Liebe führt, wie zu erwarten... nach Amerika? von Lyndis (Liebe führt Teil 3) ================================================================================ Nächtliche Gedanken ------------------- Yuriy Unschlüssig betrat er die Wohnung. Kai war wie immer da und würde wie die ganzen letzten Tage auch, einfach nur unerträglich sein. Er musste ihm irgendwie sagen, dass Rei doch nicht vergeben war, aber er war nicht wie Brooklyn und konnte das so verpacken, dass Kai nicht bemerkte, was los war. Und wenn er es bemerken sollte, wäre die Hölle los. Kai hasste es, wenn man sich in seine Angelegenheiten einmischte und gerade das war ein so delikates Thema, dass Kai garantiert ausflippen würde. Yuriy legte über seine eigenen Gedanken die Stirn in Falten. Seit wann interessierte ihn das eigentlich? Als hätte er Angst davor, sich mit Kai zu streiten. Aber wenn er ehrlich zu sich war, hatte er keine Angst vor dem Streit... er hatte Angst, Brooklyns Plan zu sabotieren. Wenn Kai zu früh Kontakt mit Rei aufnahm, würde ihr kleines Spiel auffliegen, was dazu führen konnte, dass die beiden nie zusammen kamen. Wenn Rei das Gefühl bekam manipuliert worden zu sein, war eventuell alles dahin. Menschen waren viel zu kompliziert. Das einzige was er wirklich sah, war, dass Kai wütend war und verzweifelt und unsicher. Gut, dass er unsicher war, sah er nicht, aber, dass Kai ihm noch immer nicht darauf geantwortet hatte, ob er ohne Rei leben konnte, zeigte es ihm deutlich. ... Langsam färbte Brooklyn auf ihn ab, das war ja schlimm. Jetzt wieder zielsicher lenkten ihn seine Schritte direkt in Kais Arbeitszimmer. Auch wenn er nicht der empathischste Mensch auf dieser Welt war, Kai war sein bester Freund und es nervte ihn furchtbar, ihn so deprimiert zu erleben. Er wollte kein Weichei als Kumpel. Es wurde Zeit, dessen Stimmung wieder gerade zu rücken. "Ich muss dir etwas erzählen, aber du musst mir im Gegenzug versprechen, nichts Dummes anzustellen." Zuerst verstummte das Klacken der Tastatur, dann drehte sich langsam der Bürostuhl. "Was ist in deinem Kopf etwas Dummes?" "Zu Rei zu laufen, wäre etwas Dummes." "Warum sollte ich das tun?" Die Aggressivität in Kais Stimme ließ Yuriy genervt die Augen verdrehen. "Versprichst du es, oder nicht?" "Da ich keinerlei Intention habe, Rei in nächster Zeit wieder zu sehen, kann ich dir das wohl ohne Probleme versprechen." Aber die verschränkten Arme zeigten Yuriy deutlich, dass Kai alles andere als begeistert von diesem Thema war. "Rei und dieser Brooklyn sind nicht zusammen." Die Augenbrauen seines Gegenübers zogen sich so tief in dessen Gesicht, dass selbst Yuriy begriff, dass der ihm nicht glaubte und furchtbar wütend darüber war, dass er ihm das erzählte. "Fick dich" Gut, das war noch eindeutiger. Als der Bürostuhl sich wieder dem Laptop zuwandte, überlegte Yuriy, ob er es dabei belassen sollte oder nicht. Vielleicht war das für den Anfang ja gar nicht so schlecht. "Denk an dein Versprechen", erinnerte er ihn noch einmal und wandte sich dann ab, um sich einen Kaffee zu kochen. Rei Es war merkwürdig, zu wissen, dass Brooklyn auf Yuriy stand. Er verstand auch noch nicht so recht wieso sein bester Freund das tat. Er hatte bisher auch immer geglaubt, dass er hetero war. Das war also alles irgendwie doppelt merkwürdig. Vielleicht war Brooklyn ja bisexuell... oder pansexuell wie es neuerdings hieß. Er blickte da nicht ganz durch. Natürlich vergönnte er es seinem Freund nicht, aber etwas, das man beim besten Willen nicht verstehen konnte, war schwer zu akzeptieren. Wenn Brooklyn mehr wie Kai gewesen wäre, dann okay. Aber das war er nicht. Brook war das exakte Gegenteil von Yuriy und die beiden passten wirklich überhaupt nicht zusammen. Wobei das eigentlich gar nicht so sehr stimmte. Wenn sie gemeinsam zu Mittag aßen, ergänzte Brooklyn Yuriy perfekt. Er erklärte ihm Dinge, die er nicht verstand und half ihm, mit dem Rest der Gruppe zu kommunizieren. In die Richtung funktionierte das also hervorragend, aber andersherum? Was gab Yuriy seinem Kumpel schon, außer ein interessantes Rätsel? War das wirklich das Einzige, was Brooklyn interessierte? Rei verstand es nicht. Wirklich nicht. Und er war sich auch ziemlich sicher, dass das nie etwas geben würde, denn er wusste, wie homophob die Kinder aus dem Heim alle waren. Er hatte es ja selbst miterlebt und selbst Kai war bis heute nicht darüber weg. Kai... Nein, nein. Er wollte lieber über das Liebesleben von anderen nachdenken, als über sein eigenes. Er wollte nicht daran denken, dass die Geschichten von Yuriy ihn irgendwie berührten, dass Kai sich wirklich um das Heim und dessen Bewohner kümmerte und, dass er sogar seinen eigenen Konzern für die Ausbildung der neuen Leiter bezahlen ließ. Kai gab sich wirklich Mühe das alles am Laufen zu halten und es besser zu machen als sein Großvater. Kai hatte sich schon irgendwie verändert. ... Jetzt dachte er ja doch darüber nach! Das durfte doch wirklich nicht wahr sein. Arg! Vor allem, weil er schlafen sollte, denn morgen wäre wieder ein langer Uni-Tag und er sollte fit dafür sein. Genervt stöhnte er auf und drückte sein Gesicht in sein Kissen. Das durfte alles wirklich nicht wahr sein. Er war fertig mit Kai gewesen! Es hatte nicht funktioniert! Kai war nicht der Typ für eine Beziehung und sie beide passten nicht zusammen! Aber warum eigentlich? Der Auslöser in Russland war gewesen, dass Kai ihn nie als Partner gesehen hatte. Dass er ihn nicht einbezogen hatte, sich nicht hatte helfen lassen und nicht den Eindruck erweckt hatte, als würde er überhaupt mal an ihn denken. Es war natürlich eine Ausnahmesituation gewesen, dennoch hatte es sich angefühlt, als wäre er bestenfalls ein Kumpel für Kai und das hatte er nicht ertragen können. Er hatte für sich beschlossen, dass Kai nicht beziehungsfähig war. War das nicht eigentlich auch falsch? Vielleicht war es wirklich nur der Situation geschuldet und er war wirklich eifersüchtig auf Yuriy gewesen, weil Kai zu ihm gegangen war mit all seinen Problemen. Zu einem fast Fremden, vollkommen psychopathischen Kerl, an den er sich nicht einmal erinnern konnte. Das hatte weh getan. Das hatte unglaublich weh getan. War es da verwunderlich, dass er angenommen hatte, dass die beiden ein besseres Paar waren? War es so absurd, dass er Kai bei ihrem Abschied zugeflüstert hatte, dass er mit Yuriy glücklich werden sollte? Kai hatte ihm nie widersprochen. Er hatte sich nicht gegen die Trennung gewehrt, obwohl er das so gehofft hatte. Er hatte ihm auch nicht gesagt, dass er nichts von Yuriy wollte. Andererseits war Kai auch nie der Typ gewesen, der viel redete, schon gar nicht, wenn man ihm weh tat. Ob Kai verletzt gewesen war? Ob er sich nicht hatte weiter vor ihm demütigen wollen, indem er ihn versuchte, von etwas anderem zu überzeugen? Vielleicht... vielleicht hatten sie sich aber auch tatsächlich einfach nur auseinander gelebt und hatten ihre Gefühle füreinander verloren. Vielleicht war Kai tatsächlich ein wenig verliebt in Yuriy gewesen. Wer wusste das schon? Er zumindest nicht... "Ich wollte das schon tun, seit ich in Amerika angekommen bin", hauchte Kai, lehnte sich zu ihm vor und küsste ihn sanft. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen, obwohl alles gleichzeitig viel zu schnell vorbei zu gehen schien. "Warum hast du es nicht getan?" "Du hast Schluss gemacht, Rei. Du hast mir gesagt, du hättest einen Freund. Was sollte ich schon tun?" "Wir haben uns beide darauf geeinigt, dass es keinen Sinn mit uns macht." "Ja, natürlich.", der Sarkasmus war so überdeutlich zu hören, dass er beinahe zusammen gezuckt wäre. "Ich habe es in deinen Augen gesehen, als wir uns getroffen haben. Du wolltest nicht mehr. Du hast mich aufgegeben, ohne mir je die Chance zu geben, es besser zu machen. Als würde ich jemandem hinterher laufen, der mich so offensichtlich nicht will. Ich habe auch meinen Stolz, Rei." "Aber... warum bist du dann hier? Warum hast du mich geküsst?" "Weil ich mich verändert habe. Weil ich es diesmal besser machen will. Weil Stolz nicht alles ist. Ich bin erwachsen geworden und ich habe gemerkt, dass mir etwas in meinem Leben fehlt. Du fehlst. Ich will dich wieder an meiner Seite haben. Und ich bin bereit, dich auch als meinen Teamkameraden zu sehen. Ich will dich nicht mehr außen vor lassen. Du hast bewiesen, dass du stark genug bist, um mit meinen Dämonen fertig zu werden. Ich will dir beweisen, dass ich auch stark genug bin, um es mit deinen Dämonen aufzunehmen." "Meinen Dämonen?" "Rei... du hast nicht nur Schluss gemacht, weil du dich ausgeschlossen gefühlt hast. Du hast Bindungsänste. Das mit uns hätte wirklich etwas werden können, ich habe damals nur nicht gesehen, was los ist. Du hast Angst dich auf jemanden ein zu lassen, weil du Angst davor hast, ihn wieder zu verlieren. Das ist mir klar geworden. Ich bin hier, um dir zu zeigen, dass du keine Angst haben brauchst. Ich gehe nicht wieder weg. Nie wieder. Ich lasse dich nicht allein." Als Rei die Augen aufschlug, war es noch stockfinster im Zimmer und als er sich über die Augen wischte, waren sie feucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)