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Contiguity Magica

A Crow and her Heaven
von

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Kapitel 6: Schlag auf Schlag


 

Contiguity Magica

Kapitel 06: Schlag auf Schlag

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[RIGHT]Was sich Zwischendurch zutrug:[/RIGHT]

[RIGHT]Homura Akemi[/RIGHT]

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[JUSTIFY]Als der Wind die letzten grauen Schäfchen von dem blau flächigen Hintergrund befreite und der sanfte goldene Schein der Sonne wieder zum Vorschein kam, atmete Homura erleichtert auf. Die Nebelwand hatte sich mit dem ausdünnen des Regenschauers von dannen gemacht und auch auf den Straßen waren wieder erste Anzeichen von Leben zu vermerken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das wurde aber auch Zeit.“ Sie klappte den Regenschirm ein, zog das Band über den Stoff zu und legte ihn neben sich hin. Nass war sie zwar dennoch. Hemd und Jacke klebten an ihrem Körper wie feuchter Teig. Das lag nicht an dem mangelhaften Schutz des Regenschirms, sondern an ihrer eigenen Unvorsichtigkeit. Hätte Shiro ihn ihr vorbeigebracht, wie viel nasser hätte sie wohl noch werden können? Im Prinzip war seine Geste zwar nett gemeint, doch ohne wahrlich ohne Wirkung. Der einzige Erfolg, der damit vielleicht verzeichnet werden konnte, war, dass sie den verwunschenen Tropfen ihr Ziel, die Schuluniform am Trocknen zu hindern, erschwert hatte. Ein kleiner, unbedeutender und nichtiger Sieg, den sie ihm noch zum Vorwurf machen würde. Bei diesem Gedanken musste sie ihr leises Lachen unterdrücken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Lachen. Es tat so gut mal wieder lachen zu können. Aber nur kurz, denn sie musste immer bei klarem Verstand bleiben. Keine Ablenkung durfte sie unvorsichtig machen. Sie war schließlich nicht zum Vergnügen hier, sondern weil sie ein Ziel hatte, dass es zu erreichen galt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit den flüchtigen Gedanken an Shiro also schnellen Abschied nehmend, wand sie ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem vierten Fenster des fünften Stockes zu. Madoka lag wieder in ihrem Bett, nachdem sie für eine ganze Weile von einer Schwester aus ihrem Zimmer gebracht wurde, um untersucht zu werden. Mit etwas in der Hand, das einem Buch oder einem Manga glich – Homura war es nicht möglich zu erkennen, was es nun war – vertiefte sie sich mit friedvoller Miene in die Lektüre, bis etwas anderes ihre Aufmerksamkeit erhaschte. Sie klappte das Buch zu und drehte dem Fenster den, vom pinken Haar bedeckten Hinterkopf zu.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Homuras Augen wurden riesig, als sie erkannte, wer ihrer lieben Freundin die Ehre eines Krankenbesuchs erstattete. Hitomi Shizuki und Sayaka Miki waren in das Zimmer eingetreten. Ein Schatten legte sich über ihre Augen. Die Tatsache, dass Sayaka, ohne Shiro an ihren Fersen, hier war, ließ für sie den Schluss zu, dass er es immer noch nicht fertig gebracht hatte, sie zu finden. In einer verregneten, von Menschen bis zum Anbruch dieser Stunde ungedüngten, war es ihm nicht möglich, dieses eine Mädchen bei einer Freundin zu vermuten, gleichwohl, dass sie ihm das soziale Umfeld von ihr und Madoka näher gebracht hatte. Entweder also hatte er ihr nicht zugehört, oder aber er hatte sich gar nicht erst auf die Suche gemacht, so wie er gesagt hatte. Und obgleich der eine oder der andere Fall zutraf, der Ausgang war derselbe.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit einer inneren Wut, die nach Außen hin nicht mehr, als ein genervter Blick und ein schwermütiges Seufzen war, richtete sich Homura auf und versuchte einen telepathischen Kontakt zu Shiro aufzubauen. Die Verwirrung kam, als ihr dies nicht gelang. Auch nach dem zweiten Male nicht. Einen dritten Versuch ließ sie aus, denn seine Aura war einfach nicht auffindbar. Grübelnd verschränkte sie die Arme. Sie konnte nur drei mögliche Ursachen aufbringen, die eine einleuchtende Erklärung zu dem unauffindbaren Shiro brachten. Entweder war er außerhalb der Reichweite des telepathischen Wirkungskreises – was sie dementierte, denn das würde bedeuten, er wäre außerhalb der Stadtgrenze – oder er hielt sich in diesem Moment in einem anderen Raum, als dem gegenwärtigen auf; sprich: das Labyrinth einer Hexe. Doch auch das war ihr unwahrscheinlich, denn, sofern er sie nicht belogen hatte, was sie ihm durchaus zutraute, so war es einem Hexer nur erschwert möglich, eine Hexe ausfindig zu machen, geschweige denn, sich Einlass in ihr Reich zu verschaffen. Über den letzten Punkt mochte sie nicht nachdenken. Fielen die anderen beiden Gründe aus, so war er höchst wahrscheinlich tot.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Hoffentlich hat dieser Idiot sich nicht auf einen sinnlosen Kampf eingelassen“, seufzte sie in einer Art, wie sie dem weiblichen Geschlecht förmlich angeboren war. Ein Seufzen, dass eine gedrückte Trauer hervorrief, die weder ehrlich, noch lebhaft gespielt war. Ebenso gut hätte sie in dieser Art auch einer kaputten Blumenvase nachtrauern können.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Es mochte ihr nicht als charakterliches Defizit angerechnet werden, denn Homura und Shiro hatten beide von vorneherein klargestellt, dass ihre Kooperation rein geschäftlicher Natur sei. Weder kannten die beiden sich lange genug, um Sympathie für einander zu entwickeln, noch hatte sich je der andere darum bemüht, eine Verbindung zu der anderen Person aufzubauen, die sich über den aktuellen Stand der Situation hinaus bewegte. Shiro würde nicht viel mehr um ihr Ableben trauern, als sie um seines, dessen war sie sich gewiss.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Tja, es hilft alles nichts“, sagte sie und setzte sich wieder. Sie beschloss, dass es reine Zeitverschwendung wäre, sich nun über sein Befinden zu „sorgen“ und lenkte ihre Aufmerksamkeit lieber auf das, was wirklich wichtig war. Madoka.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[RIGHT]Währenddessen:[/RIGHT]

[RIGHT]Die Hexenjagd[/RIGHT]

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[JUSTIFY]Noch immer war die Hand von leichten Luftströmen umwoben. Seine vor Überraschung geweiteten Augen konnten nicht von ihr ablassen. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, er könne den zweiten Schutzwall, der den Grief Seed wie die dünne Eierschale das Küken behütet umschloss, tatsächlich durchbrechen. Denn tat es für das Jägerauge eines Magical Girls keinen Unterschied, ob dieser Wall bestand hatte oder nicht, war es für Hexer wie Shiro und für normale Menschen generell, unmöglich diese unsichtbare Mauer auch nur zu spüren, gar zu durchstoßen. Aber er hat es wider erwarten geschafft. Das Tor lag offen und helle Freude, die die Verwunderung abdrängte, in der Luft.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ha! Ich bin einfach der absolut Geilste!“, gellte er, stemmte die Hände die die mageren Hüften und lachte rabiat stockend, wie ein angeheitertes Raubein. Dann wandte er sich mit zuversichtlicher Miene zu der am Boden liegenden Bewusstlosen um und streckte den Daumen in die Höhe. „Keine Sorge. Ich schnappe mir diese vermaledeite Hexe.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er legte seine Hand auf den magischen Zirkel nieder. Ein nachgiebiger Widerstand und das Gefühl, eine dünne Haut zu berühren, machten sich bemerkbar. Das Tor selbst war ein von Hexenrunen umringtes Gebilde. Ein magischer, aufrecht in der Luft schwebender Kreis, der komplexe aber unbedeutende Linienführungen in seiner Mitte barg, die, wenn überhaupt, nur zufällig ein identifizierbares Muster ergaben. Hexenrunen selbst waren, was die Buchstaben für die Menschen sind. Zeichen, so klobig wie es die Sprache seiner Anwenderinnen war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber verlieb dich bloß nicht in deinen edlen Retter“, witzelte er ein letztes Mal der Frau zu, ehe er eintauchte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Welt um ihn herum verschwamm, alles vermengte sich zu einem Bildnis abstrakter Kunst. Wie Farben auf einem Ölgemälde, die ihre Konsistenz verloren und verwässert ineinanderliefen, so auch die dahingeschmolzene Umgebung. Aus diesem verwaschenen Umland, schöpfte sich die Welt im inneren des Grief Seeds. Ein schönes und klares Gewässer erfüllte den Raum in seiner ganzen Größe. Von der weit entfernten Oberfläche schimmerte gebrochen das Licht einer künstlichen Sonne. Der Boden war ein nachgiebiges blau-gräuliches Gemisch aus Kies und Sand, aus dem sich ein langer und kurvenreicher Trampelpfad dunkel hervorhob. Die Luft war weder schwer, noch schnürte sie ihm die Lunge ab. Lediglich kühl war es. Schlingpflanzen, Algen und Korallen schmückten den Meeresboden. Darüber schwammen die dunklen Silhouetten der Meeresbewohner, die von einer goldenen Korona umgeben, friedvoll und in einem dichten Reigen ihre Kreise zogen. Es musste dieses schöne und zugleich befremdliche Spektakel wie eine Fliege um den Kopfe des Autors herumgeschwirrt sein, als er die Feder ansetzte und die Spaltung des Meeres durch Moses zu Papier brachte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Shiro pfiff beifällig. Er machte einen leichten Sprung aus dem Stand und gickelte vergnügt, als er, von dem Wasser sanft getragen, wieder zu Boden sank. Dann begab sich auf den viel gewundenen Pfad und ließ die Augen nicht von der rastlosen, wenn auch nur durch die Kraft der Magie am Leben gehaltenen und somit unnatürlichen Umgebung ab. Manches Mal packte ihn die Neugierde bei der Hand, bis sie ihn förmlich übermannte und sie aus dem Grenzbereich des Pfades lenkte. Ein Fehler, den er nicht zu wiederholen gedachte, denn augenblicklich brach eine der schwarzen Silhouetten aus ihrem Reigen und entblößte eine lange Reihe scharfer Zähne, die nach seinem Arm schnappten. Shiro zog ihn, erbleicht aufschreiend, sofort wieder ein, umklammerte ihn mit einer Hand presste ihn an seine Brust.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Mistvieh!“, spie er. Er hatte den Arm noch rechtzeitig wegziehen können, andernfalls wäre er wohl nun ab.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Kreatur verharrte noch einige Sekunden still an Ort und Stelle, als würde sie über die plötzlich verschwundene Beute sinnieren. Dann zappelte sie so plötzlich und extrem wie ein am Haken hängender Fisch, der um sein Überleben rang und schnellte zu guter Letzt wieder zurück an seine ursprüngliche Position.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Erleichtert atmete Shiro aus. Er verfluchte das Wesen und blickte auf seine Waffe, die er im Eifer der Situation hat fallen lassen. Es war ein markantes Konstrukt, völlig seinem kreativen Geist entwachsen und mithilfe seiner Magie in eine reale Waffe transmutiert. Die gerade Klinge war handbreit, maß etwa zwanzig Zentimeter in der Länge und war beidseitig stumpf. Der Griff war von einem zerrissenen bräunlichen Stoff umwickelt. Ein schwerer, runder, goldener Kolben schmückte das Ende seines dünnen Halses. Die beiden Elemente verband ein metallischer Ring. Er hob den Dolch wieder auf und setzte seinen Weg fort, ohne die Augen von den Kreaturen zu lassen. Anfangs noch von der Annahme geblendet, diese Fische seien durch die Sonne im Rücken so dunkel in ihrer Erscheinung, wurde er durch den Angriff nun eines besseren belehrt. Sie waren tatsächlich schwarz. Schwarze Fische, mit leuchtend weißen Augen und einem Maul, dass sich beinahe die Hälfte ihres ein Meter langen Körpers entlangzog.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Verfluchte Familiare“, giftete Shiro ihnen nach.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Familiare. Sie sind, was einmal eine Hexe werden könnte. Nach einer Zeit, die auf keinen allgemeinen Zyklus festzulegen ist, löst sich ein Einzelner von seinem Dasein als Beschützer und Diener seiner Herrin, beginnt seine Jagd auf die Menschen und wird alsbald darauf selbst zu einer Hexe. Wenngleich für die Menschen, waren sie nicht ansatzweise so gefährlich für Magieanwender. Eigentlich waren sie sogar die einfachere Beute. Leider warfen sie keinen Grief Seed ab, weshalb viele Magical Girls auch keine Jagd auf sie machen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Weiter den Pfad entlang schreitend, war er doch ein wenig verwundert, nicht einmal auf eine Weggabelung oder eine Kreuzung zu treffen. Schließlich nannte man die Welt der Hexe nicht ohne Grund auch Labyrinth. Dann, je genauer er darüber nachdachte, nannte man sie wohl auch einfach nur Labyrinthe, weil die Menschen, sobald sie sich hinein verirrten, keinen Weg mehr heraus fanden. Seltsam, so sagte er sich, war es trotzdem. Bislang hatte er noch kein so weitflächiges und lineares Labyrinth gesehen. Und in seinem langen Leben, in dem er schon mit dem ein oder anderen Magical Girl verkehrte, konnte er schon auf etliche von den Hexen geschaffene Welten zurückblicken. Generell war noch keine so so ruhig und atmosphärisch, ja man könnte beinahe sagen: bezaubernd und die Familiare so zurückhaltend und gastfreundlich, sofern man nicht vom Wege abkam.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Am Ende der Reise wurde er endlich fündig. Eine doppeltürige Wegsperre baute sich wie ein unheiliges Omen am fernen Horizont auf. Je näher er ihr kam, desto größer und bedrohlicher wurde sie.Sie war von einem azurblauen Gepräge, das von einem matten, in verschiedenen Grüntönen bestrichenen Rahmen getragen und von Runen, die als weiße Reliefen hervorstanden, verziert. Hinter diesem Tor, das von keiner Wand getragen, lag das Heiligtum der Hexe, das Epizentrum aller Magie, die dieses Labyrinth und all seine Bewohner am Leben erhielt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Gerade wollte er schon die Doppeltür aufstoßen, da wurde er sich wieder dem Dolch bewusst und warf diesem einen missgünstigen Blick zu. „Mit dieser Klinge werde ich wohl kaum in der Lage sein die Hexe zu töten.“ Er streckte seinen Arm seitlich von sich weg und befreite seine Hand von der Existenz der Waffe, in dem er in einem grell aufblitzenden Licht eintauchte und verschwand. Direkt darauf schufen sich neongrüne Lichtfäden hinter seinem Rücken und formten die Waffe, mit der er eigentlich seine Kämpfe bestritt. Ein prächtiger Zweischneider, der mit einem silbrigen gebogenen Handschutz geschmückt und von einer rot-weißen Scheide getragen wurde. Dem, von einen weinroten Leder umwickelten Griff, thronte ein versilberter Knauf, der in Form und Gestalt einem Vollmond gleichkam. An der Scheide waren zwei Stoffriemen befestigt, von denen einer sich von der rechten Schulter ab zur linken Hüfte legte, während der andere sich noch einmal gesondert um das Becken herum schlängelte. Diese einfache doch wirkungsvolle Halterung verhinderte, dass die leere Scheide während eines Kampfes so unkontrolliert und den hektischen Bewegungen folgend, hin und her schaukelte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Gut“, sagte er sich, „jetzt kann von mir aus kommen was mag.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und mit diesen Worten gesprochen, erhob er den Fuß und donnerte ihn gegen die blauen Pforten der Herrscherin des Labyrinths. Doch die sperrige Doppeltür gab sich massiv und unnachgiebig. Keinen Millimeter hatte sie sich nach innen verschoben, kein bisschen stand sie offener als vorher. Shiros Fuß hingegen, der war weit und weit davon entfernt, es der Tür gleichtun zu können. Mit einem weinerlichen Gesicht, dass oft bei Kindern zu beobachten war, die sich die Tränen krampfhaft wegzudrücken versuchten, kehrte er der Doppeltür den Rücken, kniete und rieb sich das Knie, dass von dem schweren, doch wirkungslosen Tritt in Mitleidenschaft gezogen wurde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Au“, quiekte er und schniefte den vom Schmerz beschworenen Rotz durch die Nase wieder hoch.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Darauf tat sich hinter ihm ein unheilvolles Geräusch auf, welches dem mechanischen Wirken komplex ineinander verzahnter Räder nicht unähnlich war. Und es geschah, wie auf wundersamer Art und Weise, dass sich die Türen zu öffnen gesinnten. Zeitgleich zogen das Wasser, die Tiefseeflora und die Familiare wie eine kunstvolle Leinwand an seinem Auge vorüber und er tauchte, durch die offenen Pforten gleitend, in ein tiefes und schwarzes Nichts ein, dass sich so langsam, wie die Eröffnungssequenz in einem Film, wieder erhellte. Raues Felsgestein, das von einer violetten Sonne beschienen, ummauerte ihn wie eine Arena. Der kantigen Fassade zierten rundum riesige und tief in die Felswand eingegrabene Höhlendurchgänge, die von einem finsteren Gepräge waren. Und wie sich das unheilige Übel aus dem tiefsten Spalt der Erde erhob, so kroch auch die boshafteste Gestalt dieser Welt aus einem der tiefen Löcher.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Hier war sie nun, die Herrin des Labyrinths.[/JUSTIFY]

 

 
 

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Mariane

 

[JUSTIFY]Die langen feingliedrigen Arme ragten aus dem Loch wie die Spinnenbeine über das klebrige Netz. Vereint zogen sie, was als Rest an sie gebunden war. Aus der, vom gebrochenen Sonnenlicht unberührten Schwärze, trat in träger Rasche eine wabblige Masse ans Tageslicht, die sanft vom Wasser getragen, auf den sandigen Untergrund hinab schwebte. Der bleiche Sand wirbelte um sie herum auf, als sie den Boden erreichte. Ein Kopf, der beinahe so lang wie jeder ihrer, von Saugnäpfen bestückten Fangarme war und wie ein Anker in die Breite wich. Die Augen, mit senkrecht geschlitzten Pupillen versehen, waren kaum größer als die von Shiro. Auf der blassgrünen Oberfläche malten sich kunstvolle Kringel in unterschiedlichen Farben, Größen und geometrischen Formen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Keine Hexe, ohne ihr Aussehen. Je abstrakter die Erscheinung, umso größer die magischen Kräfte. Nun war diese Hexe, die in Gestalt eines bunt bemalten Kalmars kam, beurteilt nach ihrem Äußeren, von geringer Macht, was Shiro zuversichtlich über den Ausgang des Kampfes stimmte. Das einzige, was an ihr ein wenig abschreckend wirkte, war die beachtliche Größe. Jeder ihrer Fangarme hatte eine Länge von gut acht zwölf Metern, etwa so lang war auch der Körper. Die Schmerzen in seinem Bein verdrängte er tapfer wie ein kleiner Junge, der sich das Knie aufgeschürft hatte. Er erhob sich und wandte sich ihr in einer Haltung zu, die gleichermaßen Würde und Stolz ausstrahlte, gleichwohl dass Mariane dieser keine Bedeutung beizumessen wusste. Für sie war er nicht mehr als das, was er auch für jede andere Hexe war. Ein Eindringling, der sie um ihre Mahlzeit erleichtert hatte und ihr zudem noch nach dem Leben trachtete. Nun war er das Futter, dass sich bereitwillig in ihre Mitte gewagt hatte. Sie würde den Unverfrorenen fressen; ihn gewaltsam seines Lebens überdrüssig machen. Sie würde ihn für seine Unverschämtheit wie Schlachtvieh massakrieren. Denn letzten Endes war auch sie nicht mehr, als eine Hexe. Eine zügellose Bestie, die Fluch und Tod über die Welt brachte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Shiro unterdes, war sich der vollen Gefahr, in der er nun zu schweben drohte, durchaus bewusst. Hinter dieser frechen Maske, die zu allen Zeiten ein spöttisches, die Zähne entblößendes Grinsen gegen alles und jeden richtete, verbarg sich das ernste Gesicht eines konzentrierten Jägers, der nicht so blauäugig war, seine Gegnerin zu unterschätzen. Denn er wusste, dass ein falscher Schritt sein Ende bedeutete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er spannte beide Hände über den weinroten Griff; Mariane setzte zum Angriff an. Zwei der acht Arme preschte vor. Er wehrte den ersten mit einem Hieb seiner aschfahlen Klinge ab, drehte sich einmal in voller Gänze und schlug den zweiten sogleich von sich. Darauf stürmte er auf die Hexe zu, beförderte sich mit einem mächtigen Sprung in die Höhe und stürzte, mit dem Schwert über seinem Kopfe erhoben, auf sie hernieder. Leider war ihm hier der Fehler unterlaufen, dass er glaubte, die natürliche Schwerkraft würde ihn schnell wieder dem Boden näher bringen. Das Wasser aber belehrte ihn eines besseren. Die Welt einer Hexe schuf ihre eigenen Regeln. Bisher hatte er weder Einbußen in seiner Schnelligkeit noch seiner Atmung gehabt, darum hatte er auch nicht darüber nachgedacht, dass die Schwerkraft unter Wasser anders funktionierte. Er glitt ihr zu langsam entgegen, als das er einen schnellen verheerenden Treffer hätte landen können, was ihr wiederum zu einem Gegenangriff verhalf. Zwei weitere Fangarme wurden ihm entgegen geworfen. Einen schaffte er es abzuwehren, der andere aber wickelte sich um seine Füße und schmetterte ihn wie ein Sack Fleisch zu Boden. Der Sand war weich genug, um den dumpfen Aufprall um die Hälfte seiner schmerzvollen Wirkung zu berauben. Weh tat es dennoch. Ein kurzer kehliger Laut entfleuchte seiner Kehle. Vom Becken auf bis zum Kopf, zog der dumpfe Schmerz seine Bahn. Dann wurde er, mit den Füßen voran, hochgehoben. Ein weiterer Tentakel wand sich so eng um seinen Körper, dass es ihm die Luft aus den Lungen quetschte und versuchte ihn gewaltsam in zwei Hälften zu zerreißen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Oh, das soll wohl ein Scherz sein“, krächzte er. Das Schwert noch immer fest umgriffen, schlug er mit einem Hieb eine tiefe Kerbe in den ihn ausquetschenden Fangarm, woraufhin dieser sich umgehend von ihm lossagte. Der Schlag darauf galt dem Tentakel, der seine Füße fest gepackt hielt und nachdem die scharfe Schneide ihm einen gleichsam tiefen Schnitt zufügte, waren auch die Beine wieder frei. Kopfüber dem Boden entgegen steuernd, materialisierte sich in seiner rechten Hand einer seiner markanten Dolche. Mit dem Zeigefinger in der offenen Rundung des Ringes, drehte die Waffe so schnell wie ein Kreisel, woraufhin er sie dann wirbelnd in Richtung der Hexe warf. Die Klinge fand ihr Ziel. Sie traf den freien Raum zwischen dem Augenpaar. Mit der Spitze voran drang der Stahl in das weiche Fleisch der Kalmarin. Ein schrecklicher Laut hallte von den löchrigen Wänden her wider. Ein tiefes Kreischen, von Schmerzen beschworen und vom Wasser ungefiltert wiedergegeben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Shiro tätigte eine halbe Drehung vorwärts, wodurch er mit den Füßen voran auf dem nachgiebigen Untergrund landete. Darauf hob er routiniert sein Schwert in Richtung der Hexe, sprach: „Das war deine letzte Chance, mich zu töten“, und stürmte erneut auf sie zu. Dieses Mal jedoch würde er nicht zu einem Sprung ansetzen, um sich eine höhere und somit vorteilhaftere Position zu erzwingen, sondern frontal und direkt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mariane schlug ihm all ihre Fangarme entgegen, um ihn, wenn schon nicht zu töten, zumindest doch zu auszubremsen. Aber Shiro war zu agil und zu störrisch, um sich treffen oder bremsen zu lassen. Alles was von oben kam, dem wich er einfach zur Seite aus. Was von der Seite auf ihn zuhielt, war entweder ein zu hoch oder zu niedrig angesiedelter Hieb, weshalb er sich unter dem Angriff entweder hinweg duckte, oder hinweg sprang. Letzteres waren kleine Hüpfer, welche sich nicht negativ auf seine Fallgeschwindigkeit auswirkten, da seine Füße umgehend wieder den sandigen Boden berührten. Dann erreichte er sie. Gerade das Schwert gegen sie ansetzend und zum tödlichen Schlag ausholend, passierte etwas, womit Shiro wahrlich nicht gerechnet hatte. Er traf nicht. Mariane war plötzlich in die Höhe geschossen und der Reichweite seines tödlichen Hiebes entwichen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wie ein echter Kalmar, war auch sie mit einer Mantelhöhle und einem Trichter bestückt, welcher für die Fortbewegung unabdinglich war. Sie blies das Wasser zum Trichter heraus, welches durch die verbundenen Mantelhöhle eingesaugt wurde. Kalmaren war es somit möglich, eine enorme Schnelligkeit damit zu erzielen. Und mit einem Sipho – der unter Schnecken-, Muscheln- und Tintenfischarten die Luftröhre war – war es ihnen zusätzlich gestattet, mithilfe der entsprechenden Muskulatur, eine drastische Richtungsänderung vorzunehmen, was sie zu wendigen und mobilen Jägern machte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]So also schnellte sie hoch empor und verschwand durch eines der Löcher im Felsgestein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du fliehst?“, brüllte er ihr nach.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]In dem Glauben, die Hexe würde sich zurückziehen und seine Chance auf ihren Kopf wäre vertan, senkte er das Schwert und somit auch die Deckung. Dies mochte vielleicht dumm erscheinen, doch hätte auch ein versierter Jäger – etwa ein Magical Girl – sich diesem Irrtum hingegeben. Hexen waren von Natur aus feige Kreaturen und flohen, sobald sie sich im Nachteil sahen. Dies war auch der Grund, weshalb so manches Mädchen einen schlimmen Tod erlitt, weil sie ein rasches Ende des Kampfes zu erzwingen versuchte. So durfte es also nicht verwundern, dass Shiro nun genau dieser Irrtum unterlaufen war. Weiterhin hatte er nicht damit gerechnet, dass jede Höhle durch ein weitläufiges Tunnelsystem mit der jeweils anderen verbunden war. Gewaltig war somit die Überraschung, als die Hexe plötzlich aus der Schwärze eines anderen Loches geschossen kam und mit dem ankerförmigen Ende voran auf ihn zu hielt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Oh verdammt!“ Shiro entging dem Treffer noch gerade so. Seine Reflexe hatten ihn vor einem verheerenden Treffer bewahrt. Und beim ausweichen hatte das voranstürmende Kopfende seine Klinge berührt. Es war, als würde Stahl auf Stahl treffen und ihm ereilte in jener kurzen Schreckenssekunde der furchteinflößende Gedanke wie es wohl ausgegangen wäre, hätte er nicht zur Seite springen können.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie setzte zu einer scharfen Kurve nach hinten an. Nicht überrascht, aber doch beeindruckt, dass sie sogar zu einem Wendemanöver fähig war, entschloss er sich etwas zu tun, was ihm eigentlich missfiel. Er suchte sein Heil abseits des Bodens und in einem Sprung, wohl wissend, dass er völlig ohne jede Möglichkeit zum ausweichen war. Doch das war auch gar nicht seine Absicht. Er musste den Kampf beenden, bevor sein Körper noch an den Anstrengungen zu Grunde ging, denn es drohte genau das zu passieren, wenn er sich keinen Vorteil mehr erkaufte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du bist schnell und wendig“, sprach er anerkennend, „und noch dazu ist dein Kopfende eine breiten Klinge. Du bist wirklich eine Hexe unter tausend, die mir ernstzunehmende Probleme bereitet.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als hätte er es vorhergesehen, wendete sie erneut und schnellte nun in die Höhe und – abermals – direkt auf ihn zu.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber jetzt endet es für dich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Beihändig umfasste er den Griff. Das Schwert, dessen Spitze erst auf sie gerichtet, schwang mit einer furchtsamen und gleichwohl ruhigen Bewegung in die entgegengesetzte Richtung. Er wisperte die Formel zur Beschwörung seines mächtigsten Angriffs und daarauf das entscheidende Wort:[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Windschnittflut“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als sie nun nahe genug war, setzte er in einer schnellen und kontrollierten Bewegung zum alles vernichtenden Schlage an. In dem Glauben, den Sieg nun mit einer unerschütterlichen Sicherheit für sich ergattert zu haben, war sein Blick für die Umgebung in diesem Moment wie von einem seidenen Schleier verhangen. Noch aus dem Augenwinkel sah er es, bevor es zu spät war. Ein lautes Donnern wie von hundert Kanonenschlägen hallte von allen Seiten des Raumes wider, während sich selbiger in einem leuchtenden grellen sonnengelben Schein einhüllte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]So auch die Hexe.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]So auch Shiro.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Alles wurde dunkel. Und die Welt tunkte sich mit dem Verblassen des Lichtes, in eisige Finsternis.[/JUSTIFY]

 



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