Sterben kann so schön sein... von Erenya (... oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 17: Unberechenbar wie das Meer -------------------------------------- Irgendwie fühlte es sich an, als würde ich nach Hause kommen, als ich Shizuku sah und sie mich gleich zum Tisch bugsierte und mir eine Tasse Tee in die Hand drückte. Zusammen hatten wir uns am Esstisch zusammengefunden. Abgesehen von Thoth und Anubis, die im Wohnzimmer auf der Couch saßen, wobei Anubis eher den Boden bevorzugte, und Takeru, der scheinbar immer noch schlief, waren alle hier im selben Raum versammelt. „Danke für den Tee, Shizuku.“ Ich lächelte glücklich über den Tee und hob die Tasse an um den köstlichen Duft der fruchtigen Note einzuatmen. Ich glaubte etwas wie Apfel und Beeren zu erschnüffeln und irgendwie machte sich in mir ein wohliges Gefühl breit. „Wie war euer Tag?“ Mit einem Lächeln bedachte Shizuku Apollon und mich. Es war seltsam, denn der Sonnengott hatte sich wie selbstverständlich neben mich gesetzt. Fast so als glaubte er, dass die Distanz zwischen uns geschrumpft war. Wahrscheinlich war sie das auch, ein ganz klein wenig. „Es war super lustig, super lustig.“ „Ja, wir haben gelernt das Apollon kein Außerirdischer ist“, scherzte ich und spielte dabei auf das Tastspiel an, an welches sich Apollon ebenso gut erinnern zu schien. „Und ich weiß, dass Nya-chan an den Füßen kitzelig ist.“ Ich errötete etwas über diese Offenbarung Apollons, die mich daran erinnerte, wie ich bei den Fischen hatte lachen müssen, als diese an meinen Füßen geknabbert hatten. „Klingt als wärt ihr euch ja sehr nahe gekommen. Was habt ihr alles gemacht, dass ihr soviel über den anderen erfahren habt?“ Hades schien wirklich ernsthaft daran interessiert zu sein, was wir genau getan hatten. Allein von unseren Erzählungen was wir übereinander gelernt hatten, wussten sie ja nicht, was wir gemacht hatten. „Apollon und ich haben Tastspiele gemacht. Ich bin echt schlecht darin. Vor allem mit den Händen. Das einzige was ich wirklich ertastet habe ist Apollons Gesicht, auch wenn er nicht zu den Stationen gehörte.“ Ich lachte etwas, denn im Nachhinein betrachtet war es schon witzig, dass Apollon sich selbst zu einem ertastenden Gegenstand gemacht hatte. „Danach waren wir im Entspannungsbereich. Da gab es größere Becken in die man die Füße hängen konnte, die Füße. Darin waren kleine Fische. Und es gab Schlammpackungen für das Gesicht und Massagen. Nya-chan konnte die Massage aber nicht genießen weil sie die ganze Zeit lachen musste, sie musste die ganze Zeit lachen.“ Ich errötete etwas und stupste Apollon sanft in die Seite, woraufhin er etwas zurückwich. „Erzähl doch nicht die peinlichen Sachen. Erzähl lieber, wie du mich fast umgebracht hast“, murrte ich und sah schmollend auf meine Tasse. Dennoch spürte ich nur zu deutlich die Blicke der anderen auf mir. Sicher wollten sie wissen was es bedeutete, dass Apollon mich fast umgebracht hätte. „Nya-chan! Ich wollte dich nicht umbringen. Es war der einfachste Weg die Kletterwand runter zu kommen. Du warst so erschöpft, so erschöpft warst du.“ Mir zuckte die Augenbraue bei Apollons Worte und scheinbar war ich nicht die einzige, denn Hades ließ ein leises Seufzen von sich hören, während Dionysos sich die Hand gegen die Stirn schlug. „W-Was? Ihr ist doch nichts passiert. Ich hatte sie sicher in den Armen gehalten, ganz sicher!“ „Aho... Ich hoffe für dich, dass niemand euch gesehen hat“, tönte Thoth von der Couch und demonstrierte damit, dass er uns zuhörte. „Glücklicherweise hat niemand es gesehen. Ich hätte nicht gewusst, wie wir den Leuten sonst erklärt hätten, warum Apollon sich nicht die Beine gebrochen hat“, murrte ich leise. Im Nachhinein betrachtet war Apollons Sprungaktion nicht nur gefährlich sondern auch verräterisch gewesen. Er war ein Gott, natürlich passierte ihm dann bei so einem Sprung nichts. Doch wie sollte man das Normalsterblichen erklären? „Das Schlimmste daran war aber, dass Apollons Magen mich nach der Landung angeknurrt hat.“ Ich musste lachen. Immer noch war die Erinnerung gerade an diese Situation einfach nur lächerlich und belustigend, zum Leidwesen von Apollon, dem das ganze scheinbar unsagbar peinlich war, denn er errötete und sah weg, wahrscheinlich hoffend, dass keiner es bemerkte. „Ich hatte Hunger, Hunger hatte ich. Im Gegensatz zu jemand anderen hier, der wieder wie ein Spatz gegessen hat, wie ein Spatz.“ Ich murrte leise, denn das war etwas, dass niemand wissen sollte. Es reichte doch schon, dass Apollon und Thoth es bemerkt hatten, wie wenig ich aß. Der Rest sollte das nicht auch noch merken. „Ein Mensch kann eben eine Woche ohne Essen aushalten. Aber da ich etwas esse, ist das doch vollkommen okay.“ Allmählich wusste ich wie sehr es meiner Mom auf die Nerven gehen musste, wenn alle um sie herum sagten, dass sie zu wenig aß. Vielleicht zeigte sich auch gerade jetzt, wie ähnlich sie und ich uns waren. So lange wir etwas aßen, gab es aus unserer Sicht kein Problem. Es war ja damit nicht so, dass wir Hungern würden. „Das ist aber zu wenig und nicht gesund“, konterte Apollon und ich verdrehte die Augen. „Übertreib mal nicht. Sieh mich an, ich habe genug Pfunde, ich werde es also überleben.“ Pfunde? Na gut, abgesehen davon, dass ich warum auch immer auf einmal ein paar Pfunde verloren hatte, konnte man nicht wirklich davon reden, dass ich dick war. Mein Vater hätte nun wahrscheinlich gefragt, wo ich denn Pfunde hätte und hätte gleichzeitig als Antwort meine Zunge genannt. Meine Eltern... Dieser Gedanke traf mich wie ein Schlag. Ich hasste es zwar das sie nicht mehr zusammen waren und mochte es nicht, dass mein Vater sich mit anderen Frauen traf, aber dennoch vermisste ich ihn. Wie lange würde es wohl dauern, bis ich sie wieder sah? Ich wusste es nicht, ahnte aber, dass dies wohl ganz allein an mir lag. Ich musste das Geheimnis herausfinden, warum ich in der ägyptischen Totenwelt gelandet war. Doch... „Ist eigentlich Susanno-o schon mal wach gewesen?“, fragte ich schließlich als mir wieder einfiel, warum wir hier waren. „Richtig, ich habe Susanno-o-sama das Essen gebracht. Da schlief er noch. Dionysos-sama, würdest du bitte nach ihm sehen?“ Lächelnd sah Shizuku zu Dionysos der nickte und sich erhob. Also hatte sich bei Susanno-o nichts verändert. Das gab mir nun doch zu denken. Wie lange würde er noch schlafen? Sollten wir ihn vielleicht einfach Shizukus und Reijis Obhut überlassen und weiter auf die Suche nach unsere Antworten gehen? Wobei, wo sollten wir dann ansetzen? Mein Blick glitt zu Thoth. Ich fragte mich, ob er bereits wusste, wohin uns unsere Reise als nächstes führen sollte. Ob ich ihn fragen durfte? Mit Sicherheit. Nur ob er mir antworten würde, stand auf einem anderen Papier. 'Warum hat Zeus uns hier her geschickt...' Es war ein Gedanke der mir plötzlich wieder durch den Kopf schoss. Warum? Nicht wir hatten Japan als Reiseort festgelegt, es war Zeus gewesen. Nur Warum? Warum bist du hier? Was willst du? Zeus entscheidende Fragen waren immer noch wie ein Anker in meinen Gedanken und tauchten auf, wenn ich es am wenigstens brauchte um mir meinen Halt zu nehmen. Ja, warum war ich hier? Hier im allgemeinen, nicht in Japan, wobei auch das eine berechtigte Frage war. Was wollte ich? Ich wollte so vieles. Immer noch. Aber war dass alles nur mein Wollen. Mein egoistisches Wollen? Oder stellte ich andere wieder in den Vordergrund? Ich wollte Thoth helfen, soviel war klar. Ich wollte auch Susanno-o helfen. Ich wollte Anubis zeigen, dass die Menschen nicht alle schlecht waren, auch wenn das wohl das schwerste von allem war. Ich wollte Apollon, Dionysos und Hades irgendwie glücklich machen. Warum? War das vielleicht schon purer Egoismus den ich mit Nächstenliebe tarnte? „Takeru ist weg!“ Dionysos, der von oben runtergepoltert statt gelaufen kam, riss mich aus meinen Gedanken und versetzte mein Herz in Panik. „Was?!“, antwortete ich ihm sofort und erhob mich von meinem Platz. „Takeru, er ist weg. Sein Futon ist leer, das Fenster war offen.“ Ein Horror. Ich sah vor meinen inneren Augen förmlich wie Susanno-o aus dem Fenster gestiegen war. Wie jemand, der auf der Flucht war, oder verzweifelt genug um dieses Verhalten bei seinen Freunden an den Tag zu legen. Allein dass Susanno-o zu dieser Maßnahme griff ließ mich erschaudern und riss mir förmlich den Boden unter den Füßen weg, weswegen ich mich auf den Stuhl sinken ließ. Warum? „Keine Sorge, Nya-chan, wir finden ihn!“ Apollon schien zu merken, dass mich diese Tatsache vollkommen aus der Bahn warf. Anders als ich, zögerte er nicht und ging sofort in Richtung der Haustür. Ich hingegen stand völlig neben mir. Warum? Ich hörte wie die Balkontür aufgeschoben wurde und sah zu dieser, erkannte aber nur noch Thoth und Anubis die ebenfalls das Wohnzimmer verließen. Was konnte ich tun? „Ich werde mit Apollon-san und den anderen am Strand suchen. Weit kann er nicht sein“, hörte ich Reiji ruhig sagen. Wie machten sie das? Wie konnten sie ruhig bleiben, während ich mit den Tränen kämpfte, und absolut keine Ahnung hatte, was ich tun konnte. Warum? Ich sah auf meine Hände die zitterten. Warum? Warum fühlte sich das so seltsam in meiner Brust an? Warum hatte ich auf einmal Angst? Warum fühlte ich dieses böse Gefühl der Panik die mich zu überrennen drohte? Meine Schuld... Ich holte tief Luft und versuchte dieses Gefühl der Hilflosigkeit nieder zu kämpfen. Warum, warum, warum? Warum war mir so wichtig, dass Susanno-o hier war? Es konnte mir doch egal sein. Er wollte nicht mit uns reden. Er wollte augenscheinlich nicht einmal hier sein. Und doch klammerte sich alles in mir gerade an dieser Panik fest ihn zu... verlieren. Konnte man etwas verlieren, zu dem man nicht einmal Bezug hatte? 'Ganz ruhig... Er ist aus dem Fenster... Wahrscheinlich in Göttertracht... Doch wohin will er?' Ich ermahnte mich immer mehr zur Ruhe und überlegte. Wohin konnte er gehen? Sicher nicht an den Strand. Nicht wenn er aus dem Fenster floh. „Shizuku, ich muss nach ihm suchen!“ Es war wie ein Reflex der mich plötzlich antrieb. Auch wenn ich vollkommen ahnungslos war. Ich konnte nicht einfach hier sitzen bleiben und warten, dass die anderen zurückkamen. 'Weit kann er wirklich nicht sein, er ist verletzt... vielleicht reichen seine Kräfte nicht lange... das sollte er selbst wissen...' Ich sprang förmlich von meinem Platz auf, der mir vor wenigen Sekunden noch genug Halt gegeben hatte. Jetzt war nicht die Zeit in einem schwarzen Loch zu versinken. Ich musste Takeru finden, bevor ihm etwas schlimmes passierte.   Warum ich trotz meines Wissens, dass er wohl nicht am Strand sein würde, genau da nach ihm suchte, war mir immer noch ein Rätsel. Aber es war alles was ich wahrscheinlich in diesem Moment tun konnte. Ich lief den Strand entlang, rief seinen Namen und sah mich um, doch alles was ich fand waren Hades und Dionysos. „Habt ihr ihn gefunden?“, rief ich beiden zu, als ich mich ihnen näherte. Schwer atmend hielt ich vor den Göttern inne und stützte mich auf meine Oberschenkel ab um erst einmal wieder zu Atem zu kommen. „Leider nein. Vielleicht haben Apollon und Reiji mehr Glück. Sie suchen auf der anderen Seite“, klärte mich Hades auf. „Und Thoth und Anubis?“, fragte ich. Seit sie das Wohnzimmer über die Terrassentür verlassen hatten, waren sie mir nicht mehr begegnet. Seltsam. „Keine Ahnung wo die beiden stecken“, murmelte Dionysos und sah mich dabei besorgt an. „Habt ihr eine Idee wo Susanno-o hingehen könnte? Ihr kennt ihn besser als ich.“ Ich kam langsam wieder zu Atem und richtete mich auf. Es würde nicht viel mehr bringen, wenn wir ziellos durch die Gegend liefen. Es musste also ein Plan her. „Wie ich ihn kenne, wird er die Konfrontation mit seinem Vater suchen“, murmelte Hades und erweckte dabei wieder eine Sorge mehr in mir. Wenn Takeru wirklich ins Götterreich gehen wollte hatten wir ihn vielleicht sogar schon verloren. „Wie wahrscheinlich ist es, dass er es bis dahin schafft, wenn sein Vater ihn verbannt hat?“, fragte ich daher und bemühte mich ruhig zu wirken. Dabei war ich alles andere als ruhig. Doch Dionysos und Hades antworteten nicht. Wussten sie es nicht? Oder wollten sie mich nicht beunruhigen mit der Antwort? Verdammt. „Ich schlage vor wir gehen zurück. Vielleicht haben Reiji und Apollon ihn doch gefunden.“ Ich seufzte, nickte aber auf Hades Vorschlag. Etwas anderes blieb uns gerade wahrscheinlich nicht.   Als ich Reiji und Apollon ohne Takeru sah, wusste ich, dass auch sie wenig Erfolg bei der Suche hatten. Verdammt. „Ihr habt ihn also auch nicht gefunden, habt ihr nicht?“, fragte Apollon und sah dabei besorgt zu seinem Onkel und seinen Bruder. Hades jedoch schüttelte nur mit dem Kopf. Ich hingegen kämpfte gegen die nächste Panikattacke an, die in mir aufkam. Takeru... weg... Das war der grausigste Gedanke der mich erfasste und noch immer fragte ich mich warum. 'Weil ich fürchte... das ich ihn brauche um nach Hause zu kommen.' Es war wie der Geistesblitz den ich brauchte um zu realisieren, was Takeru mir wirklich bedeutete. Und schon war die Panik da. „W-Wir müssen ihn finden...“, stotterte ich zusammen, meine Umgebung gänzlich ausblendend. „S-Sonst k-komme ich nie wieder nach Hause...“ Mein Atem wurde schneller, der Boden zog sich mir wieder unter den Füßen weg, während alles um mich herum dunkler wurde. Ein deutliches Zeichen, dass ich medizinisch wohl hyperventilierte und mein Körper darauf reagierte. Ich spürte das Zittern, und wie meine Hände in Pfötchenstellung gingen aufgrund des Verlustes von Sauerstoff. „Spätzünder!“ Auch wenn ich ein Stimmengewirr um mich herum gerade noch wahrnahm, war seine Stimme doch die einzige die zu mir vordrang. Thoth. Und gleichzeitig beruhigte sie mich. Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich an Hades gelehnt war. Mein Sichtfeld wurde wieder klarer und da stand er. Takeru. Er war da. Er war wieder da. „Du hast ihn gefunden, Thoth-sensei, du hast ihn gefunden. Wo war er, wo war er?“, fragte Apollon wobei ich selbst bei ihm Erleichterung aus der Stimme hören konnte. Doch Thoth schien nicht vorzuhaben uns irgendetwas zu sagen. Stattdessen wandte er sich wieder an Takeru, der alles andere als erfreut darüber schien, dass Thoth, ausgerechnet er, ihn gefunden hatte. „Erklär es ihnen, Fehlschlag!“, forderte Thoth und schob Takeru unsanft ins Blickfeld aller. „Du mieser...“, knurrte Takeru, dem es sichtlich missfiel, das Thoth ihn auch noch Befehle erteilen wollte. „Ich hab euch gesagt, dass euch das alles nichts angeht. Ich brauche keinen Babysitter der mich von meinem Weg abbringt. Außerdem habe ich keine Zeit um mit euch einen auf gut Freund zu machen. Also lasst mich in Ruhe.“ Ich sah wie eine bedrohliche Ader wieder auf Thoths Stirn zum Vorschein kam. Weder er noch Takeru gehörten zu den Charakteren die eine lange Zündschnur hatten. Eine gefährliche Kombi also, wenn beide aufeinander trafen. Und irgendwie war es spannend. „Hör zu, wenn es nicht wegen dem Spätzünder wäre, würde ich mich nicht darum scheren, was in deinem Spatzenhirn vorgeht! Aber ihr scheint an einem Fehlschlag wie dir etwas zu liegen.“ „Hey, Thoth, das ist ni-“ „Halt dich da raus!“, fuhr Takeru mich an, als ich mich peinlich berührt einmischen wollte. Es war ja nicht so, dass mir viel an ihm lag... wobei irgendwie doch. Oder nicht? Keine Ahnung. „Haltet euch alle da raus! Was ist aus der verdammten Regel: 'Götter mischen sich nicht in die Belange andrer Götterreiche ein' geworden?“ Nun war es die Ader an Takerus Kopf die zum Vorschein kam. „Aber Take-Take, wir haben nicht vor uns einzumischen. Wir wollen dir nur zur Seite stehen, wenn du Hilfe brauchst“, versuchte Apollon nun sein Glück. „Kapiert ihr es nicht? Es ist vorbei? Wir sind nicht mehr an dieser Schule gefangen und spielen Freunde um unseren Abschluss zu bekommen! Wir sind getrennte Leute!“ Das war schon sehr harsch von Takeru. Apollon hatte so eine Abfuhr nun weiß Gott nicht verdient. Oder die anderen. Was war aus ihrer Freundschaft geworden? War die Takeru nichts wert? Freute er sich nicht ein wenig seine alten Freunde wiederzusehen? „Takeru, beruhige dich“, forderte nun Hades mit ruhiger Stimme. „Ich hab euch gesagt, ihr sollt mich bitte nicht mehr bei diesen Namen nennen! Kapiert ein für alle Mal, dass nichts mehr ist wie damals!“ „Na, na.“ Ich sah zur Tür des Hauses und erkannte Shizuku, die lächelnd aus dem Haus trat. Scheinbar hatte der Lärm hier draußen sie dazu angeregt sich zu uns zu gesellen. Das hätte niemand ihr verübeln können. Selbst ich wäre wohl rausgekommen. „Susanno-o-sama. Beruhige dich bitte. Es bringt nichts zu streiten. Es fallen dann nur Worte, die am Ende alle bereuen.“ Mit ruhiger und sanfter Stimme sprach Shizuku auf Takeru ein, der von ihr wegblickte. Seltsam. Etwas an Shizuku schien wirklich autoritär auf Takeru zu wirken. Bei ihr wehrte er sich nicht, moserte nicht soviel herum und erhob schon gar nicht die Stimme. Das war mir schon am Abend zuvor aufgefallen, als sie sich um seine Verletzungen gekümmert hatte. „Shizuku hat Recht, Takeru. Ich kann deinen Unmut verstehen, aber versteh bitte auch unsere Sorgen. Du bist ein Freund von uns gewesen. Du bist verletzt und haust ab. Wir meinen es nicht böse, wir sorgen uns nur um dich“, ergänzte Hades und sah dabei ernst zu Takeru. Es war schlussendlich auch Hades, der Takerus Wut scheinbar deckelte, was mich nur wieder daran erinnerte, dass Takeru den griechischen Gott der Unterwelt eigentlich respektierte und bewunderte, weil er ihn irgendwie cool fand. Damit war es nicht verwunderlich, dass Hades wohl einer der wenigen war, der wirklich zu Takeru vordringen konnte. „Lasst uns erst einmal alle reingehen. Ich mache uns einen Tee und wir kühlen erst einmal unsere Gemüter ab.“ Lächelnd sah Shizuku in die Runde und bekam für ihren Vorschlag ein anerkennendes Nicken. „Ich kann nicht...“, wisperte Takeru reumütig. „Ich hab euch doch gesagt, dass ich etwas zu tun habe, da bleibt keine Zeit für einen Tee.“ Takerus Widerstand war immer noch nicht geschmolzen. Die Distanz zwischen ihm und seinen Freunden schien selbst bei seiner Bewunderung für Hades noch viel zu groß. „Takeru...“, seufzte Hades und sah den Meeresgott nun ernster an. „Du weißt selbst ganz genau dass du, was auch immer du zu erledigen hast, es nicht erfolgreich erfüllen kannst, wenn du keinen kühlen Kopf bewahrst. Schon gar nicht wenn du auch noch nicht bei vollen Kräften bist.“ Geschlagen seufzte Takeru. Man sah ihm deutlich an, dass er es wusste. Auch wenn ihm dieses Wissen widerstrebte. „Schon kapiert... einen Tee aber bloß.“   Ich hatte mich während des Tees etwas abgelegen von den Göttern hingesetzt. Takeru wahrte wirklich die Ruhe, sprach aber nicht weiter darüber, was er vor hatte, oder was er tun musste. Dennoch war es gut zu sehen, dass er seinen Tee in Ruhe trank, während Reiji mit ihm sprach. „Weißt du was dir gut tun würde, Susanno-o-sama. Ein Angelausflug. Mein Boot ist zwar fort gespült aber wir können am Bootsteg noch ein paar Fische an Land ziehen. Was hältst du davon? Wir fangen viele Fische und grillen sie am Abend am Strand.“ Reiji grinste über beide Ohren und man konnte deutlich sehen, wie es in Takerus Kopf arbeitete. Er hatte einem Tee zugesagt und keinem Anglerausflug. Ich fürchtete daher, dass er Reijis Angebot ablehnen würde. Doch er schwieg einfach nur. „Das ist wirklich eine tolle Idee, Hon. Ich werde dann alles für das Abendessen vorbereiten, also bringt ein paar große Fische mit.“ Weiterhin protestierte Takeru nicht. Was seltsam war. Hätte ich den Vorschlag gemacht, wäre er sicher wieder an die Decke gegangen. Doch bei Shizuku und Reiji gab er nach. Er schien sich sogar wohl bei ihnen zu fühlen, was interessant zu beobachten war. Besonders Shizuku gegenüber war Takeru ganz anders. 'Vielleicht liegt es daran, dass sie aus seiner Sicht keinen Yui-Ersatz spielt', dachte ich und beobachtete, wie Takeru sich mit Reiji erhob und diesem folgte. „Shizu-Shizu, ich helfe dir, das werde ich.“ Apollon schien begeistert von der Idee des Grillens zu sein und erhob sich. „Ich werde dann mal ein paar Weine für den Abend aussuchen“, erklärte Dionysos, der sich lächelnd erhob und hinter Reijis Heiligtum verschwand. Der Gedanke, dass auch heute Abend wieder getrunken werden sollte, bereitete mir nun doch ein paar Sorgen. Noch mehr Sorgen machte ich mir allerdings um Reijis Reserven. Immerhin um eines musste ich mir keine Sorgen machen. Um Takeru. Solange er Beschäftigung hatte, würde er mit Sicherheit nicht wieder Hals über Kopf losstürzen. Die Frage war nur, was machte ich nun? „Wir haben genug Zeit an den Fehlschlag verschwendet. Lasst ihn einfach ziehen wenn er gehen will...“, hörte ich Thoth murren, der noch mit Hades am Tisch saß. Es war offensichtlich, dass ihm das alles widerstrebte, gleichzeitig fragte ich mich deswegen aber, warum er sich auf die Suche nach Takeru gemacht hatte, wenn ihm das alles so egal war. Schließlich war er es auch gewesen, der ihn gefunden hatte. „Nicht solange er so ist...“, murmelte Hades und starrte dabei gebannt in seine Tasse. Was mochte ihm wohl durch den Kopf gehen? Was empfand er, wenn er Takeru Dinge sagen hörte wie das die Vergangenheit eben Vergangenheit war und diese als Farce darstellte? 'Wie egoistisch von mir...' Die ganze Zeit hatte ich mich nur darum gekümmert, wie es mir mit der ganzen Sache um Takeru ging. Mit seinen Problemen, die nicht meine waren und mit seinem plötzlichen Verschwinden. Ich erhob mich von meinem Platz und ging zu Hades und Thoth. „Hades?“ Ich blieb am Tisch stehen und sah zu dem Gott der Unterwelt, der zu mir aufsah. „Uhm... Wegen Susanno-o...“ Ich wusste nicht, wie ich genau mein Anliegen oder eher meine Frage formulieren sollte. Hades schien das zu verstehen und zog den Stuhl neben sich etwas zurück damit ich mich setzen konnte. Thoth hingegen erhob sich. Es schien ihn in keinster Weise zu interessieren, was wir bereden würden. „Zeitverschwendung...“, hörte ich ihn nur nuscheln. Etwas das ich persönlich als unnötig empfand, denn Thoth hatte auf seine Weise schon die ganze Zeit klar gemacht, dass er die Suche nach Susanno-o als Zeitverschwendung gesehen hatte. Anders sah es da bei den Griechen aus. Ihnen lag eindeutig etwas an Takeru. „Susanno-o und du... ihr scheint gute Freunde zu sein. Hat er vielleicht zu dir gesagt was los ist?“ Hades schüttelte mit dem Kopf und schien dabei fast schon deprimiert, dass Takeru ihm wirklich nichts erzählt hatte. Oder vielleicht war er es auch allgemein über sein Verhalten. „Was glaubst du, warum er so ist?“, fragte ich schließlich. Ich musste mehr über ihn erfahren. Wesentlich mehr. „Ich muss gestehen, dass ich es nicht weiß. Auch wenn es eindeutig Takeru ist und wir ihn gut kennen sollten, ist er wie ein Fremder für mich. Wir waren mal gute Freunde. Damals in der Schule. Manchmal hat er sich mir nach seinem Training angeschlossen und wir haben gemeinsam die Sterne betrachtet. Ich kann mir nur vorstellen, dass der Streit zwischen seinem Vater und ihm, ihm sehr stark zu schaffen macht. Takeru schien immer um seine Aufmerksamkeit bemüht gewesen zu sein. Zumindest war es das, was er sich gewünscht hatte.“ Das waren Fakten, die in der Serie nicht vorkamen. Interessant. Allerdings ergab es schon Sinn. Takeru wollte Aufmerksamkeit von seinem Vater, bekam sie aber nicht und wenn dann nur, wenn sein Vater wieder die schlechten Seiten sah. Was dazu führte, dass sie miteinander stritten. Allerdings erklärte das nichts über Takerus abweisende Haltung. „Sie glauben alle, er habe seine Mutter umgebracht...“, sagte Hades plötzlich und blickte dabei zur Terrassentür. „Was meinst du?“, fragte ich verwundert und erinnerte mich daran dass Takeru so etwas in der Art im Anime gesagt hatte. Wobei viel eher hatte er gesagt, er habe eine Göttin umgebracht, nicht seine Mutter. „Die Göttin die auf Takeru aufpasste, war seine Mutter. Die einzige, die seinen Zorn bändigen konnte. Die einzige, die ihn nicht deswegen mied. Und dann ist ihr dieses Unglück widerfahren und hat sie auf ewig an den Yomi gebunden. Viele Götter, nicht nur jene hier, auch bei uns, glauben, dass er es war. Dabei trifft ihn keine Schuld. Aber seit diesem Tag geriet er immer wieder mit seinem Vater aneinander. Das erzählt man sich überall in den Götterreichen.“ Ich schluckte schwer. Ob Takeru wusste, dass seine Mutter die Göttin war, deren Ableben ihn so traumatisiert hatte? „Er versucht alles, damit so etwas nicht wieder passiert. Vielleicht, fürchtet er... nein, eigentlich hoffe ich das, dass er uns einfach nicht verlieren will und deswegen nicht möchte, dass wir uns in seine Angelegenheiten einmischen. Er kennt uns und weiß, dass wir das tun würden, wenn wir wüssten, was los ist. Es ist aber nicht gut, dass er sich damit zum einsamen Wolf macht.“ Deutlich konnte ich in Hades Stimme hören, wie sehr Takerus Abweisung ihm wirklich zu schaffen machte. Sie wollten ihm helfen. Weil er ihr Freund war. „Dann finden wir heraus was los ist. Ob er will oder nicht.“ Ich lächelte breit und sah wie Hades mich mit Verwunderung ansah. „Aber...“ „Kein Aber. Er ist euer Freund und er ist euch wichtig. Ihr solltet euch also zu erst um Susanno-o kümmern, bevor wir weiterreisen. Ich werde auch mein möglichstes geben euch zu helfen, oder viel eher alles geben um euch nicht im Weg zu stehen.“ Es war der einzige Entschluss den ich treffen konnte. Schließlich wusste ich sowieso nicht, wie unsere Reise weitergehen sollte. Takeru zu helfen gab mir da noch etwas Bedenkzeit. Vielleicht fiel mir dann etwas ein. Noch dazu hatte Thoth gesagt ich sollte zu Ende bringen was ich angefangen hatte. Also, warum sollte ich es dann nicht tun?   **~~**   Die Sonne senkte sich langsam dem Zenit entgegen. Am Strand hatten Dionysos und Apollon bereits ein Feuer entzündet. Wobei es urkomisch war beiden dabei zuzusehen. Apollon hatte immerhin versucht Wein über die Hölzer zu schütten weil er gehört hatte, dass Alkohol gut brannte. Dionysos war schon vollkommen panisch gewesen und hatte daher allen Wein vor Apollons Finger versteckt. Oder viel mehr, er hatte mir die Flaschen zur Aufsicht gegeben. Gemeinsam mit Hades hatten sie dann alle möglichen Varianten des Feuer machens probiert. Sie hatten große Steine, die sie gefunden hatten einander gerieben. Keine Feuersteine, wie sich sicher jeder denken kann. Ebenso hatte Apollon eine Lupe benutzt, allerdings war auch das nicht von Erfolg gekrönt. Hades hatte schließlich vorgeschlagen, ein Stock auf einem Brett zu drehen. Clevere Idee wenn man es physikalisch sah, bis auf etwas Rauch hatten sie aber nichts zustande bekommen, was Hades wie gewohnt auf seinen Fluch schob. Alles in allem hatten sie wirklich eine ganze Stunde damit zugebracht das Feuer zu entzünden. Letztenendes hatte ihnen Thoth etwas entgegen gemurrt von wegen „Feuerzeug“. Damit war Thoth also der Held des Tages, auch wenn sich Apollon selbst wie einer sah. Ich musste immer noch darüber schmunzeln, wie sich die Götter mit so einer einfachen Sache einfach nur anstellen konnten. Der Gedanke sie besser niemals auf einer einsamen Insel ohne Feuerzeug stranden zu lassen, war damit berechtigt. „Nya-chan, haben wir nicht ein großes Feuer gemacht? Es ist riesig!“, rief Apollon mir stolz zu und winkte während er ein weiteres Holzscheit reinwarf. „Nicht soviel Holz, Apollon, die Flammen werden sonst zu klein!“, murrte Dionysos, der scheinbar befürchtete die ganze Feuer Entzündungsnummer noch einmal durchziehen zu müssen. „Das habt ihr super hinbekommen“, merkte ich nur grinsend an. Apollon bemerkte nicht einmal den Sarkasmus, was schon wieder irgendwie niedlich war. „Ah schau nur, Susanno-o-sama, das Feuer brennt schon. Dann kommen wir ja gerade richtig.“ Ich hörte nicht unweit von mir das Knirschen von Sand unter festen Schuhwerk und sah in die entsprechende Richtung, in der ich auch schon Takeru und Reiji erblickte, die jeweils ein Bündel zusammengebundener Fische trugen, welche verschiedenste Größen hatten. Scheinbar war ihr Angelausflug erfolgreich gewesen und selbst Takeru trug ein stolzes Lächeln auf den Lippen. Er wirkte ruhiger als zuvor und man konnte deutlich sehen, dass er Spaß gehabt hatte. Wer wusste schon, was er mit Reiji alles besprochen hatte? Ich hielt mich dennoch weiter auf abstand und beobachtete einfach, wie Takeru zu seinen Freunden ging und sie ansah. „Ihr habt aber viele Fische gefangen, ganz viele Fische.“ Apollon konnte wirklich niedlich sein, wenn er so kindlich naiv war. Gerade jetzt, als er strahlend die ganzen Fische betrachtete. Takeru hingegen schien fast schon vor Stolz zu platzen, als Apollon das anmerkte. „Susanno-o-sama hat wirklich ein gutes Händchen beim fischen. Die meisten Fische hat er gefangen“, erklärte Reiji und steigerte damit Takerus Stolzlevel um ein paar mehr Punkte. „Als Gott des Meeres ist das doch klar!“ Auch wenn Takeru es versuchte runterzuspielen, merkte man deutlich wie verlegen es ihn auch teilweise machte. Er war eben voll und ganz eine Tsundere. „Außerdem... musste ich mir Mühe geben. Immerhin...“ Takeru sah gen Boden und versuchte sein bestes den Blicken seiner Freunde auszuweichen. „... bin ich das meinen Freunden schuldig, denen ich Sorgen bereitet habe. Denn das tut mir leid.“ Das Fangirl in mir musste sich beherrschen. Gott war das süß wie Takeru da stand, etwas herum druckste und schließlich offen zu seinen Gefühlen stand oder es zumindest versuchte. „Das heißt aber nicht, dass ihr euch in meine Angelegenheiten einmischen dürft!“, setzte er noch nach und zerstörte das was er gerade aufgebaut hatte. Augenscheinlich. Immerhin er hatte sich entschuldigt. Das war doch schon einmal ein Anfang, auf den man vielleicht aufbauen konnte. „Ich geh dann mal rein...“, gab Takeru schließlich noch an und legte seine Fische auf den Boden, der mit einer Decke bedeckt war, ab, bevor er sich ins Haus begab. Alles im Leben braucht seine Zeit. Zeus hatte wohl Recht. Vielleicht brauchte Takeru einfach gerade etwas Zeit um mit sich selbst klar zu kommen. Es war also besser wenn wir sie ihm gaben. Solange er nicht wieder floh, mussten wir uns auch keine Sorgen machen.   Die Vorbereitungen für das Grillen waren im vollen Gange. Neben dem Lagerfeuer hatte Reiji noch einen richtigen Grill aus dem Keller geholt. Die Fische wurden also auf zwei verschiedene Weisen gebraten oder eher gegrillt. Einmal im ganzen Stück über dem Lagerfeuer und dann in filetierten Stücken auf dem Grill, zusammen mit etwas Gemüse, welches ich zusammen mit Shizuku fertig gemacht hatte. Ein paar der Fischfilets bekamen sogar eine Marinade. Oder eher es gab zwei verschiedene Marinaden. Eine einfache, die aus Zitronen, Öl, ein paar Kräutern und Salz bestand und eine mit Chili als Komponente, für jene die es scharf mochten. Shizuku zeigte mir die Rezepte und ich war mir sicher, dass ich sie auch ohne Probleme Zuhause nachkochen konnte. Wenn auch etwas abgeändert, schließlich hatte ich hin und wieder auch vegetarische Gäste zu Besuch. Gespannt war ich allerdings auch auf einen der Weine den Dionysos empfohlen hatte. Da ich heute etwas besserer Laune war, stand der ersten Kostprobe und dem einhalten eines Versprechens nichts mehr im Wege. Irgendwie kam sogar so etwas wie Partystimmung bei mir auf, auch wenn ich nicht wusste, was das ganze ausgelöst hatte. Vielleicht war es ja der Tag mit Apollon gewesen oder die Tatsache, dass es witzig war zuzugucken wie Apollon sich als Grillmeister versuchte während Hades am Lagerfeuer saß und mit einem Fächer diesen noch Luft zuwedelte, damit es kein weiteres Mal ausging. Dionysos hingegen half Shizuku noch ein wenig in der Küche. Er hatte etwas von einer speziellen Platte gesprochen, die er unbedingt kredenzen wollte. Ich ahnte, dass es irgendetwas mit Trauben zu tun hatte. Ich hingegen stand einfach da, mit einem Tablett in der Hand, auf dem sich ein Teigfisch befand der mit etwas Fisch gefüllt war. Variationenreich würde das Fischmahl also allemal sein. Dazu gab es auch verschiedene Beilagen wie Reis und Folienkartoffeln mit Quark, die aus meinem Mist gewachsen waren. Irgendetwas musste ich ja essen, denn wenn ich ehrlich war, aß ich nicht sonderlich viel Fisch. Abgesehen von Lachs in Sushi und Fischstäbchen. Aber die standen heute nicht zur Debatte. „Was für eine ausgelassene Meute...“, merkte Reiji schmunzelnd an, der aus dem Haus gekommen war und eine Gitarre in der Hand hielt. Ich sah zu ihm und konnte nicht anders als ebenfalls zu schmunzeln. „Das sind sie wohl. Wenn man sie so sieht kann man sich vorstellen wie lustig ihre Schulzeit wohl war. Irgendwie, macht mich das neidisch.“ Neid, dass war in der Tat etwas das mich befiel, wenn ich an die Schulzeit der Jungs dachte. Mitschüler wie sie hätte ich damals vielleicht gebraucht, um nicht zu dem zu werden, was ich heute war. „Wie sage ich immer, lebe nicht im Gestern, sondern im Heute und nutze die Chancen die du heute hast.“ Ich schmunzelte, denn irgendwie glaubte ich zu verstehen, was Reiji meinte. Auch wenn ich in der Schulzeit nie die Chance hatte, ich hatte sie jetzt. Auch wenn das immer noch seltsam war. Oder viel mehr eigentlich unmöglich. „Sag mal, warum hast du eine Gitarre?“ Um vom Thema abzulenken, stellte ich die wohl offensichtlichste Frage. Woher hatte Reiji eine Gitarre? Meines Wissens nach spielte Shizuku immerhin Klavier. „Ach die... Die gehörte meinen Vater. Da Apollon mir sehr musikalisch scheint, dachte ich, vielleicht könnten wir etwas Lagerfeuermusik machen.“ Allmählich wurde die Strandparty wirklich zu einer. Wir hatten Essen, ein Lagerfeuer, Decken und sogar Musik. Einfach unglaublich. Das steigerte doch gleich etwas mehr die Vorfreude. Die einzige Frage die blieb war nur, ob wir auch wirklich alle bei der Feier sein würden. Wahrscheinlich, so hatte ich es beschlossen, würde ich später wieder Anubis etwas Fisch mit Chili-Marinade bringen. Ich war mir sicher, dass er die mögen würde.   Die Vorbereitungen waren abgeschlossen und zusammen mit Shizuku, Reiji und den Griechen saß ich am Lagerfeuer. Der Duft von frisch gebratenen Fisch machte sich breit und selbst bei mir machte sich das Verlangen breit, doch mal davon zu probieren, auch wenn der Hunger erneut ausblieb. Schaden würde es nicht, denn ich wollte auch ein paar von Dionysos ausgewählten Weinen kosten. „Ich zog also an der Angel und plötzlich riss mir die Schnur. Wenig später biss derselbe Fisch bei Susanno-o-sama an und wir zogen ihn an Land.“ Die Runde war heiter und ausgelassen und Reiji gab seine und Takerus Angelabenteuer zum besten. Auch wenn die Hälfte der Storys wie die von dem entflohenen Fisch der dann von Takeru gefangen wurde, irgendwie ungewöhnlich klang. Aber gut. „Woah~ Das ist unglaublich, unglaublich ist das!“ Apollon hingegen, schien ihm diese ganzen Geschichten abzukaufen. Erneut bewies das nur, wie naiv der Sonnengott war. Aber gut, so war er eben und irgendwie wollte man ihn nicht anders haben. „Hier, Erenya. Probier den mal. Der passt am besten zu dem Fisch mit der Kräutermarinade. Er ist ganz sanft und schmeichelt dem Fisch sogar noch.“ Dionysos beugte sich zu mir herüber und goß in mein Glas einen weiteren Weißwein. Er hatte bemerkt, wie ich mir etwas von dem marinierten Fisch genommen hatte und sah es scheinbar als seine Aufgabe jedem den richtigen Wein zu kredenzen. Als Oberkellner hätte er sich sicher einen guten Ruf machen können. „Ihr solltet nicht zuviel trinken...“, hörte ich es und zuckte schuldbewusst zusammen, als sich Thoth neben mich gesellte. Überrascht sahen wir alle zu dem Ägypter der aber nicht alleine kam, denn zu meiner Rechten gesellte sich Anubis, der neugierig auf den Fisch sah. Damit waren wir fast vollständig. „Ich trinke schon nicht zuviel...“, nuschelte ich leise und nippte nur kurz an dem Wein. „Du solltest mehr essen.“ Was war das denn nun? Musste mir echt jeder Vorhaltungen machen, dass ich zu wenig aß? Warum ausgerechnet Thoth? „Ich esse doch... ich esse...“, murrte ich und schob mir, als wollte ich es ihm beweisen einen Bissen von dem marinierten Fisch in den Mund, der sogleich buttergleich in meinem Mund zerlief. Noch dazu merkte man, dass der Fisch wirklich frisch gefangen war. Das rauchige Aroma der Holzkohle kam durch und vereinte sich wunderbar mit dem würzigen Limetten Geschmack der Marinade. Nun war ich im Himmel. „Bara...“, hörte ich es neben mir und landete von meinem Himmel wieder in der Realität. Mein Blick ging zu Anubis der sich die verschiedenen Fischsorten ansah und scheinbar nicht recht wusste, welchen er nehmen sollte. „Anubis, hier.“ Sogleich nahm ich etwas von dem Fisch mit Chili-Marinade und hielt dem jungen Ägypter den Teller entgegen. „Ich denke den wirst du mögen.“ Vorsichtig beäugte Anubis den ihm entgegen gehaltenen Teller und schnupperte an dem was drauf lag. Vertrauen war gut, Kontrolle scheinbar besser. Schließlich nahm Anubis mir aber den Teller ab und begann Bissen für Bissen von dem Fisch zu essen, wobei ein glückliches Lächeln auf seinem Gesicht lag. „Hah? Du und Anu-Anu scheinen sich ja gut zu verstehen, Nya-chan!“, merkte Apollon an und ich sah zu ihm auf. „Wie? Keine Ahnung wie du darauf kommst.“ Ich hatte wirklich keine Ahnung was der Sonnengott meinte, der mich gerade breit anstrahlte. „Du hast ihm gleich den ersten Fisch gegeben den er mag“, erklärte er stolz und ließ mich damit ein wenig erröten. „E-Es ist jetzt nicht so, dass wir besonders vertraut sind. Aber irgendwie... weiß ich halt das er scharfes Essen mag. In seinem Reich hat er mir Bohnenpaste gegeben die so scharf war, dass ich beinahe deswegen gestorben bin. Ihm hingegen schien das nichts auszumachen.“ Immerhin das war eine gute Ausrede. Ich hatte es ja wirklich erlebt, wie gerne er dieses scharfe Höllenfutter mochte. Ich wusste allerdings auch was die anderen, so einigermaßen mochten. Besser aber ich verplapperte mich nicht damit. „Ich mag Avocados nicht, nein die mag ich nicht“, sagte Apollon schließlich und lächelte breit, wobei ich mich fragte, was er damit sagen wollte. „Aho, du solltest nicht so wählerisch bei deinem Essen sein...“, grummelte Thoth neben mir und ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Sagt der Gott, der wohl am wählerischsten ist. Ich hab genau gesehen, wie du heute morgen die Maiskörner aus dem Salat gepickt und als einziges gegessen hast. Selbst jetzt rührst du nichts vom Fisch an. Stattdessen isst du die gegrillten Maiskolben.“ Kaum dass ich das gesagt hatte, schenkte Thoth mir den bösen Blick. Wunder Punkt getroffen, definitiv. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, mahnte er mich drohend wobei ich erneut demonstrativ einen Bissen des Fisches nahm. „Ich esse...“, murrte ich, hörte aber wenige Zentimeter von uns Shizuku kichern. „Thoth-sama und Erenya-san scheinen wie für einander gemacht.“ Gleichermaßen entsetzt sahen Thoth und ich zu Reiji. Es war deutlich zu sehen, dass dieser es nicht ernst meinte, aber gerade mir, ging dieses geshippe auf die Nerven. „Nur über meine Leiche...“, murmelte ich und erneut spürte ich den bösen Blick Thoths. „Nicht einmal im Traum...“, konterte er und ich musste gestehen das diese Art von Gespräch doch schon sehr an unsere erste Begegnung erinnerte. „Wer will schon in deinen Träumen sein? Ich habe sicher besseres zu tun.“ „Zum Beispiel?“ „Schreiben.“ „...“ Schweigen. War das echt alles was er mir noch entgegenzusetzen hatte? Wenn ja, dann hatte ich dieses Gespräch gewonnen. „Oh richtig. Nya-chan schreibt ja. Würdest du uns etwas vorlesen, würdest du?“ Mein Blick wandte sich zu Apollon, der mich strahlend anlächelte. Verlegen sah ich weg und schüttelte den Kopf. Niemals würde ich ihnen etwas aus dem Buch vorlesen. Das war peinlich. Oberpeinlich. „Ist hier noch Platz?“ Vorsichtig blickte ich hinter mich und erkannte Takeru. Es war unglaublich, aber er hatte mich angesprochen, weswegen ich etwas mehr in Richtung Thoth rutschte und dem Japaner platz machte. Neben Thoth wollte ich ihn doch nicht sitzen lassen, denn das sollte eine Party sein und keine Schlacht. „Take-Take, schön das du da bist. Der Fisch den du mit Rei-Rei gefangen hast, ist wirklich lecker, ja das ist er. Probier ihn, probier ihn.“ Apollon hatte sich erhoben und einen Teller mit allen möglichen Sorten von gebratenen Fisch befüllt. Er reichte ihm seinen Freund, der kurz zu Apollon starrte und zu zögern schien. Schließlich nahm er aber den Teller und ich hätte schwören können, dass er ein klein wenig gelächelt hatte.   Irgendwie war es klar gewesen, dass wir selbst mit den besten Essern nicht alles von den Speisen verputzen konnten. Es war zwar weniger als die Hälfte, aber dennoch genug was übrig geblieben war. Dennoch, alle waren satt und glücklich. Da ich Thoth nicht weiter verärgern wollte, hatte ich es bei zwei Gläsern Wein belassen und war danach auf heiße Schokolade und warmen Tee umgestiegen. Damit blieb ich nicht die einzige. Lediglich Dionysos nippte noch etwas länger am Wein und stieg schließlich auf warmen Sake um, der ihm auch zu munden schien. Wir hatten etwas Zeit tot geschlagen, indem Apollon mit der Gitarre von Reijis Vater einige Lieder zum besten gab. Ihm war es sogar gelungen welche zu spielen, bei denen auch ich hatte mitsingen können, wodurch der Spaßfaktor um ein wesentliches gestiegen war. Doch nun war die Musik verklungen und wir redeten nur noch miteinander. Kaum dass unser Gesprächsthema aber auf unseren baldigen Aufbruch geschwenkt war, hatten sich Reiji und Shizuku aus der Unterhaltung ausgeklingt und waren zu Bett gegangen. Zurück blieb für mich nur ein Gefühl der Einsamkeit, so als einziger Mensch unter Göttern. „Ich werde Shizu-Shizu und Rei-Rei vermissen...“, merkte Apollon seufzend an und in dem Punkt waren wir uns einig. „Wir sind schon viel zu lange hier. Wir sollten also überlegen, wohin die Reise als nächstes geht.“ Ich seufzte leise, als Thoth ansprach, dass die Reise ja noch irgendwohin gehen musste. Fakt war schließlich, dass ich keine Ahnung hatte . „Vielleicht sollten wir warten bis Susanno-o wieder fit ist“, merkte ich daher unsicher an und bekam sowohl von Thoth als auch Takeru einen bösen Blick zugeworfen. Da ich zwischen den beiden saß, war das kein angenehmes Gefühl. „Wie ich eben sagte, haben wir bereits genug Zeit hier verschwendet. Solange die Ereignisse noch frisch sind, sollten wir den Spuren folgen und uns nicht auf irgendwelche Ablenkungen einlassen.“ Spuren? Von welchen Spuren sprach Thoth da? Die einzige die wir hatten war... Nichts. „Ich stimme Thoth-sensei ausnahmsweise zu. Ihr scheint es eilig zu haben, also solltet ihr euch nicht um mich kümmern. Außerdem kann ich euch bei eurem Problem sowieso nicht helfen. Ich muss mich um eigene Angelegenheiten kümmern.“ Eigentlich hätte man diesen Tag im Kalender rot ankreuzen müssen. Thoth und Takeru waren sich doch tatsächlich mal bei etwas einig. Das Weihnachtswunder schien vorgezogen worden zu sein. „Aber Take-Take... Bist du dir sicher, dass wir dir nicht helfen sollen?“ Apollon war eindeutig traurig darüber, dass Takeru uns so abwies. Wer wäre das nicht gewesen, wenn man wusste das ein Freund Probleme hatte und dieser einen scheinbar nicht genug vertraute um die helfende Hand anzunehmen. „Aho, seine Familienprobleme haben nichts mit unserer Reise zu tun, also lass dich nicht von ihnen ablenken.“ Ja, es war eindeutig. Thoth war nicht gewillt Takeru zu helfen. Wer hätte das nicht bemerken können, nachdem was er schon den Tag über so gesagt hatte. „Richtig, wir müssen also einander nicht die Hände waschen, denn ich werde euch sicher keinen Gefallen schuldig sein.“ Für Takeru schien das Gespräch damit beendet zu sein, denn er erhob sich von seinem Platz und machte deutlich, dass er gehen wollte. „Ihr solltet schnellst möglich aufbrechen, wer weiß, wie lange das Wetter noch hält.“ Es sollte wohl wie ein gut gemeinter Rat klingen, aber es hatte gerade von ihm, dem Gott des Sturmes und Meeres den leichten Unterton einer Drohung. Ich seufzte leise, denn meines Wissens nach war Takeru ein Dickschädel, was wiederum bedeutete, dass es dauern könnte, bis wir ihn überzeugten. Gleichzeitig, war unser Reiseführer ebenfalls ein sturer Bock, was uns daran hindern würde die Zeit zu bekommen, die wir für den Dickschädel brauchten. Die ganze Sache war also mehr als verzwickt. „Thoth, meinst du nicht wir sollten vielleicht doch...“, setzte ich an doch verstummte, da mir der Ägypter ins Wort fiel. „Seine Probleme haben nichts mit deinen zu tun! Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du dich gefälligst auf eine Sache konzentrieren sollst.“ Ich sah betreten zu Boden. Das hatte mir Thoth in der Tat gesagt. Am Tempel. Kurz darauf hatte ich Shizuku getroffen. „Aber... Zeus hat uns hergeschickt... Meinst du nicht, dass er uns damit einen Hinweis geben wollte?“, fragte ich leise fast schon so, als traute ich mich gar nicht diese Frage zu stellen. „Zeus Wege sind manchmal unergründlich...“, hörte ich plötzlich Hades sagen und warf diesem einen bösen Blick zu. Dieser Verräter. Da versuchte man gerade eine Ausrede parat zu haben, warum man Takeru helfen musste und er nahm einen den Wind aus den Segeln. „Willst du damit sagen, dass wir rein zufällig hier sind?“, fragte ich daher schon mit leicht säuerlichen Unterton in der Stimme. „Der Trauerkloß will damit sagen, dass niemand von uns Zeus Gedanken lesen kann.“ Ganz ruhig. Ich musste ganz ruhig bleiben, weswegen ich tief Luft holte. „Dann streitet doch nicht ab, dass wir nicht wegen Susanno-o hier sind. Ihr habt keinen Beweis der das Gegenteil belegt.“ „Und du hast keinen Beweis dafür, dass es so ist, Spätzünder.“ Moah. Musste ich mich wirklich auf diese Diskussion einlassen? Das war genauso bescheiden wie wenn man mit einem Christen darüber philosophieren wollte, ob Gott wirklich existierte oder nicht. Einfach nur sinnlos. „Wir können nicht alle Probleme klären, sonst könnten wir uns gleich mit der Frage beschäftigen, was zuerst da war, das Huhn oder das Ei“, setzte Thoth noch nach als wollte er mir damit nur deutlicher machen, dass es Zeitverschwendung war sich an der Hoffnung zu klammern, dass wir Takeru helfen mussten. „Ich glaube, das Huhn war zuerst da“, mischte sich Apollon plötzlich ein. „Echt jetzt, Ahollon? Wir diskutieren darüber ob wir Susanno-o helfen oder nicht und alles wo du dich einmischst ist die wohl sinnloseste Frage der Weltgeschichte?“ Ungläubig sah ich zu dem Sonnengott, der mich treudoof anlächelte. Die Götter hatten sich also alle gegen mich verschworen. Was war das nur für eine Sache? Einerseits wollten sie Takeru helfen, andererseits aber argumentierten sie nicht gegen Thoth. Wie widersprüchlich war das denn bitte? „Es tut mir leid, das tut es. Ich fand diese Frage nur einfacher, als den ganzen Rest. Ich meine, ich will Take-Take gerne helfen, das will ich wirklich. Aber wir sollten auch seinen Wunsch respektieren, dass er es nicht will. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass du schnell wieder nach Hause kommst. Bevor...“ Apollon stockte und wich meinem Blick aus. „Bevor was?“ Apollon lag etwas auf der Zunge. Der Grund, warum sie Takeru auf einmal nicht mehr helfen wollten. Ich ahnte es, doch ich wollte es von ihnen hören. Aber er sagte es nicht. „Bevor ich überhaupt keine Zukunft mehr habe? Ist es das? Ist das euch wirklich wichtiger als euer Freund? Das kapier ich nicht und ich will es auch nicht verstehen. Wir kennen uns gerade mal 48 Stunden wenn das hoch kommt und ihr zieht mein unwichtiges Problem dem eines Freundes vor?“ Es wollte einfach nicht in meinen Kopf. Wie sollte das auch? Takeru war ihr Freund. In meiner Welt half man Freunden, selbst dann wenn sie eigentlich behaupteten, dass sie keine Hilfe brauchten. Oder vor allem gerade dann. „Sie ziehen es nicht vor, sie verlieren lediglich nicht aus den Augen, was der eigentliche Sinn der Reise ist.“ Vier gegen eine, das war definitiv nicht fair. Schon gar nicht, wenn einer der Vier der Gott des Wissens war. Super. „Ich habe keine Lust das länger mit euch zu diskutieren...“, murmelte ich und seufzte dabei leise auf. Es fühlte sich seltsam an. So als wäre Takeru ganz alleine. So als wäre ihre Freundschaft irgendwie zerbrochen, oder als hätte sie nur wegen Yui und Zeus Schule bestanden. Das war nicht richtig. Selbst jetzt, war Takeru irgendwo ganz alleine und musste über seine Probleme alleine nachgrübeln. „Dann sind wir uns ja endlich einig, dass die Reise morgen weitergeht...“, ließ Thoth verlauten und nahm meine Resignation als Zeichen seines Sieges wahr. „Werden wir nicht. Nicht nachdem du mir gesagt hast, ich soll zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Ich habe die Suche nach Susanno-o begonnen, also ziehe ich das auch bis zum Schluss durch, ob es euch passt oder nicht!“ „Na, na. Ich glaube du hast ein Glas Wein zu viel getrunken, Erenya-chan. Du solltest dich vielleicht hinlegen und ausruhen. Takeru ist ein Gott. Egal was seine Probleme sind, wenn er glaubt, dass er sie alleine lösen kann, dann sollten wir genug Vertrauen in seine Fähigkeiten setzen, dass er es kann.“ Beschwichtigend hob Dionysos die Hände und lächelte mich an. War er etwa auch gegen die Idee Takeru zu helfen? Freute sich hier überhaupt jemand Freunde aus alten Tagen wiederzusehen? War das etwa so ein Götterding? „Wisst ihr was... Ich will euch gerade nicht sehen. Ich brauche meine Ruhe.“ Ich erhob mich von meinem Platz und lies schnellen Schrittes das Lagerfeuer hinter mir. Dennoch sah ich vorsichtig hinter mich um zu prüfen ob mir jemand folgte. Diese Diskussion kam mir, wenn ich ehrlich war, gerade richtig, denn ich musste unbedingt Takeru finden. Ich wollte nur einmal kurz mit ihm unter vier Augen reden. Zum einen weil ich mich für die Ohrfeige entschuldigen wollte und zum anderen, weil ich wissen musste, was sein Problem war. Erst dann würde ich wohl entscheiden können, ob wir wirklich nur aus einer Laune von Zeus heraus hier gelandet waren. Die Frage war nur, wie würde ich reagieren, wenn es wirklich nur eine Laune seiner Göttlichkeit war? Ich hätte dann eingestehen müssen, dass Thoth wie immer Recht hatte. Verdammt. Das wollte ich nicht. 'Wahrscheinlich wäre es einfach besser gewesen ich hätte nachgegeben...' Es war ein Gedanke den ich kurz hatte. Allerdings... Da war etwas das mich störte. Wozu hatte Thoth mich am Abend zuvor in Ayanes Zimmer aufgesucht? Er hatte mir gesagt, ich sollte zu Ende bringen, was ich angefangen hatte. Was hatte ich bitte schön angefangen? Die Suche nach Susanno-o war doch als einzige auf mein Konto gegangen, oder nicht? Ich hatte ihn finden und den Sturm beseitigen wollen... Beides war erreicht. Also gab es doch nichts mehr zu beenden, oder doch? Doch, da war noch etwas. Ich wollte Antworten. Und ich konnte nicht eher gehen, bevor ich sie hatte. Dafür musste ich nur Takeru finden.   Mein Gemüt hatte sich abgekühlt, nicht aber der Wunsch Takeru zu sehen. Ich hatte so viele Fragen und ohne Antworten, wollte ich Japan nicht hinter mir lassen. Dennoch, den Meeresgott am Abend am Strand zu finden, war fast schon unmöglich. Der Vorsprung den er zu mir hatte, konnte gigantisch sein. Vielleicht war er auch wieder weggelaufen. Wer wusste das schon? Ich hatte ihn schließlich nur in diese Richtung gehen sehen, in die ich selbst gelaufen war. „Bara!“ Ich zuckte zusammen als unmittelbar neben mir das Gebüsch raschelt. Vorsichtig sah ich zu der Stelle und sah Anubis, dessen Kopf aus dem Buschwerk sah. Warum zum Teufel versteckte er sich in den Büschen? „Anubis, du hast mich erschrocken. Was machst du denn hier?“ Es war schon seltsam wie gut der junge Ägypter im Schleichen war. Ich hatte ihn nicht bemerkt, bis eben. Und das eben war wahrscheinlich von ihm beabsichtigt gewesen. „Bara bara...“ Die Büsche raschelten erneut, als er sich aus diesen „kämpfte“ und sich vor mich stellte. Es war schon seltsam, dass er mir gefolgt war. Wieso? Wozu? Hatte Thoth ihn vielleicht auf mich angesetzt? Nein, wohl eher nicht. „Ka bara bara.“ Anubis wandte sich von mir ab und ging vor. Fragend sah ich ihm nach. Es war schwer ihn zu verstehen. Erst als er sich wieder zu mir wandte und mit seiner Hand das Zeichen dafür gab, dass ich ihm folgen sollte, verstand ich. Ohne weiteres Zögern, lief ich dem jungen Ägypter nach.   Ohne Anubis hätte ich Takeru wahrscheinlich niemals gefunden. Doch ich tat es. Er stand weit abseits von allen am Strand, bewegte seinen Arm und dank einem regelmäßigen „stip stip stip“, konnte ich davon ausgehen, dass er Steine über das Wasser springen ließ. Obwohl ich ihn endlich gefunden hatte, blieb ich unsicher stehen und starrte einfach zu ihm in die Dunkelheit. Das ich wahrscheinlich die letzte war, die er jetzt gerade sehen wollte, kam mir erst jetzt in den Sinn. Es wäre wohl besser gewesen, hätte ich dieses Treffen schon vorher ein wenig durchgeplant und nicht erst in der allerletzten Sekunde. „Bara...“ Ich sah zu Anubis. Zweifelnd. Er nickte mit dem Kopf zu Takeru, so als wusste er genau, warum ich den Meeresgott gesucht hatte und als wusste er ebenfalls, dass ich gerade zweifelte. „Schon gut... ich muss es wohl zu Ende bringen, huh?“, flüsterte ich leise und holte tief Luft. Ich durfte jetzt nicht an die Decke gehen. Ruhig bleiben, wie bei meinen Kunden. Und anders als bei Thoth und den anderen. Oh Gott wie ich mich später dafür hassen würde, dass ich ihnen wieder unter den Fingern weg eskaliert war. Dennoch, darum konnte ich mich später sorgen. Wichtig war gerade nur Takeru. Vorsichtig näherte ich mich dem Gott, der meine Präsenz zwar wahrzunehmen schien, aber keine Anstalten machte mich anzusehen. Es schien sogar so, als wartete er darauf, dass ich den Anfang machte und nicht nur den ersten Schritt. „Hey.“ Was für ein selten dämlicher Anfang. „Haben die anderen dich geschickt? Dann kannst du ihnen gleich sagen, dass ich ihre Hilfe wirklich nicht brauche.“ „Oh nein. So ist es nicht. Es ist viel mehr so... dass ich dich gesucht habe. Ich... Uhm... Erst einmal sorry wegen der Ohrfeige.“ „Schon okay, ich habe sie kaum gespürt.“ Diese Aussage von Takeru knickte mich nun doch ein wenig. Sicher, ich war nicht sonderlich kräftig, aber dass die Ohrfeige so kein bisschen wehgetan haben sollte, knickte mich in meinem Stolz. „Können wir uns setzen? Ich würde gerne ein wenig mit dir reden.“ „Das trifft sich gut. Ich habe auch ein paar Sachen die ich gerne wissen würde.“ Wow, dass hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Ich hatte mir eher vorgestellt, dass Takeru in seiner tsunderen Art zu verstehen geben würde, dass er nicht mit mir reden wollte. Das aber das Gegenteil der Fall war, überraschte mich. „Gut. Dann schlage ich vor, wir wechseln uns mit den Fragen ab. Wer fängt an?“ Ich überwand nun auch die letzten Meter und setzte mich auf einen Felsen der scheinbar aus dem Boden zu ragen schien. Takeru warf einen letzten Stein über das Wasser und setzte sich neben mich. „Fang du an.“ Ladies First. Auch in Takeru steckte ein Gentleman. Soviel musste man ihm lassen. „Du wirkst irgendwie abweisend. Man glaubt kaum, dass du und die anderen wirklich Freunde seid. Deswegen frage ich mich, freust du dich denn nicht sie wiederzusehen?“ Ich sah zu ihm und bemerkte, wie der Mond sein Antlitz umspielte und schmeichelte. Seine männlichen Züge, seine goldbraunen Augen, selbst die verspielte dunkelblaue Haarsträhne, die ihm ins Gesicht hing. Ernst sah dieser Mann auf das Meer hinaus und schien zu überlegen, wie er mir klar machen sollte, was in seinem Kopf vor sich ging. „Natürlich freue ich mich. Wir sind immerhin Freunde. Allerdings fällt es mir schwer das zu genießen, wenn ich anderweitige Problem habe die dieses Wiedersehen überschatten.“ Verständlich. Daran hatte ich nicht gedacht. Selbst einem Menschen wäre die Wiedersehensfreude vergangen, wenn etwas sein Herz belastete. Erneut waren sich Menschen und Götter also gar nicht so unähnlich. „Nun zu dir. Warum sind Thoth-sensei und die anderen bei dir?“ Ich verzog etwas das Gesicht zu einem bitteren Grinsen. Wirklich mal. Er wollte seine Probleme nicht mit den anderen teilen, sich aber die Probleme anderer anhören? Super. „Alles fing damit an, dass ich von der Decke erschlagen wurde und in Anubis Totenreich landete. Thoth erklärte mir, dass ich noch lebe, hat aber keine Ahnung wieso ich in Ägypten gelandet bin. Also ist er mit uns zum Olymp gegangen um Antworten zu finden und Apollon sah nichts in meiner Zukunft. Zeus erlaubte mir ein paar Götter zu fragen ob sie nicht mit mir auf Reisen gehen wollten und so blieb meine Entscheidung bei den drei Griechen hängen. Wobei Apollon sich mehr selbst eingeladen hat.“ Letzteres merkte ich mit einem leisen Kichern an. Takeru hingegen schmunzelte. „Das klingt wirklich ganz nach Apollon.“ Er nickte als wollte er seine Worte damit bestätigen, fast so als hätte er bis eben nicht geglaubt, dass es wirklich seine Freunde waren, mit denen er zusammen am Lagerfeuer gesessen hatte. „Selbst nach so einer langen Zeit ändert er sich nicht. Irgendwie ist das aber beruhigend zu wissen.“ Melancholie spiegelte sich in den Augen Takerus wider. Das Lächeln schwand aber nicht, im Gegenteil, es wurde trauriger. „Du hast sie wirklich vermisst, oder?“ Da ich an der Reihe war zu fragen und ich mehr über Takeru wissen wollte, war es das beste, mit dem Fluss des Gespräches zu gehen. Ich konnte nicht erwarten, dass er sich ohne weiteres mir öffnete, wenn er es nicht einmal bei seinen Freunden tat. „Sie sind eben meine Freunde. Natürlich habe ich sie vermisst, auch wenn ich Anii bei mir hatte. Wir haben zusammen immerhin soviel durchgemacht. Gemeinsam an dieser Schule in der wir von Zeus gegen unseren Willen gebracht wurden. Mit menschlichen Namen, die nicht unsere waren...“ Bitterkeit legte sich in Takerus Stimme. Auch wenn er wahrscheinlich viele schöne Erinnerungen an seine Schulzeit hatte, so gab es doch auch Dinge, die sich wie ein Trauma in sein Gedächtnis gefressen hatten. „Zeus ist schon... ne Sache für sich...“, antwortete ich leise. Ich konnte Takerus Unmut verstehen, denn auch ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie es war vor diesem Gott zu stehen, zu wissen dass er alles wusste, aber nichts sagen würde. „Warum seid ihr eigentlich hier? Ich bezweifle, dass ihr hier Antworten auf dein Problem finden werdet.“ „Ich würde ja sagen, dreimal darfst du raten. Zeus hat uns vom Olymp hier her geschickt. Ich habe keine Ahnung wieso, aber da er wohl mehr darüber weiß, warum ich bei Anubis gelandet bin und was genau mit dem göttlichen System gerade schief läuft, gehe ich davon aus, dass wir hier vielleicht der Antwort näher kommen. Als dann dieses Unwetter war und wir von dir hörten, oder viel mehr das man glaubt, du seist dafür verantwortlich naja... fügte es sich irgendwie.“ Obwohl ich es Takeru so verkaufte, fragte ich mich dennoch wieder, war das richtig? War es nicht nur eine Laune von Zeus gewesen? „Tze... sicher versucht er nur wieder Kontrolle über seine ehemaligen Schüler zu bekommen. Die Situation ist doch genauso wie damals. Er steckt ein Menschenmädchen mit Göttern zusammen und zwingt sie dazu Zeit miteinander zu verbringen. Mich kann er bei seinem Plan vergessen.“ „Naja, ich würde jetzt nicht sagen, dass es wie damals ist. Ich bin keine Yousei-san. Und die Menschenwelt Japans ist nicht gerade eine Götterschule.“ Es war schon bitter zu wissen, dass Takeru mich wohl wirklich nur als Ersatz für Yui sah. Oder als zweite Yui. Verübeln konnte ich es ihm aber irgendwie nicht. „Natürlich bist du nicht Zassho. Gerade das macht mich ja so wütend. Zeus benutzt dich als ihren Ersatz, obwohl du nicht sie bist.“ „Ich würde nicht sagen, dass er mich als Ersatz sieht. Dazu hätte er meine Ankunft bei Anubis planen müssen. Ich bezweifle aber, dass er das hat. Selbst für ihn würde das zu weit gehen. Außerdem wenn er wirklich einen Ersatz wollte, hätte er sicher nicht jemanden wie mich dann zu euch geführt.“ Nein, soviel Böswilligkeit konnte ich Zeus irgendwie nicht zumuten. Nicht nachdem er doch schon ein wenig ratlos schien oder viel mehr versucht hatte zu überprüfen was ich wusste. „Was erwartet ihr dann von mir? Warum seid ihr dann hier, wenn es nicht nur dazu dienen soll mich zu etwas zu zwingen?“ Die Frage war berechtigt. Was wollten wir von ihm? „Schwere Frage... Eigentlich erwarten wir nichts von dir. Naja die anderen nicht. Ich habe vielleicht noch den ein oder anderen Hintergedanken. Wie zum Beispiel dich kennenzulernen. Apollon und die anderen haben mir schon ein wenig von eurer gemeinsamen Schulzeit erzählt, weswegen ich euch anderen schon gerne kennenlernen würde. Aber mehr... erwarte ich auch nicht. Ich hoffe lediglich, dass du vielleicht wirklich mein Schlüssel in Richtung Heimat bist. Das du etwas weißt oder mir irgendwie helfen kannst. Ich weiß, dass ist egoistisch und es tut mir leid, aber... ich möchte dir dennoch gerne helfen, irgendwie.“ Ich wusste ja, dass ich als Mensch nicht viel tun konnte. Eigentlich gar nichts. Die anderen Götter wären dafür viel besser geeignet gewesen, allerdings schienen sie es zu bevorzugen, sich auf Thoths Seite zu schlagen. Dennoch, dass konnte ich Takeru nicht einfach so sagen. Ob es ihn verletzt hätte, wenn er es wusste? „Ka bara bara. Ka bara ka ka bara!“ Ich sah zu Anubis, als dieser plötzlich zu uns gelaufen kam und aufgeregt am Ärmel meiner Jacke zupfte. Takerus Aufmerksamkeit schien ebenfalls zu Anubis zu wechseln. „Was hat er?“, fragte er, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Was auch immer los war, etwas beunruhigte Anubis, soviel stand fest. „Hier seid ihr!“ Wie ein Donnergrollen erklang die Stimme des Lehrers der wohl zu den unliebsten meines Lebens gehörte. Nun war mir klar, was Anubis so aufgeregt hatte. Thoth. Er hatte uns also gefunden und die Wut in seiner Stimme machte deutlich, dass die Suche nach uns nicht zu seinen liebsten Aufgaben gehört hatte. „Anubis, Spätzünder zurück zum Haus. Sofort!“ Seine Stimme machte deutlich, dass er keine Widerrede duldete. Mein Instinkt machte deutlich, dass ich ihm gerade deswegen widersprechen wollte. Wo waren wir denn? Ich war 27 und da hatte mir sicher niemand zu sagen wann ich wohin zurückgehen sollte. Nicht einmal der Gott des Wissens. Allerdings sagte mir mein Verstand, der sich glücklicherweise noch einschaltete, dass es besser war, klein bei zu geben. Es wäre nur ein strategisch kluger Rückzug gewesen, aber keine Kapitulation. Mit einem Seufzen das dennoch mein Widerstreben deutlich machte, erhob ich mich von dem Stein und lief mit Anubis gemeinsam vorbei an Thoth, der sich jedoch keinen Zentimeter vom Fleck rührte und stattdessen Takeru anstarrte. „Brauchst du eine Extra Einladung? Du kommst gefälligst mit!“ Ich hielt nun doch inne und sah verwundert hinter mich. Wenn Thoth so wenig an Takeru lag, konnte es ihm doch egal sein, wenn dieser nicht zurückkam. Für ihn war Takeru das störende Element, dass mich davon abhielt unsere Suche schneller fortzusetzen. Und doch schien er dieses störende Element weiterhin in meiner Nähe halten zu wollen. Wahrscheinlich war das so ein Götterding, dass ein normaler Mensch nicht verstehen musste. Mich störte es aber gewaltig und es nagte an mir, während Takeru, Anubis und ich gefolgt von Thoth, der wie unser Gefängniswärter ein Auge auf uns behielt, zurück zu Shizuku und Reijis Haus gingen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)