Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 78: Turn 73 - Unforgiven -------------------------------- Turn 73 – Unforgiven     Es schüttete in Strömen. Schon seit es draußen hell geworden war. Anya wusste das, sie hatte die Nacht kein Auge zu getan. Jetzt saß sie hier, in der Niederlassung einer einschlägig bekannten Fast Food-Kette mit Matt und aß Frühstück. Schließlich brauchte sie sich im Restaurant ihres Hotels nicht mehr sehen lassen und daran trug -ausschließlich- Zanthe die Schuld, der seit gestern spurlos verschwunden war. „Tch!“ Der Dämonenjäger im schwarzen Ledermantel biss genüsslich in seinen Double Cheeseburger. „Wie kannst du nur so gelassen sein?“, fuhr Anya ihn genervt an und warf sich ein Chicken Nugget ein. Er war in der Tat so ruhig geblieben während des ganzen Stresses mit den Reportern, den Fragen und Gerüchten rund um Valeries Disqualifikation, dass es glatt beängstigend war. Nicht einmal hatte er nachgehakt, ob Anya mehr wusste. „Ich bin eben froh, dass ich nicht an diesem Turnier teilnehmen muss. Dass die Dinge etwas aus dem Ufer gelaufen sind, tut mir leid, besonders für Valerie“, erklärte er, „aber ändern kann ich nichts daran. Außerdem habe ich im Moment ganz andere Dinge im Kopf.“ „Die wären?“ Matt seufzte schwer. „Ich kann Alastair einfach nicht erreichen. Bisher dachte ich, sie hätten einfach nicht das Geld, um die Telefonrechnungen zu bezahlen. Aber es ist jetzt schon fast einen Monat her.“ Noch ein Chicken Nugget flog im hohen Bogen in die Luft, direkt in Anyas Gierschlund. Zwei junge Frauen, die mit Regenschirm an der Fensterscheibe des Restaurants vorbeiliefen, guckten erstaunt. Nur um kurz darauf ihre Smartphones zu zücken und ein Foto von Anya zu machen, die das Ganze bemerkte und ihnen mit dem Mittelfinger eindeutig vermittelte, was sie davon hielt. „Bah!“, schnarrte sie, als die Weiber kichernd abzogen. „Wenn das jetzt zum Dauerzustand wird, muss ich mir etwas überlegen, um nicht erkannt zu werden.“ Dich wird man immer erkennen, Anya Bauer. Allein schon wegen deines großen Mundwerks.   Anya schlug wütend auf den Tisch. „Schnauze, Levrier! Das ist einfach nur nervig!“ Ihr Gegenüber zuckte, den Burger aufessend, mit den Schultern. „Was ist schon ein Monat?“, fragte die Blonde und lehnte sich schließlich zurück an die roten Polster ihrer Sitzecke. „Wenn sie wirklich keine Kohle haben, dann dauert das eine Weile. Ich meine, was soll er sonst tun, dir 'nen Brief schreiben? Der weiß doch gar nicht, dass wir hier sind.“ „Ich weiß. Trotzdem … ich mache mir Sorgen.“ „Mach dir die lieber um Redfield.“ Schon als sie den Namen aussprach, spürte Anya wieder diesen Stich. Die Erinnerungen an den gestrigen Nachmittag kamen wieder hoch, als klar wurde, dass es mehr als ein Mädchen gab, das davon träumte, Duel Queen zu werden. „Wie gesagt, ich kann nichts tun, um ihr zu helfen.“ „Du kannst gut mit Leuten reden.“ Zumindest ging Anya davon aus. Aber so naiv wie Matt war, konnte er sicher auch andere mit seiner positiven Weltanschauung anstecken. Etwas, das sie nicht konnte – nicht, dass das wirklich eine Fähigkeit war, um die sie ihn beneidete, aber genau das war jetzt eben gefragt. „Sprich mal mit ihr, wenn du Zeit hast.“ „Zeit habe ich viel“, merkte Matt missmutig an, „was die Suche nach den Hütern angeht, stecke ich in einer Sackgasse. Seit Tagen sitze ich 'rum, wenn ich nicht gerade die Spiele anschaue. Meine Kontakte sind ausgeschöpft.“ „Passt doch perfekt. Du munterst Redfield für mich auf. Und ich“, erklärte Anya und ihr Blick verfinsterte sich derart, dass Matt, der gerade einen Schluck Cola aus seinem Pappbecher nehmen wollte, glatt darauf verzichtete, „finde den Kerl, der sie zum Buhmann der Duel Monsters-Community gemacht hat. Irgendwer aus dieser Stadt muss es gewesen sein!“ Matt zog schließlich doch an seinem Strohhalm und stellte das Getränk wieder auf dem Tisch ab. „Da hast du dir ja etwas vorgenommen. Aber meinetwegen, ich rede nachher mal mit ihr. Dann bin ich immerhin nicht ganz nutzlos …“ „Auf dich kann man sich verlassen, Summers!“   Nachdem sie das Frühstück beendet hatten, trennten sich die Wege der beiden vor dem Fast Food-Restaurant. Mit Händen in den Hosentaschen ihrer Jeans schlenderte Anya über den Bürgersteig, einen Regenschirm schützend über sich haltend. Matt hatte versprochen, ihr eine Sonnenbrille und ein Barett zu kaufen, damit sie sich in Zukunft noch unauffällig auffälliger durch die Stadt bewegen konnte. Ob Anya das aber wirklich wollte, wusste sie selbst nicht genau.   Das Mädchen grübelte. Leider war detektivisches Denken nicht gerade ihre Stärke, sodass sie schon am Motiv der 'Tat' zu scheitern drohte. Einerseits war sie sich sicher, dass irgendwer Valerie schaden wollte und da kamen zunächst die restlichen Turnierteilnehmer in den Sinn.   Ich ahne, worüber du dir den Kopf gerade zerbrichst. Was glaubst du, wird passieren, wenn du den Schuldigen findest? „Ich sorg' für Gerechtigkeit“, kam die Antwort ganz klar.   Auch wenn das bedeuten könnte, dass das Halbfinale wiederholt wird? Oder dir gar der Sieg aberkannt wird?   „Dann ist's eben so. Immerhin hätte es sowieso so enden sollen.“   Sagt das Mädchen, das bei jeder Gelegenheit versucht, ihrem Schicksal zu trotzen.   „Genau das tue ich auch diesmal“, gab Anya grimmig zu verstehen. „Ich werde einen Weg finden, mich mit Claire auch ohne offizielle Genehmigung zu duellieren. Heh, vielleicht entführe ich sie ja?“ Wie schön, dass du dieser Idee nicht länger abgeneigt bist. Wäre das von Anfang an so gewesen, hätte uns das eine Menge Mühe und vergeudete Zeit erspart. Von der du nicht mehr besonders viel hast, wie ich anmerken möchte.   „Ja ja, schon klar. Jetzt sei still, ich muss mich konzentrieren!“ Also! Die Einzigen aus dem Turnier, die etwas von Valeries Disqualifikation hätten, wären neben ihr Kakyo und Othello. Andererseits waren die beide im anderen Halbfinale, was hatten sie denn davon, wenn Valerie disqualifiziert wurde? Unglücklicherweise kam Anya gar nicht erst auf den Gedanken, dass die beiden mir ihr die theoretisch schwächere Finalgegnerin gegenüberstehen hätten.   Sie sollte auch nie auf jene Fährte kommen, denn plötzlich kam zu ihrer Linken auf der Straße ein schwarzes Motorrad zum Stehen. Erstaunt blickte Anya herüber. Na toll, wahrscheinlich noch so einer, der sie erkannt hatte! „Hau ab, Autogramme gibt’s höchstens auf die Zähne“, fuhr sie den Fahrer an. Verstummte aber glatt, als jener den Helm abnahm und sich als Logan entpuppte. Bei seinem Anblick konnte sie sich jedoch nicht verkneifen zu sagen: „Okay, das haben offenbar schon andere für mich erledigt … was ist passiert!?“ Sein ganzes Gesicht war, wenn man mal von den riesigen Koteletten absah, von Kratzwunden und blauen Flecken übersät. Mal davon abgesehen, war es geschwollen wie Anyas Ego nach ihrem Sieg über Zachariah. „Dein Freund ist passiert“, murrte er, „ich habe dich gesucht. Wir müssen uns unterhalten.“ „Alter, du gehörst ins Krankenhaus. Wenn wir reden, dann da!“ Mäßig geschickt lenkte sie davon ab, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, -welcher- Freund da gemeint war. „Geht schon. Halb so schlimm.“ Logan winkte ab. Und Anya stampfte auf. „Verarschen kann ich mich alleine! Du fährst uns jetzt in die Notaufnahme, damit die dich zusammenflicken, klar?“ Verdammt, was, wenn er irgendwelche inneren Verletzungen davongetragen hatte? So'n Werwolf konnte ganz schön fest … oh scheiße, jetzt hatte sie ja doch drüber nachgedacht! Aber fuck, niemand sonst würde den Zwerg so sehr verdreschen können. Und die Abwesenheit des Flohpelzes warf kein gutes Licht auf die Sache.   Logan rollte mit dem Auge, das er noch einigermaßen gut öffnen konnte. „Meinetwegen. Bei dir muss eben der Kranke den Gesunden ins Krankenhaus fahren, richtig?“ „Laber' nicht.“ Anya schloss ihren Schirm und trat im prasselnden Regen an ihn heran. „Fahr einfach.“ Sie bemerkte gar nicht, wie unweit in einer Seitengasse der Deckel einer Mülltonne hochfuhr und der Kopf eines Mann mit Sonnenbrille, Schnauzbart und vorne kurzem, hinten langem Haar zum Vorschein kam, welcher beobachtete, wie Anya sich einen Helm aufsetzte und sich aufs Motorrad schwang.   ~-~-~   Sie lag auf der Seite, nahezu regungslos. Erst jetzt wurde ihr gewahr, wie taub sich ihr Körper inzwischen anfühlte. Ohne es zugeben zu wollen, hatte sie in der Nacht die Berichterstattung der Medien wie ein Schwamm aufgesaugt. Valerie lag da, in der Kleidung von gestern, auf ihrem weißen Himmelbett und hoffte immer noch, dass alles nur ein Albtraum war, aus dem sie bald erwachte. Auch wenn es eine falsche Hoffnung war. Sie hätte damit leben können, wenn Anya sie besiegt hätte. Aber das …   „Komm, steh auf“, hörte sie Marc sagen. Ihr schwarzhaariger Verlobter kniete sich nieder an ihre Seite. Einfühlsam, aber auch bestimmend, sagte er: „Das Leben muss weitergehen.“ „Ich kann nicht zurück“, flüsterte Valerie, „nicht an die Uni, nicht nachhause, nirgendwo hin. Jeder der mich sieht, wird jetzt das Mädchen erkennen, das im Halbfinale des Legacy Cups versucht hat zu betrügen.“ Sanft strich Marc ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Das stimmt nicht. Warte einfach eine Weile ab, bis sich die Wogen geglättet haben.“ „Nein. Wenn sie schon in Duellen schummelt, dann sicher auch bei ihren Noten. Das werden sie sagen.“ Valerie schloss die Augen. „Als das Turniergremium mich hat gehen lassen und ich das Stadion verließ, standen dort so viele Menschen und Reporter. Und sie alle haben mich angesehen, als hätte ich jemanden umgebracht.“ Marc rümpfte die Nase. „Die übertreiben ja auch maßlos. Für manche scheint Duel Monsters schon eine richtige Religion zu sein.“ Als Valerie die Lider wieder öffnete, war ihr Blick leer. „Ich wurde noch nie so angesehen.“   Liebevoll streichelte Marc die Wange des Mädchens. Sie sagte nichts mehr, aber bestimmt plagten sie noch ganz andere Gedanken. Was ihre Eltern davon hielten. Wie der Mann, der ihr Duel Monsters beigebracht hatte, ihr alter Lehrer, das Ganze aufnahm. Und wer sonst noch enttäuscht von ihr war. Der Schwarzhaarige ließ von Valerie ab und strich sich über das stoppelige Kinn. Könnte er sie doch nur irgendwie aufheitern, ihr Hoffnung schenken. „Die ganze Zeit frage ich mich, wer so feige war und das getan hat. Und warum“, äußerte er seine Gedanken. „Aber ich bin mir sicher, dass der oder die Schuldige gefunden und dein Name reingewaschen wird.“ Seine Verlobte antwortete nicht, sondern lag nur da, geradezu lethargisch. „Weißt du“, überlegte er weiter, „als ich die [Unstable Evolution]-Karte in dein Deck integriert hatte, wollte ich dir zeigen, dass du immer einen Weg finden kannst, die Dinge zu deinen Gunsten zu wenden. Seltsam, dass die Tat eines anderen genau das widerlegt hat.“ Plötzlich erhob sich der Schwarzhaarige. Seine Augen funkelten zornig. „Ich sage das nicht gerne, aber ich habe einen Verdacht, wer dahinter steckt.“ Seine Worte waren stark genug, Valerie aus ihrer Trance zu wecken. Sie richtete sich langsam auf, sah ihn fragend an. Dann drehte sie den Kopf weg. „Es war nicht Anya. Sie hatte sich damit abgefunden, das Duell zu verlieren. Und es ist nicht ihre Art.“ „Ich rede nicht von Anya“, widersprach Marc, „ich denke eher an Nick.“ Sofort wirbelte sie wieder zu ihm herum. „Was?“ Der Schwarzhaarige ging wieder in die Hocke, redete eindringlich auf seine Verlobte ein. „Überleg' doch mal! Er würde alles tun, um Anya gewinnen zu sehen. Und er war vor Kurzem noch in der Stadt. Für jemanden wie ihn wäre es doch ein Leichtes, sich in unser Zimmer zu schleichen.“   Entgegen seiner nicht von der Hand zu weisenden Argumente war Valerie jedoch nicht überzeugt von dieser Vermutung. Sie schüttelte den Kopf. „Nick ist ein seltsamer Mensch, in gewisser Hinsicht noch impulsiver als Anya. Aber wir hatten unsere Differenzen geklärt, mehr oder weniger.“ „Jemandem, der dich mitten am Tag in deinem eigenen Zimmer angegriffen hat, ohne je eine anständige Erklärung dafür abgegeben zu haben, würde ich absolut alles zutrauen“, zischte Marc jedoch böse. „Selbst wenn er es war, würde er sicherstellen, dass es keine Spuren gibt.“ Valerie schwang die Beine über die Bettkante. „Und es ändert sowieso nichts mehr an der Tatsache, dass die Menschen mich für eine Betrügerin halten.“ Sie stand neben ihrem hockenden Verlobten auf, welcher sich daraufhin erhob. Als er seine Hand auf ihre Schulter legen wollte, ging sie jedoch fort. „Bitte entschuldige, aber ich möchte … jetzt woanders sein. Alleine.“ Mit kurzen, trägen Schritten steuerte sie auf die Tür des komplett weißen Hotelzimmers zu und verließ dieses, ohne noch etwas zu sagen. Marc blickte ihr hilflos hinterher. Und trat dann, auf dem Höhepunkt seines Frusts, gegen das Bein des Himmelbetts. „Scheiße!“   ~-~-~   Er war es wirklich gewesen. Und er hatte nicht gelogen, schoss es Anya durch den Kopf. Zanthe hatte an Untergrundduellen teilgenommen, wenn auch nur als Zuschauer. Sein Freund, dessen Name Logan nicht kannte, war in Geldnot, schon klar. Aber das war doch kein Grund … schon gar nicht, wenn der Werwolf doch genau wusste, dass Nick jegliche finanziellen Sorgen verschwinden lassen konnte. Also warum?   Sie saß neben Logan in einem Raum, der eher wie das bunt bemalte Wartezimmer einer Arztpraxis anmutete, als einer Notaufnahme. Durch eine halb-offene, gläserne Front war es vom Eingangsbereich abgetrennt, die eigentliche Notaufnahme befand sich genau gegenüber. Sie warteten nun schon eine ganze Weile. Logans einzige Sorge waren die Kosten, die durch die Untersuchungen entstehen würden, die ihm noch bevorstanden. Er war nicht krankenversichert, aber das hielt Anya nicht davon ab, ihn trotzdem zumindest dazu zu zwingen, sich durchröntgen zu lassen.   „Also hast du ihn provoziert“, kam sie irgendwann zu dem einzig logischen Schluss, nachdem sie das von Logan berichtete Revue passieren ließ. Der rümpfte die Nase. „Hab ihm gesagt, dass er schuld daran ist, dass sein Freund verletzt wurde. Immerhin war es seine Idee. Mehr nicht.“   Ich denke nicht, dass du ihm die Schuld daran geben solltest, Anya Bauer. Zanthe Montinari reagiert für gewöhnlich nicht auf Provokationen. Ich vermute eher, dass sein Blut dafür verantwortlich ist. Werwölfe müssen alle zwei bis drei Wochen jagen, sonst …   Anya stöhnte und stemmte den Ellbogen auf den Oberschenkel, um das Kinn auf dem Handrücken abzustützen. Wenn das so war, wie sollte Zanthe in einer Stadt voller Menschen jagen? Zwar gab es in der näheren Umgebung den ein oder anderen grünen Landstrich, aber Wild? Sie glaubte nicht dran. Es gab nicht einmal einen Tierpark in Ephemeria City und wenn der eines Tages kam, dann höchstens mit sich duellierenden Affen.   „Ich rede mit ihm, wenn ich ihn gefunden habe“, versprach Anya, „und wenn er sich röchelnd bei dir entschuldigen muss!“ „Lass gut sein, bin nicht nachtragend.“ Anya musste grinsen. Denn dafür war sie sehr dankbar.   Gerade als sie aufsah, bemerkte sie einen Rollstuhl an dem Raum vorbeiziehen, der von einem schwarzhaarigen Mann geschoben wurde. Und dort drinnen saß niemand Geringeres als Othello, der kränkliche, junge Mann mit dem schulterlangen, strohblonden Haar. Anya sprang auf, eilte aus dem Raum und rief den beiden ein „Hey!“ zu. Erst drehte der Mann sich um, dann machte er dasselbe mit dem Rollstuhl. Das Gesicht des Mannes wies tiefe Furchen auf, wirkte alt und müde. „Du bist Anya Bauer“, stellte Othello fest und ein schwaches Lächeln huschte ihm über die Lippen, „meine nächste Gegnerin, sofern ich nachher gewinne.“ „Hoffentlich nicht“, brummte Anya scherzhaft, da sie Othello als gefährlicher als Kakyo einstufte. Im selben Moment flüsterte der Mann mit dem Schnauzer etwas in einer seltsamen Sprache – Griechisch? – ins Ohr des Jungen, der daraufhin eine wütende Grimasse verzog. „Dad!“   Er hat ihm dazu geraten, sein Deck vor dem Duell zu überprüfen.   Anya ignorierte die Spitze nur deshalb, weil sie wusste, dass sie dummerweise nicht ganz unbegründet kam – auch wenn nichts an den Vorwürfen ihr gegenüber dran war! „Was machst du hier?“, fragte sie, um abzulenken. „Eine Routineuntersuchung, nichts weiter.“ „Ach so …“ Anya wusste nicht, ob sie nachhaken sollte, was ihm überhaupt fehlte. Sie erinnerte sich, dass Redfield sagte, er wäre erst seit einem Unfall auf vier Rädern unterwegs. Als sie das Gespräch nicht mehr fortführte, sagte Othello freundlich: „War schön, dich außerhalb eines Duellfelds zu treffen, Anya. Wir müssen jetzt los, sonst komme ich zu spät.“ „Yeah. Viel Glück“, wünschte sie ihrem potentiellen letzten Gegner im Turnier. Der Vater sagte nichts, schaute sie nur grimmig an und fuhr seinen Sohn dann Richtung Hauptausgang. Und Anya trottete zurück zu Logan.   Es dauerte noch gut eine halbe Stunde, bis er endlich von einer Schwester für die Untersuchungen abgeholt wurde. Anya, die alleine zwischen hustenden, keuchenden und jammernden Menschen saß, versuchte ihre Gedanken wieder auf den 'Täter' zu fixieren. Nein, Othello war es definitiv nicht gewesen und Kakyo erschien ihr ein aufrichtiger, freundlicher Trottel zu sein. Aber wer kam dann überhaupt infrage? Es muss sich ja irgendwer in Redfields Zimmer geschlichen haben, kurz vor dem Duell. Oder zumindest irgendwann zwischen ihrem Viertelfinal- und dem Halbfinalduell, denn wie sie sie kannte, überprüfte die Schwanenprinzessin ihr Deck regelmäßig. Der Knackpunkt war, dass ein Einbruch Spuren hinterließ. Und es gab ja keine, davon hatte sie sich selbst überzeugen können, als sie zu Redfield geeilt war, um sie zu beruhigen. Der Typ musste also gut darin sein, Schlüsselkarten zu fälschen. Konnte man so etwas überhaupt fälschen? Verdammt, sie hatte hier kein Internet! Genervt stöhnte Anya auf. Vielleicht hatte der Typ ja gewusst, dass sie alle das Viertelfinalspiel von Othello in der Lobby ansehen wollten und war eingebrochen, als keiner da war? Ach so'n Quatsch! Vielleicht sollte man die Sache anders angehen, überlegte sie. Am besten, indem sie jemanden mit einbezog, der nur zu gerne seine Gedanken mit ihr teilte. „Wen würdest du verdächtigen, Levrier?“, fragte sie frei heraus und wurde von den anderen Patienten dafür merkwürdig angesehen, was sie aber nicht mal ansatzweise störte.   Oh, du hast tatsächlich Interesse an meiner Meinung? Dann bist du wohl an deine Grenzen gestoßen.   Er lachte in ihrem Kopf, als er das zerknirschte Gesicht des Mädchens sah. Oder wie auch immer er es überhaupt wahrnahm, denn so genau wusste sie das gar nicht.   Die Frage, die gestellt werden sollte, ist: Wer hat etwas davon, wenn du gewinnst?   „Ich?“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen, doch mit einem Hauch Zweifel unterlegt. Anya kratzte sich am Hinterkopf. „Jemand, für den ich wichtig bin?“ Sie richtete sich kerzengerade auf. „Der Sammler!“   Naheliegend. Erinnerst du dich noch an Valerie Redfields seltsame Aussage?   Es dauerte einen Moment, bis Anya begriff was er meinte. Als sie mit ihren Monstern für den Sieg hatte angreifen wollen, waren diese durch [Moulinglacia The Elemental Lords] negativem Effekt eingefroren. Welcher angeblich vorher nicht auf der Karte gestanden hatte. „Ah, warte mal.“ Das war doch eine der Karten vom Sammler. Wenn Redfield sich das nicht eingebildet hatte, dann wäre dies wohl ein Beweis, der gegen ihn spräche. Aber … Anya griff in die Innentasche ihrer schwarzen Lederjacke und zückte die letzte der vier Karten heraus, die sie einst vom Collector-Dämon als Präsent für ihr erstes Hüter-Artefakt bekommen hatte. Es war ein vogelähnliches Monster namens [Windrose The Elemental Lord]. Und der letzte Satz seines Effekts war identisch mit dem, was Redfield gestern vorgelesen hatte. „Huh, ist sie sich wirklich sicher, dass das da vorher nicht stand?“   Schwer zu sagen. Einerseits ist sie eine gewissenhafte Duellantin, doch auch sie war sehr aufgeregt an diesem Tag. Und mein Gefühl sagt mir, dass der Sammler subtiler vorgehen würde. Wieso sollte er sich darauf verlassen, dass sie eine bestimmte Karte in ihrem Deck zieht? Oder Unruhe durch einen ergänzten Effekt verursachen, wenn diese Karten offiziell nicht einmal existieren? Jemand wie er wäre imstande, das komplette Duell nach seinem Ermessen zu steuern.   Anya nickte und steckte die Karte wieder weg. „Yeah. Irgendwie unheimlich, wenn man so drüber nachdenkt. Aber mal ehrlich, wieso dann überhaupt eine verbotene Karte in ihr Deck stecken? Das ist so plump, das passt wohl kaum zum Sammler. Ich meine, was, wenn sie die gar nicht gezogen hätte?“   Jemand hätte sie nachträglich melden können. Doch ich stimme dir zu, die Idee dahinter ist denkbar schlecht, denn nehmen wir an, Valerie Redfield hätte wirklich betrügen wollen, wäre sie beim Ausspielen der Karte ohnehin aufgeflogen.   „Und trotzdem kaufen die Leute die Story ab, ohne sie zu hinterfragen“, murrte Anya, „wirklich dämlich. Tch!“ Zumindest war sie sich jetzt sicher, dass ein Mensch dahinter stecken musste. Doch die Frage blieb, wer sie denn unbedingt gewinnen sehen wollte? Ihre Freunde, aber keiner von denen tat so etwas, dafür legte sie ihre Hand ins Feuer. Vielleicht musste sie die Frage dann anders stellen? Wenn es niemand war, der ihren Sieg herbeisehnte, dann womöglich jemand, der Redfield verlieren sehen wollte. Nur kannte sie deren Feinde nicht. Es gab ja auch keine, die dumme Kuh war bei jedem beliebt. Allenfalls Claire Rosenburg könnte etwas dagegen haben, aber wieso sollten ausgerechnet der die Knie schlottern? Eher in Anyas eigenem Umfeld machten alle eine Riesenwelle, unbesiegbar dies, unschlagbar das, alles Hirngespinste … Moment! Anya beugte sich keuchend mit geweiteten Augen nach vorne.   „Ich wette, Justin Walker gewinnt“, plauderte Zanthe nebenher, als er, Anya, Matt, Marc und Valerie auf dem Weg zur Hotellobby durch den weißen Gang mit rotem Teppich schritten. Anya neben ihm runzelte die Stirn. „Häh? Wie kommst du darauf?“ „Weil er eindeutig 'fitter' ist, wenn du weißt, was ich meine.“ „So'n Quatsch, der wird doch garantiert weich, weil sein Gegner im Rollstuhl sitzt“, wies Anya ihn kalt ab. „Das sagste nur, weil du ihn süß findest.“ „Und wenn schon“, giftete Zanthe zurück. „Justin hat noch keine nennenswerten Erfolge zu verbuchen“, überlegte Marc laut. Matt zuckte mit den Schultern. „Othello hat mal bei der griechischen Meisterschaft den dritten Platz belegt, ist aber nie in die Profiliga eingetreten, obwohl er gekonnt hätte.“ Valerie seufzte. „Denkt ihr denn, man kann die Qualität von jemandem nur anhand seiner Titel bewerten?“ „Wenn man sich Anya ansieht, würde ich glatt sagen 'nein'“, kicherte Zanthe bitterböse und stieß dem Mädchen seinen Ellbogen in die Rippen, die daraufhin nach ihm schlug – erfolglos natürlich. „Claire Rosenburg würde da gerne ein Wörtchen mitreden“, warf Matt jedoch ein. „Die unbesiegte Duel Queen. Ich frage mich, wie sie das anstellt.“ „Sie ist 'ne beschissene Hüterin. Vielleicht kann sie wie Levrier das Schicksal manipulieren?“, überlegte Anya. Der Dämonenjäger fasste sich während des Gehens ans Kinn. „Dann könnte es problematisch werden, mit ihr fertig zu werden.“ „Meint ihr, sie kann das wirklich?“, fragte Marc nachdenklich. Anya zuckte mit den Schultern, Matt seufzte. „Wer weiß. Möglich ist alles.“ „Siehst du, ich sag's ja“, richtete sich der angehende Profi-Sportler an seine Verlobte mit einem altklugen Tonfall. „Ist keine gute Idee, sich mit der anzulegen.“ „Nicht schon wieder“, beklagte sich Valerie. „Ganz Unrecht hat er nicht.“ Auf Zanthes Einwurf hin zischte Anya böse. „Tja, ihr seid eben Memmen. Ich musste schon mit Schlimmerem fertig werden. Wenn ihr Schiss habt, lasst es gleich bleiben.“ Eine ganze Diskussion entstand daraus, wie gefährlich die amtierende Weltmeisterin wirklich sein könnte. Fast am Ende des Ganges angelangt, blieb Marc plötzlich stehen. „Ich gehe nochmal kurz auf die Toilette. Bin gleich zurück.“   Anya war sich nicht sicher, ob sie ihren Verdacht überhaupt genau begründen konnte, aber eine innere Eingebung sagte ihr, dass jener nicht falsch sein konnte. Man brauchte kein Einbrecher sein, wenn man auch so Zugriff auf Redfields Deck hatte. Und die beiden hatten sich kurz vor der Verabredung zum Duellabend gestritten … Aber warum? Marc war derjenige, der Valerie am nächsten stand, wieso sollte er so etwas tun!? Sie musste mit ihm reden! Mit ihm und Redfield! Die Blonde sprang auf und hastete regelrecht durch den Warteraum. Dass Logan noch untersucht wurde und garantiert nicht erfreut sein würde, sie abwesend vorzufinden, musste sie in Kauf nehmen. Sie wollte Klarheit, jetzt!   ~-~-~   Anya rannte durch die Straßen, der Regen hatte schon seit Stunden aufgehört. Es war erstaunlich, wie gut sie ihr Tempo halten konnte, ohne aus der Puste zu kommen. Das Problem war nur, dass sie nicht wusste, wo sie Redfield und Marc antreffen könnte. Levrier meinte, sie irgendwo am anderen Ende der Stadt gespürt zu haben, zumindest Valerie. Aber da die inzwischen so übernatürlich wie ein Fisch im Wasser war, konnte er das nicht mit Gewissheit sagen. Das reichte Anya jedoch schon, denn wer dauernd seine Mobiltelefone zerstörte, hatte es nicht anders verdient, als durch die Stadt zu rennen, anstatt die Freundin einfach kurz anzurufen. Zumindest war das Levriers Meinung, aber wen interessierte die schon?   Gerade rauschte sie an einem Elektronik-Fachmarkt vorbei, da stieß sie auf eine Art kleinen Marktplatz, dessen fünf Zugangsstraßen allesamt mit Schranken abgesperrt waren. Dort, vor der Statue des Duos [Dark Magician] und [Dark Magician Girl], tummelten sich dutzende Menschen. Stühle waren auch aufgestellt, allesamt gerichtet auf die Wand eines Gebäudes, an dem ein riesiger Monitor befestigt war. Als Anya den Platz betrat, murmelte sie: „Stimmt, das Duell beginnt ja jetzt.“ Sie sah den brünetten Kakyo und Othello im Stadion, wie sie sich gerade die Hand gaben, ehe Letzterer rückwärts ans Ende der leicht erhöhten Duellplattform rollte, während Kakyo langsamen Schrittes zur anderen Seite zog. Wie üblich lullte Mr. C die Leute mit seinem belanglosen Gequatsche ein, ehe die beiden Kontrahenten letztlich riefen: „Duell!“   [Othello: 4000LP / Kakyo: 4000LP]   „Ich beginne, wenn du nichts dagegen hast“, sagte Othello, nachdem beide ihr fünf Karten umfassendes Blatt gezogen hatten. Sein brünetter Gegner nickte. Sofort zog Othello zwei Karten aus seinem Blatt und zeigte sie vor. „Ich aktiviere zwei Pendelkarten. Den Magier, der die Sterne liest: [Stargazer Magician] mit dem Pendelbereich 1! Und den Magier, der die Zeit versteht: [Timegazer Magician] mit dem Pendelbereich 8! Pendulum Scale set!“ Zwei hellblaue Lichtsäulen brachen vor ihm aus dem Boden. In der von ihm aus gesehen linken befand sich ein blonden Magier ganz in Weiß, mit spitzem Hut, welcher einen langen Stab waagerecht vor sich hinhielt. Auf der anderen Seite handelte es sich um einen brünetten Hexer in Schwarz, an dessen rechtem Arm sich ein Klingenblatt befand, das einmal um ihn herum führte und einen beinahe geschlossenen Kreis bildete.   <1> Othellos Pendelbereich <8>   „Othello Nikoloudis beginnt mit seiner typischen Eröffnung! Dann kommt jetzt gleich …!“, rief Mr. C aufgeregt und die Masse tobte. Als die Magier im Licht in die Höhe stiegen, rief Othello: „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum! Pendulum Summon!“ Über ihm öffnete sich ein blaues Portal, von dutzenden Lichtellipsen umgeben. Aus diesem schoss ein roter Lichtstrahl und schlug vor dem Rollstuhlfahrer ein, welcher die Monsterkarte vor sich auf den Spielplan der Duel Disk legte. „Erwache von meiner Hand, Odd-Eyes!“ Vor ihm erhob sich ein roter Drache ohne Flügel, dafür aber mit knochenartigen Auswüchsen auf dem Rücken, in denen auf der linken eine rote und auf der rechten Seite zwei grüne Kugeln eingelassen waren.   „Odd-Eyes“ [ATK/2500 DEF/2000 (7)]   „Damit beende ich den Zug“, erklärte Othello mit zwei verbliebenen Handkarten. Und fing an stark zu husten. Kakyo, der gerade aufzog, rief: „Ist alles okay mit dir?“ „Ja, danke“, fing sich sein Kontrahent wieder. „Keine Sorge, nichts in der Welt wird mich davon abhalten, dieses Duell zu genießen.“ Als er das hörte, strahlte Kakyo zufrieden und nickte. „Was für eine Szene, liebe Zuschauer. Freunde und Rivalen!“   Anya, die immer noch auf dem Marktplatz auf den Bildschirm starrte, gab ein überraschtes Geräusch von sich. Die beiden kannten sich, waren sogar Freunde? Dann befanden sie sich ja in einer ähnlichen Situation wie sie und Redfield …   Seine sechs Karten fest umschlossen haltend, wartete Kakyo noch einen Moment, ehe er drei Zauberkarten hervorzog. „Ich aktiviere den dauerhaften Zauber [Spell Economics]. Jetzt muss ich keine Lebenspunkte mehr zahlen, um Zauberkarten zu aktivieren. Danach folgt [Dark Magic Chamber], auch ein dauerhafter Zauber! Normalerweise müsste ich 2000 Lebenspunkte dafür berappen, aber nun …“ Neben ihm tauchten zwei grün umrandete, aufrecht stehende Karten auf. Die erste zeigte ein Buch, samt Stift und Abakus, allerdings leicht übernatürlich angehaucht mit Augen daran. Dagegen war auf der anderen nur ein dunkler Raum abgebildet, in dem man an einer Wand einen grünen Zauberstab lehnen sah, eine große Kiste, auf der ein paar Messer und ein rot-oranger, spitz zulaufender Stein lagen und anderes Equipment eines ganz bestimmten Monsters. „Die nächste Karte, die ich aktiviere, ist [Dark Magic Curtain]“, erklärte Kakyo und schob den dritten vorgezeigten Zauber in das rote D-Pad. „Für die Aktivierung müsste ich die Hälfte meiner Lebenspunkte zahlen, aber dank [Spell Economics] ist das auch hier nicht der Fall.“ Vor Kakyo tauchte ein dunkler Vorhang auf, an der Oberseite festgehalten von einem Skelett. „Damit kann ich sofort [Dark Magician] aus meinem Deck beschwören, dafür aber keine anderen Monster mehr in diesem Zug.“ Das Skelett riss den Vorhang zur Seite und eröffnete den Blick auf einen Hexer ganz in Rot, der einen spitz zulaufenden Hut besaß und einen grünen Zauberstab schwang, wie der im Artwork der Zauberkarte.   Dark Magician [ATK/2500 DEF/2100 (7)]   „Liebe Zuschauer, wieder überrascht uns Kakyo mit seiner Vielfalt an Magiern. Dieses Exemplar ist der sogenannte Arkan-Magier, wie Fans ihn gerne nennen. Jetzt stehen sich die Assmonster der beiden Kontrahenten gegenüber!“ Die Zuschauer jubelten. Sogar Othello strahlte freudig beim Anblick des grauhaarigen Hexers. „Ich benutze den Effekt von [Dark Magic Chamber]. Einmal pro Zug, solange ich einen [Dark Magician] oder ein [Dark Magician Girl] kontrolliere, bekomme ich von meinem Deck eine Zauberkarte, in der einer ihrer beiden Name genannt wird. Ich entscheide mich für [Thousand Knives]!“ Sofort wurde die Karte aus dem Stapel vom D-Pad hervor geschoben, sodass Kakyo sie nur noch aufnehmen und in den entsprechenden Slot schieben musste, was er auch tat. Um seinen Magier tauchten dutzende Messer auf. „Mit dieser kann ich deinen Odd-Eyes jetzt zerstören! Instant Kill!“ Mit einer Handbewegung Richtung des Drachen sorgte [Dark Magician] dafür, dass die Messer wie ein Wespenschwarm auf seinen Kontrahenten zuschossen. Und immer wieder neue entstanden dort, wo die alten ihre Stellung verlassen hatten. Am Ende war der rote Drache nur noch ein winselnder Messerblock, der lautstark explodierte. In diesem Moment öffnete sich über Othello das blaue Portal und zog von dort, wo Odd-Eyes eben noch gewesen war, eine rote Lichtessenz in sich, ehe es sich wieder schloss. „Wenn ein Pendelmonster zerstört wird, kannst du es einfach wieder aus dem Extradeck beschwören, solange dein Pendelbereich das zulässt. Aber“, überlegte Kakyo laut in einem begeisterten Tonfall, welcher jedoch schlagartig ernst wurde, „wenn es keinen solchen gibt, wird das nichts. Und da deine Magier in den neuen Pendelzonen Zauberkarten sind, kann man sie auch ganz leicht zerstören. Hiermit: [Dark Magic Attack]!“ Sein Hexer ließ den grünen Zauberstab einmal in seiner Handfläche kreisen, ehe er ihn nach vorne richtete und zwei violett-blaue Feuerbälle abschoss. Jene rauschten über das Feld hinweg und trafen die beiden Hexer in den Lichtsäulen, die daraufhin verendeten. Wieder öffnete sich über Othello das blaue Portal, welches beide Magier als rote Essenzen absorbierte. „Was für eine gewitzte Strategie! Nun kann Othello Nikoloudis keine Pendelbeschwörungen mehr durchführen!“ Mr. C klatschte symbolisch in sein Mikrofon. „Wirklich gut gemacht.“ „Yeah, als ob das funktioniert“, murmelte Anya skeptisch. Sie wusste es, dank ihrer Erfahrung mit Melinda, besser. Und drehte sich in diesem Sinne um. Schließlich hatte sie schon viel zu viel Zeit hier vertrödelt!   „Direkter Angriff auf seine Lebenspunkte!“, befahl gleichzeitig Kakyo mit dem Finger auf den schutzlosen Othello gerichtet. „Black Magic!“ Sein Hexer schwang noch einmal den Zauberstab und feuerte einen weiteren Flammenball ab, diesmal auf den Rollstuhlfahrer selbst, welcher in einem Knall samt Rauchwolke unterging.   [Othello: 4000LP → 1500LP / Kakyo: 4000LP]   Mit zwei verbliebenen Handkarten verkündete Kakyo: „Du bist dran.“   ~-~-~   Langsamen Schrittes näherte sich Matt dem kleinen Café an der Ecke 19. Straße. Er wusste, dass er Valerie hier antreffen würde und tatsächlich – sie saß als einer von wenigen Gästen unter einem Sonnenschirm und las ein Buch. Was sicherlich nicht einfach war, hatte sie doch eine Sonnenbrille auf der Nase und ihr Haar unter einem weißen Hut versteckt. Wie ähnlich sie sich waren, dachte Matt grinsend und betrachtete im Laufen die weiße Tüte in seiner Hand, in der das Zeug für Anya steckte – ebenfalls eine Sonnenbrille und ein braunes Barett. Vorsichtig trat der junge Mann an ihren Tisch heran, auf dem ein Teller mit halb gegessenem Erdbeerkuchen und eine Tasse Tee standen.   Tief in ihren Roman versunken, bemerkte Valerie erst die Anwesenheit Matts, als dieser den Stuhl ihr gegenüber griff und zurückzog. Mit überschaubarer Begeisterung blickte die Schwarzhaarige auf und beobachtete ihn, wie er sich setzte. „Was tust du hier?“, fragte sie frei heraus. „Ich wollte mit dir reden“, begann Matt zögerlich. Valerie seufzte. Höflich klappte sie das Buch zu und erwiderte: „Danke, aber mir ist momentan nicht danach.“ „Nicht mal mit Marc?“ Matt spielte auf dessen Abwesenheit an. „Mein Verlobter ist momentan auch nicht sonderlich gut drauf. Und ich bin ehrlich gesagt ganz dankbar dafür, dass er mir meinen Freiraum lässt.“ Der Dämonenjäger nickte. „Ich kann mir vorstellen, wie belastend die Situation für euch beide sein muss.“ Völlig untypisch für sie, lachte Anyas Erzrivalin geradezu schnippisch auf. „Ach, dass man mit dem Finger auf mich zeigt, daran habe ich mich gewöhnt. Und wenn ich Anya das nächste Mal sehe, kann ich ihr das ein oder andere neue Schimpfwort beibringen.“   Matt blickte ihr tief in die braunen Augen hinter den dunkel getönten Gläsern, ohne sie wirklich sehen zu können. Waren sie traurig oder trotzig? Er seufzte. Egal wie sehr Valerie Redfield versuchte davon abzulenken, tief in ihrem Inneren war sie verletzt. Spätestens als sie seinem Blick ertappt auswich wusste er, dass sie sich dessen selbst wieder bewusst geworden war. „Darf ich dich bitten, mich jetzt alleine zu lassen?“ Sie griff nach ihrer Teetasse und nippte vorsichtig daran. Der Dämonenjäger sah zur Seite. Gerade zog ein Oldtimer an ihnen vorbei, laut und irgendwie so fremd in der Stadt der Duellanten, die vor Technik sonst nur so strotzte. Selbst hier, in der Altstadt, gab es große Bildschirme an Häuserfassaden, die die Duelle des Turniers übertrugen. „Nur eine Sekunde, bitte. Weißt du, Anya wäre selbst gekommen, aber sie ist sich nicht sicher, wie sie dir begegnen soll“, erklärte Matt, „und Zanthe kennt dich kaum, aber auch er macht sich Gedanken um dich.“ Okay, der Teil war dazu gedichtet, aber er schätzte den Werwolf durchaus so ein. Sofern der überhaupt etwas von dem Vorfall wusste … Seine Worte rangen Valerie ein Lächeln ab. „Das ist nett von euch. Aber ihr müsst euch um mich keine Sorgen machen.“ „Nun, auch wir beide haben in der Vergangenheit nicht viel miteinander zu tun gehabt, aber“, begann Matt und sah sie ernst an, legte eine Hand auf den Tisch, „ich denke, du solltest das nicht auf sich beruhen lassen.“ „Was geschehen ist, ist geschehen.“ „Unrecht ist geschehen“, blieb Matt beharrlich, „irgendjemand hat sich gegen euch beide verschworen und-“ Er verstummte, als Valerie ihm plötzlich unerwartet finster widersprach. „Nein, Matt. Wenn jemand gegen mich -und- Anya arbeiten würde, hätte diese Person sicher auch einen Weg gefunden, uns beide zu eliminieren. Nein. Diese Aktion galt allein mir.“ Matt überlegte einen Moment. Wie es schien, hatte Valerie sich dazu so einige Gedanken gemacht, aber wie könnte sie auch nicht? Zumindest klang sie sehr überzeugt von ihrer Version.   Deshalb fragte er, sich auf diesen Gedankengang einlassend: „Und wer käme infrage?“ „Eine Person, die“, begann Valerie, doch brach den Satz ab, „vergiss es.“ „Die?“ „Nein, schon gut, ich …“ Nervös griff sie nach ihrem Roman, doch bevor sie ihn in ihre Handtasche neben dem Stuhl stecken konnte, legte Matt seine Hand auf die ihre. Ernst, aber dennoch mit einem einladenden Lächeln auf den Lippen, sah er sie an. Valerie biss sich auf die Lippen, ehe sie schließlich einbrach. „Jemand, der Anya mit allen Mitteln vorne sehen will.“ „Derer gibt es nicht sehr viele.“ „Der Sammler, eventuell Anyas Boss Mr. Palmer …“ Sofort erkannte Matt an ihrem unterschwellig skeptischen Tonfall, dass das nicht die Leute waren, an die sie wirklich dachte. Tatsächlich war er sich ziemlich sicher, dass sie jemand völlig anderes verdächtigte. Dieselbe Person wie er, jene, die sich einem doch förmlich aufdrängte, kannte man sie nur gut genug. „Nick“, sprach er den Namen aus. Die Schwarzhaarige zuckte zusammen. „D-das hast du gesagt.“   „Was für ein Treffer“, hallte in diesem Moment von den Lautsprechern eines Monitors gegenüber des Cafés die Stimme Mr. Cs über die Straße. Zu sehen war Othello, um den sich eine Rauchwolke verzog.   [Othello: 1500LP / Kakyo: 4000LP]   Matt musste schmunzeln. „Ist das Zufall, dass du gerade jetzt hier bist, wo das letzte Halbfinale im vollen Gange ist?“ „Ja“, erwiderte Valerie knapp und fügte hinzu: „Vergiss bitte, was ich gesagt habe. Ich möchte nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen. Es reicht schon, dass alle anderen das tun.“ Ihr Gegenüber nickte mit Verständnis. Eine Weile schwiegen sie und sahen dem Duell zu.   Gerade zog Othello auf. Dann nahm er zwei seiner drei Handkarten und zeigte sie vor. „Da du meine Magier zerstört hast, muss ich zwei neue ins Spiel bringen! Ich aktiviere den Magier, der die Welt überwacht: [Dharma-Eye Magician] mit dem Pendelbereich 2! Und den Magier, der das Wissen bewahrt: [Wisdom-Eye Magician] mit dem Pendelbereich 5! Pendulum Scale set!“ Die Zuschauer jubelten, als links und rechts vom blonden Rollstuhlfahrer zwei neue, hellblaue Lichtsäulen entstanden. Eine hievte einen Magier in dunkelblauer Lederkleidung empor, welcher mit beiden Händen eine massive, goldene Keule schwang, die andere einen Magier in schwarzem Umhang, welcher eine Laterne an einem Stab mit sich trug. Beide stiegen bis fast an die Decke des Stadions in die Höhe.   <2> Othellos Pendelbereich <5>   Kakyo musste auflachen. „Oje, hätte nicht erwartet, dass du einfach neue aktivieren kannst. Aber mit dem kleinen Pendelbereich kannst du nur Stufe 3 und 4-Monster beschwören.“ Auch sein Gegner grinste. „Stimmt. Deswegen sehe ich mich gezwungen, [Wisdom-Eye Magicians] Effekt zu benutzen. Ich kann ihn, wenn in der anderen Pendelzone ein Magier verweilt, zerstören. Danach wird er durch einen anderen Magier von meinem Deck ersetzt!“ Der Hexer hob seinen Stab mit der Laterne weit in die Höhe, von der ein grelles Licht zu strahlen begann. Er löste sich in grellen Funken auf, die von dem Pendelportal absorbiert wurden, welches sich wieder über Othello öffnete. „Ich aktiviere von meinem Deck die Magierin, die die Träume deutet: [Dreamgazer Magician] mit dem Pendelbereich 4!“ In der rechten, nun leeren Lichtsäule, tauchte ein weiblicher Magier auf, gekleidet in einer himmelblauen Robe, an dessen Saum in regelmäßigen Abständen weiße Bänder hingen. Ihr Gesicht war verschleiert, wie das einer Wahrsagerin, was auch die Kristallkugel erklärte, die vor ihr schwebte. Auf jener war ein rotes, um 90° gedrehtes, symbolisches Auge zu sehen.   <2> Othellos Pendelbereich <4>   „Aha“, gab Kakyo trocken von sich, „du tauscht deinen Magier aus, um deinen Pendelbereich zu verkleinern?“ Othello schüttelte den Kopf. „[Dreamgazer Magicians] Pendelbereich ist abhängig von der Stufe des Magiers, der sich in der anderen Pendelzone befindet. Ist dessen Stufe kleiner, wird ihr Pendelbereich zu 1, ist er dagegen größer, wird er zu 8. [Dharma-Eye Magician] ist auf Stufe 7, [Dreamgazer Magician] auf 4. Also …“ Die Hexe strahlte in blauer Energie auf, das Auge auf ihrer Kristallkugel schloss sich, wurde ebenfalls blau und öffnete sich wieder.   <2> Othellos Pendelbereich <4 → 8>   Der brünette, junge Mann schluckte. „Oha …“ Als Othello die Hand in die Höhe reichte, begann das Publikum zu rufen: „Pendulum! Pendulum!“ „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum! Pendulum Summon!“ Über ihm öffnete sich das blaue Portal mit den dutzenden Ellipsen, doch diesmal schossen vier rote Strahlen auf einmal ab. „Aus meinem Extradeck: [Stargazer Magician] und [Timegazer Magcian] im Verteidigungsmodus und [Wisdom-Eye Magician] sowie Odd-Eyes im Angriffsmodus!“ Die Menge tobte, als die Strahlen vor ihm einschlugen. Erst waren da der schwarze Zeitmagier und der weiße Sternenmagier, die in die Knie gingen, dann der Hexer mit dem Laternenstab und zum Schluss, hinter ihnen, der rote, flügellose Drache.   Stargazer Magician [ATK/1200 DEF/900 (3) PSC: <8/8>] Timegazer Magician [ATK/1200 DEF/2400 (5) PSC: <1/1>] Wisdom-Eye Magician [ATK/1500 DEF/1500 (4) PSC: <5/5>] „Odd-Eyes“ [ATK/2500 DEF/2000 (7) PSC: <4/4>]   Mr. C überschlug sich förmlich vor Euphorie. „Das ist die Macht der Pendelbeschwörung, liebe Zuschauer! Jedes zerstörte Pendelmonster kehrt ins Extradeck zurück und kann von dort erneut beschworen werden! So ist es unserem Othello gelungen, gleich eine ganze Armee an Monstern aufzubauen!“ Jener zeigte auf den roten [Dark Magician]. „Angriff, Odd-Eyes! Spiral Strike Burst!“ „Gegenangriff, Black Magic!“, reagierte Kakyo angespannt. Zeitgleich luden der Drache und der Magier ihre Attacken auf, ehe Ersterer einen roten Energiestrahl mit schwarzem Flammenrahmen abfeuerte. Die Antwort des Magiers war seine Signaturattacke, der violette Feuerball. Die Angriffe zogen aneinander vorbei, statt sich zu treffen, sodass jeder der beiden im Anschluss mit voller Wucht erwischt wurde. Zwei Explosionen waren die Folge, doch während bei Kakyo nichts geschah, öffnete sich über Othello das Pendelportal und absorbierte die Überreste Odd-Eyes. Letzterer befahl sofort im Anschluss: „Direkter Angriff, [Wisdom-Eye Magician]! Lost Magic!“ Jener hob seine Laterne in die Höhe, deren Klappe sich öffnete, woraufhin aus ihr ein ganzes Geschwader kleiner Feuerbälle abgefeuert wurde. Kakyo hielt die Arme über Kreuz, als er erfasst wurde.   [Othello: 1500LP / Kakyo: 4000LP → 2500LP]   „Heh“, grinste der brünette Bursche dann verschmitzt. Ebenso wie Othello, der seine letzte Handkarte in die Duel Disk über seinem Schoß schob. „Die setze ich verdeckt. Du bist am Zug.“ Zischend materialisierte sich die Falle zu seinen Füßen.   ~-~-~   Die Farben flogen nur so an Anya vorbei, wie sie durch die Straßen Ephemeria Citys rannte, um Redfield die Wahrheit zu erzählen. Die Riding Duel-Strecke direkt über ihr warf einen dunklen Schatten auf die parallel dazu verlaufende Straße, doch nicht halb so düster wie die Gedanken, die dem Mädchen im Kopf herumschwirrten. Natürlich hatte Anya keinen handfesten Beweis, aber sie -wusste- einfach, dass es Marc gewesen sein musste, der Valerie verraten hatte. Niemand würde denjenigen verdächtigen, der dem 'Opfer' so nahe stand wie er. Bloß warum? Was könnte ausgerechnet er davon haben, dem Menschen, den er am meisten liebt, so zu schaden? Sie hatte bereits einen Verdacht, der das alles erklären könnte.   Anya Bauer, du solltest dringend eine Pause einlegen! Dein Brustkorb wird noch explodieren, wenn du so weiter rennst!   „Mir geht’s gut“, erwiderte Anya nicht im geringsten Maße erschöpft. Ihre Denkweise war einfach falsch gewesen. Vielleicht wollte Marc Valerie mit seiner Aktion nicht schaden, sondern beschützen. Schon einmal hatte er dafür alles riskiert, dabei sein Leben verloren, was ihm damals durchaus bewusst gewesen war. Ich meine es ernst! Du rennst seit geraumer Zeit ohne Unterbrechung, dein Körper kann dieser Belastung unmöglich noch länger standhalten!   „Stell dich nicht so an, von so'n bisschen Rennerei werde ich nicht gleich zusammenbrechen“, murmelte die grimmig, wich verschiedenen Menschen auf dem Bürgersteig aus, die ihr auf der Einkaufsstraße entgegenkamen. Was hatte der Trottel jetzt schon wieder? Sie war fit wie ein Turnschuh und mindestens so schnell wie einer, nein, sie hatte längst ihre Bestmarke übertroffen. Sollte Harper jemals wieder vor ihr weglaufen müssen, würden seine langen Beine ihn dann nicht mehr außerhalb ihrer Reichweite tragen!   Könnte das … Anya Bauer, ich glaube, du benutzt die Macht deiner Hüterkarte [Angel Wing Dragon]!   „Huh!?“ Jetzt bremste das Mädchen doch ab, was gar nicht so einfach war, wenn man so schnell unterwegs war wie sie. Ihr Bremsweg war so lang, dass sie beinahe mit jemandem zusammenstieß.   Sieh' dir dein Deck an!   Das Mädchen nahm besagte Box von ihrem Gürtel und holte Angel Wings Karte daraus hervor. Und tatsächlich, jene pulsierte regelrecht.   Du bist nicht einmal außer Atem! Wenn Drazens Karte seinen Alterungsprozess angehalten hat, dann könnte diese womöglich die körperlichen Fähigkeiten ihres Besitzers erweitern. Es passt, wenn man bedenkt, wie flink Zanthe Montinari damals war, als wir ihn gestellt haben.   Noch eine Sekunde das weiße Synchromonster betrachtend, landete dieses in der nächsten wieder in der Deckbox, die sich Anya wieder umschnallte. „Coole Sache, aber können wir später darüber reden? Ich muss jemandem nämlich dringend die Meinung geigen!“ Sprachs und begann weiter zu rennen.   Deine Prioritäten sind erschreckend … wenngleich auch faszinierend, wie eh und je. Du weißt nicht einmal, ob du in die richtige Richtung läufst. Valerie Redfield könnte überall in der Stadt sein, meine Ortungsfähigkeiten funktionieren nicht akkurat bei normalen Menschen.   „Sie ist ganz in der Nähe! Ich renne einfach dem Blauen entgegen, dann find' ich sie!“   Hm? Dem … Blauen? „Keine Ahnung, frag mich nicht. Ist halt so. Und jetzt halt die Klappe, ich muss nachdenken!“   ~-~-~   Das Duell eine Weile schweigend beobachtend, ergriff Matt schließlich das Wort. „Othello hat seine Magier in Verteidigung gespielt. Interessant.“ „Ihre kombinierte Angriffskraft wäre nicht ausreichend, um Kakyo zu besiegen“, erwiderte Valerie und nahm einen Schluck Tee. Sie fügte danach hinzu: „Er will kein Risiko eingehen.“ Mit unterschwelliger Traurigkeit murmelte Matt: „Genau wie du.“ „Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, Nick das Ganze nachzuweisen“, sagte Valerie und starrte in den blauen Himmel, nahm die Sonnenbrille dabei ab, „würde ich das nicht tun.“ „Weil du Angst vor ihm hast?“ „Nein.“ Sie lachte plötzlich spitzbübisch. „Nick mag schlauer sein als so mancher denkt, aber wenn er alleine mit mir in einem Raum ist, käme er anschließend nicht aufrecht gehend wieder raus.“ „Sofern er kein Messer hat“, merkte ihr Gegenüber ärgerlich an. Sofort fuhr er sich unwillkürlich mit der Hand über die kleine Narbe an seinem Hals, die Nicks impulsives Handeln verursacht hatte. „Ich denke mir nur“, sagte Valerie zögerlich und sah ihn wieder an, ernst, geradezu verbittert gar, „wenn das die Profiliga ist, will ich gar nicht mehr Teil davon sein.“ Matt nickte, verstand er doch sofort, worauf sie hinaus wollte. „Stimmt, Intrigen wie diese sind dort sicherlich nicht neu, aber … nicht alle sind so.“ „Bestimmt nicht. Vielleicht-“   Ehe Valerie jedoch dazu kam, ihre Gedanken zu äußern, trat jemand neben sie. Die beiden sahen auf und erblickten Marc. Ungewöhnlich blass war er, hatte dunkle Ringe unter den Augen. Schweiß stand ihm auf der Stirn, kam er doch gerade vom Jogging, was sich auch anhand des durchnässten grauen Sportanzugs zeigte. „Hey.“ „Hey“, erwiderte Matt erstaunt. „Oh, du hier?“, begrüßte Valerie ihren Verlobten irritiert und stand auf. Marc schien es kaum wahrzunehmen, war sein Augenmerk auf Matt gerichtet. „Sorry, aber ich kam nicht umhin, etwas von eurem Gespräch aufzuschnappen. Du willst deine Unschuld beweisen, Valval?“ Jene schüttelte den Kopf. „Nein. Du weißt, das wäre …“ „Habt ihr daran gedacht, was das für Anya bedeuten würde? Und für Nick, wenn er es tatsächlich war!?“ Marc redete sich geradezu in Rage. „Was wolltest du ihr da einreden, Matt!? Diesen Typen sollte man nicht provozieren!“ Der Dämonenjäger, nicht weniger überrascht von dem Ausbruch als Valerie selbst, stand langsam auf. „Gar nichts. Ich-!“ „Wenn man nicht handfest beweisen kann, dass jemand anderes dahinter steckt, wird sich Valerie nur noch mehr vor aller Welt lächerlich machen. Die Leute reden schon genug!“ Der Schwarzhaarige mit dem Spitzbart kam gar nicht mehr zum Ende. „Willst du, dass es noch schlimmer wird, als es sowieso schon ist?“ In einem Anflug trotziger Wut breitete Matt die Arme aus. „Ach, willst du etwa nicht, dass sie ihren Namen reinwäscht? Wo es doch so offensichtlich ist, wer dahinter steckt!?“ „Ich will sie beschützen!“, fauchte Marc und trat an den etwas kleineren Dämonenjäger heran. „Sie hat genug gelitten, findest du nicht!?“ „Hört auf!“, forderte Valerie lautstark, ehe ihr Verlobter noch auf Matt losging. „Beide.“ „Pah!“ Schnaubend zog Matt an Marc vorbei, jedoch nicht, ohne ihn dabei bewusst mit der Schulter anzurempeln. Jener warf ihm als Reaktion einen mörderischen Blick zu, wahrte aber seine Beherrschung. Im Vorbeigehen sagte Matt mit Blick über der Schulter zu Valerie: „Wenn du es dir anders überlegst, werde ich dir gern helfen.“   „Draw!“, rief Kakyo im Hintergrund auf dem Bildschirm aus und betrachtete seine gezogene Karte. Welche ihn zum Strahlen brachte. Sofort im Anschluss nahm er eine der anderen beiden auf seiner Hand und legte sie auf das rote D-Pad. „Ich beschwöre [Legion The Fiend Jester]!“ Eine kniende Gestalt aus hellem Holz tauchte vor dem jungen Mann auf. Seine markante, lange rote Nase sowie die spitze, rote Mütze ließen ihn wie einen Gaukler erscheinen.   Legion The Fiend Jester [ATK/1300 DEF/1500 (4)]   Kakyo erklärte: „Legion kann mich sofort noch einen Hexer normalbeschwören lassen, aber es muss eine Tributbeschwörung sein. Also opfere ich ihn …“ Sein Monster löste sich in blauem Licht auf. „… und rufe das [Dark Magician Girl]! Denk dran, sie wird mit jedem [Dark Magician] auf meinem Friedhof stärker!“ Die Menge explodierte vor Jubel, als -die- Ikone der Duel Monsters-Gemeinde das Feld betrat. In ihrem engen, hellblauen Gewand für begeisterte Aufschreie sorgend, schob sie die blonde Magierin ihren Hut mit dem Zauberstab in ihrer Hand zurecht und zwinkerte. Dark Magician Girl [ATK/2000 → 2300 DEF/1700 (6)]   „Zweiter Effekt von Legion!“ Kakyo streckte den Arm mit dem D-Pad daran nach vorn. „Wenn er geopfert wird, bekomme ich ein normales Hexer-Monster von meinem Deck auf die Hand. Den zweiten [Dark Magician] in meinem Deck!“ Dessen Karte wurde daraufhin aus dem Kartenstapel gezogen. Kakyo zeigte ihn vor, es handelte sich um das schwarze Anniversary-Artwork. Kurz darauf verkündete er: „Ich bin aber noch nicht fertig. Schließlich ist [Dark Magician Girl] auf dem Feld und damit kann ich [Sage's Stone] aktivieren, den Stein der Weisen!“ Kaum schob Kakyo seine Zauberkarte ins D-Pad, umschloss das hübsche Magiermädchen mit beiden Händen ihren Zauberstab. Vor ihren Füßen öffnete sich ein Runenportal, aus dem ein winziger Stein, halb orange, halb rötlich aufstieg. „Mit ihrer Hilfe beschwöre ich meinen dritten [Dark Magician] aus dem Deck! Erscheine!“ Tobender Applaus aus dem Publikum hallte durch das Stadion, als der Stein zerplatzte. Kurz darauf, als wäre er schon immer da gewesen, tauchte neben [Dark Magician Girl] ihr Lehrmeister auf, der Hexer in violetter Robe, der seinen grünen Zauberstab schwang. Dark Magician [ATK/2500 DEF/2100 (7)]   „Unglaublich, wie mühelos Kakyo Sangon das bekannteste Magier-Gespann des Spiels beschwören konnte“, lobte Mr. C von seiner gläsernen Lounge aus begeistert. „Wie schön, ihnen beiden wieder gegenüber zu stehen“, strahlte Othello glücklich. Was seinen Gegner dazu beflügelte, den Arm mit gespreizten Fingern auszustrecken. „Sie freuen sich auch, dich wiederzusehen! Schade, dass es nur so kurz ist, aber ich habe keine Wahl! Ich aktiviere den Effekt von [Dark Magic Chamber].“ Seine dauerhafte Zauberkarte leuchtete violett auf. Kakyo erklärte: „Einmal pro Zug, sofern ich einen der beiden Magier kontrolliere, kann ich eine seiner Signaturzauberkarten vom Deck auf die Hand nehmen. Und wenn ich schon beide zusammen auf dem Feld habe, gibt es nur eine richtige Wahl: [Dark Burning Magic]!“ Ebenjene schob sich aus Kakyos Deck und wurde sofort von diesem aktiviert. „Jetzt knallt's!“ Meister und Schülerin legten ihre Zauberstäbe aneinander und richteten diese auf Othellos Feld, welcher die Augen weitete. „[Dark Burning Magic] lässt sich nur aktivieren, wenn ich die beiden kontrolliere“, erklärte Kakyo und schwang den Arm aus, „mit ihrer kombinierten Macht vernichten sie jede Karte auf deiner Spielfeldseite, Othello!“ An den Spitzen der beiden Zauberstäbe entstanden schwarz-violette Entladungen, die das Hexergespann unter einem synchronen Aufschrei abfeuerte. Im Flug zerteilten sich die beiden Energiekugeln in weitere, kleinere, welche von Runenkreisen umgeben waren. Zwei flogen hoch in die Luft, direkt auf [Dharma-Eye Magician] und [Dreamgazer Magician] in deren Lichtsäulen zu. Drei weitere galten jedem Monster auf der Spielfeldseite des blonden Jugendlichen. Kakyo hatte Recht: Es knallte fürchterlich. Fünf Explosionen suchten Othellos Spielfeldseite gleichzeitig heim. Über dem öffnete sich das Pendelportal und absorbierte drei rote Lichtstrahlen, als sich dichter Rauch um dessen Spielfeld ausbreitete.   „Ja, du hast vielleicht mit Nick ähnliche Erfahrungen wie wir gemacht. Ich sag es trotzdem nicht noch einmal“, murrte Marc derweil und funkelte Matts Rücken an. Hinter ihm stand Valerie und verzog keine Miene, als ihr Verlobter fortfuhr: „Stachele Valerie bitte nicht dazu an, in dieser Wunde herumzubohren. Da kommt nichts Gutes bei raus.“ „Das ist ihre Entscheidung. Und wenn wir ehrlich sind, die hat sie doch längst getroffen“, erwiderte der Dämonenjäger im Weggehen. Valerie verkrampfte. „Du verstehst das nicht, Matt …“   „Dann erklär's uns doch, Redfield!“ Alle drei wirbelten herum. Da stand sie, ein paar Meter vom Café entfernt und atmete einmal tief durch – Anya. Und wie sie die Stirn runzelte und im Anschluss auf die Gruppe zustampfte, hatte ihre Anwesenheit nichts Gutes zu bedeuten. Auch Anya war sich dessen nur allzu sehr bewusst. Der Knall im Hintergrund, vom Duell herrührend, war im Vergleich dazu, was nach ihrer Offenbarung geschehen würde, ein lauer Furz. „Oder besser“, knurrte sie, als keiner der Drei Anstalten machte, sie zu begrüßen, „erklär' du uns, was du dir dabei gedacht hast, Butcher!“ Der vom Joggen schweißnasse Marc machte große Augen. „Ich? Wobei denn?“ „Tu nicht so, ich habe zwar nicht viel von eurem Streit mitbekommen, aber offensichtlich macht ihr euch ja genauso viele Gedanken darum wie ich.“ Anya kniff die Augen fest zusammen, als sie zu Valerie aufgeschlossen hatte. „Also, Butcher: Hast du uns etwas zu sagen?“ „Sag bloß, du denkst, -er- hätte die Karte-!?“, schnappte ihre Erzrivalin, als ihr klar wurde, was sich hinter Anyas Worten verbarg. „Du beschuldigst mich?“ Marc öffnete den Mund, schloss ihn dann aber sprachlos wieder. Matt kehrte an dessen Seite zurück und schüttelte den Kopf. „Wirklich, Anya, so etwas gibt man nicht leichtfertig von sich.“   Anya spürte, wie die Blicke der anderen sie durchbohrten. Scheiße, wie sollte sie Redfield und Summers das bloß begreiflich machen? Es -war- Butcher! Und der Mistkerl wusste das! Warum musste der auch ausgerechnet jetzt hier sein!? Sie hätte vielleicht einen etwas besseren Zeitpunkt abwarten sollen, um ihren Verdacht auszusprechen, kam es Anya in den Sinn. Aber die Vorlage von eben war einfach zu gut gewesen, um sie verstreichen zu lassen. Aber jetzt musste sie sich dringend etwas einfallen lassen.   „Wie kommst du darauf?“, fragte Marc schließlich getroffen und fasste sich kopfschüttelnd an die Stirn. „Anya, bei allem nötigen Respekt …“ Valerie schwieg, während Matt fragte: „Hast du irgendeinen Anlass, das zu glauben?“ „Es war Nick, okay?“, warf der Beschuldigte ein und streckte die Arme aus. „Dein Freund ist ein Psychopath, falls du es nicht weißt. Erzähl's ihr, Matt. Was er mit dir gemacht hat!“ Anya spitzte die Ohren. „Huh?“ „Ich hatte dir eben gesagt, dass das unter uns bleibt. Hör' nicht auf ihn, Anya, beantworte lieber meine Frage“, grätschte Matt grimmig dazwischen und verschränkte die Arme.   Sie hatte keine direkten Beweise, verdammter Kackmist! „Keiner hätte es leichter, Redfields Deck zu manipulieren als du, elender Mistkerl“, zischte Anya den schwarzhaarigen Sportler an, „dafür, dass du Nick als Sündenbock vorschiebst, müsste ich dir eigentlich jeden Knochen einzeln brechen!“ „Ach, weil ich im selben Zimmer schlafe wie meine Verlobte, bin ich automatisch der Täter?“, schnappte Marc provoziert zurück. „Ist ja interessant. Dein sogenannter bester Freund hat-“ Matt donnerte dazwischen: „Marc!“ „Was hat Harper!?“ Anya schwang wütend den Arm aus. „Red' schon! Und du unterbrich' ihn gefälligst nicht, Summers!“   Im Hintergrund lief das Duell weiter. Einige der draußen sitzenden Gäste beschwerten sich bereits über den immer lauter werdenden Streit auf offener Straße. Othellos Spielfeldseite wurde zwar von Rauch eingehüllt, aber trotzdem erkannte man bereits, dass die Dinge nicht so gelaufen waren, wie Kakyo sich das vorgestellt hatte. Transparent, tauchte das Ziffernblatt einer Uhr schräg über der Rauchwolke auf und ließ die Zeiger rückwärts laufen. Kurz darauf durchdrang blaues Licht den Qualm – die Lichtsäulen der beiden Pendelmagier erstrahlten wieder, in ihnen [Dharma-Eye Magician] und [Dreamgazer Magician]. „Nanu?“, wunderte sich Kakyo. In dem Moment verzog sich der Rauch. Othello saß mit einem geheimnisvollen Lächeln da. Tatsächlich waren all seine Monster und seine gesetzte Karte verschwunden, was aber nicht erklärte, wieso die Karten in seinen Pendelzonen noch quietschfidel waren. Etwas, das Mr. C natürlich nicht unkommentiert lassen konnte. Während der sprach, sagte Kakyo zerknirscht: „Das hab ich ganz vergessen …“ „[Timegazer Magician] hat auch als Monster einen Effekt. Einmal pro Zug verhindert er die Zerstörung der Karten in meinen Pendelzonen.“ „Trotzdem bist du jetzt schutzlos!“ Kakyo schloss die Augen. „Tut mir leid, Othello. Wirklich.“ „Schon gut.“ Daraufhin riss der Brünette seine Lider wider auf. „Direkter Angriff auf seine Lebenspunkte, [Dark Magician]! Black Magic!“ Der violette Hexer schwang seinen Zauberstab und feuerte eine violette Feuerkugel auf den Rollstuhlfahrer ab, welche aber kurz vor diesem unvermittelt an einem hellblauen, kuppelförmigen Kraftfeld abprallte. Hinter ihm tauchten drei in blauer Robe steckende Priesterinnen auf, die im Chor seltsamen Singsang von sich gaben. „Eh“, stöhnte Kakyo kopfschüttelnd, „du hattest da [Waboku] liegen, richtig?“ „Jap“, grinste Othello, „ich hab's aktiviert, kurz bevor deine Zauberkarte sie zerstört hatte. Diese Runde kannst du mir keinen Schaden mehr zufügen.“ Sein Gegner zuckte mit den Schultern. „Aha. Na gut, ich gebe ab.“ Womit die Priesterinnen samt Kraftfeld verschwanden.   Bedächtig schloss Othello die Augen und griff nach seinem Deck. Dann zog er, dabei laut ausrufend: „Draw!“ Gleich im Anschluss streckte er den Arm in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“ Über ihm öffnete sich das blaue Portal und schoss vier rote Lichtstrahlen auf seine Spielfeldseite ab. „Pendulum Summon! Odd-Eyes, [Wisdom-Eye Magician], [Timegazer Magician] und [Stargazer Magician].“ Der rote, flügellose Drache erhob sich vor seinem Meister, davor der Magier mit der Laterne, jener mit der Uhrenblattklinge am Arm und der weiße Hexer mit dem langen Stab.   Stargazer Magician [ATK/1200 DEF/900 (3) PSC: <8/8>] Timegazer Magician [ATK/1200 DEF/2400 (5) PSC: <1/1>] Wisdom-Eye Magician [ATK/1500 DEF/1500 (4) PSC: <5/5>] „Odd-Eyes“ [ATK/2500 DEF/2000 (7) PSC: <4/4>]   Zuversichtlich hielt Othello seinem Gegner die aufgezogene Zauberkarte entgegen. „Ich verändere jetzt das Spielfeld zu meinen Gunsten! Spielfeldzauber [Sky Arc], erstrahle!“ Über dem gesamten Spielfeld entstand ein Portal, ähnlich jenem, das für Pendelbeschwörungen benutzt wurde. Doch dieses besaß keine dutzenden Ellipsen, die sich um es zogen, sondern wurde von einem bunten Lichtschleier umgeben. „Was für ein Schauspiel, werte Zuschauer!“, hauchte Mr. C ehrfürchtig. „Effekt von [Sky Arc]! Einmal pro Zug kann ich eine meiner offenen Karten zerstören, um einen Odd-Eyes zu bekommen.“ Plötzlich erhob sich der weiße [Stargazer Magician] unter Othellos Monstertruppe und stieg als roter Lichtstrahl in die Luft auf, nur um vom neuen Pendelportal absorbiert zu werden. „Ich entscheide mich für [Odd-Eyes Saber Dragon]!“, verkündete der Jugendliche im Rollstuhl. Ziemlich überrascht wiederholte Kakyo den Namen. „[Odd-Eyes Saber Dragon]!?“ Dessen Karte schob sich aus dem Deckschacht vor Othello und wurde von jenem aufgenommen.   „... du lügst doch, Butcher!“ Anya schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nick würde nie-!“ „Es ist die Wahrheit, Anya“, murmelte Valerie neben ihr. „Er wurde angegriffen von einer Person, die genauso aussah wie ich und ist dann am helllichten Tag bei uns eingebrochen.“ Das war noch nicht alles. Marc fügte hinzu: „Er hätte ihr ohne mit der Wimper zu zucken sonstwas angetan, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre!“ „Dass er mich mit einem Messer bedroht hat, ist auch wahr“, beugte sich Matt schließlich der Wahrheit. Denn wenn er ehrlich war, hätte er ihr das alles viel früher sagen müssen. „Um ehrlich zu sein, glaube ich auch, dass Nick den vermeintlichen Betrug inszeniert hat. Für ihn wäre es ein Leichtes, in das Hotelzimmer zu kommen.“ „Er ist besessen davon, dich zu beschützen“, verdeutlichte Marc die Sachlage mit den Händen gestikulierend.   Anya nahm das alles nur unbewusst wahr. Wenn das wirklich alles stimmte, was sie da sagten, warum hatten sie ihr das nie erzählt!? Wieso hatte Nick nie erwähnt, dass er von etwas mit dem Aussehen von Redfield angegriffen worden war!? Jetzt ergab es alles einen Sinn! Die Wunde an seinem Arm, als er sie damals vom Bahnhof abgeholt hatte, sie stammte von diesem Kampf. Die Sache mit Matt konnte Anya noch nachvollziehen, denn Nick wäre nicht der Erste, der dem Dämonenjäger misstraut. Vielleicht wusste ihr Sandkastenfreund etwas, das sie nicht wusste? Doch ganz gleich, wie seltsam sich Nick auch verhielt, eins stand fest. „Er war es nicht. Du warst es, Butcher.“ Anya straffte sich. „Ich weiß, warum. Du wolltest Redfield nur beschützen, genau wie damals. Als du den Pakt mit Isfanel eingegangen bist. Du hattest Angst, das war alles.“ Marc zuckte zusammen, als die Blonde das für ihre Verhältnisse schon fast versöhnlich von sich gab. Dann schüttelte er den Kopf. „Schwachsinn! Akzeptiere die Tatsache, dass-“ „Claire Rosenburg ist eine Hüterin, die noch nie besiegt wurde. Sie weiß, dass ihr meine Freunde seid. Sie weiß, dass ich die Hüter jage, denn ich habe vor ihren Augen zwei Hüterkarten ausgespielt“, sprach Anya sachlich weiter, denn zu diesen Erkenntnissen war sie während ihrer Suche nach Valerie gelangt, „und würde deshalb jeden vernichten, der ihr zu nahe kommt. Du hast Angst, dass sie genau das mit Redfield gemacht hätte, wenn sie als Siegerin aus dem Turnier hervorgegangen wäre.“ Marc geriet ins Stottern. „Das ist nachvollziehbar, aber-“ „Die Karte, die Redfield gezogen hat, war [Change Of Heart]. So eine ist extrem selten, die bekommt man nicht einfach im nächstbesten Laden. Sollen wir mal deine E-Mails checken, ob du irgendwo angefragt hast?“ Anya fühlte sich nicht wohl dabei, so strategisch vorzugehen, aber sie kam der Sache wie von Zauberhand näher. „Außerdem müssten auf der Karte auch Fingerabdrücke sein. Keine Ahnung, wie viel es kostet, das freiwillig testen zu lassen. Aber mein Dad würde das sicher irgendwie hinbekommen.“ Die Blicke richteten sich auf den Schwarzhaarigen mit dem Spitzbart, der plötzlich verdächtig still geworden war. Anya formte stumm Worte auf ihrem Mund: „Danke, Levrier.“   Das hast du gut nacherzählt. Auch wenn das alles keine ultimativen Beweise sind.   Valerie sah ihren Verlobten fragend an. „Marc?“ Der schluckte. „Wenn das so ist, hat es wohl keinen Sinn mehr, es zu leugnen. Was Anya sagt, stimmt. Ich … habe es getan.“ „Du … lügst“, hauchte Valerie getroffen. „Sag, dass das nicht wahr ist!“   Indes nahm Othello den [Wisdom-Eye Magician] von der Duel Disk vor ihm. Jener verwandelte sich ebenfalls in einen roten Lichtstrahl, welcher vom riesigen Pendelportal über den Köpfen der beiden Duellanten absorbiert wurde. Das Publikum gab erstaunte Laute von sich. „[Odd-Eyes Saber Dragon] hat eine besondere Methode, um ihn zu beschwören“, erklärte Othello und griff nach seinem Deck, „erst muss ich ein Licht-Monster opfern, danach einen [Odd-Eyes Dragon] auf den Friedhof legen.“ Besagte Karte wurde automatisch aus dem Deck geschoben und von Othello entsorgt. „Und nun strahle, [Odd-Eyes Saber Dragon]!“ Neben dem originalen Odd-Eyes begann von allen Seiten grelles Licht zu erstrahlen. Eine exakte Kopie seiner selbst erschien, doch trug sie eine silberne Rüstung, die selbst den langen Schweif überzog. Von überall an seinem Körper ragten lange Klingen empor, die die Quelle des Lichts waren. Kakyo weitete die Augen. „O-okay, der ist zur Abwechslung wenigstens kein Pendelmonster. Ist er etwa deine Geheimwaffe?“   Odd-Eyes Saber Dragon [ATK/2800 DEF/2000 (7)] „Wer weiß?“ Sein Gegner zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Du zwingst mich eben dazu, alle Register zu ziehen!“ Passend dazu brüllte der neue Drache stolz. „Dann habe ich …“, murmelte Kakyo enttäuscht. „Leider ja.“ Othello seufzte traurig. „Aber so ist das eben, es kann nur einer gewinnen. [Odd-Eyes Saber Dragon], greife [Dark Magician] an! Spiral Saber Strike!“ Dank seiner Klingen am Körper, die gleichzeitig als Tragflächen zu fungieren schienen, konnte der leuchtende Drache in hoher Geschwindigkeit über den Boden gleiten und den violetten Magier ins Visier nehmen. Jener schoss einen violetten Feuerball nach ihm, welchem der Drache jedoch gekonnt auswich. Mit voller Wucht und sich dabei um die eigene Achse drehend, krachte er in den Hexer, was eine Explosion zur Folge hatte.   [Othello: 1500LP / Kakyo: 2500LP → 2200LP]   Die blonde Magierin, die alles erschrocken mit angesehen hatte, setzte einen grimmigen Blick auf, gerichtet auf die Rauchwolke neben ihr.   Dark Magician Girl [ATK/2300 → 2600 DEF/1700 (6)]   „Was ist das!? Natürlich, für jeden [Dark Magician] auf dem Friedhof wird sein weibliches Gegenstück stärker!“ Mr. Cs Stimme klang immer aufgeregter, als er fortfuhr. „Aber das heißt, dass sie stärker als der Rest von Othellos Monstern ist! Hat er nicht bedacht, dass er jetzt nicht mehr über diese Barriere hinweg kommt!?“ Der Junge hustete ein paar Mal, ehe er mit einem schelmischen Grinsen erwiderte: „Mit Barrieren kenne ich mich aus und das ist keine. Effekt von [Odd-Eyes Saber Dragon]! Wenn er ein Monster im Kampf zerstört, kann er sofort danach noch eines vernichten! Illumination Force!“ Grelle Strahlen drangen von allen Seiten aus der Rauchwolke. Die Magierin wich noch zurück, doch es war zu spät – ein Lichtstrahl erfasste sie und durchbohrte den üppigen Leib der Blonden, welche kreischend explodierte. „Gutes Spiel“, sagte Kakyo und rang sich ein Lächeln ab. „Ja. Gutes Spiel. Direkter Angriff auf seine Lebenspunkte, 'Odd-Eyes'! Spiral Strike Burst!“ Der rote Pendeldrache stampfte nun über das Spielfeld und öffnete im Lauf sein Maul, um daraus einen roten Energiestrahl abzufeuern, um den schwarze Entladungen schlugen. Sein Opfer schloss besonnen die Augen, kurz bevor der Treffer in ihn einschlug.   [Othello: 1500LP / Kakyo: 2200LP → 0LP]   „Das ist es, das Ende eines spannenden Duells“, rief Mr. C unter dem tosenden Applaus und Jubel der Zuschauer, „der zweite Finalist heißt Othello Nikoloudis und wird damit übermorgen auf Anya Bauer treffen!“   Valerie schlug schluchzend die Hände vor den Mund. „Das hätte ich dir nicht zugetraut“, gestand Matt und wich einen Schritt vom Schwarzhaarigen zurück, welcher entgegen seinem Geständnis nicht um Entschuldigung bat, sondern wehmütig lächelte. „Dafür, dass du Nick beschuldigt hast, müsste ich dir eine zimmern. Aber“, murrte Anya mit Seitenblick auf Valerie, die sichtbar zitterte, „du hattest deine Gründe, nicht wahr?“ „Es war dumm. Aber bitte, versteh' doch“, stotterte Marc plötzlich an seine Verlobte gewandt, „ich konnte nicht zulassen, dass du gegen Claire antrittst.“ „Red' nicht weiter!“, forderte die mit gebrochener Stimme. „Eine unbesiegbare Hüterin! Der Gedanke daran, was sie dir antun könnte, er kam mit einem Mal. Was, wenn sie weiß, dass wir hinter ihr her sind? Sie würde dich gnadenlos vernichten, du bist nur ein Mensch, du bist-!“ Valerie standen die Tränen in den Augen. „Schweig!“   Die anderen Gäste murmelten schon ungehalten, was Anya mit einem Blick aus dem Augenwinkel genervt zur Kenntnis nahm. Wenn die hier so weitermachten, landete das schneller in den Medien, als ihnen allen lieb war!   Zeitgleich schüttelte Matt erschüttert den Kopf. „Und das rechtfertigt so eine Aktion? Warum hast du nicht mit Valerie darüber geredet?“ „Habe ich!“, verteidigte sich Marc verzweifelt und zeigte auf das Mädchen. „Aber denkst du, dieser Sturkopf hat auch nur mit einem Ohr hingehört? Valerie, sei ehrlich, du warst nur noch auf eine Karriere in der Profiliga fokussiert!“ „Sag … sag kein Wort mehr!“ Gerade als Anya ihr in einem seltenen Moment der Nächstenliebe auf die Schulter fassen wollte, drehte Valerie sich um und rannte davon. „Valerie, warte!“, rief Marc ihr hinterher und setzte nur einen Fuß vor den anderen, da blockierte Matt ihm schon den Weg.   Du musst ihr hinterher, Anya Bauer!   „Nope“, erwiderte die und seufzte genervt, „sie will jetzt allein sein, Idiot.“ „Was hast du dir nur dabei gedacht!?“, fuhr Matt den größeren Marc sauer an. „Deine Freundin so zu verletzen! Nimmst du in Kauf, ihr Herz zu brechen, nur weil du mit deinen Worten nicht zu ihr durchdringen konntest!? Was bist du für ein Mensch!?“ Anya schnappte: „Summers, beruhig' dich, ist jetzt eh nicht mehr zu ändern!“ „Du halt dich da raus, Anya!“, fauchte der über die Schulter blickend zurück. Die funkelte den Dämonenjäger böse an. „Fein. Vielleicht gehe ich doch Redfield suchen. Ihr beide könnt euch ja überlegen, wie du das wieder gutmachen willst, Butcher. Tch …“ Es wäre ein Leichtes für sie, Valerie zu verfolgen, dachte die Blonde im Umdrehen. Aber was verstanden die beiden schon von den Gefühlen ihrer Erzrivalin? Den einen Traum in Trümmern zu sehen, durch die Hand desjenigen, der einem am wichtigsten war … Butcher war ein Idiot, wenn er glaubte, mit einer einfachen Entschuldigung wäre alles vergessen. Verdammter Kackmist. Sie sollte -wirklich- nach Redfield sehen und ihr anbieten, ihren Volltrottel von Verlobten nach allen Regeln der bauerischen Kunst zu vermöbeln.     Turn 74 – Snowing Season Mit Othellos Einzug ins Finale und damit das ihres Angstgegners, muss Anya einen Weg finden, seine Pendelmonster auszuschalten, wofür sie nur einen Tag zur Verfügung hat. Außerdem taucht Zanthe wieder auf, was eine Aussprache unausweichlich macht. Und dann ist es endlich soweit, das Finale beginnt … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)