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Liebe führt, wie zu erwarten... nach Amerika?

Liebe führt Teil 3
von

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Zu spät

Kai


 

  

"Noch mal das selbe!", zischte er und knallte das Glas auf den Tresen.

Es war knapp eine Woche vergangen seit der Auseinandersetzung mit Yuriy. Eines musste Kai ihm wirklich lassen: streiten konnte der Kerl. Bei ihm war ein Streit nur weniger ein Streit als ein Krieg und Yuriy kämpfte wirklich unfair. So richtig unfair.

Andererseits wären sie schon lange nicht mehr befreundet, wenn sie beide das nicht ab könnten. Diesmal allerdings, war Yuriy beinahe wirklich zu weit gegangen, auch wenn Kai selbst ihm nicht zutraute, so psychopathisch zu sein. Yuriy hatte einen guten Kern, sonst hätte er ihm nicht das Internat überlassen. Zumindest hatte ihn dieser Streit in solchen Zugzwang gebracht, dass er sich endlich getraut hatte, das anzugehen, weshalb er her gekommen war. Hätte er es doch besser sein gelassen.

"Hier bist du."

Wenn man vom Teufel sprach...

Yuriy setzte sich lässig neben ihn, als wäre nie etwas gewesen und bestellte sich selbst etwas. Kein Alkohol, was Kai noch immer überraschte. Er hätte ihm zugetraut, dass er, nach allem, was er erlebt hatte, zu Alkohol oder anderen Drogen tendierte. Einige der Heimkinder taten das bereits, aber Yuriy nicht. Kai hatte ihn noch nie auch nur einen Schluck Alkohol trinken sehen. Er hatte ihn einmal gefragt, warum er nicht trank, hatte aber im Prinzip nur als Antwort bekommen, dass er einen klaren Kopf behalten wolle. So richtig sicher, ob das die ganze Wahrheit war, war sich Kai da nicht.

"Was willst du hier?", zischte Kai nur und nahm einen Schluck seines neuen Drinks. Sein Tonfall ließ dabei eindeutig darauf schließen, dass sein Geschäftspartner unerwünscht war.

"Du warst nicht zu Hause, da dachte ich, ich sehe mal wo du bist. Was ist passiert? Die trinkst normalerweise nicht alleine."

Laut ließ Kai das Glas zurück auf den Tresen knallen. Nur durch Glück schaffte er es, nichts zu verschütten.

"Du bist passiert du Aß!"

Ein wenig verwundert sah Yuriy ihn an. Es dauerte einige Sekunden, bis er seine Sprache wieder fand:

"Was? Du betrinkst dich, wegen dem was ich dir gesagt habe? Memme!"

Kai hörte irgendwas, was so klang wie 'typisch Lichtkinder', aber er ignorierte es. Sie hatten sich schon so oft über die diskriminierende Haltung gestritten, die der Russe zu Außenseitern einnahm. Er war es leid und hatte gerade wirklich keine Nerven dafür.

Kai schwieg, was typisch wäre, wenn nicht Yuriy sein Gesprächspartner gewesen wäre. Er redete noch immer nicht viel, aber sein Kumpane aus Kindertagen schaffte es immer wieder, ihn so sehr zu provozieren, dass er vergaß, dass er eigentlich verschwiegen war. Heute vergaß er das nicht. Er wollte nicht mit ihm reden und das würde er auch so durchziehen. Immerhin war das alles seine Schuld!

"Na, wir sind heute aber wieder gesprächig."

"Halt die Klappe!"

"Oh ha. Da muss aber ganz schön was schief gelaufen sein. Du hast mir das Gerede doch nicht ernsthaft geg..."

Mit einem dumpfen Poltern fiel Yuriy vom Stuhl und landete auf dem Boden.

"Hey Knirps! Wenn du dich prügeln willst, mach das gefälligst draußen!" Der Barkeeper war offenbar nicht besonders angetan von dem Faustschlag, den Kai seinem Mitbewohner verpasst hatte. Musste er auch nicht. Kai legte einen großen Schein auf dich Tisch, schnappte sich seine Jacke, die auf dem Hocker neben ihm geruht hatte und verließ die Bar. Dass er gerade Knirps genannt worden war, ignorierte er dabei. Der Barkeeper hatte ihn nicht nach seinem Alter gefragt, also waren sie jetzt wohl quitt.

 

Er kam nicht weit, ehe er Schritte hinter sich hörte. Er war absichtlich in eine der dunklen Gassen abgebogen, um mit etwas Glück doch noch eine gute Prügelei zu bekommen.

"Kai!", schrie es auch schon wütend hinter ihm. Er ging weiter.

"Hey du Arschloch, das war gefährlich, was du da drin abgezogen hast!"

"Nicht gefährlich genug, wie mir scheint. Schließlich lebst du noch."

Sie waren zu weit auseinander, dass er das Schnauben hören konnte, doch er war sich sehr sicher, dass es da war. Die Schritte hinter ihm wurden schneller, doch er blieb ruhig. Erst im letzten Moment vollführte er eine halbe Drehung und wich so aus. Yuriy hatte damit gerechnet, denn er strauchelte nicht. Stattdessen nutzte er den Schwung um Energie daraus zu gewinnen.

 

Es dauerte nicht lange, da flogen Schläge und Tritte. Ein Außenstehender hätte zwar nicht sagen können, wer die Oberhand in diesem Kampf hatte, aber hätte steif und fest behauptet, dass die Kontrahenten sich versucht hatten gegenseitig umzubringen. Er hätte nicht ganz Unrecht damit gehabt.

Jeder der beiden Streithähne steckte ordentlich ein und obwohl der Kampf nur wenige Augenblicke andauerte, sanken beide danach schwer atmend zu Boden. Unbewusst hatten beide das Gesicht des jeweils anderen ausgelassen.

"Was zum Teufel ist los mit dir?", schnaufte Yuriy. "Wir haben uns seit einer Ewigkeit nicht geprügelt. Und das diesmal nur, weil ich dich etwas geärgert habe? Komm schon, wir haben uns gegenseitig schon Schlimmeres angetan."

"Das ist nicht der Punkt!"

"Was ist dann der Punkt?"

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, rappelte sich Kai auf. Er wollte nicht reden. Nicht mit Yuriy und auch mit sonst niemandem mehr. Es war zu spät. Es war alles zu spät. Seit er hier in Amerika angekommen war, hatte er angst gehabt zu spät zu sein. Deshalb hatte er sich in seiner Arbeit vergraben. Deshalb war er sein Vorhaben nicht angegangen. Die Angst davor zu spät zu sein, hatte ihn immer mehr Zeit vergeuden lassen. Nach jeder verstrichenen Minute wurde die Wahrscheinlichkeit höher, dass er tatsächlich zu spät war. So hatte er sich selbst zur Unfähigkeit verdammt. Gefangen in einem Teufelskreis seiner eigenen Unzulänglichkeiten. Er hatte es verbockt.

"Hast du neuerdings aufgehört mit mir zu reden? Hatten wir nicht eine Vereinbarung? Haben wir uns nicht versprochen unsere Gedanken miteinander zu teilen, damit die Zusammenarbeit funktioniert?"

"Dafür ist es zu spät." Kais Stimme klang müde, er wollte einfach nur noch weg. Aber ihm fehlte die Kraft dazu und das Ziel. Wo sollte er schon hin? Diese Welt war nicht groß genug um weg zu laufen.

"Es ist nie zu spät."

"Natürlich ist es das!" Der plötzliche Ausbruch ließ Yuriy tatsächlich etwas zurückweichen. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. "Irgendwann ist alles einmal zu spät! Und dann kann man es nicht mehr reparieren!"

Hätte er die Kraft dazu gehabt, er hätte Yuriy noch eine runter gehauen. Stattdessen fischte er seine Jacke vom Boden und wandte sich ab. Wenigstens vor dieser Situation musste er fliehen. Wenigstens für diesen Augenblick. Morgen hätte er wieder mehr Kraft, um sich mit seinem Mitbewohner zu streiten.

 

Doch Kai kam nicht weit. Schon nach den ersten Schritten ergriff seine Hand etwas. Verwundert sah er in Yuriy Gesicht. Natürlich viel es dem wesentlich leichter sich zu bewegen, nach so einem Kampf. Manchmal hasste er ihn dafür, dass man ihn verändert hatte. Diese genetischen Experimente ließen ihn sich auch jetzt noch nahezu lautlos bewegen, deshalb hatte er ihn nicht einmal kommen hören. Kai vergaß so oft, dass er sich nur normal bewegte, weil er wusste, dass er anderen sonst angst machte. Es war die erste soziale Sache gewesen, die sich Yuriy angewöhnt hatte. Er war nicht von dieser Welt, nicht mehr. Volkov und die Wissenschaftler hatten ihn verändert. Niemand wusste wie sehr er verändert worden war. Niemand wusste, ob es rückgängig zu machen war oder ob Yuriy überhaupt wieder normal sein wollte.

Und manchmal hasste ihn Kai für diese Fähigkeiten. Er würde nie stärker sein können als er, ihn niemals schlagen können. Es würde immer so Enden wie heute: Er selbst würde geschwächt aus dem Kampf hervor gehen, kaum noch fähig sich auf den Beinen zu halten ohne zu taumeln und Yuriy... Yuriy würde sich nach einer kurzen Pause wieder vollkommen erholt haben.

Diese böswilligen Gedanken waren nicht fair, das war auch Kai klar, schließlich hatte Yuriy dafür leiden müssen. Aber er vertrug es einfach nicht, derart hoffnungslos unterlegen zu sein.

 

Er erwachte erst wieder aus seinen finsteren Gedanken, als wärme seinen Körper durchflutete. Wärme, die er lange nicht mehr gespürt hatte. Wärme, die einzig und allein von einer Umarmung verursacht wurde.

Wütend versuchte er sich gegen die Arme des anderen zu stemmen, doch der Griff war eisern und er selbst hatte zu wenig Kraft.

"Lass mich los!", knurrte er. Doch es brachte nichts. Unnachgiebig hielten ihn die Arme an die Brust des anderen, bis sein Körper und sein Geist der Wärme hingaben und sich entspannten. Nur das letzte bisschen Selbstbeherrschung das er noch besaß, verhinderte, dass er zu weinen begann. Er war zu stolz dazu.

Und so standen sie einfach nur da. In einer dunklen Gasse, umgeben nur von Schatten, in einer mondlosen Nacht. Kais Körper zitterte unter all den Emotionen, die er in sich gefangen hielt und so konnte sich Yuriy nur fragen, was geschehen war.

 

 

Rei

 
 

Am vorigen Nachmittag
 

 

"Was war das denn gerade?"

Brooklyn saß mit Rei auf einer Bank in einem Park und versuchte schlau aus dem zu werden, was gerade passiert war. Rei konnte es ihm nicht verübeln. Er konnte selbst nicht genau sagen, was passiert war.

"Es tut mir leid.", murmelte er, weil er nicht recht wusste, was er sonst sagen sollte. Was hatte er da nur getan? Warum hatte er das getan? Aus Selbstschutz? Aus Angst?

Irgendwie war er in Panik geraten und dann war alles zu schnell gegangen. Sein Kopf hatte gearbeitet, ohne, dass er ihn hatte aufhalten können und hatte diesen Unsinn verzapft. Das würde er nie wieder gerade biegen können.

Noch jetzt klopfte sein Herz voller Aufregung, der Schock saß noch immer tief. Sein ganzes Leben war schon wieder durcheinander geraten, dabei hatte er doch einfach nur in Ruhe leben wollen. Wie sollte er das nur wieder hin bekommen?

Wollte er es überhaupt wieder bereinigen? Er war sich nicht sicher. Es war eigentlich auch gar nicht nötig. Er sollte sich da nicht solche Gedanken drum machen.

"Ich schätze.. ich bin einfach in Panik geraten."

Skeptisch, aber leicht grinsend, hob Brooklyn eine Augenbraue:

"Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt im ersten Moment. Solche Psychospielchen hätte ich dir gar nicht zugetraut. Der Kerl sah schon ziemlich geschockt aus."

"Ich hatte einen ziemlich guten Lehrer, was Psychospiele angeht. Hab ich dir schon davon erzählt, dass Kai mal mit mir geschlafen hat, weil er dachte, dass er mich damit loswerden würde?"

Brooklyn ging umgehend auf diesen Themenwechsel ein. Er konnte einer guten Geschichten nie widerstehen:

"Nein, aber ich bin heiß darauf, davon zu hören." Die kurze Kunstpause die danach folgte, hatte Rei schon Luftholen lassen, doch Brooklyn fuhr fort:

"Aber erst nachdem du mir erzählt hast, was das gerade sollte."

So ein Mist....


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich hätte die Szene zwischen Kai und Yuriy wesentlich kürzer sein sollen und eigentlich hättet ihr auch erfahren sollen, was passiert ist.
Ich hoffe ihr seid mir wegen des komischen Zeitrücksprungs nicht böse, aber hätte ich es in anderer Reihenfolge erzählt, hätte das zu viel verraten, schätze ich^^
Im nächsten Kapitel gibt es dann nen ordentlichen Flashback, damit ihr nicht mehr so verwirrt seid. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mabisu
2016-11-14T13:10:30+00:00 14.11.2016 14:10
Was zur Hölle ist passiert??????!! Ich platze fast vor Neugier >. <
Der Streit hat mir gut gefallen :) realistisch wobei ich mich für einen Sekunde dann doch über yus einfühlsamkeit gewunden habe :D es freut mich aber immer wenn sein guter Kern aufblitzt :)
Brook scheint für rei eine wichtige bezugsperson zu sein.. Eine Art ruhepol. Finde ich sehr passend :)
Und wieder muss ich dran denken.. Was ist passiert >. <
Wenn du deine Leser mit diesem Kapitel fesseln wolltest. ... menno ist das sehr sehr gut gelungen >. <
Freu mich auf das nächste Kapitel :)
Antwort von:  Lyndis
14.11.2016 21:45
Keine Sorge *pat pat*
Ich hab schon mit dem neuen Kapitel angefangen^^
Mein Schreibzirkel hat tatsächlich erraten, was passiert ist, haben dafür aber etwas brainstorming gebraucht.

Brook ist für Rei sehr wichtig, ja. Er ist der einzige der von allem weiß und er schafft es immer wieder, ihm ruhe zu spenden. Also liegst du mit dem Ruhepol genau richtig^^

Bin gespannt was du sagst, wenn die auflösung kommt^^

Danke für den Kommi!
Von:  jasuminu
2016-11-10T22:28:42+00:00 10.11.2016 23:28
Huiii gleich 2 Kapitel !*freu* Gut zu wissen das noch geklärt wird warum Kai so sauer ist. Ich dachte schon ich steh total auf dem Schlauch. Mensch du machst es aber auch interessant. Ich fand den Streit sehr authentisch und wie sagt man impulsiv xD Nocheinmal wegen Yuri..ich finde er ist viel zu wichtig für diese FF geworden, als das man ihn als Randfigur hätte verkümmern lassen. Ich finde ohne ihn wäre es zu langweilig geworden. Die Charas hastbdu wiedermal sehr gut und serienecht hinbekommen. Und am Ende diese Umarmung..zum dahinschmelzen ^.^ und was hat Ray bloss nur gemacht? Bin schon so gespannt aufs nächste Kapitel


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