Liebe führt, wie zu erwarten... nach Amerika? von Lyndis (Liebe führt Teil 3) ================================================================================ Phase eins ---------- Rei   Misstrauisch starrte er ihn an. Brooklyn hatte ihn heute einfach zum Essen mitgebracht. Was das sollte, konnte er nicht sagen, aber so wie es aussah, kannten die beiden sich schon länger. Dass sein Kumpel gut mit Menschen konnte, lag in der Natur der Sache, aber Yuriy schien auch nicht angespannter als sonst zu sein. Warum hatte Brooklyn ihm nicht erzählt, dass er den Russen kennengelernt hatte? Und warum brachte er ihn mit? Brook sollte wissen, dass Yuriy einer der letzten Menschen war, den er jetzt sehen wollte. Andererseits konnte der Russe ja auch nichts dafür. War ja nicht so, als hätte er nicht alles Recht der Welt mit Kai zusammen zu sein. Und überhaupt war die Beziehung mit Kai vorbei, er sollte endlich aufhören, darüber nachzudenken. Yuriy war eigentlich auch ein guter Bekannter von ihm, wenn nicht sogar so was wie ein Kumpel, also sollte er sich auch so benehmen. Das fiel ihm allerdings mehr als schwer. Eventuell war die Anwesenheit von Yuriy nur Brooklyns Art ihn jetzt zu therapieren. Wenn er wieder in Kontakt mit dem Russen kam, würde er vielleicht besser über Kai weg kommen. Das war eine merkwürdige Theorie, aber Brooklyn wusste meistens, was er tat. Es könnte aber auch sein, dass es seinem Freund vollkommen egal war und er einfach nicht darüber nachgedacht hatte. So analytisch er auch oft war, manchmal übersah er das Offensichtliche.   „Ihr beide kennt euch also?“, kam es plötzlich neugierig von Oliver. Bei ihm saß Johnny, ein Ire, der wie heute auch, meistens sehr schlecht gelaunt rüber kam. Es gingen Gerüchte um, dass die beiden zusammen waren, aber er war sich wirklich nicht sicher, ob Johnny nicht eher auf Frauen stand. Er sah ihnen zumindest oft genug hinterher und riss dumme Macho-Sprüche, aber das musste ja nichts heißen. Wirklich mit einer Frau gesehen hatte er ihn noch nie, was merkwürdig war, wenn man bedachte, dass er öfter mal protzige Reden über seine Abenteuer schwang. „Ja, wir waren in Russland zusammen auf der gleichen Schule.“ Yuriy schenkte ihm einen warnenden Blick, der definitiv darauf hinwies, dass er nicht ins Detail gehen sollte. Er erwiderte den Blick finster, um klar zu machen, dass er sich nicht einschüchtern ließ. Schließlich war er derjenige gewesen, der Yuriy geschlagen hatte. Er hatte sicherlich keine Angst vor dem Russen. Dennoch würde er nicht näher auf Fragen zu seinem früheren Wohnort eingehen. Das ging wirklich niemandem was an und, so sauer er auch insgeheim auf Yuriy war, der hatte nicht verdient, dass man seine Vergangenheit einfach ausplauderte. Dafür war sie zu düster und ernst. „Russland? Wow! Du musst echt schon viel `rum gekommen sein.“ Er lächelte nur schwach darauf und zuckte die Schulter, was ihm von Brooklyn einen leichten Tritt gegen sein Schienbein einbrachte. Aua. Innerliche verdrehte er die Augen, ehe er ausführlicher antwortete. Er hatte versprochen, offener mit seiner Vergangenheit zu sein. Glücklicherweise konnte er sich bei der vorigen Aussage aussuchen, wo er ansetzte und konnte so das Thema ‚Russland‘ vollständig umgehen: „Ja, ich war jetzt schon in Japan, England, Russland, Amerika und natürlich China.“ Brooklyn schien einigermaßen zufrieden und Oliver strahlte vor Freude darüber, dass er ein paar Informationen aus ihm heraus bekommen hatte. Weder Johnny noch Yuriy reagierten in irgendeiner Weise, was Rei klar machte, dass die beiden sich irgendwie ein wenig ähnelten. Johnny war nur wesentlich vorlauter, während Yuriy seine Autorität weder beweisen noch sonst wie ausdrücken musste – sie war einfach da. Gewalttätige Hitzköpfe waren sie allerdings beide. Einen interessanten Freundeskreis hatte er da. Er schien etwas zum extremen zu neigen. Oliver und Brooklyn waren beide Herzensgut, während Johnny, Yuriy und auch Kai schon fast psychopathisch und an der Grenze zu ‚böse‘ waren. Manchmal fragte er sich wirklich, ob er überhaupt ‚normale‘ Leute kannte oder sich schlicht und einfach nicht für diese Kategorie Mensch interessierte. Das war nicht einfach zu beantworten.   „Das ist ja ein ganz schöner Zufall, dass ihr beiden dann hier auf der gleichen Uni landet.“, meldete sich jetzt Johnny. „Passiert“, antwortete Rei nur. Niemand musste wissen, dass das tatsächlich kein Zufall war. „Ich glaube, ich hab schon Mal von dir gehört. Ivanov, nicht?“ Yuriy warf ihm einen nicht gerade begeisterten Blick zu und verschränkte die Arme. Noch nie hatte Rei jemanden gesehen, der das so provozierend konnte wie der Russe. Normalerweise wirkte so eine Geste ja eher abwehrend, aber bei ihm war das pure Aggression. „Und wer will das wissen?“ Es war das erste mal, dass Yuriy den Mund aufmachte und Rei konnte Oliver förmlich zusammenzucken sehen. „Ich, wer sonst?“ Johnny sah aus, als wollte er aufspringen. Oh ha. Der Ire konnte sich zwar durchaus zur wehr setzen, aber eine Schlägerei würde dennoch zu seinem Nachteil ausfallen. Er sah auch wie Brooklyn sich schon anspannte und Oliver den Kopf etwas einzog. Doch zur Verwunderung aller, wandte sich Yuriy einfach wieder seinem Tablett zu und aß weiter. „Hey!“ Man hörte den Stuhl lautstark zu Boden krachen, als Johnny wütend aufsprang. „Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede.“ Doch es kam wieder keine Antwort. Aufgestachelt wollte Johnny zum Verursacher seines Ärgers, doch als er in seine Reichweite kam, passierte etwas, was aussah, als wäre er gestolpert und hingefallen. Nur Rei war der einzige unbeteiligte, der wirklich wusste, was geschehen war. Es war eine blitzschnelle Bewegung gewesen, in der Yuriy Johnny am Arm noch unten gezogen hatte. Der Ruck war so stark und so plötzlich, dass der Schwerpunkt des anderen sich zu schnell verlagert hatte, als dass er den Sturz noch hätte verhindern können. Rei schluckte. Yuriy war schon immer gut gewesen, aber das hatte selbst er noch nie gesehen. Der Russe musste trainiert haben. Johnny lag einen Moment verdutzt und überrumpelt auf dem Boden, stand dann aber auf, nahm sein Tablett und verschwand einfach. Oliver wurde daraufhin auch aktiv und mit einem ‚Ich kümmer mich drum‘ beeilte er sich hinter ihm her zu kommen. Damit waren sie drei alleine.   „Ok, mal ernsthaft, warum bist du hier?“, fragte Rei mit einem leicht misstrauischen Unterton. Irgendwas war da doch im Busch. Brooklyn kam nicht plötzlich einfach auf die Idee, Yuriy hier anzuschleppen und das nur drei Wochen, nachdem er Kai kennengelernt hatte. Nein, dafür kannte er seinen Kumpel eigentlich viel zu gut. Doch statt eine Antwort von Yuriy zu bekommen, meldete sich der Psychologe zu Wort.   „Erst einmal müssen wir Rei beibringen, dass du nicht mit Kai zusammen bist.“ Yuriys Blick wurde fragend: „Und warum sagst du ihm das nicht einfach?“ Doch Brooklyn schüttelte nur den Kopf: „Wenn wir ihm das einfach so sagen, denkt er sofort, dass ich was plane. Er kennt mich zu gut. Wir müssen ihn also dazu bringen, dich das direkt zu fragen.“ „Und wie soll das bitte gehen? Er macht einen riesigen Bogen um mich.“ Brooklyn grinste verschwörerisch: „Oh, lass das mal meine Sorge sein.“   Er legte einen Arm um den Russen und lehnte sich deutlich zu ihm rüber: „Ich hab‘s dir nicht gleich sagen wollen, weil das doch ein bisschen taktlos gewesen wäre, aber wir beide sind jetzt zusammen.“ Zwei vollkommen verdutzte Blicke trafen Brooklyn, dann wandte sich Rei vollkommen verwirrt an Yuriy: „Ich dachte du wärst mit Kai zusammen?“ Yuriy schüttelte Brooklyns Arm ab und schüttelte den Kopf: „Ich erhäng mich lieber, als was festes mit Kai anzufangen.“ Dann wandte er sich an seinen Sitznachbarn: „Und du hört gefälligst auf so einen Scheiß zu behaupten!“ Brooklyn aber lachte nur heiter und lehnte sich wieder zurück: „Sorry, ich konnte es mir nicht verkneifen. Eure beiden Blicke waren einfach unbezahlbar!“ Rei schüttelte nur den Kopf und seufzte. „Du bist echt ein Idiot, Brooklyn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)