Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 1: Turn 01 - A New Approach ----------------------------------- Turn 01 – A New Approach     Eine Welt, die nicht länger existiert. Und eine Welt, die mich abstößt. In der ich nicht existiere. So sehne ich herbei, was uns einst gegeben. Auch wenn ich dafür einen Preis zu zahlen habe. Eden.     Unendliche Finsternis umgriff Anya. Wohin sie auch blickte, das lückenlose Schwarz schien sie regelrecht zu verschlingen. Oder nein, es hatte sie bereits verschlungen. Sie wusste genau, dass das ein Traum sein musste. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hatte, würde ernsthaft daran zweifeln, dass dieser Ort nicht echt war. Missmutig schüttelte die Blondine den Kopf und bemerkte dabei, dass nicht alles in dieser Welt dunkel war. Sie stand auf einem Mosaik, das in vielen kleinen Puzzleteilen die Erde als Scheibe darstellte. Jene leuchtete unheimlich in ihren blauen, braunen und grünen Farben. Und sie drehte sich. Aber Anya, obwohl sie auf dem Bildnis stand, drehte sich nicht mit.   Was für ein verrückter Traum, dachte sie ärgerlich. Gehörte sie jetzt auch schon zur einsamen Spinnerriege, die sonst nur ihrem Freund Nick vorbehalten war? Allein der Gedanke ließ sie erschaudern. Nein, mit dem Hohlkopf wollte sie sich nicht gleichstellen. Selbst auf Drogen würde sie niemals so durchgedreht und dumm sein, wie er es ohne Hilfsmittel war. Sie seufzte. Es wäre schön, wenn er wenigstens hier wäre. Andererseits, eher würde er sich hinter ihr verstecken, als umgedreht. Aus gutem Grund. Sie ließ ihre Handgelenke knacken und trat einen Schritt nach vorn, inmitten des Mosaiks. Sollte doch das obligatorische Traummonster auftauchen, sie würde es direkt zurück zu Frau Holle schicken!   Ein einsamer Ort, nicht wahr?   „Was?“ Anya wirbelte ruckartig herum, ihr Pferdeschwanz peitschte ihr dabei ins Gesicht. Diese tiefe, düstere Stimme war aus dem Nichts erschienen. Doch wohin sie auch sah, ihren Ursprung konnte sie nicht ausmachen.   Such nicht nach mir. Schließlich habe ich dich gesucht. Und gefunden.   „Wer zur Hölle ist da?“, fauchte sie aufgebracht. Dieser Mistkerl sollte ihr gefälligst gegenübertreten und nicht mit solchen Billigeffekten versuchen, ihr Angst einzujagen. Immerhin war das -ihr- Traum, -sie- bestimmte die Regeln! „Komm raus, du Feigling!“   Eine Bitte, der ich nicht nachkommen kann.   „Warum?“ Langsam wurde es langweilig. Und Anya kam sich dumm dabei vor, mit einer gestaltlosen Stimme zu sprechen. Außenstehende würden sie vermutlich für verrückt halten. Aber es war zum Glück nur ein Traum.   Bedauerlicherweise verfüge ich nicht über einen Körper.   „Soll das ein Witz sein?“ Egal wie sehr sich Anya auch um die eigene Achse drehte, in der endlosen Finsternis konnte sie niemanden entdecken.   Leider ist dies die Wahrheit. Ich, Levrier, bin hier nichts weiter als ein Schatten. Und deswegen brauche ich dich, Anya Bauer.   Anya musste auflachen. Langsam wurde das richtig lächerlich. Konnte sie nicht endlich aufwachen? Da war ihr ja noch ein siebenköpfiger Drache lieber. Der war wenigstens cool, wenn er einen auffraß. Die Stirn runzelnd, verschränkte sie die Arme und atmete tief durch. Vielleicht ging das hier schneller vorbei, wenn sie sich auf den Traum einließ. „Und wofür, Levirgendwas?“   In deiner Welt gibt es nur eine Handvoll geeigneter Gefäße, die meinen Geist in sich tragen können. Und du, Anya Bauer, bist so ein Gefäß. In dir klafft ein Loch, groß genug um mich zu tragen. Doch dein Wille ist stark genug, um nicht unter der Last meiner Existenz zusammenzubrechen. Dein Körper ist gesund, jung, kräftig und wird nicht verglühen, wenn ich ihn betrete.   „Ja, ja, ja, was auch immer. Klar bin ich toll.“ Sie fasste sich an die Stirn. Eine Woge des Unwohlseins ging durch ihren Leib. Irgendetwas stimmte hier nicht. Einen derart verrückten Traum hatte sie noch nie gehabt. Warum interessierte sich dieses Hirngespinst für ihren Körper?   Öffne mir das Tor zu deiner Seele und lass mich herein. Zusammen werden wir etwas Großes schaffen.   Anya winkte mit einem verächtlichen Zischen ab. „Kein Interesse. Wärst du jetzt so freundlich und ziehst Leine? Ich möchte ungern verschlafen.“ Dass sie das einmal sagen würde! Aber Schule war allemal besser, als mit diesem gesichtslosen Freak zu quatschen. „Such dir einen anderen für dein großes Etwas!“ Sie wandte der Dunkelheit den Rücken zu, auch wenn sie wusste, dass es eine sinnlose Geste war. Dieses Ding schien ohnehin überall zu sein.   Ich fürchte, das ist nicht möglich. Du bist das beste Gefäß. Lass mich herein, damit wir „Eden“ werden können.   „Was zum Geier ist denn Eden? Ich bin nicht gläubig, wenn du das meinst!“ Allmählich war Anya es leid, immer wieder auf die Versuche dieses Levidingens zu reagieren, das Gespräch am Leben zu erhalten. Sollte es doch sonstwen anbetteln, aber nicht sie! Und überhaupt: wie kam diese Pfeife eigentlich auf die grenzdebile Idee, ausgerechnet -sie- um so etwas zu bitten? Wusste der denn nicht, dass es in Livington, ihrer Heimatstadt, nur zwei Dinge gab, um die man einen großen Bogen machen sollte? Johnnys Pizzaladen und sie, Anya Bauer! Eden. Das größere Wohl.   „Verstehe“, log Anya. „Kann ich jetzt gehen?“ Schwöre mir deine Treue.   Anya pfiff spöttisch. „Nein. Wäre ja noch schöner, wenn ich jedem Dahergelaufenen in den Allerwertesten kriechen würde.“ Ihre Gedanken drehten sich eher darum, wie sie sich selbst erklären konnte, so einen ausgemachten Schwachsinn zu träumen. Hatte Nick ihr gestern in der Kantine etwas ins Essen gemischt? Oh, den würde sie-   Wohlan. Du bist noch nicht bereit, wie mir scheint. Wir werden uns wiedersehen, Anya Bauer. Und dann wirst du mein Gefäß werden.   „Als ob!“ Doch ihre Worte hallten nicht durch die Finsternis, sondern die vier Wände ihres kleinen Zimmers. Schweißnass saß Anya kerzengerade aufgerichtet in ihrem Bett und starrte auf den Bildschirm ihres uralten Röhrenfernsehers am anderen Ende des Zimmers. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, wo sie war. Stöhnend wischte sie sich einige blonde Strähnen von der Stirn und versuchte klare Gedanken zu fassen. Doch es ging nicht. Der Traum schwirrte in ihrem Kopf, jedes kleine Detail davon. Obwohl Anya den klischeebehafteten Spruch „Es hat sich so real angefühlt!“ abgrundtief hasste, musste sie zugeben, dass er gewissermaßen zutraf. Den Klang von Leviwasauchimmers Stimme würde sie wohl so schnell nicht vergessen. Genau wie den Rest dieses ganzen Mists.   Anya beschloss, dass sie erst einmal duschen und dann frühstücken sollte. Dann musste sie auch schon in die Schule. Wer weiß, vielleicht würde sie dort einem Unterstufler das Essensgeld wegnehmen können? Dann hätte dieser bereits absolut bescheidene Tag wenigstens ein Gutes.   ~-~-~   „Ohhhh, ich schraube ihr den Kopf ab und stecke ihn ihr an einen Ort, den sie so noch nie gesehen hat!“, fauchte Anya gut fünf Stunden später außer sich vor Wut. Sie knirschte mit den Zähnen, ballte die Hände auf ihrem Schoß zu Fäusten, sodass die Knöchel deutlich hervortraten und doch konnte sie ihren Zorn nicht bändigen. Hier saß sie. Auf der Ersatzbank. Sie, die die Hälfte aller Jungen vom Eis fegen konnte! Und wen hatte der Coach stattdessen für das Freundschaftsspiel gegen die „Virtues of Dice“, die ewige Rivalenmannschaft der „Livington Lions“ eingesetzt? Diese zerbrechliche, ahnungslose, dummschwatzende, hirnverbrannte, einfach nur lächerliche Valerie Redfield. Gab es überhaupt irgendetwas, wo diese dumme Schnalle nicht die erste Geige spielte? Die war doch erst seit einem halben Jahr im Eishockeyteam ihrer Schule! Sie, Anya, schon seit ihrer Kindheit!   Wütend krallte Anya ihre Finger in den Schläger und suchte nach einem Objekt oder einer Person, die feige genug war, sie nicht wegen zukünftiger Taten anzuzeigen. Aber neben dem Coach und ein paar Ersatzspielern am Ende der Bank war da nur Abby, ihre beste Freundin. Und die war zu nützlich, um sie zu Brei zu verarbeiten.   Abby war ein hageres Mädchen mit langem, braunen Haar, das nur mäßig gebändigt wirkte. Ein grünes Stirnband zierte ihr Haupt, was zu ihren langen, geblümten Kleid farblich hervorragend passte. Wie immer trug Abby ihre Brille mit den kreisrunden, getönten Gläsern. Anya seufzte. Abby war immer noch ein Hippie. Und das jetzt seit über einem Jahr. Konnte sie nicht wieder Punk sein? Da war sie wenigstens nicht so langweilig wie jetzt. Beleidigt stellte Anya an Abbys verträumten Blick fest, dass jene die letzten fünfzehn Minuten ihres Fluchens nicht bemerkt hatte und in einer anderen Sphäre zu schweben schien. Warum war sie überhaupt hier, wenn sie dem Spiel – Korrektur: ihr – keine Beachtung schenkte?   „Abby?“, fragte Anya mürrisch. „Hmm?“, gab die in einem melodischen Singsang von sich. „Hast du mir überhaupt zugehört?“ Abby nickte. „Natürlich. Aber ich finde, Gewalt ist keine Lösung. Der Coach hat Valerie ausgesucht, weil sie Erfahrung sammeln soll. Anstatt dich aufzuregen, solltest du lieber mit den beiden reden.“ „Geht nicht“, brummte Anya sauer. „Ich wüsste dann nämlich nicht, wem ich zuerst die Augen auskratzen sollte.“ „Du sollst sprechen Anya. Über die Dinge, die dich bewegen, dich berühren, dich verletzen.“ „Verletzen?“ Ein fieses Grinsen spielte um die Mundwinkel der Blondine. „Oh ja, das würde ich nur zu gerne.“   Abby zuckte mit den Schultern. Sie wusste, dass Anya ein hoffnungsloser Fall war. Ebenso wusste sie aber auch, dass diese Phasen nie lange anhielten. Es brauchte nur einen neuen Grund, damit ihre Freundin aus der Haut fuhr und schon war alles Schnee von gestern.   Neidisch beobachtete Anya das Eisfeld und wie sich die Mannschaften in Blau und Violett gegenseitig drangsalierten, nur um den Puck ins Feindgebiet zu rücken. Dabei ließ sie eine Gestalt in Blau nicht aus den Augen. Die Nummer 10. Marc Butcher. Ihr Marc. Ihr zukünftiger Marc. Der Marc, der jetzt Valerie einen Pass zuspielte. Valerie! Die Valerie, die eigentlich hier oben sitzen sollte! „Los Dices, brecht diesem Miststück alle Knochen!“, feuerte Anya kurzerhand die gegnerische Mannschaft an. „Wie kann man nur so neidisch sein …“, murmelte Abby vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht neidisch!“ „Du hast ja auch keinen Grund dazu. Du bist … stark? Und … blond?“ Anya warf Abby einen vernichtenden Blick zu. „Danke! Ich weiß selbst, dass viele Kerle ein Problem mit meiner Art haben und einen Bogen um mich machen!“ „Du machst ihnen eben Angst. Starke Frauen sind eine Sache für sich. Viele trauen sich bestimmt nur nicht, dich nach einem Treffen zu fragen, weil sie Angst haben, im Krankenhaus aufzuwachen.“ Das Kinn an die Brust ihrer ausgepolsterten Uniform legend, dachte Anya nach. Vielleicht hätte sie sich nicht mit diesem Clown aus der damaligen Abschlussklasse prügeln sollen? Ob ihr Ruf dann besser wäre? Andererseits war diese Memme ihr frech gekommen und es war gut gewesen, die Fronten zu klären. Was konnte sie dafür, dass er jetzt regelmäßig zum Psychologen gehen musste, weil sie ihn tagtäglich in seinen Albträumen heimsuchte? Sofort dachte sie wieder an ihren eigenen Traum von heute Nacht. Wodurch der arme Kerl ihr sogar ein wenig leid tat, denn solchen Mist würde wohl niemand freiwillig träumen wollen. Angst zu haben war scheiße und so hatte Anya schon vor langer Zeit beschlossen, einfach keine zu haben. Was für andere unmöglich klang, war für sie eigentlich ziemlich einfach. Wer nachdachte, konnte Angst haben. Also lautete ihre Lösung: über nichts länger als bis zur nächsten Mahlzeit nachzudenken. Dann würde schon alles gut werden. Anya war stolz auf ihr Motto, es hatte sich bisher selten als unwahr erwiesen. Enttäuschte Rufe klangen von den Zuschauertribünen. Anya bemerkte es sofort, Nummer 21 lag auf dem Boden. Unter grellem Jubel sprang sie auf. Diese dumme Valerie hatte sich der Länge nach hingelegt! Was für ein Ereignis! Hätte sie doch nur ihre Kamera dabei! Aber nein, dachte sie kurz darauf verbittert. Nämlich als die Nummer 10 seiner Kollegin aufhalf. DAS wollte sie sich nicht hundert Mal am Tag reinziehen. „Ich verschwinde“, brummte Anya verstimmt. „Die kommen auch ohne mich klar.“ „Und der Coach? Du kannst nicht einfach gehen“, warf Abby vorwurfsvoll ein. „Eine Mannschaft muss zusammenhalten!“ „Ach, Redfield hat doch alles im Griff, die brauchen mich nicht.“ Abby stand plötzlich auf. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Sieh mal!“ Erst wusste Anya nicht, wovon ihre Freundin redete und suchte nach der Stelle, auf die jene deutete. Schließlich bemerkte sie es auch. Einer der Spieler der Dices schlug mit seinem Schläger um sich. Wie wild geworden fiel er plötzlich seine Kameraden an, die ihrerseits Mühe hatten, die Angriffe mit ihren Schlägern zu parieren. Und der Kerl war nicht der Einzige. Auch zwei Lions fingen plötzlich an, wie Berserker auf diejenigen loszugehen, die ihnen am nächsten waren. „Na, das ist mal 'ne Show nach meinem Geschmack“, strahlte Anya und sprang nun auch auf, „'ne Massenschlägerei! Gott, das gab es hier ja schon ewig nicht mehr!“ Und während der Coach auf die Eisfläche eilte und wütend brüllte, erfreute sich die Blondine am immer schlimmer werdenden Chaos. Abby hingegen schlug fassungslos die Hände vor den Mund. „Die müssen aufhören! Sonst wird noch jemand verletzt!“ Plötzlich streckte sie den Arm aus und zeigte auf die Masse. „Der Coach! Die greifen tatsächlich Coach Bergmann an!“ Anya verging die Freunde, als sie sah, wie drei Spieler der Dices den Coach beharkten. Dieser ging in die Knie und krabbelte über das Eis, doch musste er harte Schläge einstecken. Ihr Blick wanderte automatisch zu der Stelle herüber, wo eben noch Valerie am Boden gelegen hatte. Sie sah die Nummern 10 und 21, wie sie sich vom Eisfeld entfernten und durch die Tür zu den Tribünen gelangten. Dort war mittlerweile alles in Wallung geraten und einige versuchten offensichtlich, sich einen Weg aufs Eis zu bahnen, um den Kampf zu beenden. Plötzlich traf ein geworfener Schläger die Nummer 10 am Hinterkopf, woraufhin jene der Länge zusammenbrach. „Marc!“, kreischte Anya erschrocken. Doch jener rappelte sich, gestützt von Valerie, wieder auf und suchte mit ihr zusammen das Weite – Helm sei Dank. Immer mehr Leute stürmten aufs Eis und versuchten, die Hockeyspieler zu bändigen. Diese wüteten noch immer durch die Reihen, ob mit oder ohne Waffen. „Das ist verrückt“, kommentierte Abby den schrecklichen Anblick leise. „Was ist plötzlich in die gefahren?“ Als sie zur Seite blickte, war Anya verschwunden. Erst nach ein paar Herzschlägen erkannte Abby, dass ihre Freundin am Boden lag und sich nicht rührte. „Hilfe!“, schrie sie gegen die Unruhen an und kniete neben Anya nieder. „Ich brauche einen Arzt, schnell!“   ~-~-~   Anya erkannte diesen Ort sofort wieder. Die Dunkelheit, das Mosaik. Sie war zurück, sie träumte wieder. Doch anders als beim letzten Mal blieb sie nicht ruhig. Eine ungekannte Furcht machte sich in ihr breit. Nicht darüber nachdenken, mahnte sie sich. Wieso war sie hier? Eben noch war sie in der Halle gewesen, hatte zugesehen, wie gute Freunde sich gegenseitig die Helme einschlugen.   Erinnerst du dich? Ich sagte, wir werden uns wiedersehen.   Das Mädchen zuckte zusammen. Da war es wieder, dieses Ding. Überall und nirgendwo. „Leviere?“ Levrier. Und? Hat dir gefallen, was ich dir gezeigt habe? Hat es deiner wütenden Seele Nahrung gegeben?   Was meinte er? Doch nicht etwa die Schlacht auf dem Eis? „Das warst du?“, fragte Anya ungläubig. Nein, das konnte unmöglich sein. Das Ding war ein Produkt ihrer hyperaktiven Fantasie. Nicht real. Vermutlich hatte irgendein Schwein ihr hinterrücks eins verpasst, sodass sie wieder diesen Traum hatte!   Gewiss. Ich habe gehofft, dass du ein wenig kooperativer wirst, wenn du siehst, wozu ich imstande bin. Dir liegt doch etwas an dieser Kleinen. Abby, nicht wahr?   „Was willst du?“, schoss es aus Anya heraus. Das habe ich dir bereits bei unserer letzten Begegnung gesagt. Entsinne dich.   Anya schnaufte. „Die Antwort bleibt nein!“ Womit zum Teufel hatte sie es bloß zu tun? Esoterik und dieser ganze Quatsch war zwar nicht ihr Ding, doch irgendetwas ging hier vor sich. Und da sie sich weigerte zu glauben, einfach nur verrückt zu werden, musste doch dieses Levrier-Wesen dahinterstecken. „Ich werde nicht zu deinem Gefäß! Ich weiß ja nicht einmal, wer oder was du bist und was du damit bezwecken willst.“   „Man könnte sagen, ich möchte die Welt verändern.“ Anya wirbelte um, denn die Stimme war dieses Mal direkt hinter ihr gewesen. Und sie hatte anders geklungen, nicht so fern. Doch als sie deren Ursprung erblickte, glaubte sie, ihren eigenen Augen nicht trauen zu können. Da stand sie, Anya. Nein, das war nicht sie, das war dieser Levrier, der nur so aussah. Und doch. Die blauen Augen, das blonde, zu einem Pferdeschwanz gebundene Haar, die Jeans und das schwarze Totenkopfshirt. Es war das perfekte Abbild von ihrem alltäglichen Ich. „Man bin ich hübsch“, stellte Anya anerkennend fest, was sie aber nur tat, um sich Mut zu machen. Dabei bemerkte sie, dass sie selbst nicht mehr ihre Hockeyausrüstung trug, sondern dieselben Sachen wie ihr Gegenüber. Und eine Duel Disk. Wie Levrier auch. Als könne jener ihre Gedanken lesen, nickte er. Dabei imitierte das geheimnisvolle Wesen jetzt sogar Anyas Stimme. „Du siehst richtig. Ich dachte mir, wenn Worte dich nicht überzeugen können, dann vielleicht etwas, was deinen Stolz verletzt. Damit du weißt, wo dein Platz ist.“ „Ach ja?“, warf Anya ihm herausfordernd entgegen und ließ ihre Fingerknöchel dabei knacken. „Na warum kommst du dann nicht her, damit wir das auf traditionelle Art und Weise lösen können? Ich hätte nicht schlecht Lust, dir ein paar Rippen zu brechen!“ „Dein Gedächtnis scheint minderwertig zu sein. Ich sagte bereits, dass ich keinen Körper besitze. Was du siehst, ist nur mein Wille. Und diesem wirst du dich jetzt beugen.“ Mit diesen Worten klappte die schwarze, mit Dornen behaftete Duel Disk Levriers klangvoll aus. Derweil knirschte Anya mit den Zähnen. Wenn sie diesen Plagegeist loswerden wollte, hatte sie wohl keine andere Wahl, als hier mitzumachen. „Glaubst du.“ Nebenbei bemerkte sie, dass auch sie so eine merkwürdige Duel Disk am linken Arm trug. Jene sah einfach schrecklich aus im Vergleich zu ihrer uralten Battle City Disk. Ein Originalstück, das ihr Vater ihr einst geschenkt hatte. Dieses hässliche Ding an ihrem Arm hingegen wäre höchstens etwas für Abby gewesen, als sie noch die Gothic Lolita gemimt hatte. Widerwillig aktivierte sie das Gerät durch das Ausschwingen ihres Arms.   „Ich sehe, du lernst dazu“, kommentierte Levrier das Ganze mit einer Spur Hohn in der Stimme. „Pass mal auf, was du alles so lernen wirst, wenn ich erstmal mit dir fertig bin“, schnaubte Anya. Jetzt kam dieses Ding ihr auch noch frech. Den würde sie bluten lassen. „Du redest viel. Aber ob du die Dinge auch in die Tat umsetzen kannst? Lass es uns herausfinden.“ Beide schrien regelrecht synchron: „Duell!“   [Anya: 4000LP / Levrier: 4000LP]   Beide Spieler zogen augenblicklich ihr Startblatt von fünf Karten. „Der Herausforderer begi-“ Doch die echte Anya unterbrach ihr Spiegelbild schroff. „Ich fange an!“ Schon hatte sie die nächste Karte nachgezogen und studierte missmutig ihr Blatt. Ihre Schlüsselkarte war nicht darunter. Aber das machte nichts, denn sie hatte die perfekte Möglichkeit, an sie heran zu kommen. Mit einem zufriedenem Grinsen fischte sie eine Zauberkarte aus ihrem Blatt und verkündete: „Ich aktiviere [Gold Sarcophagus]! Damit entferne ich eine Karte von meinem Deck und füge sie zwei Runden später meiner Hand hinzu.“ Eine goldene Truhe mit ägyptischen Symbolen, darunter ein unheimliches Auge inmitten der Front, erschien. Während Anya ihr Deck aus der Duel Disk nahm und auffächerte, schob sich wie von Geisterhand der Deckel beiseite. Als Anya schließlich ihre Wahl getroffen und das Deck an seinen rechtmäßigen Platz zurückgesteckt hatte, hielt sie die gewünschte Karte in die Höhe. „Ich nehme [Gem-Knight Fusion]!“ Der Zauber flog ihr aus der Hand und verschwand im Inneren der Truhe, die sich selbst verschloss und augenblicklich im Nichts verschwand. Anya überlegte weiter. Solange sie ihre besten Monster nicht spielen konnte, wäre es zumindest gut, deren Ankunft vorzubereiten. Deswegen entschied sie sich für [Gem-Armadillo], den sie auf die Duel Disk legte. Kurz darauf erschien ein braunes, schwebendes Gürteltier vor ihr, welches mit hellbraunen Edelsteinen und zwei Düsentriebwerken bestückt war. Gem-Armadillo [ATK/1700 DEF/500 (4)]   „Wenn [Gem-Armadillo] beschworen wird, füge ich einen beliebigen Gem-Knight von meinem Deck meiner Hand hinzu!“, erklärte Anya und hielt das ausgewählte Monster bereits zwischen Mittel- und Zeigefinger. Es war das normale Monster [Gem-Knight Garnet]. Sie atmete tief durch. Das Gefühl, sich selbst gegenüber zu stehen, war alles andere als angenehm. Dazu noch inmitten einer so unheimlichen Umgebung. Sie mochte die Dunkelheit, die Nacht, aber das hier war nichts für Anya. Aber sie war keine Memme, redete sich das Mädchen resolut ein. So leicht würde dieser Mistkerl von Levrier sie nicht einschüchtern können! „Ich setze eine Karte verdeckt“, rief sie und schob die Fallenkarte in einem der dafür zugehörigen Schlitze. „Das wär's dann.“   Die andere, falsche Anya lächelte süffisant. „Fürchtest du dich?“ „Nö“, antwortete das Original desinteressiert. „Und warum zittert deine Hand?“ Zu ihrem Schrecken musste Anya feststellen, dass Levrier recht hatte. Die Hand, in der sie ihr Blatt hielt, bebte regelrecht. Mit der anderen hielt sie sofort ihren Arm fest, damit ihr Gegner nicht weiter darauf eingehen konnte. „Du kannst mir nichts vormachen. So sehr du dich auch sträubst, Anya Bauer, meine Worte sind zu dir durchgedrungen. Du hast erkannt, zu was ich imstande bin und du fürchtest dich vor dem, was noch kommen könnte. Und es wird kommen, solltest du dich weiterhin weigern, dich mit mir zu vereinen.“ „Blablabla“, zischte Anya, doch ihre Stimme klang eine Spur zu heiser, um überzeugend zu wirken. Nein, sagte sie sich, dieser Kerl log nach Strich und Faden. Was da unten in der Halle passiert war, lag lediglich an ein paar übermütigen Jungs. Daran war absolut nichts Mysteriöses, so wie Levrier es ihr einreden wollte! Und doch … ob es Marc gut ging? Und Abby, wo war die gerade? Und sie selbst, fragte Anya sich voller Unwohlsein? Was war überhaupt mit ihr, war sie noch in der Halle und nur eingenickt? Vielleicht war die Schlägerei auch nur Teil des Traumes? So musste es sein! Sie war noch gar nicht aufgewacht!   „Ich werde nun meinen Zug durchführen“, erklärte Levrier und riss sein Gegenüber dabei aus den Gedanken. Er nahm behände eine Karte und legte sie auf die Duel Disk. „[Purgatory Hellhound]!“ Ein feuriges Loch tat sich inmitten des Spielfelds auf. Daraus hervor sprang eine mannshohe Bestie, die entfernt an einen Hund erinnerte. Schreckliche Fangzähne ragten aus seinem Maul und überall aus dem roten Fell des Biestes stachen schwarze Klingen hervor. Es brüllte ohrenbetäubend.   Purgatory Hellhound [ATK/1800 DEF/1000 (4)]   Die falsche Anya streckte den Arm aus. „Vernichte [Gem-Armadillo]!“ Kurzerhand sprintete das Ungetüm auf das schwebende Gürteltier zu und riss es mit nur einem Schlag seiner wuchtigen Pranke entzwei. Dabei wurde Anya von einem sengenden Wind aus Glut und Asche erfasst, was sie zum Husten brachte. Sie hielt sich schützend die Arme vor den Kopf, bis das Inferno vorbei war.   [Anya: 4000LP → 3900LP / Levrier: 4000LP]   „Das war ...“, murmelte sie und betrachtete die Asche und die vereinzelten Brandblasen an ihren Händen und Armen, die unangenehmerweise auch noch weh taten. „Real? Gewiss, mein Kind. In einem Kampf um das Vorrecht eines Gefäßes wird – Wie sagen die Menschen? – mit harten Bandagen gekämpft. Es ist deine Seele, die hier Schaden nimmt.“ Levrier lächelte zufrieden. „Wie lange wohl wirst du den Qualen standhalten, ehe du dich ergibst? Jemand der so stur ist, stellt einen würdigen Gegner dar. Aber selbst die stärkste Seele kann auf Dauer nicht gegen mich bestehen.“ „Du laberst Bullshit“, fauchte Anya. Wollte dieser Kerl sie mit ein bisschen Hokuspokus beeindrucken? Wenn ja, lag er da aber so was von falsch! „Wie du meinst. Vielleicht sprichst du eher diese Sprache?“ Er deutete auf seinen Höllenhund. Die Klingen auf seinem Rücken begannen rötlich zu leuchten. „Immer wenn [Purgatory Hellhound] angreift, erhöht sich sein Angriffswert anschließend um 400.“   Purgatory Hellhound [ATK/1800 → 2200 DEF/1000 (4)]   „Mist“, murmelte Anya und biss sich auf die Lippe. Das war gar nicht gut. „Damit dieses Spiel auch nicht zu langweilig wird, setze ich eine Karte verdeckt. Nun denn, Anya Bauer, durchdenke deinen nächsten Zug gut.“ Wieder war da dieses wissende Lächeln von Levrier. Wie Anya es hasste, dass dieses Wesen ihren Körper für das Duell benutzte. Wäre er in Gestalt von Valerie Redfield gegen sie angetreten, wäre das alles viel amüsanter.   Es half aber nichts, sagte sie sich. Sie würde ihn auch so in der Pfeife rauchen. Mit neuem Mut zog sie eine Karte von ihrem Deck und war positiv überrascht. Mit der würde sie sich zu verteidigen wissen. Und einen Weg, diese dumme Töle zurück ins Jenseits zu schicken, hatte sie auch schon gefunden. „Ich beschwöre [Gem-Knight Garnet]!“, rief Anya und knallte das gelb-umrandete Monster auf ihre Duel Disk. Aus einer Flamme vor ihr entstieg ein Ritter in bronzener Rüstung, der zwischen seinen Händen eine Feuerkugel entstehen ließ. Wie sein Name es gebot, strahle inmitten seiner Brust ein brauner Granat.   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   Schwungvoll streckte Anya den Arm aus. „Los [Garnet], einmal Drecksköter zum Mitnehmen!“ Sofort schoss der Ritter seine Flamme auf das Ungetüm. Levrier schwieg nur. Anya hatte eigentlich damit gerechnet, dass er einen dummen Spruch ablässt, warum sie denn ein stärkeres Monster angreife. Doch scheinbar war er einer der wenigen intelligenten Duellanten, die wussten, dass dahinter ein Plan steckte. Und ebenjenen zückte sie nun von ihrem Blatt. „Wenn eines meiner normalen Monster mit dem Element Erde kämpft, kann ich die besondere Magie meines [Gem-Merchants] wirken lassen!“ Ein kleines Wesen mit Zauberhut und kegelförmigen Unterleib erschien hinter Anyas Ritter und verschwand in ihm. „Damit steigen Angriff und Verteidigung jenes Monsters für einen Zug lang um 1000!“   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 → 2900 DEF/0 → 1000 (4)]   Schlagartig wuchs die Flamme an und versengte den Höllenhund in einem gewaltigen Inferno. Nun war es an Levrier, einem feurigen Wind entgegen zu stehen. Dieser jedoch war sichtlich unbeeindruckt und schützte sich nicht einmal.   [Anya: 3900LP / Levrier: 4000LP → 3300LP]   Das hat gesessen, dachte Anya stolz. So stark, wie er, sie oder es sich gab, war Levrier auch wieder nicht. Noch ein, zwei Züge und sie hatte ihn zu Hackfleisch verarbeitet! Mit siegesgewissem Lächeln nahm Anya die Karte, die sie diese Runde gezogen hatte und setze sie zu ihrer anderen Falle. Nun lagen vor ihr zwei verdeckte Karten. Daran würde dieser Kerl nie vorbeikommen! „Ich aktiviere meine Fallenkarte“, hörte sie da Levrier plötzlich rufen. Er schwang seinen Arm über die vor ihm schwebende Karte, sodass sie aufsprang. „[Dominance]. Der Zug, in dem du eines meiner Monster zerstört hast, wird dir zum Verhängnis werden. So kann ich fortan eine deiner gesetzten Karten blockieren, bis ich sie in zwei Runden für meine Zwecke einsetzen kann. Und meine Wahl fällt auf die eben von dir ausgespielte Karte!“ Anya schreckte zurück, als glühend rote Ketten sich um die verdeckte Karte rechts von ihr schlangen. Das konnte nicht wahr sein, dachte sie fassungslos. Die dort liegende Karte war [Negate Attack] und war eigentlich dazu gedacht gewesen, feindliche Angriffe abzufangen. Nun war sie nutzlos. Schlimmer noch: Levrier würde sie schon bald selbst einsetzen können. „Pfff“, zischte sie. Dann würde sie ihn eben vernichten, bevor er sich an ihrer Falle vergreifen konnte! „Mein Zug ist beendet!“   Gem-Knight Garnet [ATK/2900 → 1900 DEF/1000 → 0 (4)]   Levrier zog, doch schenkte seiner neuen Karte keine Beachtung. Stattdessen sah er durch kalten, blauen Augen Anya in die ihren. „Du hast mich nach Eden gefragt, Anya Bauer. Was es ist.“ „Eigentlich interessiert es mich nicht die Bohne“, reagierte Anya schnippisch. „Um die Wahrheit zu sagen, weiß ich es nicht. Was ich aber weiß ist, dass Eden zu werden meine Bestimmung ist. Und wenn ich dazu deinen Geist brechen muss, werde ich das auch tun. Du tätest also besser daran, mir zu dienen. Tu es, bevor es zu spät ist!“ Plötzlich klang er sehr eindringlich. „Ich würde deiner Seele ungern irreparablen Schaden zufügen.“ Das Mädchen zuckte gelangweilt mit den Schultern. „ Ach wirklich … ? Du wiederholst dich. Das nervt.“ „Etwas anderes habe ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Aber gerade deshalb bist du das ideale Gefäß. Nun lass mich dir einen Grund liefern, mich wahrhaft zu fürchten.“ Das geheimnisvolle Wesen nahm eine Karte aus seinem Blatt und zeigte sie vor. „Komm herbei, [Life Devouring Succubus]!“ Grelles Gekicher erklang. Aus einer schwarzen Wolke über Levrier tauchte eine geflügelte Gestalt mit sechs Armen auf. Sie hatte das Haupt einer schönen, rothaarigen Frau, doch ihr Körper war der einer Schlange. Am Ende ihres Schweifs lauerte der Kopf einer riesigen Königskobra. Dieser schoss plötzlich in den Boden, mitten in das Mosaik und zertrümmerte halb Afrika, welches sich gerade zufällig auf Levriers Spielfeldseite befand. „[Life Devouring Succubus] hat die Fähigkeit, sich einen gefallen Kameraden einzuverleiben. Dabei nährt sie sich von seiner Lebenskraft und gewinnt so an Stärke.“ Aus dem Loch zog die Kobra mit ihren starken Kiefer die Gebeine des Höllenhundes und verschluckte sie.   Life Devouring Succubus [ATK/500 → 2300 DEF/500 → 1500 (4)]   Anya verzog angeekelt das Gesicht. Dieses groteske Monster war ihr zuwider, zumal es stärker war als ihr eigenes. „Vernichte [Gem-Knight Garnet]!“, befahl Levrier harsch. Dessen Besitzerin musste einen Herzschlag später mitansehen, wie sich der Succubus hinter ihren Ritter teleportiert hatte und ihn mit ihren sechs Armen in Stücke riss. Dabei holte sie gleichzeitig mit ihrem Schweif weit aus und schlug Anya zu Boden.   [Anya: 3900LP → 3500LP / Levrier: 3300LP]   Stöhnend wollte sich das Mädchen gerade aufrichten, da erschien der Dämon plötzlich über ihr und leckte sich die vollen Lippen. „Wenn [Life Devouring Succubus] einen Feind besiegt, fügt sie seinem Besitzer zusätzlichen Schaden von insgesamt 500 Lebenspunkten zu“, erklärte Levrier ungerührt. Die Kobra schnappte zu und biss Anya in den Arm, welchen sie reflexartig zum Schutz erhoben hatte. Sofort brannte er fürchterlich und Blut tropfte auf das farbenfrohe Mosaik der Erde.   [Anya: 3500LP → 3000LP / Levrier: 3300LP]   Völlig irritiert betrachtete Anya die Wunde, ehe sie realisierte, was geschehen war. Dieser Mistkerl hatte soeben sein Todesurteil unterschrieben! Wütend sprang sie auf und zeigte aufgebracht auf ihn: „Okay Freundchen, jetzt reicht's! Du willst Krieg? Den kannst du haben! Niemand, der auch nur eine winzige Hirnzelle hat, wagt es mich zu verletzten! Jetzt bist du fällig!“ Levrier zeigte sich von den Gebärden seiner Gegnerin jedoch nicht im Geringsten beeindruckt. Stattdessen zeigte er eine Schnellzauberkarte von seiner Hand vor, die er kurzerhand in seine Duel Disk schob. „Ich aktiviere jetzt [Order of H.I.M.]. Ein Unterweltler-Monster, das in diesem Zug bereits angegriffen hat und dabei über einen Angriffswert verfügt, der über seinem Ursprungswert liegt, kann erneut angreifen und verdoppelt dabei noch besagten Grundwert.“   Life Devouring Succubus [ATK/2300 → 2800 DEF/1500 (4)]   Der Blondine klappte die Kinnlade herab. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, umklammerte der Succubus das Mädchen mit seinem Schweif und zog sie zu sich hinauf. Anya wehrte sich nach Leibeskräften, doch dem eisernen Griff entkam sie nicht. Ihr ganzer Körper schmerzte. Plötzlich sah sie in das Gesicht des Dämons, welcher zufrieden lächelte. Und dann gab er Anya mit einem seiner Arme eine Ohrfeige. Ein unangenehmes Rauschen schien ihren Kopf auszufüllen und einen Moment später wurde sie mit aller Kraft nach unten geworfen. Hart prallte Anya auf der rechten Körperhälfte auf und hörte es knacken. Ein schrecklicher Schmerz machte sich in ihrer Schulter breit, so stark, dass sie Sterne tanzen sah. Auch bekam sie keine Luft mehr und hechelte wie ein sterbender Hund.   [Anya: 3000LP → 200LP / Levrier: 3300LP]   „Erkennst du nun, wie sinnlos dein Kampf ist, Anya Bauer?“, fragte Levrier kaltherzig. Das Mädchen rappelte sich unter Schmerzen auf und presste eine Hand auf den Unterleib. Scheinbar hatte sie sich bei dem Fall ein paar Rippen gebrochen. Dem Schmerz nach zu urteilen womöglich auch das Schlüsselbein. „... leck mich“, zischte sie. „Immer noch so stur? Ich bin beeindruckt. Ist dieser Schmerz denn nicht genug, um dich zu brechen?“ „Nicht mal ansatzweise!“ Anya biss die Zähne zusammen. Vor lauter Schmerz konnte sie kaum denken. Aber das wäre ohnehin schlecht. „Bedauerlich. Doch glücklicherweise habe ich meine Reserven noch nicht ausgeschöpft.“ Noch mehr, fragte sich das Mädchen erschrocken. Ihr Gegner hatte noch drei Karten auf der Hand. Mehr als genug, um ihr die letzten Lebenspunkte zu rauben. Würde ein weiterer Angriff folgen? „[Life Devouring Succubus] hat einen letzten Effekt, den ich dir nicht vorenthalten möchte“, verkündete Levrier gebieterisch. „Ich kann eine Xyz-Beschwörung mit dem Monster durchführen, das als Kraftquelle für meine Kreatur dient. Da beide der Stufe 4 angehören, kann ich nun ein Rang 4 Xyz-Monster rufen. Ich erschaffe das Overlay Network!“ Aus dem Succubus schossen zwei violette Strahlen, die von einem bunten Wirbel innerhalb des Bodens verschluckt wurden. Daraus empor stieg ein Wesen, wie Anya es noch nie zuvor gesehen hatte. Sechs verdorrte, knochige Flügel ließen es unendlich groß erscheinen. Der Schädel eines Ziegenbocks diente als Maske für jenes dämonische Wesen, das einen Stab in seinen Händen hielt, welcher aussah wie eine gewundene Schlange. Um ihn schwirrten zwei Lichtkugeln, die Xyz-Materialien. „Dies ist [Six Winged Archfiend – Se'rim]“, erklärte Levrier.   Six Winged Archfiend – Se'rim [ATK/2600 DEF/1300 {4}]   „Was ist dieses Ding?“, schoss es Anya hervor. Dieses Monster erschien ihr wie eine Verkörperung des Leibhaftigen. Nein! Es war nur eine Karte, ein Hologramm. Wahrscheinlich ein sehr lebendiges Hologramm, musste sie sich insgeheim eingestehen. „[Six Winged Archfiend – Se'rim] hat einen Effekt, der nur eingesetzt werden kann, wenn er nicht am Kampfgeschehen teilgenommen hat. Ich hänge ein Xyz-Material ab und ziehe eine Karte“, erklärte Levrier. Er entfernte den Succubus, welcher unter der schwarz-umrandeten Karte des Dämons lag und steckte ihn in den Friedhofsschacht. Eine der Kugeln verschwand hinter der Maske, aus welcher nun rote Augen aufleuchteten. Dann zog Levrier und hielt die Karte flach gen Boden, ohne sie anzusehen. „Wenn es sich hierbei um ein Monster handelt, erleidest du nun Schaden anhand seines Angriffswertes.“ Anya zuckte zusammen und sah auf ihre Duel Disk. Sie hatte nur 200 Lebenspunkte. Sollte er dort tatsächlich ein Monster haben, war das Spiel gelaufen! Langsam, nahezu in Zeitlupe, hob Levrier seinen Arm und zeigte die Karte zwischen seinen Fingern hervor. Es war eine grüne Karte – ein Zauber. Anya atmete tief durch. Noch einmal Glück gehabt. „Ich aktiviere den Effekt von [Six Winged Archfiend – Se'rim] erneut!“, rief die Anya-Kopie entschlossen. „Was? Das geht zweimal in einem Zug!?“ Auch die zweite Lichtkugel verschwand nun hinter der Maske des Dämons. Wieder zog Levrier und betrachtete die Karte. Ein finsteres Lächeln umspielte plötzlich seine Lippen. Anya ahnte Böses. Dabei fragte sie sich, ob sie wohl auch so bösartig aussah, wenn sie andere fertig machte. Der Gedanke behagte ihr nicht. Mit einem Ruck zeigte Levrier die Karte. Es war ein Effektmonster. „Aber-!“ „Du siehst richtig. Ein Monster ohne Angriffspunkte. Es scheint, als wäre das Schicksal auf deiner Seite, Anya Bauer.“ Levrier sprach diese Worte mit einer Spur Anerkennung. „Ich fürchte, du hast deine Existenz um einen weiteren Zug verlängert. Doch sei dir im Klaren: dein Moment des Glücks ist nur von kurzer Dauer und wird bald vergehen.“   Doch das Mädchen betrachtete nur ihre zitternden Hände. Glück. Nur Glück hatte sie soeben vor der Niederlage bewahrt. Das war … unakzeptabel. So sollten Duelle nicht entschieden werden, auch wenn es diesmal zu ihrem Vorteil war. Sie ballte die Fäuste so fest zusammen, dass es schmerzte.   „Einen Zug!“, schrie sie plötzlich. „Mehr werde ich auch nicht brauchen! Draw!“ Das war ihre Chance, sagte sie sich. Levrier konnte ihre [Negate Attack] erst im nächsten Zug einsetzen, dann wäre sowieso alles verloren. Sie musste jetzt mit aller Härte zuschlagen und ihn vernichten, bevor er sie vernichtete. Schwungvoll zog sie die alles entscheidende Karte und strahlte, als sie sie erblickte. Der Boden erbebte, als der goldene Sarkophag daraus emporstieg und seinen Inhalt preisgab. Anya, die zwischenzeitlich ganz um ihren Zauber vergessen hatte, hielt nun [Gem-Knight Fusion] in den Händen, zusammen mit drei anderen Karten. „Okay Freundchen, mach dich auf was gefasst!“, verkündete sie aufgebracht und zückte eine andere Zauberkarte aus ihrem Blatt. „[Silent Doom] beschwört ein normales Monster von meinem Friedhof in Verteidigungsposition!“   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   Ihr Ritter erschien neben Anya und kniete nieder. Sie nahm jedoch schon die nächste Zauberkarte von ihrer Hand. „Und jetzt zeige ich dir mal, wie man das richtig macht! [Gem-Knight Fusion]! Damit verschmelze ich zwei meiner Ritter zu einem völlig neuen! [Gem-Knight Garnet], du bist das Herz, [Gem-Knight Sapphire], du die Rüstung! Vereint euch!“ Ein strahlender Wirbel entstand über Anya, etliche Juwelen verschiedenster Beschaffenheit und Farben tanzten im Einklang mit dem Strom, in den erst Garnet, dann der in einer blauen Rüstung gekleidete Sapphire gezogen wurden. Aus dem Wirbel trat schließlich ein Ritter in bronzener Rüstung, der stark an Garnet erinnerte. Ein blauer Umhang wehte von seinen Schultern und er hielt nun eine Lanze in den Händen, die er bedrohlich auf Levrier richtete. „Das ist es, [Gem-Knight Ruby]!“   Gem-Knight Ruby [ATK/2500 DEF/1300 (6)]   „Bedauernswerte Kreatur“, kommentierte Levrier das Ganze unbeeindruckt. „Was wirst du tun, um ihr die nötige Stärke zu verleihen, die sie braucht, um die meine zu bezwingen?“ „Schau genau her, Mistkerl! Ich beschwöre jetzt [Gem-Knight Alexandrite] als meine reguläre Beschwörung!“ Ein Ritter in silberner Rüstung, geschmückt mit vielen verschiedenen Edelsteinen an den Gelenken, tauchte neben Ruby auf.   Gem-Knight Alexandrite [ATK/1800 DEF/1200 (4)]   „Aber er ist nicht hier um zu bleiben! Ich opfere ihn für seinen eigenen Effekt und beschwöre einen seiner effektlosen Kameraden vom Deck! So wie [Gem-Knight Crystal]!“ Alexandrite verschwand in einer Lichtsäule. Aus dieser trat ein noch viel anmutigerer Ritter in weißer Rüstung. Viele farblose Kristalle schmückten sein Erscheinungsbild. Stolz stemmte er die Hände in die Hüften und stellte sich neben Ruby.   Gem-Knight Crystal [ATK/2450 DEF/1950 (7)]   „Ein weiterer Schwächling. Ist das deine Antwort, Anya Bauer? Willst du auf diese Weise überleben?“ Dieser Levrier hatte keine Ahnung, dachte die Blondine zufrieden. Zwar hatte sie all ihre Handkarten aufgebraucht, aber der Weg war geebnet. Der Trottel hatte nicht einmal verdeckte Fallen auf seiner Spielfeldseite liegen, sodass sie sich keine Gedanken machen musste, einen Angriff zu starten. Und das würde sie jetzt! „Ich benutze Rubys einzigartigen Effekt und biete Crystal als Opfer an. Dadurch erhält Ruby jeden Angriffspunkt, den Crystal besitzt! Du denkst, dein Monster ist stark? Sieh dir mal meins an!“ Der weiße Ritter vor Anya löste sich in strahlenden Lichtfunken auf, die von Rubys Lanze absorbiert wurden. Plötzlich erstrahlte um jene eine weiße, glühende Aura, die selbst die Dunkelheit um sie herum zu erhellen vermochte.   Gem-Knight Ruby [ATK/2500 → 4950 DEF/1300 (6)]   „Das ist genug, um deinem Mistvieh ordentlich einzuheizen! Los, Ruby, zeig es ihm! Sparkling Lance Thrust! Vernichte diesen Dreckskerl!“ Ihr Ritter wirbelte die Lanze über seinem Kopf und schoss anschließend wie ein Pfeil durch die Luft auf den geflügelten Dämon zu. Mit einem gezielten Stich schaffte er ein gewaltiges Loch in der Brust des Ungetüms. Es begann, sich von innen heraus aufzulösen. Levrier jedoch zog nur eine von Anyas Augenbrauen hoch, ehe er von einer Schockwelle erfasst wurde. Trotz der gewaltigen Kraft der Explosion seines Monsters blieb er standhaft, rührte sich nicht einen Millimeter vom Fleck.   [Anya: 200LP / Levrier: 3300LP → 950LP]   „Wie es scheint, war dein Angriff nicht ausreichend, um mich – wie sagtest du? – zu vernichten.“ Anya biss die Zähne zusammen. Sie hatte sich tatsächlich verrechnet! Wie hatte ihr so ein Fehler unterlaufen können!? Wenn sie doch nur- In diesem Moment jedoch hatte sie einen Geistesblitz. Sie starrte auf ihre Duel Disk und erkannte, dass neben [Negate Attack] noch die Falle steckte, die sie in ihrem ersten Zug ausgespielt hatte. Ihr Ticket zum Sieg! „Verdeckte Falle!“, rief sie voller Inbrunst. „[Gem-Enhancement]!“ Die vor Anya liegende, linke Karte sprang auf. Sie zeigte Ruby in einer Pose, wobei aus den Rubinen an seiner Rüstung grelles Licht strahlte. Und genau das geschah jetzt auch mit dem Ritter, der für Anya einstand. „Ich biete einen meiner Gem-Knights als Opfer an, damit einer seiner Freunde vom Friedhof wiederauferstehen kann! Ruby, überlass jetzt Crystal das Feld!“ Die Rüstung von Anyas Monster platzte auf und gab den weißen Ritter zum Vorschein, der sich zuvor für seinen Kameraden geopfert hatte.   Gem-Knight Crystal [ATK/2450 DEF/1950 (7)]   Levrier lächelte nun geheimnisvoll. „Ich verstehe. Dein Deck ist wahrhaft ein besonderes. Deine Krieger gehen Bündnisse ein, sind bereit, für ihre Freunde ihr Leben zu geben. Sie gehen Hand in Hand miteinander. Warum besitzt jemand wie du solch mächtige Karten?“ Seine Worte trafen Anya wie ein Schlag. Es klang, als hätte sie die Gem-Knights nicht verdient. „Seit wann bestimmst du, wer welches Deck spielen darf?“, rief sie wütend. „Du hast genug Unsinn gelabert, ich habe die Schnauze voll! Los Crystal, beende diesen Dreck! Clear Punishment!“ Ihr Ritter rammte seine Faust daraufhin in den Boden und spaltete damit das Mosaik. Wie eine Schlange schnellte eine Schneise der Zerstörung auf Levrier zu. Dutzende Kristallspitzen ragten dabei aus dem Boden und als sie Levrier erreichten, sagte jener: „Du bleibst also dabei, Anya Bauer? Doch sei dir gewiss, auch wenn du mich heute geschlagen hast, ist Edens Ankunft unausweichlich.“ Mit diesen Worten schossen die Spitzen unter ihm hervor. Es zersplitterte dabei wie ein Spiegelbild, dessen Scherben in alle Winde verstreut wurden.   [Anya: 200LP / Levrier: 950LP → 0LP]   Anya atmete tief durch, ihre Brust schmerzte. Die Hologramme verschwanden, genau wie die Duel Disk an ihrem Arm. Der Albtraum war endlich vorüber. Und kaum hatte Anya diesen Gedanken gefasst, zersplitterte ohne Vorwarnung das Mosaik unter ihren Füßen. Sie fing an zu fallen. Die Schreie in ihrer Kehle gingen in der endlosen Finsternis unter. So schloss sie die Augen und hoffte, dass sie den Fall überleben würde.   ~-~-~   „Sie kommt zu sich“, hörte Anya eine ferne Stimme sagen. Ihre Lider waren schwer, doch langsam konnte sie sie anheben. Sie starrte in grelles Licht, alles war ein wenig verschwommen. „Lass das!“, war da wieder diese Stimme. Anya kannte sie gut. Abby! Und sie fühlte etwas. Es kam von ihrem rechten Ohr. Als würde … Anya neigte den Kopf leicht zur Seite und sah einen Arm. Die dazugehörige Hand hatte schon fast unheimlich lange Finger, von denen einer direkt in ihrem Ohr steckte und sich drehte. Sofort schreckte sie auf. „Nick?“, murmelte sie und langte anschließend voller Entsetzen zu. Die Backpfeife saß und der hochgewachsene junge Mann hielt sich mit jammernder Mimik die Wange. „Hi Anya“, gluckste er. „Was soll das!?“, fauchte sie ihn an. „Wieso steckst du mir deinen ekligen Finger ins Ohr, du Idiot?“ „Dachte, du wachst dadurch schneller auf.“ Er kratzte sich am Kopf, dessen braunes Haar zerzauster nicht hätte sein können. Dann steckte er die Hände in die Hosentasche und grinste verschlagen. „Na, hast wohl von mir geträumt?“ „Nie im Leben, als ob! Wo bin ich überhaupt?“, fragte Anya mürrisch und sah sich um.   Neben ihr auf beiden Seiten stand eine Art tragbarer Vorhang aus kraftlosem Grün. Anya musste nicht mehr sehen, um zu wissen, wo sie war. Auf der Krankenstation der Livington High. Ihr Brustschutz und der andere Kram lagen in einer Ecke, sie trug nur das Trikot ihrer Mannschaft und eine weiße Hose. Abby trat zwischen die beiden Zankenden. Sie machte einen sehr mitgenommenen Eindruck, denn ihre Haare wirken noch zerzauster als sonst, sie war blass wie eine Kalkwand und das Stirnband war verrutscht. „Wir haben uns echt Sorgen um dich gemacht. Du bist einfach umgekippt und es war gar nicht so leicht, dich hierher zu bringen.“ „Wieso, was ist passiert?“ Ihre Freundin seufzte. „Auch auf der Zuschauertribüne haben die angefangen, sich zu schlagen. Egal was ich gesagt habe, ich konnte sie nicht besänftigen. Es war … schrecklich.“ „Abby und ich haben dich hierher gebracht“, sagte Nick und grinste, „dabei durfte ich sogar gegen ein paar Knirpse antreten, die aufmüpfig wurden.“ Anya verzog skeptisch das Gesicht. „Und, was hast du gemacht? Sie unangespitzt in den Boden gerammt?“ „Bin weggelaufen. Waren zu viele. Drei um genau zu sein.“ Er hielt ihr seine Hand vors Gesicht, doch statt dreien, zeigte er vier Finger. Sofort erntete er lautes Gestöhne von der Blondine, die sich die Hand vor den Kopf schlug. „Das ist nicht witzig, Nick“, beschwerte sich Abby und deutete zu einem der Vorhänge. „Wir können froh sein, für Anya noch ein Bett bekommen zu haben. Die Krankenstation ist hoffnungslos überfüllt. Es gibt mindestens zwanzig Verletzte. Coach Bergmann und ein paar andere mussten sogar umgehend ins Krankenhaus eingeliefert werden.“   Anya sprang von ihrer Liege auf und musste von Nick gehalten werden, da sie sonst umgekippt wäre. Eine starke Benommenheit ergriff Besitz von ihr, doch sie drängte sich an ihm vorbei und verließ ihre Nische. Und was sie sah, traf sogar sie schwer. Überall waren verletzte Schüler. Manche lehnten an den Wänden und hielten sich bestimmte Körperteile und -regionen, andere lagen auf Tragen auf dem Boden und wurden von den Krankenschwestern behandelt. Es war kaum Platz zum Gehen, so viele Leute teilten sich hier den begrenzten Raum. Die Ärztin, Doctor Warren, huschte von einer Person zur nächsten und schien gar nicht zu wissen, wo sie anfangen sollte, die Wunden zu behandeln. „Also das ist selbst mir eine Spur zu krass“, kommentierte Anya das 'Schlachtfeld' beeindruckt. „Alter Falter.“ Abby gesellte sich neben sie und legte ihre Hand auf Anyas Schulter. „Wenn es nur das wäre. Aber du hast geschrien, als du bewusstlos warst. Selbst Doctor Warren hat es nicht geschafft, dich zu wecken und wollte dich schon von den Sanitätern abholen lassen. Was war los mit dir, hattest du einen Albtraum?“ Nick stellte sich ebenfalls zu ihnen. „Ich sag doch, sie hat von mir geträumt, hehe.“ „Wenn ich wirklich geschrien habe, dann kann das durchaus sein“, brummte Anya und warf ihrem Freund einen giftigen Blick zu. Doch ihr ging der Albtraum nicht aus dem Kopf. Levrier … gab es ihn wirklich? Hatte er die Massenschlägerei ausgelöst? Nein, das konnte nicht sein! Es gab keine übernatürlichen Lebewesen, das war ausgemachter Schwachsinn! „Was hast du denn nun geträumt?“, fragte Abby neugierig. „Wie ich diesem Miststück Valerie Redfield die eigenen Gedärme in den Hals stecke.“ Mit diesen Worten stampfte sie ziellos von dannen. „Ich mag es nicht, wenn du so redest“, rief ihre Freundin ihr noch hinterher, daran zweifelnd, dass Anya ihr die Wahrheit gesagt hatte. Doch jene war längst außer Hörweite. Zumindest innerlich.     Turn 02 – Wicked Games Nach der Schlägerei in der Eissporthalle ist wieder Ruhe an der Livington High eingekehrt. Zumindest fast, denn seit jenen Vorfällen scheint Marc Butcher, Anyas Schwarm, ihre Erzrivalin Valerie auf Schritt und Tritt zu begleiten. Anya, die vor Eifersucht kurz davor steht, gewalttätig zu werden, fordert Valerie in ihrem Wahn schließlich zu einem Duell heraus. Mit Leichtigkeit schafft Valerie es, Anya dank [Evigishki Soul Ogre] an die Wand zu spielen. Doch mitten im Duell geschieht etwas Seltsames … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)