Der König von Kalaß von Elnaro ================================================================================ Kapitel 4: Gefühlswelten ------------------------ Da Kara weiß, dass ihr Freund Hendryk am nächsten Morgen wieder seinen Wachdienst an Nicos Zelle antritt, beschließt sie ihm heimlich nachzuschleichen, um zu erfahren wo sich der Kerker mit seiner Zelle im unterirdischen Gängelabyrinth befindet. Sie setzt ihre Idee in die Tat um und folgt der jungen Stadtwache, so unauffällig sie kann, durch die dunklen Gänge, was er allerdings schnell bemerkt. Er lässt sich nichts anmerken und führt Kara in die Irre. Er trägt eine Öllampe, die das einzige Licht spendet. An einer Abzweigung stellt er seine Lampe ab und versteckt sich. Er lässt die junge Frau an sich vorbei laufen, was sie wie gewünscht verwirrt. Gerade war er doch noch vor ihr und plötzlich ist er verschwunden. Orientierungslos dreht sie sich um und hinter ihr steht er. Er hat sich bedrohlich wirkend aufgerichtet. Das Licht, das ihn von unten trifft, trägt zu seiner bedrohlichen Erscheinung bei. Streng fragt er: „Was soll das werden?“ Die sich ertappt fühlende Kara schweigt. Nun wird er überheblich. „Glaubst du ich merke es nicht, wenn mir jemand folgt?“ Kara schaut beschämt nach unten, sagt dann aber leise: „Was soll ich denn machen, Hen? Der Ältestenrat hat meinen Antrag abgelehnt und will auch noch, dass ich Nico nicht einmal besuchen darf und dass du mir nicht helfen willst, hast du mir gestern schon klar gemacht.“ Ihre Aussage beleidigt den jungen Mann ein wenig. „Wer sagt denn, dass ich dir nicht helfen will? Ich sagte lediglich du sollst dir eine Erlaubnis besorgen. Ich muss ziemlich aufpassen was ich mache. Fendaris hat mich auf dem Kieker. Ich genieße kein besonderes Vertrauen mehr bei ihm. Das sieht man schon daran, dass ich mit meinen Fähigkeiten in Zeiten wie diesen als Zellenwache eingeteilt werde. Das ist der letzte Mistjob. Jeder Idiot kann ihn ausführen und damit kann ich mich noch glücklich schätzen. Wenn ich jetzt wieder gegen seine Anweisungen verstoße, fliege ich vielleicht ganz aus der Stadtwache. Ich brauche also schon einen guten Grund, um ein solches Risiko einzugehen.“ Er will nichts riskieren, wenn er keinen Sinn darin sieht, das versteht sie und macht ihr Hoffnung. „Dann gebe ich dir einen Grund. Der Ältestenrat ist ein zahnloser Tiger. Er ist total zerstritten und nicht entscheidungsfähig. Ich glaube das ist auch der Grund warum sich der Widerstand so schlecht entwickelt. Wenn du mich fragst wird der Ältestenrat niemals tätig und Kalaß wird endgültig fallen.“ Hendryk hat sich das schon gedacht. Nach allem was er eine Woche zuvor auf dem Markt gesehen hat, glaubt er ihr das aufs Wort. Trotzdem will er wissen was passiert ist und fragt nach: „Wie kommst du darauf?“ Kara erklärt ruhig: “Es stimmt doch, dass Nico bisher von niemandem vernommen wurde, nicht wahr?“ Und Hendryk nickt: „Soweit ich weiß nicht.“, deshalb macht sie weiter: „Sie spielen mit dem Gedanken ihn zu Foltern oder zu töten, ohne auch nur ein Wort mit ihm gewechselt zu haben. Einige im Rat sind total abgehoben und haben den Sinn für die Realität verloren. Dabei bin ich mir sicher, dass Nico etwas einfällt was wir tun könnten, um uns ein für alle Mal von der Besetzung zu befreien.“ Das bestätigt Hendryks Verdacht. Ein Freund von Nico wird er dadurch trotzdem nicht. „Es ist schlimmer als ich dachte, aber ich bin mir nicht sicher, ob du den Hauptmann da nicht etwas überschätzt. Dennoch hast du mich überzeugt. Wir sind beide der Meinung nicht mehr einfach nur zusehen zu können, wie Kalaß den Bach runter geht. Ich bringe dich zu ihm. Befrage ihn danach welche Möglichkeiten uns bleiben. Aber denk nicht, dass ich dich mit dem Typen alleine lasse.“ Kara fällt Hendryk um den Hals, der etwas überrascht ist. Sie säuselt ein süßes: „Ich danke dir.“, was sein Herz noch weiter erweicht. Sie löst sich und er kommentiert: „Aber lass dich nicht schon wieder erwischen.“ Weshalb sie ihm leicht auf seinen harten Oberarm boxt und kontert. „Pass auf was du sagst.“ Er grinst: „Aber es stimmt doch. Sich erwischen zu lassen scheint eins deiner neuen Hobbys geworden zu sein. Du hast den Kopf immer in den Wolken. Ohne mich als Begleitschutz bist du ziemlich aufgeschmissen. Am besten begleite ich dich auch auf dem Rückweg, sonst läufst du noch jemandem in die Arme.“ Sie ist erst etwas beleidigt, weil sie sich selbst gern als fehlerlos betrachtet, doch in diesem Fall hat er ein klein wenig recht, deshalb lacht sie dann auch. Die beiden unterhalten sich ausgelassen, während sie gehen. Hendryk ist sehr erleichtert, dass Kara schon wieder lachen kann. Dann hat sie wohl wirklich keine schweren seelischen Schäden vom Überfall davon getragen. Sie ist zu einer sehr starken Frau herangereift, die sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Das war nicht immer so, deshalb ist er sehr stolz auf sie. An den Zellen angekommen muss Kara sich erst verstecken und warten, bis Hendryk seinen Vorgänger abgelöst hat. Sie sieht Nico von Weitem und ihr Blut gerät in Wallung, was ihr unangenehm ist. Kaum ist die Wachablösung abgeschlossen, ist sie trotzdem nicht mehr zu halten. Sie läuft zu Nico, der auf seiner Pritsche sitzt. Als sie ihn ruft macht sein Herz einen kleinen Sprung. Er schaut überrascht hoch und erblickt seine wunderschöne Kara, die schon vor seiner Zelle steht und die Gitterstäbe umfasst. Er ist unendlich froh sie zu sehen. „Kara...? Kara, wie geht es dir?“ fragt er aufgeregter als für ihn üblich. Sie wird von Gefühlen übermannt und antwortet leise mit zittriger Stimme: „Ich-ich hatte einen Schock, aber jetzt geht es wieder. Hättest du mir nicht geholfen...ich...-Viele andere haben mitbekommen was da passiert ist, aber sie haben nichts gemacht, weil sie Angst hatten. Nur du bist mir zu Hilfe gekommen, nur du Nico und nun hast du wegen mir alles verloren. Es tut mir so leid.“ Während sie spricht berührt Nico ihr langes, bordeauxrotes in der Flamme der Öllampen seidig glänzendes Haar. Ihr schießt das Blut in den Kopf als er wieder eine ihrer Strähnen durch seine Finger gleiten lässt, was auch Hendryk nicht entgeht. Dieser kann es nicht fassen was hier abgeht. Die beiden verhalten sich wie ein Liebespaar, dabei hat Hendryk diesem Kerl erzählt er wäre Karas Freund und er ist trotzdem so dreist. Nico ist das in diesem Moment gar nicht bewusst und er will Hendryk damit schon gar nicht provozieren. Er hat einfach alles um sich herum vergessen und ist vollkommen in seiner Flamme Kara versunken, die das ebenso ist. Der Gefangene haucht sanft zu seiner Geliebten: „Gib dir nicht die Schuld. Ich hätte dich besser beschützen müssen.“ Nun reicht es der jungen Stadtwache. Er klinkt sich in das schnulzige Gespräch ein faucht genervt: „Ja, das hättest du. Als ich Kara noch beschützt habe, ist sowas nicht passiert.“ Nun dreht sich Kara, aus ihrer Trance gerissen, zu Hendryk um und macht ihm Vorwürfe für seine Gehässigkeit: „Sei nicht so hart zu ihm! Du siehst doch was er für mich geopfert hat.“ Hendryk fragt sich derweil ernsthaft warum er jetzt der Böse ist und entgegnet verständnislos, aber resigniert: „Schon gut. Jetzt bring ihn auf den neuesten Stand und dann frag was du fragen willst.“ Kara erzählt Nico vom Ältestenrat. Sie versichert ihm weiter für ihn zu kämpfen. Sie fordert ihn im Gegenzug auf etwas über die Besetzung zu erzählen, denn Tatsache ist, dass sie fast nichts darüber weiß. Der Hauptmann hat nichts dagegen und beginnt zu erklären: „Die Okkupation wird angeführt von Königin Estell, der Gattin König Riecards von Roshea. Seit sie hier ist, hat sie sich selbst den Titel Imperatorin verliehen, mit dem wir sie ansprechen sollen. Sie hat für die Besetzung nur wenige Männer erhalten. Diese hat sie aber alle persönlich handverlesen. Es ist kein einziger Stabsoffizier anwesend, was mich zum höchsten ihrer Offiziere macht. Sie gibt die Richtung vor und ich kommandiere die Einheit. Unter mir haben ich allerdings noch ein paar andere Offiziere. Der komplette Stab verblieb in Roshea, deshalb führt sie die Besetzung autonom an und braucht auch nicht Bericht zu erstatten. Meine Position ist etwas exponiert…nun mein Verrat wird sie besonders hart treffen. Ich kann nicht vorhersagen wie sie reagiert, weil sie von launischer Natur ist.“ Nico lässt gezielt einige Informationen aus, die er für zu heikel für die beiden junge Leute empfindet. Besonders vor Kara würde er gern einiges zurück behalten, denn sie könnte es falsch verstehen. Diese Zusammenhänge kannte sie nicht, doch die wichtigste Information fehlt, deshalb fragt sie nach: „Warum werden wir überhaupt besetzt?“ Und Nico erklärt geduldig weiter: „Kalaß ist gar nicht das Ziel der Aktion. Es geht um einen Konflikt mit Yoken, der Roshea zu dieser Provokation verleitet hat. Königin Estell ist für Wirtschaft und Handel im Königreich Roshea verantwortlich. Es gab Probleme mit einigen Handelsverträgen mit Yoken. Der König Miikal von Yoken wollte veraltete Lieferverträge überarbeiten. Es ging wohl vor allem um Luxusgüter, die für den überaus dekadenten Hofstaat von Roshea benötigt werden. Roshea hat einige Waren bisher zu Billigpreisen erhalten, die einfach nicht mehr realistisch sind. Zum Teil geht es auch um Fleisch von Tieren, die immer seltener werden. Da Yoken die Lieferung der Waren fast eingestellt hat und sich König Riecard vor dem Hofstaat nicht eingestehen kann, dass er bestimmte Speisen nicht mehr beschaffen oder bezahlen kann, hat Estell vorgeschlagen Yoken militärisch unter Druck zu setzten. Da auch diese Aktion nicht viel kosten durfte, wurden nur wenige Soldaten zur Verfügung gestellt. Man muss wissen, dass die direkten Grenzen zwischen Roshea und Yoken gut geschützt sind, die des zwischen beiden Ländern liegenden Stadtstaats Kalaß aber so gut wie gar nicht, deshalb will sie Kalaß als Militärstützpunkt. Diese Stadt wird von imposanten Mauern umgeben, die darüber hinaus aber kaum geschützt sind. Lediglich die unbewaffnet Stadtwache, steht einem Einmarsch im Wege. Nichts für ungut, aber gegen eine bewaffnete Armee hat die Stadtwache keine Chance. Mit Kalaß gibt es zwar einen Nichtangriffspakt, der vor gut zweihundert Jahren geschlossen wurde. Für den hat sich Königin Estell aber nicht mehr wirklich interessiert.“ Nicos „Nichts für ungut“ hatte nichts geholfen. Hendryk, der so schon zuvor genervt war, fühlt sich persönlich angegriffen. Er ist deutlich muskulöser als der eitle Hauptmann und würde nur zu gern zu ihm in die Zelle kommen, um ihm zu zeigen wer der Stärkere von beiden ist. Abschätzig schimpft er: „Mit euren Schwertern seid ihr stark, aber sobald ihr sie verliert, bleibt nicht mehr viel übrig von euch.“ Nicos blaue Augen funkeln im Schein der Öllampen. „Willst du mich herausfordern?“ Da Hendryk den Eindruck macht, als wolle er gleich den Zellenschlüssen holen, um sich mit dem Hauptmann zu prügeln, geht Kara zwischen die beiden. „Was soll denn das? Hört sofort auf, ihr beiden!“ Die Stadtwache schaut den feindlichen Offizier verbissen an, der ihn wiederum herausfordernd anlächelt. Für Kara ist dieser Konflikt unverständlich, denn sie alle wollen doch das Selbe. Wieso streiten sie sich dann? Sie will ihn einfach nur beenden. “Ich denke es reicht für heute. Es ist gleich Mittag und ich muss zurück.“ schließt sie. Sie wendet ihren katzenhaften Blick an Nico und sagt sanft: „Ich hol dich hier raus, versprochen.“ Deshalb wird sein Gesichtsausdruck wieder ernst. Er nimmt ihr Versprechen an, denn es ist sein einziger Lichtblick in dieser Dunkelheit. Er glaubt wenn Kara sich nicht für ihn einsetzt, wird er hier drin verrotten. Die beiden verabschieden sich. Nico berührt noch einmal sehnsüchtig Karas langes, rotes Haar, wobei Hendryk innerlich erneut an die Decke geht. Die junge Stadtwache bringt sie durch die dunklen, feuchten Gänge zurück. Die beiden schweigen den ganzen Weg über. Kurz vor dem Ausgang bleibt er unvermittelt stehen, was Kara verwundert. Er dreht sich nicht zu ihr um. „Kara, was findest du nur an diesem Kerl?“ Sie ist perplex. So eine Frage hat sie noch nie aus Hendryks Mund gehört. „W-was meinst du damit?“ Der junge Mann wird ungehalten, bleibt aber mit dem Rücken zu ihr stehen. „Er taucht hier nach geschlagenen zehn Jahren wieder auf und ist gleich dein großer Held.“ brüllt er, was Kara etwas eingeschüchtert entgegnen lässt: „Aber das ist er in meinen Augen auch.“ Er schnaubt verärgert. „Tss, ich habe dich und andere unzählige Male beschützt, bin ich etwa kein Held? Ich war all die Jahre für dich da, ich habe dich getröstet und wieder aufgebaut, als du am Boden warst, als ER dich vor zehn Jahren verlassen hat. Ich habe alles für dich getan und kaum kommt er wieder, bin ich nichts mehr für dich?“ Sie ist völlig sprachlos. Hendryk hat bisher noch niemals mit ihr so über seine Gefühle gesprochen. Er dreht sich ein Stück zu ihr um. „Du solltest meine Frau werden, nicht seine.“ Sie glaubt ihren Ohren und Augen kaum. Erkennt sie da das Glitzern einer Träne an seiner Wange? Hat sie ihn überhaupt schon jemals weinen sehen? Sie bekommt keinen Ton heraus. Dann stürmt er davon und lässt die verwirrte Kara stehen. Sie haucht ergriffen seinen Namen. Ihre Beine werden weich, deshalb lehnt sie sich an die kalte Wand und gleitet daran hinunter. Zusammengekauert auf dem kalten Steinboden in der Dunkelheit sitzend fragt sie sich wie sie das übersehen konnte? Wie naiv ist sie eigentlich? Hendryk war die ganze Zeit in sie verliebt und in seinen Augen drängt sich Nico nun zwischen die beiden. Jetzt wird ihr das auch klar, aber es ist viel zu spät. Das meiste was sie in der letzten Zeit zu Hendryk gesagt hat, war mit diesem neuen Hintergrund ziemlich unsensibel. Der Gedanke daran tut ihr weh. Sie zieht ihre Beine ganz eng an ihrem Körper und beginnt ganz leise zu weinen. Sie weiß einfach nicht wie sie in Zukunft damit umgehen soll. Hendryk wischt sich Tränen aus dem Gesicht, die es tatsächlich gegeben hat. Er schämt sich dafür es so etwas Peinliches gesagt zu haben, doch ein bisschen froh ist er schon, dass jetzt raus ist. Er geht zu einem seiner Kollegen. „Du musst mich ablösen. Mir geht es heute nicht so gut.“ Dieser antwortet überrascht: „Junge, du siehst wirklich schlimm aus. Ist schon in Ordnung. Geh nach Hause. Ich übernehme den Rest deiner Schicht.“ Der junge Mann bedankt sich und geht heim. Dabei wird er von Ikky beobachtet. Sie wundert sich warum er schon Schluss hat und beschießt ihn zu besuchen, wenn sie ihre eigene Arbeit erledigt hat. Zuhause angekommen randaliert Hendryk in seinem Haus. Er wirft Tische und Stühle um, weil er nicht eiß wie er seiner Aggression Herr werden soll. Nach einiger Zeit stellt er einen der Stühle wieder auf, setzt sich darauf und legt nach vorn gebeugt seinen Kopf in seine Hände. Er sagt leider zu sich selbst: „Verdammt, so gewinnst du sie bestimmt nicht für dich, du Idiot.“ Danach versinkt er tiefe Gedanken, die ihn auch nicht glücklicher machen oder ihm weiter helfen. Etwa nach einer Stunde klopft es an seiner Tür, weshalb er entnervt: „Nein!“ ruft. Das „Lass mich in Ruhe.“ ist ihm im Hals stecken geblieben. Ikky tritt ein und sieht sich um. Hendryk hebt seinen Kopf schräg, schaut sie verärgert an und sagt kalt: „Ich hab ‚Nein‘ gesagt.“ Darauf antwortet sie überfreundlich: „Für mich hat es sich wie ‚herein‘ angehört.“ und lächelt: „Na, hier sieht es ja noch schlimmer aus als sonst. Ist etwas passiert? Was ist los?“ Hendryk beachtet sie gar nicht, deshalb schleicht sie interessiert um ihn herum. „Du hast entweder deinen Job bei der Stadtwache verloren, oder es hat etwas mit Kara zu tun. Du bist heute früher heim gekommen als sonst, also würde ich auf die Stadtwache tippen... … ...nein? Dann doch Kara.“ Er entgegnet genervt: „Geh wieder! Das geht dich nichts an.“ Er will in einem so schwachen Moment wie diesem einfach keine Zuschauer haben. Er hat nicht einmal ein besonders enges Verhältnis zu Ikky. Sie lässt jedoch noch nicht locker und rät weiter: „Oh, jetzt hab ich‘s. Du hast es ihr gesagt und ihre Antwort hat dir nicht gefallen.“ Er fragt verständnislos: „Was soll ich ihr denn gesagt haben?“ Und Ikky antwortet schau: „Na, dass du in sie verliebt bist. Das hat doch ein Blinder gesehen, so wie du an ihrem Rockzipfel hingst.“ Da sie es nicht zu kapieren scheint, nimmt Hendryk einen herumliegenden Holzkrug und wirft ihn aggressiv nach dem neugierigen Mädchen. Dabei faucht er: „Bist du nur hier um dich über mich lustig zu machen?“ Sie weicht aus und antwortet immer noch freundlich: „Im Gegenteil. Ich mache mir Sorgen um dich. Ich glaube Kara war die einzige, die es nicht gemerkt hat. Das muss sie jetzt erst mal verarbeiten. Bleib am Ball und pass auf diesen Volksverräter von Hauptmann auf. Kara mag ihn, wieso auch immer. Also gut, ich lasse dich jetzt in Ruhe. Vielleicht konnte ich dir ja wenigstens ein bisschen dabei helfen runter zu kommen.“ Sie verschwindet wieder durch die Tür. „Na endlich.“ kommentiert er zähneknirschend. Wieso sollte ihre Anwesenheit ihm in irgendeiner Weise geholfen haben? Dieses dumme Gör hat nur ihr Sensationsbedürfnis gestillt, da ist er sich sicher. Morgen weiß es vermutlich die ganze Stadt, aber er hat ohnehin keinen guten Ruf, also kann es ihm auch egal sein. Das einzige was für ihn zählt ist Kara. Hendryk denkt darüber nach wie er seine zukünftigen Wachschichten mit dem Hauptmann überstehen soll. Er ist ziemlich frustriert. Am nächsten Tag tritt er wie gewohnt seine Schicht an. Ihm bleibt ja nichts anderes übrig. Er nimmt sich einen Stuhl, der am Tisch direkt vor Nicos Zelle steht und stellt ihn in den Eingangsbereich des Raums, Hauptsache weit weg von diesem frauenausspannenden Kerl. So hat er zwar noch alles im Blick, muss seinen nervtötenden Kontrahenten aber nicht sehen. Zwei Stunden sitzt er schweigend da. Seine Gedanken kreisen nach wie vor um Kara. Dann bricht er das Schweigen und fragt Nico, ohne ihn anzusehen: “Warum hast du sie vor zehn Jahren sitzen gelassen? Sie war total am Boden zerstört. Ich habe sie erst kurz danach kennen gelernt. Sie war ein introvertiertes Mädchen, das niemandem vertraut hat. Es hat Jahre gedauert ihr Vertrauen zu gewinnen und herauszufinden warum sie sich so schwer damit tut, Beziehungen zu neuen Menschen aufzubauen.“ Nico lag bis dahin entspannt auf seiner Pritsche, doch nun setzt er sich verwundert auf. „A-aber, sie war doch immer so aufgeschlossen.“ Aufgeschlossen hat Hendryk sie noch nie erlebt. Vorwurfsvoll betont er: „Du bist so etwas wie ihr Kindheitstrauma.“ Nico muss das erst mal verarbeiten, denn das sind harte Worte, die ihn emotional bewegen. Er sinkt in sich zusammen, als er weiter darüber nachdenkt. Nach einer Pause sagt er: „Auch wenn ich dir keine Rechenschaft schuldig bin, unter diesen Umständen will ich dir etwas über mich erzählen...“ Hendryk dreht sich zu Nico um, als dieser mit seiner Geschichte beginnt: „Ich kenne Kara schon seit ihrer Geburt. Ich war ein Waisenkind, das von seiner Großmutter aufgezogen wurde. Da Großmutter und Karas Eltern befreundet waren, sah ich das Mädchen sehr oft. Als ich achtzehn war, riss Großmutters Tod ein großes Loch in mein Herz, denn sie war meine einzige Familie in Kalaß. Ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen. Sie wollte immer, dass ich in die Politik gehe, doch ich sah mein Leben nicht mehr in dieser Stadt. Ich meldete mich bei der Königlich Rosheanischesn Armee, um den Schmerz zu vergessen, für den ich keinen Trost fand. Ich verabschiedete mich von der damals zehnjährigen Kara. Sie war auch als Kind schon sehr hübsch mit ihrem langen roten Haar. Großmutter sagte zu Lebzeiten immer dieses Mädchen sei meine Braut und ich lachte darüber, doch heute verstehe ich was sie damit meinte. Ich hatte schon immer eine besondere Bindung zu Kara, doch sie war damals nicht groß genug um mich in der Stadt zu halten. Natürlich sah ich, dass das Mädchen beim Abschied weinte, aber ist das nicht normal? Dass ich sie so verletzt haben könnte, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich-ich habe sie doch nicht im Stich gelassen. Sie hatte doch ihre Eltern.... War ich denn eine so enge Bezugsperson für sie?“ Nico macht eine Pause und atmet tief aus. „Ich weiß so wenig über Kara. Würdest du mir erzählen wie es ihr in den letzten zehn Jahren ergangen ist?“ Hendryk kann sich ein abschätziges Lachen nicht verkneifen. „So einfach machst du es dir also, ja? Du lässt einfach alles hinter dir zurück und dann kommst du wieder und denkst alle hätten nur auf dich gewartet? Nur als Randnotiz und auch wenn es dein Ego noch höher hebt, du Vollidiot warst ihre einzige richtige Bezugsperson. Keine Ahnung wie du das angestellt hast, aber sie hat eine stärkere Verbindung zu dir, als zu ihren Eltern. Kara hat eher eine unterkühlte Familie, wenn du mich fragst. Nun willst du wissen wie es ihr ergangen ist? Was denkst denn? Nachdem du verschwunden bist, war Kara nicht mehr dieselbe. Sie beschloss nicht mehr wie geplant in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und Lehrerin zu werden, sondern sie wollte plötzlich Ärztin werden. Sie lernte verbissen Tag und Nacht und ich war an ihrer Seite. Ich, hörst du? Kurz bevor sie ihren Abschluss machen konnte, brach der Krieg über die Stadt herein und sie musste ihre Ausbildung abbrechen. Sie beschloss ihre Fähigkeiten so effektiv wie möglich einzusetzen und sich aufopferungsvoll um die Kranken und Verletzten zu kümmern. Ikky, die auszubildende Arzthelferin und ich halfen ihr dabei. Die kleine Göre war Karas rechte Hand und ich beschützte die beiden Frauen bei ihrer Arbeit, besser als du es gemacht hast, wohl gemerkt. Man mich von Kara ab, weil ich meine Arbeitskraft nicht vergeuden sollten. Fendaris hielt den Personenschutz für überflüssig und obendrein zu zeitaufwendig. Wir kannten ja nach einiger Zeit alle Kontrollzeiten, durch dich, wie ich heute weiß. Er sagte Kara könne auch ohne mich die Uhr lesen. Dabei kennt dieser Idiot Kara nicht. Wenn sie in die Arbeit vertieft ist, dann kennt sie nichts anderes mehr. Naja und ohne Personenschutz hat Ikky den Außendienst verweigert, weil sie sich vor den Soldaten fürchtet.“ Hendryk erzählt das alles nur, um Nico ein schlechtes Gewissen zu machen. Dieser Plan geht nicht auf, denn Nico ist dankbar für jede Information die er erhält und bringt das auch zum Ausdruck. „Danke, dass du so gut auf sie aufgepasst und sie in schweren Zeiten unterstützt hast. Ich schätze das sehr.“ Die junge verstimmt Stadtwache schaut abschätzig zu seinem Gefangenen hinüber und entgegnet trotzig: „Pah, für dich hab ich das bestimmt nicht getan.“ Als gestandener Hauptmann fällt es Nico nicht schwer Hendryks letzte Bemerkung zu ignorieren und setzt die Befragung fort: „Ich habe Kara gesucht, nachdem unsere Truppen hier einmarschiert sind. Kann es sein, dass sie sich absichtlich vor mir versteckt hat? Ich hätte sie eher finden müssen.“ Hendryks Tonfall bleibt auch weiterhin abschätzig: „Klar, natürlich hat sie sich vor dir versteckt. Kara hat dich gleich am ersten Tag gesehen, was glaubst du denn? Wie hätte sie dich auch übersehen sollen? Du und die Königin ritten auf geschmückten Pferden an der Spitze des Zuges. Das zerstörte wohl auch ihr letztes Fünkchen Glauben an dich. “ Sich von dieser Äußerung nun doch angegriffen fühlend, verteidigt sich Nico: „Glaub bloß nicht, dass mir das leicht gefallen ist. Die Besetzung hätte mit mir oder ohne mich stattgefunden. In meiner Position konnte ich wenigstens Einfluss auf das Geschehen nehmen.“ Doch das macht Hendryk nur noch ärgerlicher, denn selbstgerechtes Denken regt ihn auf und an diesem Mann ganz besonders. Ein für alle Mal will er jetzt die Fronten klären. Er steht auf, bleibt aber in der Entfernung stehen und fixiert seinen Kontrahenten. „Seit du wieder da bist, ist Kara total durcheinander und noch kopfloser als sonst. Halt dich in Zukunft von ihr fern! Ich lasse mir von dir nicht zerstören was ich jahrelang mit ihr aufgebaut habe, klar?“ Das kam unerwartet. Nico grinst herausfordernd und sagt forsch: „So ein Versprechen kann ich dir nicht geben. Sie gehört dir nicht. Ob sie mich sehen will oder nicht, ist ganz allein ihre Entscheidung.“ Das war zu viel für Hendryk. Er tickt wieder aus, schmeißt den Tisch um, der neben ihm stand und brüllt: „Wie soll ich es bitte noch fünf Stunden mit dir aushalten? Ich hasse selbstgerechte Typen wie dich.“ Nico grinst selbstsicher und fragt: „Bist du eigentlich immer noch Karas fester Freund? Wenn ich es recht bedenke, dann hat sie dich gestern ziemlich links liegen lassen.“ Hendryks Geschichte bröckelt und Nicos Nachfrage trägt nicht unbedingt dazu bei, dass er sich beruhigt, ganz im Gegenteil. Der junge Hauptmann versucht den ungestümen Heißsporn nur noch weiter aufzustacheln, der erwartungsgemäß ungehalten reagiert. „Was soll die Frage? Ehrlich, ich sag dir, wenn der Rat beschließt dich zu foltern, dann melde ich mich freiwillig als Folterknecht.“ Nico beginnt zu lachen. Es ist kein hämisches Lachen, sondern ein offen freundliches, was in dieser Situation total aus dem Konzept bringt. „Findest du das etwa lustig?“ Fragt er und Nico antwortet freundlich: „Weißt du was? Ich mag dich, Junge. Du hast das Herz am rechten Fleck. Soldaten wie dich gibt es jede Menge bei uns – jung und voller Energie, aber keine Ahnung wohin sie sie richten sollen. Das sind mir die liebsten. Wenn du mit mir wetteifern möchtest, nur zu, aber ich werde es dir nicht leicht machen.“ Hendryk versteht die Welt nicht mehr und bekommt nur ein verdutztes: „Häääh...?“ heraus. Nico fügt erfreut hinzu. „Es ist erquickend mit dir zu reden. Danke, du hast in mir wieder die Lebensgeister geweckt. Ich habe schon gedacht ich würde hier unten versauern, aber jetzt habe ich wieder neuen Mut gefasst.“ Mit voller Wucht prallt Nicos ganzes Charisma auf den jungen Hendryk, der so etwas noch niemals zuvor erlebt hat. Gerade wollte er den Kerl am liebsten noch umlegen und jetzt ist er ihm sympathisch. Er denkt sich, dass es wohl kein Wunder ist, wenn Kara von diesem Mann verwirrt ist. Ihm geht es gerade ganz ähnlich. Er will sich nicht zu offen beeindruckt zeigen und überspielt. „Mir egal. Ich kann dich nicht ausstehen.“ Doch Nico kennt den Blick der jungen Stadtwache. Es ist Achtung, die er für ihn empfindet, was ihm bestätigt, dass ein wirklich guter Junge in ihm steckt und nicht nur ein ungehobelter Raudi. Der neu erstarkte Offizier steht auf, um ein paar Kraftübungen zu machen, um sich fit zu halten. Hendryk fühlt sich direkt herausgefordert und steigt darauf ein, denn das kann er nicht auf sich sitzen lassen. Während der Übungen scherzt er: „Mein Name ist übrigens Hendryk, meine Freunde nennen mich Hen. Für dich bin ich also Hendryk.“ Nico antwortet ganz beiläufig während er einige Liegestütze macht: „Alles klar, Hen. Du kannst mich auch Nico nennen und musst mich nicht mit meinem militärischen Rang ansprechen.“ Da die junge Stadtwache leicht aus der Reserve zu locken ist, brüllt sie: „Du sollst mich doch Hendryk nennen! Hen-DRYK! Und ich käme niemals auf die Idee dich mit deinem bescheuerten Rang anzusprechen!“ „Weil dir der Anstand fehlt.“ lacht Nico und muss seine Übung deshalb kurz unterbrechen. Hendryk schüttelt verständnislos den Kopf, weil er nicht begreifen kann, dass er diesen komischen Kerl bereits beginnt zu mögen. Die beiden spornen sich zu Höchstleistungen an. Seit diesem Tag bringt Hendryk dem rosheanischen Hauptmann jeden Tag eine ordentliche Mahlzeit mit. Er kann es selbst kaum glauben, aber er will nicht, dass Nico aufgrund des schlechten Essens weniger Leistung erbringen kann. Außerdem sorgt er dafür, dass Nico alles erhält, was er für einen würdevollen Aufenthalt benötigt. Aus der Rivalität entwickelt sich über mehrere Wochen eine rivalisierende Freundschaft. Nico liebt es sich mit dem hitzköpfigen Hen zu streiten. Das ist für ihn eine wunderbare Unterhaltung in dieser tristen Zelle. Imperatorin Estell hat inzwischen ein stattliches Kopfgeld auf Nico ausgesetzt. Er soll lebend zu ihr zurück gebracht werden. Kara liest diese Information in der Propagandaschrift, die von der Besatzung monatlich herausgegeben wird. Ab und zu schleicht sich Kara zu den beiden in den Zellentrakt und überbringt Nico diese und andere Nachrichten von draußen. Sie freut sich über die wachsende Freundschaft der beiden Männer. Sie verhält sich inzwischen zurückhaltender gegenüber Nico, um Hendryk nicht zu verletzen und es erträglicher für ihn zu gestalten. Manchmal unterhalten sich die drei über Politik oder Kriegstaktiken, manchmal über Alltäglichkeiten, zum Beispiel was sich in Kalaß so alles verändert hat und was immer noch genau so ist wie damals vor zehn Jahren. Persönliche Themen sparen sie weitestgehend aus, solange sie zu dritt sind, da es sonst nur zu unnötigen Spannungen kommen würde. Kara erzählt davon wie sehr sie ihre Patienten vermisst, aber dass sie sich ohne Begleitschutz nicht mehr hinaus traut. Nico erläutert seine Idee Yoken um Hilfe zu bitten und dies dem Ältestenrat vorzuschlagen, doch Kara erklärt ihm, dass er diesen Vorschlag auf keinen Fall vor dem Rat vorbringen darf, da der Rat Yoken und Roshea gleichermaßen hasst. Diese Engstirnigkeit hat historische Gründe, denn vor gut zweihundert Jahren war Kalaß noch ein ganzes Königreich. In einem Zweifrontenkrieg gegen Yoken und Roshea war es jedoch unterlegen und schrumpfte zu dem heutigen Stadtstaat Kalaß. Noch heute trägt die Stadt stolz den deshalb den Beinamen „Die uneinnehmbare Stadt“. Unter Bedingungen, die in den sogenannten Tarbasser Verträgen festgehalten werden, durfte die Stadt weiter bestehen bleiben. Sie stammen aus der Feder des damaligen Yokener Königs Nienna und werden bis heute im Rathaus ausgestellt. Darin wurde festgehalten dass der Adel enteignet, die Monarchie aufgelöst und alle Waffen aus der Stadt verbannt werden mussten. Deshalb ist der Groll gegen Yoken besonders groß. Roshea hatte kaum einen Anteil daran. Natürlich kennt Nico die Historie der drei Länder, hat er doch bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr die Politik studiert, doch unterbrechen wollte er Karas Erzählung trotzdem nicht. Sie spricht nicht allzu viel und es erfreut ihn ihr zuhören zu dürfen. Dass wegen dieser alten Geschichten jedoch immer noch Differenzen mit Yoken bestehen, war ihm zugegebenermaßen nicht bewusst. Wenn Nico und Hendryk allein sind, unterhalten sie sich auch über persönliches und heute ist das Thema Vorerfahrungen mit Frauen. Hendryk hatte Nico angeflunkert was seine Beziehung zu Kara anging und deshalb glaubt der Offizier noch immer, dass da mal etwas zwischen den beiden war. Er würde gern genaueres herausfinden und befragt Hendryk deshalb nach früheren Freundinnen. „Von der Nachtwache habe ich erfahren, dass du früher hin und wieder Mädchen mit zum Wachdienst an der Grenzmauer genommen hast und dafür ordentlich bestraft wurdest. Ist da was dran?“ Hendryk gefällt das gar nicht. „Wieso erzählt der Idiot dir sowas?“ Nico lächelt verschmitzt. „Es stimmt doch, oder? Die Geschichte war ziemlich plausibel und... detailliert. Das war doch nicht Kara, oder?“ Hendryk ärgert sich über seinen gesprächigen Kollegen. „Nein, natürlich nicht. Kara würde so was nicht mitmachen. Sie ist anders als andere Mädchen. Sie-“ Er stockt, denn er will nicht zu viel erzählen, dabei sieht Nico das gar nicht so verbissen. Er geht ganz locker mit diesem Thema um und empfindet auch nichts schlimmes dabei sich zwischen Hendryk und Kara zu drängen. Seiner Ansicht nach hat niemand ein Anrecht auf einen anderen. Jeder kann frei entscheiden mit wem er zusammen sein möchte und mit wem nicht. Ohne weiter darauf einzugehen stellt Hendryk interessiert, aber auch mit spöttischem Unterton die Gegenfrage: „Na und? Du hattest bestimmt auch schon mal Probleme, die durch Frauen ausgelöst wurden, oder? Garantiert, siehst schließlich aus wie ein Gigolo.“ Nico lacht, denn er versteht die Anspielung auf sein Äußeres, weiß er doch selbst, dass sein zartes Gesicht mit den hohen Wangenknochen in Kombination mit seinem funkelnden Blick ausgesprochen positiv von Frauen aufgenommen werden. „Wer hatte das nicht? Aber ich glaube du willst mir nur Geschichten entlocken, die du Kara erzählen kannst, um mich aus dem Rennen zu nehmen.“ Hendryk antwortet ganz offen: „Nein, mach ich nicht. Erzähl schon! Ich sterbe hier unten vor langer Weile, du nicht?“ „Also gut, ich erzähle dir eine. Aber versprich mir, dass Kara nichts davon erfährt.“ Hendryk nickt vertrauenserweckend. „Geht klar.“ Und da Nico ihm glaubt, beginnt zu erzählen: „Ich war zweiundzwanzig, gerade in den Offiziersstand erhoben, also zum Leutnant ernannt worden und erhielt mein erstes Kommando. Ich war damals bereits seit fast drei Jahren in Aranor stationiert. Warst du schon mal in Aranor?“ Hendryk schüttelt den Kopf, weshalb der Gefangene eine Erklärung einschiebt: „Aranor liegt nicht weit entfernt von der Wüste Salaij im Süden von Roshea. Da es am Meer liegt, ist die Luft jedoch halbwegs erträglich. Im Sommer kann es trotzdem ziemlich heiß werden. Die Stadt ist ziemlich groß, verwinkelt und unübersichtlich. Wenn man sich nicht auskennt, hat man sich schnell verlaufen. Es ist nicht wie hier, wo es kein soziales Gefälle gibt. In Aranor treffen Arm und Reich auf engstem Raum aufeinander. Außerdem gibt es dort kein fließendes Wasser wie hier. Wasser ist ein rares Gut, das unglaublich wertvoll ist. Meine Aufgabe war es den Sklavenhändlerring ausfindig zu machen und auszuheben. Leider wird der Sklavenhandel hinter verschlossenen Türen in Aranor immer noch betrieben, auch wenn Roshea inzwischen Gesetze dagegen erlassen hat. Ich schlich mich unter falscher Identität in den Sklavenhändlerring ein. Ich gab mich als Geschäftsmann aus, der Sklaven im großen Stil einkaufen wollte. Mein eigentliches Ziel war es herauszufinden woher die Sklaven des Sklavenhändlers stammen, um den gesamten Kreislauf zu zerstören. Ich ging bei ihm ein und aus. Er hatte mehrere persönliche Dienstmädchen, darunter zwei junge, hübsche Schwestern und diese beiden freuten sich besonders darüber, wenn ich sie besuchen kam. Ich verliebte mich in die jüngere der beiden.“ Hendryk wirft ein: „Hatte sie vielleicht lange Haare und die andere nicht?“ Nico macht ein überraschtes Gesicht. „Wie kannst du das wissen?“ Welshalb Hendryk spottet: „War nur so ein Gedanke. Scheint mir dein Beuteschema zu sein.“ Doch Nico verteidigt sich: „Denkst du ich bin so einfach gestrickt?“ Kopfnickend grinst Hendryk den Hauptmann an, der ins Grübeln kommt. Eigentlich hatten alle seine Frauen in dieses Bild gepasst. Innerlich gesteht er sich ein, dass Hendryk wohl Recht hat. Er übergeht es jedoch und erzählt weiter. „Der Sklavenhändler bemerkte meine Vorliebe für diese beiden Mädchen und schenkte sie mir, da er sich von mir weitere gute Geschäfte erhoffte. Er sagte, dass sie sowieso dauernd nur über mich reden würden. Da ich die beiden zu mir nahm, konnte ich meine Deckung nicht aufrecht erhalten. Dass ich nur eine von beiden liebte, blieb nicht lange verborgen. Die andere wurde eifersüchtig.“ Hendryk unterbricht Nico. „Warte, warte, warte! Du hattest also zwei schöne Mädchen…gleichzeitig? Soweit, so verachtenswert, aber das Schlimmste kommt erst noch: Du vermasselst es?“ Nico verteidigt sich: „Sei nicht so gehässig. Was hättest du denn getan, wenn sich zwei schöne Frauen... Was soll‘s? Das geht dich sowieso nichts an. Außerdem bin ich noch nicht am Ende meiner Geschichte. Die Ältere verriet mich an ihren ehemaligen Herrn und ich flog auf. Ich lebte dann noch eine Weile mit der jüngeren Schwester zusammen, aber die Beziehung hielt nicht lange. Den Sklavenhändlerring habe ich dann mit Hilfe meiner Truppen schwächen können, aber da ich nicht die komplette Struktur kannte, hat er sich nach und nach wieder aufgebaut wie ein Krebsgeschwür. Ich habe damals unglaublich viel Anerkennung für meinen Erfolg bekommen, dabei fühlte es sich an wie eine Niederlage. An meiner Jacke hängt ein hoher und äußerst seltener Verdienstorden dafür. Lass ihn dir vor Kara zeigen, wenn es dich interessiert.“ Hendryk hat gebannt dem Rest der Geschichte gelauscht und schließt verblüfft daraus: „Das ist wirklich eine heftige Geschichte. Ich meine, du hattest zwei Freundinnen gleichzeitig?“ Verwundert schaut Nico seinen Wachmann an. „Hen, das kann nicht alles sein was bei dir hängen geblieben ist. Was ist mit der Moral, dass es mit mehreren Frauen einfach nicht gut gehen kann? Oder dass man aufpassen sollte, wem man vertraut? Oder vielleicht, dass man Gefühle und Geschäfte trennen sollte? Nein?“ Dieser lacht zur Antwort. „Nicht wirklich, Nico. Wieso auch? Du siehst nicht nur aus wie einer, du bist ein Gigolo und das bestätigt mich darin dir Kara auf keinen Fall zu überlassen. Aber mal im Ernst, einen Ruf als Weiberheld hast du dir damit bestimmt in deiner Truppe verdient.“ Nico schüttelt den Kopf und entgegnet ernst: „Das ist nichts worauf man stolz sein sollte.“ Nico und Hendryk haben jetzt so viel über ihre gegenseitigen Erfahrungen gesprochen, dass Nico nicht anders kann als seinen Mitstreiter nach Kara zu befragen. „Was ist mit Kara? Ihre Schönheit muss doch auch anderen als uns ins Auge gefallen sein.“ Hendryk sieht kein Problem darin ein paar Sätze über sie zu äußern. Auf Anhieb fallen ihm zwei Anekdoten ein, die er nun zum Besten gibt. Er erzählt amüsiert: „Natürlich fällt sie auf, doch an sie heranzukommen ist wirklich nicht leicht. Ich war ja auch oft bei ihr und ich kann wirklich einschüchternd wirken, weißt du? Als sie sechzehn war paukte sie mit einem anderen angehenden Arzt für eine Zwischenprüfung. Er erzählt überall herum er würde schmutzige Sachen mit ihr treiben, was nicht stimmte. Ich hörte das Gerücht und fragte Kara, ob ich es für sie aus der Welt schaffen soll, doch sie erledigte es selbst. Sie hörte er sei im Pub, ging dort hin und ohrfeigte ihn vor den Augen seiner Freunde. Ich hörte die sagte sowas wie: ‚Nicht mal im Traum würde ich einen wie dich ran lassen.‘ oder so.“ Der Hauptmann lacht amüsiert auf: „Das hat sie gesagt? Kara ist eine wunderbare Frau.“ „Ich war leider nicht dabei und kenne nur die Nacherzählung. Na gut, ich hab noch eine Geschichte für dich. Ein Jahr später zog Kara bei ihren Eltern aus. Das wurde auch höchste Zeit. Du weißt ja wie klein die Häuser hier sind. Direkt neben ihr wohnte und wohnt auch immer noch ein junger Handwerker. Damals war er zwei- oder dreiundzwanzig, glaube ich. Wenn ich gerade nicht da war, half er ihr dabei ihr Haus vor- und einzurichten. Kara ließ sich sehr gern von ihm helfen, denn er war geschickt, geschickter als ich jedenfalls. Ich bin nur gut im Verprügeln, haha, wenn ich ein guter Handwerker wäre, dann wäre ich wohl kaum zur Stadtwache gegangen. Wie auch immer. Er verlangte nie eine Gegenleistung, bis zu dem Tag, an den er ihr einen Heiratsantrag machte.“ Nico schaut ungläubig: „Völlig ohne Vorwarnung?“ Und Hendryk antwortet belustigt: „Laut Kara schon. So hat sie es mir erzählt. Auch da war ich nicht selbst dabei. Sie hat ihn natürlich abblitzen lassen. Der Junge war völlig fertig. Er hatte schon seinen Eltern von seiner bildschönen Verlobten erzählt. Das war natürlich peinlich für ihn. Keine Ahnung in was für einer Traumwelt er gelebt hat, aber mit ein paar handwerklichen Tricks lässt sich Karas Herz garantiert nicht erobern.“ Da kann Nico nur zustimmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)