Der König von Kalaß von Elnaro ================================================================================ Kapitel 17: Ein neuer Anwärter ------------------------------ Mittlerweile ist Hendryk so schon seit zwei Wochen als Berater und Botschafter in Yoken tätig und die Absprachen gehen gut voran. Es sind sogar schon kleinere Spähtruppen und ein yokener Botschafter nach Kalaß entsandt worden. Wie fast jeden Tag, finden sich auch an dem heutigen eisigen Nachmittag König Miikal, Hendryk, drei Generäle und ein weiterer königlicher Berater in einem Kriegsrat zusammen, um klare Pläne für das Vorgehen bei der Absicherung des Stadtstaates Kalaß zur südwestlichen Grenze mit dem Königreich Roshea aufzustellen. Sie alle sitzen gemeinsam in einem mit Kamin beheizten und deshalb etwas kleineren Versammlungsraum zusammen. Die Besprechung begann bereits am frühen Morgen und ist schon recht fortgeschritten. Heute konnten sie sich schon über einige Eckpunkte einigen, doch noch immer ist die Frage der Unterbringung der Truppen ein strittiger Punkt. Der König spricht diesen Punkt in der Tagesordnung an, der bereits Tage davor kurz thematisiert wurde, aber keine Ergebnisse vorwies. „Gibt es inzwischen Vorschläge wo größere Truppenregimente unterkommen könnten?“ Natürlich haben dich die Beteiligten vorbereitet und General Tshuras verkündet die aus seiner Sicht einzig richtige Lösung: „Natürlich ziehen unsere Soldaten in die Tarbasser Festung ein. Dort ist die vollständige Infrastruktur für ein ganzes Regiment vorhanden.“ Einige Anwesende nicken zustimmend, doch der einzige Hendryk, der einzige kalaßer Bürger am Tisch, hat Einwände. Autoritätspersonen an den Kopf zu knallen was ihm nicht passt, konnte er schon immer gut und sein letztes Gespräch mit Yasane hat sein ohnehin schon gutes Selbstvertrauen noch einmal beträchtlich gestärkt. Er spricht mit harter Stimme und sicher vor der Führungselite Yokens: „Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, Herr General, aber ich glaube es ist eine total schlechte Idee die einen Soldaten in der Festung gegen andere Soldaten in der Festung auszutauschen. Wir Kalaßer wollen kein fremdes Heer in unserer Mitte haben und schon gar kein bewaffnetes. Das fühlt sich an als würden wir statt von Roshea einfach nun von Yoken besetzt werden und ich frag mich was daran besser sein soll. Das machen wir nicht nochmal mit, das kann ich Ihnen versprechen.“ Tshuras fixiert den jungen vorlauten Botschafter. Von diesem Jungspund muss er sich als gestandener General nicht vorführen lassen und schießt zurück: „Sie können nicht alles nur bemängeln und schlecht machen, Jungchen. Wir brauchen hier konstruktive Lösungen.“ Doch Hendryk bleibt unbeeindruckt, denn so eine Reaktion hatte er erwartet. „Das ist mir auch klar, Herr General. Deshalb hab ich mir darüber natürlich schon meine Gedanken gemacht. Passen Sie mal auf, alle denken immer der Stadtstaat würde erst an seinen Mauern beginnen, doch das ist totaler Quatsch. Was denken Sie wo unser Getreide herkommt und unsere Kühe grasen? Ein großer Streifen um die Mauer herum, gehört auch zu uns und das ist auch das Gebiet, das Sie beschützen sollen. Die Soldaten gehören an die Mauer und nicht in unsere Burg. Mann die sollen doch bei uns keinen Urlaub machen. Mein Vorschlag wäre es die Mauer von innen auszubauen, denn sie ist ja nicht massiv. Das ist übrigens auch ein verbreiteter Irrglauben, habe ich festgestellt. Das Innere der Mauer bietet mehr Raum und Fläche, als man zunächst denken könnte. Bisher haben wir sie als Lager benutzt, aber ursprünglich war sie mal als Kaserne gedacht gewesen. Wir räumen unsere Lager und bauen den Verteidigungswall wieder aus. Bis das geschafft ist, können wir vor den Mauern ein Feldlager als Übergangslösung errichten.“ General Tshuras fühlt sich massiv auf den Schlips getreten, denn dieser Junge versucht ihn anscheinend vorzuführen. Gerade als er aufsteht und sich vor Hendryk aufbauen will, erhebt der König das Wort: „Beruhigen Sie sich General! Was glauben Sie warum der junge Mann bei uns am Tisch sitzt? Genau das sind die Informationen, die wir von ihm benötigen. Wir kennen das kalaßer Volk nicht, er schon. Er kann uns sagen welche Ängste es hat und wie wir ihnen diese nehmen können, anstatt neue zu entfachen. Deshalb bin ich auch sehr dankbar für die offenen Worte und die sehr guten Vorschläge unseres unerschrockenen Botschafters Hendryk. Es ist mir vollkommen bewusst, dass der Einzug in die Festung die einfachste Lösung darstellt, doch wie Sie hören steht uns diese Option gar nicht zur Verfügung. Setzen Sie sich also bitte wieder hin.“ „Jawohl.“ ertönt es gespielt emotionslos von Tshuras. Wie befohlen setzt er sich wieder, doch er ist nicht glücklich damit, denn er ist nach wie vor anderer Meinung. Die Entscheidung seines Königs akzeptiert er jedoch. Die Beratung mündet in zähe koordinatorische Planungen, die der König erleichtert frühzeitig für diesen Tag beendet, als sich ein Gast ankündigt. Er selbst ist ziemlich erschöpft von den letzten Tagen und wenn er in die Gesichter der anderen Kriegsratsmitglieder schaut, wird ihm klar, dass sie ihm eine Verschiebung aller weiteren ungeklärten Punkte auf den Folgetag nicht übel nehmen werden. Hendryk hat den Nachmittag also frei und sich, mit Hilfe eines Boten, im verschneiten Innenhof des Schlosses mit Yasane verabredet. Als ihr die Nachricht überbracht wird, sitzt sie noch mitten im Kalligrafieunterricht. Damit ihr das wilde, lockige Haar nicht auf das Papier fällt, trägt sie es mit einer schwarzen Schleife nach hinten gebunden. Da sie ohnehin gerade mit dem in mittelguter Schönschrift geschrieben Einladungsschreiben fertig geworden ist, das sie zur Übung erstellen musste, bittet sie ihren zum Glück nicht allzu strengen Kalligrafielehrer etwas vor der Zeit gehen zu dürfen, der zustimmt. Sie reinigt gewissenhaft ihre Feder, springt dann aber so Schwungvoll von ihrem Platz auf, dass sie dabei an den Tisch stößt und das Tuschefass gefährlich zum Wippen bringt. Gerade noch so, bevor es ihr heutiges Tagwerk ruinieren kann, fängt sie das Fässchen im Fallen auf. Ihr schon etwas betagter Lehrer war ebenfalls schon zum drohenden Unglück gesprintet, hätte es aber nicht mehr verhindern können. Auch wenn nichts passiert ist, bekommt sie eine kleine Standpauke: „Meine Güte, Prinzessin. Ihr macht immer dieselben Fehler. Nehmt Euch Zeit, sage ich immer, doch Ihr wollt es nicht begreifen. Der junge Mann wird auch eine Minute länger auf Euch warten können.“ „Ich weiß, Herr Lehrer. Ist doch nichts passiert.“ antwortet sie freudestrahlend entkräftend, während sie sich die Schleife aus dem Haar entfernt und kurz darauf davonläuft. Sich sehr auf Hendryk freuend läuft sie eilig in ihr Zimmer, um sich einen warmen Mantel überzuwerfen. Ihr junges Dienstmädchen Ida ist gerade dabei den kleinen Kamin vorzuheizen, als Yasane eintritt. Die Prinzessin erschreckt sich etwas, weil sie nicht erwartet hätte jetzt jemanden in ihrem Zimmer anzutreffen. „Huch, Ida, ach du bist es nur. Ich dachte schon Hen würde in meinen Sachen herumwühlen.“ Die beiden lachen und das Dienstmädchen fragt ein wenig verwundert über so eine verrückte Idee: „Aber Yasane, glaubst du der Botschafter würde so etwas tun?“ Yasane antwortet immer noch kichernd: „Eigentlich nicht, aber dann wüsste ich wenigstens, dass er sich für mich interessiert. Die Sache ist nämlich, dass ich ihn in dieser Sache nicht so richtig einschätzen kann. Was denkst du? Könnte er Interesse an mir haben?“ Ida legt den Schürhaken beiseite und widmet sich ganz der Unterhaltung mit ihrer Prinzessin. „Oh, du bist doch die Analytikerin von uns beiden und weißt es nicht. Was soll ich dann sagen? Ich weiß ja nicht mal worüber ihr euch so unterhaltet. Ich hab nur letztens erst gedacht, dass er schon einen ganz schönen Abstand zu dir wahrt. Ich will da nicht zu viel hinein deuten. Vielleicht ist das nur gutes Benehmen gegenüber einer Prinzessin?“ „Nein glaub mir, Ida. Daran liegt es nicht.“ lacht Yasane ausgelassen, doch dann verschränkt sie die Arme und beginnt zu grübeln: „Du meinst er ist distanziert? Hmm...“ Das Dienstmädchen versucht sich an weitere Dinge zu erinnern, schaut dabei etwas gedankenverloren aus dem Fenster und nimmt dort Hendryk, der bereits allein im auf einer Bank im verschneiten Innenhof sitzt, mit einer kleinen Verzögerung wahr. „Oh, da ist er ja.“ stellt sie überrascht fest. Yasane läuft schnell zum Fenster, um ihn zu sehen. „Du hast recht. Ich muss mich beeilen.“ ruft sie und schnappt sich ihren warmen Mantel, der schon für sie bereit hängt, da sagt ihr Dienstmädchen aufgeregt: „Warte, Prinzessin. Ich habe eine Idee.“ „Oh, dann immer raus damit!“ entgegnet Yasane aufgeregt den Vorgang unterbrechend und Ida erläutert ihren Plan: „Was wäre, wenn du ihn heute versetzen würdest? Vielleicht können wir an seiner Reaktion etwas ablesen.“ „Bist du fies, Ida. Das wusste ich gar nicht. Ihn bei dieser Kälte sitzen zu lassen, wäre schon echt unfair.“ reagiert Yasane ebenso überrascht wie belustigt. Sie zieht ihren Mantel an und geht zur Tür. Bevor das Mädchen sie öffnet sagt sie langsam: „Aber es hat eine bestechende Logik.“ Sie geht wieder zum Fenster und schaut nach unten. Mit den Worten: „Na gut, ich tu‘s.“ zieht sie ihren Mantel wieder aus und die beiden jungen Frauen setzen sich abwartend vor das Fenster. Hendryk beginnt unterdessen langsam zu frieren. Er wundert sich über Yasanes Verspätung, was bisher noch nie vorgekommen ist. Sie war immer überpünktlich und hatte oft sogar auf ihn gewartet. Nach einer Viertelstunde steht er auf und geht ins Schloss hinein, was die am Fenster im Warmen sitzende Yasane enttäuscht. „Da hat er es aber nicht lange ausgehalten. Irgendwie deprimierend.“ Sie entfernt sich vom Fenster und setzt sich aufs Bett, doch Ida bleibt sitzen und das war auch gut so, denn kurze Zeit später ruft sie Yasane zurück. „Prinzessin, er kommt wieder, mit einer Decke und einem Buch in der Hand.“ Diese springt erfreut auf, um es mit eigenen Augen zu sehen. Sie beobachtet wie er sich in die Decke eingewickelt wieder hinsetzt und das Buch zu lesen beginnt. Ergriffen flüstert sie: „Das ist so niedlich. Ich halte das nicht länger aus. Ich gehe jetzt zu ihm runter und erlöse ihn.“ Doch Ida hält sie zurück. „Und was hat das dann gebracht, Yasane? Kannst du ihn jetzt besser einschätzen als zuvor? Du musst schon noch ein wenig länger warten.“ Yasane schmollt, weil ihre Freundin damit zwar recht hat, aber Gefallen tut ihr die ganze Sache nicht. Eine weitere halbe Stunde verstreicht, in der Yasanes Herz immer heftiger zu stechen begann. Sie beobachtet wie Hendryk das Buch zuklappt, aufsteht und dann, zu ihrem großen Schrecken, hinauf zu ihrem Zimmer blickt. So schnell sie können, verstecken sich die beiden Mädchen unter dem Fenster. „Das war knapp. Ich habe die dumpfe Vermutung, dass er jetzt hier hoch kommen wird.“ keucht Yasane, die glaubt noch rechtzeitig in Deckung gesprungen zu sein. Tatsächlich klopft es kurz darauf an der Tür, was die Prinzessin hektisch werden lässt. Es sieht bestimmt ziemlich blöd für ihn aus, wenn sie sich hier oben im Warmen mit dem Dienstmädchen unterhält, während er unten in der Kälte friert und auf sie wartet. Alles was ihr einfällt, ist zumindest so zu tun als sei sie allein, deshalb bittet sie Ida sich zu verstecken. Dann öffnet sie die Tür und lässt Hendryk in ihr Zimmer eintreten. Er reibt die Hände aneinander, als er die wohlige Wärme des Kamins spürt und sein Gesicht ist etwas von der Kälte gerötet. Nicht verärgert, sondern besorgt fragt er: „Ist alles in Ordnung, Yasane?“ Er hat ihr Zimmer bisher noch nie betreten und lässt seinen Blick ein wenig durch den Raum schweifen. Yasane, die sonst normalerweise nichts tut, das ihrem eigenen Gewissen widerstrebt, schämt sich nun vor ihm, denn sie ärger sich und stammelt reumütig: „Ja, alles in Ordnung .“ „Das ist gut. Aber, wenn du dich nicht mehr mit mir treffen möchtest, dann gib mir doch bitte beim nächsten Mal Bescheid, oder hat dich der Bote gar nicht erreicht?“ entgegnet er gefasst. Yasane ist nicht der Typ in so einem Fall eine Notlüge zu erfinden, deshalb bleibt sie bei der Wahrheit, als sie antwortet: „Doch, das hat er..., Hen, um ehrlich zu sein habe ich das absichtlich gemacht, um zu sehen wie lange du auf mich warten würdest.“ Sie duckt sich nach ihrem Geständnis etwas weg, denn sie erwartet, dass er sie für ihr unmögliches Verhalten ausschimpft wie beim letzten Mal, doch er bleibt gefasst: „Verstehe, dann nimm jetzt deinen Mantel und komm. Deinen kindischen Test habe ich ja wohl bestanden.“ Sie sieht ihn mit großen Augen an, weil sie es kaum glauben kann. Frech grinsend fügt er hinzu: „Sag dem Dienstmädchen es kann aus seinem Versteck kommen. Ich sehe ihre Füße unter dem Vorhang herauslugen.“ Dann lacht er und geht hinaus, um vor der Tür auf sie zu warten. Davon, dass Hendryk im Normalfall eher der fürsorgliche und verständnisvolle Typ ist, hatte Yasane bis eben noch keinen Schimmer und sie fügt es den Eigenschaften bei, die sie an ihm mag. In seinen Augen war das ein harmloser Streich, den er in die Typisch–Mädchen-Schublade steckt. Er weiß was echte Sorgen sind und sowas hier hebt ihn nicht an. Endlich gemeinsam im Hof berichtet er ihr von seinen Diskrepanzen mit General Tshuras, was die, sich immer noch Vorwürfe machende Yasane, wieder aufheitert. Sie kennt den General und bezeichnet ihn als Brummbär, der immer etwas zu meckern hat. „Ich mag ihn sehr. Er will immer nur das Beste für das Königreich, auch wenn er oft etwas grummelig ist. Er hat eine kleine Tochter, weißt du. Manchmal bringt er sie mit ins Schloss. Zu mir sagt sie immer sie wolle auch mal Prinzessin werden, wenn sie groß ist, hihi. Weißt du wie süß es aussieht, wenn sich dieser große Brummbär von General liebevoll um die Kleine kümmert? Wenn er versucht dich einzuschüchtern, dann stell dir einfach vor wie er mit seiner kleinen Tochter mit Puppen spielt, denn glaub mir, das tut er!“ „Stell ich mir witzig vor. Aber du hast mich falsch verstanden, Yasane. Er schüchtert mich nicht ein. Wenn ich im Recht bin, ist mir mein Gegner egal, auch wenn er Autorität ausstrahlt.“ stellt er selbstbewusst klar, was das Mädchen beeindruckt. Sie mag seine ungestüme Art und funkelt ihn an. „Das merkt man. Sag mal, mich siehst du nicht als autoritär an, oder? Ich glaube fast du siehst in mir gar keine Prinzessin, aber was bin ich dann für dich?“ erkundigt sie sich in der Hoffnung damit die ursächliche Frage beantwortet zu bekommen. „Dich beschäftigen merkwürdige Dinge, Yasane. Was sollst du schon sein? -Eine Freundin natürlich.“ Er wundert sich über die Frage. Das Mädchen scheint wirklich gern allem und jedem auf den Grund gehen zu wollen, was er nicht wirklich nachvollziehen kann, denn seine Antwort müsste doch auch für sie im Vorfeld absolut klar gewesen sein. So hatte sich das die Prinzessin auch nicht vorgestellt, denn ihre Frage sollte ihm eine Steilvorlage bieten, um etwas nettes über sie zu sagen. Sie spürt nun genau was Ida meinte, als sie von seinem Abstand zwischen den beiden sprach. Langsam glaubt die Prinzessin daran, dass von seiner Seite her wirklich nicht mehr als eine Freundschaft vorhanden ist und eigentlich ist das auch gut so, denn sie dürfte ohnehin nichts mit ihm anfangen. Auf ihr Schweigen hin, schwenkt Hendryk das Thema zurück zum Kriegsrat. „Kannst du mir noch etwas über die anderen beiden Generäle erzählen? Ich möchte gern genauer wissen mit wem ich es da zu tun habe.“ Gerade als Yasane anfangen will zu erzählen, werden die beiden unterbrochen, denn sie wird von ihrem Vater ins Schloss gerufen. Sie entschuldigt sich freundlich bei Hendryk und gehorcht. Sie wundert sich was er ihr gerade jetzt so wichtiges mitzuteilen hat, sodass er ihre gemeinsame Zeit mit Hendryk unterbrechen muss, wo er doch vielleicht gar nicht mehr so lange da ist. Der König stellt ihr im Schloss angekommen einen jungen Prinzen vor, den sie bisher noch nicht kennengelernt hat. Verstimmt wundert sie sich aus welcher Versenkung er jetzt bitte gekrochen kommt. Der unbekannte Prinz verbeugt sich höflich und gibt an aus den nördlichen Landen zu stammen. Er wollte schon lange vorstellig werden, doch die politische Lage wäre ihm zu unsicher gewesen, was Yasane gut nachfühlen kann. Eigentlich hat sie gerade gar keinen Nerv für einen neuen Bewerber, wie sie die Prinzen nennt, mit denen ihre Eltern sie verkuppeln wollen, doch da sie im Prinzip gerade abgeblitzt ist, kann sie sich den Neuen ja auch genauer ansehen. Zugegebenermaßen ist er in ihren Augen ein recht hübscher junger Mann. Er hat typisch nordisches platinblondes Haar, das ihm etwas ins Gesicht hängt, sein Blickfeld aber nicht beeinträchtigt und kalte graue Augen. Für einen Adligen, ist er überraschend gut gebaut, was ihr sofort ins Auge sticht. Yasane stellt sich selbst vor, denn sie will direkt von Anfang an klarstellen, dass es sich bei ihr nicht um eine normale Prinzessin handelt. „Sehr erfreut, ich bin Yasane, Hobbytherapeutin und verzogene sowie gelangweilte Kronprinzessin von Yoken.“ Der junge Mann lässt sich nicht abschrecken und antwortet kühl lächelnd: „Ebenso erfreut. Ich bin Aurel, jüngster Sohn des Grafen von Norderstedt. Meine Eltern haben mich hierher geschickt, dabei verstehe ich nicht so wirklich, was sie von mir erwarten.“ Yasane nickt und versteht genau was er mein, deshalb precht mit ihren Worten hervor wie es ihre Art ist: „Ha! Das kann ich dir sagen. Sie wollen uns verkuppeln. Als ob das so einfach wäre, aber egal. Jetzt bist du hier, also lass und das Beste draus machen! Was machst du denn gern, vielleicht könnten wir damit beginnen?“ Der König hatte sich zwar ein Stück vom Gespräch entfernt, ihm aber gelauscht. Lächelnd schüttelt er den Kopf über seine ungezogene Tochter und verlässt die beiden. Seine Aufgaben für heute sind erledigt und er muss sich dringend mal etwas ausruhen. Aurel denkt unterdessen kurz nach und beantwortet die Frage der Prinzessin: „Nun, ich liebe den Sport und auch den Wettkampf, zum Beispiel Bogenschießen. Könnt Ihr Bogenschießen, Frau Hobbytherapeutin?“ Was Yasane zum Lachen bring, denn das ist genau ihr Humor. „Endlich mal jemand, der mich versteht. Nein, kann ich nicht, aber das soll nichts heißen. Bring es mir doch einfach bei!“ Er verbeugt sich elegant und entgegnet nun doch förmlich: „Sehr gerne, Prinzessin.“ Sie runzelt die Stirn und denkt danach unmittelbar an Hendryk, dessen Gegenwart sie sich an Stelle des neuen jungen Mannes ersehnt. Aber wieso sollte er nicht einfach mitmachen? Sie fordert es einfach ein: „Wir haben noch einen anderen Gast bei Hof. Es wäre toll, wenn er auch mitmachen könnte.“ „Aber klar, gerne. Wieso auch nicht?“ antwortet Aurel freundlich. „Super!“ Yasane hüpft etwas vor Freude, denn das rettet ihr den Tag. Gemeinsam mit Aurel geht sie auf den verschneiten Hof und winkt Hendryk zu sich, den sie im Anschluss vorstellt: „Das ist Hendryk.“ Die beiden jungen Männer geben sich die Hand, als sie ergänzt: „Er ist Botschafter des Stadtstaats Kalaß.“ Als Aurel das hört intensiviert er seinen Händedruck für einen Augenblick, was Hendryk bemerkt und wundert, doch er ignoriert es erst einmal. Andersherum stellt sie nun auch Aurel vor und dem jungen Kalaßer dämmert warum der Prinz ins Schloss eingeladen wurde. Nach der Bekanntmachung lässt die Prinzessin drei Bögen holen und spannen und Zielscheiben auf einer großen Wiese aufstellen, die jetzt vom Schnee vollständig weiß bedeckt ist. Da Waffen in Kalaß verboten sind, hat Hendryk nicht die geringste Erfahrung mit dem Bogenschießen und hat, ebenso wie Yasane, gerade zum ersten Mal überhaupt einen Bogen in der Hand. Er lernt ausgesprochen schnell und trifft immer öfter die Zielscheibe, wenn auch noch nicht unbedingt dort, wo er hin gezielt hat. Ganz im Gegensatz zum geübten Bogenschützen Aurel, der mit einer perfekten Körperhaltung jeden Treffer mittig landet. Als blutiger Anfänger fällt Hendryk neben ihm merklich ab und bildet einen starken Kontrast zu ihm. Yasane bewundert die Ästhetik des neuen Gastes und lässt sich von ihm zeigen so viel sie kann. Dabei stellt er sich von hinten an sie heran und führt mit ihr gemeinsam den Bogen. In dieser Position entsteht ein direkter Körperkontakt zwischen der Prinzessin und dem Aurel, was die Augenbrauen anheben lässt. Er findet, dass dieser Kerl sich nicht so anbiedern sollte und das bereits schon vom ersten Tag an. Man kann auch zeigen wie man einen Bogen spannt, ohne auf Tuchfühlung zu gehen, doch Yasane scheint es nicht zu stören. Hen bemerkt, dass sie rot geworden ist und auch wenn das von den kalten Temperaturen stammen könnte, gibt ihm die Situation zu denken. Es ist als habe er ein Déjà-vu, dabei kann es ihm eigentlich ja auch egal sein was Yasane so treibt. Er macht hier schließlich nur seine Arbeit. An den folgenden Tagen gehen sie gemeinsam reiten und üben sich im Schwertkampf. Die Prinzessin hat unglaublichen Spaß an der Sache und findet alles spannend, was ihr Aurel erzählt und beibringt. Reiten ist auch nicht gerade Hendryks Lieblingsbeschäftigung, der er nur so zum Spaß nachkommen würde und da ist es auch kein Wunder, dass der pferdeliebende Aurel auch hier besser abschneidet. Des Prinzen Anmut auf dem Pferd ist sogar so dominant, dass der kalaßer Botschafter daneben aussieht wie ein blutiger Anfänger. Naturgemäß verläuft die Schwertkampfübung nach einem ähnlichen Muster. Hendryk hat den Kampf mit einem Schwert bei der Stadtwache nur hin und wieder mit Holzstangen geübt. Meist ging es dabei um die Entwaffnung des Gegners, um den Nachteil auszugleichen. Seine Basisdisziplin ist der unbewaffnete Kampf, was ihm hier überhaupt nichts nützt. Aurel ist hingegen, wie erwartet, sehr elegant im Umgang mit dem Schwert. Yasane ist hin und weg, von ihrem kriegerischen Prinzen, was Hendryk langsam wütend macht. Im Duell ignoriert er die Regeln, wirft sein Schwert bei Seite und entwaffnet den Angeber gleich dreimal in Folge, was dieser gar nicht so lustig findet, Hendryk aber schon. Er hat einfach keine Lust mehr in Aurels Lieblingsdisziplinen gegen ihn anzutreten. Zu allem Überfluss versteht sich dieser neue Kerl sehr gut darin mit dem Humor der Prinzessin umzugehen. Er erzählt ihr Geschichten und Anekdoten, die sie zum Lachen bringen und sticht Hendryk damit auf ganzer Linie aus, was ihn langsam stutzig werden lässt. Wieso sollte ausgerechnet jetzt ein perfekter Heiratskandidat für die Prinzessin aus dem Nichts auftauchen? Er hat schon versucht Aurel nach seinem Hintergrund zu befragen, doch der junge Adlige ist glitschig wie ein Aal. Nach vier Tagen Aufenthalt fängt Hendryk Aurel nach dem Abendbrot auf dem Rückweg zu seinem Quartier ab. Er wartet vor der Tür zu Aurels Zimmer, das in einem anderen Korridor liegt als seines. Der junge Adlige kommt vom Abendbrot mit der Prinzessin zurück, an dem Hendryk nicht teilnimmt, denn er isst nicht gemeinsam mit der Königsfamilie. Aurel erkennt Hendryk schon von Weitem im Schein der Öllampe an dessen unverwechselbaren blauen Haaren. „Guten Abend Hendryk. So spät noch im Schloss unterwegs?“ grüßt er gespielt freundlich, was den junge Kalaßer bereits nervt, denn er gibt nichts auf die ihm entgegengebrachte, offensichtlich aufgesetzte Freundlichkeit. Er geht überhaupt nicht auf die rhetorische Frage ein und will unverblümt wissen: „Was willst du von Yasane?“ Aurel tut überrascht und antwortet leicht gereizt: „Ich weiß nicht was du meinst. Meine Eltern haben mich hergeschickt und ich mache das Beste daraus. Das ist alles.“ Eine schlechte Ausrede, findet Hendryk, der es weiter versucht. „Und wieso schicken sie dich erst jetzt und nicht einige Jahre zuvor? Wieso kennt dich im Schloss sonst niemand? Ist deine Familie so unbekannt?“ Aurel geht an seinem penetranten Überwacher vorbei zur Tür seines Zimmers, dabei entgegnet er arrogant: „Oh, du hast dich über mich informiert? Ich fühle mich geehrt. Aber du hast recht, meine Familie hat keinen besonders großen Einfluss, sodass wir kaum von uns reden machen und ich bin auch nur der zweite Sohn des Grafen von Norderstedt. Ich bin nicht so hochwohlgeboren wie du vielleicht denkst, aber zumindest bin ich der Oberklasse zugehörig.“ Den Hinweis auf den Klassenunterschied hätte sich Aurel auch sparen können, findet Hendryk, denn er tut rein gar nichts zur Sache. Er entgegnet frei heraus: „Ich glaube, dass du dich verstellst, um der Prinzessin zu gefallen und das wird sie früher oder später auch bemerken.“ Aurel lächelt kühl. „Ich mag sie und sie mag mich. Ich verstehe nicht, wo dein Problem liegt und ich sehe diesbezüglich auch keinerlei Handlungsspielraum für dich. Du hast mit dieser Angelegenheit rein gar nichts zu tun, Botschafter von Kalaß.“ Hendryk geht einen Schritt weiter an den etwas kleineren Aristokraten heran, baut sich vor ihm auf und droht ihm: „Ich weiß selbst, dass es mich eigentlich nichts angeht, das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich bin jedoch sehr gut darin solche Rollenbilder auszublenden, wenn ich so eine verlogene Pfeife wie dich sehe. Und Außerdem, mein liebes Kind der Oberklasse, habe ich eine sehr gute Menschenkenntnis, die dir zum Verhängnis wird. Mit dir stimmt etwas nicht, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Mit mir machst du dir den falschen zum Feind, das kannst du mir glauben.“ Das kühle Lächeln bleibt beständig auf Aurels Lippen. „Es ist offensichtlich, dass wir wohl keine Freunde mehr werden können- wäre auch schwierig geworden, so eine Freundschaft zu einem Bürgerlichen...für mich jedenfalls. Du hast jetzt hoffentlich alles gesagt. Die Intension dieses Gesprächs erschließt sich mir nämlich nicht und deshalb würde ich mich gern zurückziehen. Ich bin doch recht müde.“ Er deutet ein Gähnen an. Aurel hat auf alles eine passende Antwort, die ihn selbst in bestes Licht rückt, auch wenn er sich herablassend verhält. Hendryk hat nichts gegen ihn in der Hand und muss das wohl so hinnehmen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen Frust herunter zu schlucken. Am nächsten Tag treffen sich Aurel und Yasane zum gemeinsamen Mittagessen. Oft hat die Prinzessin in der Vergangenheit allein essen müssen, weil ihre Eltern anderweitig eingebunden waren und sie freut sich sehr über Gesellschaft. Sie versucht ihren Bewerber ein wenig auszuquetschen. Aurel kommt damit vom Regen in die Traufe, was er allerdings für sich auszunutzen weiß. „Hattest du schon einmal eine Freundin, Aurel?“ fragt sie ganz offen, weshalb er überrascht schaut, sein für ihn typisches Lächeln jedoch auf den Lippen behält. „Eine Freundin? Ich stamme aus einem sehr strengen Elternhaus. Selbstverständlich hatte ich noch keine. Wenn doch, dann wäre sie nicht meine Freundin, sondern meine Verlobte. Aber warum willst du das wissen?“ Yasane freut sich darüber irgendwie. Unschuld im Zusammenspiel mit Sportlichkeit fand sie schon immer sehr anziehend. „Ach, nur so. Und wie ist es bei deinen älteren Geschwistern?“ antwortet sie ausweichend. „Mein älterer Bruder Sandor und meine ältere Schwester Rendina sind beide bereits verheiratet. Ich bin der Nachzügler in der Familie. Zu meiner Schwester habe ich acht Jahre unterschied. Nun, ich glaube man erwartet von mir langsam, dass ich mich auch verlobe, deshalb bin ich wohl auch hier. Oh, es tut mir leid das so vor dir gesagt zu haben.“ erklärt er, was Yasane zum Kichern bringt. „Ich sagte dir schon am ersten Tag, dass es deinen Eltern bei deinem Besuch wohl darum ging.“ „Das ist mir ziemlich unangenehm.“ entgegnet Aurel verlegen. „Das muss es nicht. Ich bin das schon gewohnt.“ Yasane legt ihr Besteck weg. „Offen gestanden ist es das erste Mal, dass ich einen Bewerber in Betracht ziehe. Überrumple ich dich damit?“ Der junge Aristokrat hört ebenfalls auf zu Essen, legt sein Besteck an und rutscht ein Stück nach hinten, um sich Yasane zuwenden zu können. „Ich- ich bin überrascht und auch ein wenig beschämt. Es muss auf dich doch so wirken, als ob ich das so geplant hätte. Des Weiteren hätte ich nie erwartet, dass eine solch schöne und kluge Frau wie du es bist, Interesse an mir zeigen könnte.“ Yasane fühlt sich geschmeichelt. „Mach dir nicht so viele Gedanken, Aurel! Es hat sich eben so ergeben. Das muss dich nicht beschämen. Ich würde sagen wir schauen einfach wie sich die Sache entwickelt, in Ordnung?“ Aurel nickt lächelnd. Yasane nimmt ihr Besteck wieder in die Hände und die beiden führen ihr gemeinsames Mittagessen wie gehabt mit weniger schwerwiegenden Gesprächsthemen fort. Nach weiteren zwei Tagen klopft Yasane abends aufgeregt an Hendryks Zimmertür. Draußen ist es schon dunkel und der kalte Winter hat das Schloss ziemlich ausgekühlt, weshalb es in den unbeheizten Räumen recht kalt geworden ist. Er bittet sie herein und sie stürmt frierend eilig in den beheizten Raum. Dann beginnt sie aufgeregt los zu plappern: „Hen, stell dir vor was Aurel getan hat. Er hat bei meinen Eltern um meine Hand angehalten und sie haben nichts dagegen, jetzt muss nur noch ich zustimmen. Ist das nicht toll?“ Er setzt sich auf einen der rotgepolsterten Stühle, die er an einem Kirschbaumtisch stehen hat und sieht sie entgeistert an. „Yasane, mal ganz ehrlich. Geht dir das nicht ein bisschen zu schnell? Also mir kommt dieser angebliche Prinz ziemlich merkwürdig vor.“ Yasane geht hockt sich direkt vor ihn, um ihn besser ansehen zu können. „Ach Hen, jetzt bist du ja doch auf ihn eifersüchtig. Ich fühle mich geschmeichelt und es macht mich ehrlich gesagt auch ein wenig glücklich, denn… du musst doch schon gemerkt haben, dass ich eine Schwäche für dich habe.“ Sie hebt ihre Hand und berührt ihn mit ihren Fingern sanft an der Wange. Das ist die erste intime Berührung der beiden überhaupt und sie wundert sich jetzt darüber, dass es so einfach war und er sich kein bisschen dagegen gewehrt hat. Mit sanfter Stimme fügt sie hinzu: „Aber für eine Prinzessin reicht das nun mal nicht. Ich kann keinen Bürgerlichen heiraten, sonst verliere ich das Anrecht auf den Thron und ich bin doch ein Einzelkind. Das kann ich meinen Eltern nicht antun.“ Hendryks Blick ist ausdruckslos. Er schüttelt leicht den Kopf, deshalb nimmt sie ihre Hand wieder von ihm weg. „Nein Yasane, darum geht es nicht... Mir ist es schon vom ersten Tag an aufgefallen. Er verhält sich verdächtig, er schaut sich häufig um, er schleicht nachts durchs Schloss, er ist in so vielen kämpferischen Disziplinen gut, eigentlich zu gut. Macht dir das keine Sorgen? Immer wieder höre ich du seist die große Analytikerin. Na dann analysiere ihn doch mal!“ Das Mädchen wird dadurch schon etwas nachdenklich und Hendryk versucht weiter sie zu überzeugen. „Ich würde vorschlagen, du reist erstmal zu seinen Eltern und schaust dir sein Leben an, befragst seine Freunde und seine Familie. Was macht es schon, wenn er noch ein paar Monate wartet. Ich bitte dich, Yasane, überstürze nichts.“ Erst jetzt reißt Yasane die Augen auf und ruft aufgeregt: „Oje, du hast recht. Wenn er wirklich der Richtige ist, dann wird ihm das gar nichts ausmachen. Ich therapiere andere und bei mir selbst versage ich. Ich danke dir, lieber Hen.“ Sie gibt ihm als Abschied ihren ersten und, wie sie glaubt, zugleich letzten Kuss auf die Wange und flüstert danach: „Ich wünschte wirklich, du hättest einen Adelsstand und sei er noch so niedrig. Dann könnte ich mir das alles sparen.“ und macht sich daraufhin auf den Weg zu Aurel, um ihm ihre Entscheidung mitzuteilen. Hendryk ist froh, dass er endlich bis zu ihr vordringen und Schlimmeres wohl gerade noch verhindern konnte. Er atmet erleichtert durch. Aufgewühlt von all diesen Neuigkeiten läuft Yasane durch das Schloss auf der Suche nach Aurel, doch er ist nicht in seinem Zimmer. Auf der Suche nach ihm, geht sie zum Aufenthaltsraum ihrer Eltern, wo sie schon von ihm empfangen wird, aber nicht so wie sie es erwarten würde. Er hat einen traurigen Blick, den sie vorher noch nie bei ihm gesehen hat. Als sie näher tritt, erkennt sie Tränen in seinen Augen und er sagt mit zittriger Stimmt: „Yasane? Yasane, es ist schrecklich.“ Sie ist geschockt von seinem unerwarteten Erscheinungsbild. „W-Was ist denn los, Aurel? Du bist ja ganz aufgelöst.“ „Deine, deine Eltern, ich habe nach ihnen gesucht und dann habe ich sie gefunden...s...sie liegen da und reagieren überhaupt nicht. Sie bewegen sich nicht mehr. Ich weiß nicht was mit ihnen los ist. Sie liegen auf dem Boden vor ihren Sesseln. Irgendetwas stimmt nicht.“ stottert er. Yasane will sofort los laufen und zu ihnen zu gehen, denn wie von Aurel beschrieben, liegen die beiden vor ihren Sesseln, die vor einem lodernden Kamin stehen. Der Prinz versucht sie davon abzuhalten, doch sie kann sich losreißen. Sie läuft zu den beiden, die in einer unnatürlich verkrümmten Haltung auf dem Boden liegen. Geschockt beginnt die Prinzessin ihren Vater zu schütteln, der ihr ein schauriges Bild liefert. Wie in Trance ruft sie um Hilfe, doch niemand erscheint und auch sonst ist das Schloss verdächtig leer. Das ist ihr vorher gar nicht aufgefallen. Mit aufgerissenen Augen, aus denen Tränen laufen, hockt sie vor den Körpern ihrer Eltern. Sie weiß überhaupt nicht was hier los ist, denn das kann nur ein schlechter Traum sein. Aurel geht zu ihr, hilft ihr hoch und holt sie wieder ein Stück weg von dem schlimmen Anblick. Hendryk hat als einziger ihren Hilferuf vernommen und ist sofort losgestürmt. Er findet eine völlig in Tränen aufgelöste Yasane vor, die von Aurel von hinten an den Schultern festgehalten und zurückgetrieben wird. „Was ist los, Yasane?“ ruft der Kalaßer und sie deutet mit der Hand auf ihre Eltern, weshalb Hendryk geschockt in sich zusammenfährt. Auch er geht direkt zu ihnen, kann aber auch nur noch ihren Tod feststellen. Das verzweifelte Mädchen will sich aus Aurels Griff befreien, doch sie schafft es nicht und ruft verbittert: „Aurel, du tust mir weh!“ Hendryk erhebt sich von den Leichen, schaut düster zu Aurel und geht langsam auf ihn zu. „Was für ein Zufall, dass ausgerechnet du sie zuerst gefunden hast, was Aurel, wenn das überhaupt dein Name ist?“ Dieser antwortet gefasst, ganz so, als ob er sich die Antwort vorher schon zurechtgelegt hätte. „Eigentlich wollte ich ihre Eltern fragen, ob sie schon wissen was Yasane über meinen Antrag denkt. Da lagen sie schon so da.“ Hendryk wird wütend, denn diese Ausrede ist mehr als dürftig. „Und wieso bist du dann nicht direkt zu Yasane gegangen? Und wo sind überhaupt die Wachen und Bediensteten?“ Jetzt wirkt auch Aurel nicht mehr ganz so gefasst. „Das weiß ich ni-“ Hendryk unterbricht ihn. „Hör endlich auf mit der ständigen Lügerei!“ Yasane, die noch immer von hinten von Aurel festgehalten wird, ist geschockt, denn sie versteht es jetzt erst. „Oh mein Gott, du warst es? Du hast sie umgebracht? Aber was bringt dir das? Ich habe der Vermählung doch noch gar nicht zugestimmt.“ Sie versucht sich erneut erfolglos loszureißen und Aurels Gesichtsausdruck verändert sich drastisch. Er setzt ein düsteres und belustigtes Lächeln auf, dann fängt er lauthals an zu lachen, das überhaupt nicht zu seiner Persönlichkeit zu passen scheint. „Hahaha, du dummes Ding! In welcher Welt braucht man denn die Zustimmung der Prinzessin? Ich habe eine von König und Königin ratifizierte Heiratsurkunde und jetzt sind sie tot. Das macht wohl mich zum rechtmäßigen Thronerben und damit auch König von Yoken.“ Yasane gibt sich nach wie vor alle Mühe sich aus Aurels als Griff zu befreien, doch er krallt sich so aggressiv an ihr fest, dass sie Hämatome bekommt. „Ich werde dich niemals heiraten!“ brüllt sie. Aurel lehnt sich über ihre Schulter zu ihr. Er hat nach wie vor ein belustigtes Lächeln aufgesetzt. „Keine Sorge, meine Süße, du wirst mit mir nicht vor den Altar treten müssen. Ich brauche diese Urkunde nur noch von einem Priester beglaubigen zu lassen und schon sind wir verheiratet. So einfach geht das heutzutage. Du kannst dich glücklich schätzen, denn ein gackerndes Huhn wie du würde sowieso niemals einen anderen Ehemann finden.“ Hendryk reicht es jetzt. Er hat genug gehört und geht auf Aurel los. Dieser stößt Yasane nun endlich von sich weg, weicht zurück und zückt einen Dolch. „Wieso hast ausgerechnet du das Wasser nicht getrunken, verdammt? Dich auf diese Art zu töten macht mir so viel Mühe.“ brüllt er und beginnt ihn zu attackieren. Hendryk hat Schwierigkeiten im Kampf gegen den geschickten Aurel, der bei den Trainingsschwertkämpfen offensichtlich nicht alles gezeigt hat, was er wirklich drauf hat. Seine Dolchhiebe sind unglaublich präzise und das macht sie so gefährlich. Er erwischt Hendryk am Arm, dann im Gesicht, dabei hatte der kalaßer Botschafter noch Glück und konnte gerade so ausweichen. Der Dolch erwischte ihn zwar eher unbedenklich an Augenbraue und Stirn, doch das warme sickernde Blut beeinträchtigt Hendryks Sicht. Er gerät immer stärker in Bedrängnis und taumelt zurück. Die Prinzessin merkt, dass sie eingreifen muss, sonst wird auch Hendryk von ihrem machthungrigen Verlobten getötet. Sie nimmt sich einen Schürhaken neben dem Kamin weg und schlägt damit so sehr auf Aurel ein wie sie kann. Um sich gegen sie zu wehren, lässt er seine Deckung fallen, was Hendryk sofort auszunutzen weiß, um ihn zu entwaffnen. Er nimmt den Dolch an sich, dreht ihn um und stößt ihn mit aller Kraft in Aurels Brustkorb. Ohne jede Chance auf ein letztes Wort, sackt der Königsmörder in sich zusammen. Ohne Yasanes Hilfe hätte Hendryk diesen Kampf verloren, soviel ist sicher. Er taumelt und Yasane stützt ihn geistesgegenwärtig ab. Sie reißt sich ein Stück von ihrem Kleid ab, um seine Wunde am Auge etwas zu säubern. Noch immer völlig voller Adrenalin und außer Atem sagt er zu ihr: „Wir haben jetzt keine Zeit uns um zu meine Verletzungen zu kümmern. Aurel sagte er habe das Wasser vergiftet. Wir müssen alle warnen. Niemand darf mehr das Wasser trinken!“ Hendryk nimmt rasch die Urkunde, die auf dem Tisch liegt und wirft sie in den glimmenden Kamin. Danach laufen die beiden getrennt herum, um möglichst viele vor dem Wasser zu warnen. Die Prinzessin findet einige Leichen in der Küche, aber zum Glück auch einige Überlebende. Hendryk sucht nach Soldaten, aber er stellt fest, dass das Schloss an diesem Tag unterbesetzt war. Aurel musste sogar die Dienstpläne manipuliert haben. Etwa zwei Drittel des Hofstaats hat bereits von dem Wasser getrunken und ist nicht mehr zu retten. Zum Glück war kaum jemand anwesend. Alle restlichen Überlebenden finden sich zu einer Krisensitzung im Versammlungssaal ein. Es ist mittlerweile schon mitten in der Nacht, doch niemand denkt an Schlaf. Yasane erklärt, dass sie bereit ist das Land mithilfe ihrer überlebenden Berater zu führen. Sie erhofft sich die Unterstützung jedes einzelnen Überlebenden und der Hofstaat steht tatsächlich hinter ihr. Die Tragödie lässt alle weiter zusammenrutschen. Unklar bleibt weiterhin, woher Aurel eigentlich stammte und wer ihn beauftragt hat. Hendryk ärgert sich deshalb, dass er ihm einen tödlichen Stoß versetzt hat. Er hätte gern noch ein paar Informationen von ihm bezogen. Andererseits war die Situation wahrscheinlich nur auf diese Art unter Kontrolle zu bringen. In Yoken herrscht nun Ausnahmezustand. Yasane hat nicht viel Zeit um zu trauern und verdrängt den Schmerz so gut sie kann. Sie muss schließlich mit dem Rest ihrer Berater ein Land regieren. Dabei hat sie ihr Vater bisher in die Regierungsgeschäfte noch gar nicht eingebunden, was ihr den Einstieg deutlich erschwert. Hendryk unterstützt sie wo er nur kann. Sie bezieht ihn in alles mit ein und erhebt ihn ebenfalls zu einen ihrer persönlichen Berater. Yoken darf jetzt nicht an Macht verlieren. Das wissen alle Beteiligten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)