oder willst du schuld daran sein, wenn man Radditz' Bruder verfolgt?“

 

„Hör auf mit deinen Spielen“, drohte Vegeta seinem Vater daraufhin – noch immer die Kugel in seiner Hand. „Damit kannst du weder mich, noch Radditz beeindrucken.“

 

„Wie gesagt: Willst du schuld daran sein, wenn man Kakarott verfolgt?“

 

„Du hast sie mit Kakarott weggeschickt? Warum?“ Aber natürlich. Es fiel Vegeta wie Schuppen von den Augen. Wegen der Dragonballs. Das war der Grund, weswegen er eine leere Zelle vorgefunden hatte. Wie konnte er nur so dumm sein und sich täuschen lassen? Natürlich war sein Vater noch immer hinter den Kugeln her, aber nicht, weil er sein Volk mithilfe der Kugeln schützen wollte. Nein, weil er eine Gefahr in Vegeta sah – zurecht.

 

Aber zumindest wusste er jetzt, wo er sie suchen musste. Ebenso wusste er nun auch, dass sie nicht alleine war. Sie war in Begleitung des Saiyajins, der mit ihr auf der Erde aufgewachsen was. Kakarott war ihr Vertrauter, ihr bester Freund, ihrer Verbündeter und es beruhigte Vegeta immens, dass jemand bei ihr war, der sein Leben für das Mädchen geben würde. Denn Kakarott besaß etwas, was vielen Saiyajins fehlte – ein Herz.

 

Abschließend wandte er sich von seinem Vater ab, die Kugel noch immer in seiner Hand.

 

„Das, mein Sohn, ist definitiv die klügere Entscheidung.“ Blasiert stemmte er die Hände in seine Hüfte, ehe er provozierend hinzufügte: „Fordere nicht noch einmal deinen König heraus.“ Erleichtert nahm der König eine normale Haltung ein und er war mehr als nur erleichtert, sich nicht mit seinem Sohn messen zu müssen, denn insgeheim hatte er die Befürchtung, gegen Vegeta chancenlos unterzugehen.

 

Aufgrund dieser Aussage blieb Vegeta abrupt stehen. Vor dem König ungesehen, kehrte sein Grinsen zurück, bevor er seinen energiegeladenen Körper zu seinem Vater drehte, der unverzüglich das Grinsen seines Sohnes sah. „Du“, knurrte Vegeta unheilvoll, „bist nicht mein König!“

 

Ohne seinem Vater die Chance zu geben, etwas zu erwidern, feuerte Vegeta seine Attacke ab, die er die ganze Zeit in seiner Hand gehalten hatte. Er hatte lediglich den richtigen Moment abpassen wollen, der gekommen war und das letzte, was Vegeta sah, waren die geweiteten Augen seines Vaters, die dem Energiestrahl nachsahen, der Vegetas Hand verlassen hatte und ungebremst den König traf, woraufhin der Herrscher Vegeta-Seis bewegungslos zu Boden sackte...

 

Und wohl zum ersten Mal übernahm Vegeta Verantwortung – für sich, für sein Schicksal und... für Bulma.

Ein Irrtum ist umso gefährlicher, je mehr Wahrheit er enthält

Alles was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen.

- Voltaire

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel einundzwanzig -

 

 

Die unendlich tiefe Abscheu, die der Prinz gegenüber sich selbst und der momentanen Situation empfand, war nicht mit dem Zorn gleichzusetzen, den er zusätzlich verspürte, nachdem er sich von dem am Boden liegenden, bewegungslosen Körper entfernte. Er war dieser Empfindung fast überdrüssig, weswegen er sich auch übelgelaunt zur Seite drehte um sich zu besinnen. Erst die Genugtuung verschaffte ihm Ruhe, die einkehrte, nachdem die Aura seines Opfers schwächer wurde, bis diese schlussendlich erlosch. Der Prinz durfte sich aufgrund des Anblicks nicht beirren lassen, er durfte keinen Ekel empfinden, wenn er dem Mann einen Blick zuwarf, der weder Vater noch König gewesen war. Nein, er war ein Scheusal, der sich verspekulierte und nicht sah, dass Vegeta die Oberhand hatte. Sein eigener Vater war dumm genug, sich gegen ihn aufzulehnen, weil er glaubte, als Gewinner aus diesem Kampf hervorzugehen. Aber er war kein Sieger, sondern lag in seinem eigenen Blut, das ihm aus dem Mund geflossen war – wie das Leben, das aus seinem Körper wich, weil er was wollte?

 

Er wollte dasselbe wie Vegeta: Macht. Allerdings war es dem Sohn gegönnt, das Gefühl zu verspüren. Niemand würde ihn mehr zurechtweisen. Keiner würde ihn mehr zu fremden Leuten schicken, in der Hoffnung, Vegeta zu Gunsten des Königs zu ändern. Solche Szenarien gehörten der Vergangenheit an – selbiges galt der Herrschaft. Aber in einem Punkt war der verstorbene König womöglich erfolgreich. Vegeta hatte sich verändert, jedoch in konträre Richtung – sehr zum Missfallen seines Vaters.

 

Letztendlich fing Vegeta nämlich an, Bulma mit anderen Augen zu sehen. Er betrachtete das störrische Mädchen nicht mehr als seinen Feind. Hinzu kamen die neu gesetzten Maßstäbe und Prioritäten, die seinem Vater widerstrebten. All das führte zu dem Zwist zwischen Vater und Sohn. Aber seinen cholerischen Vater konnte man sowieso nicht zufriedenstellen. Das war schon so, als Vegeta noch ein Kleinkind war. In dessen ersten Lebensjahren hatte man den Grundbaustein gelegt, ihn zu einer leeren Hülle heranzuziehen, der keinerlei Form der Gefühle kannte. Allerdings war all das nicht mehr relevant, da der einstige König auf dem Boden lag – getötet durch die Hand seines Sohnes.

 

Ob sein Vater die Katastrophe kommen sah? Es ließ darauf schließen, doch war der König zu machtlos, den Sohn in seine Schranken zu weisen. Seine mickrige Kampfkraft hatte nicht ausgereicht, um Vegeta die Stirn zu bieten. Und während sein Vater sich anzustrengen schien, war es für Vegeta ein Leichtes, ihn zu bezwingen. Gott, wie schwach sein Vater in Wirklichkeit gewesen war, widerte ihn nur noch mehr an. Er drehte sich nochmal zu seinem Vater herum, dessen Hand etwas umklammerte. Argwöhnisch betrachtete er den gefallenen Körper, er sah den braunen Haaren zu, wie sie vom Wind hin und her getragen wurden, während der aufgewirbelte Staub über seine bewegungslose Brust wirbelte. Darüber hinaus hatte er die zuzügliche Aura wahrgenommen, die sich ihm unaufhaltsam – wenn auch langsam – näherte.

 

Jedoch gab es keinen Grund, sich vom Antlitz seines Vaters abzuwenden, da von Akira keine Gefahr ausging.

 

„Mein... Mein Prinz“, wisperte Akira, dessen aschfahles Gesicht noch blasser geworden war, nachdem er den Raum betrat und sich der Szenerie bewusst wurde. „Was... Was habt Ihr getan?“ Seine blauen Augen, an deren Rand ein grauer Schleier im Alter hinzugekommen war, überflogen den stillen, intakt gebliebenen Raum. Angrenzend hafteten seine Augen auf dem Körper des Prinzen, der sich über seinen Vater beugte. Ein abstoßendes Bild entstand, während er sich den beiden Saiyajins näherte. Als würde das Tier sich verzehrend über seine erlegte Beute hermachen.

 

„Halt mir keine Vorträge, Akira“, teilte Vegeta ihm mit, bevor er sich erhob und dem alten Greis zuwandte, der auf die Fragen des Prinzen die passenden, sowie die richtigen Antworten hatte. Er würde nicht eher ruhen, bis man ihm erklärt hatte, was hier los war. Weshalb es überhaupt soweit kommen musste. „Es sei denn, sie sind mir und meiner persönlichen Impression wichtig.“

 

Zitternd kam der alte Saiyajin dem leblosen Körper näher und mit jedem Schritt hallte das Klopfen seiner Gehhilfe in der Halle wider. „Vegeta, du... du bist zu -“

 

„Nein!“, feuerte Vegeta augenblicklich zurück. Zeitgleich drehte er sich zu Akira, dessen Kragen er packte und zu sich heranzog. Seine Hand, die das weiche Gewand des Alten umfasste, hob den schmächtigen Körper in die Luft, wodurch Akiras Gehhilfe geräuschvoll zu Boden knallte. „Du, Akira, wirst mir nicht sagen, dass ich derjenige bin, der zu weit gegangen ist. Ist das klar?“

 

„Du hast deinen Vater -“

 

„Ihr wart es – du und mein erbärmlicher Vater –, die zu weit gegangen sind. Ihr habt mich jahrelang für eure kleinen, abartigen Machenschaften benutzt. Ich habe lediglich den Spieß umgedreht, Akira. Und jetzt“, knurrte er abschließend, bevor die zweite Hand nach dem Kragen des Saiyajins griff, um noch mehr Härte in den Griff zu legen, „wirst du Rechenschaft ablegen. Du wirst mir sagen, was die letzten Jahre hier gespielt wurde und wohin man das Mädchen gebracht hat.“

 

„Und wohin man Kakarott gebracht hat“, meldete sich Radditz zu Wort, der unablässig hinter Vegeta gestanden hatte. Stets demutsvoll hatte sich Bardocks erstgeborener Sohn zurückgehalten, wenn es darum ging, sich Vegetas Anordnungen zu fügen und so absurd es auch klang: Anlässlich dieser Befehle hatte Radditz gelernt, was Loyalität bedeutete. „Mein Bruder wurde mit dem Mädchen fortgebracht.“

 

Man hatte Radditz den Boden unter den Füßen weggerissen, da ihm klar wurde, wie wenig er sich um seinen kleinen Bruder gekümmert hatte, den er vor so vielen Jahren aus seinem gewohnten Umfeld riss und mit nach Vegeta-Sei nahm, dessen Gewohnheiten dem damals zwölfjährigen Jungen unbekannt waren. Hinzu kam die Lebensfreude, mit der Radditz nie umzugehen wusste. Der Saiyajin verstand aufgrund seiner Erziehung die Ansichten seines jüngeren Bruders nicht, der in einer anderen Welt liebevoll erzogen und in einer wohlbehüteten Umgebung aufgewachsen war.

 

„Du hast es gehört“, äußerte Vegeta gelangweilt. „Wo sind Bulma und Kakarott?“

 

„Vegeta, ich kann es dir nicht erklären“, röchelte der alte Saiyajin, dem die Luft zum Atmen fehlte.

 

„Rede, Akira“, zischte Vegeta, der den königlichen Ratgeber nah vor sein Gesicht hielt, bevor er diesen zu Boden fallen ließ. Es war ihm egal, ob man sein Handeln als krank, gar teuflisch einstufte, aber er brauchte Antworten die ihn beruhigten. Die ihm Aufschluss darüber gaben, was los war. Anschließend bückte er sich nach vorne, griff nach der Krücke und hielt sie vor die Augen des alten Saiyajins, doch als dieser danach greifen wollte, entzog ihm der Prinz die Möglichkeit, zurück auf die Beine zu kommen. „Du wirst reden, Akira, und glaub nicht, dass ich Mitleid empfinde – schon gar nicht mit dir. Jemand, der sich meinem Vater unterwarf und all die Spielchen mitgespielt hat. Oh nein, mein Körper wird von Zorn genährt. Von dem Zorn, den ihr in mir heraufbeschworen habt.“

 

„Bitte versteht, mein Prinz. Ich kann es Euch nicht erklären. Es ist zu kompliziert.“

 

„Ha“, lachte Vegeta auf, dessen Lachen durch die Halle schallte. „Natürlich. Das ist es immer.“ Mit dem Stock in der Hand trat er um den toten Körper herum und fixierte mit seinem hasserfüllten Blick die Empore, auf dem der Thron stand – ein Stuhl, der zukünftig seinen Stand symbolisierte. Dennoch sah er davon ab, sich auf dem prunkvollen Stuhl niederzulassen. „Ich habe nie etwas anderes als das gehört. Davon aber abgesehen: Es wird mit jedem Mal lustiger, weshalb ich solche Antworten nicht mehr ernst nehme.“ Gekonnt drehte er währenddessen die Gehhilfe in seiner Hand – immer und immer wieder. „Trotzdem. Ich bin sehr daran interessiert, was so komplex sein soll, dass ihr es in Betracht gezogen habt, mich jahrelang im Dunkeln tappen zu lassen.“

 

„Weil... Weil Ihr es nicht verstehen könnt.“ Akiras gebrechliche Arme stützten seinen Körper, da er andernfalls mit der Nase den Boden berühren würde – so geschwächt war er bereits. Allerdings wollte er sich diese Entwürdigung ersparen, wofür er seine gesamte Kraft aufopfern musste. „Du... Du kannst ihr auch nicht folgen, Vegeta. Das... Das geht einfach nicht.“

 

Und wie er das konnte. „Was soll das heißen? Dass ich mir von einem alten Mann vorschreiben lasse, was ich zu lassen habe?“ Dennoch öffnete sich sein Mund vor Entrüstung, weil er nicht glauben konnte, was der Alte ihm sagen wollte. „Du irrst dich, Akira. Oder wieso sollte ich ihr nicht folgen können?“ Abschätzig neigte er den Kopf zur Seite, schritt vor den Saiyajin und ging in die Hocke, bevor er mittels seiner Hand den alten Saiyajin zwang, zu ihm nach oben zu sehen. „Akira, ich werde dir dein Genick brechen, wenn du mir nicht erklärst, was Sache ist.“

 

Drohungen waren immer nützlich. Sie würden auch Vegeta nach vorne bringen.
 

„Nach... dem Tod deines Vaters wirst du – wie du weißt – den Thron besteigen. Das, Vegeta, ist die logische Konsequenz, die du tragen wirst.“

 

„Wer sagt das?“

 

„Das war und ist dein Schicksal, mein Prinz.“ Keuchend blickte er nach oben, noch ehe er hinzufügte: „Es... Es ist nicht die Aufgabe eines saiyajinischen Königs, andere Planeten zu... bereisen, sondern sein... sein Volk zu beschützen.“

 

„Blödsinn. Das ist kompletter Nonsens, Akira!“

 

„Du bist dazu bestimmt, jedwede Katastrophe deinem... deinem Volk gegenüber abzuwenden.“

 

„Das ist deine stupide Begründung, weshalb ich ihr nicht folgen darf?“ Die Situation war nicht angemessen, um nochmals lauthals zu lachen. Nein, ihm war das Lachen vergangen. „Lächerlich! Niemand wird mich davon abhalten können, sie zurück nach Vegeta-Sei zu holen – auch du nicht, Akira.“ Jedoch nahte das nächste Ärgernis, das Vegeta bereits in der zitternden Aura des am Boden liegenden Mannes spüren konnte. „Erzähl mir lieber, warum sie weggeschickt wurde. Das ist nämlich etwas, das mich im Gegensatz zu deinen abtrünnigen Bekundungen wirklich interessiert.“ Währenddessen behielt er die hölzerne Krücke in seiner Hand, die Vegeta ebenfalls als Stütze gebrauchte, während er nach wie vor kniend vor dem Greis hockte. Das harte Holz, so fürchtete der Prinz, würde noch ein Loch in den Boden pressen, angesichts des Drucks, den seine Hand auf den Stab ausübte. „Akira, mach verdammt nochmal den Mund auf. Ich verliere nämlich allmählich die Geduld.“

 

„Es... Es begann damit, dass... dass dein Vater die Dragonballs wollte.“

 

„Das weiß ich.“ Wie ihm schon des Öfteren aufgefallen war, war er durchaus in der Lage, logisch denken zu können. Dass Akira diese Macht unterschätzte, reizte den Prinzen zusätzlich. „Was wollte er noch?“

 

Das Ziel seines Vaters war schon immer, noch mehr Macht zu erlangen. Es lag in der Natur eines Saiyajins, diese weiter auszuschöpfen. Man wollte schließlich vermeiden, dass andere Völker den Planeten stürmten.

 

„Dich von ihr fernhalten“, antwortete Akira anschließend wahrheitsgemäß. Erschöpft sank sein Kopf auf den Boden, doch zwang Vegeta ihn, wieder zu ihm aufzublicken, woraufhin er aufgab und wusste, dass er seinen König verraten müsste. Schlussendlich käme sowieso alles ans Tageslicht, sobald Vegeta den Planeten verließ. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er nach Bulma suchte – die er letzten Endes auch finden würde. „Aber dein Vater sah die Gefahr nicht, als... als das Mädchen zurück nach Vegeta-Sei kam. Er... dachte, er hätte alles unter Kontrolle.“

 

„Welche Gefahr?“ Worauf bezog sich diese Aussage? War Bulma die Gefahr, oder hatte man seinen Vater über ihre Träume, sowie deren Auswirkungen in Kenntnis gesetzt? Sah Akira dieselben Bilder wie Bulma? Wenn ja, dann wäre sein Planet, sowie der Fortbestand seiner Rasse in Gefahr.

 

Letztlich war Akira jedoch nur mächtig genug, wenige Augenblicke in die Zukunft zu sehen, bevor es tatsächlich passierte. Oder waren seine Kräfte gewachsen? Darüber hinaus beunruhigte ihn noch etwas. Er wusste nämlich immer noch nicht, wann dieser Angriff stattfinden würde.

 

Wortlos blickte er daraufhin zum Fenster hinaus. Ihm blickte ein klarer Himmel entgegen, die Nacht wäre sternenklar – wie immer. Demgegenüber würde folglich kein Vollmond erscheinen. Nicht heute und morgen auch nicht. Oder bestand die Möglichkeit, dass sie in Bulmas Träumen einen Powerball erschufen? Verwandelten sie sich aufgrund dessen in einen Oozaru?

 

„Von welcher Gefahr ging der vergangene König aus, Akira?“, wiederholte er nachdrücklicher.

 

„Siehst du... das Amulett?“, fragte er hustend, während seine tränengefüllten Augen zum gefallenen König sahen. „Nimm es und... und sieh es dir genau an. Schließlich gehört... es gehört nun dir, Vegeta.“ Und trotz des Verlustes seiner Kraft, bogen sich seine bebenden Arme durch, um sich das letzte bisschen Würde zu bewahren und sich selbst abzustützen.

 

„War Bulma die Gefahr?“

 

„Ja“, nickte Akira. „Bulma ist die Gefahr. Dein Vater war sich über das Ausmaß nicht im Klaren. Ebenso wenig mein Bruder, der meine Warnungen ebenfalls nur belächelte.“ Angrenzend hob er seinen Zeigefinger und deutete nochmals zum König. „Nimm das Amulett, Vegeta.“

 

Genervt stieß er infolgedessen Akira zur Seite, bevor er das Schmuckstück an sich nahm und betrachtete. Jedoch waren bloß zwei Saiyajins zu erkennen – umgeben von blauen Saphiren. „Ich verstehe nicht, was mir das Amulett sagen soll? Welche Bedeutung hatte es für meinen Vater?“ Zwischenzeitlich drehte er die silberne Schreibe in seinen Händen – hin und her. Das Blau der Saphire war so anziehend, das es nach jedem weiteren Drehen einen Funkenschauer über Vegetas markante Züge jagte. Er brachte es sofort mit Bulmas strahlenden Augen in Verbindung, die genauso glänzten wie die Edelsteine, die in der jeweiligen Fassung eingelassen waren.

 

„Dieses Amulett... Es ist ein Erbstück deiner Familie. Seit Anbeginn unseres Daseins auf diesem Planeten, wird es von König zu König weitergegeben.“

 

„Geht das auch deutlicher?“

 

„Vegeta, dein Vater schickte... er schickte dich zu meinem Bruder, weil er darauf baute, dass du dich änderst, wenn er dir deine Freiheiten entzieht. Der König verließ sich darauf, dass... dass du dich fügst, dich reumütig an ihn wendest und darum flehst, in den Palast zurückkommen zu dürfen, wenn er dich nur lange genug aufs Land geschickt hätte.“

 

Das erklärte ihm aber immer noch nicht, was es mit dem Amulett auf sich hatte. „Was ist mit dem Amulett?“

 

„Nachdem du zu meinem Bruder geschickt wurdest, lehnte sich dein Vater zurück. Er wog sich in Sicherheit und wartete. Allerdings -“

 

„Was, Akira? Was?“

 

„Er unterschätzte die Macht. Die Macht, wenn sich zwei Saiyajins näher kommen. Saiyajins, die... die seelenverwandt sind. Eine böse Eigenschaft, Vegeta, die nur alle zehntausend Jahre passiert. Zudem ist sie dafür verantwortlich, was deinen Vater in Angst versetzte, nachdem er davon erfuhr, was zwischen dir und... und Bulma passiert war.“ Seine Stimme wurde immer leiser, immer brüchiger. „Er wollte am Ende dafür sorgen, dass sie verschwindet.“

 

Vegeta verstand gar nichts mehr. Welche Gefahr sollte eine Saiyajin darstellen, deren Kampfkraft so gering war? Was bedeuteten die Saphire? „Ist es diesem absurden Grund auch zuzuschreiben, dass deine Familie vor einundzwanzig Jahren zur Erde gehen durfte und das Mädchen nichts von ihrer Herkunft wusste?“ Der Prinz stand vor den Trümmern seines Lebens. Das, was ihn bisher erheiterte, war nichts im Vergleich zu dem Leben, das er eigentlich leben sollte. Sein Leben wäre fortan eine Bürde und er hasste seinen Vater dafür, diese Vendetta gegen seinen Sohn geführt zu haben, statt ihm zu offenbaren, was das wahre Leben für ihn bereitstellte.

 

Dass er zu fremden Leuten geschickt wurde, schürte seine Verachtung seinem Vater gegenüber nur noch mehr und er konnte sich immer noch nicht erklären, wieso dieses perfide Spiel mit ihm, aber auch mit Bulma getrieben wurde? Wenn diese Saiyajin eine Gefahr für ihn und sein Volk darstellte, wieso wurde er dann zu ihr geschickt?

 

„Ja, Vegeta. Das ist der Grund“, versicherte Akira nickend, ehedem eine Träne zu Boden tropfte und er beflissen die Augen zusammenkniff, angesichts seiner Illoyalität. „Du und Bulma – ihr seid die beiden Saiyajins, die auf dem Amulett abgebildet sind.“

 

„Und das erfahre ich erst jetzt?“ Fassungslos starrte er Akira entgegen. „Was hat das zu bedeuten?“

 

„Die Legende besagt, dass – sobald sich das Paar findet – Vegeta-Sei untergehen wird. Aber dein Vater konnte dich nicht wegschicken, weshalb er meinem Bruder die Erlaubnis gab.“

 

„Woher“, murrte Vegeta augenblicklich, „habt ihr gewusst, dass wir die beiden Saiyajins sind?“

 

„Nach... Nach Bulmas Geburt erwies dein Vater meinem Bruder die Ehre, ihn in Empfang zu nehmen. Aber... als deine Mutter mit dir an ihrer Hand den Raum betrat, wurde ersichtlich, dass... ihr seelenverwandt seid.“

 

„Inwiefern?“

 

„Deine Mutter hob dich auf ihre Arme und näherte sich der Wiege, in der Bulma lag.“ Akira zwang sich regelrecht, weiterzusprechen. Er wollte das Geheimnis nicht lüften, jedoch würde der Prinz Antworten einfordern, die Akira – gehorsam wie er war – ihm geben würde. „Doch als sie der Wiege näher kam, umso blauer wurde der Nebel, der sich um deinen, aber auch um Bulmas Körper manifestierte.“

 

Verstört schüttelte Vegeta seinen Kopf, bevor er grinste. „Du weißt selbst, wie abwegig das klingt, oder?“

 

„Es ist die Wahrheit!“, beharrte Akira. „Ich lüge nicht, Vegeta.“

 

„Welche Macht muss dieses Amulett haben, um etwas so außergewöhnliches vorherzusagen?“, wollte er angespannt wissen, weil er das Puzzle immer besser zusammenfügen konnte. Es ergab mehr und mehr Sinn. Sollten sie sich näher kommen – was der Fall gewesen war –, würde Vegeta sein Volk ins Unglück stürzen... Folglich waren Bulmas Träume Zukunftsvisionen...

 

„Eine Macht, die dein Vater fürchtete.“

 

„Komische Macht, alter Mann, da mich dieser ominöse Nebel gar nicht umhüllte, nachdem ich dem Mädchen näher -“

 

„Weil dir erst jetzt klar wurde, was du für Bulma empfindest.“ Akira wollte nicht hören, was Vegeta und Bulma getan hatten. Er wollte es nicht wissen, weshalb er den Prinzen unterbrach, wissend, dass das Verhalten nicht geduldet wurde. „Damals erschien der Rauch, weil ihr euch zum ersten Mal gesehen habt. Das... Das Band zwischen euch wurde geschlossen – ein Band zwischen zwei Kleinkindern, deren Herzen rein waren.“

 

„Hast du deinem Bruder von dieser... Verbindung“, spuckte er angewidert aus, weil er es gar nicht glauben wollte, „erzählt?“

 

„Natürlich habe ich meinen Bruder gewarnt, aber er wollte nichts davon hören. Er sagte mir, dass das alles Schwachsinn sei. Dass es etwas wie Seelenverwandtschaft nicht gäbe – sich wissenschaftlich auch nicht belegen ließe.“ Akiras Lungen pressten sich gegen den Brustkorb, der drohte, jeden Moment auseinanderzureißen, weil er dem anhaltenden Druck nicht länger standhalten konnte. Selbst seine Armen begannen noch mehr zu zittern, die sein Körpergewicht nicht mehr allzu lange tragen konnten. „Ich habe immerzu versucht auf ihn einzureden. Ihm die Tragweite klarzumachen, aber er wollte nicht hören.“

 

„Und trotzdem“, bellte Vegeta zornig, „schickte mein Vater mich zu diesen Leuten? Ausgerechnet zu den Saiyajins, in denen er eine Gefahr für sein Volk sah?“ Akiras Worte trommelten unnachgiebig in seinen Gedanken – so laut, dass er später Kopfschmerzen bekäme. „Wieso Akira? Wieso ging mein Vater dieses Risiko ein?“

 

Der Thronerbe musste erkennen, dass das, was der Alte sagte, der Wahrheit entsprach. Nicht die Aura war es, die ihn in Bulmas Zelle umhüllte, sondern... sondern dieser blaue Dunst, von dem Akira sprach, als sich beide Saiyajins zum ersten Mal im Kleinkindalter sahen.

 

„Weil du ein eiskalter Saiyajin warst, der zwischen Gut und Richtig nicht unterscheiden konnte. Du... warst nicht im Stande, etwas abstoßendes wie Mitleid zu empfinden.“ Das Sprechen fiel Akira zusehends schwerer, doch Vegeta kannte kein Erbarmen. Er ließ den Saiyajin nicht zur Ruhe kommen. „Wir dachten, du... würdest ihr mit derselben Antipathie gegenübertreten“, keuchte er abgekämpft, während der Schmerz durch seine Glieder jagte und unerträglicher wurde. „Die Abscheu die du der Familie meines Bruders entgegengebracht hast, so dachte dein Vater, wäre die klügste Entscheidung, dich noch kälter und leerer werden zu lassen. Wir... Wir waren der Auffassung, dass dich dein Zorn -“

 

Er konnte nicht mehr sprechen, brach ab und sackte mit dem Oberkörper zu Boden. Akira fehlte die Kraft nochmals zu Vegeta zu sehen. Stattdessen sahen seine Augen den verstorbenen König, der noch immer – wie Akira selbst – am Boden lag.

 

„Ach so, ich war meinem Vater nicht aggressiv genug?“ Unglaublich. Deshalb spannte der König seine Richtschnüre im Hintergrund, legte die Fäden um Vegetas Körper als er noch ein Kind war, um ihn früh genug zu dressieren – wie ein Stück Vieh, das man zum Schlachten aufzog. Der innere Schmerz infolge der anbahnenden Kopfschmerzen war abartig. Sein Schädel brummte, woraufhin er sich von Akira abwandte und zum Thron marschierte. Er war naiv genug daran zu glauben, dass – wenn er nur weit genug von Akiras gesprochenen Worten wäre – sie nicht wahr waren.

 

Aber er irrte sich. Man konnte vor der Wahrheit nicht davonlaufen. Das hatte er schon oft versucht und nie war es ihm gelungen.

 

„Vegeta“, ächzte im Anschluss der Saiyajin am Boden. Vergeblich streckte er seine Hand nach dem jungen Saiyajin aus. „Du... Du weißt, was das bedeutet. Du wirst zum... zum König gekrönt. Tu das Richtige und... und entscheide dich nicht gegen dein Volk!“

 

Wie es schon sein Vater zuvor getan hatte, umklammerte Vegeta die harte Scheibe. Er wollte den bitterbösen Schmerz fühlen, bevor das Leid – Bulma nicht zurückholen zu dürfen – ihn innerlich auffraß. Seine Augen ruhten auf den beiden versilberten Saiyajins, während er die nachfolgenden Worte kaum hörbar an Akira richtete: „Ich darf sie nie wieder sehen?“

 

„Nein.“

 

„Und wenn ich mich weigere?“ Kurz wog er ab, wie er die Worte eindringlicher äußern konnte. „Was, wenn ich ihr trotzdem folge und den Planeten verlasse?“ Akiras Antwort würde sein Schicksal beeinflussen, obwohl Vegeta die Antwort schon kannte.

 

„Dann wird dein Volk zugrunde gehen, Vegeta. Die... saiyajinische Rasse wird aussterben – infolge einer unabwendbaren Katastrophe.“

 

Konnte er das verantworten? Durfte Vegeta sein eigenes Schicksal über das einer gesamten Bevölkerung stellen? War ihm dieser Egoismus gestattet, im Bezug auf seine Sehnsucht nach Bulma? „Wollte mein Vater diese Katastrophe mithilfe der Dragonballs abwenden?“

 

Wohl kaum. Der König war genauso eigensinnig wie der Sohn.

 

„Oder strebte er nach der Unsterblichkeit?“

 

Ein weiteres schwaches Nicken folgte. „Gewiss, dein Vater... er strebte nach Macht, Vegeta. Aber er wollte stets das Beste für dich und... und sein Volk.“

 

„Akira!“, knurrte Vegeta ungehalten, ehe er das Amulett noch fester in seine Handinnenfläche presste und den alten Mann anstarrte. „Treib es nicht zu weit!“

 

„Ja, er wollte Unsterblichkeit, um sich dieser Tragödie – die unweigerlich gekommen wäre – entgegenzustellen.“

 

Das war gelogen. Unsterblichkeit wünschte man sich, um sich selbst zu schützen – nicht um des Volkes Willen. Zischend hob er daraufhin seine Hand, in der er das Amulett hielt, denn ansehen wollte er dieses Ding nicht mehr, das alles zerstört hatte. Zu viel Unheil hatte es gebracht. Ihn überkam eher die Lust, es gegen die Wand zu schleudern – so fest, dass es die dicken Schlossmauern durchbohren würde.

 

„Glückwunsch, Akira. Ich war kalt und böswillig. Ich habe mich stets von Emotionen distanziert – eben das perfekte Abbild dessen, das mein Vater sich wünschte. Und was hat er mit seinem Handeln erreicht?“ Kurz wartete er, aber Akira antwortete nicht. „Er hat das erreicht, was er um jeden Preis verhindern wollte“, ergänzte er lachend – es klang jedoch nicht erfreut; viel mehr freudlos und gequält, als wäre es in einen Käfig eingeschlossen worden. Dass sein Gegenüber inzwischen Qualen litt, interessierte Vegeta kein Stück. Es hatte sich auch niemand für ihn interessiert, weshalb er lieber das edle Polster des Thrones musterte. Zeitgleich fuhr sein Zeigefinger bedächtig über die Armlehne. Des Weiteren befiel ihn der Skrupel sich tatsächlich auf diesem Stuhl niederzulassen.

 

Allerdings würde er früher oder später auf diesem oder einem anderen Thron Platz nehmen müssen, da er nun der Herrscher Vegeta-Seis war.

 

„Wie... Wie meinst du das?“

 

Säuerlich warf er die Gehhilfe hinter sich, bevor er sprach: „Mein Gott, Radditz, gib ihm dieses Drecksding.“ Ferner resümierte er die Begegnung zwischen ihm und Bulmas Vater. Er rezitierte seine Worte in Gedanken, nachdem man das Mädchen mit ihm in einer verfänglichen Lage – gefangen in ihrer Lust – im Bad vorgefunden hatte, die eigentlich ungesehen bleiben sollte.

 

Ich hatte gehofft, dass ich zu dir durchringe – einem stählernen Panzer, den man mit Herzlichkeit und Güte bremsen könnte, aber noch immer vergesse ich, dass du ein Saiyajin bist – einer der schlimmsten, die ich bisweilen erleben musste. Obwohl ich dir ein Dach über dem Kopf gegeben habe, dich trotz des Misstrauens meiner Familie an deren Leben teilgenommen lassen habe, habe ich – ungeachtet meines Gerechtigkeitssinn – meinen Willen durchgesetzt und dich aufgenommen. Ich wollte dir ein Leben zeigen, das dich erkennen lässt, wie gut es dir in Wirklichkeit geht. Ich hatte Erwartungen. Logisch, du hattest die auch, als du gezwungen wurdest, zu uns zu kommen.“

 

Noch immer taten dem zukünftigen König die Worte weh. Sie schmerzen, weil er versagt hatte.

 

Ich habe über deine herablassende Art hinweggesehen, weil du nichts anderes kennst als die Extreme. Ich habe dir Freiheiten gelassen und alles, was ich dafür verlangt habe, war, dass du lernst, Verantwortung zu übernehmen. Das, Vegeta, war alles, was ich wollte. Ich habe gar keine Dankbarkeit erwartet, aufgrund dessen, dass dir sowieso alles an deinem königlich privilegierten Hintern vorbeigeht. Auch habe ich mit Widerstand gerechnet, aber das... das, was ich eben sehen musste, hätte ich am allerwenigsten erwartet. Ich weiß, dass du der Prinz dieses Planeten bist und irgendwann mein König sein wirst – dem ich Loyalität schwöre. Aber ich werde all das vergessen und meine Ideale über Bord werfen, wenn meine Familie Schaden davon trägt. Und obzwar ich die ganze Zeit gehofft hatte, dass du lernst, Verantwortung zu übernehmen. Wirklich, ich hatte es inständig gehofft, dass du baldmöglichst lernst, was es heißt, für seine Familie – sowie für sein Volk – Verantwortung zu übernehmen. Ich zum Beispiel übernehme Verantwortung, indem ich meine Tochter vor dir schütze und dich nach Hause schicke, ganz gleich, welche Konsequenzen ich daraus ziehen werde.“

 

Ja, das waren die verletzenden Worte ihres Vaters, die er gezielt gegen den Prinzen gerichtet hatte, ehe er ihn seines Hauses verwies. Indessen mahlten seine Zähne unaufhörlich aufeinander, während er all das Revue passieren und erkennen ließ, dass er gezwungen war, endlich Verantwortung zu übernehmen, wenn er sein Volk vor dem drohenden Unheil schützen wollte. Vegeta würde – und es tat schmerzlich weh, das zuzugeben – alle Konsequenzen akzeptieren. Er würde Bulma in Ruhe lassen, so schwer es ihm auch fiel und da sie sowieso nicht mehr auf Vegeta-Sei war, würde es ihm unter Umständen sogar leichter fallen, nicht nach ihr zu suchen. Jedoch müsste er verhindern, dass sie mit Kakarott zurück käme. Und er würde zurückkommen, wenn er Radditz' Hilfeersuchen richtig gedeutet hatte.

 

Und das zu befehligen... Es wäre der schwerste Schritt in seinem Leben, dafür zu sorgen, dass Bulma nie wieder einen Fuß auf seinen Heimatplaneten setzte. Denn ein gesprochener Befehl, sowie die daraus resultierenden Ergebnisse wären endgültig.

 

Getroffen von dieser Erkenntnis, rieb Vegetas zitternde Hand über sein abgeschlagenes, verschwitztes Gesicht. Sein Herz hämmerte wild gegen die Innenseite seines Körpers – als würde es schreien und ihn gleichermaßen zwingen, einen solchen Befehl nicht auszusprechen. Es rebellierte – offensichtlich nicht machtvoll genug. Sein Herz wollte, dass Vegeta ihm folgte. Er dürfte diesen eingetroffenen Zustand nicht akzeptieren, wenngleich es die beste Lösung war, wenn sie nicht zurückkäme...

 

Jedoch gab es etwas, das ihn aufregte – fernab seines rebellierenden Herzens. Die Tatsache, dass sein Vater gewonnen hatte – selbst über den Tod hinaus hatte er gewonnen. Der alte König hatte es geschafft, Vegeta zum Wohle des Volkes zu verändern, statt auf das zu hören, wonach sein Herz verlangte – wenn auch nicht mit dem gewünschtes Effekt, bezüglich der Kaltherzigkeit, die sich geradewegs verabschiedet hatte. Sie segelte friedlich vor Vegetas Augen zu Boden und er würde dabei zusehen, wie sein Geist darauf herumtrampelte.

 

„Vegeta, was... was meinst du?“, stellte Akira abermals die Frage – kraftvoller, nachdem Radditz ihm die Gehhilfe gab und ihm auf die Beine geholfen hatte. Gekränkt, als er an seinem einstigen König mit gesenktem Haupt vorbeiging, erreichte er den unerreichbaren, neuen König, den Akira selbst zum König krönen würde.

 

Der weise Saiyajin hatte Bedenken, was Vegetas Krönung betraf, aber er musste lernen, mit dieser Umstellung fertig zu werden.

 

„Ich habe der Familie deines Bruders das Leben zur Hölle gemacht“, antwortete er ehrlich, ohne dem alten Mann entgegenzublicken. „Ich war bereits das Monster, was mein Vater aus mir erschaffen wollte. In frühester Kindheit hatte er den Grundstein für mein späteres Verhalten geschaffen und das war ihm nicht genug.“ Knurrend wollte er sich abschotten. Vegeta wollte, dass Akira ihm vom Leim blieb, aber er hatte die Rechnung ohne diesen alten, penetranten Sack gemacht, der ihm keinen Zentimeter von der Seite weichen wollte. „Seine Idee, mich ausgerechnet zu den Leuten zu schicken, von denen er mich später fernhalten wollte, hat dazu geführt, dass ich Veränderungen durchlebt habe. Das Mädchen... ist kein namenloses Gesicht mehr. Nur ihretwegen werde ich Verantwortung übernehmen! Da ich jetzt aber weiß“, lachte er affektiert auf, „dass ich mich ihr nicht nähern darf, macht es unerträglich, weiterzuleben. Aber das war vermutlich genau das, was ihr euch als Notfallplan ausgedacht habt, richtig?“

 

„Ja, Vegeta.“ Obwohl der Prinz ihn nicht ansah, nickte Akira bestürzt. „Das Leid, das du empfindest, wird dir verhelfen, mitleidslos zu sein. Es wird dich darin stärken, noch erbarmungsloser vorzugehen. Diese... Diese schreckliche Erfahrung wird dein Herz gänzlich einfrieren und das muss so sein.“

 

„Wieso?“

 

„Dein Herz“, antwortete Akira bekümmert, „muss kalt sein, da es ansonsten Einfluss auf deine königlichen Entscheidungen haben könnte.“

 

„Falsch“, erwiderte Vegeta, um die Aussage des Saiyajins zu korrigieren. „Lass deine Heuchelei, Akira. Ihr wolltet, dass die Verbitterung mich soweit treibt, dass ich meine Gegner mit noch mehr Härte eliminiere.“ Das war es doch, was er Vegeta mit auf den Weg geben wollte.

 

„Ja“, gestand er. „Das war letztendlich das Ziel deines Vaters. Wir dachten jedoch nicht, dass -“

 

„- wir die Büchse der Pandora öffnen? Zu spät, aber weißt du was, Akira?“ Rasch hatte er sich dem ergrauten Saiyajin zugewandt, ihm finster entgegengesehen, um ihm wahrhaftig zu zeigen, wie böse er sein konnte. „Ich dachte immer, du wärst ein weiser Mann. Ich war wirklich der Annahme, dass ich nie Gelegenheit bekäme, dir das zu sagen, aber ich habe mich geirrt: Überzeugungen, wie ihr sie hattet, sind gefährlichere Feinde der Wahrheit, als jede Lüge.“ Der junge Saiyajin spürte schon jetzt die Verbitterung. „Aber eins habt ihr nicht geschafft, Akira.“

 

Verdutzt hoben sich die grauen Augenbrauen nach oben.

 

„Die Katastrophe aufzuhalten. Und erst recht wirst du nicht in den Besitz der Dragonballs kommen, was dir sowieso nichts nützen würde, da du sie erst in einem Jahr benutzen könntest – angesichts des Umstandes, dass die beiden Erdlinge dank der Kugeln hierher kamen. Nachdem sie ihren Wunsch geäußert hatten, haben sich die Kugeln nämlich in Stein verwandelt.“ Entschlossen verließ er im Anschluss die Empore erneut und steuerte den Hinterausgang des Thronsaals an, ohne sich noch mal umzusehen.

 

Er atmete erst jetzt erleichtert aus. Anschließend drehte er sich um und starrte dem Saiyajin entgegen, der ihm gefolgt war. „Radditz, ich werde dir aus der Gosse helfen – nachdem du mir einen sehr wichtigen Dienst erwiesen hast.“

 

Selbstlos war Vegeta jedoch nie, aber bevor er gänzlich in seinem Leid ertrank, würde er all jene fortschicken, die seine spätere Verbitterung zu spüren bekämen...

 

 
 

~*~

 

 

Drei Wochen waren vergangen, seit Bulma zusammen mit Kakarott in eine der beengten Raumkapseln geschoben und zur Erde geschickt wurde – mit dem klaren Befehl, nicht ohne die Dragonballs zurückzukehren. Ihr Hinweis, dass das nichts bewirkte, wenn sie fündig wurden, schien keinen der Wachen zu interessieren, nachdem man sie von den Ketten befreite und mit einem letzten warnenden Blick die Luke der Kapsel verschloss. Sie wollten ihr nicht glauben und zogen es sicherlich auch nicht in Betracht, den König darüber zu informieren, was andererseits ihr Glück gewesen war. Wüsste dieser nämlich die Wahrheit... Oh, sie hätten diesen tyrannischen Planeten womöglich nie verlassen dürfen.

 

Aber ihre Eltern... Yamchu und Chichi... Sie waren noch dort...

 

Ja, das Wort Glück war nicht zutreffend. Dennoch hielt Bulma tapfer ihren Dragonradar in den Händen, während sie das Land durchstreiften – auf der Suche nach... nach irgendetwas. Es war das einzige gewesen, was man ihr erlaubte mitzunehmen – nebst Kleidung und einiger Hoipoi-Kapseln.

 

Ob man ihre Eltern, Chichi und Yamchu als eine Art Pfand einbehielt, um zu gewährleisten, dass Bulma und Son Goku mit den Kugeln nicht durchbrannten?

 

„Hey, alles in Ordnung?“

 

Schmunzelnd kehrte Bulma aus ihren Gedanken zurück und sah zu ihrem Son Goku auf, der ihr jeden Tag dieselbe Frage stellte und sich nach ihrem Befinden erkundigte. Tja, und Bulma? Sie gab ihm jeden Tag dieselbe Antwort. „Nein, und bei dir?“

 

„Nein“, entfuhr es ihm traurig – wie jeden Tag, nachdem Bulma ihm die Gegenfrage stellte. Und trotz aller Diskrepanzen – die zwischen seinem Bruder und ihm herrschten – musste der großgewachsene Saiyajin feststellen, dass Radditz ihm fehlte. So sehr er sich auf der Erde auch heimisch fühlte, so war das Gefühl jedoch nicht mehr wie damals, als er noch nichts von der Existenz seines Bruders und dessen Heimatplaneten wusste.

 

„Wird sich wohl so schnell auch nicht ändern, oder?“

 

„Ich denke nicht, nein“, erwiderte der Saiyajin betrübt, während er neben Bulma trottete.

 

„Du, Son Goku?“, entkam es Bulma, obwohl sie sich gar nicht sicher war, ob sie die Antwort auf ihre nachfolgende Frage wissen wollte. „Kann ich dich etwas fragen?“

 

„Sicher?“

 

„Was... Was bedeutet Onna?“ Sie wollte ihn gar nicht danach fragen. Zu viele Erinnerungen an Vegeta löste dieses schlichte Wort in ihr aus – schöne, aber auch weniger schöne. Dennoch zerbrach sie sich immer wieder hinsichtlich der Bedeutung den Kopf darüber. Mit Sicherheit hatte Vegeta sie belogen, als er ihr die Bedeutung offenbarte und gerne hätte sie gewusst, inwiefern sie beleidigt worden war.

 

„Onna?“, hakte Son Goku argwöhnisch nach. „Hat... Vegeta dich etwa so genannt?“ Ihr Ausdruck genügte, um ihn verstehen zu lassen, dass Vegeta derjenige war, der Bulma so genannt hatte, woraufhin er grinste. So war es also... Der Prinz nannte sie so. „Onna ist eine abwertende Bezeichnung für eine Frau.“

 

„Ja?“

 

„Ja, leider. Es ist mit dem Wort Weib gleichzusetzen.“

 

„Ach so“, nickte Bulma deprimiert. Aber sie hatte so etwas schon geahnt. Als wäre Vegeta je im Stande gewesen, ihr etwas nettes zu sagen. Wie dumm sie eigentlich doch war, sich auf ihn einzulassen, wo – und es klang noch dümmer – Turles es war, dem sie noch immer aufrichtige Gefühle zuschrieb. Turles war noch immer der Saiyajin, bei dem sie sich sicher gewesen war, in keine Schwärmerei zu verfallen. Zu ihm fühlte sie sich ernsthaft hingezogen. Ihm wollte sich Bulma öffnen, ihn kennen, vielleicht sogar irgendwann lieben, aber Turles war auch noch immer der Saiyajin, der sie verraten hatte.

 

Und Bulma hatte ihn verraten, nachdem sie sich hinreißen ließ, mit... Vegeta zu schlafen. Ausgelöst durch Turles' Verrat, den das Mädchen nicht verkraften konnte.

 

Aber war ihr Verhalten kein Zeichen dafür, dass Turles nicht der Richtige war, wenn sie sich in die Arme eines anderen flüchtete? Nein, es zeigte doch nur ihre Verzweiflung auf, hinsichtlich ihrer Gefühle zu Turles, oder?

 

„Ich verstehe“, gab sie noch deprimierter zu verstehen, während sie die nächsten Koordinaten studierte, die der Dragonradar anzeigte. Bisher hatten sie nur drei der sieben Steinkugeln finden können. Es war dieses Mal anders. Die Suche nach den Kugeln erwies sich als mühevoll, aufgrund des Drucks, der auf den Schultern der zwei jungen Saiyajins lastete. Ihre damalige Suche nach den Dragonballs war im Vergleich zu heute sehr angenehm, lustig und weniger bedrohlich. Son Goku und sie hatten unendlichen Spaß, sie hatten so viel gelacht, die wildesten Abenteuer erlebt und neue Freunde dazugewonnen. Und heute? Heute kreisten die Gesichter ihrer Eltern, sowie die Gesichter ihrer beiden Freunde in ihren Gedanken umher, woraufhin sie kummervoll gen Himmel sah. „Son Goku?“

 

„Ja?“

 

„Was ist, wenn wir nicht alle Kugeln finden?“ Die drei schweren Steine trug ihr bester Freund in einer Umhängetasche, weil sie in ihrem jetzigen Zustand zu schwer für Bulma gewesen waren.

 

„Denk das nicht, Bulma.“ Doch sein gespielt fröhlicher Unterton wurde von einer elegischen Stimmlage getrübt. Auch ihm ging es miserabel und natürlich dachte er ebenfalls über die Konsequenzen nach, obwohl er immer so optimistisch gewesen war. „Wir werden weder unsere Familie, noch unsere Freunde im Stich lassen, Bulma. Sie bauen auf uns, hörst du?“

 

Auch Son Goku dachte an Yamchu und... und Chichi. An das Mädchen, an das er sich nur vage erinnern konnte. Er dachte zusätzlich an Muten-Roshi. Ebenso erinnerte er sich an die gemeinsamen Abenteuer mit Bulma, Yamchu, Pool und Oolong.

 

„Aber weißt du, was mir gerade in den Sinn kam?“ Geradewegs steuerte er einen See an, an dessen Ufer er sich setzte und sich unbekümmert ins Gras fallen ließ – die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, den Blick nach oben zu den Wolken gerichtet.

 

„Erzähl es mir“, entgegnete Bulma, nachdem sie sich neben Son Goku legte. „Was kam dir in den Sinn?“

 

„Dass ich dir nie erzählt habe, wie oft ich an dich denken musste, nachdem ich auf Vegeta-Sei angekommen war.“

 

„Ist das wahr?“, flüsterte Bulma freudig, bevor sie ihren Kopf zur Seite neigte und das Profil des erwachsen gewordenen Son Gokus musterte.

 

„Ja“, gestand er genauso leise. „Du warst... Nein, falsch: Du bist meine beste Freundin, Bulma.“ Augenblicklich setzte er sich aufrecht hin, nahm einen der flachen Steine, die den See umsäumten und warf ihn schwungvoll über die Wasseroberfläche – er vollführte den Wurf so schnell, dass er die jeweiligen Sprünge gar nicht mitzählen konnte. „Du warst das erste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte und... wir waren so jung, Bulma“, erzählte er weiter. Aufgrund dieser Ehrlichkeit konnte er sie jedoch nicht ansehen. Nicht aus Scham... Vielleicht doch, weil er ihr es nicht früher gesagt hatte. Son Goku wusste es nicht. „Du hast mir so wahnsinnig gefehlt. Du kannst dir vielleicht nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe. Aber... ich hab unendlich an dir gehangen.“ Nun blickte er ihr doch entgegen – in ihr strahlendes Gesicht. „Unsere Dragonballsuche hat mich gelehrt, was Freundschaft heißt. Sie hat mir gezeigt, dass du meine erste, richtige Freundin warst.“

 

Auch Bulma setzte sich hin, doch anders als Son Goku, landete ihre Hand sanft auf seinem Unterarm. „Und das werde ich immer sein, Son Goku. Wir beide werden immer eine andere, engere und außergewöhnliche Verbindung zueinander haben.“

 

Schmunzelnd fuhr er fort: „Als ich mich nach dem Turnier auf den Weg zu Muten-Roshi gemacht habe, habe ich mir die ganze Zeit gewünscht, dass du mich besuchst. Aber statt dir, kam Radditz. Mein Bruder nahm mich mit nach Hause, ohne dass ich mich von dir verabschieden konnte. Dieser Tag war der schwärzeste meines Lebens.“ So wehmütig er sich anhörte, so glücklich war er, als er an die junge, abenteuerlustige Bulma und ihre gemeinsamen Abenteuer dachte. „Ich weiß gar nicht, wieso ich dir das nie erzählt habe. Vielleicht weil ich gehofft habe, dass du das schon längst weißt?“

 

So übersichtlich er seine Worte gewählt hatte, so einfach sie auch zu verstehen waren... Es waren Worte, die gewaltigen Einfluss auf Bulma nahmen, die sich daraufhin übergangslos in seine Arme stürzte. „Du hättest keinen besseren Zeitpunkt abwarten können, mir das zu sagen, Son Goku“, schniefte sie überglücklich. Seine Offenbarung war Balsam für ihre Seele. „Du wirst immer mein bester Freund bleiben“, ergänzte sie, während ihre Finger sich in seinen Kleidern festkrallen. Am liebsten hätte sie ihn gar nicht mehr losgelassen, nachdem auch er die Umarmung erwiderte. Am liebsten würde sie für immer hier neben ihm sitzen bleiben, während sie seine schützenden Arme um ihren Körper spürte.

 

„Wie herzergreifend“, unterbrach eine knurrende Stimme das offene, ehrliche Gespräch.

 

Just in dem Moment schreckten die beiden am Boden gebliebenen Saiyajins auseinander – jedoch nicht weit genug, da sie sich immer noch im Arm halten konnten. Ihre Blicke schossen allerdings nach oben, von wo die gefährlich klingende Stimme herkam. Da sie aber gegen die Sonne sahen, war es ihnen wiederum unmöglich, den Ankömmling zu erkennen. Zumindest für Bulma, denn Son Goku schien den Eindringling auf Anhieb erkannt zu haben. Das verrieten seine zusammengekniffenen Augen, die sich weiteten, nachdem er eine Hand über seine Augen hob, um die Sonnenstrahlen abzuschirmen.

 

„Radditz?“, entfuhr es ihm entrüstet. Aber es gab keinen Zweifel. Am Himmel schwebte seine Bruder – jedoch nicht alleine. Unweigerlich hatte er den zweiten Schatten erkannt.

 

Nun war es Bulma, deren Augen immer größer wurden. Unverzüglich löste sie sich von Son Goku. Sie sprang regelrecht auf ihre Beine, wonach sie mehrere Schritte zurücktrat, um tatenlos mit ansehen zu müssen, wie die beiden Saiyajins auf der Erde landeten.

 

„Turles?“, stotterte ihre brüchige Stimme. Die Ankunft der beiden konnte nur eines bedeuten: Sie hatten zu lange gebraucht. Ihre Zeit war abgelaufen und nun waren Radditz und Turles gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass...

 

Nein. Das würden sie nicht sagen. Sie würden Bulma nicht die vernichtenden Worte an den Kopf knallen.

 

„Was... macht ihr hier? Wir“, fuhr sie nahtlos fort, „suchen umgehend weiter. Das hier“, beteuerte sie und deutete um sich, „war bloß eine kleine Pause. Ehrlich.“

 

Doch statt ihr zu antworten, charakterisierte Turles die blauhaarige Frau fassungslos, die aufgewühlt mit ihren Armen gestikulierte und sich zu erklären versuchte. Es verstörte den jungen Mann, das Mädchen so aufgebracht zu sehen – offensichtlich seinetwegen. Setzte sie etwa sein Erscheinen mit dem Allerschlechtesten was ihr in den Sinn kam in Relation? Assoziierte sie ihn geradezu mit Unheil?

 

Möglicherweise. Oder dachte sie immer noch, dass er derjenige war, der ihre Freunde verraten hatte? Wenn ja, würde es ihn wahrlich treffen. Vor allem, nachdem er anfing, viel mehr in ihr zu sehen, als eine gewöhnliche Saiyajin. Dass sie ihn zudem für so berechnend hielt, war komisch. Denn trotz seiner Zwänge – sich nicht entscheiden zu können, was richtig und falsch war – hatte er endlich erkannt, dass er sie mochte. Sehr sogar. Er hatte sogar gehofft, dass sie es sehen konnte, anhand ihrer damaligen Gespräche, aber dem war offenbar nicht so gewesen – was ihn noch mehr bestürzte. Aber wieso? Wieso kränkte es ihn so sehr?

 

Allerdings ließ sein eiskalter Blick nichts durchsickern. Niemand konnte sehen, in welch innerlichem Konflikt er sich gerade befand.

 

„Habt ihr die Kugeln?“, wollte Radditz stattdessen wissen und überging Bulmas Frage. Er wollte sich schlichtweg nicht mit ihr unterhalten. Nicht, nachdem er wusste, was ihretwegen auf dem Spiel stand. Wüsste er es nicht besser, hätte er behauptet, die ganze Zeit während der Unterhaltung zwischen Vegeta und Akira Blut und Wasser geschwitzt zu haben – so beängstigend war die Wahrheit gewesen. „Kakarott, habt ihr die Kugeln?“, wiederholte er seine Frage aggressiver.

 

„Nein. Nein, noch nicht alle. Wir haben erst“, bemerkte er, während er in seine Tasche griff um nochmals nachzuzählen, „drei Kugeln ausfindig machen können.“

 

„Was? Erst drei?“, fauchte Radditz.

 

„Radditz, wir brauchen mehr Zeit, da die Kugeln auf der gesamten Erde verstreut wurden. Die Zeit müsst ihr uns geben.“

 

Unterdessen beäugte Turles unauffällig die Umgebung und gestand sich ein, dass die Erde ein wahrhaftig schöner Planet war, den er sich bei seinem ersten Besuch nicht näher ansehen konnte. Damals drängte ihn die Zeit. Er hatte sich auch nicht sonderlich viel für sein Umfeld interessiert, aber sein heutiger Auftrag war klar. Heute brachte er genügend Zeit mit, um sich mit der Erkundung der Erde zu befassen. Immerhin hatte Vegeta ihm sehr präzise Anweisungen gegeben.

 

„Mehr Zeit?“, fragte Turles süffisant. „Soweit wir informiert sind“, knurrte er anschließend seinem Ebenbild entgegen, nachdem er den Abstand zu ihm und Bulma schloss, „seid ihr im Besitz eines Radars, der euch die genauen Positionen der jeweiligen Kugeln übermittelt. Demnach braucht ihr nicht mehr Zeit, sondern mehr Tempo!“

 

„Turles, bitte. Die Erde ist bedeutend größer als Vegeta-Sei“, konterte der Saiyajin.

 

„Ist auch völlig egal“, mischte sich Radditz in die Unterredung mit ein. „Wir sind aus einem anderen Grund hier.“

 

„Der da wäre?“, kam prompt die Gegenfrage aus Son Gokus Mund.

 

„Gekommen sind wir, um dich“, feixte Radditz, dessen Zeigefinger auf seinen jüngeren Bruder gerichtet worden war, „zurück nach Vegeta-Sei zu bringen.“

 

„Was?“ Nun verstand der Saiyajin, der Turles so ähnlich sah, überhaupt nichts mehr. „Wieso soll ich nach Vegeta-Sei zurückkommen?“ Seine Augenbrauen hoben sich verwundert in die Höhe, ehe er ausgiebig sowohl seinen Bruder, als auch Turles bestaunte. „Wir haben erst drei -“

 

„Unwichtig“, kommentierte Radditz schnippisch, der mittels einer einzigen Handbewegung seinem Bruder den Weg zur Kapsel wies, welche sie nach Vegeta-Sei zurückbrachte.

 

„Radditz, wir sind hier, weil wir die Dragonballs suchen müssen.“ Dass man ihnen hinterher spionierte, konnte er verstehen. Der König wollte auf Nummer sicher gehen. Den Entschluss – Son Goku zurückzubringen – verstand er dagegen nicht. Das entzog sich seinem Verständnis. „Ich kann nicht mit dir zurückgehen.“

 

„Gehorche, Kakarott“, warnte der große Bruder den kleineren. „Ich handle im Namen des Königs und du wirst parieren! Ansonsten“, ermahnte er seinen Bruder nochmals, „wende ich Gewalt an.“ Ja, weder sein kleiner Bruder, noch das Mädchen wussten, dass sich die Umstände vor drei Wochen geändert hatten – und das nur, weil das Mädchen zur Erde geschickt wurde.

 

„Was ist mit Bulma? Ich werde sie nicht alleine zurücklassen.“

 

„Wird auch nicht nötig sein, Bruderherz“, erwiderte der Vollblut-Saiyajin hämisch, nachdem er die Arme vor der Brust verschränkte.

 

„Also darf sie mitkommen?“ Son Goku fragte vorsichtshalber nach, weil Radditz die ganze Zeit davon sprach, nur ihn mit nach Hause zu nehmen.

 

„Nein“, erwähnte Turles, der sich folglich zwischen Kakarott und Bulma schob. „Ich werde mit ihr auf der Erde bleiben.“ Indessen überlief ihn ein Schauer, als sein Verstand ihm vorschlug, seine Hand nach ihr auszustrecken – sie... sie einfach zu berühren, um den Kontakt zu ihr zu vertiefen. Aber er war ein Saiyajin, der sich beherrschen musste, weshalb er bloß regungslos vor ihr stand, jedoch allzeit bereit, ihr zu folgen, sollte sie es in Erwägung ziehen, die Flucht zu ergreifen.

 

„Moment. Wieso soll ich nach Hause?“

 

„Hör endlich auf, alles in Frage zu stellen. Beweg dich zur Kapsel, aber plötzlich“, fauchte Radditz, dessen Geduld noch nie die beste gewesen war.

 

„Nein, warte.“ Verzweifelt blieb Bulma stehen, nachdem sich Son Gokus Bruder knurrend zu ihr wandte. Er zwang sie mit seinen Blicken ihm nicht näher zu kommen, woraufhin sie erstarrt neben Turles stehen blieb. „Bitte. Bitte sag mir, was mit meinen Eltern geschehen ist? Was ist mit Chichi und Yamchu? Sind sie auch hier?“ Ihr Kopf ruckte von der einen zur anderen Seite – von Radditz zu Turles. Hin und her. „Habt ihr sie -“

 

„Du stellst zu viele Fragen, Mädchen!“ Der Saiyajin, dessen Haare zu den Kniekehlen reichte, drehte sich brummend ab – nicht gewillt, dem Mädchen zu antworten. Stattdessen betätigte er den Knopf seines Scouters, der ihm den schnellsten Weg zurück zur Kapsel navigieren sollte.

 

„Ich bitte dich, Radditz“, rief Bulma ihm mit ausgestrecktem Arm hinterher. „Bitte sag mir doch, wo meine Eltern sind.“ Sie wollte ihm nachlaufen, ihn zwingen – obgleich ihr das nicht möglich war –, Bulma endlich Aufschluss über den Verbleib ihrer Familie zu geben. Doch als sie sich in Bewegung setzte, war es Turles, der sich ihr in den Weg stellte. Er versperrte ihr das Vorankommen, was die Saiyajin empörte. „Lass mich vorbei!“

 

„Du wirst ihm nicht folgen.“ Bestimmend umfingen seine Hände ihre Handgelenke, bevor er sie nach hinten trieb, indem er einen Schritt nach vorne trat und sie einen nach hinten setzen musste.

 

„Du sollst mich loslassen, hab ich gesagt!“

 

„Und ich“, knurrte er, „habe dir gesagt, dass du ihm nicht folgen wirst!“ Nach dem Fiasko auf Vegeta-Sei, hatte Vegeta unverzüglich nach Turles rufen lassen, der ihn umgehend über alles informiert und von Kakarotts Ebenbild verlangt hatte, mit ihr auf der Erde zu bleiben. Zugegeben, Turles war in Anbetracht dieses Befehls schockiert. Noch erschrockener war er jedoch, nachdem Akira in Vegetas Beisein noch etwas offenbarte.

 

Etwas, wovon selbst Vegeta noch nichts wusste. Unter Eid musste Turles dem neu gekrönten König schwören, niemals ein Wort darüber zu verlieren, denn es stand viel mehr auf dem Spiel, als die Ausrottung der Saiyajins. Akira hatte ihm erklärt, weshalb es so wichtig war, dass man auf Bulma Acht gab, denn es gab noch eine Verbindung zwischen Bulma und dem König. Eine, die alles verändern konnte. Sollte Bulma nämlich etwas zustoßen, würde auch Vegeta sterben. Demzufolge hätte Vegeta-Sei keinen König mehr. Ein Umstand der nicht tragbar wäre. Und trotz der Abneigung die Vegeta Turles gegenüber verspürte, gab er ihm den Befehl, Bulma zu schützen, ungeachtet dessen, dass Turles anfing sie zu mögen.

 

Oh ja, Vegeta wusste es. Er hatte keinen Hehl daraus gemacht und dem Krieger gesagt, dass er Turles nur zur Erde schickte, weil er wusste, dass der königliche Soldat alles dafür tun würde, das Mädchen zu schützen, das... er liebte.

 

„Du wirst mit mir auf der Erde bleiben. Haben wir uns verstanden, Bulma?“ Ihm selbst passte es nicht, hier zu bleiben, aber im Gegensatz zu anderen Saiyajins wusste er nun mal – und das besser als andere –, wo sein Platz war.

 

„Nein, niemals“, spie Bulma aufgelöst. „Deinetwegen ist es soweit gekommen und ich werde mich hüten, dem jemals zuzustimmen!“

 

„Es ist nicht wichtig, was du willst. Es wurde bereits entschieden.“

 

Verzweifelt versuchte sich die Saiyajin aus seinem Gruff zu befreien. Krampfhaft suchte sie nach einer Lösung, die sie aber nicht fand. „Nein! Du hast uns verraten!“

 

„Es wird dich überraschen“, begann er unheilvoll und näherte sich ihrem Gesicht, „aber ich habe euch nicht verraten.“

 

„Beweg dich endlich, Kakarott“, schrie Radditz aus weiter Entfernung seinem Bruder zu, der stehen geblieben war, um dem Gespräch folgen zu können.

 

„Bulma, wieso hätte ich das tun sollen?“ Fürsorglich strich eine Hand über ihre Wange, während er ihr Handgelenk weiterhin mit der anderen festhielt. „Ich habe dich nach dem Überfall mit zu mir genommen. Ja, ich gebe zu, ich habe zu spät reagiert, aber es wäre doch etwas kontrovers, wenn ich euch verrate und dich später mitnehme, oder?“

 

Ja, es wäre skurril, aber diese Ehrlichkeit könnte genauso gut gespielt sein, oder? Aber wieso sollte er zugeben, zu spät eingegriffen zu haben? Weil er sein Gewissen reinwaschen wollte?

 

„Glaub mir, ich bin noch weniger über den Zustand erfreut, aber wir werden uns arrangieren müssen“, fuhr er flüsternd fort. „Damit leben wir beide am gesündesten, wenn wir -“

 

„Nein!“. Bulma wollte es nicht hören, weil sie gar nicht mehr wusste, wer die Wahrheit sprach und was sie glauben sollte. Ihr Kopf war zudem unglaublich schwer geworden. „Nein, bitte lass mich mit Son Goku zurückgehen. Bitte, Turles!“

 

„Du glaubst mir immer noch nicht“, bemerkte er augenrollend, bevor er aufseufzte. „Ich habe dich nicht verraten. Es war jemand anderes und verzeih mir, dir das so offen zu sagen, aber es war nicht sonderlich schwer, deine Freunde zu entdecken, denn große Mühen haben sie sich nicht gemacht, was das unentdeckt bleiben anging“, unterrichtete er sie über die wahren Begebenheiten. Es war auf die Unvorsichtigkeit der Erdlinge zurückzuführen, dass sie erwischt wurden. „Totipa sichtete deine Erdenfreunde, als man Vegeta von eurem Haus zurück zum Palast eskortierte. Es war so einfach, deine Freunde zu entdecken und es bedurfte gar keine weiteren Mühen, herauszufinden wer sie waren. Ein Knopfdruck unserer Scouter hatte genügt, um Totipa zu sagen, dass sie keine Saiyajins waren.“

 

Umgehend erstarb ihre heftige Gegenwehr, infolge dieser Ansage. Ihr leerer Blick suchte in seinen Augen nach einem Hinweis. Sie wollte sich durch dieses undurchdringliche Schwarz seiner Augen bohren, ihn der Lüge überführen, aber so sehr sie sich bemühte, sie glaubte ihm seltsamerweise. „Du... Du hast uns nicht verraten?“, wisperte sie kopfschüttelnd.

 

„Nein, habe ich nicht“, replizierte er geknickt. „Und da du das nun weißt und hoffentlich auch verinnerlicht hast, werde ich dich loslassen, in Ordnung?“

 

„In Ordnung.“

 

Er hielt sein Wort, indem er sie aus seiner Gefangenschaft entließ.

 

Bulma hingegen musste ihren niederen Stand akzeptieren. Der König erteilte den ausgesandten Saiyajins freie Befehlsgewalt. Ferner musste sie sich mit dem Gedanken anfreunden, heute keine Antworten zu erhalten – so sehr sie es sich auch wünschte. Aber sie wollte Son Goku nicht in Schwierigkeiten bringen, weshalb sie davon absah, weiter nach Radditz zu rufen – der über den Verlauf dieses Aufeinandertreffens Stellung beziehen müsste. Unter keinen Umständen wollte sie infolgedessen dafür verantwortlich sein, dass ihrem besten Freund – dem sie nun entgegensah – etwas geschah, sobald er einen Fuß auf Vegeta-Sei setzte.

 

„Darf... Darf ich Son Goku auf Wiedersehen sagen?“, fragte sie bibbernd, ohne den Blick von Son Goku abzuwenden. Es war ihr auch egal, dass sie wie ein Häufchen Elend vor Turles stand. Ihre Würde hatte sie ja bereits verloren, weil sie schon soweit gesunken war, dass sie jemanden um Erlaubnis fragte, ihren Freund verabschieden zu dürfen. Aber auch diese Bürde nahm sie auf sich, nachdem sie wieder an Son Gokus Worte dachte – daran, wie schlimm es für ihn gewesen war, dass er sich damals nicht von Bulma verabschieden durfte. Dieser Schmerz sollte ihren besten Freund nie wieder befallen. „Bitte Turles“, schluchzte sie dieses Mal heftiger, nachdem er nicht antwortete.

 

„Halte ihn nicht zu lange auf.“ Wieder hob er seine Hand und wieder zog er sie zurück, als er ihrer Schulter näher gekommen war. Er konnte es einfach nicht über sich bringen, sie zu zwingen, ihm entgegenzublicken. „Die Reise nach Vegeta-Sei beansprucht Zeit, wie du weißt.“ Parallel trat er zur Seite und sah mit schmerzlicher Miene dabei zu, wie sich zwei alte, loyale Freunde Lebewohl sagten, denn ein Wiedersehen war nicht vorgesehen...

 

Nein, womöglich würden sich die beiden Freunde nie mehr wieder sehen, weil Vegeta es verbot. Aber das Mädchen und auch Radditz' kleiner Bruder waren ein gutes Beispiel – ja, fast ein Sinnbild. Sie erschufen den Inbegriff einer wahren, unzertrennlichen Freundschaft und eines hatte auch Turles verstanden: Im Herzen gab es keine Kilometer.

 

Aber Turles hatte sich schon immer gegen so etwas wie eine Freundschaft entschieden, da man nicht nur auf sich, sondern auch auf andere hätte aufpassen müssen – etwas, das er nicht wollte. Insgeheim wusste er, dass er sich selbst belog, denn die Realität sah doch anders aus. Auch Turles hatte sich verändert, als er Bulma immer mehr kennengelernt hatte.

 

Anschließend – nachdem bereits mehrere Minuten verstrichen und die Freunde sich stillschweigend umarmten – tauschten Turles und Radditz wissende Blicke untereinander aus, ehe der in der Luft schwebende Saiyajin das Wort an seinen Bruder richtete.

 

„Das genügt, Kakarott!“

 

„Bulma, bitte wein doch nicht“, flüsterte Kakarott, anstatt auf seinen Bruder zu hören. „Ich werde immer -“

 

„Bulma, komm“, rief Turles im Gegensatz zu Radditz feinfühliger. Er schrie nicht, so wie es sein Wegbegleiter getan hatte.

 

„Bulma, ich werde immer dein bester Freund bleiben, ja?“

 

„Und... Und ich deine beste Freundin.“

 

„Genau. Auf immer und ewig.“

 

Mit Tränen in den Augen sah Bulma zu Son Goku hinauf, in dessen Gesicht sie eine Träne entdeckte, die er angestrengt daran hindern konnte, über seine Wange zu laufen.

 

„Kakarott, ich wiederhole mich nicht noch einmal!“

 

Ein letztes Mal drückte er ihre Hand, bevor er sich leichtfüßig vom Boden abstieß, langsam nach oben glitt und Bulmas Arm mit nach oben zog. Wenige Zentimeter schwebte Son Goku über dem Boden, hielt inne und sah seiner Freundin entgegen. Er schämte sich, angesichts der Schwäche, die es zugelassen hatte, Bulma zu verlassen, aber ähnlich wie sie, wollte er Schaden von ihr abwenden.

 

„Kakarott, es reicht, verdammt nochmal. Lass endlich ihre Hand los!“, befahl Radditz erzürnter.

 

Es war so unendlich schwierig, sich voneinander zu trennen, aber es musste geschehen. Sie mussten in die jeweils entgegengesetzte Richtung gehen, um ihren Familien, sowie ihren Freunden zu helfen. Sie mussten das Leben derer schützen, die sie liebten. Jeglicher Widerstand wäre folglich zwecklos. Gesetzt dem Fall, sie würden sich nicht beugen, so wussten beide, würde man liebend gern eine harte Strafe über sie aussprechen – was auch der Grund war, dass sie nicht protestierten, sondern ihre verschlungenen Hände schweren Herzens voneinander lösten.

 

Abschließend war sie wimmernd zu Turles gelaufen, während Son Goku mit herabhängenden Schultern in die Lüfte gestiegen war, um gemeinsam mit seinem Bruder in der Ferne zu verschwinden. Aber Bulma konnte nicht fliegen, weshalb sie mit Turles den Weg per pedes zurücklegen würde. Bevor jedoch auch sie in der Ferne verschwand, drehte sie sich noch einmal um... und sie wusste, es wäre falsch, zurückzublicken. Aber sie konnte nicht anders. Sie musste Son Goku noch einmal nachsehen, woraufhin ihre rechte Hand nach oben schoss – direkt vor ihr Gesicht, das sie gegen ihre Handinnenfläche drückte. Sie wollte Turles einfach keinen Einblick in ihr Innenleben, sowie der dazugehörigen Trauer gewähren. Hinzu kam, dass man nicht sehen durfte, wie sich ihr Gesicht verzog, aufgrund der aufkeimenden Tränen.

 

Allerdings fehlte ihre die Kraft, sich auf ihren wackeligen Beinen zu halten, weswegen sie auf ihre Knie sank und ihrer Trauer freien Lauf ließ, indem sie hinter vorgehaltener Hand bitterlich zu weinen anfing.

 

Turles hingegen wahrte die nötige Distanz und wartete, bis sie sich beruhigte, ehedem sie ihren unbekannten Weg stumm fortsetzten...

Der Versuch ist der erste Schritt zum Scheitern

Die Liebe lebt von ihrer Distanz zum Objekt, obwohl es als Streben in aller Liebe liegt, diese Distanz zu überwinden.

- Ferdinand Ebner

 

 

~*~

 

 

- Kapitel zweiundzwanzig -

 

 

Der Duft von frisch gemähtem Gras, Gerüche verschiedenster Blumen, die sich über ein riesiges Feld hinter dem Haus erstreckten, hätten Bulma in eine glücklichere Stimmung versetzen müssen, aufgrund der damit verbundenen Nähe zur Erde – eine Nähe, nach der sich die junge Saiyajin so lange gesehnt hatte. Alles was sie sah, hätte sie erfreuen können; wollte sie doch sowieso die ganze Zeit zur Erde zurück, weil sie sich mit ihrem Heimatplaneten und den dortigen Sitten so gar nicht identifizieren konnte. Ein weiterer Zustand, den Bulma erfreuen müsste, war, dass sie sogar dasselbe Haus aus ihren Hoipoi-Kapseln erbauen ließ, als sie damals mit Son Goku zum ersten Mal nach den Dragonballs suchte. All das waren Faktoren, die ihr ein Gefühl der Glückseligkeit hätten vermitteln können, aber das Gegenteil war der Fall. In den vergangenen drei Wochen – in denen sie mit Turles auf der Erde alleine zurückgeblieben war – hatte sich der Duft jedoch zu einem üblen, sehr niederschmetternden Nebeneffekt entwickelt, der die junge Saiyajin daran erinnerte, alleine zu sein. Alleine mit ihren Gedanken, ihren Ängsten, ihrer Trauer, sowie der Einsamkeit. Sie war aufgrund dessen sichtlich mitgenommen, verbrachte die Tage damit im Haus zu sitzen und sich mit der Sehnsucht nach ihren Eltern, ihren Freunden und Son Goku zu befassen. Dasselbe Szenario würde sich heute genauso abspielen. Wieder saß Bulma in der Küche – verlassen, in sich gekehrt, einfach traurig – und starrte zum Fenster hinaus. Nur der aufsteigende Dampf ihres Tees, aber auch die daraus resultierende Hitze auf der Keramik, worum sich ihre Hände zaghaft schmiegten, vermittelten Bulma den Eindruck, sich nicht gänzlich in ihren tristen Gedanken zu verlieren.

 

Das war nämlich etwas, was nicht passieren durfte, da um sie herum noch Leben existierte, wenngleich ihr Schicksal – nicht mehr nach Vegeta-Sei zurückkommen zu dürfen – allgegenwärtig gewesen war. Bulma durfte trotz ihrer aufkeimenden Angst nicht in diesen tiefen Abgrund stürzen, der sich vor ihr erstreckt. Ja, Bulma hatte furchtbare Angst. Sie fürchtete sich, inwiefern sie sich diesem Verlust – womöglich auch nicht mehr ihre Eltern zu sehen – stellen sollte, denn ein kleiner Teil ihrer Gedanken sehnte sich nach der vertrauten Umgebung, der sie sich so schwermütig angepasst hatte. Doch alles, was ihr momentan entgegen strahlte, waren die weiten Felder inmitten der Einöde. Würde sie sich etwas mehr anstrengen, könnte sie sich sogar vorstellen, wieder auf Vegeta-Sei zu sein. Dort sah es am Rand des Dorfes ähnlich aus – abgesehen von den Wolken. Die gab es auf Vegeta-Sei nicht. Allerdings schienen sich die Formen Bulmas Stimmungslage anzupassen. Auch die Welt der jungen Saiyajin hatte sich – wie die Wolken am Himmel – in ein dunkles Grau verwandelt. Aber sie durfte nicht aufgeben. Bulma musste Stärke beweisen und das Leben fortan mit Turles auf der Erde meistern, weshalb sie leise den Stuhl zurückschob, die Teetasse auf dem Tisch abstellte und zum Fenster schritt – die Arme fest um ihren Oberkörper geschlungen. Und trotz dessen, dass sie mittels ihrer reibenden Arme ihren Körper zu wärmen versuchte, fröstelte sie bei dem Anblick, der sich ihr durch das unsaubere Fenster bot. Dennoch verlieh es der Saiyajin Sicherheit, sich selbst im Arm zu halten, während sie sich insgeheim vorstellte, dass es nicht ihre, sondern andere, bedeutend stärkere Arme wären, die ihr Halt schenkten. Indessen hafteten ihre Augen auf dem Blätterdach eines Baumes, gegen den sich Turles gelehnt hatte – eines seiner Beine flach auf dem Boden liegend, während das andere angewinkelt war. Und auch er schien die Ferne mit Argusaugen zu betrachten. Er schien sich ein Bild darüber zu machen, worauf er sich eingelassen hatte und es lag sehr wohl im Bereich des Möglichen, dass er es bereits bereute, hier zu sein.

 

Oder war er vielleicht freiwillig hier? Hier bei... bei ihr?

 

Wie hoch standen die Chancen, dass Turles glücklich über den Zustand war? Durfte Bulma sich Hoffnungen machen, angesichts ihrer kaum vorhandenen Erwartungen? Schließlich sprach er nicht mit ihr. Turles ging Bulma aus dem Weg und ließ die verzweifelte Frau mit ihren Fragen – die sie ihm so gerne gestellt hätte – alleine zurück. Und diese Art der Kommunikation hatte sich seit vier Tagen zu einer festen Norm zementiert. Seitdem sie ihren unbekannten Weg fortgesetzt und sich von Son Goku und seinem Bruder Radditz getrennt hatten, schien Turles beschlossen zu haben, kein einziges Wort mit der blauhaarigen Saiyajin zu wechseln, geschweige denn das Haus zu betreten, das sie auf dem Fleckchen Erde erscheinen ließ, auf den Turles zuvor gezeigt hatte.

 

Sie konnte demzufolge gar nicht abwägen, wo genau er seine Nächte verbrachte. Bulma wusste nicht, ob er nachts schlief oder seine Energie über den Tag auflud, indem er sich an einen sicheren Ort zurückzog und schlief – schließlich waren die Nächte auf der Erde bitterkalt. Und im Gegensatz zu Turles, machte die Einsamkeit Bulma wahnsinnig. Sie sehnte sich nach tiefgründigen Gesprächen, die junge Frau vermisste ihre Freunde, sowie den Spaß, den sie gemeinsam hatten – selbst die unmöglichsten Themen ihrer Mutter, aber auch ihre naiven Ansichten und den daraus resultierenden falschen Interpretationen, die sie in den Handlungen ihrer Tochter sah, fehlten Bulma unheimlich.

 

Ganz anders als Turles, der das Alleinsein dem turbulenten, von Freunden umgebenen Leben vorzuziehen schien.

 

Folglich verließ Bulma seufzend die Küche. Nicht länger wollte sie der einkehrenden Lethargie Platz machen. Stattdessen wollte sie nach oben in ihr Zimmer, um sich mit etwas sinnvollem zu befassen – beispielsweise ihren unvollendeten Plänen, bezüglich der Erfindungen, die sie mit ihrem Vater noch vollenden wollte. Jedoch blieb sie unverhofft im Flur stehen, während sie unablässig zur Haustür sah, ehe ihr Blick schleppend über den Boden, hinüber zur Treppe streifte. Womöglich würde sie sich später angesichts ihrer Idee ohrfeigen, aber sie konnte und sie wollte keinen weiteren Tag mehr in der Küche sitzen und Turles dabei beobachten, wie er gegen einen Baum lehnte und sich vehement weigerte, mit Bulma zu sprechen. Zumal es draußen nach Regen aussah. Unterdessen war sie zielbewusst zur Tür gegangen, doch nachdem ihre Hand einen Moment zu lange auf der Klinke lag und Bulma ihr Handeln anzweifelte, war es ihrem Instinkt zu verdanken, dass sie ruckartig die Tür aufzog und nach draußen schlich, wonach sie augenblicklich sowohl von der Umgebung, als auch dem intensiven Duft eingenommen wurde. Die Vertrautheit verlieh ihr zwar das bekannte Gefühl von einem Zuhause, aber irgendetwas war es, das dieses Gefühl trübte. Bulma beschlich das unwohle Gefühl, dass sie sich eigentlich gar nicht mehr so richtig mit der Erde verbunden fühlte. Nein, sie schmunzelte nicht einmal vor Freude, angesichts des Umstandes, dass es ein aufgesetztes, falsches Schmunzeln gewesen wäre.

 

Derweil trottete sie paralysiert nach draußen. Auf dem Weg zu ihm hob sie ihre Arme, die behutsam den jeweils gegenüberliegenden Arm streichelten, denn genau das brauchte sie – ihren Schutzmantel, der in Form ihrer Arme ausreichen musste. Schließlich war sie schneller als erwünscht neben dem von Moos bedeckten Baumstamm angekommen, gegen welchen Turles mit geschlossen Augen lehnte.

 

Ob er schlief?

 

Vom Küchenfenster hatte sie nicht sehen können, ob er wach war. Einzig sein weißer Umgang, der eindrucksvoll über einen seiner Schulterflügel angebracht worden war, hatte sie erkennen können.

 

Infolgedessen hauchte sie der scheinbar schlafenden Gestalt entgegen: „Turles, bist du wach?“ Gleichzeitig platzierte sie ihre Hand auf der harten Rinde, wodurch es ihr – anlässlich ihrer abgeschlagenen Hülle – leichter fiel, in die Hocke zu gehen. Berühren wollte sie ihn jedoch nicht. Bulma wagte sich nicht, seine Schulter anzufassen. Ihr fehlte schlichtweg der Mut.

 

„Was willst du?“, beantwortete er ihre Frage tonlos. Anhand seiner Stimme konnte man nicht erkennen, ob er erbost oder erfreut über ihre Ankunft gewesen war.

 

„Ich... Ich wollte nachsehen“, räusperte sie Bulma, bevor sie ihre Stimme hob, um nicht weiterhin zu flüstern, „ob du wach bist.“ Anschließend kam sie auf ihre Beine zurück, doch hielt sie ihren Blick konstant auf Turles gerichtet – bis er sich dazu herabließ, seinen Kopf zu drehen, um sie ebenso ansehen zu können. Allerdings war das der Auslöser dafür, dass Bulma ihren Blickwinkel änderte und infolge seines abschätzigen Blickes lieber die Wolken beobachtete. Zeitgleich biss sie sich ertappt auf die Unterlippe und ärgerte sich über die blöde Rinde, die so unglaublich dick war. Andernfalls hätte sie ihre Finger problemlos darin verhaken können, um ihre nervösen Impulse dorthin zu übertragen.

 

„Das hast du ja jetzt getan“, entgegnete er – dieses Mal sichtlich genervt. „Ist sonst noch etwas?“

 

„Ähm... Na ja.“ Die junge Frau konnte nun seine Stimmung eindeutig erahnen: Turles war von ihrer Anwesenheit überhaupt nicht begeistert. „Ich bin hierher gekommen, weil es nach Regen aussieht.“ Indessen wanderte ihr Blick gen Himmel. Bulma redete sich ein, dass sie seinem Blick auswich, um abwägen zu können, wann es ungefähr regnen könnte.

 

„Tatsächlich?“, bemerkte er skeptisch und sah ebenfalls nach oben. „Das haben dir wohl die Wolken gesagt, was?“

 

„Möchtest du... Also -“ Bulma ging nicht auf seine Frage ein. „Ich habe mich gefragt“, stotterte sie stattdessen gehemmt, während sie ihre Augen zusammenkniff, „ob du vielleicht ins Haus kommen und dort schlafen möchtest?“

 

„Was?“, entkam es ihm mit erhobener Augenbraue und richtete seinen Blick unverzüglich auf die Saiyajin. „Du fragst mich, ob ich zu dir ins Haus komme?“

 

„Vielleicht hast du ja Hunger?“, umging sie abermals seine Frage. „Wir könnten -“

 

„Ich kann mich selbst versorgen“, schnitt er ihr hart das Wort ab. Folglich stützte er sich vom Boden ab, um sich ihr gegenüberzustellen. Allerdings zeigten sich daraufhin die Ausmaße, die Turles nervten. Es war ihre ständige Angst, die sie ohne Umschweife zeigte. Angst, er würde ihr jederzeit etwas antun, denn genau so sah sie ihn gerade an. Wie vor vier Tagen schon.

 

„Ich... Ich wollte nur höflich sein.“

 

„Höflich?“, murrte er. „Dann rate ich dir, mir gegenüber keine Angst zu zeigen.“

 

„Ich habe keine Angst vor dir.“ Bulma fürchtete sich nicht. Sie schämte sich bloß, angesichts ihrer verräterischen Gefühle.

 

„Und wieso gehst du nach hinten?“, stellte er feixend fest, als er einen Schritt auf sie zugekommen war. Doch statt stehen zu bleiben, war Bulma nach hinten getreten. „Du hast Angst.“

 

Es war nicht die Angst, die die junge Frau zurücktreten ließ, sondern ihre Befangenheit. Sie stand nun mal dem Mann gegenüber, der in ihr schon jedwede Emotion hervorgerufen hatte. Insofern wusste sie nicht, wie sie zueinander standen.

 

Waren sie Freunde? Waren sie Feinde?

 

Inständig hoffte Bulma, dass Letzteres nicht der Fall wäre, sonst sähe sie alt aus, wenn es darum gehen würde, sich notfalls gegen Turles zu verteidigen. Hinzu kam die andere Seite – man wollte nichts schlechtreden, das man mochte. Aber man durfte die Augen auch nicht vor der Wahrheit verschließen. Das hatte Bulma schon oft getan und jedes Mal, wenn sie selbiges Verhalten wiederholte, war ihr Vorhaben schon im Voraus zum Scheitern verurteilt gewesen. Angesichts dessen sollte sie wohl spontaner sein und alles auf sich zukommen lassen.

 

„Nochmal, Turles: Ich habe keine Angst vor dir“, wiederholte sie sicherer. „Du kennst das vielleicht nicht – das Gefühl, wenn sich Sorge -“

 

„Du bist meinetwegen besorgt?“, brummte er verächtlich. Ihre Aussage triefte vor Abscheu, weil sie glaubte, er sei schwach. „Deine Sorgen – mir gegenüber – sind unbegründet“, fügte er knurrend hinzu.

 

„Möchtest du trotzdem reinkommen?“ Schön. Turles fühlte sich angegriffen, sobald man sich um sein Wohlergehen sorgte. Zukünftig würde sie derartige Fragen unterlassen. „Wir könnten uns einen Film ansehen“, schlug sie im Anschluss diplomatisch vor. „Weißt du, was Filme sind?“ Das hatte sie gar nicht bedacht – lediglich ihren brillanten Vorwand eingeworfen, ohne darüber nachzudenken, dass Turles womöglich keine Filme kannte, aufgrund seiner Herkunft. Dass Saiyajins sich mit Technik befassten, bezweifelte sie nicht. Allerdings handelte es sich hierbei um irdische Techniken, die Saiyajins verachteten.

 

„Nein“, bestätigte er ihren Verdacht, ehedem er die Arme vor seiner Brust verschränkte. „Aber du wirst es mir mit Sicherheit erklären.“

 

Natürlich. Für Bulma war es eine Selbstverständlichkeit, mit einem Fernseher und DVD's aufzuwachsen. „Nun ja, Filme sieht man sich an – meist sind es fiktive Geschichten, die verfilmt werden. Und ich denke, ich weiß, welches Genre dir zusagen würde.“

 

„Aha.“

 

„Man nennt sie Actionfilme“, warf sie begeistert ein, da auch Bulma dieses Genre bevorzugte, statt der Romantik. „Man sieht oftmals Helden, die gegen das Böse kämpfen und... die Erde beschützen.“ Zugegeben, ihre Einfälle waren schon besser. Turles' Anblick ließ jedenfalls darauf schließen, dass er von ihrer Idee nicht besonders angetan gewesen war. „Bevor ich nach Vegeta-Sei kam, wurde ein Film veröffentlicht, der dir gefallen könnte. Wenn du magst, fahren wir in die nächste Stadt und leihen ihn aus?“

 

„Hör zu“, begann er schnaubend. „Ich bin nicht hier, um mich mit dir zu vergnügen.“ Auch wenn er das gerne getan hätte – in beiderlei Hinsicht. „Oder sehe ich so aus, als würde ich das, geschweige denn dein Beisein wollen?“ Sein Plan war klar strukturiert – sich ihr nicht zu nähern. Allerdings erschwerte sie es ihm ungemein, sein Vorhaben aufrecht zu erhalten, hinsichtlich ihrer sanftmütigen Art, die sie ihm entgegenbrachte, trotz seiner rauen Fasson. Zuvor hätte er diesbezüglich jeden zur Streckte gebracht.

 

Aber nicht sie. Nicht Bulma. Schon damals, als er vor drei Monaten hier gewesen war, war er von ihren unkonventionellen Charaktereigenschaften nicht begeistert, aber es schreckte ihn bedauerlicherweise auch nicht so ab, wie er sich erhofft hatte. Im Gegenteil. Er fing an, ihre Art zu schätzen, sogar ein wenig zu mögen.

 

„Das... wusste ich nicht, entschuldige. Aber falls du dachtest, dich würden hier reale Kämpfe erwarten, muss ich dir die Illusion nehmen. Kein Mensch wird mit deiner Kraft mithalten können.“

 

„Ach, was du nicht sagst“, blaffte er manieriert zurück. „Wie schwach die menschliche Rasse ist, ist mir bekannt. Andernfalls wäre Kakarott als Säugling niemals zur Erde geschickt worden – mit dem klaren Befehl, die Menschheit auszulöschen.“ Anschließend hob er den Blick angewidert zum Himmel, nachdem ein Regentropfen es gewagt hatte, auf seinem Arm zu landen. „Das muss dein Weltbild doch endgültig zerstören, oder?“

 

„Nein.“ Betrübt schüttelte Bulma daraufhin ihren Kopf.

 

„Nicht?“ Das überraschte den großgewachsenen Saiyajin.

 

„Ich... Ich kannte Son Gokus Auftrag.“ Sie bemerkte gar nicht, dass ihr Gesicht kalkweiß geworden war und sie wagte sich gar nicht, diesen Auftrag zu kritisieren. Schließlich waren Saiyajins so – böse Wesen, die sich das Recht herausnahmen, sich über den Lauf der Dinge zu stellen, indem sie sich mit dem Tod auf dieselbe Stufe stellten. Saiyajins entschieden, wer wann starb. Stets wollten sie die Hand darüber halten, um ihre Niedertracht noch plakativer darzustellen. „Aber ich habe nie verstanden, wieso? Son Goku würde etwas so grausames niemals tun wollen. Ich habe ihn in meiner Kindheit kennengelernt und... und ich weiß, wie liebenswürdig er ist.“

 

„Das war sein Befehl – klar und deutlich. Angesichts der schwachen Bevölkerung. Aber der Idiot hat ja seine Aufgabe vergessen, wie man unschwer erkennen kann.“

 

„Son Goku ist -“

 

„- kein Idiot?“, beendete er ihren Satz amüsiert. „Doch. Anscheinend schon, denn laut meinen Informationen ist er im Kleinkindalter in eine Schlucht gestürzt. Aufgrund dessen hatte er alles vergessen. Und genau dieser Sturz hatte Auswirkungen auf Kakarott, die ihn... nun... ich will nicht sagen verweichlichten, aber so weit veränderten, dass er nicht mehr den Charakteristika eines würdigen Saiyajins entsprach.“ Fast wäre ihm im Anschluss herausgerutscht, dass Bulma sein Sturz gewesen war. Dass... Dass sie ihm eine andere Welt gezeigt hatte – frei von jeglicher Gewalt. Aber wollte er fernab seiner natürlichen Triebe ein solch friedliches Leben leben? Auf keinen Fall. Turles war ein würdevoller Saiyajin, der mit den Idealen aufwuchs, nach denen schon seine Vorfahren gelebt hatten – Ansichten, die Turles schätzte und die er unter keinen Umständen kampflos aufgeben wollte. Doch je mehr er Bulma kennengelernt hatte, umso schwieriger fiel es ihm, jenen Standpunkt zu verteidigen. Ja, mittlerweile war seine Fassade rissig geworden. Einzelne Brocken drohten damit, aus der Mauer herauszubrechen – mit einem so wuchtigen Aufprall, wodurch Turles einen weiteren Schritt in die gewaltfreie Richtung gedrängt wurde. Und das ihretwegen. Ihre liebliche Persönlichkeit war ein Virus, der sich unaufhaltsam in seinem Körper ausbreiten wollte.

 

„Kein sehr netter Auftrag, wenn du mich fragst“, erwiderte sie traurig – den Blick zur Seite gerichtet.

 

„Wir sind auch nicht nett.“ Bedächtig wandte er sich Bulma zu und verschränkte erneut die Arme vor der Brust – dieses Mal jedoch unter seinem weißen Umhang.

 

„Wieso nicht? Wieso könnt ihr -“

 

Ihr?“, höhnte Turles angesäuert. Zählte sie sich etwa zu den Erdlingen? „Du darfst niemals vergessen, wer wir sind, Mädchen. Wir“, betonte er, „sind Krieger und es liegt in unserer Natur, andere Völker zu bekämpfen.“

 

„Liegt es auch in unserer Natur, andere Kulturen auszulöschen?“, fragte sie bissig.

 

„Ja!“, entgegnete er genauso angriffslustig. „Wenn nötig, gehört auch das dazu! Immerhin müssen wir unser Volk schützen. Oder sollen wir jeden gewähren lassen, der in unser Land einfällt?“ Mit Genugtuung hörte er ihren zischenden Lauten zu. Er genoss es, wie entsetzt sie nach Luft schnappte. Er hingegen musste lachen, angesichts ihrer Empörung. „Es ist erstaunlich, was einundzwanzig Jahre – die man im falschen Glauben gelebt hat – ausmachen können.“

 

„Ich bin wenigstens nicht mit diesem Hass aufgewachsen, Turles.“

 

„Nein, bist du nicht.“ Zum Glück wurde sie verschont, ja. Ihr zartes Gemüt hätte eine andere Erziehung wohl nicht verkraftet. „Aber wenn du unser Verhalten schon verurteilst, vergiss niemals, dass wir abhängig von anderen Planeten sind. Wir verdanken es unserer Kraft, dass wir lebensfähig sind.“

 

„Es gibt aber noch andere Wege, um das Leben eines Saiyajins zu sichern.“

 

„Welchen?“, entfuhr es Turles forsch. „Ich versichere dir, dass – täten wir es nicht – es andere Geschöpfe gäbe, die uns im Umkehrschluss nach dem Leben trachten würden. Ich gebe dir Brief und Siegel, dass wir diejenigen wären, die längst ausgelöscht worden wären.“ Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich neben ihn stellte. Sie war zwei Köpfe kleiner als er, doch war ihr Durchsetzungsvermögen umso größer und beeindruckender. „Außerdem sichern wir durch den Erlös der verkauften Planeten unsere Liquidität – eben um uns auf andere Weise am Leben zu erhalten.“

 

„Aber -“

 

„Bevor du unsere Vorgehensweise kritisierst, solltest du erst einmal wissen, wieso wir so handeln.“ So sehr Turles ihr den Lauf der Dinge erklären wollte, so schaffte sie es ebenso beharrlich, Mechanismen in ihm zu blockieren, die ihn daran hinderten, loszuziehen und die Menschheit selbst auszulöschen. Das war eben Bulma – sie und ihre faszinierende Art.

 

„Ich weiß. Ihr benutzt den Vorwand, dass nur der Stärkere überleben kann.“

 

„Falsch! Aber woher sollst du es auch wissen? Du kennst eben nur diese Welt. Du weißt über unsere Vergangenheit nichts und kannst es auch nicht nachvollziehen, weshalb wir so sind.“ Turles sah sich auch nicht in der Pflicht, ihr zu erklären, dass Saiyajins aufgrund des Hasses der Tsufurujins so geworden waren. Nur ihretwegen, weil sie die Saiyajins in die Ecke getrieben hatten, waren sie so geworden.

 

Aber hätte ihm das nicht zeigen müssen, wohin der Hass die Tsufurianer geführt hatte? Nur deshalb fanden sie den Tod, weil sie die saiyajinische Rasse provozierten – bis diese sich bedroht fühlte und angegriffen hatte. Aus der Not heraus.

 

Aber wie sollte ein unschuldiges Mädchen – das fernab dieser Welt aufgewachsen war – diese Not sehen können?

 

„Hast du keine Angst, dass du sterben könntest?“ Gerne hätte sie ihn darum gebeten, ihr die Vergangenheit zu erklären. Doch sie besann sich. Bulma erinnerte sich, wie wütend Vegeta geworden war, als sie ihn darum gebeten hatte, ihr die saiyajinische Sprache beizubringen. Er hatte ihr vorgeworfen, dass sie sich nicht für ihre Herkunft interessierte, weil sie die Sprache nicht konnte. Ein solches Szenario wollte sie nicht noch einmal erleben, weshalb sie davon absah, Turles um Aufklärung zu bitten.

 

„Nein“, antwortete er wortkarg.

 

„Ich hätte Angst“, gab sie mit gesenktem Haupt kleinmütig zu, während sie ihre Daumen dabei beobachtete, wie diese Däumchen drehten.

 

„Ja“, nickte Turles ihr grinsend zu. „Das dachte ich mir.“

 

Beschämt darüber, dass er sich bezüglich ihrer Angst amüsierte, hob sie doch ihren Kopf. „Du hast vielleicht keine Angst, dass dir etwas passiert. Aber was ist mit nahestehenden Personen?“ Ihm konnte doch unmöglich alles so... so gleichgültig sein, oder? Es musste doch jemanden geben, für den es sich lohnte zu leben.

 

„Meine Eltern – sofern du sie meinst – sind schon vor langer Zeit im Kampf gestorben“, offenbarte er geringschätzig. Wollte sie eine Antwort aus ihm herauskitzeln, die sich auf Bulma bezog? Turles konnte es nicht einschätzen.

 

„Ach so“, bemerkte sie peinlich berührt. Seufzend schob sie die nach vorne gefallenen Haarsträhnen hinter ihr Ohr, um etwas zu tun zu haben. „Möchtest du jetzt mit reinkommen?“, schob sie die Frage hinterher, um schnellstmöglich abzulenken. „Im Haus ist es ziemlich ruhig und zusammen ist es doch viel lebhafter. Ich fühle mich zumindest in Gesellschaft viel wohler. Du dich auch?“

 

„Nein“, gab er abermals von sich.

 

„Ja“, nickte wiederum Bulma grinsend. „Das dachte ich mir“, ergänzte sie feixend und sie war erstaunt, dass Turles es ihr gleichtat, indem er ihr freches Grinsen erwiderte. Vielleicht war es wirklich besser, wenn man sich auf die Situation vorbehaltlos einließ, statt sich darauf vorzubereiten? „Wenn du mit reinkommst, kannst du dir auch den Bauch vollschlagen? Das ist vielleicht ein durchschlagenderes Argument?“ Parallel hielt sie ihm aufmunternd ihre ausgestreckte Hand hin, die Turles prompt schüttelte.

 

Auch er schien überrascht gewesen zu sein, dass er die Geste erwiderte.

 

„Einverstanden?“, fügte Bulma hinzu, während sie geduldig auf seine Antwort wartete.

 

„Einverstanden.“ Anschließend ließ er dem Mädchen den Vortritt, bevor er ihr folgte und mit Bulma im Haus verschwand.

 

 
 

~*~

 

 

Finster dreinblickend thronte der König auf seinem Thron, während er seine Hand immer tiefer in die glatte Oberfläche der Armlehne zu bohren versuchte. Er versuchte seinen Zorn in den Stoff zu projizieren, bevor es eskalierte. Zudem erhoffte er sich, sich somit besser unter Kontrolle zu halten. Denn seit er dieses schäbige Amulett um seinen Hals trug – das ihn immer daran erinnern sollte, wofür er einstand und was er gleichzeitig aufgeben musste –, beschlich ihn der Verdacht, dass die einschneidende Scheibe Einfluss auf sein Gemüt nahm. Seine Launen wurden flexibel und die Tendenz, dies jemals zu ändern, war verschwindend gering. Doch vorerst würde er darauf warten, bis man ihm diejenigen vorführte, die maßgeblich Schuld daran trugen, dass er so spannungsgeladen war.

 

Dass er selbst sein Schicksal beeinflusste, war nicht weiter von Belang. Schließlich war es immer einfacher, die eigene Schuld anderen zuzuschieben. Es war einfach bequemer, wenn man seine eigenen Fehler kaschieren konnte.

 

Aber sein Zorn wurde weiter geschürt. Genährt von den quälenden Gedanken, dass er sie gehen lassen musste – mit Turles. Bereut hatte er den Schritt nur insofern, dass er es nicht ertragen konnte, dass Turles sie mochte – womöglich genau dieselben Gefühle für das Mädchen hegte wie Vegeta auch. Es waren drei qualvolle Wochen, in denen er Zeit hatte, über sein Volk, sich selbst und das schicksalhafte Furunkel um seinen Hals nachzudenken. Vegeta verbitterte von Tag zu Tag mehr, obwohl er um jeden Preis verhindern wollte, dass sich der jetzige Zustand steigerte. Aber es funktionierte nicht. Stattdessen bereiteten die Gedanken ihm unruhige Nächte.

 

Wie sollte er das ein ganzes Leben lang aushalten? Der König war permanent abgelenkt, wodurch es ihm kaum möglich gewesen war, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – in diesem Fall auf sein Volk und dem bevorstehenden Schicksal.

 

Ferner – während seine Hand die silberne Scheibe berührte – wurde das große Holzportal aufgeschoben. Durch den entstandenen Spalt lugte der Kopf seiner Wache hindurch, der dem König die Ankunft der Saiyajins verkündete – denen Vegeta nicht nur die Schuld gab, sondern von denen er auch Abhilfe erwartete und auch verlangen würde.

 

„Majestät, wie befohlen, kündige ich Euch Kakarott, Kuririn, Yamchu und Doktor Briefs an.“ Ehrfürchtig verneigte er sich in der Ferne, um seinem König den Respekt zu zollen, den er verdiente.

 

„Lass dich nicht so lange bitten“, bellte Vegeta ungehalten, den Blick starr zum Tor gerichtet. „Schick sie endlich rein, verdammt.“ Mit Argusaugen beobachtete er, wie man Kakarott, Kuririn, diesen Erdling – dessen Name er schon wieder vergessen hatte – und Bulmas Vater durch das Tor trieb. Dicht hinter ihnen erschienen abschließend Radditz und Nappa – beide nach seiner Krönung begnadigt und in die Armee der königlichen Garde berufen worden. Man konnte den Stolz nahezu in den Gesichtern der beiden Saiyajins ablesen; endlich nicht mehr in einem Loch zu hausen – fernab der Zivilisation. Das gehörte der Vergangenheit an.

 

„Vegeta, gut, dass du uns endlich empfängst. Wir -“

 

Weiter war Kakarott nicht gekommen, da er vom König persönlich niedergestreckt wurde, der unverblümt aus dem Thron gestiegen und auf den Saiyajins zugeflogen kam, der sich erdreistete, ihn zurechtweisen zu wollen. Niemand würde dem König sagen, wann er wen zu empfangen hatte. Das oblag immer noch ihm – niemandem sonst.

 

„Grundgütiger“, nuschelte unterdessen der benommene, noch am Boden liegende Son Goku, der unaufhörlich über seine schmerzende Nase rieb. „Vegeta, was soll das?“ Unvorbereitet getroffen zu werden, hinterließ die schlimmsten Schmerzen, die Son Goku letztendlich verarzten lassen musste. Schon jetzt konnte er sich vor dem Heiler sitzen sehen, der mit einer gigantischen Spritze auf ihn warten würde – eine Vorstellung die schlimmer als jeder Schlag wäre, den Vegeta ihm versetzen konnte. „Wofür war das denn?“

 

„Halt den Mund, Kakarott!“

 

„Aber Radditz, das -“

 

„Eigentlich“, antwortete Vegeta, statt Radditz, „brauche ich gar keinen Grund, um dir eine reinzuhauen“, informierte er den Saiyajin, der torkelnd zurück auf die Beine kam und mithilfe des kleinen Glatzkopfes einen sicheren Halt fand. Vegeta hingegen marschierte unheilvoll zu seinem Thron zurück. Schließlich hatte er alles verloren, was ihm jedoch die Freiheit gab, das zu tun, worauf er Lust hatte – selbst wenn seine Beschäftigung daraus bestand, unschuldige Saiyajins zu schlagen. „Aber mein Handeln hat mir gezeigt“, präzisierte er anschließend hämisch, nachdem er Platz genommen hatte, „wie unvorsichtig du bist. Daran solltest du arbeiten – ansonsten wirst du dein Apostolat nicht erfüllen können, sondern kläglich daran scheitern.“

 

„Ein Apostolat?“, hakte Radditz' jüngerer Bruder irritiert nach, der mit dem Wort nichts anfangen konnte.

 

„Himmel nochmal! Deinen Auftrag sollst du nicht vermasseln“, half Radditz ihm grummelnd auf die Sprünge, der mit verschränkten Armen neben seinem Bruder stand.

 

„Was für ein Auftrag?“ Noch immer war Son Goku perplex. Nicht etwa, weil er mit diesem Wort auch nichts anfangen konnte – viel mehr beunruhigte der Umfang dieses Auftrages den jungen Krieger. „Inwiefern können wir dir schon helfen, Vegeta?“

 

Vegeta war tatsächlich dazu verdammt, mit Kakarott Verhandlungen zu führen? Das war ja lustig. Kakarott war doch der Inbegriff, wenn es darum ging, anhand eines Beispiels eindrucksvoll darzulegen, was Dummheit war. Dass er sich überhaupt Chancen ausmalte, dass Vegeta auf diese idiotische Konversation einging, war schon grotesk. „Ihr könnt es – glaubt mir. Und unser lieber Doktor hat etwas ganz besonderes. Etwas, das euch behilflich sein wird und ihr eigentlich gar nicht scheitern dürftet. Allerdings lege ich die Messlatte – was das betrifft – nicht allzu hoch.“

 

„Vegeta, was soll das?“, wiederholte Son Goku verzweifelt.

 

„Nun, ich hab unseren werten Doktor beauftragt, einen Radar zu erschaffen – einen neueren, effektiveren, einen besseren Radar. Lang genug Zeit hatte er ja gehabt, nicht wahr, Doktor?“

 

„Ja, mein König.“ Bulmas Vater war nach drei Wochen eingebrochen. Er hatte gar nicht mehr die Kraft aufbringen können, sich gegen die Schergen des Königs zu stellen. Um wenigstens seine Tochter zu schützen – deren Aufenthaltsort er nicht kannte –, willigte er schlussendlich ein, den Befehl des Königs auszuführen.

 

„Mittels dieses Radars sollte es euch möglich sein, die namekianischen Dragonballs zu suchen – ohne auf die Hilfe der Grünlinge zu hoffen.“

 

„Was?“, erwiderte Son Goku nicht gerade intelligent. „Es gibt namekianische Dragonballs?“

 

„Allerdings, und im Gegensatz zu den irdischen, können diese drei Wünsche erfüllen“, teilte Vegeta seinem vorlauten Gegenüber mit. „Darüber hinaus brauchen wir auch kein ganzes Jahr zu warten, bis sie wieder einsatzbereit sind, da die namekianischen Kugeln lediglich hundertdreißig Tage brauchen, um sich zu reaktivieren – weitaus fortgeschrittener als die irdischen Kugeln, nicht?“ Der König gab es ungern zu, aber es hatte seine Vorteile, wenn man der Herrscher Vegeta-Seis war. Diesbezüglich hatte Akira ihn in die dunkelsten Geheimnisse seines Volkes eingeweiht, zusätzlich offenbarte der alte Saiyajin ihm die Macht der Dragonballs. Akira erzählte ihm von der unberechenbaren Kraft des heiligen Drachen, der im Stande war, Wünsche zu erfüllen, wovon manche ihr Leben lang träumten. Aber genau davon versprach er sich eine Lösung, bezüglich seines Problems. Denn ganz so leicht war es nicht, wovon er zu Anfang ausgegangen war.

 

Ja, zwar war er kälter geworden. Vielleicht auch rauer und brutaler, doch der Drang, ihr nachzusteigen, war immer noch vorhanden. Er würde sogar behaupten, dass es von Tag zu Tag schlimmer geworden war. Wer wusste, was Turles mit ihr auf der Erde anstellte?

 

Im Nachhinein fragte er sich selbst, was er sich dabei gedacht hatte, ausgerechnet ihn zu ihrem Aufpasser zu degradieren. Jedoch gab es für seinen Beschluss zwei Besonderheiten, an die sich Vegeta bloß erinnern müsste. Zum einen war es, weil Turles andernfalls durch seine königliche Hand gestorben wäre, aufgrund des Wissens, dass der Saiyajin das Mädchen mochte, das Vegeta selbst gern hatte. Schlimmer war jedoch, dass... dass Bulma ihn auf dieselbe Art und Weise mochte. Nicht Vegeta mochte das Mädchen, sondern Turles. Der zweite Grund war – und das war ausschlaggebend –, dass er sich trotz aller Vorbehalte auf Turles verlassen konnte. Immer. Zu jeder Zeit. Der Handlanger seines Vaters war stets ergeben der königlichen Familie gegenüber, führte seine Aufträge gewissenhaft aus und kehrte erst zurück, wenn er erfolgreich gewesen war. Ein weiteres Merkmal, ihn mit Bulma zur Erde zu schicken, war eben noch immer der Grund, dass Turles... eben genauso gewissenhaft auf sie aufpassen würde. So ungern er es auch immer wieder zugab. Turles war... er war ein waschechter Saiyajin, der seine Pflicht sehr ernst nahm und nun eben auch aus anderen Gründen unermüdlich handeln würde, sofern Bulma in Gefahr wäre.

 

„Drei Wünsche? Aber wozu brauchst du -“
 

„Kakarott“, unterbrach Radditz ihn erbost, der zu seinem kleinen Bruder herantrat, bevor er ihm gegen den Kopf schlug und mit weiteren bösen Blicken zum Schweigen brachte. „Was fällt dir ein, eine solch unverschämte Frage an deinen König zu richten? Bist du nicht mehr ganz bei Trost?“

 

Zwischenzeitlich lehnte sich Vegeta in seinen Thron zurück, wo er seinen schweren Kopf mithilfe seiner Hand abstützte und die zerstrittenen Brüder ansah. Dass er sein Schicksal nur bedingt lösen konnte, war ihm bewusst. Ebenso der Umstand, dass ihn niemand trösten könnte, geschweige die Sehnsucht nach Bulma vertreiben könnte. Vegeta würde es gar nicht zulassen, da niemand wissen sollte, dass er das Mädchen mochte. Und vielleicht war es auch eine Strafe, die er alleine bewältigen und tragen musste? Die Last auf seinen Schultern, der seelische Schmerz – all das waren Faktoren, die dazu beitrugen, dass er gewissenloser wurde. Und so sehr er sich bemühte, die Last über Bord zu werfen, es würde womöglich nicht funktionieren. Allerdings hatte er sich eine ausgeklügelte Strategie überlegt, die zumindest den Schmerz lindern könnte – dazu bräuchte er eben nun mal alle drei Wünsche. Vegeta wollte endlich verstehen und sich zu wünschen, die Legende würde nie existieren, wäre wie ein Tropfen auf den heißen Stein – eine Umsetzung, die gar nicht realisierbar war.

 

„Verzeih, Radditz, aber man wird ja noch nachfragen dürfen, oder?“ Aufgescheucht, aufgrund der erneuten Einwirkung auf seinen Schädel, sprang er erschrocken zurück, während er sich mittlerweile über die pochende Stelle an seinem Kopf rieb. Himmel nochmal, er würde definitiv zu einem der Heiler gehen müssen, die ihn in einen der Tanks sperren würden, nachdem sie ihm eine riesige Spritze gegeben hätten.

 

„Nein, Kakarott, das darf man nicht. Jedenfalls nicht so respektlos, wie du es getan hast“, belehrte Radditz ihn unverfroren. Zuzüglich verpasste er ihm einen Schubs nach vorne, bevor er hinzufügte: „Und jetzt halt deine freche Schnauze.“

 

Hinsichtlich der Auseinandersetzung lehnte Vegeta sich noch ein Stück weiter nach hinten. Es amüsierte ihn, eine Banalität zwischen zwei Brüdern zu beobachten, die zu einem heftigen Streit hätte führen können. Es war sogar etwas befreiend, sich nicht ständig mit den eigenen Problemen zu befassen. Dennoch hoffte er irgendwie, dass Radditz solange auf seinen törichten Bruder einschlug, bis dessen Organe lebensunfähig wären – angesichts seiner unermüdlichen Neugier. Scheinbar wollte Bardocks zweitgeborener Junge unbedingt wissen, wie es Bulma ging, doch schien er sich nicht mehr zu wagen, danach zu fragen. Stattdessen wanderte sein Blick seitlich zu Akira, der offensichtlich befangen war. Herbeigeführt durch die Anwesenheit seines Bruders, der in Misskredit geraten war und sich Vegetas Zorn stellen müsste.

 

„Wie dem auch sei, Kakarott“, erwähnte Vegeta gelangweilt, der die Hand vor seinen gähnenden Mund hielt, obwohl er gar nicht müde war. „Ich brauche die drei Wünsche. Wofür, ist vorerst irrelevant für dich. Allerdings wirst du, die Glatze und unser neuer Freund dafür sorgen, dass ich zeitnah in den Besitz der Kugeln komme.“

 

„Wir drei sollen -“

 

„Wo denkst du hin, du Schwachkopf?“, lachte Vegeta mit erhobener Hand. „Ich gehe sehr wohl davon aus, dass ihr nichts erreichen werdet. Aus dem Grund wird Nappa euch begleiten und, Kakarott?“

 

„Ja?“, antwortete er schluckend.

 

„Solltet ihr euch wagen, ohne die Kugeln zurückzukehren, dann wird eure Ankunft überhaupt nicht erfreulich. Und wenn ihr es in Erwägung zieht, mich zu verarschen, dann seid gewarnt: Ich werde euch bluten lassen – so richtig“, versprach er spöttisch, wenngleich seine Aussage bitterernst gemeint war.

 

„Majestät, es ist mir nicht gestattet, Euch zu fragen, aber ich... ich bitte Euch: Sagt mir, wann meine Bulma zurückkommen wird?“ Doktor Briefs wusste, ihm war es nicht erlaubt, das Wort ungefragt an den König zu richten, woraufhin er er auch ehrfürchtig seinen Kopf nach unten neigte, in der Hoffnung, man verzieh ihm. „Ihre Mutter und ich... Wir kommen um vor Sorge“, ergänzte er und betrachtete die weißen Fliesen unter seinen Füßen.

 

„Du hast recht. Es ist dir nicht gestattet.“ Vegeta könnte ihm all das heimzahlen, was er dem damaligen Prinzen in der Einöde angetan hatte. Jetzt war er befugt dazu, ihren Vater an die Wand stellen und niederstreckten zu lassen, aber für welches Vergehen eigentlich? Dafür, dass er dazwischen ging, als Vegeta und Bulma sich im Bad näher gekommen waren?

 

War das ein Grund? Für Vegeta schon. Aber er würde ihren Vater anderweitig dran kriegen. Er würde infolge dieser Frage nun jedem Anwesenden beweisen, dass ein solches Verhalten nicht toleriert wurde – egal, wie andächtig er seinen Kopf auch neigte. Unweigerlich schwebte er daraufhin zu ihm. „Ich will diesen Namen nicht hören, Doktor. Sieh lieber zu, dass dein Radar funktioniert. Ansonsten wirst du der erste Saiyajin sein, der durch meine Hand fällt. Verstanden, Doktor?“ Zum ersten Mal hatte er den Mann geduzt, was ihm noch mehr zeigte, wie weit Vegeta über diesen Subjekten stand. „Ich dulde weder von dir, noch sonst wem Widerstand. Solltest du es dennoch in Betracht ziehen, dich mir zu widersetzen, werde ich unverzüglich jemanden zu deiner Tochter schicken, um sich ihrem baldigen Ableben anzunehmen. Kam das endlich an?“, schrie er die letzten Worte in die Richtung ihres Vaters. „Und ich hoffe, das kam bei jedem von euch Idioten an?“

 

Zu seinem Glück wusste niemand der Anwesenden – abgesehen von Radditz –, wie sehr Vegeta von ihrem Leben abhängig war...

 

„Ja, königliche Hoheit“, antworteten Vegetas Sklaven untertänigst, bevor sie sich auf den Weg nach draußen zu den Kapseln machten. Son Goku fühlte sich nicht wohl dabei, er wollte am Tor sogar noch einmal inne halten, Vegeta noch einmal nach Bulma fragen, doch war es Yamchu, der ihn von dieser dummen Idee abhielt und mit sich zog. Aber das flaue Gefühl befiel den Saiyajin wie ein Virus, weil er ins kalte Wasser gestoßen wurde. Und sein Bruder? Ha, Radditz würde ihm natürlich nicht sagen, was genau der König vorhatte. Son Goku könnte nicht einmal heimlich zur Erde fliegen, um nach Bulma zu suchen, da ihnen Nappa im Nacken säße.

 

Mist, verdammter. Somit war auch die Möglichkeit zunichte gemacht worden, zumindest Yamchu wohlbehalten zur Erde zu bringen.

 

„Vegeta?“ Akira trat hervor, nachdem die restlichen Saiyajins das Tor hinter sich geschlossen hatten. „Ist alles in Ordnung?“ Väterlich wollte er seine Hand auf die Schulter des Mannes legen, dessen Kindheit er begleitet hatte. Akira kannte den einstigen Prinzen seit seiner Geburt, aber seitdem er König geworden war, war die Distanz zu Vegeta noch einmal vergrößert worden.

 

„Was genau willst du hören, Akira?“, fauchte er den alten Mann an, nachdem er seine Hand – die er vor einigen Sekunden zu seiner Schläfe gehoben hatte – nach unten sinken ließ, bevor er sein abwertender Blick das Gesicht des königlichen Beraters streifte. „Dass es mir schlecht geht? Willst du das hören?“

 

„Ich -“

 

„Ja, es geht mir schlecht, verfluchte Scheiße!“, grölte er im Anschluss, ehedem er seine Hand erneut hob, um seine Massage fortzusetzen – die er so dringend benötigte. „Geht es dir jetzt besser, nachdem du weißt, wie dreckig es mir geht?“

 

„Glaub mir, du wirst mit der Zeit -“

 

„- lernen damit umzugehen? Willst du das sagen?“, bemerkte Vegeta angespannt. „Ich habe deine blöden Sprüche dermaßen satt, Akira. Sie stehen mir bis hier oben“, knurrte er, während er auf seinen Hals zeigte, um der alten Nervensäge zeigen zu können, bis wohin es ihm stand. „Vergiss nicht, dass ich immer noch ich bin, und nicht wie mein erbärmlicher Vater. Oh nein, ich bin noch viel schlimmer als er und ich sage es dir kein zweites Mal: Erwarte nicht, dass ich deine Immunität“, belächelte er und setzte das Wort mit seinen Fingern in Anführungszeichen, „berücksichtige. Solltest du mir dennoch weiter auf den Sack gehen, werde ich mit deinem gebrechlichen Körper Achterbahn fahren. Verlass dich drauf.“ Kurz ließ er seine Worte sacken und fuhr erst fort, aks er die geweiteten Augen Akiras sah. „Ich hoffe“, fuhr er gehässig fort, „ich bin dir skrupellos genug, alter Mann? Des Weiteren hoffe ich, dass du mit der Erschaffung meiner Herzlosigkeit zufrieden bist? Wäre doch echt schade um den Aufwand, den du und mein Vater so mühevoll auf euch genommen habt.“

 

„Vegeta, bitte.“

 

„Verschwinde, Akira“, riet ihm Vegeta stattdessen ruhig, nachdem er sah, wie der Greis immer näher zur Empore gekommen war.

 

„Lass mich dir helfen, das Leid erträglicher zu machen.“

 

„Verschwinde endlich!“, skandierte der König, bevor er die ausgestreckte Hand von Akira umklammerte und seinen Körper zu seinem heranzog, um in diese stahlblauen Augen sehen zu können, die Bulmas Augen so ähnlich waren. „Geh, Akira. Hau ab, bevor ich mich vergesse!“

 

 
 

~*~

 

 

Seit zirka zwei Stunden starrte Turles zur Decke hinauf. Ein Seitenblick zu einer großen Wanduhr verriet ihm zudem, dass es bereits nach zwei Uhr gewesen war. Dass er sich überreden ließ, mit ihr ins Haus zu gehen... Verdammt, das war ein Fehler gewesen, der nicht hätte passieren dürfen, da er nun unten im Wohnzimmer lag – die Hände hinter seinem Kopf verschränkt. Gestern Nachmittag hatte Bulma ihn ins Haus gebeten, was er zähneknirschend annahm und ihr gefolgt war, verflucht nochmal. Sie hatten sogar wortlos zusammen gegessen, ehe sie ihm im Anschluss zeigte, was ein Fernseher war. Infolgedessen hatte sie ihm auch erklärt, wie man einen DVD-Player bediente – so nannte sie den schwarzen Kasten, auf dem die silbernen Buchstaben Sony standen –, ehe sie im oberen Stockwerk verschwand und nicht wieder nach unten gekommen war. Der heutige Tag verlief ähnlich. Wieder hatte sie ihn – nachdem er das Haus in der Früh verlassen hatte – aufgesucht und gefragt, ob sie nicht in die nächstgelegene Stadt fahren sollten, was Turles wiederum strikt ablehnte. Er wollte sich partout nicht an das Mädchen und ihre Anwesenheit gewöhnen. Sicher, und das konnte er mit Bestimmtheit sagen, wollte Vegeta ihn testen, sowohl im Bezug auf das Mädchen, als auch auf Turles' Verlangen. Absichtlich hatte der König ihn mit ihr zur Erde geschickt, um auf die Saiyajin aufzupassen, die der König wollte, aber nicht bekommen durfte.

 

Ihm hingegen war immer eingetrichtert worden, dass er zurückstecken musste, wenn es etwas gab, was der Königssohn begehrte. Das hatte Turles schon in frühester Kindheit lernen müssen. Die Schere zwischen den beiden war gigantisch... Immerhin war er bloß ein einfacher Handlanger, der im Namen der Königsfamilie handelte – demnach nichts besonderes, weshalb ihm auch nie in den Sinn käme, sich Vegeta in den Weg zu stellen. Bisweilen befiel ihn dieser Drang nie. Der königliche Krieger würde sich hüten, Bulma näher zu kommen – ganz gleich, wie sehr er es innerlich vielleicht wollte. Sich vielleicht sogar in Gedanken vorstellte, Bulma näher zu kommen.

 

Für ihn zählte nicht einmal die Entfernung zu Vegeta-Sei. So weit der König auch entfernt wäre, der Gedanke, ihn nochmals zu sehen, war fester Bestandteil seiner innerlichen Konflikte, die er seit Tagen mit sich selbst austrug. Letzten Endes würde er sich dennoch weigern, ihr auf körperlicher Basis näher zu kommen. Sowohl sein Stolz, als auch die Treue Vegeta gegenüber waren unermesslich groß. Demzufolge könnte Liebe – sofern sich jemals welche entwickeln würde – diesen Eid niemals überwiegen.

 

Allerdings – und das störte den jungen Saiyajin – war es ungewöhnlich, dass er sich seine Standfestigkeit einreden musste. Es war zumindest nicht gut, dass er gedanklich beteuerte, sich ihr nicht zu nähern. Aber ihr Weinen, das er gestern Abend schon mit anhören musste, war nicht mehr zu ignorieren. Es klang schrecklich und es traf Turles. Sie war unglücklich, obwohl die Erde der Ort gewesen war, nachdem sie sich sehnte. Davon war nichts mehr zu spüren, woraufhin er sich zur Seite drehte, sein Ohr auf das Kissen drückte und gleichzeitig die andere Hand auf das freiliegende Ohr platzierte. Aber das brachte ihn überhaupt nicht weiter. Zu ungemütlich war die Liegeposition, weshalb er sich aufsetzte und seine Hände über sein müdes Gesicht rieb. Zusätzlich wippten seine Füße – die mittlerweile in hässliche blaue Socken gehüllt waren – unregelmäßig auf dem Boden auf und ab.

 

Sollte er nach oben gehen? Nachfragen, ob es ihr gut ging? Nein, denn offensichtlich ging es ihr gar nicht gut. Sonst würde sie ja auch nicht weinen. Aber eine weitere Nacht ihrem Weinen zuzuhören, wäre etwas, das er nicht mehr mitmachen wollte. Aufgrund dessen kapitulierte er vor sich selbst, warf seine Prinzipien über Bord und schritt zur Treppe. Augenrollend sah er die dunklen Stufen hinauf, die – je höher seine Augen wanderten – immer mehr in der Dunkelheit verschwanden. Seine Hand landete unterdessen ruhelos auf dem Treppengeländer, bevor er seinen verdammten Mut zusammennahm und die Stufen erklomm, während er unruhig ein- und ausatmete.

 

Wie schnell die unscheinbare Tür in seinem Blickwinkel erschien, war nicht zu definieren, aber mit jedem Schritt kam er ihr näher. Davor angekommen, zog er seine Augenbrauen wütend zusammen, hob die Hand und polterte gegen das harte Holz. „Wenn du die ganze Nacht weinst, gehe ich wieder nach draußen“, knurrte Turles und sprach ungerührt weiter, nachdem das Weinen augenblicklich verstummt war. „Das hält ja der stärkste Saiyajin nicht aus.“ Sich darüber bewusst, dass sie die Tür nach dieser passiven Aussage erst recht nicht öffnete, wollte er schon auf dem Absatz kehrt machen, als er plötzlich leise Schritte hinter der Tür vernahm und er davon absah, nach unten zu verschwinden. Stattdessen verschränkte er missmutig die Arme, um seinen Unmut deutlich zu zeigen. Nachfolgend sah er, wie die Tür einen Spalt weit aufgezogen wurde und Turles war froh, dass der Flur im Dunkeln lag, da ihr ansonsten aufgefallen wäre, wie erschrocken er sie angesehen hatte – aufgrund ihres traurigen Gesichtsausdrucks.

 

Aber Turles war ein Meister der Illusion. Ihm fiel es überhaupt nicht schwer, sein Gesicht in eine düstere Miene zu verwandeln.

 

„Entschuldige, Turles“, wisperte sie in die Finsternis hinein. Parallel umfasste ihre Hand die halbgeöffnete Tür, um sich selbst Sicherheit zu verleihen, da ihr das Sprechen – aufgrund der vielen Tränen, die sie bereits vergossen hatte – unglaublich schwer fiel. „Es... Es war keine Absicht. Ich wollte dich nicht aufwecken.“

 

„An Schlaf ist nicht zu denken, Mädchen. Ich liege seit Stunden wach, weil ich dank deiner Heulerei nicht einschlafen kann.“ Gott, es tat ihm tatsächlich weh, so herablassend mit ihr zu sprechen, aber... aber er musste tapfer sein. Er durfte sich nicht von Emotionen lenken lassen. „Und ich würde verdammt gern schlafen. Aber das ist mir leider nicht möglich, wenn du hier oben im Tränenmeer ersäufst, das mich ebenso flutet.“

 

„Bitte entschuldige.“ Bulmas andere Hand wischte derweil zitternd über ihre verweinten Augen. Ihre Stimme klang noch immer raus, als sie abermals zu sprechen begann. „Ich... Ich werde leise sein, versprochen.“ Sie konnte es nicht versprechen, aber verärgern wollte sie ihn auch nicht mehr. Sauer war er bestimmt schon genug, weil er dazu verdammt war, mit ihr auf einem Planeten zu bleiben, der ihm so fremd war. Und Bulma konnte es so gut nachvollziehen, wie schrecklich es dem jungen Saiyajin gehen musste.

 

„Wieso weinst du?“ Ja, Turles war ein Idiot. Hätte er nicht einfach gehen können? Nein, denn er musste ja scheinbar immer tiefer in den Misthaufen treten.

 

Erstaunt bezüglich seine Frage, sah Bulma zu ihm auf. „Ich... Ist nicht so wichtig.“

 

Er konnte sich denken, wieso sie weinte. Trotzdem hätte er gerne aus ihrem Mund gehört, was los gewesen war. Einfach, weil... weil er sich mit ihr unterhalten wollte. Im Grunde wollte er nämlich noch gar nicht gehen. „Gibt es etwas, das ich tun kann, damit das aufhört und ich schlafen kann?“ Und es gab tatsächlich etwas. Er könnte nach draußen gehen oder sie in Ruhe lassen. Denn allem Anschein nach war seine Präsenz nicht erwünscht. Ansonsten hätte sie ihm den Grund genannt, aber es war ihm egal, dass sie nicht mit ihm sprechen wollte. „Willst du... einen Tee oder so?“

 

Leicht unbeholfen stand er ihr gegenüber, nachdem er seinen Vorschlag geäußert hatte – nicht sicher, wie man mit der Situation und einem weinenden Mädchen umgehen musste. Noch nie hatte er vor einer aufgelösten Frau gestanden, die Gefahr lief, in ihren Tränen zu ertrinken – bis Bulma in seinem Leben aufgetaucht war, die ihn andauernd vor eine unüberwindbare Herausforderung stellte, die sie nur gemeinsam bewältigen konnten.

 

„Tee wäre ganz wunderbar“, antwortete sie lächelnd, nachdem sich ihr offen stehender Mund schloss, hinsichtlich der Verwirrung.

 

„Schön.“ Na toll. Er hatte sich eigenhändig in das nächste Dilemma manövriert. Daraufhin ging er voraus und er konnte die schleichenden Schritte hinter sich deutlich hören – wie eine detonierte Bombe prägten sie sich in sein Gedächtnis, während sie zur Küche marschierten, ohne dass Turles noch einmal zu ihr zurück sah. Er schaltete in der Küche das Licht ein und hoffte, sie würde an ihm vorbeigehen und sich selbst Tee aufsetzen, aber so wie er Turles gewesen war, war Bulma noch immer Bulma – eine gütige Saiyajin.

 

„Magst du auch einen Tee?“

 

Nun ja, sie tat ihm insofern den Gefallen, dass sie sich selbst einen Tee machen konnte. Aber sie bot ihm ebenfalls einen an, obwohl er dachte, anhand seiner passiven Haltung zum Ausdruck zu bringen, wie ungern er hier mit ihr stand und lieber alleine geblieben wäre.

 

„Nein, oder weine ich?“, wollte er verdutzt wissen.

 

Abrupt hielt Bulma inne und schmunzelte. „Du denkst“, erwähnte sie leise, während sie sich an ihm vorbei drückte und zu einem der Schränke ging, aus dem sie sowohl eine Tasse, als auch ein Teeei entnahm, „dass man nur Tee trinkt, wenn man weint oder traurig ist?“ Ferner setzte sie Wasser auf, doch als sie sich anschließend zur Tür drehte, erstarb ihr Lachen...

 

Turles war – ohne ein Wort zu sagen – gegangen.

 

Augenblicklich sanken ihre Mundwinkel nach unten, während sie beklommen wartete, bis das Wasser heiß genug war, um den duftenden Tee aufgießen zu können. Währenddessen bemerkte sie im Augenwinkel das Flimmern, das aus dem Wohnzimmer drang. Künstlich lächelnd ging ihr auf, dass der Fernseher anscheinend interessanter gewesen war, als ihre nervige, larmoyante Art. Aber... das war ok, oder? Bulma hasste ihren derzeitigen Zustand ja auch. Sie selbst wäre genauso geflüchtet...

 

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Dass er ein Gespräch mit ihr anfing? Insgeheim hatte sie das gehofft, nachdem sie weitere zwei Minuten gewartet hatte, bis sie schlussendlich das heiße Wasser in die Tasse schüttete, nach dem Henkel griff und am Rundbogen – der sie ins Wohnzimmer führte – stehen geblieben war. Davon überzeugt, unbemerkt zu bleiben, nahm Bulma sich die Zeit, seinen Hinterkopf anzusehen und es war, als wäre sie wieder sechzehn. Es fühlte sich wie früher auch. Damals saß Son Goku auch hier. Auch ihm hatte sie einen Fernseher gezeigt, doch anders als Turles, war Son Goku erschrocken, nachdem er die Menschen in der Flimmerkiste entdeckt hatte. Ach je, wie lustig es gewesen war, als der junge Son Goku sich keinen Rein darauf machen konnte, dass Menschen in der – für ihn unbekannten – Kiste saßen.

 

Aber Turles war... er war nun mal nicht Son Goku. So ähnlich sie sich sahen, sie waren von Grund auf verschieden.

 

„Du musst Film abspielen anklicken“, flüsterte sie beschämt, nachdem er noch immer stumm das Startmenü der DVD beäugte. Abschließend blies sie – um ihn nicht länger wie eine Verrückte anzustarren – in ihre dampfende Tasse hinein.

 

„Ich weiß“, bekräftigte er und blickte über seine Schulter. Turles musste unwillkürlich lächeln, als er ihre zinnoberroten Wangen erspähte. „Ich hab gewartet, oder willst du den Anfang verpassen?“ Wieso war er nicht eben schon auf die glorreiche Idee gekommen, dieses Ding einzuschalten? Er hätte die Lautstärke so weit aufdrehen können, bis ihr Weinen übertönt worden wäre, doch war er dumm genug gewesen, sich von der Couch zu erheben und nach oben zu ihr zu gehen. „Wenn du den Anfang nicht sehen willst, kann ich dich beruhigen. Ich hab mir gemerkt, wie man das Teil vorspult.“ Mit jedem weiteren Wort sah er sich dem Tod näher kommen. Vegeta würde ihn vierteilen lassen, wenn er hiervon wüsste.

 

„Danke, ich... Du hättest nicht warten müssen.“ Oh, er hatte tatsächlich auf sie gewartet, woraufhin sie sich unsicher dem Sofa näherte, vor dem sie seine schwere Stiefel entdeckte. Aufgeregt nahm sie mit etwas Abstand neben ihm Platz, nachdem sie die Tasse auf den Tisch abgestellt und gleichzeitig nach der Fernbedienung gegriffen hatte. „Aber du musst dich nicht meinetwegen durch diesen Film quälen.“

 

„Ich möchte“, winkte er belanglos ab und gab zu, dass der flache Bildschirm – in dem Wesen umhersprangen – eine gewisse Faszination auf ihn ausübte. „Außerdem dachte ich, dass du dich in Gesellschaft wohl fühlst?“

 

„Ja, das... das stimmt auch.“ Beflissen zog sie ihre Beine an, die ihre Hände begierig umklammerten, ehe sie ihr Kinn auf ihren angewinkelten Knien ablegte. „In Gesellschaft vereinsamt man nicht.“

 

„Ich bin zwar nicht die beste Gesellschaft“, brummte Turles, „aber vielleicht hilft es dir ja.“

 

„Danke Turles. Ich schätze das wirklich, dass du dir die Mühen machst.“ Selbstverständlich nahm sie sein Angebot dankend an, aber die Frage – wieso sie mit Turles auf der Erde zurückgelassen wurde, während ihre Eltern noch auf Vegeta-Sei waren – quälte sie. Wieso hatte man Son Goku zurückbeordert, währen man sie zurückließ – alleine, einsam, ohne ihre Eltern, Chichi und Yamchu? Sie hatten ja nicht einmal ein Ziel vor Augen. Sie suchten weder die Dragonballs, noch etwas anderes. Sie suchten einfach nach nichts.

 

Diese Gedanken erschwerten es Bulma, weiterhin aufmerksam der Handlung des Films zu folgen, weshalb sie es nicht länger aushielt und ihn ungefähr in der Mitte des Films darauf ansprechen musste.

 

„Turles?“, durchbrach sie die bisher anhaltende Stille, obwohl sie glaubte, dass Turles jene Stille unbedingt aufrecht erhalten wollte, da er seinen Kopf ungewöhnlich langsam in ihre Richtung bewegte.

 

„Ja?“

 

„Na ja, weißt du“, begann sie und kratzte sich am Hinterkopf. „Ich frage mich schon die ganze Zeit, was wir hier überhaupt machen und wieso wir nicht zurückkehren dürfen?“ Ein wenig sträubte sie sich, expliziter nachzufragen, aber ihre Neugier war dennoch stärker. „Hat der König es sich etwa anders überlegt? Will er die Dragonballs doch nicht mehr haben?“

 

Ha, der König hatte es sich in der Tat anders überlegt. Allerdings aus anderen Gründen, die Bulma nicht kennen konnte. „Vielleicht solltest du -“

 

„Bitte Turles“, flüsterte Bulma, ehe sie ihre Hand auf seiner Schulter platzierte. „Bitte erklär es mir doch. Ich... Ich vermisse meine Eltern so sehr und -“

 

„Du solltest, bevor du alles wissen willst, erst einmal erfahren, dass Vegeta zum König gekrönt wurde“, offenbarte er ihr.

 

„Was?“ Unverzüglich zog sie ihre bebende Hand zurück. „Ve- Vegeta wurde zum König gekrönt? Aber“, stammelte sie fassungslos, „warum?“

 

„Weil es Dinge auf dieser Welt gibt, die du nicht verstehen musst.“ Ungehindert lief der Film im Hintergrund weiter. Der Film störte sich nicht an dem anbahnenden Disput – im Gegensatz zu Turles. Er fühlte sich ertappt und unwohl. „Vegeta ist König. Punkt. Mehr musst du gar nicht wissen.“

 

Nein, damit wollte sie sich nicht zufrieden geben. „Aber wieso hat er Son Goku -“

 

„Bulma“, seufzte der Saiyajin neben ihr genervt, „die königlichen Entscheidungen haben dich nicht zu interessieren. Vegeta braucht die Dragonballs nicht und meine Aufgabe – die Kakarott nicht im Entferntesten bewältigen könnte – ist es, zu verhindern, dass du zurück nach Vegeta-Sei kommst und ich werde alles, was in meiner Macht steht tun, um diesen Befehl auszuführen.“ Dass er irgendwo auch eigensinnig handelte, weil er irgendwie auch gerne mit ihr alleine war, offenbarte er ihr per se nicht.

 

„Das kannst du nicht ernst meinen? Wenn... Wenn Vegeta König geworden ist, dann... dann muss doch etwas passiert sein?“ Grundgütiger, sie sah die Gefahr, in der sich ihre Eltern, aber auch ihre Freunde befanden. „Meine Eltern sind dort. Yamchu und Chichi ebenfalls.“

 

„Vegeta hat wichtigeres zu tun, als sich darum zu kümmern.“ Richtig, dafür hatte der König seine Lakaien, um die Drecksarbeit zu erledigen, wobei Turles sogar noch eher glaubte, dass Vegeta sich zu gerne um Bulmas Familie kümmern würde – einfach, um sie zu strafen.

 

„Wenn er mich strafen will, dann soll er das machen, aber seinen Frust an meinen Eltern oder an meinen Freunden auszulassen, ist erbärmlich und feige.“

 

„Vegeta ist alles – aber bestimmt nicht feige“, konterte Turles.

 

Das musste es sein. Vegeta wollte ihr eine Lektion erteilen. Warum auch immer. Bei diesem Saiyajin konnte man sich nie sicher sein, anlässlich der abtrünnigen Gedanken, die scheinbar in seinem Kopf umhergeisterten. Aber wieso war er zum König gekrönt worden? Es musste einen Grund geben. „Unter diesen Umständen musst du verstehen, dass ich zurück muss, oder? Bitte lass uns zurückfliegen, damit ich meine Eltern abholen kann.“

 

„Du wirst nicht zurückgehen.“ Angestrengt, sie nicht anzuschreien, rieben seine Finger – die bisher friedlich auf dem Polster lagen – über den weichen Stoff, was ihm half, seinem Körper innerliche Ruhe zu bereiten, wenn auch nur geringfügig, aber es reichte aus, um bedächtig aufzutreten. „Glaub mir, ich werde dich nicht zurückgehen lassen und alles daran setzen, dass wir beide auf der Erde bleiben.“

 

„Und was sollen wir hier?“, wiederholte Bulma zorniger als zuvor, denn auch sie wurde wütend. Allerdings konnte sie sich nicht so gut beherrschen wie ihr Nebenmann. „Herumsitzen und nichts tun?“

 

Okay, da ging sie hin, seine Beherrschung. Sie flatterte davon, woraufhin er angefressen in ihre Richtung knurrte: „Ja!“ Genau das sollten sie. Herumsitzen und gar nichts machen. Einfach die Füße still halten.

 

„Schön!“, bellte Bulma, die die sture Art der Saiyajins nicht verstehen konnte, obwohl sie selbst unglaublich stur sein konnte. Aber das wollte sie gar nicht sehen. Stattdessen war der Gedanke, dass Saiyajins unausstehliche Wesen waren, bedeutend angenehmer. „Wir tun einfach so, als wäre gar nichts.“ Beleidigt legte sich die junge Saiyajin auf die Seite, zog folglich ihre Knie ganz eng an ihren Körper heran und starrte ununterbrochen zum Fenster, wenngleich sie dem Film kaum Beachtung schenkte. Aber sie wollte einer weiteren Konfrontation aus dem Weg gehen, denn sagen würde er ihr sowieso nichts – so sehr sie auch betteln würde. „Wir leben einfach unser blödes, eintöniges Leben weiter.“

 

„Denkst du, mir gefällt es?“

 

Da hatte Bulma ihre Antwort. Er wollte nicht hier sein. Bulma ebenso wenig.

 

„Ich wäre auch lieber zuhause.“ Nicht nur sie war wütend. Turles war es mindestens genauso. Aber was erwartete sie? Dass sie einfach so zurück spazieren konnten? Und wie Bulma es schon zuvor getan hatte, drehte er sich kopfschüttelnd und knurrend weg von ihr, um ebenfalls zum Fernseher zu sehen. Zudem wurde ihm wieder vor Augen geführt, dass es keine gute Idee gewesen war, die Nächte in diesem großen Haus zu verbringen. Die hinzugekommene Langeweile, der er ausgesetzt war, tat das Nötigste – ihm viel Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Aber vielleicht blieb ihm ja heute diese unnötige Nebenwirkung der Langeweile erspart, denn seine Lider wurden zunehmend schwerer, je länger er sich auf den Film fokussierte. Einen weiteren Blick auf Bulma wagte er jedoch erst gute dreißig Minuten später.

 

Er war nicht überrascht, dass sie eingeschlafen war. Sie musste unendlich müde gewesen sein, da sie genauso wenig geschlafen hatte wie Turles, aufgrund der schrecklichen Tränen. „Tze, Erdenmädchen“, bemerkte er anschließend feixend. „Du bist mit einem bedeutend besseren Schlaf gesegnet als ich. Es sei dir gegönnt.“ Doch so genervt er von ihr, ihren Fragen und ihrer Bitte gewesen war, so beruhigender war es, ihr beim Schlagen zuzusehen. Sie wirkte so friedlich, wenn sie schlief und Turles hätte die einmalige Gelegenheit nutzen können, eines der Zimmer aufzusuchen, die Bulma ihm beim ersten Betreten des Hauses gezeigt hatte. Jedoch tat er das genaue Gegenteil.

 

Statt sich klammheimlich zurückzuziehen, entschied er, hier bei ihr zu bleiben. Infolgedessen bückte er sich leise nach vorne und zog seinen weißen Umhang – der auf dem gegenüberliegenden Sessel lag – zu sich heran. Aber anstatt sich selbst zuzudecken, breitete er seinen Umhang vorsichtig über Bulma aus. Peinlichst darauf bedacht, ihren Körper zu bedecken, so dass sie nicht fror. Im Anschluss lehnte er sich erschöpft zurück, um ebenfalls ein wenig zu entspannen.

 

Gesetzt dem Fall, er würde doch einschlafen, so wäre auch das in Ordnung. Turles würde sowieso vor ihr aufwachen. Abschließend versank er in seine eigenen Gedanken, breitete seine Beine unter dem Tisch aus – da Bulma die Hälfte der Couch in Beschlag genommen hatte – und legte seinen Nacken auf der Rückenlehne des Sofas ab, ehe er den Kopf ein wenig zur Seite neigte; den Blick auf die schlafende Bulma gerichtet.

 

Kurz zuckten seine Mundwinkel, bevor er ihr abermals etwas zuflüsterte. Es waren niederschmetternde Worte, aber sie würden wohl irgendwann der Wahrheit entsprechen. „Du wirst mein Untergang sein, Bulma“, bekräftigte er im Nachhinein gähnend und schloss erleichtert seine müden Augen...


 

Arroganz ist die Karikatur des Stolzes

Ein wahrhaft großer Mann wird weder einen Wurm zertreten noch vor dem Kaiser kriechen.

- Benjamin Franklin
 

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel dreiundzwanzig -

 

 

Seit vier Wochen herrschte Vegeta nun über Vegeta-Sei und mit jedem Tag schien der Himmel ein Stück weit dunkler zu werden. Angetrieben von seinem Jähzorn hatte er unzählige Soldaten entsandt, um umliegende Planeten zu erobern. Handelsabkommen, die für seinen Vater von Bedeutung waren, hatte Vegeta in Windeseile zerstört. Viele Völker trauten sich kaum noch nach Vegeta-Sei, obwohl der Planet auch vom Tourismus lebte. Aber das war dem König – der mit verschränkten Armen vor einem der bodenlangen Fenster stand – egal. Es war grotesk, denn in diesem Moment ähnelte er unglaublich seinem Vater, der selbiges immer getan hatte, wenn er nachdenken musste. Auch Vegeta sah der Sonne dabei zu, die den Prozess des Untergehens einleitete und wäre er kein gefühlskaltes, egozentrisches Arschloch, hätte ihn die glühend rote Farbnuance – die die Häuser seiner Untertanen in ein schimmerndes rot tauchte – mit Sicherheit berührt. Aber er war eben nicht sentimental. Der König ließ sich von solch banalen Dingen nicht mitreißen, auch wenn er glaubte zu wissen, dass alleine der Ausblick ausreichen würde, um eine blauhaarige Saiyajin zu erfreuen.

 

Aber sie war nicht mehr hier und obwohl er diesbezüglich täglich missmutiger wurde, war heute der erste Tag, an dem sich der König einmal fallen ließ. Er verbannte die harte Positur und ließ einfach die Zeit ins Land ziehen. Wieso auch nicht? Es gab ja niemanden, der auf ihn wartete. Dennoch war just in dem Moment ein kleiner Hoffnungsschimmer entstanden – ganz winzig, tief verborgen in den untersten Regionen seines Zentrums, das realistisch genug war, alles was er bisher getan hatte anzuzweifeln. Der kleine Funke wollte ihm mitteilen, dass es noch etwas zu rette gäbe, wenn er endlich zu seinen Gefühlen stünde, aber er wusste es besser. Der König wusste, dass es nichts zu retten gab. Vegeta würde ins Unglück stürzen, würde er sein Vorhaben über Bord werfen und aus dem Bauch heraus handeln.

 

Er bräuchte lediglich die Dragonballs, die ihm seine Lakaien besorgen mussten. Danach würde sich sowieso alles zum Guten wenden – daran glaubte Vegeta fest.

 

Zudem war es herrlich erfrischend, sich einmal nicht zu verstellen. Vegeta musste in diesem Moment niemandem beweisen, wie stark er war. Vegeta müsste niemanden zurechtweisen und konnte seinen Gedanken und dem Wunsch nachhängen, zumindest jetzt einmal seine Schultern schlaff nach unten hängen zu lassen und zusätzlich darüber zu philosophieren, wie es wäre, wenn sein Plan funktionierte, den er sich zurecht gelegt hatte. Um sich diesem wunderbaren Blendwerk seiner Phantasie hinzugeben, schloss er die Augen und genoss die letzten Sonnenstrahlen, die seine geschlossenen Lider küssten, ehe sie sich verabschiedeten und hinter dem Horizont verschwanden.

 

Doch noch keine zwanzig Sekunden waren vergangen, noch keine drei Mal hatte Vegeta ausgeatmet, da bemerkte er ein nerviges Geräusch, das immer lauter wurde und den König zwang, aus seinen feudalen Tagträumen aufzuwachen.

 

„Nein!“, rief er – mit weiterhin verschlossenen Augen – demjenigen zu, der hinter dem Tor auf die Erlaubnis des Eintretens wartete. Zuzüglich schlich sich der Gedanke an die Oberfläche, als Bulma in einer der Zellen saß – angebunden an der Wand. Damals hatte sie ihn gefragt, ob er sie in ihrem Elend nicht alleine lassen könnte... Er hatte damals verneint, aber heute konnte er ihre Bitte nachvollziehen... Er wollte ebenfalls in seinem Elend alleine gelassen werden. Aber im Endeffekt waren alle Saiyajins doch gleich – sie waren stur, unbelehrbar und das zeigte ihm ausgerechnet Kakarott, der seinen hässlichen, verfluchten Dickkopf durchsetzen musste, indem er abermals gegen das schwere Holz klopfte und dezent um Einlass bat. „Ich sagte 'nein', Kakarott.“ Er wunderte sich gar nicht, dass dieser Blindgänger sich über den königlichen Befehl hinwegsetzte und das Tor unerlaubterweise öffnete. Vegeta wartete schlussendlich nur noch darauf, bis dieser Vollidiot neben ihm ankam und das tat Radditz' Bruder auch. Dicht hatte er sich neben Vegeta gestellt, eine ähnliche Haltung eingenommen und den Ausblick genossen – so lange, bis er vermutlich nicht länger ausharren konnte und seine dümmlichen Aussagen von sich geben wollte.

 

„Eine schöne Aussicht hast du da, Vegeta.“

 

Ungehalten bäumte sich der schwarze Umhang hinter Vegetas Rücken auf, nachdem er Energien freisetzte, die Kakarotts Anwesenheit in ihm hervorriefen. „Was soll das, Kakarott?“

 

„Gar nichts“, beschwor er mit gehobenen Händen und sah zu seinem König, der stur geradeaus sah. „Ich wollte dir nur sagen, dass du es hier ganz schön hast.“

 

„Du willst sterben, oder?“

 

„Nein, eigentlich nicht“, lachte der große Saiyajin resigniert, weil er sich bewusst gewesen war, in welche Schlangengrube er gefallen war. Schließlich war Vegeta nicht dafür bekannt, sich mit Worten zu wehren, oder Gnade vor Recht walten zu lassen. Allerdings hatten seine Aggressionen zugenommen, seitdem er König war und sich in der Pflicht sah, den Erwartungen zu entsprechen, obgleich ihm das zuwider war. Aber er bemühte sich auch nicht sonderlich viel, dem gerecht zu werden.

 

„Dann verschwinde?“

 

„Vielleicht“, ignorierte Son Goku den Vorschlag seines Nebenmannes, „ist es für dich nicht nachzuempfinden, aber ich würde es gerne verstehen, Vegeta.“

 

Vegeta wusste, was Kakarott verstehen wollte. Dennoch fragte er nach: „Was willst du verstehen?“

 

„Ich wollte dich schon die ganze Zeit danach fragen, aber du kennst Radditz. Er... Er ist“, gab der junge Son Goku verunsichert von sich, „etwas rabiat und lässt mich nicht zu Wort kommen, wenn es darum geht, mit dir in Kontakt zu kommen. Radditz lässt mir nicht die Chance, zu erfahren, was passiert ist.“

 

„Radditz sollte diesbezüglich deine geringste Sorge sein“, antwortete Vegeta, der in anderen Fällen längst reagiert und seinen Nebenmann zum Schweigen gebracht hätte.

 

„Wie meinst du das, Vegeta?“

 

Nein, er würde diesem idiotischen Kakarott nicht erklären, dass er damit sagen wollte, dass er – der König der Saiyajins – noch rabiater als Radditz wäre, noch brutaler und furchterregender, aufgrund dessen, dass er anderen Saiyajins gar nicht die Möglichkeit einräumte, überhaupt in seiner Gegenwart zu Wort zu kommen. „Solltest du nicht schon lange in einer Kapsel nach Namek sitzen?“

 

„Doch, aber -“

 

„Nicht Radditz ist es, der dir die Chance verwehrt, sondern ich, weil ich einfach keinen Bock auf deine dämliche Visage habe, Kakarott. Folglich handelt dein Bruder zu meinen Gunsten – nach meinem königlichen Befehl“, bemerkte Vegeta amüsiert, während er Kakarotts Seitenbild vergnügt musterte und ja, er hatte sich nun doch dazu herabgelassen, den Idioten aufzuklären, woraufhin Vegeta sehr wohl das besorgte Gesicht des Kriegers erkannte, wenngleich ihm niemand diese Art der Wahrnehmung zugestand, aufgrund dessen, dass jeder vor Vegeta Angst hatte und in ihm das pure Böse sahen. „Allerdings – und ich sage das mit einem dumpfen Ziehen meiner abgesägten Nervenenden – muss ich dir doch eines zugestehen.“

 

„Tatsächlich?“, entkam es Son Goku überrascht, dessen Augen größer geworden waren.

 

„Du hast Mut“, schnaufte Vegeta daraufhin – mit einem Schwung Verachtung in der Stimme. „Etwas, das selten zu finden ist und wovon sich viele unserer Rasse noch eine Scheibe abschneiden können.“ Dass er ihm dieses Lob zuteil werden ließ, ließ unglaublich tief in Vegetas Seele blicken. Man konnte daraus schließen, dass der König am Ende war – er konnte schlichtweg nicht mehr. Vegeta war am Ende seiner Kräfte. Es waren Kräfte, von denen er immer gedacht hatte, genügend Reserven zu besitzen, welche er nicht im Ansatz hätte in Anspruch nehmen müssen. Aber er hatte sich auch dahingehend geirrt. Mittlerweile konnte er seine zahlreichen Irrtümer gar nicht mehr zählen, aber all seine Fehler und die daraus resultierenden Irrtümer waren scheinbar diese Irrtümer, die ihn lehren sollten. Immerhin waren Fehler dazu gedacht, aus ihnen zu lernen. Oder dienten Fehler lediglich dazu, demjenigen der einen begangen hatte, das unendliche Leid aufzuzeigen, das unweigerlich über denjenigen hereinbrach?

 

„Danke, Vegeta.“
 

„Spar dir die Floskeln und erzähl mir, wieso ihr noch nicht auf dem Weg nach Namek seid?“

 

„Wir werden noch heute starten und deinem Wunsch natürlich nachkommen, aber -“
 

„Aber?“, murrte Vegeta.

 

„Ich frage mich“, begann anschließend Son Goku, „ob wir wirklich im Interesse des Volkes handeln, oder -“

 

„In wessen Interesse sonst?“, äußerte Vegeta skeptisch, bevor er Kakarott den Rücken zuwandte und in die Mitte des Raumes marschierte – wo er abrupt stehen geblieben war. Ja, Kakarott besaß Schneid, vielleicht auch ein Stück weit Intelligenz, weil er bezüglich Bulmas Wohlergehen nochmals nachhakte – und das, obwohl ihm die Konsequenzen bekannt waren, die ihm drohten, wenn Vegeta ausrastete. Unterdessen hatte er energisch die Hände gehoben, deren Innenflächen er ausgiebig ansah.

 

Was für ein Gefühl war das in seiner Brust? Von welchem Dämonen wurde er heimgesucht, nachdem Kakarott ihn fragte, in wessen Interesse er handelte? War es der Angst zuzuschreiben, dass seine Idee – Emotionen zu verbergen – nicht funktionierte? War ihm der Teufel auf den Fersen und ihn dieser Ängste aussetzen wollte?

 

Fürchtete er Kakarotts Antwort? Insgeheim schon. Vegeta wollte eben nicht demaskiert werden. Er wollte nicht, dass man wusste, dass er offenbar doch dazu fähig war, ein anderes Wesen außer sich selbst zu... zu mögen.

 

War diese Zuneigung zu Bulma mit Schwäche gleichzusetzen? Oder bedeutete es, dass man stark war, weil man Gefühle zuließ? Aber was bedeutete überhaupt wahre Stärke? Vielleicht niemals aufzugeben? Oder doch eher, dass niemand bemerkte, wie kaputt man in Wirklichkeit war?

 

„Vielleicht in deinem Interesse?“, sprach Son Goku die Wahrheit aus, die der König unter keinen Umständen hören wollte. „Das ist doch wahrscheinlicher, oder?“

 

„Du hast überhaupt keine Ahnung“, keifte Vegeta ihm im Anschluss entgegen. Zudem war er bestrebt, Kakarott anzusehen, woraufhin er sich langsam zu ihm drehte, um gleichlaufend seinen Umhang nach hinten zu schleudern – in der Hoffnung, es würde seinen Krieger einschüchtern. Allerdings wurde seinem Wunsch nicht stattgegeben. Stattdessen war Kakarott ruhig stehen geblieben. Er atmete gelassen weiter und beobachtete seinen König, der eine Augenbraue nach oben zog und hämisch grinste.

 

„Und was willst du mir eigentlich mit dieser lächerlichen Aussage vor Augen führen?“, fuhr Vegeta fort. „Dass ich eigensinnig handle? Dass ich selbstsüchtig bin?“ Beide Männer standen sich mit gebührendem Abstand gegenüber. Sie beide spürten die Aura des jeweils anderen. „Was ist es, Kakarott? Sag schon“, verlangte er bissig.

 

„Vegeta, beruhige dich“, begann Son Goku beruhigend auf den König einzureden. Zeitgleich hob er beschwichtigend die Hände. „Ich... Ich will doch nur wissen, was passiert ist? Ich mache mir Sorgen – große Sorgen, weil ich nicht weiß, was mit Bulma ist?“ Tränen sammelten sich in den runden, sonst so fröhlichen Augen. „Wieso ist sie nicht hier, Vegeta? Wieso durfte sie nicht mit mir zurückkommen?“

 

Nein, er würde sich nicht beruhigen. Sein Zorn war längst aufgewacht. „Beantworte mir doch eine Frage.“ Sich hinter seiner Maske versteckend, kehrte Vegeta ihm abermals den Rücken zu. Anschließend hob er seinen Zeigefinger, bevor er seinen Thron anvisierte und spürte, dass Kakarott ihm folgte.

 

„Welche denn? Wieso ich nach Bulma frage?“

 

„Ja“, entgegnete Vegeta neutral. „Wieso interessiert dich ihr Schicksal?“ Was war es, was dem König verborgen blieb? Was hatte Kakarott erkannt, um Besorgnis zeigen zu können? „Was... Was ist es, das dich denken lässt, du hättest ein Anrecht darauf, zu erfahren, was mit ihr passiert ist? Ich habe nicht einmal ihrem Vater eine Antwort darauf gegeben.“

 

Verlegen kratzte sich Son Goku derweil am Kopf, weil er nicht die Angst verspürte, die Vegeta hoffte in ihm auszulösen. Stattdessen sah er lediglich die Angst, die der kleinere Saiyajin vor sich selbst hatte. „Weil Bulma meine beste Freundin ist, Vegeta. Sie ist – neben Radditz – alles, was ich noch habe.“ Traurig neigte er den schwarzen Schopf zur Seite, ehedem er wieder zum Fenster hinaussah und versuchte, sich ihr ansteckendes Lachen in Erinnerung zu rufen. „Nur ihretwegen bin ich stärker geworden.“
 

„Was?“ Vegeta konnte ihm nicht ganz folgen.

 

„Ja“, nickte Son Goku indessen bedächtig. „Du weißt das vielleicht nicht, aber Bulma und ich sind zusammen auf der Erde aufgewachsen.“ Dass Vegeta darüber von Radditz in Kenntnis gesetzt wurde, konnte Son Goku nicht wissen und Vegeta unterbrach den größeren Saiyajin auch nicht, weil ihn tatsächlich Kakarotts Ansicht interessierte. „Sie war das erste Mädchen, das ich je sah, Vegeta. Sie hat mich aus meiner Einsamkeit befreit – als ich verlassen in den Bergen lebte. Bulma und ich... wir haben so viele Abenteuer und Herausforderungen gemeistert und ich sehe mich noch heute in der Pflicht, das Mädchen zu beschützen.“

 

„Du solltest lieber froh darüber sein, dass ich deinem Bruder aus der Gosse geholfen habe. Mir ist es zu verdanken, dass sowohl du, als auch dein Bruder ein besseres Leben führen könnt und doch“, knurrte der König, bevor er sich dem Anblick zuwandte, den er eigentlich nicht mehr sehen wollte, „wagst du dich, mir ungefragt gegenüberzutreten. Du wagst dich, mit mir zu sprechen, als wären wir Freunde. Als... Als hätten wir Gemeinsamkeiten!“ Dieser dumme Idiot. Vegeta selbst wollte das Mädchen schützen, doch wurde ihm die Pflicht untersagt, weil er für sein Volk bürgen musste. Ihm wurde das weggenommen, was er so unbedingt an seiner Seite und in Sicherheit wissen wollte. Aber nahm man auf ihn Rücksicht? Nein.

 

Hinzu kam, dass Kakarott anscheinend eine Gemeinsamkeit darin sah, dass beide Jungs Bulma auf ihre eigene Weise mochten. Ja, Kakarott sah in ihr seine beste Freundin, während Vegeta... etwas anderes in ihr sah. Etwas, das noch tiefer ging als eine Freundschaft.

 

„Wir haben Gemeinsamkeiten, Vegeta.“

 

„Glaub mir, die haben wir nicht“, beanstandete der König rigoros.

 

„Du willst sie nicht sehen, weil du Angst davor hast.“

 

„Hast du vergessen, was passiert ist? Ich habe dir schon einmal gezeigt, was demjenigen blüht, der es wagt, sich gegen mich aufzulehnen.“ Der Saiyajin vor ihm würde es ihm gewiss nicht so leicht machen, wie sein Vater – das wusste Vegeta. Denn so unscheinbar und gering auch seine Kraft als Säugling war, so wusste der König, dass sich Kakarott gesteigert hatte und eine Form als Saiyajin annehmen konnte, die seinesgleichen würdig war.
 

Demzufolge müsste Vegeta gut aufpassen. Verdammt gut aufpassen.

 

„Tze, du willst also wirklich wissen, ob ich froh bin, hinsichtlich Radditz' Aufstieg in die königliche Armee?“ Geflissentlich ignorierte Son Goku die Warnung in Vegetas Worten.

 

Parallel breitete Vegeta lässig die Arme aus, die wiederum zur Seite danken. Zwischenzeitlich zuckten auch seine Mundwinkel, angesichts der Dummheit, die Kakarott zu Tage brachte. „Natürlich will ich das wissen. Ich brenne darauf.“ Innerlich bereitete er sich auf das Schlimmste vor. Er sah gezielt zu seinem Gegner, dessen Bewegungen er genau studieren musste.

 

„Ich bin nicht besonders glücklich über den Umstand, denn du hast Radditz' Wunsch erfüllt – nicht meinen!“ Sein Wunsch war es, zu trainieren und stärker zu werden, um seinen Planeten – außerdem auch seine Familie, sowie seine Freunde – zu beschützen. Das waren seine Prioritäten. Ruhm war ihm nie wichtig gewesen. Son Goku verstand davon sowieso nichts. Nein, er wollte – abseits des Kampfes – ein ruhiges, friedliches Leben. „Ich habe andere Wünsche.“

 

„Du lebst scheinbar gerne gefährlich, nicht wahr?“, konterte der König, der sich provoziert fühlte und niemals gut war. Schon gar nicht in Anbetracht der jetzigen Situation und seiner mentalen Verfassung. „So dankst du mir also?“

 

„Mach dir keine Sorgen, Vegeta. Ich habe sicherlich nicht vergessen, was passiert ist.“ Son Goku bezog Stellung auf Vegetas Frage, die er vor fünf Minuten gestellt hatte. „Wie könnte ich es auch vergessen? Du hast meine Freunde und mich nach dem Fest angegriffen und -“
 

„Ich täte es jederzeit wieder“, drohte Vegeta.

 

„Tja, das glaube ich dir sogar und doch warst du es, der Bulma gefolgt war, um sie letzten Endes zu retten.“ Als hätte er ein tief vergrabenes Geheimnis gelöst, rieb er seinen Finger unter seiner Nase entlang und hätte er keine Ohren, sein Grinsen würde einmal um seinen Kopf reichen. Es wäre zumindest nicht ganz so abwegig, wenn man bedachte, wie weit nach oben Son Gokus Mundwinkel gezogen wurden. „Das ist doch merkwürdig, oder?“

 

„Was ist merkwürdig?“ Seine Laune sank von Minute zu Minute.

 

„Du warst stets um dein eigenes Wohl besorgt“, begann Son Goku eifrig. „Und doch hast du dich dazu herabgelassen, jemand anderem zu helfen. Das... ist doch merkwürdig.“

 

Im Gegensatz zu Kakarott, war ihm nicht nach Lachen zumute. Sein Lachen war mit Bulmas Fortgang verschwunden, weshalb sich unwahrscheinlich schnell ein dunkler Schatten unter den königlichen Argusaugen ausgebreitet hatte – herbeigeführt durch den abgewandten Blick zur untergehenden Sonne. Die Wärme die zuvor auf seinem Gesicht herumwirbelte, verschwand gänzlich. Als wollte sie dem Zorn – der sich in ihm staute – Platz machen. „Ich frage dich das nur einmal, Kakarott“, drohte er mit erhobenem Zeigefinger in dessen Richtung. „Woher zum Teufel weißt du davon?“, fuhr er ungerührt fort, nachdem er jäh vor ihm erschienen war und den Abstand zu seinem königlichen Krieger verringert hatte. Zusätzlich hatte er nach Kakarotts Kragen geschnappt, als dieser ihm nicht die erwartete Antwort gab. „Woher, Kakarott!“

 

Vegeta hatte sich beherrschen müssen, wenngleich die Versuch ins Unermessliche gestiegen war, Kakarott nochmals zu schlagen.

 

„Ich... Äh... I-ich hab es vergessen.“

 

„Quatsch!“, brüllte Vegeta ihm entgegen. „Das hast du niemals.“ Woher wusste dieser unterprivilegierte Vollidiot immer alles? Turles hatte mit Sicherheit nicht gesungen. Dieser Saiyajin war doch viel zu sehr damit beschäftigt, seinem Vater in den Hintern zu kriechen und das zu tun, wonach er verlangt hatte. Aber wer konnte ihm von Vegetas Rettungsaktion erzählt haben? Folglich legte sich seine Stirn in tiefe Falten, bevor er seine Hand zur Faust ballte, die er nachträglich in Kakarotts Gesicht platzieren wollte.

 

„Vegeta, nicht!“ Allerdings waren auch Son Gokus Reflexe schnell genug, um den Schlag abzufangen. Beide Arme hatte er nach oben geschwungen, so dass er die Hand des Königs – die noch immer Son Gokus Kragen hielt –, sowie die näherkommende Faust zurückschlagen konnte. Anschließend trat er mehrere Schritte nach hinten. „Ich bitte dich, tu das nicht.“ Insgeheim war er seinen Reflexen dankbar, doch Vegetas Attacke kam unerwartet. Sie war schwer zu erkennen, taktisch gut eingesetzt und unbeschreiblich schnell. So rasch, dass er Probleme hatte, ihr zu folgen.

 

„Sie hat es dir gesagt – dieses... dieses Gör!“, donnerte er dem verdutzten Kakarott ins Gesicht. „Ist es so? Immerhin hattet ihr beiden Möchtegern-Freunde auf der Erde genügend Zeit, darüber zu reden.“ Oh, wer wusste, was sie noch über ihn gesprochen hatten? Vegeta wollte es gar nicht wissen.

 

Bevor Son Goku antwortete, überlegte er sich genau, wie er seinen Satz formulieren konnte, ohne Bulma zu verraten. „Und wenn schon. Das spielt doch gar keine Rolle, Vegeta.“ Konnte man aus diesem neutralen Satz herleiten, dass Bulma es gewesen war, die ihm davon erzählt hatte, dass Vegeta sie beschützte?

 

„Falsche Antwort, Kakarott!“ Vegeta sprang mit einem Satz vor seinen Rivalen, den er mittels eines gezielten Trittes zu Fall bringen wollte, doch hatte sein Gegenüber diesen Schritt scheinbar kommen sehen, da Kakarott zeitig hochgesprungen war, um seiner Attacke auszuweichen. Jedoch war auch der König schnell genug, der während Kakarotts Sprung ausholte und den Schlag mitten in das Gesicht seines Gegenübers versenkte – ihn da zu treffen, wo es weh tat. Richtig weh tat. Zeitgleich wollte er Radditz' kleinem Bruder beweisen, wie stark er innerhalb kürzester Zeit geworden war. Dass er – gefangen in seiner Melancholie – womöglich an Stärke verloren hatte, überging er geflissentlich. Nichts wollte er davon hören. Ebenso wenig, wie er ihren Namen hören wollte. Irgendwann, wenn der passende Zeitpunkt käme, würde Vegeta über das störrische Weib hinwegkommen. Irgendwann. Schließlich begann jede Reise – so gefährlich und weit sie auch sein würde – immer mit kleinen Schritten. Erste Schritte, die man tun musste, um von der Stelle zu kommen. So war es auch in seinem Fall. Vegeta müsste sich nur ein wenig in Geduld üben und die ersten kleinen Schritte überwinden. Aber genau das war sein Problem. Diese nervenaufreibende Zeitüberbrückung. Es waren Momente, in denen er anhaltend an sie denken musste.

 

Es war so unendlich quälend und belastend. So niederschmetternd, dass sie – trotz ihrer Abwesenheit – immer noch in seinen Gedanken präsent war. Trotz der Ferne konnte er die Nähe zu ihr förmlich spüren.

 

Darüber hinaus sah er jedoch seiner Faust dabei zu, wie sie sich dem Gesicht seines Kontrahenten näherte. Ein unbeschreiblich gutes Gefühl durchzuckte seinen Körper, während sich inzwischen auch sein Ausdruck verändert hatte – zu einem schäbigen Grinsen, das seine zurückgewonnene Selbstsicherheit zelebrieren sollte. Doch so rasant das Lächeln auf seinen Zügen erschienen war, so rasch war es auch wieder verschwunden, als er bemerkte, dass seine Faust die seine traf. Gekonnt abgefangen von einem Saiyajin, der unter Vegeta stand.

 

„Vegeta, bitte!“, japste Son Goku verzweifelt, der alles, nur keinen Streit mit Vegeta wollte. „Bitte lass doch Vernunft walten.“

 

„Nein, du wirst nicht siegen, Kakarott!“, ächzte Vegeta stattdessen, dem es gar nicht gefiel, wenn er in die Enge getrieben wurde. Vom Siegeswillen fast aufgefressen, streckte er geschwächt seine Arme durch. Vegeta wollte Kakarott in die Enge treiben, in der sich der König befand, aber sein mächtiger Feind ahmte seine Bewegungen einfach nach – indem er ebenfalls seine Arme durchstreckte, um mehr Druck auszuüben.

 

„Vegeta, ich... ich will nicht siegen, verdammt“, krächzte Son Goku – genauso erschöpft, aber noch immer von Reserven umgeben. „Ich will, dass... dass du zur Vernunft kommst!“ Abschließend entfernte er eine seiner Hände, die mit Vegetas Händen verhakt waren um selbst zum Schlag auszuholen. Parallel sprang Vegeta daraufhin zurück – sie beide mussten Kraft sammeln, sich akklimatisieren und zur Ruhe kommen. Aber anders als Son Goku, wollte Vegeta nicht warten. Nahtlos begann er, Son Goku zu umkreisen. Er beobachtete Radditz' Bruder genau – wie er schweigsam auf der Stelle stehen geblieben war und lediglich seinen Kopf immer dann ein Stückchen weiter drehte, nachdem Vegeta einen weiteren Schritt nach vorne getan hatte.

 

„Du glaubst“, hechelte Vegeta, „ich handle unvernünftig, ja?“ Die Lungen des kleinen, schwarzhaarigen Saiyajin taten weh. Als hätte eine unsichtbare Macht ihm gegen seinen aufgeblähten Brustkorb geschlagen. So fest, dass es den Anschein erweckte, dass seine Lungenflügel in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Angesichts dieses Zustandes blieb ihm nichts anderes übrig, als wachsam zu bleiben, Turles' Ebenbild zu umkreisen und neue Kraft aus seiner Wut zu schöpfen. Er bemerkte den Kraftverlust sehr deutlich. Würde er Kakarott direkt angreifen, würde er... er würde verlieren. „Das schließt du aus meiner Reaktion?“

 

„Ja, du handelst unvernünftig!“

 

„Tze“, schnalzte der kleine Saiyajin missbilligend. „Wie unwissend du bist, Kakarott.“ Dieser elende Mistsack wusste doch gar nicht, was alles auf dem Spiel stand. Kakarott wusste nicht, was Vegeta für sein Volk aufgegeben hatte. Kakarott wusste nicht, dass... dass er Bulma aufgab, um des Volkes Willen. Um das zu schützen, was ihn am Leben hielt.
 

Aber war es sein Volk, das ihn weiterleben ließ? Ja, verdammt. Das Volk war das höchste Gut eines jeden Königs.

 

„Du weißt überhaupt nichts. Nichts weißt du, Kakarott, und du wirst auch niemals dazulernen.“

 

„Dann klär mich auf“, forderte Son Goku ihn auf. „Was weiß ich nicht, Vegeta?“

 

Noch bevor Kakarott zu Ende gesprochen hatte, hielt Vegeta in seiner Bewegung inne. Er wollte sich seinem Gegenüber langsam nähern, doch stattdessen neigte er den Kopf zur Seite, nachdem er die eingenommene Kampfposition seines Rivalen erspähte. Infolgedessen wanderte seine Hand hinauf zur linken Befestigung seines Umhangs, die er anschließend löste, um sich der rechten Öse zu widmen, ehe der Umhang geräuschlos zu Boden fiel.
 

Das Ding war einfach nur hinderlich.

 

„Es ist doch offensichtlich, dass ich nicht aus Nächstenliebe gehandelt habe, oder? Ich habe das Weib lediglich vor Unheil bewahrt, weil sie durch meine Hand leiden soll und ich lasse mir dieses wohltuende Bedürfnis nicht von herumstreunenden Kötern nehmen, klar?“

 

„Das soll ich dir glauben?“

 

„Glaub was du willst, Kakarott.“ Oh, Vegeta musste aufpassen. Gewaltig aufpassen, da Kakarott ihm scheinbar auf den Fersen war, was das Enträtseln seiner Gefühle für Bulma anbelangte. „Hätte ich Interesse an ihrem Wohlergehen, hätte ich sie nicht mit Turles auf einem jämmerlichen Planeten alleine zurückgelassen.“

 

„Ist vielleicht auch echt besser so, dass sie weg von dir und deinem tyrannischen Planeten ist.“ Sein Mund handelte schneller als sein Hirn, das ihn warnen wollte, etwas derartiges zu äußern. „Auf der Erde ist sie wenigstens in Sicherheit und vielleicht sogar glücklich mit Turles, der im Gegensatz zu dir, genügend Verstand hat. Das scheint ja etwas zu sein, was hier nicht so gerne gesehen wird – zumal du recht wenig davon vorzuweisen hast. Und wir wissen doch alle“, spottete Son Goku weiter, „dass jeder – ausnahmslos jeder – der dir in irgendeiner Art und Weise überlegen ist, unbrauchbar ist. Du siehst darin eine Gefahr – eine Gefahr, die dich deinen Kopf kosten könnte“, fuhr er unverblümt fort. „Und deswegen hast du Turles fortgeschickt. Weil er clever genug ist und erkannt hat, was für eine liebenswerte Saiyajin Bulma ist.“

 

Nein! Niemand, und schon gar nicht Kakarott, durfte ihm diese Wahrheit ungestraft an den Kopf knallen. Niemand!

 

„Lass mich mit diesem Dreck in Ruhe, verflucht!“ Vegeta setzte zum erneuten Angriff an, indem er flink auf seinen Krieger zuflog und endlich sein Gesicht traf, wodurch Kakarott in die dahinterliegende Wand geschleudert wurde. Viel Zeit zum Ausruhen fand Vegeta jedoch nicht, da sein Gegenüber flott auf die Beine kam.

 

Verdammt!

 

Gerne hätte der König seine Hände für einen kurzen Moment auf seinen Knien abgestützt, um sich nach vorne zu beugen und nach Luft zu ringen, aber das wurde ihm verwehrt. Stattdessen musste er reagieren und sich aufrecht hinstellen, bevor er die ihm entgegenkommende Attacke – in Form einer Energiekugel – mithilfe seiner Hand zur Seite schlug; mitten in eines der Fenster, das unter dem Aufprall nachgab und klirrend zerbrach. Die unzähligen Glasscherben rieselten zu Boden, sie spiegelten das blutrote Sonnenlicht wider – ein Anblick, der Vegeta einen Stich versetzte, aufgrund des ähnliches Chaos, das in seinem Kopf herrschte. Auch dort hatte sich ein riesiger Scherbenhaufen angehäuft. Hinzu kamen Kakarotts Worte, die ihr übriges taten.

 

Es war nur schwer zu ertragen, dass dieser Arsch Bulma lieber an Turles' Seite sah, anstatt an... an Vegetas Seite. Es war ein grauenvoller Gedanke, der ihm jedoch den nötigen Kraftschub verlieh, nach dem er sich so sehnte. Folglich legte er seinen Kopf in den Nacken, ehedem er brüllend zur Decke hinauf sah und die vibrierenden Kronleuchter beobachtete.

 

„Dreck nennst du das?“

 

„Ja, es ist Dreck, Kakarott. Verdammter Scheißdreck!“

 

„Umso besser. Dann muss ich dir ja nicht sagen, wie glücklich Bulma war, dass sie mit Turles auf der Erde bleiben durfte.“ Von Natur aus war Son Goku stets ein ehrlicher Saiyajin, doch die Lüge rollte ihm so einfach über die Lippen, dass er nicht widerstehen konnte, sie aufrecht zu erhalten. Zumal ihm die Lüge jene tiefgehende Bindung zu Bulma offenbarte, die Vegeta partout verleugnete. Aber der König konnte es nicht mehr abstreiten. Nicht, nachdem er Vegetas abschätziges, ja, sein gänzlich überraschtes, eifersüchtiges Gesicht gesehen hatte. Nein, Vegeta könnte ihm in dieser Hinsicht nichts mehr vormachen. Dazu war sein Verhalten zu... zu steif. Zu defensiv. Jemand, dem es egal gewesen wäre, was mit dem anderen passierte, würde niemals so angegriffen und getroffen reagieren. „Tja, und noch etwas, du toller König: Komm nicht auf die Idee, die Erde in deiner Oozaru-Form anzugreifen. Das schüchtert weder Bulma ein, noch wird es Turles erschrecken.“

 

„Was? Ich denke sehr wohl, dass es sie einschüchtern würde!“

 

Hähä, innerlich kicherte Son Goku wie ein kleines Kind, das sich über ein Missgeschick eines anderen Kindes freute. Immerhin konnte er genüsslich dabei zusehen, wie Vegeta in Son Goku gespannte Falle tappte – woraus er erkennen konnte, dass es tatsächlich etwas gab, was Vegeta an Bulma schätzte, vielleicht sogar mochte. Etwas, das weit über freundschaftliche Gefühle hinausging. „Dann denk das mal, Vegeta.“

 

„Was soll das heißen, Kakarott?“ Mit gefletschten Zähnen wartete er auf eine Antwort, die den König womöglich aus der Bahn werfen würde.

 

„Vegeta, hast du den Umstand vergessen, dass auch ich auf der Erde aufgewachsen bin?“ Son Goku war sich bewusst, wie provokant er sich gegenüber Vegeta benahm, aber er musste so handeln. „Sicher, ich habe dort meinen Schweif verloren, aber ich kenne Bulma seit meinem zwölften Lebensjahr – ein Zustand, der dir vielleicht nicht bekannt ist. Du weißt vielleicht auch nicht, dass wir damals die Dragonballs gesucht haben – zugegeben, wir handelten aus anderen Beweggründen, aber ja... Auch wir wollten die Kugeln haben. Allerdings waren wir jung. Jung und unwissend. Ja, damals war ich unwissend – heute nicht mehr. Dennoch, ich habe Bulma schon damals das wahre Gesicht eines jeden Saiyajins gezeigt.“ Ja, es war eine böse Schattenseite der Saiyajins – ihre Gestalt in Vollmondnächten. Damals wusste es Son Goku aber nicht besser. Schließlich hatte er den Befehl seines Großvaters, frühzeitig ins Bett zu gehen, nie angezweifelt.

 

Heute wusste er, wieso er nie den Mond ansehen durfte. Mittlerweile wusste er auch, dass... dass er es gewesen war, der seinen Großvater in Form eines riesigen Monsters zerquetscht hatte.

 

„Du wirst sie demzufolge nicht erschrecken können.“

 

„Was sagst du da?“ Bulma kannte die Form, die jeder Saiyajin annahm, sobald das Vollmondlicht die Augen eines Saiyajins berührte? Siebzehn Mal – Vegeta hatte mitgezählt – wiederholte er diese Information in seinen Gedanken, bis er zu dem Entschluss kam, sich nicht verhört zu haben.
 

Dieses Weibbild. In der Zelle hatte sie alles so ausgelegt, als wüsste sie nichts von dieser Form. Sie tat so, als wüsste sie nicht, welcher Planet angegriffen wurde. Und noch etwas wurde ihm mit dieser Wahrheit offenbart. Jener Planet, den Bulma in ihren Visionen sah, war sein Planet – Vegeta-Sei. Verdammte Scheiße, sie hatte es von Anfang an gewusst. Worin hatte sie ihn noch belogen? Was hatte sie ihm noch verheimlicht?

 

„Und jetzt“, nuschelte Son Goku vorerst, der den günstigen Zeitpunkt ausnutzte– angesichts Vegetas vernebeltem Blick. „Komme ich!“, schrie er daraufhin inbrünstig, ehe er los sprintete, simultan seine geballte Faust nach vorne streckte und nach vorne flog – in der Hoffnung, Vegeta zu treffen. Aber er war nicht klein zu kriegen. Nein, Vegeta hatte den Schlag genauso rechtzeitig abfangen können, wie Son Goku es zuvor getan hatte. Doch damit rechnete der hochgewachsene Saiyajin, woraufhin er hastig seine Faust zurückzog und seinen Körper nach vorne neigte, während sein Bein nach hinten schwang – so weit nach oben, dass er Vegeta treffen konnte.

 

Aber auch das hatte Vegeta verhindern können, der im Gegenzug einen gezielten Schlag in Son Gokus Magengrube platzierte.

 

„Das... Das war nicht fest genug!“, keuchte Son Goku im Anschluss, der gelernt hatte, solche Schmerzen zu ignorieren. Anschließend landeten sie in ihrer Eingangsposition. Beide Fäuste trafen aufeinander, doch bemerkte Son Goku recht schnell, dass er die Oberhand über diesen Kampf gewann. Er schaffte es zusehends, langsame Schritte nach vorne zu machen, während Vegeta gezwungen war, dem nachzugeben und sich ächzend nach hinten drängen zu lassen.

 

„Nein!“, spuckte der kleinere Saiyajin, der sich fest auf die Zähne biss und gleichzeitig versuchte, seine Kräfte zu mobilisieren. Aber es gelang ihm kein weiterer Schritt nach vorne. Stattdessen wurde er immer weiter zurückgedrängt.

 

„Sieh... Sieh es endlich ein!“

 

„Niemals!“ Bulmas Abwesenheit schien sich nicht nur auf Vegetas Gemüt auszuwirken, sondern auch auf seine Kraft. Früher hätte er diesen Versager spielend erledigt. Vegeta hätte Kakarott die schlimmsten Verletzungen zugefügt, wenn nicht sogar seinen erbärmlichen Körper auseinander genommen.

 

„Doch, Vegeta. Wir... Wir sind uns ebenbürtig!“ Erneut konnte er einen Schritt nach vorne wagen, obwohl seine Faust herbeigeführt durch den Druck bereits schmerzte. „Du... Du kannst mich... nicht besiegen.“

 

„Und ob ich das kann!“, knurrte der angesprochene Saiyajin, bevor er einem sichtlich verwirrten Kakarott entgegenblickte.

 

„Du bluffst.“ Der folgende Schlag traf den größeren Saiyajin unvorbereitet, der anschließend stöhnend zusammensackte. Seine Augen waren zusammengekniffen, als er über die Schulter nach oben sah, um den Angreifer auszumachen. „Radditz?“, röchelte er im Anschluss perplex.

 

Doch sein Bruder beachtete ihn gar nicht, sondern verneigte sich ehrfürchtig vor dem König – den Blick gen Boden gesenkt. „Majestät, ich muss mich für das Verhalten meines einfältigen Bruders demütigst entschuldigen. Und zu dir, du wandelnder Misserfolg“, bellte Radditz, nachdem er sich seinem Bruder zuwandte. „Du bist eine Schande – für mich und für alle Saiyajins, die unserer Blutlinie zukünftig angehören werden.“ Zusätzlich verpasste er ihm noch einen Schlag gegen die Wange, als er sich zu ihm hinabbeugte, nach seinem Kragen griff und den irritierten Kakarott auf die Beine zog. „Verdammt, Kakarott. Deinen König herauszufordern, das ist Verrat!“

 

Er musste seinen kleinen, rebellierenden Bruder irgendwie aufhalten.

 

„Radditz, so war das nicht“, erwiderte er schmerzvoll – die Hände schützend über seinen Kopf haltend, aufgrund der Härte, die sein Bruder in seine Schläge legte. „Du verstehst nicht. Ich wollte doch nur, dass -“

 

„Halt den Mund, Kakarott. Du und deine kleine Freundin habt genug angestellt, was keine weitere Erklärung bedarf, verstanden?“ Seine Hand legte sich grob um den Stoff der Kleidung seines Bruders, bevor er ihn nach vorne Richtung Portal stieß, um gemeinsam mit ihm den großen Saal zu verlassen. Doch bevor Radditz verschwand, hielt er am Tor inne und sah noch einmal zu Vegeta, dessen leerer Blick nach unten zu seinen offenen Handinnenflächen gerichtet war.

 

Aber ihm stand es nicht zu, Vegeta Ratschläge zu geben, weshalb er kopfschüttelnd den Thronsaal verließ. Ja, Radditz würde warten müssen, bis Vegeta den ersten Schritt auf ihn zugehen würde. Aber das würde niemals passieren.

 

Vegeta hingegen starrte entgeistert den beiden Saiyajins nach und wartete, bis sie verschwunden waren. Indessen fragte er sich, wie es passieren konnte, dass Kakarott ihn um Haaresbreite besiegt hätte? Grundgütiger, er hatte nicht einmal mehr die Kraft, zu seinem Thron zurückzufliegen. Im Gegenteil, er konnte sich lediglich nur noch auf seinen Hintern fallen lassen, die Beine anwinkeln und gierig nach Luft schnappen. Zu mehr war er nicht mehr in der Lage...

 

Wäre Radditz nicht gekommen, wäre Vegeta untergegangen. Er... Er hätte den Kampf verloren.

 

„Verdammte Scheiße!“, flüsterte er erniedrigt, aber selbst seine Ausflüchte waren eine immense Anstrengung. Sein Glück war es, dass niemand diesen Zusammenbruch sah, da er einen weiteren Kampf nicht überstanden hätte.

 

 
 

~*~

 

 

Je näher er sowohl dem Ort, als auch dem Objekt der Begierde kam, desto besser fühlte er sich. Sein Körper wurde zudem von unbekannten Gefühlen übersät, die er momentan nicht zuordnen konnte, aber das war nebensächlich. Hinzu kam eine fremde Kraft, die seine Hülle flutete und ihn mit neuem Lebensmut ausstattete. Es war ihm egal, woher die Kraft kam, solange sie seinen Zweck erfüllt, war ihm jedes Mittel recht gewesen. Unterdessen wanderte sein Blick ausgiebig umher, auf der Suche nach Anhaltspunkten, die er nicht fand. Stattdessen wanderten seine Augen zu einer weiteren Gestalt, die ihn begleitete.

 

„Und? Spürst du etwas?“, hauchte er in die Dämmerung hinein. „Kannst du etwas ausmachen?“ Nebenbei sah er sich abermals verstohlen um, während sie sich hinter einem übelriechenden Strauch versteckten. Der Gestank war kaum auszuhalten, aber er besann sich und rief sich immerzu in Gedanken, wieso er all das auf sich nahm.

 

„Ja“, antwortete die zweite Stimme gehorsam. „Ganz in der Nähe.“ Mithilfe seines ausgestreckten Fingers zeichnete er in der Luft den Standort ab, wo sein Scouter anschlug. „Von dort empfange ich eine schwache Energie – weiblich, geschwächt.“

 

Eine schwache Aura? Wo war die zweite, die starke Aura?

 

Darauf bedacht, sich unauffällig zu verhalten, schob einer der Ankömmlinge mit spitzen Fingern das Geäst zur Seite, doch alles, was ihm entgegensah, war... nichts. Gar nichts – abgesehen von weiten Feldern. Mit bloßem Auge konnte er nichts ausmachen, woraus er überhaupt irgendetwas hätte schlussfolgern können. „Wie weit ist es noch?“, brummte er hinter sich, ohne seinen Nebenmann eines Blickes zu würdigen. „Kannst du eine genaue Entfernung ausmachen?“ Die Nervosität stieg kontinuierlich an, seine Aura lief auf Hochtouren, weil er nicht wusste, was geschehen würde.

 

Phlegmatisch wurde der Scouter bestätigt, bis dieser wiederum ein ersehnten Aufleuchten vor den Augen desjenigen projizierte und eine eindeutige Zahl zu erkennen war. „Ungefähr zwei Kilometer.“ Auch seine Augen waren zu dem Punkt gewandert, aus deren Richtung die Energie zu spüren war. „Ist das ausreichend oder sollten wir uns etwas entfernen?“

 

„Nein, nicht entfernen. Das ist nicht nötig.“ Die heisere Stimme klang gehetzt, als wäre der dazugehörige Körper einen Marathon gelaufen, für den der Körper nicht ausgelegt war. „Wir haben nicht den weiten Weg auf uns genommen, um jetzt zu verschwinden.“

 

„Aber -“

 

„Ich sagte, dass wir uns nicht entfernen!“, unterbrach er seinen Gefolgsmann, dessen Worte er genau abwägen konnte, aber... sie waren unsinnig. Das Weib würde ihre Auren niemals fühlen können, weil sie es nie gelernt hatte. Des Weiteren wollte er in seiner inexistenten Seifenblase bleiben und sich dem Gedanken hingeben, dass es genügte, wenn er sie sah... Er wollte sich der Imagination hingeben, dass sein Planet – aufgrund seiner Taten – nicht in Gefahr war. Er wollte sich einreden, dass das, was er tat, der richtige Weg war – jedenfalls für ihn und seine innerliche Unruhe.

 

Radditz hatte seine Ausrede kommentarlos akzeptiert, dass Vegeta lediglich selbst nachsehen wollte, ob alles in Ordnung war. Schließlich war Vegeta schon immer sehr... überzeugend. Dass er bloß an sich und seine Sehnsucht dachte. Ja, er wollte sie kontrollieren und sicherstellen, dass Turles seine Finger bei sich behielt, während Vegetas Abwesenheit... Allerdings hielt er diese Gründe unter Verschluss.

 

War es nicht absurd? Wegen einer Banalität setzte er das Schicksal seines Volkes aufs Spiel. Wegen etwas trivialem, wie den Gefühlen die er für das Mädchen hegte, hatte er Halbgott gespielt – wissentlich und sich darüber bewusst, welche Konsequenzen ihm drohten. Schlicht und einfach gesagt: in Vegeta kochte die Eifersucht, um diesem unbekannten Gefühl, das er die ganze Zeit verspürte, endlich den korrekten Namen zu geben. Sie brodelte unermüdlich. Als würde sie sich in einem Topf befinden, dessen Inhalt drohte überzulaufen und die frisch gewischten Böden unter einer zehn Zentimeter dicken Blutschicht zu vergraben. Doch jene Eifersucht hatte die Kontrolle übernommen, seit sie Vegeta-Sei verlassen hatten. Sie steuerte den König. Sie manipulierte sein Handeln, sie beeinflusste sein Denken und er ließ sich von ihr führen.

 

Grundgütiger, er war so erbärmlich geworden.

 

„In Ordnung, Majestät“, knirschte Radditz verbissen. „Bleiben wir am Boden oder... oder fliegen wir?“ Sein Schopf hob sich so weit nach oben, dass nur sein Augenpaar knapp über dem Rand des Gestrüpps erkennbar war.

 

„Besorgt, Radditz?“, wollte Vegeta spöttisch wissen.

 

„Was? Nein, natürlich nicht.“

 

„Du musst dir wegen Turles keine Gedanken machen. Es ist irrelevant, ob wir laufen oder fliegen. Schließlich ist er immer noch im Besitz eines Scouters.“ Verdammt, jetzt hätte Vegeta zu gerne mit Bulmas Vater in dessen Labor gesessen und über die Methoden gesprochen, die Kakarott beherrschte. Dieser Narr, der auf der Erde gelernt hatte, die Aura seines Gegners auszumachen – ohne auf die Hilfe eines Scouters angewiesen zu sein. Vermutlich war es diesem Arsch auch möglich, die Kampfkraft zu unterdrücken. Ja, bestimmt konnte dieser Pisser auch seine Aura gänzlich löschen.

 

„Äh... Na ja, den haben wir ja auch?“, warf Radditz grübelnd ein.

 

„Blitzmerker.“ Schnaufend entfernte er sich vom Boden, bevor er hastig von dannen flog – ohne Radditz ein Zeichen zu geben, der scheinbar froh gewesen war, den restlichen Weg zu fliegen. Es war bedeutend angenehmer, wenn man zum Ziel flog, das man binnen weniger Augenblicke erreichte. Allerdings wünschte sich Vegeta just in dem Moment, dass die bevorstehende Begegnung noch etliche Kilometer andauern würde, doch das Haus war ihm sofort ins Auge gesprungen – das verlassen und einsam inmitten der Einöde emporragte.

 

Unweigerlich waren die beiden Saiyajins auf dem Boden gelandet – versteckt hinter einem Baum. Vegeta wäre beinahe in den Boden geknallt, angesichts der Unruhe die in ihm tobte und sein Kontrollzentrum stark beeinträchtigte. Aber er war unheimlich nervös, was er unbedingt abschütteln wollte. Immerhin musste er gelassen bleiben. Insofern begann er, die nach vorne gefallenen Haare wieder in ihre aufrichtige Position zu bringen, während Kakarotts Bruder auf weitere Instruktionen wartete.

 

„Vegeta?“ Nun ja, der König würde ihm so schnell keinen Befehl geben, oder? Zu gebannt ruhten seine Augen auf dem Haus. Auch ihm war – wie Turles auch – das Schicksal seines Königs bekannt, aber es klang so surreal.

 

„Was ist?“

 

Radditz wusste nicht, wieso er Vegeta ausgerechnet jetzt duzte. Es lag wohl an der Situation. „Soll... Soll ich alleine gehen oder kommst du mit?“

 

„Blöde Frage.“

 

„Kannst du mir trotzdem antworten?“, beharrte der große Saiyajin augenrollend.

 

„Tu mir den Gefallen und geh endlich, Radditz. Mach irgendetwas, damit ich mich davon überzeugen kann, dass ihr Körper unversehrt ist.“

 

Ja, toll. Wie sollte er das anstellen? Darüber hinaus ging es ihm gar nicht gut, wenn er an seinen Planeten und das bevorstehende Unheil dachte, angesichts des verbotenen Aufenthalts auf der Erde und die damit verbundene Nähe zwischen Vegeta und Bulma. „Was soll ich ihr sagen? Das, was wir besprochen haben?“

 

Diese Dummheit, die Radditz an den Tag legte. Sie musste eindeutig erblich bedingt sein, was Kakarotts Idiotie erklären würde.

 

„Nö, natürlich nicht das, was wir besprochen haben. Du könntest sie ja fragen, wie es ihr geht? Oder sag ihr doch, dass du gekommen bist, weil du unbedingt wissen musst, wie man an Intelligenz gewinnt, damit du deinen König zukünftig nicht mehr mit dümmlichen Fragen in den Wahnsinn treibst“, herrschte er ihn letztendlich an, ehe er sich genervt und mit verschränkten Armen zur Seite drehte. „Zum Teufel nochmal, natürlich sollst du das machen, was wir besprochen haben!“

 

Sie hatten sich seit vier Wochen nicht mehr gesehen. Vielleicht war nun genug Zeit vergangen, so dass er sich ihr wieder nähern durfte? Aber konnte man das Schicksal mit Zeit besänftigen? Konnte man etwas so machtvolles beruhigen, indem man wartete? Womöglich nicht, da es das Schicksal nie eilig hatte. Nein, er würde kein Risiko eingehen. Er würde sie bloß ansehen und danach verschwinden, ehedem er seinen Plan weiterhin verfolgen würde. Aber auch das war eher nebensächlich, da er gespannt darauf wartete, dass die Tür geöffnet wurde.

 

Die Spannung war zum Greifen nah und erst als vorsichtig die Tür nach innen gezogen wurde, atmete Vegeta in der Ferne erleichtert auf. Und es war egal, dass er abseits stand. Er war so konzentriert, dass er ihre leise Stimme deutlich wahrnahm.

 

„Ja?“, entkam es Bulma flüsternd, die die Tür leichtsinnig geöffnet hatte, in dem Glauben, Wandersleute wären vorbeigekommen, die eine kurze Pause einlegen wollte. Doch sie bereute diesen Schritt sofort, nachdem sie ihr Gegenüber mit geweiteten Augen ansah. Ihre Finger klammerten sich in dem harten Holz der Tür fest, anlässlich des Anblicks dieses Hünen, der Bulma in Panik versetzte. Wie von Sinnen wollte sie die Tür zuschlagen, sie verbarrikadieren, sie -

 

Nein!

 

Radditz' Fuß war schneller. Er preschte ihn zwischen die Tür und den dazugehörigen Rahmen, bevor er seine Hand behutsam gegen die Tür legte. Anschließend schob er sie zaghaft auf, ohne das Mädchen aus den Augen zu verlieren.

 

„Nicht“, bemerkte er genauso leise. „Das bringt dir gar nichts.“ Er war ihr nun mal deutlich überlegen und diesen Vorteil nutzte er gnadenlos aus, indem er die Tür weiter aufschob und Bulma somit in das Innere des Hauses drängte.

 

„Was... Was willst du hier?“, stotterte sie im Gegenzug, während sie wispernd nach hinten torkelte. Zugleich versuchte sie sich blind an der Wand abzustützen, ehe sie noch über irgendetwas stolperte und zu Boden fiel. „Turles ist... er ist heute Morgen weggeflogen.“

 

„Weggeflogen?“, horchte Kakarotts Bruder auf. „Er ist nicht hier?“

 

„Nein, er... er ist wirklich nicht hier“, bekräftigte sie schluckend.

 

„Wohin ist er geflogen?“

 

„Das... Das weiß ich nicht“, erwiderte Bulma röchelnd. Sie wusste es wirklich nicht. „Ich... Ich denke, dass er mit seinem Training nicht... nicht zurückfallen möchte.“

 

„Mädchen, lüg mich nicht an.“

 

„Ich... Nein, ich versichere dir, ich belüge dich nicht, Radditz.“ Um Gottes Willen, das Herunterschlucken des dicken Kloßes in ihrem Hals tat bereits weh. „Ich gehe nur davon aus, weil... er meldet sich ja nicht bei mir ab und ich weiß auch nicht, wo er trainiert.“

 

Skeptisch drückte der Saiyajin einen am Scouter befindlichen Knopf, der ihm unmittelbar mitteilte, dass sie alleine waren – abgesehen von Vegeta, der draußen wartete. Trotzdem... Radditz war misstrauisch, weshalb er sich aufmerksam umsah, bis Bulma sich durchrang und weitersprach.

 

„Turles ist... wirklich nicht da. Bitte glaub mir doch.“

 

„Du denkst“, murrte Radditz und sah eindringlich in ihr Gesicht, „dass ich wegen Turles hier bin?“ Unverständnis zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Scheinbar konnte sie es nicht glauben, dass er ihretwegen hier war.

 

„J-Ja. Wieso... solltest du sonst hier sein?“

 

„Bedauerlicherweise bin ich deinetwegen hier. Du bist der Grund, warum ich diesen Planeten aufgesucht habe.“

 

Seine riesige Gestalt schüchterne die Saiyajin ein. Noch schlimmer waren seine Blicke, die ununterbrochen auf ihr hafteten. „Meinetwegen? Du... Du bist meinetwegen hier?“ Oh nein, was für einen Grund könnte es geben, dass er sich die Mühe machte, nach ihr zu suchen? „Ist... Ist etwas passiert? Bringst du mir meine Eltern oder... oder Son Goku?“ Sie wollte noch Chichi und Yamchu hinzufügen, doch unterbrach Radditz sie recht schnell.

 

„Weder noch.“

 

Aber... Bulmas Euphorie erlosch augenblicklich. Ihr erhelltes Gesicht verwandelte sich in eine triste Mimik, das Misstrauen symbolisierte. Schiere Angst klammerte sich um ihren zitternden Leib, den sie nicht mit Ruhe in Einklang bringen konnte, angesichts des gigantischen Schattens, den Radditz' Gestalt warf und damit drohte, sie inmitten des Flures zu verschlingen.

 

„Bitte, Radditz. Sag... Sag mir die Wahrheit.“ Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen, als sie auf den Riesen zuging und bedächtig ihre Hand auf seinen muskulösen Unterarm legte. „Bitte sag mir, dass... dass meine Eltern noch leben.“

 

Es war eine weitere Situation, mit der Radditz nicht umgehen konnte. Selbiges Verhalten hatte er schon damals an Kakarott kritisiert, als er noch klein gewesen war. Auch er war... er war so lieb und fürsorglich gewesen – Eigenschaften die mit einem Saiyajin nicht in Verbindung gebracht wurden. „Ja, sie leben.“

 

„Oh, Gott sei Dank.“ Befreit sank ihr Kinn gegen ihren Brustkorb. Man konnte ihre ruhiger werdende Atmung hören, was auch Radditz beruhigte, da er nicht auf unkonventionelle Maßnahmen zurückgreifen wollte. Keine Ahnung wieso, aber er wollte es um ihretwillen nicht.

 

Zum Abschluss drehte er sich von dem Mädchen weg, doch durch die Tür trat er nicht. Er blieb davor stehen, beäugte kurzweilig den Türrahmen und blickte abschließend über seine Schulter – zu dem Mädchen, das versunken in ihren Gedanken hinter ihm stehen geblieben war. Offensichtlich glücklich, dass ihre Eltern lebten. Es war jedoch ein seltsames Bild... Sie war ein so schwaches Wesen und dennoch war es ihr wichtiger, ihre Eltern in Sicherheit zu wissen, statt ihr eigenes Leben zu schützen. Es war bizarr. „Aber ich werde von nun an die Fragen stellen, klar?“

 

„Aber -“

 

„Es gibt kein aber, Mädchen und jetzt komm.“ Mit seiner Pranke deutete er zur offen stehenden Tür, durch die er Bulma zwingen wollte. Je schneller Vegeta sie gesehen hätte, umso schneller entkäme Radditz der Situation, diesem Planeten und... dem Mädchen, deren Augen mit Tränen gefüllt waren...

Vegeta, Son Goku! Findet die Wahrheit!

 

Veni, vidi, vici

- Gaius Iulius Caesar
 

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel vierundzwanzig -

 

 

Alles um Bulma herum wirkte surreal. Als befände sie sich wieder in einer ihrer Traumschlösser, das jedoch prompt angegriffen wurde, um das Mädchen in die Realität zurückzuholen und seitdem Turles hier im Haus schlief, war sie jeden Morgen in seinem weißen Umhang aufgewacht – eingekuschelt in den weichen Stoff, in den sich die blauhaarige Saiyajin unbesorgt anschmiegen konnte. Eine Geste, die ihr ein sicheres Gefühl vermittelte. Es waren Momente, die sorglos waren. Sie zeigten Bulma, wie leichtherzig und unbeschwert alles sein konnte, wenn man jemandem Vertrauen entgegenbrachte und obwohl sie den Umhang jeden Morgen über einen der Küchenstühle legte, war sie am nächsten Tag wieder darin eingewickelt. Ob er ihr anhand dieser Nettigkeit sagen wollte, dass sie ihm nicht egal war? Aber wieso bekam sie ihn seitdem noch weniger zu Gesicht? Alles was sie von Turles sah, war sein Umhang, da der Saiyajin es ständig geschafft hatte, sich erfolgreich aus einer Annäherung ihrerseits zu entziehen. Zudem war das nächste Unheil über sie hereingebrochen, denn so sicher sich Bulma jeden Morgen fühlte; jenes Gefühl war verschwunden, nachdem Son Gokus älterer Bruder vor ihrer Tür gestanden und sich Zutritt zu ihrer Zufluchtsstätte verschafft hatte. In jenem Moment wünschte sie sich einen Freund – der sich schützend vor sie stellte. Doch weder Turles, noch Son Goku waren hier gewesen...

 

„Bevor... Bevor wir das Haus verlassen, möchte ich wissen, wohin wir gehen?“, begann Bulma schluckend, während sie widerstandslos dem Mann gefolgt war. „Entfernen wir uns sehr weit vom Haus?“ Der hinzugekommene, kontemplative Kampf, sich nicht zu widersetzen und Radditz zu folgen, glich einem Gang über ein Minenfeld. Jeden noch so vorsichtigen Schritt den Bulma tat, war ausführlich überlegt, indem sie sowohl den Boden, als auch ihre Füße betrachtete.

 

„Ist das von Bedeutung?“ Abschätzig starrte er das Mädchen an, bevor er die Tür passierte. Sein Auftrag war klar – das Mädchen nach draußen zu bringen. Das würde er tun.

 

„Nein, eigentlich nicht, aber -“

 

„Wir gehen nur nach draußen.“ Radditz wollte weder ihre Belange, noch ihre Einwände hören. Ihm war klar, dass sie wegen Turles nachfragte, sofern dieser zurückkäme, aber das war irrelevant. „Gibt es sonst noch irgendwelche Fragen, die du unbedingt beantwortet haben möchtest?“ Der große Saiyajin konnte lediglich spekulieren und würde keineswegs die Hand dafür ins Feuer legen, aber Turles musste ihre Ankunft auf der Erde bemerkt haben. Sein Scouter hatte mit Sicherheit Alarm geschlagen und ihm die jeweiligen Kräfte angezeigt haben – was scheinbar der Grund für Turles' Flucht war.

 

„N-Nein, keine weiteren Fragen.“

 

„Gut“, brummte Radditz, der inzwischen nach draußen getreten war und sich mit verschränkten Armen dem Mädchen zugewandt hatte. „Ich erwarte nämlich auch, dass du mir die Wahrheit sagst – ganz gleich, welche Frage ich dir stelle.“

 

„In... In Ordnung.“ Dahingehend beschloss Bulma, Sicherheitsabstand einzuhalten, denn Vertrauen war – im Bezug auf diesen Saiyajin – wohl kaum möglich. Schließlich war Radditz ihr fremd und wenn sie sich mal sahen, verliefen diese Treffen weniger harmonisch. „Was... Was möchtest du mich denn fragen?“ Hinzu kam das fehlende Gefühl, das Bulma in Gegenwart ihrer Freunde spürte. Sie war sich auch sicher, dass er nicht sehr freundlich zu ihr sein würde – insbesondere, wenn Bulma keine logische Erklärung auf seine Fragen hätte.

 

„Du hast unseren König belogen, nicht wahr?“ Seine finstere Miene wurde noch düsterer, nachdem die Frage wie eine dunkle Wolke über ihnen schwebte. Zeitgleich stemmte er die Hände in die Hüften, während er das Mädchen noch eindringlicher ins Visier nahm.

 

„Was? Ich -“

 

„Du magst zur Zeit auf einem anderen Planeten leben, Mädchen, doch ist und bleibt Vegeta dein König. Vergiss das nicht.“ Kurz wollte Radditz sich dazu hinreißen lassen, den Blick von ihr abzuwenden und nach hinten zu sehen – einfach um sicherzustellen, dass Vegeta zufrieden gestellt war. Aber er verzichtete auf diesen so wichtigen Blick, da die Augen des Mädchen ihm gefolgt wären, wodurch er nun gezwungen war, auf sein Gefühl – das nicht einmal einen Teelöffel ausfüllte – zu bauen.

 

„Radditz, ich habe Vegeta nicht angelogen“, beschwichtigte sie ihn mit erhobenen Händen. Außerdem... War nicht sie immer diejenige, die belogen und hintergangen wurde – von Menschen, denen sie vertraute? War es nicht ihr Leben, das zunehmend aus der Bahn geworfen wurde? War es nicht ihr Leben, das aus einem Fundament aus Lügen aufgebaut worden war, indem man ihr die Wahrheit vorenthielt und sie über ihre wahre Herkunft nicht informierte? Völlig ungeachtet, ob es ihr schaden könnte oder nicht? „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, deinen König belogen zu haben“, fügte sie waghalsig hinzu, sich sicher, dass das das Letzte sein könnte, was der Saiyajin vor ihr hören wollte.

 

„Wie kannst du es wagen, Mädchen?“ Erzürnt über die Dreistigkeit seines Gegenübers, stand Radditz kurz vor einer Explosion.

 

„Wann und inwiefern soll ich Vegeta belogen haben? Anstelle von tiefgründigen Gesprächen, in denen ich deinen König hätte belügen können, haben wir uns viel mehr gestritten.“ Bulma wusste, dass sie Son Gokus Bruder provozierte, aber in ihren Augen war Vegeta noch weit davon entfernt, ihren Respekt zu erhalten, angesichts seiner königlichen Stellung.

 

„Du lügst!“, knurrte Radditz, dessen geballte Faust reaktionär knackte, nachdem sie nach oben geflogen war. Er wusste, dass sie schon wieder los. „Und davon abgesehen, er ist auch dein König.“ Das Gespräch hatte eine interessante Wendung angenommen, befand Radditz. Noch eben konnte er ihren Körper wie Espenlaub zittern sehen, doch davon war nichts mehr zu erkennen. Stattdessen griff sie Vegeta verbal an und es war Radditz' Berufung, seinen König vor solchen und körperlichen Attacken zu bewahren. „Was erlaubst du dir eigentlich, mir so forsch zu antworten, ohne dich dabei zu schämen? Ich versichere dir, du wirst dich dem König gegenüber anders verhalten.“

 

„Nein“, entgegnete die blauhaarige Saiyajin gelassen. „Das werde ich nicht tun, Radditz.“

 

Unverzüglich veränderten sich die Gesichtszüge beider männlicher Saiyajins. Während Radditz' Mimik sich veränderte, musste der versteckte Saiyajin innerlich lachen, hinsichtlich der Sturheit. Sie war so versessen darauf, Radditz nicht zu gehorchen, woran Vegeta allmählich Gefallen gefunden hatte – auch, weil er sich selbst mit ihr und ihrer Standfestigkeit messen wollte. Außerdem hatten all ihre Streitigkeiten ihm eines gezeigt: Dass er in Bulmas Augen nicht gleicher war als die anderen. Im Gegenteil. Dieses Weib behandelte ihn, als wäre er ein gewöhnlicher Mann. Dass er ein Saiyajin war, wie jeder andere. Im Grunde hätte ihn das ärgern müssen, da er stets Wert darauf legte, anders zu sein, aber dieses Mal war es ihm egal. Insgeheim würde er es nicht wollen, dass sie sich letztendlich noch fürchtete, wenngleich er selbiges mal zu ihr gesagt hatte und sobald er sich ihr wieder nähern dürfte, würde er ihr schon zeigen, dass sie ihn zu respektieren hatte.

 

„Werd bloß nicht großspurig, Weib.“

 

Inzwischen hatte auch Bulma die Arme vor ihrer Brust überkreuzt, während sie augenrollend Radditz' Worten lauschte.

 

„Erzähl mir lieber“, fuhr der Saiyajin mit den langen schwarzen Haaren fort, „was vor sechs Jahren geschah – als du mit Kakarott nach den Dragonballs gesucht hast?“

 

„Wieso willst du das wissen?“

 

„Hinterfrag nicht alles – antworte!“

 

Indessen tippte ihr schmaler Zeigefinger unaufhörlich gegen ihre geschlossenen Lippen, während sie gleichzeitig an die hinter ihr liegenden Abenteuer mit Son Goku zurückdachte. Es bescherte ihr ein Lächeln, obwohl ich gar nicht nach Lachen zumute war und die Herausforderungen damals nicht gerade leicht waren, aber... Son Goku und sie hatten sie gemeinsam gemeistert – mit Yamchu, Oolong und Pool. Es lag schon so lange zurück, aber Bulma erinnerte sich daran, wie sie schlussendlich in Pilaws Schloss ankamen. Ihm gelang es – aufgrund ihrer aller Nachlässigkeit – in den Besitz der Kugeln zu kommen, ehe er den heiligen Drachen Shenlong herbeirief. Dem Zufall war es damals zu verdanken, dass sie Pilaws Wunsch vereiteln und dem Gefängnis entkommen konnten, weil...

 

Oh nein...

 

Augenblicklich weiteten sich Bulmas Augen. Ihre verschränkten Arme sanken zur Seite, ehedem eine ihrer Hände betroffenen vor ihrem offen stehenden Mund landete. Plötzlich konnte sie die Zusammenhänge zusammenfügen, bevor sie ihren Kopf zur Seite neigte und nochmals zu Radditz blickte, der herausfordernd vor ihr stand.

 

Sie wusste, inwiefern sie Vegeta belogen hatte, da ihr klar geworden war, welches Volk im Stande war, sich in Affenmonster zu verwandeln. Damals war es Son Goku, mit dessen Hilfe sie aus Pilaws Schloss flüchten konnten. Ein zweites Mal sah sie, wie Turles derjenige war, dessen Züge sich veränderten, eheer sich in etwas verwandelte... Allerdings war Bulma zuvor aus ihrem Traum hochgeschreckt...

 

Und genau das wollte Radditz aus ihrem Mund hören. Dass sie Vegeta belogen hatte, bevor er sie zwingen würde, ihm weitere Informationen mitzuteilen, aber darauf könnte er lange warten. Nichts würde Bulma diesem Fiesling verraten – gar nichts. Stattdessen wog sie ab, ob es klug wäre, vor Radditz zu flüchten – was es nicht wäre, da er ihr überlegen wäre. Jedoch siegte die aufkeimende Überheblichkeit, woraufhin die junge Frau ihre Beine in die Hand nahm und zum Haus zurückeilte, das in greifbarer Nähe war. Zusätzlich sah sie nicht nach hinten, weil es eine Handlung wäre, die ihr Tempo gestoppt hätte. Bulma baute einfach darauf, dass sie es schaffte und ignorierte Radditz' Schrei. Ja, sie würde nicht kampflos aufgeben und noch weniger würde sie Radditz Auskunft geben. Umso erleichterter war sie, als sie der Tür näher kam – die Hand hechelnd, aber lächelnd nach vorne gestreckt, um nach der Klinke zu greifen. Ihr Körper dagegen machte Anstalten, sie anschließend mit bösen Seitenstechen zu strafen, aber diese Bürde nahm sie in Kauf.

 

Es war auch gar nicht mehr weit. Es... Es war nur noch ein... ein Stückchen. Vermutlich hatte sie auch den gänzlich falschen Weg eingeschlagen – sich ausgerechnet in ein Haus zurückzuziehen, das ihr keinerlei Sicherheit bot, wie Vegeta es ihr damals schon einprägsam bewiesen hatte. Jedoch war die Angst gewachsen. Sie war größer geworden, aber Bulmas Fehler war es gewesen, in allem eine Art Sicherheit zu sehen, was sie von Radditz abschottete. Zugegeben, es war eine bröckelnde Sicherheit, die jederzeit umgangen oder zerstört werden konnte, doch das wollte die flüchtige Saiyajin in ihrer Not nicht sehen. Stattdessen klammerte sie sich an den Strohhalm, tatsächlich dem großen Saiyajin zu entkommen und in der Not klammerte man sich eben an alles – so klein und zerbrechlich die Hilfe auch war.

 

„Das reicht.“ Ein Flimmern erschien vor der rettenden Tür, das immer klarer wurde – bis Radditz' Körper vollständig erschienen war. Er baute sich zu seiner vollen Größe auf und starrte mit bitterbösem Blick zu dem Mädchen hinab, das ihn in den Wahnsinn trieb. „Ich mache deine kleinen Spielchen nicht länger mit und wenn du tatsächlich glaubst, mir entkommen zu können, muss ich stark an deiner Wahrnehmung zweifeln.“ Im Anschluss setzte er hämisch grinsend einen Fuß vor den anderen, wodurch er Bulma weiter vom Haus treiben konnte. Es war zum Kotzen, dass er sich dieses Theater antat, nur um Vegeta zu besänftigen, der seine grenzenlose Eifersucht nicht mehr kontrollieren konnte. „Also? Was ist nun?“, warf er ein. „Erzähl mir, was dich gerade erschreckt hat? Was war der Auslöser deiner Flucht?“

 

„Das geht dich gar nichts an“, fauchte Bulma, die mit geballten Fäusten zurückweichen musste.

 

„Erzähl es mir trotzdem. Dann sehe ich auch davon ab“, warf er belanglos ein, „dir die Knochen zu brechen.“ Allzu viele Möglichkeiten blieben dem Mädchen nicht. Davon aber abgesehen entdeckte er, dass sich Vegeta zu erkennen gab, der sich schleichend Bulma näherte, die wiederum mit ihren rückwärtigen Schritten direkt in die Arme des Königs lief. Irritiert darüber, hob Radditz verwundert eine Augenbraue, doch bewahrte er Stillschweigen, da er die Handlungen des Königs nicht anzweifelte. Schon gar nicht, nachdem Vegeta ihn in die königliche Garde berufen und ihm somit aus der Gosse verholfen hatte.

 

Wieder wurden ihre blauen Augen größer, als ihr die Konsequenzen aufgrund ihrer Verschwiegenheit aufgingen. „Ha, das sagst du nur, aber meinst es nicht so. Du würdest mir -“

 

„Das hängt von dir und deiner Kooperationsbereitschaft ab, Fräulein.“

 

„Ich kooperiere nicht mit -“ Abrupt hielt Bulma inne, nachdem ihr Rücken gegen einen ihr unbekannten Widerstand stieß. Binnen Sekunden hatte sie sich erschrocken umgedreht, woraufhin sie in Vegetas pechschwarze Augen sah, die ihr amüsiert entgegenblickten. Geradezu ängstlich atmete Bulma ein, bevor sie einen Schritt zurücktrat – wohl wissend, dass ihr das nicht half, da Radditz ihr ebenfalls im Nacken saß.

 

„Eine unkluge Entscheidung, Onna.“

 

„Unklug? Er würde -“

 

„Würde er nicht“, schnitt der König ihr das Wort ab. „Schon gar nicht, wenn ich hinter dir stehe.“

 

Sie konnte gar nicht anders, als ihn entrüstet anzusehen. Zu gebannt war sie von seiner Erscheinung – hier auf der Erde. Ob jetzt ein geeigneter Zeitpunkt wäre, um ohnmächtig zu werden? Vielleicht sollte sie – hier in der Einöde, wo sie niemand hörte – um Hilfe rufen? Aber selbst das würde ihr nicht gelingen, da sie ihrer letzten Kraft beraubt wurde, nachdem er in ihrem Blickfeld erschienen war. Ihr würde, infolge ihrer umher schwirrenden Augen noch ganz schwindelig werden, aber sie musste ihn bestaunen – von der Spitze seiner weißen Stiefel, bis nach oben zu seinen schwarzen Haarspitzen.

 

„Das... Das ist ja sehr schön, aber er will mir nicht glauben, dass ich nicht weiß, wovon er spricht. Ich -“

 

„Du willst es ihm bloß nicht erzählen, das ist alles“, durchleuchtete er ihre schlecht einstudierte Ausrede, die selbst Kakarott enttarnt hätte. „Du kannst von Glück reden, dass er dir – aufgrund meines Befehls – niemals etwas antun wird, denn für gewöhnlich haben Saiyajins ihre Mittel, um jemanden zum Reden zu bringen.“ Die Angst, die zu berühren, war allgegenwärtig. Doch der Drang, seinem seelischen Leid ein Ende zu setzen, war so viel drängender und intensiver. Parallel konnte er sein aufgeregtes Herz pumpen hören. Vegeta vernahm das Blut, das durch seinen Körper rauschte, während er sich auf Bulma fixierte.

 

„Gewalt scheint für einen Saiyajin immer eine passable Lösung zu sein“, konterte Bulma pikiert, die nach wie vor kein Freund der saiyajinischen Methoden geworden war. Sie würde solche Maßnahmen auch niemals befürworten. „Aber der Zweck heiligt nicht die Mittel, Vegeta.“

 

„Doch. In unserem Fall schon, aber wie dem auch sei: Es geht darum, dass du mich belogen hast.“

 

Nein, sie hatte ihn nicht wirklich angelogen. „Ich habe dich -“

 

„Schweig, Onna!“, befahl er herrisch, mittels seiner erhobenen Hand. „Du wusstest, dass wir in Vollmondnächten eine andere Gestalt annehmen und hast es mir nicht gesagt. Das war kein besonders netter Zug von dir, dass du mich in der Zelle belogen hast, Onna.“

 

„Nein, das... das stimmt nicht“, wehrte sich Bulma gegen seinen Vorwurf. Ferner sah sie abwechselnd zu Radditz und... und ihm. Zuzüglich musste sie die beiden Körper, die unheimlich schnell agieren konnten, haargenau im Auge behalten, wenngleich es ihr nichts bringen würde, da sie ihnen sowieso unterlegen war. „Ich konnte mich nur nicht mehr daran erinnern.“

 

„Natürlich“, quittierte Vegeta ihre Aussage mit einem nonchalanten Lächeln. „Ich hoffe, dass du keine weiteren Erinnerungslücken hast. Wäre für deine Eltern nicht von Vorteil.“ Es war absolut nicht in Ordnung, dass er ihre Eltern als Druckmittel missbrauchte, aber er hatte ja bereits eingesehen, dass er erbärmlich war. Zumal er sich ihretwegen auf den Weg zur Erde gemacht hatte und somit wissentlich seine Rasse in Gefahr brachte. Im Austausch konnte er auch die Wahrheit erhalten, oder?

 

„Das ist die Wahrheit. Ich... Ich konnte mich nicht einmal mehr an Chichi erinnern“, gestand Bulma, deren Arme inzwischen um ihren Körper geschlungen waren. „Ich habe Chichi schon in meiner Jugend kennengelernt und sie danach aus den Augen verloren. Als ich sie dann während meines Studiums auf der Erde wiedersah, wusste ich nicht, dass sie es gewesen war.“

 

„Bete zu Shenlong, Onna, dass – solltest du mich wieder anlügen – ich niemals davon erfahre“, knurrte er ungehalten, ehe er zu der Saiyajin herangetreten war und sie an ihrem Handgelenk zu sich gezogen hatte. Die andere Hand legte er bedächtig auf ihrem Steißbein nieder, während seine Nasenspitze in ihren Haaren verschwand und seine Lippen ihr linkes Ohr streiften. „Ansonsten wirst du die Erde – so, wie du sie kennst – nicht mehr wiedererkennen. Ich werde alles niederreißen und dafür Sorge tragen, dass ein Leben auf diesem Planeten unmöglich sein wird.“ Berauscht von der Nähe zu ihr, bemerkte er gar nicht, wie seine Nasenspitze über ihre weichen Strähnen glitt, was zusätzlich dazu führte, dass seine Hand sich tiefer in ihrer Taille vergrub. Ihr ausgestoßenes Zähneknirschen versetzte ihn noch mehr in Rage, wodurch es dem König umso schwerer fiel, sich ihrem betörenden Duft zu entziehen. Aber er riss sich zusammen und sah in ihr Gesicht zurück – in diese tiefblauen Augen, die so undurchdringlich wie der weiteste Ozean waren. „Ich frage dich jetzt also noch einmal, und ich möchte, dass du mir ehrlich antwortest: Hast du jemals einen Weraffen gesehen, Onna?“

 

Bulma überlegte sehr lange, bis Vegetas ungeduldiger Blick sie dazu trieb, zurück in sein Gesicht zu sehen. „Ja, habe ich.“

 

„Wo und wann?“

 

„Als... Als ich in Turles' Haus aufgewacht bin, hatte ich diesen Traum.“

 

„Welchen Traum?“, drängte Vegeta.

 

„Turles... Er konnte sich mithilfe eines Powerballs verwandeln, aber noch ehe die Verwandlung abgeschlossen war, bin ich schweißgebadet aufgewacht.“

 

„Was?“, entkam es Radditz, der abseits gestanden und lediglich zugehört hatte – bis gerade eben. „Vegeta, sie... sie kennt die Powerballs.“ Sein eher farbenprächtiges Gesicht verlor plötzlich seine gesunde Farbe. „Das... Das ist unmöglich. Das kennen doch -“

 

„- nur Elite-Kämpfer der königlichen Armee, ja“, beendete Vegeta den Satz. „Nur sie sind im Stande, eine solche Energie zu bündeln, was uns sagt, dass sie nicht lügt.“ Zuerst sah er Radditz an, bevor sein Blick langsam zu ihr wanderte. In ihrem blassen Gesicht konnte er erkennen, dass sie die Wahrheit sagte. Hinzu kam ihre Beharrlichkeit, sich nicht mit den Gebräuchen der Saiyajins auseinandersetzen zu wollen – wie sollte sie demnach einen Powerball erkennen, geschweige denn die Bedeutung kennen? Auch kannte sie womöglich in ihrem Umfeld niemanden, der ihr von den Fähigkeiten eines Elite-Kämpfers hätte erzählen können – abgesehen von... von Turles. Aber es war unwahrscheinlich, dass ausgerechnet Turles etwas erzählen würde. Und eins wurde dem König sonnenklar – ihre Träume mussten der realen Zukunft entsprechen, was schlecht war, da niemand wusste, wann ein derartiger Angriff hätte stattfinden können. Und wenn die Zukunft seines Volkes sowieso schon vorherbestimmt war, wieso machte er sich überhaupt noch die Mühen, diese Katastrophe irgendwie abzuwenden?

 

Aufgrund seines Stolzes. Niemals dürfte er seinen Stolz verlieren – so ausweglos die Lage auch war, denn der Stolz eines Saiyajins war etwas, das man nicht aufgab. Selbst wenn man dem Tod gegenüberstand und das Leben am seidenen Faden hing, ein stolzer Saiyajin würde mit erhobener Faust zum Angriff übergehen.

 

„Wann“, brummte Vegeta, nachdem er sich der Saiyajin erneut widmete, „soll dieser Angriff stattfinden? Siehst du das in deinen Visionen?“ Es brachte ihn fast um den Verstand, so dicht neben ihr zu stehen. Ebenso die Tatsache, ohne sie nach Vegeta-Sei zurückzukehren. Der Gedanke, sie hier mit Turles alleine zurückzulassen... er starb innerlich zehntausend Tode, aber er alleine hatte diese Situation herbeigeführt. Er war der Antrieb, Vegeta hatte die Entscheidung getroffen, seinen Lakaien mit ihr auf diesem Planeten zurückzulassen, angesichts des Umstandes, dass er Turles andernfalls erwürgt hätte. Die Gefahr war zu groß, seinen Krieger etwas anzutun, weil er wusste, dass... dass Turles Bulma mochte.

 

„Das... Das weiß ich nicht.“

 

„Bist du dir sicher?“, wollte er eindringlicher wissen.

 

„Ich sehe wirklich nur diesen Angriff – nichts weiter“, wisperte Bulma mit zusammengekniffenen Augen. „Ich -“

 

„Onna, belüg mich nicht noch einmal!“

 

„Ich gebe dir mein Wort, Vegeta“, versprach die Saiyajin, ehedem sie vorsichtig ihre Augen aufschlug und diesen undefinierbaren Blick in den Augen des Königs erspähte. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie niedergeschlagen er war, weil er scheinbar nichts weiter tun konnte, als darauf zu warten, dass sein Planet angegriffen wurde.

 

„Und wann kommt Turles zurück?“, wollte er wissen, nachdem er sich zurückzog und mit einer Hand über seine müden Augen rieb. Für ihre nichtssagende Aussage kam er hierher? Er hatte zumindest auf einen anderen Ausweg gehofft.

 

„Ich kann dir nicht sagen, wann Turles wiederkommen wird.“ Bewegungslos war sie stehen geblieben, weil sie noch etwas perplex von dieser kontroversen Sicherheit – die Vegeta ihr gab, während er sie gehalten hatte – gewesen war. Wieder einmal erinnerte sie sich an das Szenario auf Vegeta-Sei zurück. Dort waren sie sich so nahe gekommen, doch wurde diese Nähe abrupt gestört – zwischen beide Saiyajins wurde eine Distanz gebracht, die – wie es am Anfang schien – unüberbrückbar war und doch stand Vegeta hier; hier vor ihr. Mühsam versuchte sie unterdessen, sich dieser schönen Erinnerung nicht hinzugeben. Bulma wollte sich nicht noch einmal täuschen lassen, denn als er sie in den Kerkern aufgesucht hatte, hatte Vegeta ihr sehr plakativ vor Augen geführt, dass das – was zwischen ihnen passiert war – nichts weiter als ein dämliches Spiel für ihn gewesen war. Dieses Auftreten bestärkte Bulma in ihrem Bestreben, Turles kennenlernen zu wollen – sich auf einen Saiyajin einzulassen, der es ernst mit ihr meinte.

 

„Wieso nicht?“ Hatte er diesem Volltrottel – der Kakarott zum Verwechseln ähnlich sah – nicht ausdrücklich befohlen, auf dieses Mädchen aufzupassen?

 

„Weil er sich nicht abmeldet – wir reden auch nicht sonderlich viel miteinander.“ Das taten sie wirklich nicht.

 

Verdammt nochmal. Er sollte auf sie aufpassen. War das so schwer? Immerhin war ihr Schicksal das seinige! „Umso besser“, murrte er, weil es ihn glücklich stimmte, dass sie nicht so viel miteinander zu tun hatten. „Du wirst ihm nichts von unserem Besuch erzählen. Ist das klar?“ Zaghaft schob er zwei Finger unter ihr Kinn, um ihren zur Seite gerichteten Kopf zurückzudrehen. „Onna, wenn du ihm erzählst, dass wir hier waren, sehen wir zwei uns sehr schnell wieder und wie mir zu Ohren gekommen ist, ist das etwas, das du nicht willst.“

 

Er wollte einfach kontrollieren, ob es sich lohnte, ihr Vertrauen entgegenzubringen – was er bisher nie getan hatte...

 

„Waren meine Worte unverständlich?“ Fast zärtlich zog er die beiden Finger zurück, nur um seine Hand darauffolgend um ihr Kinn zu schlingen. Das Kribbeln, das seine Hand nach der Berührung mit ihrer Haut durchzog, war unangenehm. Es hinterließ einen bittersüßen, heimtückischen Beigeschmack, der ihn zurecht täuschen sollte, um sich nicht weiterhin von ihr und ihrer äußeren Erscheinung einwickeln zu lassen.

 

„Nein, waren... waren sie nicht“, nuschelte Bulma.

 

„Schöpfe meine Geduld nicht bis zu ihren Grenzen aus“, riet Vegeta ihr anschließend leise, nachdem seine Lippen abermals den oberen Rand ihres Ohres berührten.

 

„Ich werde ihm nichts sagen“, antwortete sie verächtlich, da ihr Mut zurückgekommen und es ihr gelungen war, ihren Kopf aus seinem harten Griff zu befreien. Wieder einmal zeigte er ihr seine schlechtesten Seiten und trotzdem fand sie ihn immer noch attraktiv – diesen Idioten. Das war doch verstörend. „Bist du deswegen zur Erde gekommen?“

 

„Weswegen?“ Indes sank seine Hand zur Seite zurück, während sein Blick auf ihr ruhte. „Wegen deiner Lüge? Ja. Grund genug, diesen Weg auf mich zu nehmen.“

 

„Ach so. Das ist ja interessant.“ Herausfordernd verschränkt Bulma die Arme vor ihrem Oberkörper. „Du nimmst also diesen weiten Weg auf dich, weil -“

 

„- weil was, Onna?“ Diese Anziehung, die sie scheinbar gegenseitig aufeinander ausübten, war kaum auszuhalten. So sehr er sich bemühte, eine körperliche Entfernung zwischen sich und sie zu bringen, umso drängender wurde das Verlangen, jene Nähe zu ihr zu dezimieren.

 

„- weil ich dir ein Detail nicht verraten habe, an das ich mich selbst nicht mehr erinnern konnte? Schon komisch, oder?“

 

„Das ist überhaupt nicht komisch“, blockte Vegeta sofort ab, weil er sich in die Enge gedrängt fühlte. „Du kannst dir nicht ausmalen, wie wichtig dieses Detail ist.“

 

„Ist es nicht eher dem Bedürfnis geschuldet, weil du mich kontrollieren und noch etwas demütigen möchtest? Gründe dazu brauchst du ja nicht – du saugst sie dir einfach aus den Fingern und was das betrifft, Vegeta, bist du die ungeschlagene Nummer eins“, warf sie ihm vor.

 

„Netter Gedanke, Onna, aber es ist unerheblich, was du glaubst.“ Da hatte er aber noch einmal Glück gehabt. Vegeta glaubte schon, dass sie ihn enttarnt hätte.

 

„Wieso hast du mir im Gegenzug nicht gesagt, dass Onna eine Beleidigung ist?“, stellte die junge Saiyajin die nächste Frage. Sie beachtete Radditz schon gar nicht mehr, wenngleich er hinter ihr stand und dafür sorgte, dass sie nicht floh. „Wieso hast du mich belogen, Vegeta?“ In Bulmas Kopf tummelte sich noch eine ganz andere Frage: Inwiefern er sie damals belogen hatte, als er von den königlichen Soldaten abgeholt und ihr einen Zettel in die Hand gedrückt hatte. War es auf ihren Kuss im Badezimmer bezogen? Er würde es ihr bestimmt nicht sagen, da Vegeta nicht der Saiyajin war, dessen Charakter durch Ehrlichkeit hervorgehoben wurde.

 

„Hat dir das etwa Kakarott erzählt?“

 

„Nö.“

 

Ha, infolgedessen konnte Vegeta nicht anders – er schmunzelte. „Ich wollte deinem unnötigen Gejammer aus dem Weg gehen.“ Nein, er wollte sie nicht verletzen – ganz gleich, ob ihr Empfinden ihn zum damaligen Zeitpunkt nicht interessierte. Aber es gab eben doch noch einen dezenten Funken Anstand in seinem Leib, dem es nicht so egal war, dass sie – aufgrund seiner Beleidigung – traurig war. Ein ebenso lästiges Anhängsel, das Vegeta beeinflussen konnte; ähnlich wie die Nähe zu Bulma. Ansonsten hätte er nicht gezögert, ihr die wahre Bedeutung zu erklären. Ein weiteres Manko war, dass er seine Niederlage einsehen musste. Dem Mädchen ging es nicht schlecht. Sie fühlte sich in Turles' Umgebung wohl, im Gegensatz zu seiner Gegenwart, die anscheinend nichts anderes als Brechreiz und Wut in ihr hervorrief. Und das störte ihn.

 

Zischend drehte er sich daraufhin von ihr weg. Allerdings war es dieses Mal Bulma, die an ihn herangetreten und nach seinem Arm gegriffen hatte.

 

„Hey!“, fauchte Radditz, der unentwegt hinter der Saiyajin gestanden hatte. Bisweilen war er ruhig geblieben, aber Vegeta ungefragt zu berühren war ein Zustand, der nicht geduldet wurde.

 

„Lass, Radditz“, unterbrach der König seinen Gefolgsmann. „Ich kann mich selbst wehren.“ Abschließend sah er abwartend zu Bulma, die mit sich zu ringen schien.

 

„Werde... Werde ich meine Eltern jemals wieder sehen?“, entkam ihr mit schlotternden Knien die Frage, während ihre bebende Hand um seinen Unterarm geschlungen war.

 

„Das weiß ich nicht, Onna.“

 

Verwundert löste sie den Griff um seinen Arm, bevor sie mit großen Augen zurücktrat. „Warum nicht?“

 

„Weil ich nicht weiß, inwiefern mir deine Eltern noch nützlich sind.“ Sie hatte dem König eine wunderbar Vorlage geboten, die ihm half, als Gewinner aus diesem Gespräch hervorzugehen, denn nichts anderes war das alles zwischen ihnen – ein Spiel, das böse Folgen hatte. Schlussendlich, und das wusste Vegeta, würde es sowieso keinen Gewinner geben – nur Verlierer. Allen voran Vegeta, der Bulma verlieren würde. Zum Wohle seines eigensinnigen Volkes. „Und bevor du fragst: Die Ankunft deiner Freunde hängt von ihrem Erfolg ab.“

 

„Was? Wovon sprichst du?“

 

„Unwichtig.“ Es machte ihm Spaß, sie am langen Arm hungern zu lassen. Folglich nickte er in Radditz' Richtung, der die Geste verstand und unverzüglich neben ihm erschien.

 

„Nein, warte.“ Sie wusste schon nicht, wieso Vegeta zum König gekrönt worden war. „Vegeta, bitte warte. Von welchem Erfolg sprichst du?“

 

„Ich sagte doch, dass das unwichtig ist.“

 

Dass man Bulma im Ungewissen lassen wollte, bezüglich ihrer Familie, sowie ihrer Freunde, ging der niedergeschlagenen Saiyajin extrem nahe. Und sie würde ihm solange hinterherlaufen, bis sie eine adäquate Antwort erhalten hatte – sofern er nicht vorher in einer Kapsel verschwand. „Was hast du getan? Ich habe ein Recht darauf, wenn du mich hier schon aussetzt, Vegeta!“

 

„Gar nichts hast du“, spie er ihr ungehalten entgegen, nachdem er ruckartig stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. „Du hast keine saiyajinischen Rechte mehr, Onna. Hier, dieser Drecksplanet ist doch angeblich dein Zuhause. Du wolltest doch immer hier sein – diesen Wunsch habe ich dir erfüllt.“ Zum Teufel nochmal, sein Zorn hatte die Oberhand gewonnen. „Und jetzt hör verdammt nochmal auf, mir vorzuschreiben, wann und ob ich dir zu antworten habe. Das kann nach hinten losgehen.“ Er hatte ihr sowieso schon zu viele Freiheiten gelassen.

 

„Wieso, Vegeta?“

 

„Wieso was, Onna?“

 

„Wieso lässt du mich leiden?“ Bulma wollte ihn anflehen, endlich ehrlich zu ihr zu sein, damit sie mit der Vergangenheit abschließen konnte, aber nicht einmal das gönnte ihr der König – der es vorzog, sie mit so vielen Fragen alleine zu lassen. Es ging ihm schlichtweg an seinem königlichen Hintern vorbei, wie Bulma sich fühlte.

 

„Ich lasse dich leiden?“ Gedanklich brüllte er ihr ins Gesicht, dass er ebenso litt wie sie. Durch dieses Mädchen wusste Vegeta erst, was Leid bedeutete. Allerdings konnte er es nicht von der Hand weisen, dass sie unter seiner Tyrannei litt – Vegeta spürte es in ihrer unkontrollierten Aura, die unheilschwanger über ihr schwebte.

 

„Ja“, wisperte Bulma.

 

„Weil dein Schicksal das meine sein wird“, warf er über die Schulter blickend ein. All sein Handeln, all sein Denken sollte sich als Fehler herausstellen – das hatte er eingesehen. Ja, selbst sein Erscheinen auf der Erde war ein Fehler gewesen.

 

Bulma dagegen konnte diesen Satz gar nicht verstehen. Sie wusste nichts mit den Worten anzufangen und während sie über seine gesprochenen Worte nachdachte, musste sie tatenlos zusehen, wie Vegeta sich gemeinsam mit Radditz immer mehr von ihr entfernte. Zeitgleich wusste sie auch nicht, was der Grund seines Besuches war. Erschwerend kam der Umstand hinzu, dass sie Turles belügen musste, obwohl sie ihm doch auf dem Fest sagte, dass sie ihn nicht anlügen würde. Mitels ihrer Hand schirmte sie die Sonne ab, die die Konturen der Saiyajins verdunkelte, die immer unschärfer und kleiner wurden. Anschließend trottete auch Bulma betrüblich zum Haus zurück – gefangen in ihrem Sog aus Sorge, Verzweiflung und der bitteren Erfahrung, dass sie Vegeta, sowie ihre Heimat endgültig loslassen musste. So schwer es ihr fiel, aber sie konnte nicht auf beiden Seiten stehen. Die blauhaarige Saiyajin durfte zudem nicht an jemandem festhalten, der ihr Wesen nicht zu würdigen wusste und es nur darauf absah, seine lächerlichen Spiele mit ihr zu spielen, während es doch einen anderen Saiyajin gab, der... eben anders war.

 

Ja, wäre sie dem König in irgendeiner Form wichtig gewesen, hätte er gekämpft – um sie. Stattdessen wartete er bloß darauf, dass sie ging und ihn losließ, weil er offensichtlich zu feige war, jenen Schritt zu tun.

 

 
 

~*~

 

 

Drei Tage musste Vegeta auf die Ankunft seiner Männer warten. Diese Zeit war qualvoll, weil er sich in seiner Lethargie Gedanken über alles machen konnte. Umso glücklicher war er, als er endlich in dem Innenhof seines Palastes stand – vor ihm sieben Kugeln, die unter der Aussetzung der Sonnenstrahlen funkelten und glitzerten. Sie erzeugten einen so intensiven Glanz, den er zuvor noch nie gesehen hatte. Nicht einmal die Saphire die in dem Amulett, das er inzwischen wieder in seinen Fingern drehte, hatten je einen so kräftigen Schimmer erschaffen können. Dicht neben ihm stand außerdem ein kleines Namekianerkind, das stetig zu Vegeta aufsah, der wiederum in sich gekehrt war. Nur halbherzig hatte er aus Kakarotts Erzählungen herauskristallisieren können, dass sie den Namekianer bräuchten, da der Drache nur namekianische Worte verstand. Im Hintergrund standen Kakarott, Kuririn und Bulmas Erdenfreund. Radditz, sowie Nappa standen vorsichtshalber daneben – sollte etwas schiefgehen, angesichts dessen, dass Vegeta ihnen den Rücken zugekehrt hatte und versessen auf sein Amulett starrte.

 

Grundgütiger, er war unglaublich nervös. Demgegenüber vernachlässigte er seine ausgeprägten Saiyajin-Sinne, wodurch er die näher kommenden Schritte gar nicht bemerkte, bis Radditz sich mehrmals räusperte.

 

„Majestät? Ist alles in Ordnung?“

 

„Was?“, schreckte Vegeta auf, bevor er sich umdrehte und akklimatisierte. „Ja, sicher. Alles in Ordnung.“

 

Radditz trat näher an seinen König heran, so dass das Namekianerkind ihn hoffentlich nicht hören konnte. „Vegeta, überleg dir das bitte noch einmal.“

 

„Es gibt nichts zu überlegen, Radditz. Mein Entschluss steht fest.“

 

„Vegeta“, pochte der große Saiyajin, „wenn... wenn dir etwas passiert, dann -“

 

„Mach dir darüber keine Gedanken.“ Er spürte das Unwohlsein seiner Krieger deutlich. Ihre Auren rotierten – auch sie waren nervös. „Ich werde deinen Bruder mitnehmen und -“
 

„Was? Kakarott? Aber -“

 

„Es ist die richtige Entscheidung, ihn mitzunehmen.“ Nur Kakarott verstand die Sorge, die Vegeta in sich trug. Denn... Denn auch Radditz' kleiner Bruder war in Sorge und es stimmte. Sie hatten beide eine Gemeinsamkeit – Bulma. „Und wir werden gemeinsam zurückkehren.“

 

„Wenn dir was zustößt, haben wir keinen Herrscher über Vegeta-Sei. Ist dir das bewusst, Vegeta?“ Nochmals versuchte Radditz, auf den König und sein Verantwortungsbewusstsein einzureden – allerdings ohne Erfolg. „Werd doch vernünftig, meine Güte.“

 

Die Vernunft hatte ihn schon lange verlassen und anstatt seinem alten Freund zu antworten, drehte er sich weg, bevor er sein Augenmerk auf den kleinen Namekianer legte, das wie ein Reh im Scheinwerferlicht aufschreckte. „Fang an, Namekianer. Ruf den heiligen Drachen.“

 

„Du rennst in dein Verderben und nimmst dein Volk mit, verdammt.“

 

„Halt deine verfluchte Fresse, Radditz!“, entfuhr es Vegeta, der nun endgültig die Schnauze voll hatte. Im Gegenzug manifestierte sich eine goldene Lichtkugel in der Hand, die er ohne Umschweife auf seinen Komplizen feuerte, damit dieser sein blödes Mundwerk hielt. „Du hast mir überhaupt nichts vorzuschreiben. Merk dir das!“, informierte er ihn zusätzlich. Im Anschluss drehte er sich nochmals zu dem kleinen Kind. „Na los, oder brauchst du eine extra Einladung?“

 

Bibbernd drehte sich Dende – so nannte sich das Kind – zu den sieben Kugeln, betrachtete ihr Leuchten und sprach in einer Sprache, die weder Saiyajin, noch Mensch verstand. „Heiliger Drache Polunga, ich rufe dich. Bitte erscheine und erfülle mir meine Wünsche.“

 

Konnte das tatsächlich möglich sein? Dass die namekianischen Dragonballs mehrere Wünsche erfüllten? Natürlich hatte er davon gehört, doch hielt Vegeta es für einen Mythos. Schließlich erfüllten die irdischen Dragonballs lediglich einen Wunsch, aber der Namekianer hatte den Pluralismus verwendet... Demzufolge musste es stimmen. Es konnte also gar nichts schiefgehen. Ferner sah er dem Aufleuchten der Dragonballs entsetzt, gleichermaßen erstaunt und fasziniert dabei zu, wie sie eine Lebensform befreien, die in den Himmel schoss – umgeben von einem goldenen Licht, das die Konturen der Kreatur formten. Währenddessen wurde sein Planet in völlige Dunkelheit gehüllt.

 

„Ihr habt mich gerufen und ich bin gekommen.“ Polunga sah nach seiner Auferstehung auf den Boden hinab, wo seine feuerroten Augen mehrere Wesen erfassen konnte. „Was es auch sei, drei Wünsche habt ihr frei.“

 

„Was... Was sind Eure Wünsche, König Vegeta?“, wandte sich Dende ängstlich an den Saiyajin, der ununterbrochen zu Polunga sah.

 

„Sag... ihm, dass er mir Bulmas wahre Vergangenheit offenbaren soll, bevor sie als Säugling mit ihren Eltern zur Erde ging. Ich... Ich will wissen“, schluckte Vegeta, dessen Hand vor seinem Hals verharrte und somit die Kette, an der das Amulett befestigt war, zurück gegen seine Brust fiel, „wer sie ist.“ Der König erhoffte sich, endlich die Wahrheit zu erfahren. Vielleicht würde er nun auch erfahren, wieso Bulmas Vater seinem eigenen Bruder keinen Glauben schenken wollte, als Akira ihn über das Schicksal der beiden aufklärte.

 

Heiliger Drache Polunga“, rief Dende nach oben, „bitte offenbare uns die wahre Vergangenheit der Saiyajin Bulma. Enthülle ihr Geheimnis und zeige uns ihr wahres Leben, bevor sie als Baby zur Erde ging.“

 

„Nichts leichter als das.“ Die glühend roten Augen loderten auf, ein leichter Windstoß war zu spüren, während um die grünen Schuppen ein leichter Sog entstand – was fast so aussah, als wolle man die Anwesenden irgendwohin transportieren. Und so war es auch. Sie alle wurden in einen Strudel hineingezogen, dem sie nicht entkommen konnten. Um sie herum war nichts mehr zu erkennen, Vegeta-Sei war verschwunden. Die Anwesenden befanden sich in einer Schwärze, doch konnte Vegeta, als er sich umsah, seine Begleiter deutlich erkennen – die ebenso wie der König, erschrocken nach rechts und links sahen.

 

Aber wo war vorne und hinten? Wo war rechts und links?

 

Die vielen Augenpaare blinzelten mehrmals, nachdem sich die Umgebung langsam formte und sie erkannten, dass sie sich in einer Zeit befanden, die nicht die ihrige war. Keiner konnte sich an die Umgebung erinnern – alles wirkte altmodisch. Nichts war modernisiert und sie erkannten auch den Mann nicht, der plötzlich an ihnen vorbeilief, ohne Notiz von den Anwesenden zu nehmen.

 

„Er... Er sieht uns nicht“, stellte Vegeta konsterniert fest, nachdem der Mann panisch an ihnen vorbeigelaufen war und ständig über seine Schulter nach hinten blickte. Die langen blauen Haare fielen in leichten Wellen über den gestärkten Rücken des Mannes, der ein Haus ansteuerte, das weit abseits der Stadt lag. Vegeta konnte es nicht zuordnen, weil es offensichtlich nicht mehr existierte.

 

Es wirkte alt. Alt und verlassen. Vorsichtig näherten sich Vegeta und die anderem dem Haus, da sie beschlossen hatten, dem Mann zu folgen, der offensichtlich eine Verbindung zu Bulma hatte. Es war anziehend, aber seltsam zugleich, weil sie nicht in diese Zeit gehörten – sie waren kein Teil dieser Geschichte und drangen in Bulmas Leben ein... Sie waren ungefragte Zuschauer, die dem Geschehen folgen konnten. Polunga beförderte sie in eine Welt, die der Realität entsprach und dennoch war es befremdlich, dem Szenario zu folgen. Unterdessen öffnete der blauhaarige Mann die Tür, wohinter er abgehetzt verschwand. Ebenso die Anderen – auch sie betraten das Haus, was sie augenscheinlich bereuten, anlässlich ihrer geweiteten Augen. Denn oben, in einem der Zimmer konnte man eine weibliche Stimme vernehmen, die vor Schmerzen schrie und scheinbar mit dem Tod rang.

 

Hektisch folgten den Bewegungen des Mannes, der verzweifelt in seine Arme hinabsah und erst jetzt entdeckten die Eindringliche, dass der Mann ein mitternachtsblaues Bündel trug, aus dem eine winzige Hand gestreckt wurde, die der Unbekannte zärtlich umfing. Die kleine Hand hingegen versuchte, ebenfalls nach den Fingern des Mannes zu greifen – um sich daran festzuhalten und... und es schien, als würde das Wesen darin spüren, dass Gefahr drohte.

 

„Oh, nicht weinen. Shhh“, versuchte er die Unruhe des Kindes zu beseitigen. „Alles wird gut, kleine Bulma.“ Sanftmütig erwiderte er die Nähe, die das Kind so dringend wollte. Zur selben Zeit schritt er tiefer in das Innere des Haus, das immer schäbiger wurde – bis hin zu einem Schrank, den er eilig aufstieß und begann, darin herumzuwühlen. Am Ziel angekommen, erschien eine alte Holztruhe, die er mühsam über den Holzboden schleifte, was ein kratzendes Geräusch erzeugte, das jedem durch Mark und Bein ging. Der Fremde zog sie in die Mitte des Raums und warf hastig den Deckel nach oben, ehe er in das Gesicht des Mädchens sah, deren vertrocknete Tränen noch auf den Wangen zu sehen waren. „Bitte vergib mir, mein Kind. Aber... Aber es ist der einzige Weg, dich zu retten.“ Mithilfe seiner restlichen Kraft gelang es ihm, die Kugeln in der Luft schweben zu lassen – was hatten sich die vielen Bücher ausgezahlt, die ihm so viel Wissen und noch mehr Macht verliehen. Sie hatten dem Mann ermöglicht, sein Wissen zu erweitern, seine... seine Kräfte zu steigern, die ihm letztendlich dabei halfen, den Planeten zu schützen.
 

Es musste einfach sein und er war unendlich dankbar, dass der König ihm die Chance gewährte, das kleine Mädchen zu schützen – ohne ihm ein Leid zuzufügen. Aber ihm war klar, dass der König bloß so handelte, weil der Königssohn ebenfalls darunter leiden würde, sollte dem Mädchen etwas geschehen.

 

Doch die Angst, der König könne das Kind einsperren oder verbannen, war zu groß geworden. Er fürchtete die Rache des Herrschers, da dieses Kind im Stande wäre, den kleinen Vegeta in Gefahr zu bringen und so schnell der Mann im Haus alles erledigt hatte, so schnell war er im angrenzenden Wald verschwunden – Bulma noch immer im Arm haltend, während sowohl die schwebenden Kugeln, als auch die Anderen ihm folgten.

 

In dem dicht bewaldeten Gebiet könnte er problemlos handeln und er verlor nicht viel Zeit. Stotternd beschwor der blauhaarige Saiyajin eine Kreatur herauf, die ihm helfen könnte. Verdutzt und eingeschüchtert stand er da – seine langen Haare wehten im Wind hin und her, während das Monstrum sich zu seiner vollen Größe aufbaute, das gerade aus den Kugeln ausgebrochen war.

 

Anschließend richtete er die namekianischen Worte an das Ungetüm: „Heiliger Drache Polunga, ich habe dich gerufen. Ich bitte dich, erfülle mir meine Wünsche.“ Die zehntägige Reise nach Namek war gefährlich gewesen, doch war er clever genug, die Grünlinge – die den Planeten Namek bewohnten – zu überlisten und in den Besitz aller sieben Dragonballs zu kommen.

 

„Was ist dein Begehr?“, schallte die kraftvolle Stimme des Drachen durch den Wald. „Sag es mir und ich werde es erfüllen.“

 

„Du bist meine letzte Rettung, heiliger Drache“, posaunte der Saiyajin, in der Hoffnung, dem Drachen zu schmeicheln. „Ich bitte dich inständig: Bitte vernichte die verhängnisvolle Legende der Saiyajins, welche besagt, dass das Paar – das auf dem Amulett abgebildet ist – den Untergang Vegeta-Seis einläutet.“ Hoffnungsvoll sah er dem großen, muskulösen Geschöpf in die Augen.

 

„Nein“, erwiderte Polunga neutral. „Das kann ich nicht.“

 

„Nicht? Aber -“

 

„Ich kann die Macht meines Schöpfers nicht übersteigen.“ Und entgegen jedweder Erwartung, beugte der Drache sich ein wenig nach vorne, um in das Gesicht des jungen, schnaubenden Mannes zu blicken. „Ich sehe es in deinen Augen. Du bist enttäuscht, junger Saiyajin.“

 

„Ich... Ja, ein wenig, heiliger Drache.“

 

„Es ist lange her, dass ich jemanden wie dich gesehen habe“, bemerkte Polunga distanziert. „Viele Jahrhunderte sind vergangen.“

 

Verdammt. Dass Polunga ihm dahingehend nicht helfen konnte, war schlecht. Fieberhaft überlegte Akira, wie er dieses Desaster zu Gunsten seiner Tochter Bulma beseitigen konnte. Ferner ignorierte er die Worte des Drachen und erinnerte sich daran zurück, dass Polunga von Namekianern erschaffen wurde, die mit Kräften ausgestattet waren, die Akira wiederum unbekannt waren. Und umso mehr er grübelte und überlegte, desto abstruser kam ihm sein Einfall vor, aber er musste es versuchen.

 

„Junger Saiyajin? Hast du keinen Wunsch, den ich dir erfüllen soll?“ Polunga machte keinen Hehl daraus, dass er ungeduldig wurde.

 

„Doch! Doch, Drache.“ Es war die einzige Möglichkeit. Er musste es tun. „Bitte... Ich bitte dich. Suche zwei Erdlinge – von gütigem Gemüt. Mach sie zu zwei liebevollen Saiyajins und lass ihnen schwarze Haare wachsen.“

 

Um Himmels Willen. Tat er das Richtige? Waren Erdlinge sanftmütige, besorgte Wesen, die der Aufgabe gewachsen sein könnten? Akira wusste nicht sonderlich viel über diesen Planeten, geschweige denn über die Rasse. Er selbst hatte die Erde nie bereist, aber – und das war seine einzige Rechtfertigung – er hatte Bücher gelesen. Viele Bücher, die ihm Aufschluss darüber gaben, wie schwach die Bewohner der Erde waren. Wie... Wie ungefährlich sie einem Saiyajin werden konnten.

 

„Ist das dein Wunsch?“

 

Ja!“, rief Akira erschöpft.

 

„Dein Wunsch soll dir erfüllt werden.“

 

Oh, vor Erleichterung flog Akiras freie Hand zu seiner Schläfe, über die er laut atmend rieb. Anstandslos und ohne auf Polungas Erlaubnis zu warten, äußerte er seinen zweiten Wunsch: „Pflanze den neuen Bewohnern dieses Planeten das Wissen unserer Vergangenheit ein – in dem Glauben, der Mann sei mein Bruder. Niste ihnen den Gedanken ein, zur Erde reisen zu wollen und lass sie denken, dass sie die Eltern meiner Tochter Bulma seien.“

 

„Das ist ein sehr mächtiger Wunsch, junger Saiyajin.“

 

Bitte schenk ihnen die Fähigkeit, das Kind zu lieben und wohlbehütet aufzuziehen.“ Gekonnt hatte er die namekianischen Worte gesprochen. Akira wählte sie bewusst, so dass er seine Wünsche nicht sinnlos vergeudete. „Kannst du das, Polunga?“

 

„Das kann ich“, teilte der grüne Drache seinem Gegenüber mit. Jedoch hob er warnend seine Klauen. „Aber sei gewarnt: Die Liebe eines Kindes ist rein, junger Saiyajin. Sie ist bedingungslos.“

 

Beklommen schloss der Saiyajin die Augen, während tiefe Atemzüge seine Lungen fluteten, die er später hörbar nach außen stieß. „Das... Das ist mir bekannt, doch bitte ich dich, mir dieses ernste Anliegen zu erfüllen.“

 

Die feuerroten Augen glühten erneut. „Was ist dein letzter Wunsch, junger Saiyajin?“

 

Heiße Tränen quollen aus seinen blauen Augen. Kompromisslos tropften sie zu Boden, nachdem sie sein Kinn erreichten und Akira nach unten blickte – abermals in das Gesicht seines Kindes. „Bring... Bring die Eltern des Mädchens... nach Vegeta-Sei.“ Der Saiyajin schilderte seinen letzten Wunsch mit geschlossenen Augen. Es waren die schrecklichsten Worte, die er jemals gewählt hatte und womöglich die schwerste Entscheidung seines Lebens, da er fortan am Leben seiner Tochter nicht mehr teilnehmen würde – vielleicht sporadisch, aber er würde sich ungern quälen wollen...

 

Abschließend atmete er aus, bevor er dem Drachen dabei zusah, wie dieser – mitsamt den Kugeln um sich herum – nach oben schoss, ehe die Kugeln in alle Winde zerstreut wurden. Morgen... Ja, morgen würde er die Steinkugeln einsammeln und nach Namek zurückbringen – nicht mehr heute. Im Anschluss verließ er traurig die Stelle, an der er Bulmas Schicksal besiegelt hatte – das kleine Bündel fest an sich gedrückt. Mithilfe seines Scouters machte er sich auf den Weg zu einem Haus, das neu entstanden war. Niemand würde dieses Haus hinterfragen, da Saiyajins sich für andere nicht interessierten. Der Mann, dem er Bulma anvertrauen würde, würde – sofern er doch angesprochen wurde – erzählen, dass er von einer langen Reise mit seiner Frau zurückgekehrt sei, um schlussendlich zur Erde zu reisen, um die dortigen Gegebenheiten zu studieren.

 

Im stillen Mondlicht passierte er die Felder, er überquerte die lehmigen Straßen und kam in einem Dorf an, das von Armut gezeichnet war. Wagemutig ließ er kleine Gassen und Straßen hinter sich, bis er vor der Tür ankam und dagegen klopfte. Im Innern konnte er die Schritte hören, bevor die Tür kichernd aufgezogen wurde.

 

Ein schwarzer, lockiger Schopf lugte hervor, woraufhin die Frau – nachdem sie den Saiyajin erkannte – freudig auflachte. „Akira, mein Lieber, da bist du ja. Wir dachten schon, du bringst uns unsere Tochter gar nicht mehr, weil du dich selbst nicht an ihr satt sehen kannst.“

 

Erstaunt hob Akira daraufhin eine Augenbraue. Es hatte tatsächlich funktioniert. Nun ja... zum Teil jedenfalls, denn die Erdlinge hatten zu seinem Erstaunen keinen Schweif, was wohl daran lag, dass Polunga nicht mächtig genug war, echte Saiyajins aus ihnen zu machen. Aber auch hierfür würden sie eine Erklärung finden.

 

„Du liebe Güte, Akira!“, entfuhr es Panchy aufgebracht, als ihr Blick zu seinen Armen wanderte. „Man merkt sofort, dass du keine Kinder hast.“ Mit bösem Blick entriss sie ihm das Kind, doch ihre Mimik veränderte sich augenblicklich, nachdem sie das Tuch zur Seite schob und das schlafende Gesicht der kleinen Bulma sah. „Du kannst die Kleine doch nicht in ein Tuch einwickeln – es ist viel zu kalt.“

 

„Ich -“ Der Saiyajin konnte gar nichts erwidern. Zu erschrocken war er, nachdem die Frau ihm das Kind aus den Armen entnommen hatte. Zu gebannt war sein Blick auf das Kind gerichtet, während die Frau sich abwandte und ebenfalls wieder zu Bulma sah.

 

„Wo ist meine hübsche Bulma?“, blubberte ihre fröhlich klingende Stimme. „Wo ist Mamas hübsches, kleines Mädchen?“, gluckste sie dem Baby verträumt entgegen.

 

Plötzlich endete die Szenerie abrupt und Polunga entließ die Saiyajins aus der Vergangenheit, indem er sie in die Realität zurückschleuderte. Anschließend hob er seine rauchig dunkle Stimme, die danach verlangte, den zweiten Wunsch erfüllen zu können. Entschlossen schob Vegeta den Namekianer zur Seite, wonach er unsicher for der Kreatur stand, die ihm endlich Bulmas wahre Geschichte offenbart hatte. Wenn der Drache schon diesen Wunsch erfüllen konnte, wäre der nächste Wunsch ein Kinderspiel.

 

Vegeta durfte sich von dieser Erkenntnis bloß nicht beirren lassen, aber wem machte er was vor? Natürlich warf ihn Bulmas Vergangenheit aus der Bahn – ihr Leben war eine einzige Lüge gewesen, aufgrund einer Prophezeiung. Dass er ständig belogen wurde, daran hatte der König sich schon lange gewöhnt. Dass Bulma hingegen ihr ganzes Leben lang verarscht wurde, war etwas ganz anderes. Alles, was sie bisher kannte, war aus einem abartigen Lügengerüst aufgebaut worden.

 

„Sag mir, Drache. Wie weit reichen deine Kräfte aus?“, spuckte er schnaufend, denn das was er sah, war kaum zu glauben. Vegeta wollte es vermutlich nur nicht wahrhaben, denn das Mädchen, das er... begehrte, war Akiras Tochter! Der Saiyajin, der Vegetas Leben begleitete und dessen einziges Kind er vor seinem intriganten Vater schützen wollte, indem er sein eigen Fleisch und Blut zu Menschen schickte, die er nicht einmal kannte. Wie tief musste diese Liebe gegangen sein, dass Akira diesen traurigen Weg gewählt hatte? Verfluchter Mist, Akira tat es um ihretwillen. Sein Leben war ihm scheinbar völlig egal gewesen, so lange er das seiner Tochter schützen konnte.

 

„So weit, dass sie die Kraft meines Schöpfers nicht übersteigen“, wiederholte Polunga. „Nennt mir den zweiten Wunsch und ich werde ihn erfüllen, König Vegeta.“

 

„Kakarott?“, murmelte Vegeta nach hinten. Schon lange stand sein Entschluss fest. „Bist du bereit?“

 

„Bereit? Bereit wofür?“ Langsam näherte sich Radditz' Bruder dem König und je näher er ihm gekommen war, umso leiser wurden seine folgenden Worte. „Willst du Bulma zurückholen?“

 

„Nein, aber... es geht um sie.“
 

„Dann kannst du voll und ganz auf mich zählen, Vegeta.“

 

„Andernfalls etwa nicht?“, schoss es aus dem Mund des Königs, der sich schmunzelnd zu Kakarott umdrehte. Er wollte sich einfach nicht mehr länger mit seinem Rivalen anlegen. Stattdessen drehte er sich hasserfüllt zu dem Grünling um, der verängstigt neben ihm verweilte und seine Finger aufgeregt gegeneinander tippte. „Und du, du Schwächling, wirst stellvertretend für mich den dritten Wunsch erfüllen lassen.“ Kurz ließ er die Worte auf den Knirps wirken, bevor er sich nach vorne beugte und knurrte: „Solltest du das nicht tun und dich weigern, werden meine Soldaten deine Überreste in einem Kuvert nach Namen schicken, bevor sie deinen Heimatplaneten pulverisieren.“

 

„Ich... Ich werde Euren Wunsch erfüllen.“ Große, schwarze Augen starrten dem König entgegen, ehe Dende nochmals zur Bestätigung nickte. „Aber wie... wie lautet der zweite Wunsch, saiyajinische Hoheit?“

 

„Ganz einfach: Du wirst dem Drachen befehlen, dass er Kakarott und mich in die Vergangenheit schickt – zu dem Zeitpunkt -“

 

„Nein, Vegeta!“, stoppte Radditz ihn mit erhobener Hand, nachdem er wieder bei Sinnen war und dem Gespräch folgen konnte. „Mach das nicht. Ich... bitte dich als Freund.“ Das Wort klang so gezwungen, aber schlussendlich stimmte es. Vegeta war nun mal sein Freund, aber auch sein König. „Wenn der Grünling sich am Ende weigert, den dritten Wunsch zu erfüllen, dann... Himmel nochmal, denk doch daran, wie schwer es gewesen war, die Dragonballs zu besorgen – was es für ein Kampf war, diese saudämlichen Kugeln zusammenzutragen.“

 

„Radditz, ich -“

 

„Die anderen Namekianer“, erzählte der große Saiyajin ungehindert weiter, „werden uns niemals den Wunsch übersetzen – nicht, nachdem wir in ihr Land eingefallen sind.“

 

„Ich bin mir sicher, dass unser kleiner Namekianer den Wunsch erfüllen wird, nicht wahr?“, erwiderte Vegeta, dessen Hand sich in Dendes Nacken verhakte, bevor er den zierlichen Körper zu Boden stieß. „Sonst wird er nie wieder die Gelegenheit bekommen, seinen Planeten zu sehen und laut meinen Informationen, sind Namekianer doch sehr heimatverbunden“, endete er hämisch, nachdem sein Fuß auf dem grünen Kopf landete, ohne Druck darauf auszuüben, weil er wusste, der Namekianer würde es nicht überleben. „Er wird sich beugen, richtig?“

 

„Ja!“, schrie Dende angsterfüllt auf.

 

„Siehst du? Gar kein Problem.“

 

„Vegeta, du weißt selbst, wie riskant dein Vorhaben ist. Du darfst solche Risiken einfach nicht eingehen. Daher“, schluckte er schwer, „werde ich mit Kakarott in die Vergangenheit reisen.“

 

„Ich brauche deine Fürsorge nicht – ist ja zum Kotzen“, erwähnte er abschätzig und bevor er die nächsten Worte an seinen Kompagnon richtete, krallte er sich den am Boden liegenden Namekianer, zog ihn auf die Beine zurück und schob ihn nachdrücklich vor sich, ehe er sich nochmals zu ihm hinabbeugte: „Letzte Warnung, du kleine, grüne Abartigkeit. Wenn du dich weigerst, werden meine Männer dich innerhalb von Sekunden geschält haben. Ich hoffe, das ist deutlich genug.“
 

„Ja, ist es!“

 

„Gut, dann wirst du uns in einer Stunde zurückwünschen – und es ist mir egal, wie du es schaffen wirst, den Drachen bei Laune zu halten. Verstehst du das?“ Mit seinem dritten Wunsch wollte er Bulma eigentlich zurückholen, aber er könnte sie genauso gut abholen... Die Wahrheit über ihre Vergangenheit war viel bedeutungsvoller, weshalb er eben keinen Wunsch dazu nutzen konnte, sie nach Vegeta-Sei zurückzubringen.

 

„Ich... Ich habe Euch verstanden, Majestät.“ Zaudernd stand Dende vor Vegeta. Er konnte den heißen Atem des Saiyajins im Nacken spüren und er würde sich hüten, sich jemals dieser Rasse zu widersetzen. Zumal er unter keinen Umständen Namek und deren Bevölkerung gefährden wollte.

 

„Na also. Geht doch.“ Ein weiterer Schubst folgte, von seitens des Königs. „Und du wirst dem Drachen sagen, dass er uns in die Vergangenheit schicken soll – zu dem Zeitpunkt, kurz bevor die Legende der Saiyajins, die das Amulett betrifft, verbreitet wurde.“ Abschließend richtete er sich auf, ehedem er sich mit verschränkten Armen neben Kakarott stellte. Folglich schloss er die Augen und wartete darauf, die namekianischen Worte zu hören.

 

Oh, heiliger Drache, schicke König Vegeta und Kakarott in die Epoche, in der die Legende der Saiyajins ausgesprochen wurde. Lass sie Zeuge der Prophezeiung der Saiyajins werden – bezüglich des Amuletts –, so dass ihnen die Chance ermöglicht wird, diese zu verhindern.“

 

„Wie interessant“, murmelte Poluna, der perfide grinste. „Um etwas ähnliches bat mich der Saiyajin vor zweiundzwanzig Jahren ebenfalls.“

 

„Kannst... Kannst du den Wunsch nicht erfüllen?“, fragte Dende.

 

„Doch, dein Wunsch soll erfüllt werden. Ich werde König Vegeta und Kakarott in die Vergangenheit schicken, damit sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können.“ Das war der Unterschied. Die beiden Saiyajins wollten das Problem selbst lösen, weshalb es dem Drachen möglich war, ihren Wunsch zu erfüllen. Infolgedessen flammten die roten Augen auf, wonach sich Vegetas Augen öffneten, angesichts des unangenehmen Gefühls, das ihn umgab. Der Sog, der die beiden umfasste, war dieses Mal anders. Dunkle Rauchschwaden hüllte die beiden Körper ein, bevor dieser die Hüllen der Saiyajins verschlang.

 

Radditz, Nappa, amchu, Kuririn und Dende musterten derweil einige Sekunden die leere Stelle, an der zuvor Vegeta und Kakarott standen, bis die Stimme des Drachens erneut erklang.

 

„Was ist euer dritter Wunsch?“
 

Oh... das würde ein Spaß werden, den Drachen eine Stunde zu belustigen, dachten die übrig gebliebenen fünf Wesen verschiedenster Herkunft.

Die Zeit ist am wertvollsten, wenn man sie nicht hat

Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.

- Friedrich Hebbel
 

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel fünfundzwanzig -

 

 

 

Man besaß – so wusste einer der beiden Saiyajins, der mit verschränkten Armen nach dem harten Aufprall bereits seine Umgebung prüfte – nichts wertvolleres und edleres als Zeit, die wie eine Sintflut davonschwamm, wenn man sie am meisten bräuchte. Vegeta und Son Goku – gestrandete Saiyajins in einer Zeit, die ihnen fremd war – hatten nicht mehr als eine Stunde, die sie sinnvoll nutzen mussten. Es war ein Weg, der Vegetas Zukunft verändern sollte – ein steiniger, harter Weg, der gegangen werden musste, um das Leben einer Person zu schützen, die dem König fast mehr wert war, als sein eigenes Leben. Eine Erkenntnis, die den jungen König traf; war er doch noch immer derselbe, oder? Nur weil ihn Bulmas Leben interessierte, hieß das nicht, dass er seine Belange hinten anstellte, oder? Nein, schließlich wusste er, dass seine eigene Haut in Gefahr wäre, wenn das ihrige Leben bedroht war.

 

Das, und nur das, war der Grund, weshalb sich Vegeta auf diese Reise begab. Außerdem wollte er keine weiteren hundertdreißig Tage warten, bis man die namekianischen Kugeln erneut einsetzen konnte. Es wären bloß weitere quälende Tage, die der König in seiner Melancholie ausharren müsste, aufgrund dessen, dass er nicht wusste, was dieses blauhaarige Weib auf der Erde trieb – mit Turles. Ständig würde er daran denken müssen, was mit Sicherheit Auswirkungen auf sein bereits angeschlagenes Gemüt ausüben würde. Aber war es auf der anderen Seite nicht witzig? Vegeta, ein Saiyajin, ein König der so viel Macht besaß, war nicht im Stande, etwas so banales wie die Liebe zu Bulma zu zeigen. Er konnte sich nicht einmal auf die Macht der Dragonballs verlassen. Nein, er musste selbst aktiv werden, den schlimmsten Part übernehmen und über sich hinauswachsen.

 

Womöglich wäre es klüger gewesen, sich im Hintergrund zu halten – darauf zu warten, bis Zeit ins Land gezogen war, aber er konnte es nicht. Der Drang, in ihrer Nähe zu sein, war allgegenwärtig.

 

Davon jedoch abgesehen, hielt ihn allerdings sein Stolz, sowie das drohende Unheil, das diese Prophezeiung voraussagte, davon ab, etwas derartiges – wie sich ihr nochmals zu nähern – in Betracht zu ziehen. Es war zu gefährlich – für ihn, für Bulma und für sein Volk, das er zu schützen hatte. Allerdings – und das war mindestens genauso lustig wie die Tatsache, die Liebe zu Bulma zu verbergen – war der Hang, sich in die nächste Katastrophe zu stürzen und seinen noch vorhandenen Stolz zu verlieren wie ein desolater Tanz auf Messers Schneide.

 

Und es gab für ihn momentan einfach nichts schlimmeres als das Wissen, dass ihm dieses Weib etwas bedeutete. Dass sie, eine unwürdige Saiyajin, die ihre Herkunft nicht schätzte, Erfolg darin hatte, das Schloss, das sein Herz in einem Käfig gefangen hielt, zu berühren und zu brechen. Wie konnte es ihm passieren, dass er so niederen Gelüsten nachgab? Ausgerechnet ihm – einem höheren Wesen, das unendliche Macht besaß, Planeten vollständig zu zerstören? Wann hatte er angefangen, weich zu werden? Wann hatte er damit begonnen, sie anders wahrzunehmen?

 

Anhand des Wissens, dass sie auf eine mysteriöse Art verbunden waren, die mit diesem Amulett zusammenhing? Es war unheimlich, zweifelsohne. Aber es war doch offensichtlich, dass dieses Wissen die Anziehung zu Bulma verstärkte? Oder bestand dieses abnorme Interesse ihr gegenüber schon immer? Wurde diese Zusammengehörigkeit erst aktiviert, nachdem er gezwungen war, sich mit ihr und ihrem impertinenten Verhalten auseinanderzusetzen?

 

Oder war es... Vegeta wollte es gar nicht denken, geschweige denn aussprechen, aber lag es im Bereich des Möglichen, dass er von ihrer Art angezogen wurde? Fühlte er sich dadurch bestärkt, das schwache, eingeschüchterte Mädchen zu beschützen – das er zusätzlich mochte? Reizte ihn ihr Aussehen? Oder war es das Verbot, dass sie gemeinsam die Büchse der Pandora geöffnet hatten – trotz der Fürsorge eines liebenden Vaters seiner Tochter gegenüber? Demgegenüber, was würde passieren, wenn Vegeta mit Kakarotts Hilfe das uralte Vermächtnis der Saiyajins zerstörte?

 

Wäre Vegeta dann immer noch mit ihr verbunden oder löste sich besagter Bund gar mit dem Untergang des Amuletts?

 

Was würde passieren? Vegeta stünde wahrscheinlich am Anfang – alleine mit seinen neu gewonnenen, dämlichen, ambivalenten Gefühlen, die – wenn er ehrlich war – nicht erst seit Beginn angesichts des Wissens um das Amulett existierten.

 

Verdammt.

 

Benommen rieben seine beiden Hände durch seine hochstehenden Haare, während er die triste Wüste vor sich genauer besah. Im Endeffekt war es egal, wofür er sich entschied. Schlussendlich würde es darauf hinauslaufen, dass er sie entweder – hinsichtlich der Auflösung der Seelenverwandtschaft – von sich trieb oder an Turles verlor. Doch was war das kleinere Übel? Womit konnte er besser leben?

 

Mit keiner Alternative, weil er an beiden Enden Turles sah, der Bulma auffing und ihr Trost spendete. Beide Optionen waren zum Kotzen, aber würde er nicht lieber bei Null anfangen – in der Hoffnung, sich ihr nähern und das Mädchen umgarnen zu können, statt sich dem ätzenden Bild hinzugeben, das Bulma und Turles zusammen abgaben, wenn er nichts unternahm? Ja, das wäre das kleinere Übel...

 

Indessen war sein Blick zu einem fernen Gebirge gewandert, das ihm bekannt vorkam. Rechts wuchsen Bäume. Sie waren recht klein, aber sie würden die Bewohner des Planeten überleben, wenngleich es keinerlei Anzeichen einer Zivilisation gab... wie merkwürdig.

 

Hatte Polunga etwas falsch gemacht?

 

„Kakarott?“, murmelte Vegeta nach etlichen Minuten der Stille, obwohl es ihn nicht im Geringsten interessierte, wie es Radditz' Bruder erging.

 

„Ja?“, nuschelte Son Goku mitgenommen, der den sicheren Halt – in Form des harten Bodens – unter seinem Hintern nicht aufgeben wollte. „Was ist denn, Vegeta?“

 

„Steh auf.“

 

„Aber mir ist noch ganz schwindelig. Und schlecht ist mir auch“, beanstandete er mit einer Hand auf seinem Bauch, die zarte Kreise darüber zog – darauf hoffend, die Übelkeit vertreiben zu können.

 

„Das ist mir ehrlich gesagt scheißegal. Steh endlich auf, sonst mache ich dir Beine.“ Anlässlich der Erfahrung, dass man im Nachhinein immer schlauer war als vorher, wollte er keinesfalls Zeit verlieren. Dass er sich jedoch mit Kakarotts Trägheit und seinen Wehwehchen herumärgern musste, störte ihn massiv. Immerhin tobte in ihrer Zeitlinie das Chaos – zumindest für Vegeta.

 

„Vegeta, wir -“

 

„- haben keine Zeit, richtig. Beweg dich endlich, verflucht.“ Gerne hätte Vegeta ihm den nötigen Tritt verpasst, doch er beherrschte sich.

 

„Woher“, röchelte Son Goku und schlug sich auf die Brust, „wissen wir eigentlich, wann es soweit ist?“

 

Daraufhin grinste der König schelmisch dem sandigen Boden entgegen, ohne seinen Begleiter zu mustern. „Wenn der Namekianer uns zurückwünscht – ganz einfach.“ Zeitgleich drückte er die Spitze seines Schuhs in den Boden um sich abzulenken und nicht weiter darüber nachzudenken, was alles passieren könnte. „Aus dem Grund wäre es von Vorteil, wenn wir uns unsere Zeit selbst einteilen und bestenfalls – bevor wir zurückgehen – etwas unternommen haben. Andernfalls war alles umsonst.“

 

„Das sehe ich ja genauso, aber -“

 

Mit einem kurzen, genervten Blick hinter sich, hatte er Kakarott zum Schweigen gebracht, ehe Vegeta wieder nach vorne sah. „Sieh dir die Sonne an, Kakarott“, wies er den am Boden sitzenden Saiyajin an, der Vegetas Aufforderung prompt folgte und den Himmel nach dem Feuerball absuchte. „Wenn die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat, wird eine Stunde vergangen sein.“

 

Mit hochgezogenen Augenbrauen versuchte er, Vegetas Erklärung zu verinnerlichen, doch bemerkte er recht schnell, dass es ihn überforderte – woraufhin er seine Hand vor seine geblendeten Augen hielt. Kakarott wollte sich jedoch nicht de Blöße geben und antwortete spitzbübisch: „Vegeta, das dauert ja noch ewig, bis die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat.“ Infolgedessen konnte man deutlich seinen grummelnden Magen hören. Allerdings wusste Son Goku nicht, ob sein Magen ihm vor Hunger in den Kniekehlen hing, oder ob ihm die Übelkeit übel mitspielte.

 

Missbilligend nahm auch Vegeta das Magengrummeln zur Kenntnis, überwand den Ekel jedoch rasch und sah wieder nach vorne in die Ferne.

 

„Wir sollten vielleicht vorher noch etwas -“

 

„Denk nicht einmal dran, Kakarott.“

 

„Aber ich hab Hunger.“ Begierig wanderte sein Blick über die Einöde, doch nirgends war etwas zu entdecken, das man hätte essen oder kochen können.

 

„Wenn du mir dazwischen funkst – egal in welcher Form –, dann wirst du mich kennenlernen“, fauchte der König plötzlich in seine Richtung, dessen Körper vor Zorn zu Beben angefangen hatte – aufgrund der mangelnden Ernsthaftigkeit, die Kakarott an den Tag legte. Innerlich versuchte er sich zur Ruhe zu zwingen. Vegeta sollte sich auf das konzentrieren, weswegen er durch die Zeitlinien gereist war und schleunigst herausfinden, wo alles seinen Anfang gefunden hatte. Nachdem er allerdings um wiederholten Male seinen Namen aus Kakarotts Richtung vernommen hatte, drehte er sich schnaufend zu der Quelle, die seinen Zorn befeuerte. Vegeta wollte lediglich den anbahnenden Redeschwall im Keim ersticken – sachlich und prägnant, aber es gelang ihm nicht. „Ich versichere dir, Kakarott, wenn du noch einmal meinen Namen rufst, wirst du keinen Grund mehr haben, je wieder nach etwas Essbarem zu schreien. Ich gebe dir mein Wort“, ermahnte er den Saiyajin, „dass ich dich so übel zurichten werde, dass du nicht einmal im Jenseits mehr deinen Magen spüren wirst.“ Während er seine Drohung zähnefletschend aussprach, näherte er sich dem noch immer am Boden sitzenden Saiyajin, der – zu Vegetas Entsetzen – gar nicht erschrocken war.

 

Um diesen Zustand zu ändern, packte Vegetas Hand nach Kakarotts Kragen, wonach seine Worte – bezüglich des Aufwandes – tiefer und gefährlicher klangen als zuvor.

 

„Ich wiederhole mich nicht noch einmal. Steh endlich auf, Kakarott.“ Abschließend zog er sein Gegenüber auf die Beine und ließ den Körper des niederen Wesens unverzüglich los. „Es ist schon gefährlich genug, mit der Zeit zu spielen und in ihr herumzureisen.“

 

„Und wieso -“

 

„Sie zu ändern“, unterbrach Vegeta ihn barsch, „kann verheerende Folgen für unsere Welt haben – in der wir leben und wie wir sie kennen. Daher sollten wir uns nicht an Banalitäten wie deiner Fresssucht aufhalten. Verstehst du das?“

 

Davon unbeeindruckt, erwiderte Son Goku den Blick seines Königs, dem es offenbar missfiel, wie ungerührt er Vegeta entgegensah. „Aber ändern wir die Zukunft nicht schon? Schließlich sind wir in einer Zeit, in die wir gar nicht gehören“, überlegte der Größere von beiden aufmerksam, dessen Hand in seinem pechschwarzen Haar verschwunden war. Der zuvor stramme Griff um seinen Kragen ignorierte Son Goku weiterhin, da er in seinem Gegenüber keinerlei Gefahr mehr sah, nachdem ihm aufgefallen war, dass sich beide ebenbürtig waren.

 

Ob Vegeta abermals mit ihm kämpfen würde? Son Goku würde es jedenfalls tun – alleine des Nervenkitzels wegen. Und wenn alles ausgestanden wäre, könnte er ihn ja noch einmal fragen.

 

„Vermutlich schon, ja. Wieso fragst du?“ Unumgänglich begann er damit, die nachhallenden Worte innerlich zu verarbeiten. Denn tatsächlich hatte Kakarott recht. Bereits mit ihrem Erscheinen würden sie womöglich die Zukunft verändern, aber inwiefern?

 

Hatte Vegeta zu voreilig gehandelt?

 

Verdammt. Niedergeschlagen und sauer zugleich, befreite sich Vegeta aus seiner Starre. Er drehte sich eilig um und suchte nach einem Punkt, den er anvisieren konnte. Aber er fand nichts – keinen Punkt und keine Antwort. Grundgütiger, er wollte doch lediglich seine eigene Zukunft positiv beeinflussen und nun hing nicht mehr nur Vegetas Schicksal am seidenen Faden, sondern das aller Saiyajins. Dank seines eigensinnigen Handelns. Seiner uneingeschränkten Egozentrik war es zu verdanken, dass er unbedacht agiert hatte – ohne darüber nachzudenken, was mit seinem Volk passieren könnte.

 

Wie stolz wäre sein Vater in diesem Augenblick wohl, bezüglich Vegetas Eingeständnis, dass er womöglich einen Fehler begangen hatte? Wie erfreut wäre er wohl darüber gewesen, Zeuge dessen zu sein, dass Vegeta sich mit Gedanken beschäftigte, die nicht ihn selbst betrafen?

 

„Nun ja“, flüsterte indes Son Goku, der neben Vegeta herangetreten war und seine Hand – mit der Absicht, ihm Zuspruch zu spenden – auf dessen Schulter platzierte. „Wenn wir schon etwas ändern, dann sollten wir unser Vorhaben bis zum bitteren Ende durchziehen und alles zu unserem Vorteil nutzen, nicht? Immerhin tun wir das hier“, bekräftigte er nickend, „für Bulma, richtig?“ Anschließend musste der Saiyajin schmunzeln, der seinen König um zwei Köpfe überragte, denn er würde jetzt etwas in den Raum werfen, was Vegeta verunsichern würde – und das absichtlich. „Du magst doch Bulma, oder? Sie ist die treibende Kraft, die dich schlussendlich so impulsiv werden lässt. Hab ich recht?“

 

„Du fragst zu viel.“ Die die vielen Fragen störten Vegeta, sondern der Inhalt. Seine Gefühle die er für Bulma hegte, gingen niemanden etwas an. Das musste und konnte Vegeta nur mit sich selbst austragen – es war ein Kampf, der erhebliche Ausmaße sowohl auf seine, als auch auf Bulmas Zukunft nehmen würde. Es war ein Kampf der alles entschied und niemand durfte sich einmischen.

 

„Entschuldige“, ging er versöhnlich auf Vegetas harsche Worte ein. Zumindest versuchte er, die Stimmung etwas nach oben zu heben, bevor Vegeta einen weiteren Grund fand, wütend zu werden. „Es ist eben nur sehr eindeutig.“ Okay, er konnte nicht anders. Er musste diesen vernichtenden Satz sagen – nicht, um Vegeta vorzuführen, aber manchmal sah man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Selbiges betraf Vegeta. Er sah seine auffälligen Gefühle offensichtlich nicht.

 

Was ist eindeutig?“ Angespannt suchte er Kakarotts Blick. Er sah direkt in sein Gesicht, das... das so unschuldig aussah, doch der Schein trog. Radditz' kleiner Bruder hatte es faustdick hinter den Ohren.

 

„Das siehst du nicht?“ Er musste Vegeta wirklich erklären, was so offen auf der Hand lag?

 

„Nein?“ Natürlich sah es Vegeta, verflucht. Er wollte es aber nicht wissen und doch gab er Kakarott quasi die Lizenz, es ihm zu offenbar – ihm regelrecht an den Kopf zu werfen.

 

„Dass du Bulma magst und eifersüchtig auf Turles bist, siehst du nicht? Was mich zu der Frage bringt, weshalb du ausgerechnet ihn zu Bulma geschickt hast, wenn er dir doch ein Dorn im -“

 

„Er ist mir kein Dorn im Auge, du -“

 

„Ach so, du wärst also auf jeden Saiyajin eifersüchtig. Ich verstehe“, beanstandete er und goss somit noch mehr Öl ins Feuer.

 

„Du dämlicher Idiot, sei endlich ruhig“, fuhr Vegeta ihn brüllend an, während seine Hände zu Fäusten geballt waren und die Mundwinkel dermaßen verzerrt waren, dass man seine fletschenden Zähne sah. Ebenso seine Körperhaltung, die bedrohlicher denn je war, verrieten ihn und seine ausreichende Zuneigung zu Genüge. „Ich empfinde nichts für dieses unzumutbare Weib. Gar nichts. Und Turles ist mir – mit Verlaub – genauso egal. Hier“, fuhr er ärgerlich dort, „in dieser Zeit, geht es um meine Zukunft und du, mein lieber Kakarott, der sich in alles einmischen muss, weil du deine schäbigen Füße nicht stillhalten kannst, hast einfach nur auszuführen. Kapiert?“ Im Endeffekt brachte es nichts, alles abzustreiten, aber er würde sich hüten, etwas wie Gefühle zuzugeben, die parallel Schwäche darstellte. Nein, er würde den Pfad der Wahrheit nicht gehen – schon gar nicht mit Kakarott, der es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatte, ihn mit nervigen Fragen zu bombardieren.

 

„Ach so. Gar nichts also.“ Beide Hände in die Hüften gestemmt, gesellte sich Son Goku erneut neben seinen König; den Kopf leicht zur Seite geneigt, gepaart mit einem Grinsen, das er nicht länger verbergen konnte. „Dass du mir aber unmissverständlich zeigst, dass ich rechte habe, weißt du schon, oder? Insbesondere deine... wie soll ich es nennen?“ Kurz überlegte er und begann seinen Satz fortzuführen. „Deine Wut, die nahezu jedes Mal aus dir herausbricht, sobald wir uns in eine Richtung bewegen, an dessen Ende Bulma und Turles warten, zeigt mir letztendlich, dass ich recht habe. Das ist... witzig, nicht?“

 

Witzig?“

 

„Auf jeden Fall. Zumal du es jedes Mal bist, der mir diese Brotkrumen hinwirft. Das macht das Ganze ja so lustig.“

 

Knurrend wandte sich Vegeta ab. Er dachte gar nicht mehr daran, sich auf eine Konversation mit Kakarott einzulassen. Täte er es weiterhin, müsste er sich am Ende noch vor Radditz rechtfertigen, der wissen wollen würde, was dazu geführt hatte, dass Vegeta Kakarott erdrosselte. Diesen verstörenden Gedanken wollte er sich ersparen, woraufhin er sich vom Boden abstieß um diesen zu kontrollieren. Mithilfe seiner Sinne versuchte er, eine Aura, ein Gefühl oder dergleichen aufzuspüren. Schließlich hätte Polunga sie niemals hierher gebracht, wenn es nichts zu ändern gäbe. Oder hatte der kleine Namekianer den Wunsch falsch formuliert?

 

Nein, das war unwahrscheinlich. Polunga hatte erwähnt, bevor sie verschwanden, dass er sie in die richtige Vergangenheit bringen würde. Außerdem baute Vegeta darauf, dass der Grünling unter seiner Drohung litt und nicht einmal im Traum daran dachte, ihn zu hintergehen. Andernfalls wären die Folgen sowohl für ihn, als auch für das namekianische Volk fatal.

 

„Spürst du das?“, unterbrach Son Goku Vegetas Gedanken, nachdem er ebenfalls in die Lüfte gestiegen war und seine Augen schloss. „Diese schwache Aura?“

 

„Ja“, log er genervt, ehe er augenrollend zu Kakarott sah. Dieses Aas hatte die Aura vor ihm spüren können – welch Schmach. Noch immer konnte Vegeta nicht ohne Scouter eine entfernte Aura spüren, doch fiel es ihm nicht sonderlich schwer, seinen Begleiter zu belügen. Lügen war schon immer einfach für ihn gewesen. Vor allem, wenn er jemanden belogn, den er bis aufs Blut nicht leiden konnte – wie Kakarott. Nichtsdestotrotz hatte er erst Minuten später die Augen wahrgenommen, woraufhin er – ohne ein Wort zu sagen – von dannen flog.

 

„Hey, Vegeta!“, entfuhr es Son Goku mit wedelnden Armen. „Warte auf mich.“

 

 

 
 

~*~

 

 

 

Radditz, Nappa, Dende, Yamchu und Kuririn standen inzwischen seit geschlagenen fünfzehn Minuten ratlos vor dem grünen Ungetüm, das die fünf Anwesenden abwartend beäugte.

 

„Worauf wartet ihr?“, donnerte seine dunkle Stimme in die Nacht hinein. „Nennt mir euren letzten Wunsch, den ich erfüllen werde.“

 

Verschlagen biss sich Kuririn daraufhin in seine Lippen, während er energisch überlegte, was er den Drachen fragen konnte. Es vergingen weitere Sekunden, ehedem er sich schnipsend an Dende vorbei zwängte und in das einschüchternde Gesicht des Drachen hinauf sah. Anscheinend, so hatte es der glatzköpfige Saiyajin aufgefasst, war Polunga in der Lage, seine Sprache zu verstehen – sofern es sich um keinen Wunsch handelte, was ihm gleichzeitig einen Vorteil verschaffte. So lief er nicht Gefahr, unbewusst einen Wunsch zu äußern. Schlotternd baute sich Kuririn vor ihm auf, den Blick fest auf den Drachen gerichtet. „Sag mir, Polunga, wieso bist du so ungeduldig? Wenn du unseren letzten Wunsch erfüllt hast, zerstreuen sich die Dragonballs auf dem Planeten und es dauert eine Zeit, bis man sie wieder findet, oder?“

 

Argwöhnisch betrachtete Polunga das Wesen vor sich, nachdem er sich missmutig nach vorne gebeugt hatte und Kuririn einen Einblick in sein riesiges Maul gewährte, das mit spitzen Zähnen ausgestattet war. „Junger Saiyajin, ist es dein Wunsch zu erfahren, weshalb ich ungeduldig bin? Wenn dies zutrifft, solltest du dein Begehr in meiner Sprache vortragen.“

 

„Oh! Nein“, winkte dieser händeringend ab. „Das soll kein Wunsch sein. Ich... Ich war nur neugierig. Ich dachte nur, dass dein Leben – außerhalb des Wünsche-erfüllen – recht eintönig sein könnte und du es deshalb genossen hättest, mal eine Unterhaltung zu führen, statt Wünsche zu erfüllen.“ Hilfesuchend wandte er sich an die übriggebliebenen, die aber genauso unschlüssig und schulterzuckend hinter ihm standen.

 

„Vielleicht sollten wir ihm einen Witz erzählen?“, schlug Nappa ambitioniert vor.

 

„Gute Idee“, höhnte Radditz, bevor sich seine Tonlage verdunkelte und seine Mundwinkel angesäuert nach oben gezogen wurden. „Bring den Drachen zum Lachen. Vielleicht lacht er sich ja tot, du Komiker.“

 

„Entschuldige, Radditz“, bemerkte Nappa beschämt, während er sich über seine Glatze rieb.

 

„Der Drache wird begeistert sein, wenn er zusätzlich noch verarscht wird. Unter diesen Voraussetzungen wird er garantiert bei uns bleiben“, fügte er sarkastisch hinzu, bevor er im Kreis ging und immer wieder gen Himmel sah, der ihm Aufschluss darüber gab, wie viel Zeit sie noch hatten. Ihre Aufgabe, den Drachen eine Stunde hinzuhalten, gestaltete sich als schwierig. Es war genauso anstrengend wie ein Kampf, angesichts des Umstandes, dass Radditz noch nie lustig gewesen war.

 

„Hast du etwa eine bessere Idee, Schlaumeier?“, funkte Yamchu dazwischen, der nicht erahnen konnte, inwiefern sich Nappa und Radditz feindselig gegenüberstanden. Er empfand es jedoch als notwendig, sich auf die Seite des emotional Schwächeren zu stellen, auch wenn Nappa – bezüglich seiner Körpermasse – im Vorteil war. Aber selbst das hatte nichts zu bedeuten, wie Yamchu schon des Öfteren im Fitnessstudio erfahren musste. „Er hat wenigstens etwas vorgeschlagen – im Gegensatz zu dir. Wenn du also eine bessere Idee hast; nur her damit.“

 

„Tze, wer bist du, dass du dich dazu berufen fühlst, Nappa zu schützen?“, fauchte Radditz dem Erdling entgegen. „Ein Saiyajin ist nicht auf die Hilfe eines niederen Wesens angewiesen.“

 

„Ihr seid doch ebenfalls niedere Wesen“, konterte Yamchu.

 

„Was sagst du da, Erdling?“ Mit schweren Schritte wollte Radditz sich dem Insekt nähern, das ihn und seine Rasse denunzierte. Am Ende wurde er jedoch von Nappa zurückgehalten, der wortlos nach seinem Arm griff. „Wir sind niedere Wesen?“

 

„Ja, in Gegenwart des Drachen schon. Schließlich seid ihr auf seine Hilfe angewiesen.“

 

Polunga folgte indes dem Wortgefecht sehr interessiert und für einen kurzen Moment schien er zu vergessen, dass er darauf wartete, dass Dende den dritten und letzten Wunsch äußerte.

 

 

 
 

~*~

 

 

 

Nach diesem niederschmetternden Gespräch hatte sich Bulma erschöpft in ihr Zimmer zurückgezogen. Trottend war sie die Stufen nach oben gegangen und ihr war die ganze Zeit nicht wohl dabei; zu wissen, dass Vegeta zu jederzeit wusste, wo sie sich befand. Ebenso seine Drohung, die unheilvoll wie eine Wolke über ihr schwebte. Immerzu dachte sie an das folgende Schicksal der Erde, sollte sie sich nicht an seine Forderungen halten. Es bereitete der jungen Saiyajin unendliche Bauchschmerzen. Zwischen Vegeta und ihr war eine gigantische Kluft entstanden. Eine Distanz, die ihr vorheriges Verhältnis in den Schatten stellte. Sicher, sie hatten sich zuvor schon einige Male gestritten, sie wären sie des Öfteren am liebsten an den Hals gesprungen, doch jetzt... jetzt herrschte kein Zwietracht mehr zwischen ihnen. Nein, es hatte sich zu einem Krieg zwischen den beiden Saiyajins entwickelt und es störte Bulma, dass er es fertig brachte, sie zu seinen Gunsten zu steuern. Was hatte sie in ihrem Leben bloß falsch gemacht, um mit solchen Auseinandersetzungen und solch diffusen Gedanken bestraft zu werden? Und wieso war es ihm so egal? Amüsierte es Vegeta so sehr, Lebewesen die am Boden lagen, noch mehr körperlichen und seelischen Schaden zuzufügen?

 

Hinzu kam der immer größer werdende Abstand zu Turles. Bekümmert ging sie dem Saiyajin aus dem Weg, der nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln war. Aber Bulma durfte sich in kein Gespräch mit ihm verwickeln lassen – was leichter gesagt als getan war, denn der Tag kam, an welchem Turles vor ihrer Tür stand und zaghaft gegen das Holz klopfte. Allerdings hatte es sich anders angehört – fast feinfühlig. Nicht so grob und aggressiv wie beim ersten Mal, als er inmitten der Nacht vor ihrer Tür stand und Ruhe einforderte, angesichts ihrer Trauer und den daraus resultierenden Weinkrämpfen, weswegen er nicht einschlafen konnte. Schwankend, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, schnappte sie sich ihre Wolldecke, die sie zögerlich um ihren Körper legte und anschließend zur Tür ging.

 

Ob sie vielleicht doch eher so tun sollte, als würde sie schlafen? Immerhin würde sie so dem Gespräch entgehen können. Allerdings und die Erleuchtung kam schnell, wusste Bulma, dass Saiyajins – abgesehen von ihr – Auren spüren konnten. Sie konnte sogar differenzieren, ob man tatsächlich schlief oder nicht. Demzufolge konnte sie sich ihm gar nicht entziehen, weshalb sie vorsichtig die Tür einen Spalt weit aufzog und ihren Kopf zwischen Zarge und Tür klemmte.

 

Das Bild vor ihr hätte nicht skurriler sein können. Vor ihr stand Turles, die Arme verschränkt und den Blick auf sie gesenkt.

 

„Ähm... Hey, was gibt’s?“, kam es recht subjektiv aus ihrem Mund.

 

„Was es gibt?“, wiederholte er, während sich eine seiner Augenbrauen erstaunt nach oben zog, ehe sich die zweite dazugesellte. Er war überrascht, hinsichtlich ihrer Reaktion. Turles konnte sie nicht einordnen, woraufhin er skeptisch – dennoch achtsam genug – die Tür aufschob und das Mädchen ins Innere des Raumes drängte, um ihr uneingeschränkt folgen zu können. In der Mitte des Raumes blieb er stehen, den Blick nach wie vor auf Bulma gerichtet. „Ich hab mich gefragt, was los ist?“

 

Was los ist?“ Bulmas Hände krallten sich in der Innenseite ihrer Decke fest. „Äh, was sollte denn los sein? Es ist nichts.“

 

„Es ist nichts?“ Unauffällig sah er sich in dem kargen Zimmer um. Bescheiden war der fast leere Raum allemal, wenn er sich ihre Behausung auf Vegeta-Sei in Erinnerung rief. „Bist du dir sicher?“

 

„Ja, ich bin mir sicher, Turles.“ Sie war alles andere als sicher. Aber was sollte sie tun? Ihm die Wahrheit sagen? Sich ergeben und ihm sagen, was vorgefallen war? Das ging einfach nicht.

 

„Wieso gehst du mir aus dem Weg, obwohl ich weiß, wie enorm groß dein Verlangen danach ist, mich ständig in ein sinnloses Gespräch zu verwickeln?“ Noch immer dachte er an ihr Haus auf Vegeta-Sei. Selbst ihr Badezimmer, in dem er Bulma bewusstlos vorgefunden hatte, als man sie und ihre Eltern überfiel, ließ ganz andere Rückschlüsse zu. Dort waren ihre Schränke mit Haarspangen, Haarbändern und Haargummis übersät gewesen. An ihrem Spiegelschrank hafteten Fotos aus ihrer Vergangenheit. Selbst das Waschbecken war kaum als dieses zu erkennen, dank der Überfüllung ihrer Kosmetika. In den Regalen daneben hatten sich unzählige Parfumflakons befunden, und hier? Hier deutete nichts darauf hin, dass eine junge, ansehnliche Saiyajin das Anwesen bewohnte.

 

„Äh, ich -“

 

„Wenn sich dieser Umstand innerhalb kürzester Zeit ändert, muss man der Ursache auf den Grund gehen, Mädchen.“ Ihm strahlte nur die Einsamkeit entgegen, der Bulma zwanghaft ausgesetzt war und es tat ihm wirklich leid und inmitten all dieser Erinnerungen, hatte die Saiyajin es noch immer noch geschafft, ihm in ganzen Sätzen zu antworten, weshalb er unbarmherzig fortfuhr: „Du hast dazu gar nichts zu sagen?“

 

„Es ist nichts“, beharrte Bulma.

 

Unterdessen war Turles kopfschüttelnd und ungefragt an ihr Fenster herangetreten, verschränkte daraufhin erneut die Arme und starrte – wie er es so oft schon getan hatte – in die Ferne. Das taten viele Saiyajins, wenn sie einer unausweichlichen Konfrontation gegenüberstanden und Zeit schinden wollten. Erst als er ihre Anwesenheit neben sich im Augenwinkel bemerkte, neigte er den Kopf in ihre Richtung, doch Bulma verstand es, ihm auszuweichen. So schüchtern sie in seiner Anwesenheit auch war, so versuchte sie jene Eigenschaften mit Cleverness und Raffinesse auszugleichen. Ja, er hatte ihre wahren Seiten kennenlernen können, nachdem er sich gründlich mit dem Mädchen befassen musste. Damals war ihm ihre Erscheinung noch ganz anders in Erinnerung geblieben – ängstlich, dennoch gewitzt genug, sich clever zu artikulieren. Aus diesem Grund wusste er auch ganz genau, dass sie weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen war.

 

„Du willst mir also weiter weismachen, dass nichts ist, obwohl ich dich der Lüge überführt habe?“

 

Schweißperlen bildeten sich auf Bulmas glatter Stirn, aber sie musste standhaft bleiben. „Turles, wenn ich es dir doch sage: Es ist nichts.“

 

„Fein“, entgegnete er süffisant. „Dann lass mich meine Frage anders stellen.“ Er sah, wie sie zusammenzuckte, aber das durfte ihn keinesfalls beeinflussen. „Wann genau wolltest du mir sagen, dass Vegeta und Radditz hier waren?“

 

Aufgrund dieser Aussage, fiel Bulmas Kinnlade förmlich zu Boden. Entgeistert sah sie zu ihm nach oben. „Du... Du wusstest davon?“ Ihr Kopf drehte sich in Windeseile zurück zum Fenster und wieder zu seinem Gesicht, das wissend ihre Züge studierte. Unter seinem Blick ausgesetzt und weil sie wusste, dass er ihre Lüge enttarnt hatte, zog sie die Decke, die ihr in diesem Moment Schutz bot, enger um sich. Auch wollte sie damit ihre Hände beschäftigen, die sich unaufhörlich in den weichen Stoff bohren wollten.

 

„Du hast daran gezweifelt?“ Spitzbübisch drehte er seinen Körper zur Seite, woraufhin die blauhaarige Saiyajin ihm auswich. Kurz sackten seine Mundwinkel nach unten, nachdem er bemerkte, dass sie die Distanz zu ihm wahren wollte, aber er ließ sich die Enttäuschung ihrer Zurückweisung nicht anmerken.

 

„Nein, nicht gezweifelt“, seufzte Bulma.

 

„Ich mag zwar so dumm aussehen wie Kakarott, doch unterscheiden wir uns – was Intelligenz angeht – auf ganzer Linie. Natürlich weiß ich, dass Vegeta und Radditz hier waren. Schließlich haben unsere Scouter Funktionen, die die Anwesenheit neuer Auren herauskristallisieren können.“ Er war nicht gekränkt, aber auch nicht besonders glücklich darüber, dass sie ihn belogen hatte. „Und dass es meine Aufgabe ist, dich daran zu hindern, zurück nach Vegeta-Sei zu flüchten, muss ich dir nicht sagen, oder?“

 

„Nein.“

 

„Was eine ständige Mitnahme meines Scouters erklärt und sag mir nicht“, erläuterte er besser gelaunt, „dass dir dieser Umstand nicht selbst klar war.“ Dass er sie zudem mit seinem Leben beschützen musste, erwähnte er per se nicht. Vegeta hatte es sträflich untersagt, sie in irgendetwas einzuweihen.

 

„Ich durfte dir nichts davon erzählen“, gab Bulma im Anschluss verlegen zu.

 

Misstrauische Züge entfachten sich in Turles' Gesicht, bevor er mürrisch in ihr Gesicht sah. „Denk noch einmal nach, ob das der Wahrheit entspricht.“

 

Auch Bulma sah eindringlich zu ihm auf. „Das ist die Wahrheit, Turles.“

 

„Bulma.“ Turles schloss den Abstand zu ihr, hob seine Hand und verharrte einen kurzen Moment, bevor er nach ihrem Handgelenk griff und sie zu sich heranzog. „Lüg mich nicht an! Ich weiß, dass Vegeta und Radditz meine Anwesenheit gespürt haben – ebenso wie ich ihre.“

 

„Das... Das stimmt nicht. Saiyajins können nur mithilfe ihrer Scouter -“

 

„Denkst du, sie hätten ihre Scouter nicht permanent im Auge? Uns wurde nie etwas anderes eingetrichtert. Ohne unsere Scouter sind wir machtlos, kapiert?“ Gott, was sollte er noch glauben? Turles war so verwirrt.

 

„Turles, ich sage dir die Wahrheit“, entfuhr es ihr panisch – die Augen fest geschlossen. „Ich habe dir nichts gesagt, weil Vegeta es mir verbot und ich verunsichert war. Aber wie kann ich erwarten“, keuchte sie nachfolgend und öffnete die Augen, „dass du das verstehst?“ Wieso sollte Turles, der sich sowieso nur für dich interessierte, sich darum scheren, dass Vegeta ihr ein Ultimatum stellte und die Erdbevölkerung indirekt damit bedrohte, sie auszurotten und das Schicksal von sieben Milliarden Menschen in Bulmas kleine Hände legte, die dem Druck schon lange nicht mehr standhalten konnten? War das Vegetas Plan? War es Willkür, weil er wusste, dass Bulma scheiterte? „Und selbst wenn ich dir davon erzählt hätte; zu dir wollten sie sowieso nicht, sondern zu mir.“

 

Nickend drehte er sich von Bulma weg, bis er in den Augenwinkeln nur noch ihr Profil ausmachen konnte. „Was wollten sie hier?“ Für die beiden ausgebildeten Saiyajins wäre nicht die Frage nach Turles' Aufenthaltsort relevant, sondern wie schnell – sofern sie zu Turles gewollt hätten – dort ankämen. „Dass sie nicht zu mir wollten, ist mir schon klar. Nichts wäre einfacher gewesen, als mich zu finden.“

 

„Stimmt“, resignierte sie anschließend.

 

„Gab es etwas bestimmtes, das sie wissen wollten?“

 

Nickend bestätigte sie seine Frage: „Ja, oder glaubst du, Vegeta lässt sich dazu herab, grundlos eine so weite Strecke zurückzulegen?“ Die Erinnerung an das verhängnisvolle Gespräch mit ihm kroch schnell zurück... Obwohl, die Erinnerung war nie weg, Bulma hatte es lediglich geschafft, sich nicht gänzlich davon erdrücken zu lassen. Aber es war unheimlich schmerzvoll, sich mit seinen bösen Worten auseinanderzusetzen. Es war grausam, wie Vegeta sie währenddessen angesehen hatte – feindselig und nicht gewillt, ihr etwas freundliches zu sagen.

 

„Ganz im Gegenteil, aber lass dir auch nicht alles aus der Nase ziehen.“

 

Bulma atmete noch einmal tief ein, bevor sie leise sprach: „Vegeta wollte wissen, wieso ich ihn belogen habe.“

 

„Inwiefern?“

 

Turles' folgender Ausdruck signalisierte ihr, dass er unbedingt wissen wollte, worum es in diesem Gespräch gegangen war. „Ich... Ich habe Träume, Turles.“ Peinlich berührt sah sie weg. Bulma drehte ihren Körper zur Seite, weil sie ihm nicht länger in die Augen sehen konnte – zu groß war die Scham vor dem, was sie ihm erzählen würde.

 

„Erzähl mir von den Träumen“, flüsterte Turles, nachdem er behutsam nach ihrem Kinn gegriffen und ihren Kopf zurück in seine Richtung gedreht hatte.

 

Eigentlich wollte sie ihm nichts davon erzählen. Bulma hatte ihm bereits – wie Vegeta zuvor – zu tiefe Einblicke in ihr Innerstes gewährt, obwohl sie doch schon daraus hätte lernen müssen, als sie diese Konfrontation mit Vegeta hatte. „Es begann, bevor du zur Erde kamst und mir meine wahre Herkunft offenbart hast. Damals dachte ich, alles sei Einbildung. Ich glaubte, es läge am Stress – bedingt durch mein Studium.“ Bulma erkannte, wie Turles sich erinnerte und auch sie erinnerte sich, wie sie ihm erzählt hatte, dass sie Studentin sei. „Allerdings wurden die Träume klarer, sie wurden drängender und... und schlimmer. Mir wurden Bilder vor Augen geführt, die das Ausmaß der größten Zerstörung eines Planeten zeigten – unseres Planeten, Turles.“ Errötet drehte sie nochmals den Kopf zur Seite, doch Turles sah ihr unbeeindruckt entgegen. Warum es ihn kalt ließ, konnte sie nicht sagen. Sie vermutete, dass das seinem Naturell entsprach und er keinerlei Gefühle zeigen durfte. „Als ich in deiner Wohnung aufgewacht bin, hatte ich wieder davon geträumt und... und -“

 

„- und was?“ Er wusste, dass er sie drängte und das der falsche Weg war, aber er vergaß sich in dem Moment einfach, weil sie um den heißen Brei herumredete. Des Weiteren legte er seine Hand unter ihr Kinn, da es ihm ein starkes Bedürfnis gewesen war, ihr in die Augen zu sehen. Er fühlte, dass das, was das Mädchen als nächstes sagen würde, ihr aller Schicksal betraf und gerne würde der hochgewachsene Saiyajin vorbereitet sein. Ja, Turles würde ihr... er würde ihr gerne diese Bürde abnehmen, doch konnte er das nicht. Aber er könnte ihr behilflich sein, gemeinsam mit ihm das Martyrium zu überstehen. „Bulma, sag mir was du geträumt hast.“

 

Dass ausgerechnet das Mädchen es schaffte, ihn – einen der bösesten Saiyajins – zu indoktrinieren, so dass er seelisch gezwungen war, sie zu schützen und ihr kein Leid zuzufügen, ließ so tief in seine Seele blicken, dass er sich davor fürchtete, den nächsten, offenen Schritt zu wagen. Trotz dass beide Saiyajns sich so unbekannt und fremd waren, so fühlte Turles eine Nähe zwischen ihnen, dass es ihm nicht einmal schwer fallen würde, sein Leben für ihres zu geben.

 

Das war verrückt, nicht? Er wurde herangezüchtet, durchlief ein strenges Training um letztendlich die Königsfamilie zu schützen und nicht die Tochter eines Erfinders, zu dessen Familie der Königssohn geschickt wurde, um zu lernen, was Pflichtgefühl bedeutete. So sehr er sich auch bemüht hatte sich dieser Nähe zu entziehen und seine Prioritäten nicht zu vergessen, so hatte Bulma es geschafft, ihn zu umgarnen. Ihr gelang etwas, wovon Turles dachte, dass das nie möglich gewesen wäre. Was erschwerend hinzu kam, war, dass sie das unbewusst geschafft hatte. Ohne es zu wollen, färbte ihr Auftreten auf ihn ab. Es war erschreckend, sowie sonderbar zugleich, festzustellen, dass es jemanden gab, der die Macht über ihn hatte – ohne das nötige Zutun. Der Saiyajin dachte an den bisherigen Verlauf ihrer Aufeinandertreffen zurück. Er dachte daran, wie verunsichert und beklommen sie vor ihm gestanden hatte und mit Worten zu verhindern versuchte, größeren Schaden auf der Erde anzurichten. Dinge – wie eine Familie – die für ihn unwichtig waren, waren für diesen Erdling das höchste Gut, was sie besaß – was sie sogleich von ihm unterschied. Aber Turles fing an, sie zu verstehen. Er begriff, dass es Dinge im Leben gab, die wichtiger waren als die Pflicht seinem König gegenüber. Allerdings hatte Turles keine Familie mehr. Er war zu einem Einzelkämpfer geworden, was ihn umso gefährlicher machte, da er wusste, sich alleine zu wehren und dass es niemanden gab, der auf ihn wartete – bis jetzt. Für ihn war Nähe, Zuneigung und das Wissen gemocht zu werden, stets belanglos, aber das hatte sich – nachdem er Bulma kennengelernt hatte – irgendwann geändert. Bulma war fähig genug, Saiyajins zu verändern, ihnen den Spiegel vorzuhalten und diejenigen zum Nachdenken anzuregen. Sie war mächtig genug, jemanden erkennen zu lassen – wenn auch unabsichtlich –, was richtig und falsch war. Charaktereigenschaften, die immer uninteressant für jemanden war, der sich Saiyajin nannte. Aber plötzlich... plötzlich waren das Dinge, die in Turles' Kopf herumschwirrten, was ihn in seinem Handeln einschränkte.

 

„Ich habe von dir geträumt, Turles“, murmelte die blauhaarige Saiyajn – als hätte sie etwas gesagt, was unter keinen Umständen erwähnt werden durfte. „Du warst es, der Vegeta-Sei retten wollte.“ Ihre blauen Augen suchten die Stelle, auf der Turles' Hand zuvor ruhig gelegen hatte und kurz war sie gewillt, ihre Hand über die nun leere Fläche zu streichen. Sie glaubte, dass sie auf diese Art irgendwie mit ihm verbunden wäre – was natürlich Irrsinn war. Und Bulma war froh, dass sie diesem Verlangen nicht nachgegeben hatte und sich stattdessen schmerzhaft auf ihre Lippen biss.

 

„Ich wollte Vegeta-Sei retten? Du redest so, als wäre ich gescheitert.“

 

Die Lippen fest verschlossen, sah sie zu Turles. Ein Saiyajin, der sie so viele Gedanken gekostet hatte. Turles, der so anders war als Son Goku und doch war es genau dieser Mann, der sich von ihrem besten Freund im Wesen so unterschied. Turles war ein Saiyajin, der Bulma so lange beschäftigte – und es noch immer tat.

 

„Du hast dich in einen riesigen Affen verwandelt.“

 

„In einen Weraffen“, korrigierte er ihre Aussage.

 

„Ja, du wolltest... du wolltest mich beschützen – uns alle schützen“, endete sie zitternd, nur um sich anschließend in Turles' Arme zu werfen, nachdem sie achtlos ihre Decke zu Boden hatte fallen lassen. Bulma erhoffte sich, in Turles die Stütze zu finden, die sie gerade so dringend benötigte, weil ihr alles zu viel wurde. Ohne ihn zu fragen, versuchte sie, ihre Arme um seinen muskulösen Oberkörper zu schlingen. Ihren Kopf drückte sie gegen seine Brust, um ihm nicht noch die Möglichkeit zu bieten, ihre Tränen zu sehen, die sie nicht mehr hatte aufhalten können.

 

Davon – von ihren Gefühlen und ihren Erzählungen – überrumpelt, versteifte sich sein Körper, weil Turles nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Zumal er ja zuvor noch nie so direkt damit konfrontiert worden war. „Und... Und das hast du Vegeta genauso erzählt?“

 

„Nicht alles. Dass du derjenige bist, der uns retten wollte, habe ich ihm nicht gesagt“, seufzte Bulma bedrückt, bevor sie ihm nachträglich erzählte, inwiefern sie Vegeta belogen hatte. Sie erzählte ihm von der Begegnung zwischen Vegeta und ihr in der Zelle, wodurch auch Turles einen Zusammenhang erschließen konnte, wieso es überhaupt zu dem Treffen auf der Erde kam.

 

„Werde ich scheitern, Bulma?“ Er betrachtete ihren blauen Haaransatz, legte sein Kinn darauf und wartete auf die vernichtende Antwort. Letzten Endes hätte er sich all das auch ohne ihre Antworten zusammenreimen können, da Vegeta – sobald er etwas wissen wollte – sehr überzeugend sein konnte; sei es auch mit roher Gewalt. Bulma würde wahrhaftig besser zu Vegeta als zu ihm selbst passen. Schwer zuzugeben, aber er hatte sehr wohl Vegetas Blicke bemerkt. Turles hatte... er hatte gespürt, was sein König für dieses Mädchen empfand, das in Turles' Armen lag. Trotz sämtlicher Versuche, all das zu verbergen und so sehr er Bulma auch mochte – und er mochte sie tatsächlich –, Turles musste sich beherrschen. Er musste sich am Ende zurückziehen, wenn der Zeitpunkt kam und es würde ihn vermutlich treffen – hart. Er würde einen leichten Stich in der Brustregion verspüren, der ihn zerbrechen lassen sollte.

 

„Ich weiß es nicht so genau. Ich sehe am Ende lediglich unseren zerstörten Planeten.“

 

„In Ordnung.“ Ohne dass Bulma es bemerkte, hauchte er einen sanften Kuss auf ihre Haare, weil er wusste, dass das sein Untergang bedeutete. Er würde zerbrechen, wie der Bierkrug, den er fallen ließ, nachdem Vegeta Bulma auf dem Fest geküsst hatte. Das Ausmaß war hier eben nur viel größer, da es Turles' Innenleben betraf, das unaufhaltsam in sich zusammenfallen würde. Jedoch schöpfte er Hoffnung. Hoffnung, dass er darüber hinweg kam, weil er sie bisher nie damit befassen musste. Kakarotts Ebenbild baute darauf, dass sein verdammter Stolz stärker war, dass sein Wille ungebrochen wäre und er Bulma irgendwann als Freund zur Seite stehen könnte.

 

 

 
 

~*~

 

 

 

Sie irrten schon viel zu lange durch das breit gefächerte Land, ohne ein Ziel gefunden zu haben, weshalb Vegeta und Son Goku das Tempo anzogen. Sie überquerten die vielen Flüsse, die das Land in mehrere Teile spalteten – in der Hoffnung, etwas zu finden, das auf eine Zivilisation schließen ließ. Irgendwo mussten sie ja anfangen.

 

Dass auch niemand von den beiden einen Scouter an seinem Körper trug, war Vegeta schleierhaft. Aber das war sicherlich der Hektik zuzuschreiben. Aber war es nicht Kakarott, der Auren ohne Scouter ausmachen konnte und eben noch etwas gespürt hatte? Wieso spürte er jetzt nichts mehr?

 

„Vegeta, wir sind noch auf Vegeta-Sei“, rief Son Goku verblüfft, dem die Muster der Seen und Flüsse bekannt vorkamen, aufgrund seiner vielen Ausflüge. Allerdings waren keine Häuser zu erkennen, was ihn wiederum verunsicherte. „Oder? Wir sind doch noch auf Vegeta-Sei?“

 

„Mit Sicherheit“, gab er murrend zurück, da es ihn selbst verunsicherte, bisher auf niemanden gestoßen zu sein. Ob es sich vielleicht um einen Hinterhalt handelte? Nein, bestimmt nicht. Anschließend blickte er wieder nach vorne, um sich nicht von Kakarotts unaufhörlichem Magengrummeln weiter irritieren zu lassen – was sich auch prompt auszahlte. Es durchzuckte ihn wie einen Blitz, als seine Sinne plötzlich schwache Signale empfingen. Daraufhin kniff er seine Augen zusammen, während er teilnahmslos in der Luft stehen geblieben war, um dieses Gefühl besser auffangen zu können. Und als er die Aura endlich stärker wahrnahm, öffnete er blitzschnell die Augen. Gleichzeitig betrachtete er die umliegende Landschaft und endlich... Endlich sah er weiter hinter seichte Rauchschwaden aufsteigen. Ja, verdammt. Er hatte es ganz ohne Scouter geschafft – in einer Situation, die ausweglos erschien. „Da hinten. Dort muss ein verdammtes Dorf sein.“

 

„Wirklich? Bist du dir sicher?“ Auch Son Goku kniff seine Augen zusammen, doch konnte er sich nicht konzentrieren, da Vegeta bereits weitersprach.

 

„Wir sollten zumindest nachsehen.“ Schön, mittlerweile hatte auch Vegeta erkannt, dass er stets vorschnell handelte, aber tat er das nicht immer? Schließlich hatte er das auch getan, als er seinem Vater gegenübergestanden hatte – einem Mann, dem er stets Respekt gezollt hatte, bis zu jenem Tag, an dem er das Karussell der Gefühle verließ und auf seinen wahnsinnigen Verstand hörte. Aber auch das gehörte der Vergangenheit an – wie die Zeit, in der sie sich befanden. Mit wirren Gedanken folgten sie der Spur, die binnen weniger Minuten zu dem Ziel brachten. Doch das, was sie sahen, schnürte ihnen die Luftröhre ab.

 

Von hier oben sahen sie Wesen, die ihnen selbst nicht unähnlich waren. Waren es Saiyajins? Aber der König wusste doch, dass Saiyajins in der jetzigen Zeit noch gar nicht so weit entwickelt waren, oder?

 

Vegeta verspürte ein seltsames Gefühl in seiner Brust. Es war die nackte Angst, dass sie doch in der falschen Zeitebene – wieso auch immer – gelandet waren. Aber das konnte doch nicht sein. Nein, er hatte Polunga gehört. Auch anhand der unbewohnten Umgebung war es Vegeta möglich, abzuschätzen, in welcher Zeitlinie sie sich ungefähr befanden.

 

„Vegeta, das... das sind doch Saiyajins!“ Auch Son Goku war perplex.

 

„Nein, Kakarott.“ Es fiel dem kleineren Saiyajin wie Schuppen von den Augen. „Das sind keine Saiyajins“, klärte er seinen Nebenmann knurrend auf, während seine geballte Faust vor Zorn zu zittern anfing. Dieses Volk... Dieses durchtriebene Drecksvolk. Was waren seine saiyajinischen Vorfahren neidisch auf dieses hochentwickelte, moderne, intelligente Volk gewesen – das ihnen weit voraus gewesen war. Während diese Wesen die modernste Technik entwickelten, lebten Saiyajins wie... wie Tiere in den Bergen.

 

„Aber was sind das für Lebewesen?“

 

„Das, Kakarott, sind Tsufurujins.“

 

„Was? Tsufuru-was?“ Jedoch bekam er keine Antwort. Zu fokussiert war Vegeta auf das unter ihm befindliche Volk, das ein friedliches Leben zu führen schien. „Vegeta“, flüsterte er im Anschluss hinter vorgehaltener Hand, während er dem König zeitgleich und ungeduldig auf die Schulter tippte. „Was sind denn diese -“

 

„Tsufurujins?“, beendete er den Satz und sah, wie Kakarotts Kopf eifrig nickte. „Siehst du das nicht?“ Das Geschehen unter ihm musste eine Bedeutung haben – nicht umsonst hatte Polunga sie hierher gebracht. Demnach hatte sich der Drache auch nicht geirrt. Nein, sie mussten hier sein – dort, wo alles seinen Anfang fand.

 

„Nein, ehrlich gesagt sehe ich das nicht?“

 

Hier gab es etwas, das sie ändern mussten. „Mit diesen Wesen“, begann Vegeta genervt, „die uns so ähnlich sehen, haben wir unseren Planeten geteilt – bis die Saiyajins das Volk auslöschten.“ Ob Saiyajins bereits geboren worden waren? Ja, bestimmt. Sie lebten nur abseits der kleinen Stadt – versteckt in Höhlen, wo sie ihr Dasein fristeten. Im Augenwinkel bemerkte er darüber hinaus eine andere Aura, die sich von denen der Tsufurujins deutlich unterschied. Augenblicklich ruckte sein Kopf zur Quelle und was er dort sah, hinderte ihn am weiteratmen.

 

Ebenso Son Goku, der das Aufkeuchen seines Königs vernahm und seinem Blick folgte. Seine Augen weiteten sich, ehe er sprach: „Ach du heilige Heuschrecke, was ist denn das?“

 

„Verflucht, sei still!“, wies Vegeta ihn zurecht, der unverzüglich zu Kakarott flog, seine Hand auf dessen Mund presste und mit ihm zusammen den Boden erreichte. Das Wesen hingegen, das ihnen den Atem raubte, war weder Tsufurujin noch Saiyajin. Es war... nicht zu definieren. Der Körper des Fremden war überwuchert mit grünen Schuppen, die sich feingliedrig über jedes Körperteil hinwegzogen. Der Oberkörper war in ein langes Gewand umhüllt, das bis zu den Knien reichte. Der ovale Kopf glich eher einem Fisch, statt einem Bewohner des Landes – was beide Saiyajins angeekelt zusammenzucken ließ.

 

Was war das für ein Ungetüm? Um dem auf den Grund zu gehen, schob Vegeta seinen Begleiter, dem er noch immer angewidert den Mund verschloss, hinter das Haus, das das Wesen ebenfalls ansteuerte. Versteckt unter einem Fenster, wollte Vegeta dem anschließenden Gespräch lauschen.

 

„Mein alter Freund“, ertönte es im Innern des Hauses, nachdem man die schwere Tür verschlossen hatte.

 

Zögerlich hoben die Saiyajins ihren Kopf, bis sie über die Fensterbank lugen konnten, was es ihnen ermöglichte, das fremde Geschöpf und einen Tsufurujin – der allem Anschein nach der Älteste des Dorfes war – zu beobachten.

 

„Lange... Lange ist es her, mein Freund, und ich weiß, weshalb mich dein Volk bat, schnellstmöglich meinen Planeten Kanassa zu verlassen und zu euch zu kommen.“ Bedächtig griff das Wesen nach der Schulter des alten Mannes, der bedrückt in das Gesicht seines Gegenübers sah. „Die Botschaft, ich solle mich allerdings jetzt schon so schnell wie möglich auf den Weg machen, klingt besorgniserregend und das kann ich durchaus verstehen.“

 

„In der Tat“, stimmte der Älteste dem Fremdling zu. „Du weißt, wieso -“

 

„Ich weiß“, stoppte das Geschöpf den alten Mann mit erhobener Hand. „Die Saiyajins machen dir Sorgen.“

 

„Ja, sie dringen immer weiter in unsere Dörfer ein. Sie sind zerfressen von Neid und wollen kein Bündnis mit uns eingehen.“

 

„Allerdings“, nickte der fischähnliche Kopf. „Und sie werden weiter vordringen, Ältester“, fuhr er stirnrunzelnd fort. Die grünen Schuppen zitterten. Sie verströmten etwas, das Besitz von dem Ältesten ergreifen und ihn in dieselbe Starre versetzen wollte.

 

„Ist... Ist das wahr?“, stöhnte der Mann angestrengt – offenbar nicht bereit dazu, dasselbe sehen zu wollen, was sein Freund sah. „Sie sind... Sie sind so rückständig, doch unseren Kräften weit überlegen.“

 

„Sie werden stärker werden.“

 

„Aber wie ist das möglich?“, wollte der Tsufurujin verblüfft wissen. „Während wir kommunizieren, fällt es den Saiyajins deutlich schwer, sich zu unterhalten. Wie kann es sein“, fuhr er nahtlos fort, „dass sie uns überrumpeln können, wo wir doch mit Waffen ausgestattet sind, die -“

 

„Das ist dein Fehler, alter Freund.“ Inzwischen hatte sich das Wesen auf einen der Stühle niedergelassen. Es atmete schwer und griff nach einer Karaffe, welche sogleich zu seinem Mund herangeführt wurde. „Du unterschätzt die Macht der Saiyajins. Du unterschätzt die Macht eines einzelnen Geschöpfs, das in der Lage ist, euren gesamten Planeten zu pulverisieren. Noch“, begann er furchterregend, „wissen sie nicht, wie machtvoll sie sind. Sie wissen noch nicht, wie sie ihre Stärke gebrauchen können, was euer Vorteil sein könnte – aber seid gewarnt, Tsufurujins. Die Saiyajins werden siegen, weil ihr zu borniert seid und weiterhin die saiyajinische Rasse unterschätzen werdet.“

 

Unterdessen drehte sich Son Goku leise – aber mit weit aufgerissenen Augen – zu Vegeta. Wieder tippte er ihm aufgeregt auf die Schulter. „Vegeta, was reden die da? Ich versteh gar nichts.“

 

„Bist du tauber, oder was?“ Lange würde es nicht mehr dauern, dann würde Vegeta vollends ausrasten, was Kakarotts alleinige Schuld wäre. Wenn man ihre Anwesenheit bemerkte... Verdammt, das wäre vielleicht ihr aller Untergang und nachdem er Radditz' kleinen Bruder zurechtgewiesen hatte, riskierte er einen weiteren Blick über die Fensterbank, um sich zu versichern, dass sie nicht entdeckt wurden, ehedem er sich wieder nach unten beugte – in dieselbe Position, in der sich Kakarott befand.

 

„Aber nein, Vegeta“, hauchte er euphorisch und sein warmer Atem streifte das Gesicht des Königs, dessen Kopf sich hinterher augenrollend und angeekelt zur Seite drehte. „Mein Gehör ist in einem einwandfreien Zustand. Ich verstehe bloß nicht, was das alles bedeuten soll.“

 

„Ach, wirklich?“, zischte er säuerlich zurück. „Du machst nicht gerade den Eindruck, als würdest du überhaupt jemals etwas verstehen.“ Im Anschluss packte er Kakarotts Kragen, zog ihn näher zu sich heran und flüsterte: „Hör zu, Spatzenhirn.“

 

„Hey, sei nicht immer so gemein zu mir, Vegeta“, echauffierte sich Son Goku, der von Vegeta wegrutschen wollte, er ihm diese Möglichkeit aber nicht ließ. „Wieso sagst du immer so böse Sachen zu mir?“

 

Daraufhin packte eine Hand energisch nach Kakarotts Kinn, während die andere sich fester in seinen Kragen bohrte. „Du Idiot, du weißt schon, dass wir uns in der Vergangenheit befinden, ja? Kapierst du das?“

 

„Ja!“

 

„Das heißt, dass das, was wir hier sehen, bereits passiert ist. All das, was hier geschieht, hat unsere bisherige Zeit – in der wir beide leben – erschaffen und geformt, klar? Wir dürfen nicht erwischt werden und wenn wir beide die nachfolgende Zukunft zu unseren Gunsten ändern wollen, müssen wir das, was sie weiter besprechen, belauschen. Andernfalls können wir nicht handeln und das wollen wir doch, richtig?“

 

„Ja.“

 

„Gut, dann halt endlich dein Maul.“ Himmel nochmal. Seit wann war Kakarott so dümmlich geworden und beschwerte sich darüber, dass Vegeta so gemein war. Das war ja kaum zum Aushalten, diese elende Getue.

 

„Ist... Ist ja gut.“ Vegetas Hand konnte gnadenlos zugreifen, doch hütete sich Son Goku, dessen Kiefer bereits schmerzte, einzugreifen und den König von sich zu stoßen. „Aber... findest du nicht, dass wir auch etwas unternehmen sollten? Jetzt zum Beispiel, während du meinen Kiefer zertrümmerst?“ Blitzschnell zuckte daraufhin Vegetas Hand zurück, woraufhin Son Gokus Hand unweigerlich nach seinem Kiefer griff und sanft darüber strich. Und selbst die zarte Berührung tat abartig weh – Vegeta wusste eben genau, wie er zupacken musste.

 

„Nein, noch nicht. Wenn wir jetzt eingreifen, wissen wir gar nichts. Wir könnten zu viel Schaden in unserer Zeit anrichten.“ So sehr sich Vegeta beherrschen musste; auch ihm juckte es in den geballten Fäusten, endlich durch das offene Fenster zu stürmen und die Beiden niederzuschlagen. Schließlich lag es auf der Hand, dass diese beiden Kreaturen – so unscheinbar und harmlos sie auch wirkten – etwas mit der ganzen Sache zu tun hatten. Ein Glück war Vegeta immer misstrauisch, weswegen er der Herkunft des grünen Wesens nachgehen wollte. „Außerdem habe ich dir doch gesagt, dass Zeitreisen gefährlich sind und je früher wir eingreifen – ohne etwas zu wissen –, umso fataler werden die womöglichen Folgen. Wann verstehst du das endlich?“ Augenblicklich verstummte er in seinem Monolog, als das grüne Etwas die Stimme erhob.

 

„Die Saiyajins werden euch auslöschen. Ebenso wie sie mein Volk auslöschen werden und niemand kann etwas dagegen ausrichten.“

 

„Nein, das ist unmöglich!“, empörte sich der Alte. Seine knochige Hand knallte auf den Tisch, doch hatte es keinerlei Auswirkungen auf das marode Holz. „Das kann nicht sein.“ Getroffen von der Wahrheit, die sich nicht länger verheimlichen ließ, musste er sich an einem der Stühle festkrallen. „Wir... Wir können gar nichts unternehmen?“

 

„Nein. Weder du, noch ich.“

 

„Ich kann sowohl mein Volk, als auch die Nachwelt von diesen Monstern nicht befreien?“ Seine Stimme wurde zunehmend brüchiger.

 

„Nein.“
 

Der Zeitpunkt war gekommen. Er musste handeln, doch hätte er niemals gedacht, jemals so weit gehen zu müssen, um seine Nachwelt zu schützen. Allerdings war sein Volk in Gefahr. Bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, musste er sich jedoch hinsetzen, die Teetasse nehmen und einen Schluck des beruhigenden Tees trinken. Er war entschlossen – wild entschlossen, wonach er die Tasse auf den Tisch zurückstellte und zu dem Wesen sah, das Freund und Verbündeter zugleich darstellte. „Ich werde. Und ich kann unsere Zukunft retten!“

 

„Du wirst untergehen, alter Freund.“

Turles' Himmelfahrtskommando

Ordnung ist etwas für Primitive, das Genie beherrscht das Chaos.

- Albert Einstein

 

 
 

~*~

 

 

- Kapitel sechsundzwanzig -

 

 

 

 

Die letzten Wortlaute, diese infernalische Drohung die der Alte im Innern des Hauses gegen die Saiyajins aussprach... alleine das hätte ausreichen müssen, um Vegeta alarmieren zu müssen. Es hätte ihn dazu bewegen müssen, zu agieren, einzugreifen und dafür Sorge zu tragen, dass sein Volk gewarnt wurde. Er hätte sich nicht weiter dieses Vorgespräch eines bevorstehenden Krieges anhören dürfen – den er zweifelsohne hätte verhindern können –, der zudem zeitgleich für das seinige, als auch für das Schicksal seines Volkes verantwortlich gewesen war. Aber in Gedanken spielte sich ja immer alles leichter ab, weshalb er stumm, aber auch entmachtet unter dem Fenster verharrte – die Augen starr vor Schreck offen, die Hände zu Fäusten geballt. So stark, dass seine Knöchel schon weiß hervortraten. Und er musste abwarten. Warten auf das Undenkbare, denn wenn er jetzt angriff, bestünde die Gefahr, dass er Aufsehen erregte, was er gar nicht gebrauchen konnte. Er musste – so schwer es ihm auch fiel – einen Moment der Stille abpassen, um ungesehen handeln zu können. Ein Moment, woraus er einen siegreichen Triumph erzielen könnte. Ja, wenn er unentdeckt blieb, boten sich ihm viel größere, effektivere Möglichkeiten, seine Zukunft zu verändern.

 

„Vegeta?“, murmelte Son Goku, der das Gespräch ebenso verfolgt hatte und sich schwer tat, weiterhin herumzusitzen und nichts zu tun. „Wenn wir unsere Vorfahren warnen, dann würden wir doch nur passiv in das Geschehen eingreifen, oder?

 

Die Idee klang nicht dumm. Immerhin kannte Vegeta die Vergangenheit seiner Vorfahren. Sie wurde niedergeschrieben in unzähligen Schriften, dass jeder Saiyajin sie auswendig konnte. „Vielleicht.“

 

„Wieso vielleicht? Sie... Sie würden eben nur früher angreifen, oder?“

 

Ja, das würden sie. Aber wie sollten sie sich mit den Ur-Saiyajins verständigen? Sie beherrschten doch ihre Sprache gar nicht. Saiyajins – und die Ur-Saiyajins schon gar nicht – waren keine geselligen Wesen, die darauf warteten, informiert zu werden. Was, wenn sie von ihren eigenen Ahnen angegriffen wurden und dadurch bemerkt wurden? Würde man ihn und Kakarott entdecken, müssten sie sich verteidigen – und sie würden es tun. Allerdings würden sie in einen Krieg geraten, den sie zwar gewannen, aber was würden sie in ihrer Welt alles opfern und verlieren? Womöglich würde man sie am Ende noch so weit treiben – gepaart mit ihrem stoischen Saiyajin-Wahn –, dass sie letztlich den Planeten zerstören und eine weitere Evolution der hiesigen Saiyajins verhindern würden. Und was würde geschehen, wenn es ihnen gelang, lediglich das Volk der Tsufurujins auszulöschen? Die Saiyajins die hier lebten, wären nicht in der Lage, die fortgeschrittenen Techniken der Tsufurianer – von denen Vegeta und die Anderen profitierten – zu erlernen.

 

Ja, sein Scouter, den er sonst immer bei sich trug, war ebenfalls eine uralte Erfindung der Tsufurujins – die Generationen nach ihnen hatten die Technik allerdings modifiziert. Wo wären sie heute, hätten sie diese Techniken nicht gestohlen und plagiiert?

 

Was ein Mist. Wie er sich auch entscheiden würde, es hätte negativen Einfluss auf sie alle. Wie konnte er nur so dumm sein und sich von seiner Eifersucht – die ihn drei Schritte nach hinten warf – treiben lassen? Ja, verdammt. Es war nackte Eifersucht die er verspürte und wieso hatte es ausgerechnet Kakarott erkannt, dieser wandelnde Misserfolg? Wieso war es Kakarott, der recht mit seiner Äußerung hatte und ihm vorwarf, eifersüchtig auf Turles zu sein? Und wieso in drei Teufels Namen überstürzte er alles? War Vegeta überzeugt davon, sein Schicksal zu seinen Gunsten ändern zu können? War er... War er blind vor Sehnsucht? Fehlte ihm Bulma so sehr, dass es ihm Schmerzen bereitete? Hatte sein Unterbewusstsein ein so stark ausgeprägtes Eigenleben entwickelt, dass er instinktiv handelte – ohne darüber nachzudenken?

 

„Vegeta?“, drängte Son Goku, nachdem er keine Antwort erhielt.

 

Diese Erkenntnis war – ebenso die Einsicht, Bulma zu verlieren – erdrückend. Sie war schädlich für den König der Saiyajins. „Was... habe ich bloß getan?“, kam es zermürbt und unzusammenhängend aus seinem Mund, während sein zitternder Blick hinab zu seinen bebenden Händen wanderte. Die Tragweite war ihm scheinbar nicht bewusst gewesen – bis jetzt, und er lernte auf unliebsame Weise, was genau Verantwortung hieß.

 

Denn... hatte er seinem Volk gegenüber nicht auch jene Pflicht? Hatte er nicht die Pflicht, jedwede Katastrophe abzuwenden?

 

„Was meinst du?“, entgegnete Kakarott munkelnd, aber auch desorientiert zurück, hinsichtlich Vegetas wirrer Deklaration. „Vegeta, wovon redest du? Was ist los?“ Sein Augenmerk festigte sich auf den Saiyajin, dessen starrer Blick kühl nach unten gerichtet war – zu seinen Händen, was ein erneuter Anlass für Son Goku war, rasch zurück in sein Gesicht zu blicken, das aschfahl geworden war. Auch erweckte es den Anschein, als würde Vegeta – der stets rational dachte – die Nerven verlieren. „Vegeta, geht es dir gut?“ Im Anschluss hob er vorsichtig seine Hand, doch legte er sie letztendlich doch nicht auf der Schulter des Königs ab. Zu groß war die Furcht, dass er ausrastete.

 

„Nein, mir geht es nicht gut.“

 

„Vegeta, was -“

 

„Wir müssen warten, Kakarott – auf den Moment, in dem dieses Aas am verwundbarsten ist“, schilderte er im Verlauf eines weiteren Blickes durch das offen stehende Fenster abgeklärt. Bemüht sich nicht von Emotionen leiten zu lassen, beobachtete er das Treiben im Innern und beschloss – zumindest für sein Volk – einen klaren Kopf zu bewahren. Ebenso sein Stolz, der verlangte, wenigstens alles zu versuchen, wenn er schon das Leben zahlloser Soldaten willkürlich aufs Spiel setzte. Ferner beobachtete er die unsicheren Schritte des Mannes, sowie den skeptischen Ausdruck seines schuppigen Gegenübers.

 

Der Tsufurianer watete wehleidig umher, bis er abrupt inne hielt und retardierend fortfuhr: „Sag mir, Nael, werde ich erfolgreich sein, wenn mein Wille ungebrochen ist?“ Schiere Furcht führte dazu, sich zittrig an den Bewohner des Planeten Kanassa zu wenden. „Sag mir, dass ich mein Volk retten kann.“

 

„Du willst die Wahrheit noch immer nicht sehen.“ Das Gesicht des Fremden verzerrte sich, als würde er abermals in eine andere Welt abtauchen – fernab jeglicher Realität, ehe er entgeistert seine Augen öffnete und dem Mann gegenüber trat, dem er gerne erfreulichere Nachrichten übermittelt hätte. Infolgedessen platzierte er seine Hand behutsam auf der Schulter seines Freundes. Ein drängendes Bedürfnis, ihn rechtzeitig über seine Chancen aufzuklären, befiel ihn unweigerlich, weshalb er niedergeschlagen den Kopf schüttelte. „Aber ich sage es dir noch einmal. So stark dein Wille auch ist, dein Vorhaben wird scheitern und dich letzten Endes ruinieren – dich und dein Volk.“

 

„Es muss doch eine Möglichkeit geben. Bitte sag es mir.“

 

„Du hörst mir nicht zu. Du wirst untergehen – selbst wenn du dich auf den Teufel einlässt, der dir eine Prophezeiung verspricht, die die Saiyajins auslöschen soll. Aber ich warne dich: widerstehe dem Trugbild, da es keinerlei Einfluss auf den Weiterbestand deines Volkes haben wird, da euer Schicksal besiegelt ist.“

 

„Eine Prophezeiung sagst du?“

 

„Alter Freund“, begann das fischähnliche Wesen besänftigend, „du willst nur das hören, was du hören willst. Ich sagte, dass du dieser Prophezeiung widerstehen musst, weil es sich um eine Lüge handelt. Du wirst deine Seele für ein Fundament aus Lügen verkaufen.“

 

Das durfte nicht wahr sein, verdammt. „Nael, was soll ich tun?“

 

„Du kannst nichts tun.“

 

„Aber ich kann mein Volk doch nicht blindlings in eine Gefahr laufen lassen, die ich verhindern könnte“, pochte der Alte – immer noch überzeugt davon, mithilfe seines ungebrochenen Willens erfolgreich zu sein. „Irgendetwas muss ich doch unternehmen können. Etwas, das mir mehr Zeit verschafft.“

 

„Zeit spielt keine Rolle, weil niemand das Unheil verhindern kann. Es ist das Schicksal deines Volkes, das du akzeptieren musst. Dasselbe Schicksal, das dich und dein Volk trifft, wird mein Volk in vielen Jahrhunderten erwarten.“ Es war ein Segen und Fluch zugleich, wenn man bemächtigt war, in die Zukunft sehen zu können. Nael wusste sogar, wer letztendlich sein Volk auslöschen würde. Geborene Wesen, die ihrem natürlichen Instinkt folgten und diejenigen auslöschten, die eine Gefahr darstellten – somit auch sein Volk, das mächtig genug war, in die Zukunft zu sehen. „Wenn der fünfte Vollmond des kanassischen Kalenders aufeht, werden fünf Saiyajins von unterschiedlicher Statur, meinen Heimatplaneten überfallen.“ Nael sah, wie brutal sie gegen sein chancenloses Volk vorgingen würden, in dessen späterem Verlauf ein Saiyajin mit dem Fluch – in die Zukunft zu sehen – belastet werden würde.

 

Nach dieser furchterregenden Aussage pressten sich sowohl Son Goku, als auch Vegeta gegen die kalte Fassade der alten Hütte – beide japsten nach Luft. Erschrocken hielten sie sich anschließend mittels ihrer Hände die Münder zu, damit der folgende Aufschrei, der sich unweigerlich entfesseln wollte, im Keim erstickt wurde. Nachfolgend – auch, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatten – fand der größere der beiden Saiyajins zuerst den Mut, seine Hand vom Mund zu entfernen.

 

„Vegeta!“ Son Goku wollte ihn anbrüllen. Er wollte den König am Kragen packen, doch hielt er sich gerade noch zurück und stemmte seinen Körper abermals gegen die kalte Wand, während seine Iriden aufgeregt in ihren Höhlen zitterten. „Hast du das gehört? Hast du das?“

 

„Geht's noch lauter, du Idiot?“ Brüsk drückte er seinen Begleiter zur Seite, der ihm eindeutig zu nahe gekommen war. „Mein Gott, ich bin nicht taub, klar?“ Nein, sein Gehör war keineswegs beeinträchtigt. Allerdings war sein Gehirn so stark beansprucht worden – angesichts der Faktizität –, dass es ihm bedeutend schwergefallen war, all das zu verarbeiten. Aber er musste sich damit auseinandersetzen, sich... damit befassen. „Verstehe ich das also richtig? Schlussendlich kommt es gar nicht zu dieser Prophezeiung, weil sie falsch ist und sich gar nicht bewahrheiten würde?“

 

„So verstehe ich das auch“, gab Radditz' kleiner Bruder von sich.

 

„Wir sind umsonst in die Vergangenheit gereist“, schlussfolgerte Vegeta niedergeschlagen. Aber wieso schickte Polunga sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, wenn es doch gar keine Prophezeiung gab? Wieso informierte das Ungetüm sie nicht darüber? Und wieso konnte Polunga Akiras damaligen Wunsch – die Prophezeiung zu zerstören – nicht erfüllen?

 

Die Antwort traf ihn gnadenlos... Als würde Kakarott ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht versetzen. Der heilige Drache konnte die Prophezeiung nicht verhindern, weil es keine Prophezeiung gab. Punkt. Polunga schickte sie womöglich genau hierher, damit sie mit ihren eigenen Ohren hören konnten, dass es sich um eine Lüge handelte. Ein Märchen, das sich die Ur-Saiyajins erzählten – verbreitet durch einen alten, verzweifelten Mann, der sich nicht anders zu helfen wusste, als die Saiyajins in die Irre zu führen, sie mit falschen Informationen zu füttern. Grundütiger, was waren sie dumm gewesen. Was waren sie alle naiv und blind, hinsichtlich ihres Aberglaubens, der ihnen fast zum Verhängnis wurde. Über Jahrhunderte kolportierten die Saiyajins dieses Märchen – von Generation zu Generation, ohne den Wahrheitsgehalt in Frage zu stellen.

 

Aber was hatte es mit diesem bläulichen Dunst auf sich? Wieso hatte sich dieser Rauch gebildet, nachdem Vegeta sich der Saiyajin näherte, die laut dieser fälschlichen Prophezeiung seine Seelenverwandte war? Das war kein Irrglaube. Es war auch keine Illusion, da Vegeta selbst Zeuge dieses Phänomens gewesen war.

 

Verdammter Mist. Unaufhörlich schlug er seine Hände gegen seine Schläfen, er drückte sie so fest gegen seine Haut, in der Hoffnung, die Hiebe würden sein Denkvermögen in Gang setzen.

 

„Vegeta, was hast du?“, wollte Son Goku erschrocken wissen, da er nichts mit der Reaktion seines Königs anfangen konnte. So... erschlagen hatte er Vegeta bisher noch nicht erlebt. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Konsterniert griff er nach dem Arm seines Nebenmannes, doch ließ Vegeta sich nicht davon abbringen, sich weiterhin mit geschlossenen Augen zu konzentrieren. „Vegeta, bitte sprich doch mit mir.“

 

Augenblicklich hörte Vegeta daraufhin mit den Schlägen auf. Seine Augen öffneten sich blitzschnell. „Kakarott, wir müssen zurück – sofort.“ Vermutlich konnte man ihm ansehen, wie mitgenommen und verzweifelt er war, aber es kümmerte ihn nicht. „Wir... Wir können und wir dürfen“, beharrte er, „nichts ausrichten. Nicht, wenn es gar keinen Zeitpunkt gibt, an dem eine Prophezeiung geschaffen wurde.“

 

„Was? Aber ich dachte, wir sind hier um Bulma zu helfen?“ Nun verstand er gar nichts mehr. Bevor sie hierher gekommen waren, schien es nichts wichtigeres zu geben, als dieses Unterfangen in Angriff zu nehmen und siegreich in ihre Zeit zurückzukehren. Und das sollte sich plötzlich geändert haben? Aufgrund welcher Handhabe? „Ich verstehe überhaupt nicht, was hier los ist?“

 

„Unsere Vorfahren sind einem dummen Märchen auf den Leim gegangen, Kakarott. Das ist hier los“, versuchte er geringfügig zu erklären, während sein Rücken entlang der Fassade nach unten glitt – bis sein Hintern auf dem Boden ankam und er gezwungen war – angesichts seiner Macht- und Kraftlosigkeit – seinen Kopf gegen die Hauswand abzustützen. Er wusste selbst nicht mehr genau, was Realität und Irrealität war. Um das Ausmaß dessen, was er fühlte, noch zu untermauern, schossen seine Hände vor seine Augen, denn er war sich nicht sicher, ob er Kakarotts Blick standhalten konnte. Zu verzweifelt, zu eingenommen und geschockt war er, angesichts dessen, was er im Stande war zu tun. Mutwillig hatte er sich Zutritt zu einer Welt verschafft, zu der weder er selbst, noch Kakarott gehörte. Aber sein Stolz, sowie seine Wut und die grenzenlose Eifersucht taten das Nötigste, ihn über all das hinwegsehen zu lassen. Vegeta war so versessen darauf, sein Schicksal zu ändern, ohne darüber nachzudenken, was er den anderen Saiyajins antun könnte – gesetzt dem Fall, er würde scheitern. Er mischte sich in Angelegenheiten ein, die ihn nur bedingt betrafen, aber war das nicht ein Grund, etwas zu verändern? Erlaubte ihm dieser Umstand nicht, in die Vergangenheit zu reisen und das zu bereinigen, was dafür verantwortlich war, dass in seiner Zeit das Chaos herrschte?

 

Tiefe Sorgenfalten bildeten sich indes auf Son Gokus Stirn, dem es wichtig war, dass es Bulma gut ging. Das war seine Prämisse, die ihn dazu verleitet hatte, Vegeta beizustehen und ihm zu helfen. „Und was sollen wir jetzt machen? Abwarten, bis man uns zurückwünscht?“

 

Kakarotts Worte klangen so trivial, als würde er den König fragen, wie das Wetter werden würde und Vegeta gezwungen war, die Hände von seinem Gesicht zu nehmen, ehe er den Kopf zur Seite drehte um seinen Begleiter mit bösen Blicken zu traktieren – zu mehr fehlte ihm schlichtweg die Kraft. Ihm fehlte die Muße, sich seinem Rivalen entgegenzustellen – der innerhalb weniger Augenblicke zu einem Verbündeten geworden war. „Ja, verdammt. Wir werden hier sitzen bleiben und warten.“

 

„Wir könnten doch einfach fragen, was es damit auf sich hat, oder?“

 

„Du hast das Prinzip“, entgegnete Vegeta rau, „noch immer nicht verstanden.“ War Radditz' jüngerer Bruder wirklich so dumm? Aber er war des Kampfes müde geworden, weshalb er ruhig weitersprach: „Kakarott, wir sind in der Vergangenheit. Alles was wir tun, alles was wir verändern, hat Einfluss auf unsere Zeit. Und es gibt keinen Grund, in das Geschehen einzugreifen, weil diese Prophezeiung auf einer Lüge basiert – eine Lüge, die sich über die Jahrhunderte durchsetzen konnte. Es gibt demnach keinen Handlungsbedarf, weil es diese Prophezeiung – die wir ändern wollten – nicht gibt.“

 

„Aber -“

 

„Wenn wir jetzt da reingehen, wird sich nichts verbessern. Viel mehr wird es den Alten anstacheln, sein Vorhaben – sich gegen unsere Vorfahren zu stellen – schneller in die Tat umzusetzen. Das darf nicht passieren, weil wir Saiyajins es sein müssen, die zuerst angreifen.“ Kakarotts Eingreifen – so beherzt es auch war – würde alles beschleunigen und die Tsufurujins viel eher auslöschen als die Zeit es vorsah. „Wir... Wir werden dieser Lüge erlauben, sich zu entwickeln“, fügte er nachdenklich hinzu.

 

„Und das betrübt dich?“, fuhr Son Goku das Gespräch fort, in der Hoffnung, seinen König noch ein wenig zu kitzeln. „Das müsste dich doch eigentlich freuen, denn ich schließe daraus, dass Bulma sich in keiner Gefahr befindet.“

 

Ja... Ja, eigentlich hätte es ihn glücklich stimmen müssen, doch etwas anderes machte sich in seinem Innern breit: die Erkenntnis, Bulma dennoch verloren zu haben. Er war ein Chauvinist, der weder sie, noch ihre Empfindungen akzeptiert hatte. Es wäre vermessen, zu glauben, dass sie über seinen Starrsinn – hinsichtlich seiner Bestrafung ihr, ihrer Eltern und ihrer Freunde gegenüber – hinwegsehen konnte. So naiv und dumm war sie nicht – so sehr Vegeta es auch hoffte. Aber nein. Bulma war – und das hatte ihn stets so fasziniert – eine Saiyajin, die mutig und eigenständig genug war, Vegeta die Stirn zu bieten. Allerdings machte ihm noch etwas anderes Sorgen: der blaue Dunst. Das konnte er sich nicht erklären und er würde hier vermutlich auch keine Antworten finden.

 

Was, wenn sie doch seelenverwandt waren, ohne an eine Vorsehung gebunden zu sein? Könnte das möglich sein? Lag es im Bereich des Möglichen, dass es diese Prophezeiung zwar nicht gab, sie trotzdem miteinander verbunden waren? Oh, er konnte sich keinen Reim darauf machen und es trieb ihn an einen tiefen Abgrund, wo er sah, dass Genie und Wahnsinn dicht beieinander lagen. Und neben all den Strapazen erkannte Vegeta noch etwas. Etwas, das ihn für eine Sekunde aufschrecken ließ... Er hatte seinen Vater – den er einst verehrte – für etwas niedergestreckt, das es gar nicht gab. Ja, wenn situativ infantile Krabitzigkeit einerseits und konsequente Folgsamkeit gegenüber den elterlichen Ermahnung andererseits in Kombination auftrat, hatte das fatale Folgen. Sein Vater wäre noch heute der Herrscher Vegeta-Seis, wenn beide die Wahrheit gekannt hätten – und nicht in ihren Wahnvorstellungen gefangen gewesen wären. Aber sein Vater hatte den Ast auf dem er jahrelang saß, eigenhändig abgesägt. Er hinterließ nicht nur seinen Sohn, der sich künftig als König beweisen und sich der Verantwortung stellen musste, die sein Vater ihm stets gepredigt hatte, sondern auch einen riesigen Scherbenhaufen. Und wofür? Für eine Erkenntnis, die schmerzhafter nicht sein konnte.

 

„Vegeta?“

 

„Hm?“ Er war es leid, sich andauernd zu wiederholen, aber er regte sich schon gar nicht mehr über Kakarotts Widerspenstigkeit auf. Diese Kraft, die er hätte in Wut investieren müssen, konnte er besser nutzen.

 

„Liebst du Bulma?“

 

Davon abgesehen, dass seine Gedanken gerade die wildeste Achterbahnfahrt durchlebten, hatte er noch genügend Verstand, um hasserfüllt nach rechts zu sehen. „Was? Bist du bescheuert?“ Was fiel diesem Nichtsnutz überhaupt ein, ihn so etwas zu fragen? „Ist dir langweilig, oder was bringt dich dazu, mir eine so sinnwidrige Frage zu stellen?“

 

„Oh“, entkam es Kakarotts mit erhobenen Händen und einem nonchalanten Lächeln auf den Zügen. „Langweilig ist mir bestimmt nicht, aber ich wollte dir eigentlich gerade gestehen, dass ich dich angelogen habe.“

 

„Inwiefern?“ Vegetas Augen wurden immer kleiner und wäre die Luft kalt, hätte man seinen kondensierenden Atem sehen können.

 

Und auch Kakarott bemerkte die rapide Senkung seiner Stimme, woraufhin er sich amüsiert am Hinterkopf kratzte. „Äh... Na ja, als ich dir gesagt habe, dass Bulma glücklich auf der Erde ist.“

 

„Du willst mich verarschen?“

 

„Grundgütiger, Vegeta, wo denkst du hin?“ Aufgrund der Lautstärke von Vegeta, schmunzelte Son Goku: „Ich dachte, wir dürfen nicht auffallen?“
 

Ah... das war der Grund dieser Offenbarung. Clever. Aber konnte es tatsächlich sein, dass Kakarott die Wahrheit sprach? Oder wollte er schlussendlich nur etwas aus Vegetas Mund locken, womit er dem blauhaarigen Weibsbild die perfekte Plattform bot, welche ihn letztendlich dumm aussehen ließ? Unmöglich – so glaubte Vegeta – konnte Bulma dasselbe Leid wie er fühlen. Seine Sehnsucht, die er nicht zugeben konnte, war unermesslich. Wie sollte sie, nachdem ihm unmissverständlich vor Augen geführt wurde, dass sie Turles mochte, dasselbe fühlen wie er? Als er sie auf dem Fest ungefragt geküsst hatte, merkte er doch selbst, wie abstoßend sie ihn in Wirklichkeit fand, wie abgrundtief ihre Abscheu ihm gegenüber war und das ließ sie ihn nicht nur einmal spüren. Ihre erlebten Ereignisse hatten ihren Hass gesteigert und Vegeta selbst hatte es geschafft, sie weiter von sich zu treiben, aufgrund seiner dummen, idiotischen Art. Sicher würde sie ihm das nicht verziehen. Er selbst würde sich solche Taten, wenn er der Betroffene wäre, noch weniger verzeihen.

 

„Was willst du damit sagen?“ Wollte Vegeta die Wahrheit hören? Nein, aber er war doch erwachsen, oder? Er war alt genug, sich dieser Wahrheit zu stellen und entsprechend mit ihr umzugehen. „Dass... Dass sie lieber auf Vegeta-Sei leben würde?“ Ungeachtet dessen, wie tief würde sie in den Abgrund stürzen, wenn sie erfuhr, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen Eltern waren? Wie würde sie reagieren, wenn sie erfuhr, dass ihr Leben auf einer Lüge basierte? Wie sollte man ihr eine solche Wahrheit schonend näher bringen?

 

„Ich will dir damit sagen, dass du den Wald vor lauter Bäumen nicht siehst, Vegeta.“ Doch statt des Hohns, erschien ein aufmunterndes Lächeln in seinem Gesicht. Son Goku erkannte zudem, wie schön es war, dass er und Bulma sich – trotz der vielen Jahre – noch immer so gut verstanden... als hätte es diese Lücke in ihrem Leben nie gegeben. Ja, ihre Freundschaft war wie ein Baum. Es kam nicht darauf an wie groß der Baum war, sondern wie tief seine Wurzeln waren.

 

„Aha“, gab Vegeta murrend von sich. Kakarott war nicht nur nervig, sondern auch noch besserwisserisch und weise.

 

„Was denn?“, provozierte Son Goku ihn weiter. „Bist du noch zu schwach, dich verbal gegen mich zu wehren?“ Zugegeben, es dauerte immer einen Moment, bis Son Goku etwas verstand, aber umso besser wusste er aber mittlerweile auch, mit welchen Mitteln er Vegeta aus der Reserve locken konnte.

 

„Vorsicht, Kakarott... Vorsicht. Du lebst nur, weil es zur Zeit wichtigeres gibt, als dich zu malträtieren“, informierte der König seinen Wegbegleiter unsanft. Dass dieser mittelklassige Saiyajin auch nicht wusste, wann er das Ende der Fahnenstange erreicht hatte. Das würde ihn irgendwann noch seinen Kopf kosten. „Nichts wäre leichter, als dich niederzustrecken. Merk dir das.“
 

„Was hindert dich denn? Es... liegt doch nicht etwa daran, dass du gelernt hast, dich zu beherrschen?“ Vergnügt neigte er den Kopf zur Seite, grinste überheblich und wartete auf Vegetas Ausbruch, der ausgeblieben war und Son Goku umso mehr verwunderte. Das hatte zur Folge, dass sein zuvor breites Grinsen einem besorgten Ausdruck weichen musste. Son Goku war ein Saiyajin, der das Kämpfen liebte, er war nie wirklich für etwas anderes zu haben. Der Unterschied zu den anderen Saiyajins war dennoch deutlich erkennbar. Son Goku kämpfte für die richtige Sache, es lag ihm fern, aus Spaß zu töten. Ja, er konnte differenzieren, weshalb ihm Vegetas gequälter Ausdruck unmittelbar auffiel, nachdem er ihn ansah.

 

„Du lehnst dich zu weit aus dem Fenster, Freundchen.“ Gemeinsam hockten sie nach wie vor auf dem Boden. Sie warteten auf ihre Rückkehr und Vegeta hoffte, dass der Zeitpunkt bald kam, weswegen er immer wieder hoffnungsvoll zum Himmel hinaufblickte. „Wieso wiegst du dich eigentlich in so großer Sicherheit? Liegt es daran, dass du einfach nur lebensmüde bist?“

 

„Ich verwechsle Mut jedenfalls nicht mit Leichtsinn, Vegeta. Außerdem hättest du mich schon lange attackiert, wenn -“

 

„Unwissender Narr“, unterbrach Vegeta ihn. „Ich würde uns nur verraten und das will ich vermeiden. Das ist der einzige Grund, weshalb ich dich vorerst verschone.“

 

„Ach so“, gab er niedergeschlagen von sich. Das war also der wahre Grund, wieso Vegeta ruhig blieb. Son Goku hatte sich schon Hoffnungen gemacht, Vegeta irgendwann zu seinen Freunden zählen zu können. „Das erklärt natürlich einiges“, erwähnte er beiläufig, während seine Hand durch die schwarzen Haare fuhr. Parallel sah auch er nach oben zur Sonne, die dem höchsten Punkt unaufhaltsam näher kam. Alles verstand er mit Sicherheit nicht, aber er wusste, Vegeta hatte sich insgeheim verändert. Wann sich dieser Prozess einleitete, konnte er zwar nicht abschätzen, aber aufgrund dessen was er wusste, konnte er zumindest behauptet, dass Vegeta auf längere Zeit betrachtet, nicht mehr der Saiyajin war, der er vor der ersten Begegnung mit Bulma war. „Sagst du es mir trotzdem?“

 

„Was soll ich dir sagen, Kakarott?“

 

„Liebst du Bulma?“ Er hoffte inständig, dass Vegeta sich bald eingestand, was er wollte...

 

„Frag mich morgen noch einmal.“

 

 

 

 
 

~*~

 

 

 

 

Bulma wusste nicht, dass ihre Beine sie so schnell tragen konnten. Dass ihr die Zweige ins Gesicht preschten, interessierte sie nicht, während sie verzweifelt nach vorne rannte – ohne einen weiteren Blick über ihre Schulter zu werfen. Schlimmer war, dass sie alleine war, inmitten dieser unheimlichen Umgebung. Der Himmel war blutrot gefärbt worden, die Konturen der Bäume waren aufgrund der rötlichen Umgebung pechschwarz geworden. Von überall hörte sie unzählige Schreie, die sie nicht unterscheiden konnte.

 

Wessen Schreie hörte man in der Ferne? Waren es Frauen, die um ihr Leben bangten? Waren es Kinder, die vor Angst geflohen waren und Zuflucht suchten? Schrien Männer sich bedingt durch den Kampfgeist die Seele aus dem Leib?

 

Es war so schrecklich, weshalb sie schluchzend ihre Flucht unterbrach, nachdem sie das Gefühl verspürte, sich übergeben zu müssen. Krampfend beugte sie sich nach vorne, presste anschließend eine Hand gegen ihren schmerzenden Bauch, während die andere auf der knorrigen Rinde eines zerfallenen Baumes eine Landefläche fand. Obwohl ihr Weg die verschiedensten Bäume aufwies, beschlich sie das ungute Gefühl, im Kreis zu laugen – alles sah plötzlich gleich aus. Des Weiteren konnte sie nicht entscheiden, welche Richtung sie ins Ziel führen würde.

 

Darüber hinaus erschütterte sie noch etwas: Nachdem sie ihre Hände zurückzog und sich aufrecht hinstellte, bemerkte sie das klebende Blut an ihren Händen, das eine erschreckend lange Spur bildete. Im Anschluss wagte sich Bulma, einen kurzen, schnellen Blick nach hinten zu werfen, ehe sie nach Luft schnappte und wieder nach vorne sah. Stehen bleiben durfte sie nicht, nein. Sie musste nach vorne schauen und rennen. Wie... Wie Turles es ihr befohlen hatte...

 

Aber was war bloß davor geschehen? Sie erinnerte sich dunkel daran, wie er sich in einen gigantischen Affen verwandelt hatte. Darauf folgten jedoch Erinnerungslücken, die sie nicht füllen konnte. Die nächste Erinnerung die sie hatte, war, als Turles blutüberströmt in seiner Ursprungsform vor ihr stand, bevor er Bulma anschließend zur Flucht zwang.

 

Klebte Turles' Blut an ihren Händen? Um Himmels Willen, sie betete plötzlich jedes gottesähnliche Wesen an, das ihr bekannt gewesen war. Sie betete, dass es nicht sein Blut war, das an ihren Händen haftete... Doch egal wessen Blut es auch war, es war unnötig vergossen worden. Irgendwo gab es nämlich Saiyajins, die denjenigen – dessen Blut an ihren Händen klebte – vermissen würde, oder? Irgendjemand würde seinen Sohn, seine Tochter, seinen Vater, seine Mutter, seinen Bruder oder seine Schwester vermissen... Die Liste hätte man endlos fortführen können.

 

Turles?“, rief sie ängstlich, den Tränen nahe. Wieso konnte sie sich nicht erinnern, wo er war? Doch statt seine Stimme zu hören, wurden die leidvollen Schreie immer lauter, sie kamen näher und rückten Bulma auf die Pelle. Ein nebeliger Tunnel, so hatte sie den Eindruck, bildete sich und nur verschwommen nahm sie ihre Außenwelt wahr, die immer brutaler und aggressiver angegriffen wurde, während sie selbst nichts unternehmen konnte. Angesichts dieser Machtlosigkeit, sankt die junge Saiyajins auf ihre Knie. Ihre Hände stützten sich am Boden ab, doch auch das half ihr nicht. Vergeblich hatte sie versucht, ihren Kopf zu heben, dem Unheil, das sie nicht verhindern konnte, in die Augen zu sehen – aber sie war zu schwach. Zu schwach, sich sowohl der Gefahr, als auch der Realität zu stellen. Sie war zu ängstlich, um zurückzulaufen und Hilfe zu leisten. Stattdessen sank ihr Kopf auf die bebende Erde, sie ergab sich und weinte bitterliche Tränen.

 

Unbemerkt und ungesehen tropften die Tränen ihr Kinn hinab – hinab auf die warme Erde, die unter ihren Händen immer stärker erzitterte. Das Beben unten ihr verlieh ihr den nötigen Antrieb, endlich ihren Kopf zu heben und nach oben zu schauen. Verunsichert schirmte sie die Helligkeit von ihren Augen ab, nachdem ihre Hand zu ihrer Stirn gewandert war. Ferner versuchten ihre Augen ein klares Bild zu erschaffen, doch eine dunkle Silhouette hatte sich inmitten der Helligkeit manifestiert.

 

Turles?“, wimmerte sie – fast schon optimistisch. „Turles, bist du es?“

 

Ihr antwortete niemand. Stattdessen traten die Füße des Unbekannten unheimlich langsam nach vorne, woraufhin sich Bulma so sehr erschreckte, dass sie nach unten auf ihren Hintern fiel. Die Kraft, nach oben zu springen und weiterzulaufen, blieb ihr ebenso verwehrt, wie aufzuschreien. Mühselig robbte sie sich nach hinten, ihre Beine drückten sich auf der weichen, sandigen Erde ab, um eine Distanz zu dem Fremden aufzubauen, doch je schneller sie versuchte diesem Schatten zu entkommen, desto schneller wurde die Gestalt.

 

Wer... Wer bist du?“ Ihre blauen Augen erspähten, wie die dunkle Nuance immer näher kam. Sie musste mit ansehen, wie der Schatten seine unheilvoll breiten Arme nach ihr ausstreckte und versuchte, nach ihr zu greifen...

 

Das Wesen kam immer näher...

 

„Nein!“, keuchte sie ängstlich, aber sie konnte bereits die Berührung wahrnehmen. Sanfter Druck konnte sie auf ihren Schultern spüren – sie waren nicht grob oder bedrohlich...

 

„Bulma!“, flüsterte nachstehend eine ihr bekannte Stimme. „Bulma, wach auf.“

 

„Nein, du -“

 

„Bulma! Komm zu dir!“

 

Blitzschnell fuhren ihre Lider nach oben – angekommen in der Realität. Doch noch immer zitterte ihr Körper, nachdem sie schweißgebadet aus dem Schlaf gerüttelt und ihr Oberkörper nach oben geschossen war. Wieder war sie in einem ihrer Albträume gefangen gewesen, aus welchen sie von Turles – der verwundert über ihr gebeugt war – gerettet wurde.

 

„Turles?“

 

„Du hast geschrien“, informierte er das Mädchen, das leichenblass unter ihm lag.

 

„Ich... bin... Ich bin eingeschlafen“, murmelte sie peinlich berührt, während ihre Finger eilig über ihre verschlafenen Augen rieben, um nicht ganz so dumm – wie sie vermutlich gerade aussah – zu wirken. Von der bebenden Erde, den Schreien, sowie den verschlingenden Flammen war nichts mehr zu spüren – es war vorbei. Bulma war nach wie vor mit Turles auf der Erde – zurückgelassen von Vegeta, und... in Sicherheit. Aber wie lange hielt diese Sicherheit an? Inwiefern konnte Bulma sich in Sicherheit wiegen?

 

„Es scheint so“, bemerkte der Saiyajin kühl, der sich im selben Moment ebenso peinlich berührt wie das Mädchen zuvor zurückzog. Noch nie war er ihr so nahe gekommen, wie gerade eben. Sein Gesicht war ihrem so nah, dass... es fast zu einer Katastrophe hätte kommen können. Zudem hatten seine Hände zum ersten Mal ihre nackten Schultern berührt, obwohl er das stets vermeiden und ihr aus dem Weg gehen wollte.

 

Bulma wollte der unangenehmen Situation entfliehen, weshalb sie stoisch zur Seite sah und die Dunkelheit draußen bemerkte. „Wie lange habe ich denn geschlafen? Es ist ja schon dunkel.“ Parallel zog sie ihre Beine an und setzte sich aufrecht hin.

 

„Ich weiß es nicht.“ Turles' Blick ruhte auf der jungen Frau, bevor auch er zum Fenster sah. „Vielleicht sechs Stunden?“ Grundgütiger, hätte er dem vorherigen Zustand erlaubt, sich zu zementieren, hätte er sich auf nichts anderes mehr als auf ihr Gesicht zentralisieren können. Scheiße, er durfte ihr einfach nicht mehr zu nahe kommen – es wäre so fatal. „Ich war draußen, bis ich dich hab schreien hören.“

 

„Du bist extra zurückgekommen?“ Eine Frage, die sie sich eher stellen, statt aussprechen wollte.

 

„Ja?“ Infolgedessen ruderten seine Augen zu dem ausgeschalteten Fernseher, wo er ihren intensiven Blick auf seinem Rücken erkennen konnte. Es war unangenehm, die Blicke auf sich zu spüren – war Turles doch bisher immer ein Mann, der mit den Blicken einer Frau umgehen konnte. Schließlich war ihm körperliche Nähe immer egal gewesen. Es machte ihm nichts aus, mit Frauen zu verkehren oder in einem Zimmer zu verschwinden – es war immer unverbindlich gewesen. Er hatte sich danach zu nichts verpflichtet gefühlt, aber bei ihr war es anders.

 

„Danke. Ich muss wohl geträumt haben.“ Kurz stockte sie, bevor sie weitersprach: „Aber es hat sich so täuschend echt angefühlt.“ Derweil hob sie schleppend ihre Beine, ehedem sie ihre Arme um ihre angewinkelten Knie legte, ihr Kinn darauf bettete und abwog, wie sie die nächsten Worte wählte. „Ich war alleine in einem Wald.“

 

„Du warst alleine?“ Die Träume machten Turles keine Angst, aber er spielte sie auch nicht hinunter. Das, was sie sah, nahm er durchaus ernst, aber inwiefern würde es ihn betreffen? Turles war kein Saiyajin, der vor vollendete Tatsachen gestellt werden wollte, die für ihn möglicherweise negativ ausfallen konnten. Er war gerne vorbereitet.

 

„Ja.“

 

„Ich war... nicht bei dir?“ Die Antwort kannte er, ohne dass sie ihm die Bestätigung gab. Schließlich hatte er sie im Schlaf seinen Namen schreien hören – verzweifelt und eingeschüchtert. Ihr Ruf nach ihm klang unheilvoll, dass es ihm durch Mark und Bein gegangen war, nachdem er zurück ins Haus gestürmt war und ihren windenden Körper auf der Couch vorgefunden hatte.

 

„Nein, aber ich habe dich gesucht.“ Kopfschmerzen plagten die blauhaarige Saiyajin, weshalb sie ihren Kopf behutsam gegen ihre Handinnenfläche drückte. „Es fühlt sich alles so surreal an. Als... Als würde ich einen Plan abarbeiten – einen Zeitplan. Es ist oft derselbe Traum, aber er entwickelt sich weiter – wie ein Film. Verstehst du?“

 

Ja, Turles kannte mittlerweile Filme. Er wusste, wie diese aufgebaut waren.

 

„Jene Sequenzen gehören zusammen, sie bauen aufeinander auf und ergeben am Ende ein Ganzes.“ Die Kopfschmerzen wurden schlimmer, je mehr sie sich anstrengte und an den Traum dachte.

 

„Und in welchem Abschnitt befindest du dich schon?“

 

„Das kann ich pauschal nicht sagen“, entgegnete Bulma hilflos. Gerne hätte sie ihm eine andere Antwort gegeben. „Überall sehe ich Flammen, ich höre Schreie, aber...“

 

„Aber was?“ Turles hätte gerne gewusst, wie der Traum ausgehen würde. Er wollte ihr beider Schicksal kennen.

 

„Ich renne davon – wie ein Feigling. Nicht gerade einer Saiyajin würdig, was?“, stellte sie im Anschluss die Frage, auf die sie die Antwort kannte. „Aber es ist ein Traum, richtig? Ich selbst halte das alles für übertrieben und abgedroschen.“

 

Wortlos hörte er ihr zu, während sie ihren Traum verbalisierte. Jedoch war Turles anderer Meinung. Unwürdig war es nicht. Immerhin war Bulma unter anderen Umständen aufgewachsen. Sie wuchs mit anderen Werten und Idealen auf der Erde auf. Sie kannte die Maschinerie – in der Saiyajins aufwuchsen – nicht. „Ja, es... es ist nur ein Traum.“

 

„Kann ich dich was fragen, Turles?“ Zwar wollte sie das Gespräch nicht in diese Richtung lenken, aber sie musste eine klare Antwort hören. Sie wollte es unbedingt wissen, ungeachtet dessen, dass es ihr fast körperliche Schmerzen bereitete, ihn das zu fragen.

 

„Sicher. Was denn?“

 

Unsicherer faltete sie ihre Hände ineinander, den Blick gen Boden gerichtet. „Meine Eltern -“

 

„Was soll mit deinen Eltern sein?“

 

„Sie leben, richtig? Ihnen und meinen Freunden geht es gut, oder?“ Die Frage quälte sie seit Anbeginn ihrer seltsamen Reise. Allerdings fehlte ihr jeglicher Mut, jene Frage zu stellen – aus Angst, die Antwort würde nicht positiv sein.

 

„Ihnen geht es den Umständen entsprechend gut, ja.“ Es war wohl ein natürliches Bedürfnis für sie, endlich Gewissheit zu haben. Bulma wäre womöglich keine gute Kriegerin geworden, aber sie war weitaus mutiger als sie dachte und tapferer als mancher Saiyajin, der sich einen großen Kämpfer nannte. „Nachdem Vegeta zum König gekrönt wurde, veranlasste er die sofortige Freilassung deiner Freundin. Anschließend hat man sie zu deiner Mutter gebracht.“

 

„Das sind gute Nachrichten.“ Die Last die von ihren Schultern fiel war enorm. Die Erleichterung veranlasste sie sogar dazu, aufzuspringen und Turles zu umarmen – zu glücklich war sie, als etwas anderes als Freude zu empfinden. Jegliches Schamgefühl war verschwunden und sie bemerkte indes auch gar nicht, dass Turles es gewesen war, der sich stattdessen versteifte und irritiert nach unten blickte. „Ich... Ich bin wirklich froh, dass es ihnen gut geht.“ Gleichlaufend kehrte auch ihre Gesichtsfarbe zurück.

 

Inzwischen wägte Turles sogar ab, ob er sich über Vegetas Befehl hinwegsetzen und mit Bulma zurück nach Vegeta-Sei kehren sollte. Er musste – so verlangte sein Ehrgefühl – seinem König beistehen, sobald es zu der Katastrophe kam, die Bulma sah. Außerdem ging er so der weiteren Gefahr aus dem Weg, weiterhin in ihrer Nähe zu sein. Aber seine Loyalität... sie verbot es ihm, nachdem er sich den ausdrücklichen Befehl – keinen Fuß mit ihr auf den Planeten zu setzen – in Erinnerung rief. Hinzu kam diese lästige Umarmung von ihr. Sie warf Turles nur noch mehr aus der Bahn. Dieses Mädchen vergiftete Turles und alles, an das er stets geglaubt hatte – das ungebrochener Wille und Treue dem Land das er liebte genügte.

 

Aber dem war nicht so. Es gab mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Es gab verdammt nochmal mehr und niemand hatte ihn vorgewarnt.

 

„Ist alles in Ordnung?“ Beklommen trat Bulma einen Schritt zurück, die löste die Umarmung, doch griff sie vorsichtig nach seinem Arm, der schlaff zur Seite ging und er im selben Augenblick zusammenzuckte – was auch Bulma verunsichert aufschrecken ließ. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

 

Nein, gar nichts war in Ordnung. Ihre Berührungen brachten Gefühle zu Tage, die er nicht im Entferntesten verspüren wollte. Um wieder Herr seiner Sinne zu werden, zog er seinen Arm zurück, den er übergangslos hinter seinem Rücken versteckte. Seine Gedankenwelt – zerrüttet und unkontrollierbar – würde ihn noch um den Verstand bringen und es war nicht einmal Bulmas Schuld, dass er so empfindlich auf sie reagierte. Sie konnte nichts dafür. Es lag alleine an ihm und daran, was er in ihr und ihrer Art sah. Eine Art, die so einnehmend war. Bulma verstand es trotz allem, Turles mit ihrem Sanftmut bekehren zu können, was ihn abermals erschütterte. Rückblickend betrachtet drohte sie mit ihrem Charakter sogar, ihn in ein weiteres Chaos zu stürzen.

 

Verflucht, wo war der gefürchtete, blutrünstige Turles? Wohin hatte er sich verkrochen? War der furchteinflößende Turles etwa genauso machtlos gegen die Liebenswürdigkeit? War Liebe Stärke als Hass? Oder war er einfach nur schwach, so dass die überschwängliche Bulma es fertig brachte, den edelmütigen, herzlichen Turles – der gar nicht existieren durfte – aus seinem Gefängnis zu befreien, weil dieser die Liebe kennenlernen wollte? Und wieso entfachten ihre Berührungen eine neue Welle. Sie erschufen eine neue Ebene, die er nicht mehr aufhalten konnte.

 

Überwältigt davon, fokussierte er ihr Gesicht – das Gesicht, das ihn verfolgte, seit er sie zum ersten Mal auf der Erde gesehen und erkannt hatte, wie unscheinbar und gleichzeitig attraktiv sie war.

 

Vegeta würde ihn wegen dieser Gedanken lynchen. Er würde ihn vierteilen lassen, wenn er wüsste, wie tief die Erinnerungen saßen, die er mit Bulma erleben durfte. Diese Gedanken hatte er in seinem Gedächtnis abgespeichert und er könnte sie jederzeit wieder aufrufen.

 

„Turles?“

 

„Ich muss gehen.“ Das war alles, was er nach der unendlich langen Stille zustande brachte, nachdem sie ihn erneut ansprach. Aber er konnte nicht länger hier bleiben und vor ihr stehen. Er musste das Mädchen zurücklassen.

 

„Was? Aber... wohin musst du gehen?“ Übereifrig war Bulma ihm nachgegangen, als er sich von ihr abwandte und die Tür ansteuerte, die ihn scheinbar in die ersehnte Freiheit führte. Aber auch Bulma war inzwischen recht gut darin geworden, mit Turles Schritt zu halten. „Turles, jetzt warte doch. Was ist denn los?“

 

„Bulma!“, knurrte er angriffslustig, allerdings auch erfreut darüber, den gewohnt rauen Unterton in seiner Stimme wiederzuerkennen. „Hör auf!“

 

„Aber -“

 

„Hör endlich auf!“, entfuhr es ihm barsch und er drehte sich abermals in Richtung Tür.

 

„Womit soll ich aufhören?“ Sie konnte sich auf seine Reaktion keinen Reim bilden, doch gelang es ihr, ihn am Arm zurückzuhalten. „Erklär es -“

 

„Wenn ich jetzt nicht gehe“, schnaufte er, den Blick müde über seine Schulter gerichtet, „werden wir am Ende etwas tun, was wir möglicherweise bereuen.“

 

Konsterniert löste sich daraufhin ihre Hand um sein Gelenk. „Aber -“

 

„Es gibt kein aber.“ Erneut ließ er sich von ihr zurückhalten und nochmals drehte er sich mit herunterhängenden Armen vollends zu ihr um – ein böser Fehler. Und ja, schon wieder musterte er ihr fassungsloses Gesicht. Darauffolgend hob er einen seiner Finger, während er langsam zu ihr aufschloss. „Wir dürfen das nicht tun. So... So gerne ich es wollen würde, aber -“

 

„Was würdest du wollen?“

 

Oh, sie verstand es äußerst gut, ihn zu überlisten, aber er würde nicht darauf reinfallen. „Es kommt nicht darauf an, ob ich irgendwas will, Bulma, sondern darauf, dass ich es verhindern muss, indem ich gehe – und zwar jetzt.“ Innerlich ohrfeige er sich gerade mehrere Male, weil er sie unterbrach und nicht in Erfahrungen bringen konnte, welche Aspekte in ihren Augen dafür sprachen, einen Schritt weiterzugehen.

 

Wäre sie letztendlich ebenso davon angetan gewesen, wie er selbst? Würde... Würde sie auch den nächsten Schritt wollen? Nein, sie würde ihn nicht berühren wollen. Jedenfalls nicht an den Stellen, wonach er sich im Geheimen sehnte.

 

„Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen?“ Bulma fühlte sich, als hätte man ihr ein Brett vor den Kopf geschlagen. Wie viel konnte eine Saiyajin eigentlich ertragen, ehe der Boden unter ihren Füßen versank? Turles' Begründung, wieso er sie stehen ließ und das Weite suchen wollte, hinterließ ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend, was sie beinahe in die Knie zwang. Diese Bürde die sie belastete, bezüglich dessen, was sie mit Vegeta getan hatte und Turles nichts davon wusste, war ernüchternd. Aber sie konnte ihm nicht sagen, dass sie mit Vegeta geschlafen hatte – nicht, nachdem er ihr gerade offenbarte, dass er mehr wollte. Oder? Er gestand ihr gerade eine Art von Gefühlen, die Bulma gar nicht verdiente und plötzlich schämte sie sich fürchterlich. Hatte sie überhaupt ein Anrecht darauf, zu wissen, dass er sie mochte? Verdiente Bulma die Ehrlichkeit, während sie ihm die Wahrheit verschwieg?

 

„Du siehst doch, dass ich das kann?“

 

„Bitte geh nicht, Turles. Wenn man vor etwas wegläuft, macht man es nur schlimmer.“

 

Er würde es schlimmer machen, wenn er blieb. Das war so sicher wie der Zustand, dass die Sonne am nächsten Tag aufging. Währenddessen rang er mit sich und seiner inneren Stimme, die ihn antrieb, nach draußen zu gehen. Stattdessen stand er lediglich vor der verschlossenen Haustür, die plötzlich in die Ferne rückte. Mit einem riesigen Kraftaufwand stemmte er seine Pranken gegen das Holz, den Kopf nach unten gesenkt, während er alle Szenarien durchging, die es geben könnte. Er dachte über jede Option nach und war sich nicht jeder selbst der Nächste? Hätte ihm Vegetas Instruktion eigentlich nicht egal sein können? Immerhin würde er fortan mit Bulma hier leben müssen – ein Mädchen, das ihn nicht nur körperlich, sondern auch sinnlich anzog? Und hatte nicht auch Turles verdammt nochmal das Recht, etwas wie Glück zu verspüren in seinem sonst eher trostlosen Leben?

 

„Bitte Turles.“ Bulma wagte sich nicht, ihn noch einmal zu berühren, aber ihn so erschöpft zu sehen, das achte auch sie irgendwie kaputt.

 

„Geh, Bulma“, ächzte er. „Zum letzten Mal, geh endlich.“ Seine Atmung war flach, und seine Panzerung fühlte sich so schwer auf seinem Körper an – wie ein Stein, den man an Turles' Füße kettete, bevor man seinen Kadaver in den tiefsten Graben der Erde hinabstürzte.

 

Und sie? Gott, sie war so verdammt stur. Wieso ging sie nicht einfach? Sah sie nicht, dass er mit seinen inneren Zwängen kämpfte? Konnte sie nicht einfach in dem Moment die Stärkere sein und gehen? Nein, sie tat gar nichts. Sie half ihm nicht einmal dabei, standhaft zu bleiben. Wozu auch? Sie trieb ihn lieber zur Weißglut. Sie, dieses sture Weib, von dem er wusste, dass sie sein Untergang war. Dieses Biest legte es darauf an, dass er sich nicht mehr bremsen könnte.

 

„Um Himmels Willen, Bulma, wieso gehst du nicht?“, murmelte er angestrengt. Anschließend befeuchtete seine Zunge seine staubtrockenen Lippen, während er vergeblich in seiner Position verharrte. Anlässlich ihrer eisernen Verschwiegenheit, entfernte er seine Hände, drehte sich im Anschluss zu seiner vollen Größe zu ihr herum und starrte abwartend zu ihr hinab. Wie ihm aufgefallen war, hatte sie sich – statt sich zu entfernen – ihm anstandslos genähert, was wiederum so gefährlich war.

 

„Soll ich wirklich gehen?“ Er war so ehrlich zu ihr, woraufhin das schlechte Gewissen fast schon Überhand nahm. Bulma musste ihm die Wahrheit sagen. Andernfalls hätte sie nicht mehr gewissenhaft in den Spiegel sehen und ihr Spiegelbild ertragen können. Würde er es nicht von ihr erfahren, würde sich die gespaltene Kluft zusehends vergrößern, die letzten Endes dafür verantwortlich wäre, dass Turles sich noch mehr von ihr distanzierte. Diese Lüge würde es ihr am Ende nicht mehr ermöglichen, ihn zumindest als Freund zu gewinnen.

 

Aber könnten sie tatsächlich Freunde bleiben? Vermutlich nicht, denn Turles wäre kein Freund, sondern der Leidtragende...

 

„Turles, wenn du willst, dass ich gehe, dann -“

 

„Scheiße, vergiss es einfach“, raunte er zügellos, ehe er ihre erhobenen Hände nach unten stieß, um sie mit seinen zu verschließend und ihren Körper anschließend gegen die harte Wand zu stemmen. Dass er sich just in dem Moment, als er die Kontrolle verlor, sein eigenes Grab schaufelte, angesichts dieses Verstoßes, war ihm gelinde gesagt egal, da sein Drang – sie zu berühren und zu küssen – von größerer Bedeutung war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo :)

Ich heiße euch zu einer neuen Story willkommen. Und ich muss zu Anfang gleich erwähnen, dass es beabsichtigt ist, Bulmas Eltern schwarzhaarig zu machen. Das hat einen Grund... Mir ist während der Korrektur aufgefallen, dass im Prolog alles sehr schell geht, aber auch das ist beabsichtigt. Wir wollen uns ja nicht ewig im Prolog aufhalten, wa? :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das sind ja keine so schönen Aussichten, was? :> Auf Vegeta-Sei scheint es nicht sonderlich rosig zuzugehen, oder? Mal sehen, was Bulma, Son Goku und Kuririn noch so erleben werden. Ich wünsche euch bis dahin einen guten Start in die neue Woche :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Öh... Vegeta, du Schüft? Wat macht der Kerl da bitte? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Bin keine Modeexpertin, aber soweit ich mich erinnere, heißen diese kleinen Handtaschen (die wie Geldbeutel aussehen :D) Clutch, wa? Wenn nicht, dürft ihr mich gerne aufklären ;D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Uiuiui... Wasn da los? Plötzlich taucht ein merkwürdiges Amulett auf? Dann noch Akiras Warnung? Und... was hat bitte Akiras Bruder damit zu tun? Ich freue mich auf die wildesten Spekulation - bewerft mich mit euren Vermutungen :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ahaaaaa... Deswegen kam Bulmas Vater nach oben. Weil Chichi und Yamchu auf Vegeta-Sei gelandet waren :>
Und am Ende... was könnte Radditz nur meinen? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Dem einen oder anderen wird es sicher aufgefallen sein ;) Ich bin, was Namen angeht, ziemlich unkreativ... Habe daher die Macht (lach) des Anagramm genutzt und aus dem Yunsabit-Plateau auf der Erde einfach das Tibasuny-Plateau auf Vegeta-Sei erschaffen :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Öhm... O.O Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh... harter Tobak das ganze :> Und Freunde, es tat mir so weh, Bulma und Son Goku zu trennen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Findet ihr Turles immer noch unsympathisch? Oder zweifelt ihr immer noch an ihm?
Bin sehr gespannt, ob er euch überzeugen konnte x)
Lasst es mich doch bitte wissen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Naaa? Ich bin unendlich gespannt auf eure "Gesichter"
Wart ihr überrascht? Überrumpelt? Erzählt es mir :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hoppla, was ist da am Ende bloß passiert? :O Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (56)
[1] [2] [3] [4] [5] [6]
/ 6

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ayumi_haneoka
2023-11-23T22:32:32+00:00 23.11.2023 23:32
Hab mir ja ehrlich gesagt gewünscht, dass Bulma und Vegeta mit dem Radar einfach vom Planeten fliehen 😩
Von:  ayumi_haneoka
2023-11-23T18:37:47+00:00 23.11.2023 19:37
Der beste Teil war einfach, als sich Vegeta auf den Thron setzt alter 😂😂
Von:  ayumi_haneoka
2023-11-22T19:17:31+00:00 22.11.2023 20:17
Ich liebe deine Darstellung von Vegeta! - und von König Vegeta 😂❣️ Bulma wäre cooler, wenn man ihre Angst nicht so bemerken würde 😩 aber verständlich ist es schon.
Von:  ayumi_haneoka
2023-11-22T16:53:38+00:00 22.11.2023 17:53
Ich starte mal mit deiner Geschichte ❣️ Bin auf jeden Fall gespannt auf die nächsten Kapitel 😸
Von:  ReikaMinamori
2021-04-23T18:27:05+00:00 23.04.2021 20:27
Hey Dracos-Princess😗

Ich habe leider erst dieses Jahr deine FF entdeckt😅

Und ich möchte diesen Kommentar nutzen um einiges los zu werden🙂

Fangen wir mit den - nicht ganz so schönen- Negativkretiken an:
- ich finde, dass du manche Szenarien in deinen Abschnitten doppelt beschreibst, nur mit anderen Worten. Dadurch wirkt eine Szene manchmal so unendlich lang
- witziger Weise scheinst du dafür aber an anderen Stellen wieder an Infos bzw an Beschreibungen zu sparen. Manchmal fehlt mir etwas mehr Info zu getragener Kleidung oder mehr Infos Gedankengänge anderer Charakteren außerhalb von Bulma, Vegeta und Tules.
Aber all das sind nur kleine Punkte - auch wenn sie recht hart klingen😅 sorry 😖😖😖

Jetzt komme ich aber zu den schöneren Dingen:
- ich liebe deine Idee, dass Bulma nicht nur Gefühle für Vegeta entwickelt hat, sondern auch zu einer Dritten Person 🥰🥰🥰 somit hat deine FF eine sehr spannende Entwirklung
- besonders deine Ausarbeitung bezüglich der Zwiespältigkeit aller wichtigen Charakteren finde ich super 👍 am meisten tut mir ja Turles mit seiner zwiespältigkeit leid😅
- bulma mit hellseherischen Fähigkeiten auszustatten ist auch mal was interessantes und ich bin super gespannt wie es mit ihrer vorhersehung weitergeht und wer der Angreifer ist 🤔 ich habe zwar eine Vermutung, aber ... 🤫
- die gesamte Entwicklung deiner FF ist wirklich super, auch wenn sie manchmal ins stolpern kommt 😍 ich zu mindestens konnte nicht so schnell aufhören weiterzulesen und jedes weitere Kapitel hat mich gepackt gehabt♥️♥️♥️

Besonders dieses Kapitel war der Hammer 🤩🤩🤩
So viele neue Infos, die aber auch gleichzeitig neue Fragen aufbringen 😍🤩🤩🤩 ich liebe so etwas ♥️♥️♥️
Deine Cliffhanger sind wirklich schrecklich schön gemacht 🤣🤣🤣 man kann deine FF nicht so schnell vergessen, wenn man den Anschluss des Cliffhangers nicht kennt 🤣🤣🤣

Deswegen ..... BITTE BITTE BITTE SCHREIB WEITER 🙏🙏🙏🙏🙏🙏🙏🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️🙇‍♀️
Ich hoffe wirklich, dass du deine FF nicht aufgegeben hast🥺🥺🥺 das wäre nämlich wirklich sehr schade 😔

Im Großen und Ganzen kann ich zum Abschluss nur sagen:
EINE SUPER SPANNENDE FF ❤❤❤❤ I LOVE IT ❤❤❤
Antwort von:  Dracos-Princess
25.04.2021 21:20
Hallo :)

Erst einmal Wow. Es ist schön, dass du hierher gefunden und mir geschrieben hast. Tatsächlich ist die FF schon lange fertig, aber ich wollte sie unbedingt überarbeiten (bzgl Rechtschreibung, Grammatik). Leider komme ich nicht dazu, aufgrund meines Berufs (ich fahre leider Wechselschicht).
Ich versuche zwar immer wieder, im Urlaub voran zu kommen, aber es ist mühselig - entschuldige. Allerdings verspüre ich nach so tollen Kommentaren immer wieder den Drang, weiterzumachen.

Natürlich ist es vollkommen ok, Dinge zu kritisieren, die nicht in Ordnung sind. Ich sage es schon seit Jahren: Ihr Leser dürft und sollt kritisieren!! Nur anhand eurer objektiven und neutralen Sicht, schafft es ein Autor, sich zu verbessern. Daher bin ich über jegliche sachliche Kritik dankbar - so auch hier :)

Also, zögere nicht zu kritisieren. Kritik ist nichts schlimmes!!!

Hab einen schönen Abend.
Ich schicke dir liebe Grüße :)
Von:  Seredhiel
2019-09-06T00:01:48+00:00 06.09.2019 02:01
Was für ein vollgepacktes Kapitel ^-^

ich finde die Diskussion von Vegeta und Goku einfach nur zu genial *kichert*
Bin sehr gespannt, was sich wirklich dahinter verbirgt.
Diese Prophezeiung ist sehr interessant, auch wenn ich etwas zweifle, ob es wirklich nur eine Lüge ist, wie Vegeta es denkt XD

Ach du... heiliger Bimbam... was tust du da nur Bulma?
Ich hoffe wirklich sie besinnt sich, denn Turles Leben ist mir doch noch etwas wert ^^"

freue mich schon auf das nächste Kapitel *Kekse und Tee da lass*
Von:  sama-chan
2019-08-18T05:20:35+00:00 18.08.2019 07:20
Wow... That escalated quickly. 🤣
Da hat Bulma es wohl mal wieder geschafft, den Geduldsfaden eines weiteren Herren zum reißen zu bringen. 🤣
Irgendwie hoffe ich, dass Vegeta schnellstmöglich auftaucht. Eigentlich habe ich ja nichts gegen adult, aber ich hänge auch etwas an Turles Leben. 😅
Von:  Annasche
2019-08-17T12:56:28+00:00 17.08.2019 14:56
Endlich.... Bei beide ist Männern!
Der eine gibt endlich seinen Gefühlen nach und der a der sieht, dass er eine Zukunft mit ihr haben könnte, sich aber wahrscheinlich vieles verbaut hat!

Oh man machst du das alles spannend!!
Von:  Annasche
2019-08-06T20:57:08+00:00 06.08.2019 22:57
Sooo... Jetzt hab ich es bis hier hin geschafft! Hab ja gesagt, dass ich ein wenig in deinen FFs stöbern werde... Und was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht!
Auch, wenn ich 2,3 Kapitel brauchte, um in die Story zu kommen, muss ich sagen, dass du mich dann hattest! Ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen!
Ich liebe die Streitigkeiten zwischen Vegeta und Bulma...Die Spannung, die sich sehr langsam aber sicher aufbaut! Mega gut!
Allerdings stellst du mich vor einem Dilemma! Ich bin auch ein absoluter Fan von Turles!! Omg... Ich kann mich einfach nicht entscheiden, wen ich lieber an Bulmas Seite sehe!
Ich meine klar... Vegeta der stolze und überheblich Prinz, der sich und ihr einfach nicht eingestehen will, dass er Bulma verfallen ist und einfach mit allen erdenklich gemeinen Mitteln die von sich stoßen will aber auch gleichzeitig mit dem Lasso nach ihr wirft. Endlich handelt er und will ihre Zukunft ändern, damit sie bei ihm sein kann...
Und dann noch Turles, der recht schnell merkt, dass er mehr für die empfindet. Allerdings steht ihm seine dämliche Loyalität zur Königsfamilie weg und lässt sich und Bulma leiden! Auch wenn mich das ärgert, macht ihn das so sympathisch! Ich würde es ihnen do gönnen glücklich zu sein!

Oh man... Wie gesagt mega Dilemma!
Aber mega gute Story mit schönen und unerwarteten Wendungen! Bin richtig gespannt wie es weiter geht!!!

Von:  Seredhiel
2019-08-06T17:36:06+00:00 06.08.2019 19:36
ui ein neues Kapitel und noch dazu ein so spannendes *freu*

einfach schön wie du das hier alles zusammen fügst
ich musste so lachen bei der Diskussion beim Drachen XD einfach herrlich

Bulma und Tales reden also miteinander... bin gespannt was da noch kommend wird
oh Goku… manchmal biste echt verpeilt XD

Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht *Kekse und Kakao da lass*


Zurück