Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 38: The Last Asylum Movie "Second Coming" - Part II ----------------------------------------------------------- Yu-Gi-Oh! The Last Asylum – The Movie Part II     Gegen Mitternacht waren auch die letzten Sachen des schwarzhaarigen, jungen Manns in den großen Koffer auf seinem Bett gepackt. Nicht, dass Matt viel zu packen hatte. Eher hatte er die Abreise immer wieder hinausgezögert. Offiziell wegen der seltsamen Geschehnisse bei der Turmruine, inoffiziell weil er unzufrieden mit der Gesamtsituation war. Alastair, der schon längst aus Livington verschwunden wäre, ginge es nach ihm, sah aus dem Fenster neben den beiden Betten auf den Parkplatz, wo ihr VW-Bus stand. Von dort aus ging die Landschaft in einen dichten Wald über. Der Hüne warf einen Blick herüber zu seinem Freund, der mit unnötiger Wucht den Koffer zuknallte. „Ich dachte, sie hätte sich geändert“, murrte er frustriert, „aber nichts! Sie hat nicht vorbei gesehen, ja nicht mal angerufen. Als wäre nichts geschehen.“ Es war zweifelsohne Anya Bauer, von der er sprach. Wie oft hatte Alastair seinem Freund nun erklären müssen, dass für die Schlangenzunge die Sache abgeschlossen war. Sie sah keinen Grund sich noch zu entschuldigen, denn ihrer Meinung nach hatte sie das bereits damit getan, sie alle vor Isfanel gerettet zu haben. Aber da irrte sie sich. Der Schmerz in Matts Herz war erst jetzt, nachdem er die Geschehnisse verarbeitet hatte, richtig entfacht. „Warum gehst du dann nicht zu ihr?“, fragte Alastair in seiner tiefen Stimme nach. Auf seiner narbigen Haut war deutlich zu erkennen, dass es ihm am Fenster, nur mit einem schwarzen Feinrip-Hemd am Oberkörper bekleidet doch etwas zu kalt war. Sein roter Mantel hing an der Garderobe vor der Tür. „Wie sähe das aus?“, wollte Matt wissen und ließ sich auf die Bettkante fallen. „Hi Anya, ich wollte nur kurz vorbeischauen und dich um eine Entschuldigung bitten, weil du uns fast geopfert hättest.“ „Dann lass es“, brummte der Hüne genervt, dessen langes, schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden war. „Sie ist ohnehin kein guter Umgang. Du solltest sie vergessen.“ „Alector meinte, wir sollten noch hier bleiben und herausfinden, was nach der Zerstörung des Turms passiert ist“, sagte Matt schließlich, um das unliebsame Thema zu wechseln und faltete die Hände mit grimmigem Gesichtsausdruck ineinander, „aber ehrlich gesagt habe ich keine Motivation dafür. Wir müssen an unsere finanziellen Mittel denken, die gehen bald zur Neige. Und für so einen Job bezahlt uns niemand.“ Alastair gab nur einen verständigen Laut von sich, einem Grunzen nicht unähnlich. „Außerdem haben wir nichts finden können, das auf übernatürliche Vorgänge deutet. Der einzige Zeuge ist der Idiotenfreund von Anya“, führte Matt den Gedanken fort, „und die verschwundenen Soldaten, keine Ahnung. Wir waren schließlich auch dort und uns ist nichts passiert.“ Der ältere Dämonenjäger schloss das Fenster schließlich. „Es ist nicht an mir das zu sagen, nach allem, was meine Naivität angerichtet hat. Aber wir sind nicht die Wohlfahrt, Matt. Wir haben unser Bestes gegeben, die Dinge zu untersuchen, ohne Erfolg. Es ist Zeit weiterzuziehen.“ „Aber was, wenn doch“, wollte Matt zweifelnd anfangen, sah zu seinem Freund auf, nur um den Kopf gleich wieder schüttelnd hängen zu lassen, „nein, du hast recht. Irgendwann … ist Schluss.“ Alastair schritt zu seinem Freund und legte ihm die Hand auf die Schulter. Es schmerzte ihn, den jungen Mann so zermürbt zu sehen. Besonders bei dem Verdacht, den er bezüglich der wahren Hintergründe von Matts Bitternis hatte. Wortlos ließ er von Matt ab, der keine Reaktion auf die Geste zeigte, schritt zur Tür und legte sich seinen roten Mantel um, der neben Matts schwarzem hing. „Ich gehe mir die Stelle noch einmal ansehen. Eine Resonanzchronosphäre habe ich noch.“ Alastair griff in die Innentasche seines Mantels und zückte eine weiße Karte, auf der eine hellblaue Kugel abgebildet war, die von drei goldenen Ringen umkreist wurde. Mit diesem Zauber, der zum Standardrepertoire eines Dämonenjägers gehörte, konnte man über mehrere Tage hinweg den Verlauf übernatürlicher Energien messen. Teile der Karte verfärbten sich, woraus man ablesen konnte, wann eine mächtige Präsenz in der Nähe gewesen war. „Das hat doch vorgestern schon nicht funktioniert“, erwiderte Matt und sah auf, „lass gut sein, die Dinger sind zu wertvoll, um sie zu verschwenden.“ „Hmpf.“ Alastair drehte sich gerade einwilligend von der Tür ab und steckte die Karte weg, da hämmerte es gegen ebenjene. Zwei kurze Schläge, um genau zu sein. „So spät noch ein Besucher?“, fragte Matt und sprang sofort vom Bett auf. Alastair sah mit Unbehagen die Hoffnung, die sich in den grauen Augen seines Freundes auftat. Dann drehte er sich um, öffnete die Tür und stellte erstaunt fest, dass niemand vor ihm stand. Erst als eine Hand seinen schwarzen Stiefel berührte, sah er verblüfft nach unten. Vor ihm lag ein junger Mann blutüberströmt. Seine Sonnenbrille war an einer Seite eingebrochen, die Kleidung samt Mantel an einigen Stellen regelrecht zerfetzt. „Matt …“, ächzte Andrew und sah zu dem Hünen auf, „ist … er da?“ „Wer ist das?“, wollte ebenjener alarmiert wissen und drängte sich an Alastair vorbei. Nur um erschrocken die Augen zu weiten. „Andrew!?“ Dort lag sein Freund aus Kindheitstagen schwer verwundet, doch lächelte. „Sie hat also nicht gelogen … ich habe dich gefunden … endlich.“   Ohne Umschweife halfen die beiden Dämonenjäger Andrew auf und schleppten ihn auf Alastairs Bett, wo er sich kraftlos fallen ließ. „Was ist geschehen!?“, fragte Matt aufgeregt, sah den jungen Mann, mit dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte, von oben bis unten an. „Wer hat dir das angetan!?“ Gleichzeitig huschte Alastair an den beiden vorbei, holte unter dem Bett einen Erste Hilfe-Kasten hervor und begann, Binden und Kompressen daraus hervor zu suchen. „Wir müssen die Blutungen stillen und ihn zu einem Arzt bringen.“ Andrew griff orientierungslos in die Luft, bis er Matts Hand fand und sie fest drückte. „Ein Mann … er hatte Recht, du bist in Livington und die Warnung … dann …“ „Wovon redest du!? Andrew!“ „Er wusste, was geschehen würde … Tara … sie ist …“ „Tara ist hier!?“, wiederholte Matt fassungslos. „Sie ist in Gefahr … etwas ist in ihr … 13te Straße …“ Dann rutschte er in die Bewusstlosigkeit. „W-was geht hier vor?“, stammelte Matt und fühlte zeitgleich den Puls von Andrew nach. Alastair, der sich nebenbei um eine besonders fiese Wunde am Bein Andrews kümmerte, fragte: „Kennst du diesen Burschen?“ „Das ist Andrew, von dem habe ich dir öfter erzählt. Und Tara ist … ich muss los! Kümmere dich bitte um ihn, okay?“ Alastair konnte gar nicht so schnell folgen, da war sein Partner schon durchs Zimmer gestürmt, hatte sich den Mantel umgelegt und die Tür aufgerissen. „Matt, warte!“, rief er ihm noch hinterher, aber da war er schon verschwunden.   Er drehte sich unsicher dem jungen Mann zu. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wie hatte dieser Andrew überhaupt hierher gefunden? Er schien ziemlich genau zu wissen, wo Matt sich aufhielt. Andererseits konnte er sich keinen Dämon vorstellen, der den jungen Mann so zurichten würde, ohne ihn am Ende gehen zu lassen. Denn das war doch, wovor Andrew sie offenbar warnen wollte. Andererseits, etwas sollte in dieser Tara stecken? Ein Immaterieller? Alastair drehte sich um. Er musste Matt zurückholen, ehe der noch etwas Dummes tat. Wenn wirklich jemand von Anothers Schlag in der Stadt war, mussten sie genau überlegen, was sie tun würden. Er warf einen besorgten Blick auf den Schwerverletzten zurück. Der Kerl musste umgehend ins Krankenhaus, umso wichtiger war es, dass er Matt noch einholte, ehe es zu spät war. „Bin gleich zurück“, brummte er und wirbelte wieder herum. Er setzte sich in Bewegung, doch das Knarzen der Matratze brachte ihn dazu, sich noch einmal umdrehen zu wollen.   Genau in dem Moment aber traf ihn schon etwas hart am Hinterkopf. Alles wurde dunkel um ihn herum, er sackte in sich zusammen. Das war eine Falle gewesen. Noch während er in die Bewusstlosigkeit driftete, hörte er Andrew etwas murmeln, der an ihm vorbei auf den Tisch im kleinen Motelzimmer zuschritt. „Da ist es ja ... wird erfreut sein … guter Zustand …“   ~-~-~   Es hämmerte. Anya versuchte den Drang dem nachzugehen zu ignorieren und tatsächlich war die Müdigkeit stärker, sodass sie bereits wieder ins Land der Träume abdriftete. Wieder donnerte es so laut, Anyas Stimmung wechselte in Sekundenschnelle von Wut auf ihre Mutter zu Armageddon Teil unendlich. Konnte man nicht einmal ausschlafen!? Als es aber so fürchterlich laut knackte und knarzte, dass sich ihre Nackenhaare schon aufstellten, saß das Mädchen mit einem Mal kerzengerade im Bett. Denn so ehrgeizig hatte sie die allmorgendlichen Weckaktionen ihrer Mutter nicht in Erinnerung! Außerdem auch nicht so derart früh, wie Anya verwundert feststellen musste: es war noch stockdunkel in ihrem Zimmer. Ein Blick auf den Digitalwecker neben ihrem Bett werfend, erfuhr sie, dass es gerade einmal kurz nach 3 Uhr nachts war. Vor gerade einmal einer Stunde war sie ins Bett gegangen, was sollte-!? Ein lautes Rumsen unterbrach das Mädchen in ihrem inneren Wutausbruch. Zwar hatten sich ihre Augen noch nicht vollständig an die Dunkelheit gewöhnt, aber dass gerade ihre Tür aus den Angeln gehoben, nein geschmissen wurde und nun mitten im Zimmer lag, das bekam Anya auch so mit. Ehe sie überhaupt darüber nachzudenken begann, sprang sie aus dem Bett und torkelte benommen durchs Zimmer, um sich 'Barbie' zu schnappen. Die lag glücklicherweise direkt auf ihrem Schreibtisch, neben der Duel Disk, schließlich hatte Anya den ganzen Abend lang an Deck und Baseballschläger Feintuning betrieben. Kaum beim mit Nägeln bespickten Mörderschläger angekommen, schnappte sie sich das Teil und richtete es unmittelbar in Richtung Türrahmen. Eine kalte Brise zog vom offenen Fenster in das Zimmer, da Anya jenes vergessen hatte zu schließen. Selbst im November war es in Livington teilweise noch recht warm, daher war das nicht ungewöhnlich. „Okay, wenn du es auf meine Videogame-Sammlung abgesehen hast, kannst du dich schon mal frisch machen“, zischte sie noch halb benebelt dem Einbrecher zu, auf den sie nun seit Jahren gehofft hatte, um endlich jemandem legal eins überbraten zu können, „denn von allen Orten musstest du direkt die Hölle ausrauben, Trottel!“   Als mehrere Sekunden keine Antwort oder anderweitige Reaktion folgte, lockerte sich Anyas Haltung. Ihre Augen gewöhnten sich zunehmend an die Dunkelheit, aber sie konnten dennoch nicht den Übeltäter erspähen, der dort lauerte. „Hey“, raunte sie ärgerlich, „sag bloß, du hast Schiss bekommen? Komm schon, ich bin, ähm, ganz harmlos und so!“ Jetzt kam eine Reaktion, aber nur eine leise. Ein Stöhnen. „Red' gefälligst lauter, ich hör dich nicht!“ Aber bitte, wenn der Typ nicht selbst kommen wollte, würde sie eben den ersten Schritt tun! Also schnappte sie sich ihre Duel Disk und wollte sie gerade auf gut Glück werfen, da hielt sie inne. Das Stöhnen kam nun deutlich hörbar hinter dem leeren Türrahmen hervor. Zusammen mit seinem Auslöser, der sich doch dazu entschieden hatte, Anya an die Gurgel zu gehen. Denn plötzlich rannte eine graue Gestalt auf das Mädchen zu, mit erhobenen Armen.   „Was zum-!?“ Anya holte nach 'dem Ding' aus, wie sie es innerhalb der zwei Sekunden bezeichnete, in denen Mondlicht auf es gefallen war, wich dann aber entsetzt zurück, als es nicht Halt machen wollte. Graue, teils eingefallene … und abgefallene Haut, leere Augenhöhlen, lockiges blondes Haar, ein weißes Nachthemd und messerscharfe Krallen, die nach ihr schlugen. Anya war so geschockt, dass sie ihre eigene Offensive vergaß und nur zurückwich. Dabei musste sie schnell sein. „Fuck, was bist du denn!? Levrier, was ist-!?“ Aber Anya erinnerte sich, dass ihr Freund leider ein lebenslanges Ticket im Reich der Toten eingelöst hatte und sie daher nicht mehr unterstützen konnte. Doch wenn sie richtig lag und das Äußere der Schachtel dort nicht log, dann war das da vor ihr wahrscheinlich eine Banshee. Ein Hoch auf jahrelangen, exzessiven Konsum von Horrorfilmen … Was hatte eine Banshee in ihrem Zimmer verloren!?   Anya wehrte einen der Schläge mit Barbie und der Duel Disk ab, wurde aber infolge dessen nach rechts gegen ihren Kleiderschrank geknallt. „Au!“, stieß sie dabei aus, duckte sich unter einem erneuten Schlag hinweg und torkelte rückwärts. Als sie mit dem Rücken zum offenen Fenster stand, gerade mit Barbie zum Gegenschlag ausholen wollte, hielt etwas in ihr sie zurück. Zwar konnte sie es beim besten Willen nicht begreifen, aber wenn sie dem Ding jetzt eins verpassen würde, wäre das der größte Fehler ihres Lebens. Es war nur ein Instinkt, eine Eingebung, aber … „Mum!?“, schoss es aus ihr heraus. Dieses Ding, das ihr an die Gurgel wollte, das sah doch irgendwie aus wie ihre Mutter. Nur so'n bisschen tot halt. Der Ausruf brachte die vermeintliche Banshee dazu, in ihrer Berserkerwut innezuhalten. Beim genaueren Hinblicken im Licht war sich Anya ziemlich sicher, dass das ihre Mutter sein musste, denn das Nachthemd und die Frisur gehörten zu Mrs. Bauer wie das Amen in die Kirche. Bloß wie konnte die hier sein, untot, nicht im Krankenhaus und, naja, größtenteils lebendig!? Ihre Mutter war immerhin schwer verletzt worden, als der Turm von Neo Babylon aufgetaucht war!   Aber eins stand fest. Anya würde ja mal so gar nicht riskieren, dieses Ding ins Nirvana zu schicken, wenn sie sich nicht sicher war, ob das da ihre Mutter war oder nicht. Jedoch schien Sheryl diese Zurückhaltung nicht inne zu haben, denn sie hob wieder die Klauen und machte sich stöhnend auf den Weg, jene in Anya zu versenken. Die wusste, dass sie schnell handeln musste. Hau den Lukas mit Mum zu spielen war keine Lösung, von daher blieb nur die Flucht. Glücklicherweise hatte Anya das schon öfter getan, daher fiel es ihr nicht schwer, auf das Fensterbrett zu steigen und kurzerhand vom Obergeschoss nach unten in den Garten der Familie Bauer zu springen. Zwar tat die Landung arg in den Knöcheln weh, Anya kippte gar vorne über, aber verletzt hatte sie sich offenbar nicht. Torkelnd auf die Beine kommend, drehte sie sich um und lief rückwärts vom Haus weg, den Blick fest auf ihr Zimmer gerichtet, wo sie ihre Mum lauern sah. Anya wollte ihr gerade verunsichert etwas zurufen, da stieß sie im Lauf gegen jemanden. Sofort wirbelte sie um, denn wenn jemand den Grufti da oben sah, würde sie in arge Erklärungsnot geraten. Da es aber ein Skelett war, dem die Kleider an den Knochen hinunter hingen, konnte sich Anya immerhin diese Strapaze ersparen. Und demnach gleich in den zweiten Gang schalten, der „nichts wie weg hier“ hieß. Ungläubig rannte das Mädchen den Bürgersteig entlang, den Blick zurückwerfend. Die schwarzen, zu zwei Zöpfen gebundenen Haare – das konnte doch nur Zoey Richards sein, die magersüchtige Schnepfe von gegenüber! Die Knochenstruktur war geradezu verblüffend ähnlich und Anya musste das wissen, hatte sie schon den ein oder anderen davon gebrochen. Da steckten sogar noch die Nägel im rechten Unterarm von vor zwei Jahren, was für die Blondine der ultimative Beweis war. „Wusste gar nicht, dass du so gut drin geworden bist, dir den Finger in den Hals zu stecken!“, giftete Anya das sie verfolgende, aber stark hinterherhinkende Skelett an. Im Lauf schnallte sie sich die Duel Disk um, da sie jene schlecht wegwerfen konnte. „Glückwunsch, hast ja jetzt endlich deine Traumfigur, Miststück!“   Da der liebe Gott aber kleine Gemeinheiten sofort bestrafte, bemerkte Anya die umgekippte Mülltonne vor ihr nicht und setzte demnach zu einem 1A-Flug darüber hinweg an, mit anschließend missglückter Bauchlandung. „Owww, fuck!“, stöhnte sie und drehte sich auf den Rücken. Da sie nur Boxershorts und ein weißes T-Shirt an hatte, verdankte sie ihrer Unachtsamkeit jetzt zwei aufgeschürfte Knie, die höllisch schmerzten. Hatte sich die ganze Welt gegen sich verschworen!? Banshees, Skelette, im Weg liegende Mülltonnen!? Was kam als Nächstes, jetzt wo offensichtlich die Monster-AG ihren Einzug in Livington gehalten hatte!?   Anya gefiel die Antwort darauf nicht, die sich über ihr hinweg schwang. Ein grün-braunes, schuppiges Etwas, das mit seinem Atem doch glatt Mrs. Winterblooms Haus in Brand steckte. „Ein Drache, huh? Okay, das ist wohl einer dieser Träume, in denen ich sterben soll“, kam Anya zu dem Schluss. Als der Drache aber einen Bogen machte und sie anpeilte, entschied Anya, dass sie dieser Theorie lieber nicht nachgehen sollte. Nie war sie so schnell wieder auf die Beine gelangt, hatte sich Barbie geschnappt und war los gesprintet. Keinen Moment zu früh, denn im Nacken spürte sie die gleißende Hitze, die der Drache ihr in Form gewaltiger Flammen hinterher jagte. Diesmal wagte Anya es nicht, sich umzudrehen. Sie rannte einfach stur geradeaus, mit dem Mistvieh auf den Fersen. Das war doch bestimmt Nicks Mutter, sagte sie sich, da das Vieh raubvogelähnliche Züge hatte und die Art von Gift und Galle spuckte, die die Alte sonst nur in Worte verpackte. Was Anya darauf brachte, an ihre Freunde Abby und Nick zu denken. Hoffentlich ging es denen gut, denn wenn sie sich jetzt so recht umschaute … kopflose Reiter auf der Straße, die mit abgerissenen Armen nacheinander schlugen, leuchtende Silhouetten, die hinter den Fenstern tanzten, eine riesige Raubkatze mit Menschenkopf auf einem der Dächer … die zwei Pappnasen waren so gut wie tot, wenn Anya sie nicht sofort rettete! Glücklicherweise hatte sie instinktiv den Weg zu Abbys Haus eingeschlagen, das nur noch zwei Straßen entfernt lag. Vorher musste sie aber Mrs. Harper loswerden, die nicht müde wurde zu betonen, wie schlecht ihre Laune doch war – indem sie halb Livington in Schutt und Asche legte. Um dies zu bewerkstelligen, verließ Anya die Straße und schlich sich durch die Nischen zwischen den Häusern, die hier näher beieinander standen. Auf den Hinterhöfen versuchte sie sich davon zu stehlen, musste kurz noch Mr. Briggs KO schlagen, der als Zombie zwar ähnlich leblos wie sonst, allerdings wesentlich blutrünstiger war und sich über dessen Terrasse ins Haus schleichen, wo Mrs. Briggs in ihrer Rolle als Medusa mal eben eine nahe stehende Vase ins Gesicht bekam, da Anya keine Zeit und Lust hatte, sich um die unwichtigen Randgestalten zu kümmern. Zwar hörte sie draußen den Drachen brüllen, da er aber nicht das ganze Haus in Brand gesetzt hatte, sondern das nebenan, musste er ihre Spur offenbar verloren haben. Anya schlich sich daher aus dem Vordereingang hinaus, sah sich um, aber alles was sich draußen noch tummelte, hatte nur zwei, vier oder acht Beine. Letzteres waren Spinnenfrauen, so schätzte Anya. Da nahm sie doch lieber den Weg hintenrum, kehrte ins Haus zurück, schmiss noch eine Vase nach Medusa, die gerade erst wieder auf die Beine gekommen war und überquerte die einheitlich gehaltenen Hinterhöfe der Walker Street. Immer wieder über kleine und größere Gartenzäune kletternd, begegneten ihr hier keine Livingtoner in brandneuem Gewand. Und offenbar hatte auch Mrs. Harper das Interesse an ihr verloren, zog sie in die andere Richtung weiter. Zeit genug, um den Kopf anzustellen und ein wenig die Situation Revue passieren zu lassen.   Was zum Geier war hier los!? Wieso waren alle plötzlich so viel cooler, nur sie nicht, beklagte Anya sich voller Unverständnis! Wieso durfte Mrs. Harper ein Drache sein!? Anya, die am Ende der Straße angelangt war, hielt sich dicht bei den Häusern, denn mitten auf der Straße wäre sie nur ein willkommenes Ziel für die blutrünstige Meute. Scheinbar waren ihr nicht alle Monster auf den Fersen, einige beharkten sich gegenseitig, so wie zwei Harpyien gegen einen Zerberus zwei Häuser weiter. Trotzdem wurmte es Anya, dass sie -mal wieder- außen vor gelassen wurde und scheinbar die einzig normal gebliebene in der Stadt war. Andererseits, dass das hier offenbar Realität und kein Traum war, vermochte Anya seit ihren Abenteuern von vor ein paar Monaten deutlich leichter zu akzeptieren. Weswegen sie am Ende doch froh war, keinen neuen Look spendiert bekommen zu haben. Man stelle sich nur vor, sie wäre am Ende nur so etwas wie eine Elfe im Rüschenkleid geworden! Das wäre die Demütigung des Jahrhunderts!   Anya, in ihrer für jene Situation etwas zu unbeschwerten Stimmung, gelangte schließlich vor das Haus der Familie Masters an. Dessen Tür gerade zugeschlagen wurde. Die Person, die daraus hervorgekommen war, drehte sich schnurstracks um und stemmte sich gegen ebenjene. Weißes Haar, ein albernes Nachthemd mit Blümchenmuster. Keine Frage, das war Abby. Aber die war sonst brünett und kein Fall fürs Altersheim. „Okay, das erspart mir immerhin, in diese Müllhalde von Haus reinzugehen“, giftete Anya lauthals und meinte damit das Gebäude, das mehrmals umgebaut worden war und dementsprechend schief und krumm aussah. O-Ton: zur Rechten ein diente großer Wintergarten als Unterhaltungszimmer. Ohne Witz, sie hatten dort Vorhänge, damit die Nachbarn nicht reinlinsen konnten. Das Haus war so seltsam, dass es wohl das einzige in Livington war, das der aktuellen Situation vom Äußeren her gerecht wurde. „Anya!?“, stammelte Abby und drehte sich erschrocken um, dabei nicht vergessend, die Tür zuzuhalten.   Die Blondine, die vor dem Grundstück stand, schulterte Barbie und fasste sich stöhnend an die Stirn. „Okay, ich seh' schon, wenigstens du bist deiner Linie treu geblieben.“ Die rosafarbenen, katzenartigen Pupillen, besagtes langes, weißes Haar, die blassblauen Lippen und nicht zuletzt die langen, spitzen Fingernägel sagten genug aus. Abby war zur Sirene mutiert. Nur, dass das in ihrem Fall ausnahmsweise normal war, schließlich war sie auch schon vorher eine gewesen. „Das ist nicht witzig“, fauchte das andere Mädchen mit rauchiger Stimme, „ich bin eben aufgewacht, vollkommen verwandelt! Und ich kann es nicht rückgängig machen.“ „Immerhin funktioniert dein Oberstübchen noch, anders als bei den anderen“, zuckte Anya unbedarft mit den Schultern, „hättest mal meine Mum sehen sollen, die ist vielleicht gruselig.“ „Hat deine auch versucht, dich umzubringen!?“, fragte Abby geschockt und stieß einen Schrei aus, als hinter ihr gegen die Tür geschlagen wurde. Anya nickte. „Jep. Wie so ziemlich jeder hier.“ „Also sind alle … 'so'?“ „Außer ich. Zu was sind'n deine Eltern und Geschwister geworden?“, wollte Anya neugierig in Erfahrung bringen. „Das willst du gar nicht wissen!“ Abby stemmte sich verzweifelt mit aller Macht gegen die Tür, hinter der es nur so polterte. „Außerdem ist jetzt nicht die Zeit dafür!“ Die Blondine schnaufte ärgerlich. „Sondern?“ „Zum Rennen!“, schrie die Sirene, ließ nun von der Tür ab, stürmte auf Anya zu und zog sie am Arm hinter sich her, ehe jene überhaupt begreifen konnte.   Was folgte war eine regelrechte Hetzjagd durch halb Livington. Abbys Geschrei hatte ein paar Ghouls auf sie aufmerksam gemacht, die sie zu verfolgen begannen. Ihnen schlossen sich schnell Werwölfe, Vampire, schwebende Nixen – im Ernst, wie machen die das!? – und Gott allein wusste was noch an, sodass die beiden Mädchen gut damit zu tun hatten, das Monsterkommando abzuhängen. Sie benutzten Anyas Einbruch-/Ausbruchstrategie, hetzten durch die Häuser, Anya sagte nebenbei ein paar der hiesigen Einwohnern 'Hallo', bis die Jagd sie schließlich in die Gemäuer von Nicks Haus ein paar Straßen weiter führte, das jetzt im Obergeschoss ein schönes, großes Loch hatte. Anya und Abby hatten dann allerdings doch die Tür benutzt, da Nick ihnen mal erzählt hatte, wo sie den Ersatzschlüssel finden konnten – unter einem Blumentopf vor besagter Tür.   Kaum hatten die beiden die Tür hinter sich geschlossen, sackte Anya erschöpft an jene lehnend in sich zusammen. „Ich … wusste gar nicht … dass Tina Brightstone's Vater ein Fan von Frankenstein ist …“, keuchte die Blondine. Abby, die im Gegensatz zu ihrer Freundin nicht außer Puste war, seufzte schwer. „Ich hoffe, sie nehmen es uns nicht übel, dass wir durch ihr Haus marschiert sind.“ „In Momenten wie diesen machst du dir Sorgen um sowas!?, echauffierte sich Anya fassungslos. „Wir können froh sein, dass wir noch leben! Mr. Willis mit den Scherenhänden wollte uns wie verfickte Bonsais zurechtstutzen!“ „Du hättest ihm trotzdem nicht gleich so brutal die-!“ „Shh!“, machte Anya da eine eindeutige Geste und raffte sich auf. Dabei flüsterte sie Abby ins Ohr: „Hast du das gehört eben? Das kam bestimmt von Nicks Zimmer!“ Irgendetwas hatte dort gerumpelt, sie hatte es genau gehört. „Das kam hundertprozentig von dort. Hoffentlich hat er uns nicht gehört, was auch immer er mittlerweile ist. Was machen wir jetzt, Anya?“ Die fasste sich ans Kinn und überlegte.   Draußen lauerten massenweise Monster. Sie standen hier im stockdunklen Flur der Familie Harper, mussten damit rechnen, gleich von Nick und/oder seinem Vater angefallen zu werden und hatten keine Ahnung, was überhaupt los war mit der Welt. Es sah ganz danach aus, als ob sie dringend einen Plan brauchten.   „Verstecken ist keine Lösung“, murrte Anya sauer, „wir müssen irgendwie herausfinden, was hier abgeht und die Kacke beheben, ehe die drei, vier Leute, die ich leiden kann, zu Schaden kommen. Irgendwelche Vorschläge, Einstein?“ Abby, deren Pupillen man selbst in der Dunkelheit unwirklich glimmen sehen konnte, wandte sich von Anya vorsichtshalber ab, nur um sie nicht versehentlich zu hypnotisieren. Als Sirene hatte sie diese Kräfte, wenn sie auch nicht genau wusste, wie man sie richtig einsetzte. „Wenn Levrier noch hier wäre, könnte er uns sicher einen Anhaltspunkt geben. Aber er und die anderen Immateriellen sind tot. Die nächstbeste Quelle wären wohl Dämonenjäger.“ Anya stöhnte auf, weil sie genau mit dieser Antwort gerechnet hatte. „Das Deppenduo? Ist das überhaupt noch in Livington?“ „Ja!“, erwiderte Abby leise, aber erbost. „Sie wollten morgen abreisen, wie oft habe ich dir das gesagt?“ „Zu oft. Und ich hab dir noch nicht oft genug gesagt, dass mich das nicht interessiert!“ „Sollte es aber, immerhin sind die beiden deine Freunde. Freunde, bei denen du dich noch immer nicht entschuldigt hast wegen deinem Verrat!“ „Warum fängst du ausgerechnet jetzt wieder damit an!?“, zischte Anya im Flüsterton und gestikulierte wild. „Außerdem, wer sagt denn überhaupt, dass die noch normal und nicht auch so'ne Freaks sind wie die da draußen!?“ Ihre Freundin, die zurückwich um nicht von Anyas Gebärden getroffen zu werden – jene sah in der Dunkelheit nämlich kaum etwas im Gegensatz zu Abby – konnte nicht anders als zu schnauben. „Ach Anya, wie lange willst du noch davor weglaufen!?“ „Ich laufe in erster Linie nur vor Drachen weg, damit du's weißt!“ „Ihr habt Mum also schon getroffen, huh?“   Die beiden drehten sich erschrocken zur Treppe gegenüber um, die zu den Schlafzimmern führte. Auf halber Höhe, wo sie sich wendete und in die andere Richtung weiterging, stand eine schattenhafte Gestalt. „Oh, das wollte ich noch sagen“, erinnerte sich Abby, „Nick hat uns offenbar bemerkt.“ Anya, welche nur auf die gebogenen, bockbeinigen Dinger starren konnte, die wohl mal Nicks Beine gewesen waren, fehlte jegliche Ambition das zu kommentieren. „Guckt nicht so verliebt“, sagte der junge Mann glucksend, „ich hatte zwar kein Glück beim Monsterlos, aber das tut meiner Sexyness nichts ab, hehe.“ Seine einen Kopf kürzere Freundin fing sich wieder und raunte nur: „Okay Harper, was bist du?“   Als Antwort sprang er über die Stufen hinweg und landete direkt vor den beiden. Seine nackte Hühnerbrust hervor streckend, war der junge Mann vor ihnen von der Hüfte abwärts ein Bock. Ein Satyr, um genau zu sein, denn seinen Kopf schmückten nun zwei gewundene Hörner. „Nick“, brummte Anya bei seinem fast schon lächerlichen Anblick, „du hast offenbar so wenig Hirn, dass es da gar nichts zu beeinträchtigen gibt!“ „Offenbar ist er noch er selbst“, mutmaßte Abby sofort, „also wir drei.“ Was anschließend von Nick kam, war erstaunlich wirklichkeitsnah. „Määäh.“ „O-oder zumindest größtenteils, ahaha“, fügte die Sirene verlegen über ihren Irrtum hinzu. „Aber wieso niemand sonst? Was macht uns besonders?“ „Unsere Sexyness, was sonst?“, kam es von Nick aus der Pistole geschossen. Als er aber nur böse Blicke dafür erntete, stammelte er schnell: „Nicht? Dann vielleicht unsere diabolische Ader?“ Abby, die den Wink sofort verstand, schnippte mit den Fingern. „Natürlich. Wir alle haben dämonische Kräfte in uns schlummern! Anya war einst mit Levrier verbunden, ich bin eine Sirene und Another hatte sich kurzzeitig in Nick eingeschlichen, weswegen er immerhin vom Wesen er selbst geblieben ist.“ „... okay, die ersten beiden Beispiele kann ich nachvollziehen, aber wann war Nick denn von Another besessen?“ Das konnte Anya nicht wissen, erkannte Abby schnell, denn Nick hatte sonst niemandem davon erzählt. So wie er vieles nicht von sich in der Öffentlichkeit preisgab. „Erzählt er dir später“, wiegelte sie das Thema schnell ab, um ihre ganz eigene Theorie, die sie nebenbei entwickelt hatte, endlich präsentieren zu können. „Also, ich glaube ich weiß, was passiert ist!“ „Schieß los, Einstein“, verlangte Anya und verschränkte die Arme. Nick gluckste: „Ich hoffe, es hat mit nackten Frauen zu tun.“ Was bei seiner ohnehin schon genervten Freundin einen wütenden Aufschrei auslöste: „Kommt es nur mir so vor, oder sind alle Idioten in dieser Stadt in ihr Fabelwesen-Pendant verwandelt worden!?“ Nebenbei wich sie von Nick zurück, der sich plötzlich geduckt hatte und an ihrer Hose schnupperte. „Lass das, Harper!“ Abby nickte derweil. „Das habe ich mir auch schon überlegt. Nick ist ja nicht gerade keusch, sodass der lüsterne Satyr nur allzu gut zu ihm passt. Genau wie der Drache zu seiner Mutter.“ „Aber warum ist meine Mutter dann eine Banshee!?“, wollte Anya wissen. Ihr gefiel es nicht, denn diese Dinger waren … nicht sonderlich lebensfroh. Ging es ihrer Mutter etwa seelisch nicht gut? Hatte das gar mit ihr zu tun? „Wie dem auch sei, ich glaube, das alles hat mit den Ereignissen zu tun, die sich auf dem alten Schulgelände abgespielt haben“, brachte Abby es schließlich mit belehrend erhobenem Zeigefinger auf den Punkt, „es musste ja soweit kommen! Irgendwas ist dort passiert, das sich jetzt auf die ganze Stadt auswirkt. Wenn nicht sogar auf die ganze Welt.“ „Nö, meine Sexchat-Partnerin war völlig normal, zumindest bis der Strom ausfiel“, kommentierte Nick das Ganze und kratzte sich in der Hocke nebenbei am Hintern. „Abby? Weißt du, wie man Flöhe loswird?“ „Ich weiß, wie man dich loswird, wenn du -das- nicht gleich sein lässt!“, giftete Anya sauer und stemmte die Hände in die Hüften, als er doch tatsächlich einen Satz nach vorn machte und ihre Boxershorts anknabbern wollte, was ihm aber nur Anyas nackten Fuß in seinem Gesicht einbrachte.   Nick nebenbei weg schleudernd, räusperte sich laut, um nicht noch auf dumme, aber sehr reizvolle Gedanken zu kommen. „Okay, also ist nur die Stadt betroffen. Und jeder, der dämonische Energien in sich hat oder hatte ist halbwegs er selbst geblieben?“ Abby tippte mit einem ihrer abnormal langen Fingernägeln gegen die Lippe. „Ja, ich glaube, dass es so sein muss. Vielleicht, weil es in unseren Fällen … nichts zu erwecken gibt? Weil wir schon anders sind als normale Menschen?“ „Dann heißt das sicherlich auch, dass Redfield, Marc, das Deppenduo und die Pennergeschwister ebenfalls irgendwo in der Stadt um ihr Leben rennen. Na klasse!“ „Wir sollten Valerie und die anderen suchen. Henry und Melinda haben dort ihre Wunden auskuriert, nachdem bei uns zuhause kein Platz mehr war. Also dürften sie zusammen sein“, überlegte Abby. „Und die Dämonenjäger sind in einem Motel am Stadtrand untergebracht.“ Anya aber konnte ihren Ohren nicht trauen und stampfte wütend auf. „Sie suchen!? Hast du mal auf die Straße geschaut? Das wäre glatter Selbstmord!“ „Wir können schlecht hier bleiben, sicher ist es nirgendwo!“, protestierte Abby. „Außerdem müssen wir etwas dagegen tun! Und dafür brauchen wir die Hilfe der anderen!“   „Dad ist nicht da“, meinte Nick schulterzuckend, nachdem er sich aufgerafft hatte, „seit er ein fliegender Teppich ist, hab ich ihn nicht mehr gesehen.“ „Ein … fliegender Teppich?“, wiederholte Anya ungläubig. „Muss ich fragen, was deinen Dad dazu bringt, so etwas zu werden?“ „Mum trampelt immer auf ihm rum. Sowohl mental, als auch körperlich … hehe.“ „Klingt einleuchtend“, stöhnte Anya und lehnte sich gegen die Wand neben der Haustür, verschränkte die Arme. „Aber euch ist schon klar, dass Redfields kleine Villa nicht gerade um die Ecke ist? Selbiges mit dem Motel, wo die zwei Schwachmaten hausen? Wie sollen wir da hinkommen, ohne von Höllenhunden oder anderem Gesocks zerfleischt zu werden? Und jetzt sag nicht, wir stehlen uns ein Auto …“ „… das habt ihr nämlich schon versucht und festgestellt, dass auch sie nicht mehr funktionieren? Wie bei einem PMS?“, gluckste Nick. Anya nickte sauer. „Bingo.“ „EMP“, korrigierte Abby und murmelte zurückhaltend. „Naja … du könntest uns den Weg freiräumen, Anya. Mit Barbie.“ Sofort stieß sich Anya begeistert von der Wand ab. „Darf ich!?“ „So ungern ich das auch sage, aber wir haben wohl kaum eine andere Wahl“, gestand ihre Sirenenfreundin, „aber damit das klar ist! Wir gehen Konfrontation aus dem Weg, so lange es geht, verstanden!?“ „Von mir aus“, brummte Anya und schulterte Barbie, „und wohin gehen wir zuerst?“ „Zuerst zu Valerie. Keiner von denen ist so … gut im Umgang mit Waffen wie du oder die Dämonenjäger. Wenn wir erst die beiden anderen holen, könnte es zu spät sein“, mutmaßte Abby, die offensichtlich keine Lust hatte, Matt und Alastair beim Namen zu nennen. Anya nickte und stellte sich vor die Tür, bereit, notfalls ganz Livington in den monströsen Arsch zu treten. „Mir egal. Aber pass auf, dass ich Redfield nicht 'versehentlich' eins überbrate! Man, ich hoffe, du irrst dich und sie ist eine fette Qualle oder sowas!“ „Eher wird sie zur Nymphe“, murrte Abby ärgerlich, „also gut! Damit kann die Aktion 'Rettet Livington' offiziell beginnen!“ Woraufhin Anya die Tür auftrat und die Dreiergruppe unter stummen, aber dafür sehr ausdrucksstarken Kampfgeschrei auf die monsterüberfüllte Straße führte.   ~-~-~   Alastair öffnete benommen die Augen. Der schmerzende Hinterkopf war schlimm, schlimmer aber noch war seine eigene Nachlässigkeit, die ihn in diese Lage gebracht hatte. Ächzend stemmte er sich vom Boden des Motelzimmers ab. Er spürte Blut seinen Nacken hinab laufen, allerdings hatte er jetzt keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen.   Matt rannte geradewegs in eine Falle! Und ausgerechnet dieser Andrew hatte sie ihm gestellt, jemand, den Matt als Freund ansah! Hätte er doch nur auf seine innere Stimme gehört, ihm war sofort aufgefallen, dass der junge Mann seltsam war, tadelte sich Alastair.   Sich im Zimmer umsehend, stellte er alsbald fest, dass von Andrew keine Spur mehr zu entdecken war. Kein Wunder, schließlich war es stockdunkel. Aber Alastair spürte es auch so, der Verräter war nicht mehr im Zimmer. Alastair holte aus seiner Manteltasche ein Feuerzeug, das er aufschnappen ließ. Unter dem Licht der Flamme sah er sich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Auf den zweiten Blick aber bemerkte er doch etwas, etwas das fehlte. Zunächst wollte Alastair es bei dem Blick auf den leeren Schreibtisch im hinteren Teil des Zimmers nicht wahrhaben. „Das Grimoire“, flüsterte er fassungslos. Einst hatte er es einer Dämonin abgenommen. In ihm waren unglaublich viele Informationen zu finden, über Dämonen, Rituale, sogar einiges über Eden und den Turm von Neo Babylon. Zusammengetragen über Jahrtausende, in dutzenden Sprachen. Erst durch dieses Buch war Matt mehrfach mit Anya und ihren Freunden in Kontakt getreten, um sie vor den Gefahren und Konsequenzen zu warnen. Zunächst als Feind, dann als Verbündeter. Fest stand, dass der in dickem Leder gebundene Wälzer nicht an seinem angestammten Platz lag. Es gab auch keinen Zweifel daran, dass er entwendet worden war, denn kurz vor Andrews Auftauchen hatte Alastair noch darin gelesen. Was konnte diese Ratte mit einem so gefährlichen Buch wollen? Der Hüne wollte es sich gar nicht ausmalen.   Ohne lange zu fackeln rannte Alastair aus dem Zimmer. Wie lange hatte er bewusstlos dort gelegen, fragte er sich auf dem Weg hinaus ins nächtliche Livington. Zuerst musste er Matt finden, ehe dem noch etwas Schlimmes widerfuhr, sofern es nicht schon zu spät war. Zusammen würden sie dann das Grimoire wiederbeschaffen!   Als Alastair die Straße überquerte, beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl. Irgendwie schien die Stadt leblos zu sein. Keine Autofahrer, niemand führte seinen Hund aus, was hier, am Waldrand eigentlich normal war. Das Schlimmste war, dass er keine Ahnung hatte, wo genau die 13. Straße lag. Er kannte Livington nicht so gut wie Matt. Je näher er der Innenstadt kam, desto bedrückender wurde dieses Gefühl in ihm. Hier stimmte tatsächlich etwas nicht. Absolut niemand war hier, nirgendwo Lichter. Ein Stromausfall? Eine Seitenstraße gerade passierend, bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Sofort hielt er an, steuerte ohne zu zögern die enge Gasse an und marschierte vorwärts. Den Schatten, der sich hinter ihm erhob, sah er nicht. Musste er auch nicht, schließlich reichte sein Ellbogen aus, um der Figur hinter ihm ausreichend Schaden zuzufügen. Das Wesen keuchte unter der unerwarteten Initiative seitens des Opfers auf, torkelte zurück und wurde von nur einem Faustschlag Alastairs schließlich ganz niedergestreckt. Dieser betrachtete das Wesen, das vor ihm lag erstaunt. Ein kugelrunder, überdimensionaler Kopf, schiefe, vergilbte Zähne, ein Gewand ganz aus schwarzer Seide gewebt. … er hatte keine Ahnung, was das überhaupt war. Einen Stampfer mit seinem Stiefel später würde es auch niemals jemand herausfinden.   „Du hast gerade einen Menschen getötet“, hallte es nach der Tat plötzlich erschreckend verzückt von der anderen Seite der Gasse. Alastair zog den blutigen Stiefel aus dem Kopf der Kreatur und schnellte erschrocken um. Das war Matts Stimme! „Matt!?“ „Ja und nein“, antwortete der und trat endlich aus der Dunkelheit der Gasse hervor. Sein Gesicht war eine finster grinsende Grimasse. „Nicht mehr, Alastair. Ich bin jetzt nur noch Mutters Diener.“ Sofort keuchte Alastair beim Anblick seines Freundes auf. Er war besessen! Aber von was!? „Ich bin zu spät“, murmelte er geschockt. „Ja, die erste Phase von Mutters Plan ist bereits umgesetzt. Du wirst in dieser Stadt keinen Menschen mehr finden. Aber keine Bange, es geht allen gut. Oder zumindest allen, die das Glück hatten, dir nicht über den Weg gelaufen zu sein.“ „Was ist passiert!?“ Matt lachte auf. „Pah, als ob ich dir das sagen müsste! Denk selbst ein wenig nach, auch wenn das nicht gerade deine Stärke ist!“   Wenn Matt besessen war und das Grimoire gestohlen wurde, dann musste diese Mutter jetzt in dessen Besitz sein! Hatte sie einen Zauber ausgesprochen? Welchen? Viel wichtiger aber war jetzt, dass er Matt zur Besinnung brachte. Alastair keuchte schwer, alles schien sich zu überschlagen. Eigentlich blieb ihm angesichts der Tatsache, dass sein Gegenüber besessen war, nur eine Wahl. Sein Freund schien bereits zu wissen, worauf das hinauslaufen sollte. „Mutter hat mir und Andrew aufgetragen, jeden zu eliminieren, der ihre Pläne durchkreuzen kann.“ Er hob seinen Arm an. Sich um diesen schlängelnde Schatten bildeten langsam ein D-Pad. „Pff. Ich habe keine Zeit für lange Diskussionen, Matt! Wenn du es so willst, werde ich kurzen Prozess mit dir machen!“ Der Hüne schnallte sich den eigenen Duell-Apparat um, den er aus der Innentasche seines roten Mantels zog. Kurz überlegte er, ob es nicht einen effektiveren Weg gab um Matt zu besiegen, aber alles was ihm einfiel, waren grausame Methoden mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass sein Freund sie nicht überlebte. In dem Moment wurde ihm klar, dass er kaum andere Wege zum Bekämpfen von Dämonen kannte als jene zu töten. Etwas, das er wohl überdenken musste. Alastair und der fremdgesteuerte Matt erhoben schließlich ihre D-Pads und riefen: „Duell!“   [Alastair: 4000LP / Matt: 4000LP]   „Was für eine vertrackte Situation“, sagte der Jüngere mit einem gehässigen Lächeln auf den Lippen, „es ist doch zu komisch, dass wir uns schon zum dritten Mal in wenigen Wochen als Feinde gegenüber stehen.“ Die Aussage hatte zur Folge, dass Alastair eine Faust ballte und murrte: „Du ziehst das Unglück magisch an, Matt! Die vergangenen Duelle waren meine Fehler, für die ich jetzt Buße tun werde!“ „Oh, büßen wirst du allerdings. Urila, meine Mutter, will dich tot sehen, immerhin warst du als Anothers Gefäß zu schwach“, gab Matt zu verstehen, „sie ist sozusagen seine Schwester, weißt du?“ „Und wieso ist sie hier?“, verlangte Alastair zu wissen.   Allerdings bekam er keine Antwort. Stattdessen zog Matt neben seinem Startblatt noch eine sechste Karte und bestimmte damit die Reihenfolge der Spielzüge. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“, sagte er. Plötzlich umrandete eine finstere Aura die Karten in seiner Hand und in seinem Deck, „die gute ist, dass Urila meinem Deck eine Generalüberholung verpasst hat. Die schlechte: das Ergebnis wird dir nicht gefallen!“ Damit legte er ein Monster quer auf sein D-Pad und verkündete: „Dieses Monster verdeckt, womit ich meinen Zug beende.“ Die vergrößerte Form der Karte materialisierte sich mit dem Bild nach unten zeigend vor seinen Füßen. Alastair, dem noch immer der Schädel dröhnte, riss nun seinerseits eine Karte von seinem Deck und schrie: „Draw!“ Den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet, wusste er, dass es schwer werden würde, ohne Refiels … ohne Anothers Kräfte etwas gegen ihn auszurichten. Allerdings würde er einen Weg finden, Matt vom Einfluss dieses Abkömmlings zu befreien. Zumindest vermutete er, dass dies nur ein Teil des wahren Dämons war, der sich Urila nannte. Auf dieselbe Weise hatten schon andere Dämonen dafür gesorgt, dass sie an mehreren Orten gleichzeitig sein konnten. Wie Another … So schnappte Alastair sich ein Monster aus seinem Blatt und knallte es auf das D-Pad. „Ich beschwöre [Vylon Soldier]! Und um seine Macht noch weiter zu steigern, rüste ich ihn mit [Vylon Material] aus!“ Von oben herab stieg eine mechanische Engelsgestalt, die ihren Mangel an Beinen mit zwei massiven, goldenen Armen wieder wett machte. An einem von diesem erschien ein Aufsatz, aus dem ein spitzer Dorn ragte.   Vylon Soldier [ATK/1700 → 2300 DEF/1000 (4)]   „Attacke!“, befahl Alastair und zeigte auf Matts gesetztes Monster. Dessen Karte wirbelte plötzlich in die vertikale Lage und drehte ihr Bild nach oben, sodass ein finsteres, geflügeltes Wesen daraus empor kam. Dazu erklärte der Hüne: „Soldier wechselt pro Ausrüstungsmagie, die er besitzt, die Position eines deiner Monster.“   Evilswarm Hraesvelg [ATK/1150 DEF/1850 (4)] Allerdings zeigte sich Matt davon unbeeindruckt. „Das war ein Fehler! Wenn [Evilswarm Hraesvelg] aufgedeckt wird, gibt er eine offene Karte des Feindes aufs Blatt zurück!“ Der gehörnte, finstere Vogel stieß einen Schrei aus, welcher Alastairs Engelsmaschine fortschleuderte. Die Waffe an seinem Arm löste sich dabei auf, Sekunden später die Kreatur selbst. „Hmpf! Evilswarm?“, wiederholte der ältere Dämonenjäger und steckte das Monster ins Blatt zurück. Jenes Vogelmonster war ihm vertraut, doch er konnte nicht einordnen, wo er es schon einmal gesehen hatte. „Beeindruckend. Aber nicht genug, um mich zu überrumpeln. Jetzt, wo [Vylon Material] auf den Friedhof geschickt wurde, kann ich eine neue Vylon-Magie meiner Hand von meinem Kartenstapel hinzufügen!“ Dies tat er auch, nämlich mit einer zweiten Kopie von [Vylon Material]. „Ferner, jetzt wo auf dem Ablagestapel eine Vylon-Ausrüstungsmagiekarte liegt und ich keine Monster kontrolliere, ist es mir erlaubt, [Vylon Omicron] von meiner Hand zu beschwören!“ Er knallte die Karte auf sein schwarzes D-Pad und schrie: „Erscheine, mächtiger Verteidiger!“ Vor ihm erhob sich eine massive, goldene Engelsmaschine mit kugelartigem Unterleib. Ihre silbernen Arme gingen in einem Bogen von den Schultern ab und schlugen am unteren Ende die Fäuste zusammen, sodass das Gebilde einem O glich.   Vylon Omicron [ATK/0 DEF/3000 (7)]   Alastair schob zwei Karten in die Zauber- und Fallenkartenzonen und sagte dabei: „Diese setze ich. Dein Zug!“ Noch während sich die Karten vor seinen Füßen materialisierten, lachte Matt leise und bitterböse.   „Draw“, rief er unter einer hämischen Grimasse und zog schwungvoll. Von seiner neuen Karte ging ebenfalls die finstere Energie aus. Sogleich legte er die neue, gelb umrandete Karte neben Hraelsvelg auf seine Duel Disk. „Normalbeschwörung! [Evilswarm Heliotrope]!“ Alastair weitete die Augen, als er den finsteren Ritter in der dunkelgrünen Rüstung sah. Mit dem Schwert in der Hand, streckte er stolz die Brust hervor – in der ein Smaragd steckte. Evilswarm Heliotrope [ATK/1950 DEF/650 (4)]   Der Blick des Hünen huschte herüber zu Hraesvelg. Jetzt ging ihm ein Licht auf, woher ihm der Vogel bekannt vorkam! Henry Ford spielte so einen in seinem Gusto-Deck. Und dieser Ritter war eindeutig eine besessene Version des [Gem-Knight Emerald] der Schlangenzunge Anya Bauer. „Sieht so aus, als wärst du endlich dahinter gekommen“, sagte Matt vergnügt und streckte die Arme weit aus, „ja, einige meiner Karten waren einst die Diener deiner Freunde. Lass dich überraschen, was noch in meinem Deck auf dich wartet. Wie das hier!“ Er ballte eine Faust und schwang dann den Arm aus, was zur Folge hatte, dass seine beiden Monster sich in violette Lichtstrahlen verwandelten, die von einem schwarzen Strom verschlungen wurden, welcher sich inmitten des Spielfelds aufgetan hatte. „Ich errichte das Overlay Network! Aus meinen Stufe 4-Evilswarmern wird ein Rang 4-Monster! Xyz-Summon!“ Alastair wusste sofort, was Matt plante. Nämlich sein Paktmonster zu rufen, das er einst durch Another erhalten hatte – [Steelswarm Roach]! Diese konnte die Spezialbeschwörungen von auf Stufe 5 oder höher liegenden Kreaturen verhindern und sie zerstören. Es war eine der besten Waffen gegen sein Vylon-Deck! Jedoch brachte ihn ein grauenhaftes Gebrüll, welches aus dem Wirbel hervor drang, von diesem Gedanken schnell ab. So etwas hatte Roach nie getan! Würde er etwa-!? „Zeig deine ganze Pracht, [Evilswarm Bahamut], Herold der Dreiheit!“ Schwarze Schwingen mit Zwischenhäuten aus purem Eis reckten sich durch den Wirbel. Aus diesem kam ein schlangenhafter Drache empor geflogen, finsterer als die tiefste Nacht. Sein boshaftes Antlitz ließ selbst den gestandenen Alastair innehalten, als das Monster sich vor Matt aufbaute und seine Klauen zeigte. Evilswarm Bahamut [ATK/2350 DEF/1350 {4}]   Zwei violette Sphären kreisten um den bösartigen Drachen, als er noch einmal majestätisch brüllte. Alastair erkannte dieses Monster als [Brionac, Dragon Of The Ice Barrier] wieder, eines der gefürchtetsten Synchromonster überhaupt! „Monstereffekt!“, lachte Matt hysterisch und zog ein Xyz-Material unter seiner Karte hervor. „Um ihn zu aktivieren, muss ich zusätzlich noch ein Evilswarm-Monster von meiner Hand opfern!“ Er schob Heliotrope und [Evilswarm Coppelia] in seinen Friedhofsschacht. Sogleich schnappte der Drache nach einer der Sphären, die sich blutrot färbte und schluckte sie hinunter. „Spread Infection!“, befahl Matt und zeigte auf Alastairs Monster. „Gib mir die Kontrolle über [Vylon Omicron]!“ Bahamut öffnete sein Maul und spie eine schwarze Wolke auf Alastairs Maschine. Beim genaueren Hinsehen erkannte man, dass es in Wirklichkeit winzige Insekten waren, die auf Omicron zugeflogen kamen. Alastair aber runzelte nur die Stirn und schwang den Arm aus. „Für wen hältst du mich, Matt? Ich kontere deinen Effekt mit [Vylon Omicrons], da er als Ziel ausgewählt wurde! Ich mische eine Vylon-Ausrüstungsmagie vom Friedhof in mein Deck zurück, verringere sowohl Stufe als auch Verteidigung meines Monsters und blockiere deinen Effekt! Circle Barrier!“ Von dem kugeligen Unterleib ging ein Blitzen aus, welches sich als kreisrunder Lichtschild vor ihm manifestierte. An diesem prallten die Insekten ab und verpufften.   Vylon Omicron [ATK/0 DEF/3000 → 2500 (7 → 6)]   Als der Versuch fehlgeschlagen war, die Kontrolle über Alastairs Monster an sich zu reißen, musste Matt auflachen. „Haha, sehr gut. Wie man es von dir erwartet.“ „Keine Sorge Matt, ich werde dich so schnell ich kann befreien!“ „Mein neues Ich gefällt mir aber“, widersprach dieser, „sieh nur, zu was ich dank Urila, dank Mutter, im Stande bin! Ich bin stärker denn je! Zauberkarte: [Xyz Regret]!“ Das waren nur die Auswirkungen ihres Einflusses auf ihn, dachte Alastair ärgerlich. Der Matt, den er kannte, war nie versessen auf Macht oder dergleichen gewesen! Zur Überraschung des Hünen schossen aus Matts Drachen zwei violette Lichtstrahlen heraus, was zur Folge hatte, dass [Evilswarm Bahamut] sich in dunklen Partikeln auflöste. Stattdessen materialisierten sich jene Strahlen zu [Evilswarm Heliotrope] und [Evilswarm Hraesvelg]. „Indem ich ein Xyz zurück in mein Extradeck schicke und es für dieses Duell aufgebe, kann ich zwei Monster vom Friedhof mit identischem Level gegenüber seines Rangs rufen und für eine neue Xyz-Beschwörung nutzen! Los!“ Mit Unbehagen beobachtete Alastair, wie die Monster gleich wieder zu den Lichtstrahlen und vom Overlay Network absorbiert wurden. „Xyz-Summon!“, schrie Matt begeistert. „Schattenherr der Dreiheit! [Evilswarm Ophion]!“ Aus dem Wirbel trat noch ein Drache, viel größer als sein Vorgänger. Ebenso wie Bahamuts, waren seine Schwingen aus hellblauem Eis, auch wenn sie in ein blutiges Rot am unteren Rand übergingen. Sein spitzer Schweif peitschte wild, als er brüllte. Alastair kannte auch ihn: er gehörte ebenfalls den gefürchteten Ice Barrier-Synchromonstern an, [Gungnir, Dragon Of The Ice Barrier]. Dann …   Evilswarm Ophion [ATK/2550 DEF/1650 {4}]   Auch um ihn kreisten zwei violette Sphären – und Alastair erschrak, als er feststellen musste, dass jenes Monster seine Verteidigung durchbrechen konnte. „Richtig! Da ich mich noch in meiner Main Phase 1 befinde, kann ich zuschlagen! Zunächst aber aktiviere ich noch seinen Effekt! Expand Infection!“ Matts Monster schnappte nach einem seiner Xyz-Materialen und schluckte es hinunter. Von seinen Schwingen gingen daraufhin dunkle Wellen aus, die sich überlagerten und in ihrer Mitte eine Karte formten, die in Matts Hand flog. „Ich erhalte eine Infestation-Karte von meinem Deck, welche ich sofort setze!“ Der besessene Dämonenjäger ließ die Falle mit zufriedenem Ausdruck vor seinen Füßen erscheinen und streckte den Arm aus. „Jetzt vernichte das, was nicht dem Kollektiv angehören will, Ophion! Absolute Infestation!“ [Evilswarm Ophion] öffnete sein Maul und schoss dieselbe schwarze Wolke, die auch [Evilswarm Bahamut] für seinen Effekt genutzt hatte, auf [Vylon Omicron] ab. Auf dessen Oberfläche breitete sie sich, einmal getroffen, rasend schnell aus und zerfraß die Maschine in Sekunden, bis sie explodierte. „Hmpf“, brummte Alastair und verschränkte die Arme, „interessant, dieses Deck.“ „Das war erst der Anfang deines qualvollen Untergangs. Zug beendet“, kicherte Matt.   Alastair zog still seine nächste Karte. Er fühlte sich schuldig an Matts Zustand, denn wenn er nur stärker gewesen wäre, hätte es niemals zu all den Katastrophen der letzten Monate kommen müssen. Dennoch fragte er sich, welches Wesen so stark war, dass es den friedfertigen Matt derart verderben konnte. Das war kein gewöhnlicher Abkömmling, der sich in ihn eingenistet hatte: nein, es war, als wären all die dunklen Eigenschaften seines Freundes plötzlich gebündelt zutage getreten. Alastair wollte gar nicht wissen, welchen Effekt so ein Wesen auf ihn haben musste. Nichtsdestotrotz würde er sich nicht beirren lassen, auch wenn es ihm bisher an einem Plan zur Rettung seines Freundes noch mangelte. „Ich aktiviere eine Magiekarte“, sagte er und zeigte [Monster Reborn] vor, „mit ihr reanimiere ich ein Monster. Dieses ist [Vylon Omicron]!“ Aus einer sich vor ihm öffnenden Erdspalte entstieg die O-förmige Engelsmaschine – nur um eine Salve von schwarzen Insekten in Empfang zu nehmen, die [Evilswarm Ophion] aus seinem Maul kommen ließ. Noch ehe Alastair Fragen stellen konnte, zerbröckelte seine Kreatur und fiel in die Erdspalte zurück. Belehrend hob Matt den Zeigefinger. „Sorry Al, aber so haben wir nicht gewettet. Ophion verhindert, dass Monster ab Stufe 5 spezialbeschworen werden können. Habe ich das vergessen zu erwähnen? Wie dumm von mir, haha!“ Unter einem Wutschrei knallte sein Gegner daraufhin [Vylon Soldier] auf sein D-Pad, welcher vor ihm mit seinen wuchtigen Armen erschien. Ohne eine Erklärung folgen zu lassen, rüstete Alastair sein Monster mit [Vylon Material] aus, sodass die Ausgangssituation seines letzten Zuges wiederhergestellt war.   Vylon Soldier [ATK/1700 → 2300 DEF/1000 (4)] „Ich befehle dir den Angriff“, donnerte der schwarzhaarige Hüne mit ausgestreckter Hand, „vernichte [Steelswarm Ophion], indem du seine Position wechselst!“ Der Engelssoldat, an dessen rechten Arm die Vorrichtung mit dem Dorn erschienen war, schoss wie ein Pfeil auf den finsteren Drachen zu. Mit der Absicht, ihn dank der neuen Waffe aufzuspießen. Das Untier hob seine Flügel und legte sie schützend um seinen Körper.   Evilswarm Ophion [ATK/2550 DEF/1650 {4}]   Genau als der Soldat Kontakt mit seiner Dornenwaffe herstellte, geschah das Unfassbare: beide Monster lösten sich in düsterem Licht auf. Sofort fiel Alastairs Blick auf Matts Falle, die vor ihm aufgeklappt war. „[Infestation Terminus]“, benannte jener diese und zuckte unbedarft mit den Schultern, „du hättest besser aufpassen sollen, welche Karte ich mit Ophions Effekt meiner Hand hinzugefügt habe. Denn diese Falle bannt einen Schwärmer, um zwei deiner Karten auf die Hand zurückzugeben. Wie gewonnen so zerronnen, gilt wohl für uns beide, nicht wahr?“ Unzufrieden nahm Alastair daraufhin [Vylon Soldier] und [Vylon Material] wieder auf die Hand zurück. Unfassbar, dass Matts Deck nun so stark war, dass es keine Möglichkeit für ihn gab, auch nur einen winzigen Treffer zu laden! „Zug beendet“, brummte er. Immerhin hatte Matt den größeren Verlust gemacht, war sein Xyz-Monster jetzt fort. Andererseits schien er diese nur als Mittel zum Zweck zu benutzen, obwohl beide unglaublich stark waren. Was die Frage aufwarf: bei welchem Monster würde Matt seine Wegwerfstrategie beenden? Alastair wollte es gar nicht wissen.   ~-~-~   „Schneller!“, heizte Anya ihre beiden Begleiter an. „Ich kann nicht mehr!“, jammerte Nick, als er mühselig Anya und der Abbyrene, wie er sie neuerdings nannte, hinterher hechelte. „Diese Beine bringen mich um! Ich bin schneller wenn ich hüpfe, hehe.“ „Dann hüpf eben! Oder schmeiß dich hin und lass dich von Chucky oder Freddy fertig machen, das würde uns wenigstens Zeit verschaffen!“, erwiderte Anya gallig. Zugutehalten musste man ihr, dass das ausnahmsweise kein Witz war. Denn während sie die Straße entlang zu Valerie Redfields weißer Villa hechteten, wurden sie tatsächlich von besagten Übeltätern berühmter Filme verfolgt. Und noch ungefähr zwei dutzend anderer Kreaturen, die zwischen zehn Zentimetern und drei Metern groß waren. Denn leider war es ihnen nicht gelungen, sich unbemerkt in Valeries Straße zu stehlen. Der elfjährige LeRoy Jenkins, der jetzt die Mörderpuppe mimte, hatte die Dreiergruppe entdeckt, als sie sich über dessen Grundstück auf den Hinterhof schleichen wollten. LeRoy, der ein heimlicher Fan von Anya war und seither sein ganz eigenes Programm sadistischen Terrors ausarbeitete, würde irgendwann die nächste Generation von Terrorkindern einläuten. Grund genug für ihn, jetzt wo er all seiner Angst vor Anya und seines Verstandes beraubt war, besagtes Programm an seinem großen Idol auszuprobieren. Drum alarmierte er mit kreischigem Gebrüll alle Monster in der näheren Umgebung, auf dass sie ihm bei seinem Unterfangen unterstützten. Was Anya, Nick und Abby in ihre aktuelle Misere brachte. „Da!“, schrie Anya und zeigte mit dem Finger auf eine weiße Villa links voraus von ihnen. Jene, dem Weißen Haus nicht unähnlich, war stockfinster. Das große Eingangstor stand sperrangelweit offen. „Oh nein!“, japste Abby neben ihr. „Sag bloß, sie wurden schon angegriffen!?“ „Hallelujah, dann wird der Tag ja doch noch gut!“, jubelte Anya böswillig. Nick, der schon fast von dem Monstermob eingeholt worden war, schrie: „Hilfe, ich kann nicht mehr!“ Da knallte es. Die Monster hinter dem Satyr kamen abrupt zum Stehen, im Asphalt prangerte ein kleines Loch. Anya und Abby hielten ebenfalls verdutzt an und sahen zurück. Nick rannte die beiden fast um und versteckte sich hinter den Mädchen, die nicht begriffen, was gerade geschehen war. „Wer hat da geschossen?“, fragte Anya angespannt. „Das war 'n Jagdgewehr! Und was für eins! Wer-!?“ Abby aber zeigte nach oben, zu einem Fenster im Obergeschoss der Villa der Redfields. Als Anya dem Hinweis folgte, verzogen sich ihre Augen zu Schlitze. „Oh, ich hätte es wissen müssen! Wieso hat dieses Miststück sowas!?“ Dort oben, aus dem Fenster, lehnte sich eine schwarzhaarige Gestalt mit Cowboyhut und zielte auf die Gruppe aus Monstern. Plötzlich schwang die Tür der Villa auf, aus der ein brünetter, junger Mann und eine etwas ältere, ebenfalls brünette Frau erschienen. „Kommt, schnell!“, rief Henry den Dreien zu. „Hier ist es sicher!“, bestätigte seine Schwester Melinda. „Pah! Machen die es sich dort gemütlich, während wir um unser Leben rennen!?“, beklagte sich Anya halb fragend, halb feststellend. „Von wegen! Da kriegen mich keine zehn Pferde rein!“ „Beeilung!“, drängte Henry aus der Ferne. „Schließt dabei gleich das Tor, wenn ihr schon dabei seid!“ „Und passt auf die Streuner auf dem Hof auf!“, fügte Melinda noch hinzu. „Als der Strom ausfiel, haben sie das Tor geöffnet und sind hier hinein gelangt!“ Womit sie wohl eine Gruppe von Zombies, einen Anubismann und anderes Gesocks meinte, das sich im weitläufig angelegten Blumenbeet der Redfields vergnügte. Anya schnaubte. „Sonst noch Wünsche!?“ Ehe sie aber weiter protestieren konnte, zog Abby sie am Arm zum Grundstück hin und wies dabei Nick an, dass er sich um das Tor kümmern sollte.   Der Lärm ließ allerdings Valeries ungebetene Gäste aufmerksam werden, weshalb die Drei sich beeilen mussten, vor denen im Haus zu sein. So hetzten sie über den Garten in die Villa hinein, wodurch Henry und Melinda den Monstern im Schlepptau gerade noch rechtzeitig die Türe vor der Nase zuschlagen konnten. Das Erste, was Anya bemerkte, als sie sich im dunklen Flur des Hauses umsehen konnte, waren die stöhnenden Geräusche, die von weiter vorne aus dem Wohnzimmer drangen. „Was … ist das … ?“, keuchte sie und stützte sich bückend an den Knien ab. „Nur Valeries Vater“, erklärte Henry steif, während er an ihr vorbei humpelte. Selbst im Dunklen konnte Anya förmlich die missbilligenden Blicke spüren, die er ihr zuwarf. Da war wohl jemand immer noch sehr nachtragend bezüglich gewisser Intrigen ihrerseits. Warum auch nicht, sein rechtes Bein war schließlich eingegipst und -ihr- Autogramm fehlte darauf noch! „Und was ist der jetzt?“, wollte sie wissen. „Ne Mumie“, antwortete Melinda belustigt, „Valerie hat ihn ins Wohnzimmer gelockt und dann an seinem Sessel gefesselt. Mit seinen eigenen Bandagen!“ „Ui, wie toll! Warum hat sie ihn nicht gleich dran aufgehangen, wenn sie schon so gut im Mumienbekämpfen ist!?“, ätzte Anya sofort drauf los. In dem Augenblick kam das Cowgirl in Hotpants, Valerie, von rechts in den Flur, ihre Flinte geschultert. „Weil er mein Vater ist.“ Anya blinzelte zweimal, ehe sie das Wort ergriff. „Oh Redfield, von all den Dingen, zu denen du hättest werden können … Riesenoktopus, Schleimklops, meinetwegen auch ein Cockatrice … musstest du unbedingt du selbst bleiben, huh!?“ Deren Reaktion auf die Provokation fiel anders als erhofft aus. „Was auch immer.“ Allein an dem angespannten Tonfall merkte man auch ihr an, dass sie nicht sonderlich begeistert war, Anya zu sehen. Geschweige denn deren Kommentare anhören zu müssen. Die ließ sich allerdings nicht anmerken, dass ihr die abweisende Art einen Stich versetzte. „Wenn du meinst … seit wann kannst du überhaupt schießen?“ „Mein Vater hat mich hin und wieder zu seinen Übungen und Jagdausflügen mitgenommen“, erwiderte Valerie immer noch unterkühlt.   Ihr Blick wanderte von Anya zu Abby und Nick. „Seid ihr beide in Ordnung? Nick, du …“ „Er ist aber nicht bösartig!“, versicherte Abby ihr sofort. Valerie klang nicht vollends überzeugt, als sie fragte: „Und was ist mit dir?“ „Sperr doch die Augen auf, Redfield! Sie ist eine Sirene!“, giftete Anya. „Aber heißt das dann nicht, dass wir sie nicht ansehen dürfen?“, fragte Nick der Satyr. „Weil Sirenen doch hypnotisieren … hab ich gehört. Auch wenn ich natürlich alle Blicke auf mich ziehe, so sexy wie ich bin, hehe.“ Nur um sofort von Anya eine Klatsche gegen den Hinterkopf zu bekommen. „Du Idiot, du hast doch letztens im Knast gesehen, dass das Schwachsinn ist! Sie ist'n Halbblut und nicht gut-“ „Nick, Anya“, unterbrach Abby ihre altklugen Freunde scharf und sah beide abwechselnd mit halb geschlossenen Augen an, denn dass sie auch schon vor der Monsternacht eine Sirene war, mussten Valerie, Melinda und insbesondere Henry nun wirklich nicht wissen, „das interessiert jetzt nicht! Und Nick: zieh Anya an den Haaren!“ Ehe jene überhaupt wusste wie ihr geschah, hatte Nick willig ihren Pferdeschwanz gepackt und hielt die einen Kopf Kürzere daran fest. „Finger weg, du Idiot!“ Sich zu Abby schwingend, hielt die ihr den Zeigefinger wütend unter die Nase. „Das beweist gar nichts! Nicht bei Nick!“ „Anya“, gurrte Abby mit ihrer rauchigen Stimme, „zeig uns deinen Bauchnabel.“ Und Anya gehorchte ganz zu ihrem Entsetzen, als sie ihr schwarzes Shirt hochzog. Valerie konnte es sich nicht verkneifen lauthals zu lachen, während Henry fassungslos über die Albereien der Drei den Kopf schüttelte. „Jetzt wisst ihr, was eine Sirene so alles kann“, schloss Abby die Szene und wandte sich Valerie zu, „wegen der Transformationen …“ Woraufhin sie den Dreien knapp die Situation erklärte plus ihre Theorie, warum sich der Fluch oder was auch immer auf sie alle anders auswirkte als auf den Rest Livingtons.   „So ist das also“, murmelte Melinda und versuchte eine sorgenfreie Miene aufzusetzen, was ihr nur mäßig gelang, „dann haben wir ja fast Glück gehabt, mal Opfer der Immateriellen geworden zu sein.“ „Wo ist eigentlich Marc?“, wollte Anya wissen. „Der ist noch oben und sorgt dafür, dass die Dämonen uns fern bleiben.“ Valerie winkte zum Verständnis mit dem Jagdgewehr, rückte sich mit dem Lauf den Cowboyhut etwas nach oben. Henry stellte sich neben sie und verschränkte die Arme. Missmutig fragte er: „Was hast du angestellt?“ „Meinst du mich, Pennerkind?“, erwiderte Anya gereizt und zeigte mit dem Finger auf sich. „Anya, sei nicht so respektlos! Denk lieber dran, was ich dir nahegelegt habe!“, mahnte Abby sie. „Tch … ihr wollt eine Entschuldigung hören?“, sagte Anya im Affekt. „Dann sperrt die Lauscher auf: es gibt keine! Und wollt ihr wissen warum!? Egal was ich sage, was ich sagen könnte – es wäre nicht gut genug für euch! Also lasse ich es!“ Melinda, die sich eher abseits der anderen hingestellt hatte, seufzte: „Ich kenne dich zwar nicht gut, aber ich kann nachvollziehen, was dich … zu dem bewogen hat, was du getan hast. Zwar kann ich nur für mich sprechen, aber ich habe dir verziehen. Es ist doch alles nochmal gut ausgegangen, wir sollten uns freuen, noch am Leben zu sein.“ „Ich sehe das anders, Melinda“, sagte Henry daraufhin kalt. „Einmal Verräter, immer Verräter.“ „Immerhin bist du ehrlich, Anya“, schlug Valerie in dieselbe Kerbe, „und du hast recht, gut genug wären deine Entschuldigungen niemals. Aber in einem irrst du dich.“ Bewusst zur Seite ihren Freund Nick ansehend, der das Ganze mit unbeschwerter Miene verfolgte, wollte Anya wissen: „Das wäre?“ „Eine Entschuldigung habe ich nie erwartet. Um ehrlich zu sein könnte ich so viel Schlechtes über dich in diesem Moment sagen, dass ich vermutlich eine ebenso verdorbene Sprache wie du benutzen müsste“, sagte Valerie ernst, „aber wenn mich Anothers Intrige eins gelehrt hat, dann dass wir alle Opfer waren, jeder auf seine eigene Weise. Irgendwann werde ich dich sicherlich wieder ausstehen können, so sehr das bei dir eben möglich ist, Anya. Aber bis dahin lass mich in Ruhe, okay?“ Anya zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst, Redfield …“ „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, fügte die Tochter des Bürgermeisters noch an. Ihre Stimmung hellte sich mit einem Mal ein wenig auf. „Betrachte dich als Freundin auf Probezeit. Die einen großen Fehler begangen und uns nun ihre Loyalität beweisen muss. Und wenn du bestehst, werde ich deine Entschuldigung annehmen, egal wie schlecht sie ist.“ „Ist das dein Ernst?“, hakte Henry missmutig nach. „Erst bist du kalt wie ein Eisblock, jetzt vergibst du ihr?“ „Hast du nicht zugehört?“ Valerie zog an ihnen vorbei und trat auf die Tür zu. „Ich habe gesagt, dass ich ihr noch vergeben muss. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass du auch ein wenig über dich nachdenkst. Denk nicht, dass ich vergessen habe, was du Marc angetan hast im Turm.“ Henry schnaubte wütend, hatte er diese Kritik an seiner Person nicht erwartet. „Ich hatte keine Wahl!“ „Den Satz zu benutzen, obwohl du ihn bei anderen verurteilst, sieht dir ähnlich“, erwiderte Valerie nun wieder in der Rolle der Eiskönigin, „wie gesagt, fass dich lieber an die eigene Nase.“ „Aber Schluss damit. Also“, schloss Valerie und drehte sich zu den anderen um, „Zeit, dass wir die Dämonenjäger aufsuchen. Melinda, Nick, ihr bleibt mit Marc im Haus. Der Rest folgt mir und Anya.“ „Wer hat dich zur Anführerin gemacht?“, ätzte Anya, die hin und her gerissen war, ob sie aus Dank, dass Redfield ihrem Erzfeind Henry Ford eine verbale Kopfnuss gegeben hat, auf einen fiesen Spruch verzichten sollte. Das schlechte Gewissen ihr gegenüber und natürlich ausschließlich die Aussicht, dass Abby sie nicht länger wegen der Turmsache nerven würde, ließen sie den zerbrechlichen Waffenstillstand mit ihrer Rivalin schließlich wahren. Auf Anyas Frage antwortend, winkte Valerie noch einmal mit ihrer Waffe: „Die da. Da kann deine Barbie leider nicht mithalten.“ „Du würdest dich wundern!“ „Sollten wir nicht zusammen gehen? Als Gruppe sind wir stärker“, schlug Abby vor. „Aber erregen auch mehr Aufmerksamkeit“, gab Valerie zu verstehen, „Anyas Erfahrung im Umgang mit Baseballschlägern, meine Schusskünste und Abbys Sirenenkräfte sind hilfreich.“ Sich übergangen fühlend, schnaubte Henry sauer. „Ach und Henrys Mundwerk“, fügte Valerie noch spitz hinzu. „Aber du kannst auch hier bleiben, wenn du möchtest. Ich glaube, mit deinem Bein wäre das nur angemessen.“ „Gott Redfield, seit wann bist du so … cool?“, schoss es aus Anya heraus, die diesen Ausruf sofort aufs Bitterste bereute. „Ich komme mit“, entschied Henry und zückte seine Duel Disk, „oder wollt ihr auf den verzichten, der seinen Duel Monsters-Karten dank gewisser Beziehungen ordentlich Wumms verpassen kann?“ Was er damit meinte war, dass er der Sohn des Besitzers der Abraham Ford Company war, die die Duel Monsters-Server in Amerika bereitstellte und die Karten dort vertrieb. Wodurch er die Sicherheitseinstellungen seiner Duel Disk ausschalten und realen Schaden verursachen konnte. „Ach stimmt, deswegen wollt ich dich mitnehmen“, antwortete Valerie lakonisch, „also Anya, wo finden wir die Dämonenjäger am wahrscheinlichsten?“ „Wenn sie sich nicht grad durch die Stadt metzeln, vermutlich irgendwo in der Nähe des Motels am Stadtrand.“ Anya verschränkte die Arme, wie sie neben ihrer Rivalin stand und grinste keck. „Da beide aber totale Volltrottel sind, eher bei der Einsturzstelle des Turms. Die Narbenfresse ist sicher ganz heiß drauf, den Fall zu lösen und alles und jeden zu exorzieren.“ „Also auf zu dem Ort, wo vermutlich alles begann!“, entschied Valerie und riss die Tür auf.   Die Gruppe leitend, schritt sie über den weitläufigen Hof des Anwesens, das Jagdgewehr im Anschlag. Sich ab und zu um die eigene Achse drehend, achtete sie darauf, dass keiner der überirdischen Eindringlinge ihnen zu nahe kam. Dabei gab Marc ihnen als schattenhafte Figur im oberen Stockwerk aus einem der Fenster lehnend Deckung. „Kommt es mir nur so vor, oder haben die Schiss vor Knarren?“, überlegte Anya, die Rücken an Rücken hinter Valerie lief, um ihr Deckung zu geben. So konnte sie nach oben zu dem Fenster sehen, wo Marc besagten Sniper mimte und ihr zuwinkte. Abby, die sich mit Henry ebenfalls dicht an der Gruppe hielt, meinte: „Vielleicht erinnern sie sich, dass sie als Menschen Waffen respektiert haben.“ „Hoffen wir, dass wir nicht auf jemanden von Anyas Schlag treffen“, murrte Henry, „jemand, den Waffen vor der Nase anturnen.“ „Kennst dich ja gut mit meinen Fetischen aus“, ätzte Anya zurück. Die Vierergruppe näherte sich dem Tor, sodass Henry und Abby sich ran machten, jenes zu öffnen, während die anderen beiden jungen Frauen aufpassten, dass die lauernden Kreaturen nicht auf dumme Gedanken kamen.   Alles verlief reibungslos. Sie verließen das Grundstück, schlossen das Tor und bewegten sich dicht am Bürgersteig und den hohen Zäunen der anderen Anwesen entlang. Der Monstermob, der zuvor Anya und Co verfolgt hatte, war inzwischen wieder zerstreut. Tatsächlich war die Straße wie ausgestorben. „Irgendwie ist es hier zu still“, befand Valerie und sah sich gründlich in der nächtlichen Umgebung um. „Ich kann nicht genau sagen warum, aber ich habe ein ganz dummes Gefühl hierbei“, gab Abby ängstlich zu. „Keine Sorge, wir passen auf dich auf“, versuchte Henry sie beruhigen. „D-danke.“ Anya schnaubte. Sie hasste es, ihrer Erzrivalin recht geben zu müssen. Hier stank etwas ganz gewaltig und damit meinte sie nicht Nicks Satyrhormone, die ihr jetzt ekligerweise anzuhaften schienen.   Die allgemeine Anspannung stellte sich aber als unbegründet heraus. Völlig unentdeckt konnten sie die nächsten vier Straßen passieren. „Noch etwa zehn Minuten Fußmarsch, dann sind wir da“, sagte Valerie und führte die Gruppe an ein paar am Straßenrand geparkten Autos vorbei, von denen eins wie eine Coladose plattgedrückt war. „Und was, wenn die Dämonenjäger nicht dort sind?“ „Dann gehen wir wieder zurück und überlegen uns etwas anderes“, antwortete die Schwarzhaarige auf die Frage Abbys. „Ohne die beiden können wir nichts tun, das sollte klar sein.“ „Riecht ihr das?“, fragte Anya und schnüffelte demonstrativ. „Irgendwie … verkohlt.“ Henry, der neben ihr her humpelte, zeigte mit dem Arm, an dem seine Duel Disk angeschnallt war, auf ein hohes Bürogebäude weiter voraus. Auf etwa seiner Mitte war es völlig verkohlt, aus einigen Büros drang Rauch. „Duckt euch!“, befahl Anya sofort, die ahnte, was vorgefallen war. „Versteckt euch hinter den Karren!“ Ohne über die Order nachzudenken, taten die anderen Drei wie geheißen, sodass Anya und Henry sich hinter einem roten und Valerie mit Abby hinter einem schwarzen Wagen verbargen. „Was ist?“, wollte Anyas Erzrivalin flüsternd wissen. „Das da oben war Nicks Mum. Die ist jetzt ein Drache. Möchte wetten, die schwirrt hier noch irgendwo rum.“ Henry sah nach oben in den wolkenverhangenen Himmel, konnte aber keine fliegenden Kreaturen entdecken. „Da ist nichts.“ „Vielleicht versteckt sie sich irgendwo? Auf offener Straße sind wir für sie gefundenes Fressen“, gab Abby zu bedenken. „Was anderes bleibt uns nicht übrig. Das hier ist kein Wohngebiet mehr, hier gibt es keine Hinterhöfe, die uns Schutz bieten.“ Anya pfiff durch die Zähne. „Und ich wette, keiner von euch Schlappschwänzen hat den Mumm, durch die Kanalisation zu waten.“ „Sie hat recht, dort würden wir uns nur verirren. Wir müssen eben Deckung suchen“, entschied Valerie, „vielleicht haben wir Glück und Nicks Mutter ist längst woanders.“   So kam es, dass sie von Auto zu Auto hechteten. Einige standen mitten auf der Straße, welche sie mieden. Doch zu ihrem Glück gab es heute außergewöhnliche viele Berufstätige, die bis mitten in die Nacht Überstunden schoben. Auch ein gewisser Mangel an öffentlichen Parkplätzen machte es ihnen leichter, nicht allzu lange ohne Deckung auskommen zu müssen. Leider bemerkten sie dabei nicht, dass unter einem der Wagen eine schrumpelige Hand hervor langte. Auch war ihnen entgangen, dass die Straße zwar frei war – die Dächer der umliegenden Geschäfte und Bürogebäude aber geradezu überfüllt mit Kreaturen der Nacht war. Und all deren Augen waren auf die kleine Gruppe fixiert.   Diese bog gerade ahnungslos in eine nach rechts verlaufende Straße ein, da wurden auch sie langsam skeptisch. „Irgendwas ist hier komisch“, meinte Anya, als sie am Straßenrand hinter der kleinen Hütte eines Hot Dog-Verkäufers Schutz fanden, „hier ist niemand! Wo sind die alle?“ „Vielleicht hat sich das Problem bereits gelöst und alle liegen wieder in ihren Betten?“, hoffte Abby. „Sei nicht albern“, winkte ihre beste Freundin mürrisch ab, „wann war das jemals der Fall?“ „Uah! Bestimmt nicht heute!“, schoss es aus Henry heraus, als von oben herab eine Klaue nach seinem Hals schnappte. Nur haarscharf verfehlten die messerscharfen Krallen dabei seine Kehle, Henry schlug im Affekt den fellüberzogenen Arm weg. Schreiend stieß er sich anschließend von dem Laden ab. „Scheiße!“ Sofort wichen auch die anderen Drei von dem Hot Dog-Stand zurück und fanden sich umzingelt vor, als von den Dächern die verschiedensten Kreaturen sprangen. So war die bucklige Kreatur, die Henry beinahe die Kehle durchgeschnitten hatte, womöglich ein Werwolf. „Oh shit!“, schrie Anya. „Die Viecher müssen uns verfolgt haben!“ „Gar nicht so dumm!“, gestand Valerie. Zusammen wurden sie zunehmend in die Mitte der Straße gedrängt, wo die Schlinge sich immer enger um sie zog. Von allen Seiten kamen sie, nur noch wenige Meter von Anya und Co entfernt. „Verdammter Kackmist, wer hätte gedacht, dass sie so klug sind!?“ Henry lachte bitter auf. „Das waren mal Menschen. Selbst jetzt, in diesem Zustand, sind sie noch cleverer als du, Anya.“ „Fuck you!“, sprachs und hielt Henry den Mittelfinger mitten ins Gesicht. „Hört auf zu streiten, wir haben ernsthafte Probleme!“, mahnte Valerie die beiden und schoss mit ihrer Waffe vor ein paar kriechenden Schleim-Kreaturen in den Boden. Doch die erhoffte Wirkung blieb diesmal aus, die Monster hielten nicht an. Eilig lud Valerie nach, indem sie die Patrone aus der Brusttasche ihrer Jeansweste fischte und einlegte. „Was machen wir jetzt!?“, jammerte Abby unsicher. „Wir können die doch nicht töten! Das sind immerhin Menschen!“ „Und was sollen wir sonst tun!?“, fauchte Anya zurück, die Barbie kämpferisch vor sich hielt, bereit, jederzeit zuzuschlagen. „Die softe Tour funktioniert nicht! Dafür sind es zu viele!“ Henry, der seine Duel Disk aktivierte, nickte. „Leider hat sie recht. Ausknocken nützt bei der Masse nichts. Entweder die oder wir, eine andere Wahl haben wir nicht.“ „Doch haben wir! Passt auf!“   Abby wandte sich von der Gruppe ab und räusperte sich. Dann begann sie zu singen. Seltsame Worte oder besser gesagt die Brocken, an die sie sich noch erinnerte. Das friedliche Wiegenlied, das ihre Mutter immer gesungen hatte, „La fina kanto“ - das letzte Lied. Es würde die Monster einlullen und sie davon abhalten anzugreifen. Aber nichts geschah. Die Kreaturen kamen immer näher, was Abby aus dem Takt brachte. Sie waren ihr gar so nah, dass die Sirene zurückweichen und das Lied abbrechen musste. „W-warum funktioniert es nicht!?“, stammelte Abby panisch. „Anya!?“ „Entweder weil sie immun sind oder zu viele, bin ich 'ne Sirene, dass ich dir das beantworten kann!?“, gab die angespannt zurück. Valerie richtete ihr Gewehr und zielte damit auf den Kopf einer Kreatur, die eine Mischung aus Bär und Elch zu sein schien. „Wir haben keine Wahl mehr. Jetzt geht es ums nackte Überleben.“ Waren die Monster schließlich noch knapp zwei Meter von ihnen entfernt. So drückte das Mädchen ab.     [Part II – Ende] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)