Luciana Bradley und die Sammlungen der Väter von Picadelly ================================================================================ Kapitel 6: Eine einmalige Sache ------------------------------- Erst auf der halben Strecke des Weges, von dem Luciana mittlerweile wusste, dass dieser wieder auf die Hauptstraße der Winkelgasse führte, fiel ihr das gedrosselte Schritttempo des Professors auf. Snapes Hand diente zudem kaum noch als penetrantes Wegweisungsinstrument, sondern nahm ihr einen großen Teil Arbeit ab, sich auf den Beinen zu halten. Und wieso hatte sie die letzten Minuten nur wie durch ein geräuschgedämpftes Milchglas wahrgenommen? Genau in diesem Moment spürte sie das dumpfe, schmerzhafte Pochen an ihrem Hinterkopf, einen Fuß vor den anderen zu setzen war damit eine noch größere Herausforderung. Die eben gestellte Diagnose einer Gehirnerschütterung kam ihr in den Sinn und der kleine, ganz besonders rationale Teil in ihr, versuchte den Schockzustand, in dem sie sich ganz offensichtlich befand, so gut es ging mit logischen Erklärungen einzudämmen. Auf den nächsten zwei Metern stolperte sie gleich drei Mal über ihre eigenen Füße.      „Reißen Sie sich zusammen, Miss Bradley“, zischte ihr Snape entgegen und fasste noch eine Spur kräftiger um ihren Arm.      „Könn wir nich beamen?“ Selbst in ihren eigenen Ohren hörte sie das Lallen in ihren Worten, welches zur Abwechslung einmal nichts mit Alkohol zu tun hatte, in Kombination mit ihrem wehleidigen Tonfall, gab dies ein ziemlich erbärmliches Gesamtbild ab.      „Das Zaubereiministerium hat die gesamte Winkelgasse in diesem Sommer zu einem apparierfreien Raum erklärt“, antwortete Snape und bemühte sich dabei, so leise wie möglich zu sprechen. Offenbar stand ihm wenig Sinn danach, Aufmerksamkeit auf sie beide zu lenken.      „Oh, vergessn. Schutzkrams – stand inner Zeitung.“      Mittlerweile hatten sie das Ende der Nokturngasse erreicht und bogen auf die wesentlich besser ausgeleuchtete Winkelgasse ein. Sie hatten verdammtes Glück, dass ihnen weder eine einzige Person bis zum Tropfenden Kessel begegnete, noch einer der Partygäste von den Weasley Zwillingen auf sie aufmerksam wurde, als sie das große Fenster des Ladenlokals passierten (das Letztere war wohl mehr ein Segen für Luciana selbst – sie hatte keine Ahnung, was sie George und Fred oder einem der anderen für eine vorgeschobene, glaubhafte Story hätte auftischen können, die erklären würde, wieso sie sich von dem Drill-Brauerei-General durch die halbe Winkelgasse schleifen ließ).      Im Innern der Kneipe warfen ihnen eine Handvoll Zauberer und Hexen neugierige Seitenblicke zu und der kahlköpfige Wirt, Tom, ließ nicht einen ihrer Schritte außer Augen, während er einem Zauberer im mittleren Alter Alkohol nachschenkte, der schon mehr über dem Tresen hing, als daran zu sitzen. Doch Snape lotste sie unbeirrt und mit starr geradeaus gerichtetem Blick zum Ausgang, betrat dadurch die Straße, die nun zur nicht magischen Welt gehörte und lief diese weiter hinunter, bis sie an eine größere, befahrene Kreuzung kamen.         Die vielen Scheinwerfer und Straßenlichter lösten die nächste Welle Übelkeit in ihr aus und nur mit fest geschlossenen Augen und viel Training ihres Magens in Punkto ‚der Alk war teuer und hat drin zu bleiben‘, war es ihr möglich, nicht im Kreis zu spucken. Und dem Professor damit seinen Umhang zu versauen, auch wenn dies in diesem Moment nicht wirklich ihre Hauptsorge war.      „Gibt’s jetzt Befehl zum Beamen, Captn?“, fragte Luciana und atmete weiter konzentriert tief durch den Mund. Trotz ihrer Stehhilfe hatte sie nicht den Eindruck, sich noch viel länger auf den Beinen halten zu können und auch wenn sie gerade keinen Mageninhalt auf den Boden verteilte, musste das noch lange nicht dabei bleiben.      „Wenn Sie sich, wie ich es vor einiger Zeit von Ihnen verlangt hatte“, begann Snape genervt, „bei der Apparierprüfung angemeldet und somit den theoretischen Teil studiert hätten, dann wüssten Sie jetzt, dass es strengstens untersagt ist, mit einer Kopfverletzung zu apparieren.“      „Oh“, meinte Luciana nur und ließ sich, ohne Gegenwehr, auf die Rückbank eines Taxis schieben, wobei sie nicht einmal mitbekommen hatte, dass Snape es von der Straße herangewinkt haben musste.      Die etwa zehn minütige Fahrt wer-weiß-wohin, stellte die reinste Tortur für ihren derzeitig angeschlagenen Zustand dar. Snape ging ihr alle halbe Minute mit der Aufforderung auf den Senkel, die Augen geöffnet zu lassen, welche sie nur immer wieder zukniff, um nicht von vorbeifahrenden Scheinwerfern geblendet zu werden und nicht, wie Mr Ich-durschaue-deine-Absichten ihr unterstellte, ein Nickerchen zu machen.       Das Taxi hielt am Bordstein einer kleinen Seitenstraße, die beidseitig von typisch englischen Backsteinhäusern (eher Häuschen) durchzogen war und die allesamt ihre Glanzzeiten hinter sich gelassen hatten, doch Luciana beendete ihre Umgebungsinspektion prompt, als die ohnehin schon identisch aussehenden Bauten begannen, vor ihren Augen zu fusionieren.      Den Weg vom Auto bis vor eine schwarz lackierte, von Macken durchzogenen Haustür, schnitt sie kaum bewusst mit und die darauffolgenden Treppenstufen überwand sie nur, indem Snape ihr seinen Arm um die Taille legte und achtzig Prozent der Fortbewegung übernahm. Im nächsten Moment saß sie auch schon auf einem braunen Sofa und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie darauf schwören können, von der Treppe dorthin appariert zu sein. Der Professor war übrigens nirgends zu sehen, worauf die rationale Stimme in ihrem Kopf versuchte ihr folgend begreiflich zu machen, dass sie sich an einem unbekannten Ort aufhielt, inklusive angeschlagenem Gesundheitszustand und dies klare Indizien darstellen sollten, sich in Sicherheit zu bringen – wer weiß, vielleicht hatte sie sich die Anwesenheit von Snape nur zusammen halluziniert und eigentlich –      „Setzen Sie sich wieder hin, Miss Bradley.“ Nein, definitiv keine Halluzination. Und das Bild des Tränkemeisters, wie dieser gerade mit den Armen voller Flaschen und Tiegel auf ihren Platz zusteuerte, kam ihr irgendwoher verdammt bekannt vor.      Mit lautem Geklirre (obwohl, in dieser Lage schien alles laut in ihrem Kopf) stellte Snape die Sachen auf einem rechteckigen Wohnzimmertisch ab, auf dem, unter anderem, ein Aschenbecher stand und ein paar Bücher lagen. Dann fischte er eine Flasche mit grünlichem Inhalt heraus.      „Trinken“, forderte er sie kurz und knapp auf, entkorkte das nicht etikettierte Behältnis und hielt es Luciana unter die Nase. Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand, verschwendete keinen zweiten Gedanken an den Inhalt und setzte an zum Exen, bis der erste Tropfen des bittersten Geschmackstoffes auf ihre Zunge traf, der jemals die Pforte durch ihre geöffneten Lippen passiert hatte.      „Sie haben nur einen Versuch, das ist der letzte Rest, den ich von dem Trank vorrätig habe“, kommentierte Snape ihr angewidertes Gesicht – er hatte garantiert wieder dieses gehässige Halbgrinsen aufgesetzt, aber mit Bestimmtheit ließ sich das bei ihrer angeknacksten Wahrnehmung sowieso nicht sagen.      Mit ein paar kräftigen Schlucken, plus aufmuckendem Magen, kippte sie die gut zweihundert Milliliter Flüssigkeit die Kehle herunter. Dem abartigen Nachgeschmack auf der Zunge schenkte sie nur einem kurzen Augenblick ihre Aufmerksamkeit, denn plötzlich klärte sich ihr Sichtfeld, die Übelkeit verschwand und ihr Hirn schien wieder vom Blue Screen in einen brauchbaren Zustand überzugehen. Als Kehrseite rückte allerdings nun der stechende Schmerz an ihrem Hinterkopf in den Vordergrund und das erste Mal, seit dem Vorfall in der Seitengasse, berührte Luciana die Stelle, welche immer und immer wieder mit einem Mauerwerk Bekanntschaft gemacht hatte.      „Au!“, entkam es ihr, genau in dem Augenblick wo ihre Fingerspitzen auf eine feuchte Stelle unter ihrem Haar trafen und als sie ihre Hand in ihr Blickfeld führte, war Blut darauf zu sehen.      „Lassen Sie Ihre Finger davon, Sie machen es nur schlimmer“, schnappte Snape gereizt, setzte sich auf den Platz neben ihr und zog dieses Mal eine winzige Flasche mit blauer Flüssigkeit und eine Mittelgroße mit klarer hervor. Die folgende Behandlung ihrer Platzwunde ließ sich mit dem Wörtchen ‚unangenehm‘ zwar nicht ansatzweise realistisch beschreiben, aber letztendlich zählte hier nur das Ergebnis und das war mit einer sekundenschnellen Schließung der Wunde und sofortigem Stopp der Schmerzen mehr als zufriedenstellend. Einen Punkt mehr auf der Pro Liste für die Zaubererwelt. Danach schmierte Snape ihr noch irgendeine weiße Paste auf die Stelle ihres Halses, an der sie gewürgt worden war und betrachtete sie dann mit prüfendem Blick.      „Keine Übelkeit mehr, Sehstörungen, Schmerzen?“      Luciana schüttelte den Kopf.      „Sind Sie sich sicher?“, hakte er noch einmal nach und setzte seinen berüchtigten Röntgenblick ein.      „Es geht mir blendend, alles wieder beim Alten.“      Der Professor nickte mit zufriedener Miene und stellte den Tiegel in seiner Hand wieder auf den Tisch zurück.      „Vielen Da-„      „WAS FÄLLT IHNEN EIN, MITTEN IN DER NACHT IN DER NOKTURNGASSE HERUM ZU SPAZIEREN“, Luciana bugsierte sich mit aufgestemmten Armen an das hinterletzte Ende der Couch, die Augen vor Schreck weit aufgerissen, „ALLEIN, IN DIESEM AUFZUG“, Snape war mittlerweile aufgesprungen, das Gesicht wutentbrannt und rötlich verfärbt, seine Hand deutete einmal an ihr auf und ab – zugegeben, hätte sie den kleinen Ausflug geplant, wäre ihre Kleiderwahl vielleicht etwas anders ausgefallen … „IST ES VÖLLIG AN IHREM IGNORANTEN DICKSCHÄDEL VORBEI GEGANGEN, DASS DIE WARNUNGEN DES MINISTERIUMS ERNST ZU NEHMEN UND NICHT ALS MAKABERER SCHERZ ZU WERTEN SIND??!!“      „Sir, ich habe nur-„      „SIE SOLLTEN DEN TAGESPROPHETEN AUF IHREM SCHREIBTISCH ZUR ABWECHSLUNG LESEN UND NICHT ALS DEKORATION NUTZEN, DANN WÄRE IHNEN DIE VIELZAHL AN ARTIKELN AUFGEFALLEN, DIE VON DEN JÜNGSTEN FÄLLEN VON MORD, ENTFÜHRUNG UND ÜBERFÄLLEN AUF GENAU DIESE PERSONEN BERICHTEN, DIE WIE SIE DER MEINUNG SIND, DIE GEFOLGSLEUTE DES DUNKLEN LORDS STELLTEN KEINE BEDROHUNG FÜR SIE DAR!!“      Okay, diesen Abriss hatte sie vielleicht in gewisser Weise verdient, jedoch war diese Art von Wutausbruch des Professors der zumindest Lauteste, von dem sie jemals Zeuge geworden war - demnach erschien ihr seine Reaktion ein wenig übertrieben. Snape stellte die ganze Sache zudem so hin, als  hätte sie aus Langeweile, für ein bisschen Nervenkitzel, einen Abenteuerkurztrip in die Nokturngasse gemacht.      „Sir, ich-„      „WAR IHNEN DIE ERSTE BEGEGNUNG NICHT GENUG, WOLLTEN SIE DEN NETTEN HERRN DARUM BITTEN, DIE SACHE ZU ENDE ZU BRINGEN, DIE ER LETZTES JAHR BEGONNEN HATTE?!!“      „HEY!!“, damit sprang sie auf, ihren Zeigefinger warnend auf Snape gerichtet und den Puls nun selbst vor Wut auf hundertachtzig – mit diesem Kommentar war er wirklich einen Schritt zu weit gegangen! „DAS NEHMEN SIE ZURÜCK!!“ Doch er schien nicht einmal einen Gedanken daran zu verschwenden, daher war es wohl gleich, dass sie beinahe sofort fort fuhr. „Es war nicht mal geplant da rein zu gehen, ich war auf einer Party bei den Weasleys eingeladen und da habe ich Malfoy mit seiner Mutter und dieser Bellatrix von dem Fenster aus gesehen und bin ihnen gefolgt.“      „Wie war das?“ Snape sprach diese Worte plötzlich leise und langsam aus, oder um eine bessere Bezeichnung dafür zu finden: gefährlich.       „I-ich habe die ganze Zeit über großen Abstand gehalten und genau darauf geach-„      „Sie sehen einen gesuchten Todesser auf der Straße und Ihnen fällt nichts Besseres ein, als diesem zu folgen.“ Wie gesagt, die Lautstärke mochte Snape vielleicht massiv gedrosselt haben, aber aus irgendeinem Grund hätte sie sein Brüllen dieser stoischen Ruhe vorgezogen.      „Wir stecken doch gerade mit dem Orden in so etwas wie einer Sackgasse und da dachte ich –„      „Und da dachten Sie sich, die jahrelange Ausbildung und das Training eines Fachmanns auf diesem Gebiet stünde Ihren dilettantischen Fähigkeiten in nichts nach und Sie nehmen die Verfolgung selbst in die Hand. Oder noch besser, deren Festnahme?“      „Sir, ich weiß es war vielleicht dumm von mir, aber –„      „VIELLEICHT?!“ Nicht ganz so laut wie gerade eben, trotzdem hallte sein Aufschrei von den winzigen vier Wänden um sie herum wieder. „Vielleicht hätte ich Ihnen nicht zu Hilfe kommen sollen, denn vielleicht hätten Sie sogar die Nacht überlebt und es wäre Ihnen endlich in den Sinn gekommen, SOLCHE AKTIONEN IN ZUKUNFT ZU UNTERLASSEN!!“      „Vielleicht“, mimte sie mit erschreckender Ähnlichkeit seinen Tonfall nach, „hätte ich Ihre Hilfe auch gar nicht nötig gehabt und wäre selbst mit dem Kerl fertig geworden.“      Bullshit. Dasselbe schien sich Snape auch zu denken, denn im nächsten Augenblick stand er mit einem Satz vor ihr, packte ihre Handgelenke und schob sie derart blitzschnell einmal quer durch den Raum, dass sie nicht einmal dazu kam, sich gegen ihn zu stemmen. Und schon kollidierte ihr Rücken unsanft mit der Wand links neben der Eingangstür, ihre beiden Arme waren rechts und links in seinem Griff neben ihren Kopf gepinnt und das höchst angesäuert dreinblickende Gesicht von ihm stand keine Handbreit vor ihrem eigenen.      „Sagen Sie, Miss Bradley“, schnarrte er gehässig, „wie genau wollen Sie mit einem Kerl wie mir fertig werden?“      Gut, die Botschaft war angekommen. Überdeutlich, denn kein noch so starkes Zerren veränderte die Position ihrer Arme um auch nur einen Zentimeter und die Option, Snape einen saftigen Tritt in die Weichteile zu verpassen, blieb ebenfalls aus, da sein Körper derart eng an ihren gepresst stand, dass sie nicht einmal ihr Bein heben konnte.      Luciana hätte in diesem Moment wahrscheinlich nur die weiße Flagge schwingen müssen, aka zugeben, dass sie im Unrecht und er im Recht gewesen war, doch gerade, als sie zum Sprechen ansetzen wollte, schwebte ihr eine besonders starke Welle Au-de-Tränkemeister in die Nase. Ihr Blick wanderte von seinem, herunter zu seinen Lippen, die leicht geöffnet waren und nun gar nicht mehr verkniffen aussahen. Eigentlich machten sie einen verdammt einladenden Eindruck und wo sie gerade bei dem Thema war – hatte sie Snape überhaupt jemals geküsst? Auf die Wange, ja, vor der Tür zur Tränkeprüfung, sie hatten Sex gehabt, check, aber geküsst?      Als sie ihren Blick von seinem Mund wieder auf seine Augen lenkte, waren diese plötzlich ein Stück weit mehr geöffnet – Snape schien eine gewisse Ahnung von dem zu haben, was ihr gerade im Kopf umher spukte, doch bevor er den Griff um ihre Handgelenke ganz lockern konnte, hatte Luciana sich schon ein Stück nach vorne gelehnt.      Seine Lippen waren warm, zumindest wärmer als ihre eigenen (bei dem Bluthochdruck der letzten Minuten auch kein Wunder), auf eine verquere Art und Weise weich und gleichzeitig rau und, ach ja, vollkommen unbeweglich. Nach ein paar Sekunden wich sie wieder von ihm zurück, bis ihr Kopf die Wand berührte – Snapes Körper war in der kurzen Zeit vollkommen versteinert und seinem Blick nach zu urteilen, kalkulierte er gerade den Kraftaufwand, welchen er benötigen würde, um sie zu erwürgen oder sonst wie umzubringen. Sein Atem ging furchtbar flach, seine Pupillen waren ohnehin bei den derart dunklen Augen schwer zu erkennen, aber nun scheinbar nicht vorhanden. Dann kam Bewegung in seinen Körper, Luciana schloss die Augen, ganz, als würde sie damit die nahende Explosion nicht über sich ergehen lassen müssen und in der nächsten Sekunde –      Pressten sich seine Lippen auf ihre, bei weitem nicht so behutsam, wie sie es vor noch keiner Minute getan hatte. Ihre Augen flogen wieder auf, doch sie hatte die Szenerie wirklich nicht falsch interpretiert. Snape küsste sie und nicht nur das – seinem Mund entkam ein gepresstes Stöhnen und auch wenn er in den meisten Dingen die kürzere Reaktionsleitung von ihnen beiden hatte, war ihre, sexuelle Handlungen betreffend, noch eine Spur kürzer. Somit schlang sie ihre Beine wie automatisch um seine Hüfte, keine Sekunde darauf verschwanden Snapes Hände um ihre Handgelenke und schoben sich einen Moment danach ihre Schenkel hoch, unter ihr Kleid, bis sie ihren Hintern fest umfassten.      Professor Snape war kein talentierter Küsser. Oder zumindest kein sonderlich Erfahrener, denn sein Mund führte mehr instinktive, als geübte Bewegungen aus – allerdings minderte dies weder das Pochen in ihrem Schritt, noch das dringende Bedürfnis ihm schnellstmöglich die Klamotten vom Leib zu reißen. Ihre rechte Hand hatte sie mittlerweile zwischen seinem Nacken und Haaransatz gekrallt, während die Linke die obersten Knöpfe seiner Robe öffneten, oder das zumindest versuchten, denn für diese komplizierte Aufgabe hätte sie sich mal lieber die Rechte ausgesucht. Doch dies schien gar nicht mehr so tragisch, da Snape sich gerade ein Stück von ihr löste, mit seiner rechten Hand irgendeine Bewegung vor seiner Brust vollführte und die Knöpfe der Reihe nach einfach aufsprangen. Wäre das Mysterium um seine Vorliebe für aufwändige Kleidungsstücke auch gelöst. Die Robe fiel achtlos hinter ihm zu Boden, nachdem er sich aus ihren Ärmeln geschält hatte, dann kollidierten ihre Münder wieder miteinander, genau wie ihre unteren Körperregionen – verdammt, was hatte sie diese mächtige Ausbeulung in seiner Hose vermisst. Ihr Cardigan flog als nächstes zu Boden und während Snape einen Träger ihres Kleids über ihre Schulter schob, wanderte seine rechte Hand wieder ihren Oberschenkel entlang, bis sie am Bund ihres Höschen Halt machte, zugriff, er irgendetwas unverständliches in ihren Mund hineinmurmelte und –      RATSCH      Verdammt, das war ein  Victoria’s Secre – oooh, groooßer Schwa-      Die Reste ihres Höschens hatten noch nicht ganz die Holzdielen unter ihren Füßen berührt, da spürte sie auch schon Snapes ausgebeulten Schritt auf ihrer nackten Haut, dem sie sich sofort instinktiv entgegen bewegte, selbst wenn er noch von schwarzem Stoff bedeckt war. Dieser Umstand änderte sich allerdings ebenfalls in den nächsten paar Sekunden, in denen er sich kurz an dem Knopf und Reisverschluss zu schaffen machte, dann seine Hose samt angegrautem Feinrippungetüm (dabei hatte sie nur für eine Millisekunde die Augen geöffnet und nach unten geschielt, das kam davon, wenn man bei jedem Geräusch den Ursachenpfadfinder heraushängen lassen musste) herunter schob und mit einer fließenden Bewegung nach vorne direkt in sie Eindrang.      Gut, dass Snapes Tränke so scheiße perfekt ausfielen, ansonsten hätte sich die Stelle an ihrem Hinterkopf, mit der sie genau in diesem Moment beim Kopf nach hinten fallen lassen mit der Wand kollidierte, herzlich bedankt. Aber mit einer derart schnellen Aktion vom Entkleiden bis zum wortwörtlichen Vorstoß, hatte Luciana nicht rechnen können. Genau wie das laute Aufstöhnen, welches ihr entwich. Viel Zeit um sich an die neue Situation zu gewöhnen blieb ihr ohnehin nicht – sie konnte lediglich noch einmal ihre Beine um seine Hüfte eine Spur fester ziehen und schon stieß Snape mit gemäßigtem Tempo immer wieder in sie hinein.      Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als ihre Stirn auf seiner Schulter für einen Moment zum Liegen kam – zwischen einen sich anbahnenden Höhepunkt gesellte sich das mittlerweile unangenehme Gefühl von kaltem, harten Mauerwerk an ihrem Rücken und davon hatte sie in dieser Nacht nun wirklich genug gehabt.      „Couch“, brachte sie schwer atmend zwischen zwei leisen Stöhngeräuschen hervor, „jetzt“ und sie brauchte nicht lange warten, bis die Wand in ihrem Rücken verschwand – allerdings sah sie die Couch aus dem Augenwinkel an ihr vorbeiziehen, während Snape sie offenbar mühelos einmal quer durch den Raum trug (ohne dabei die Position in ihr aufgeben zu müssen, Luciana war beeindruckt), dann einen Raum betrat, der vorher verschlossenen gewesen war und er sich nach ein paar weiteren Schritten mit ihr in ein Bett begab. Doch bevor er es sich in der Missionarsstellung gemütlich machen konnte, kam ihr der Gedanke, diese Runde horizontale Sportart in eine teilweise senkrechte Lage zu bringen, so, wie sie es sich vielleicht hin und wieder … sehr selten und fast überhaupt nicht, in den letzten Wochen ausgemalt und dabei garantiert nicht ihren Tränkeprofessor im Sinn gehabt hatte, nein, nein (wie bereits erwähnt, sexuelle Frustration, Hormone, yadayada).      Snape reagierte auf die vehemente Verschiebung ihrer Hüfte, plus das Wegdrücken seines Oberkörpers Richtung Matratze, zunächst mit Verwirrung. Für einen Augenblick schien er sogar davon auszugehen, sie wolle die Sache hier beenden, bevor auch nur einer von ihnen auf seine Kosten gekommen war, doch da hatte sie ihn auch schon von sich herunter geschoben und wieder breitbeinig über ihm positioniert. Dem armen Kerl stand noch immer eine Mischung aus Fragezeichen und einer Spur Panik im Gesicht, als Luciana nach seiner Erektion griff und sich diese in der nächsten Sekunde mit einem schnellen Absenken ihres Beckens einführte. Dieses Mal entkam ihm ein überraschter Stöhnlaut, Rache konnte so süß sein! Und genau wie er, ließ sie ihm keine Eingewöhnungszeit, sondern setzte ihr Becken sofort in Bewegung.      Das Licht im Wohnraum drang nicht vollständig zum Bett vor, so konnte sie den Ausdruck in seinem Gesicht bloß ihm Halbschatten erkennen. Ähnlich wie bei ihrer letzten, kleinen Liaison, hatte seine Mimik absolut null Ähnlichkeit mit der, die er sonst aufzusetzen pflegte, dementsprechend kompliziert war es, diese zu beschreiben. Vielleicht ein vergleichsweise Zornfalten-freies Gesicht, ein ungewöhnlich losgelöster Blick mit einer Spur Verwunderung ob der Situation, in der er sich gerade befand? Dieser Anblick löste ein leichtes Schmunzeln in ihrem Mundwinkel aus. Sie beugte sich herunter, da sie der Versuchung einfach nicht wiederstehen konnte und nahm so lange seinen Mund mit Küssen, leichten Bissen und ihrer Zunge in Anspruch, bis ihre Lunge einen Moment freie Sauerstoffzufuhr verlangte.        Mit einer Hand stützte sie sich auf seinem Oberkörper ab, der noch immer von seinem weißen Hemd bedeckt wurde, um sich wieder aufzusetzen – ihm schien ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf zu gehen, da er sich an dem Reißverschluss ihres Kleides zu schaffen machte (Luciana nutzte die Gelegenheit, um sich die Sandaletten von den Füßen zu ziehen, die sie so langsam in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkten). Kaum war dieser geöffnet, setzte sich Snape ein Stück auf, griff nach dem Saum und zog ihr das Kleidungsstück über den Kopf und schon umschlossen beide Hände ihre Brüste - richtig, für diese hatte er ja eine gewisse Vorliebe gehabt.      Die neue Position von ihm entpuppte sich derweil als noch perfekter, oder besser gesagt, er war mit dieser Verschiebung noch ein Stück weiter in sie eingedrungen (was rein physikalisch überhaupt keinen Sinn ergab, aber was interessierte sie das, wenn er gerade genau die richtigen Stellen penetrierte?). Es fühlte sich auf der einen Seite gigantisch an, auf der anderen begann ihr Körper zu zittern, da ihm anscheinend die Kombination aus einer frisch behandelten Hirnerschütterung und der erneuten Zusteuerung auf einen Orgasmus, etwas zu viel wurde. Aber kaum, dass das Zittern begonnen hatte, wanderten Snapes Hände von ihren Brüsten wieder ab, die sich darauf beide um ihren Hintern legten und sie dort in ihren auf und ab Bewegungen unterstützen. Schaden abgewendet und das einzige Zittern welches blieb, galt wirklich nur noch ihrem nahenden Höhepunkt – der in der nächsten Sekunde über sie hereinbrach.      Snape wartete ab, bis sie vollkommen regungslos, mit der Stirn auf seiner Schulter, sitzen blieb und sich ihr schneller Atem ein klein wenig beruhigt hatte. Dann packte er sie, erhob sich ein Stück, vollführte eine hundertachtzig Grad Drehung und im nächsten Augenblick lag Luciana wieder unter ihm. Es brauchte nur wenige, kurze Stöße, bis auch er mit einem erstickten Laut auf seine Kosten kam.      Die Stille in dem kleinen Zimmer wurde lediglich von ihren und seinen Atemgeräuschen durchbrochen, bis sie, nach einigen Minuten, wieder in den kaum hörbaren Normalzustand übergegangen waren.      Lucianas Hand lag noch immer auf Snapes Haar und dass sie an dieser Stelle etwas vollführte, was man gut und gerne in die Kategorie ‚Streicheln‘ hätte einordnen können, fiel ihr erst auf, nachdem sich der Körper auf ihr wieder regte. Beziehungsweise fahrig in Bewegung setzte, von ihr herunterrollte und auf dem Rücken, direkt neben ihr, wieder zum Liegen kam. Aus ihren halb geöffneten Augen (nach der nächtlichen Nokturnaktion und dieser sportlichen Höchstleistung gerade eben, fühlte sie sich, als habe man ihr ein Sedativum eingeflößt) sah sie dann, wie sich Snape, der ebenfalls einen sehr erschlagenen Eindruck machte, die Schuhe und Socken auszog, sein Feinripp wieder an Ort und Stelle zog und seine Hose aus dem Bett schmiss. Im nächsten Augenblick zog er eine Decke, die am Fußende des Bettes gelegen hatte, über ihre beiden Körper und mit einer scheinbar lässigen Handbewegung von ihm erloschen die Lichter im Wohnraum.      Wenn Luciana in einem wacheren Geisteszustand gewesen wäre, hätte sie sich ihre folgende Aktion sehr wahrscheinlich zweimal überlegt. Doch so drehte sie sich, wie automatisch, an seine Seite, schob ein Bein über seinen Oberschenkel und machte es sich mit ihrem Kopf zwischen seinem Arm und seiner Brust gemütlich. Sie war schon beinahe eingeschlafen, als einer seiner Arme sie zögerlich näher an seinen Körper zog.      „Ich wäre nicht mit dem Kerl fertig geworden“, flüsterte sie in sein Hemd. „Danke.“      Einen ganzen Moment sah es so aus, als würde Snape dies völlig ohne Reaktion stehen lassen, doch dann spürte sie seine Lippen, wie diese einen leichten Kuss auf ihre Stirn setzten. Ein paar Sekunden später war sie eingeschlafen.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Das erste zögerliche Blinzeln am Morgen offenbarte ihr die Sicht auf ein fürchterlich staubiges Fenster, durch das die Strahlen der Morgensonne nur teilweise durchdringen konnten, um den Raum in Licht zu tränken. Mit einem schmerzhaften Stöhnen brachte Luciana sich in eine sitzende Position und verfluchte dabei die nun zweite Matratze in Folge, die mit ihrem desolaten Zustand ihr Rückgrat in abartige Richtungen gequetscht hatte.      Ihr verschlafener Verstand brauchte einige Zeit, bis sich alle Geschehnisse des gestrigen Tages wieder nahtlos zusammengefügt hatten (der Rückweg von der Nokturngasse mit angeschlagenem Schädel blieb allerdings weiterhin lückenhaft) und wundersamer Weise überfiel sie bei dem Gedanken an die nun zweite Runde Sex mit ihrem Tränkeprofessor keine Welle von Panik. Und wo sie gerade beim Thema war, wo war Snape eigentlich abgeblieben?      Das Kopfkissen wies ganz klar zwei Abdrücke auf, aber er war weder zu sehen, noch war irgendein Geräusch aus der unmittelbaren Umgebung zu hören. Luciana schmiss die Bettdecke von ihrem Körper, ignorierte die Gänsehaut, welche sich prompt auf ihrer vollkommen nackten Haut bildete und sprang aus dem Bett. Fast wäre sie an dem Berg Kleidung vorbeigelaufen, der auf einem Stuhl direkt neben der Tür zum Wohnzimmer lag. Dort waren, fein säuberlich, ihr Kleid, der Cardigan und ihre Handtasche aufgestapelt worden; vor dem Stuhl standen ihre Sandaletten.      „Professor?“ Sie steckte ihren Kopf zur Tür heraus, doch auch in dem Wohnraum (eigentlich Wohnküche, doch die kleine Küchenzeile mit Tresen als Raumtrennung, hatte sie in der letzten Nacht gar nicht bemerkt) war niemand zu sehen. Die Tür zum Bad stand zudem weit auf und da es sich um einen ganz besonders winzigen Raum handeln musste, konnte sie auch schon aus ihrer Position sagen, dass Snape auch nicht dort war. Mit anderen Worten, er hatte sich klammheimlich aus dem Staub gemacht, höchst wahrscheinlich gleich nachdem er erwacht war und sie neben sich erblickt hatte. Typisch – zumindest, wenn man Remus Einschätzung Glauben schenken wollte.      Seufzend schnappte sie sich ihre Klamotten von dem Stuhl und lief Richtung Badezimmer. Es war wirklich so klein, wie es auf den ersten Blick den Anschein gemacht hatte und es besaß nicht einmal ein Fenster. Dazu war es über und über mit kotzgrünen Fliesen bedeckt, genau die Art, welche man so gerne in den sechziger und siebziger Jahren an alle Wände geklatscht hatte. Außer einer kleinen Duschkabine, einer Toilette und einem Waschbecken mit Spiegelschrank war nicht viel zu sehen.      Nachdem sie sich einen schnellen Überblick verschafft und auf keiner der Ablagen irgendwelche Waschutensilien gefunden hatte, öffnete sie den Spiegelschrank – und machte vor Schreck einen Satz nach hinten, der sie mit einem Scheppern direkt gegen die Duschkabine beförderte. Hinter den Schranktüren tat sich ein rechteckiges Loch auf, das scheinbar endlos weiter in das Mauerwerk hineinreichte. Rechts und links waren Regalbretter angebracht, die über und über mit Flaschen und Behältern gefüllt waren. Luciana trat wieder einen Schritt nach vorne und steckte, von Neugierde gepackt, ihren Kopf durch die Öffnung. Ihr Professor schien hier in seinem Winzbad eine größere Sammlung an Tränken zu horten, als in seinem Büro in Hogwarts oder den Klassenräumen im Kerker. Wieso benötigte er derart viele Tränke für seinen Privatgebrauch? Zudem es hier auch weniger um Forschung während der Freizeit gehen konnte, immerhin hatte sie noch keine Falltür zu einem geheimen Tränkelabor erspähen können. Obwohl, die Existenz dieser würde Luciana auch nicht mehr wundern.      Ihre neuste Entdeckung brachte sie übrigens kein Stück weiter in der Frage, wo der Kerl sein Duschgel oder Shampoo versteckt hielt. Oder seine Zahnbürste – obwohl. Im letzten Jahr auf der magischen Schule, hatte sie die Erfahrung gemacht, dass die meisten Zauberer und Hexen gar keine Zahnbürsten benutzen. Ein ziemlich simpler Zauber am Morgen und Abend verbannte sehr zuverlässig alle Bakterien aus dem Mundraum, daher war es erstens nicht nötig einen Zahnarzt aufzusuchen (den Beruf gab es in der Zaubererwelt einfach nicht) und zweitens hatte dies den netten Nebeneffekt, dass es das Problem von Mundgeruch so gut wie gar nicht gab – vorausgesetzt man wendete den Zauber auch wirklich regelmäßig an.      Auch wenn Luciana die Vorteile von dieser Art der Mundhygiene unschlagbar fand und sie auch zweimal am Tag an sich selbst anwandte, griff sie, allein schon aus Gewohnheit, immer wieder zu der manuellen, popeligen Zahnbürste. Nichts ging am Morgen über einen frischen Pfefferminzgeschmack.      Okay, zurück zum Thema – Shampoo. Duschgel. Negativ, negativ. Mit einem Ruck öffnete sie die Duschkabine und –      „Nicht sein scheiß Ernst“, sprach sie in den leeren Raum hinein und starrte, mit ungläubigen Blick, ein einsames Stück Kernseife an, das auf einem schmalen Gitter an der Duschwand lag. Nächstes Mysterium geklärt, dieses Mal seine fettigen Haare betreffend. Sie verbannte, mit all den vereinigten Kräften ihrer halbwegs vernünftigen Gedanken, die sie auf die Schnelle zusammen kratzen konnte, die fixe Idee einen Großeinkauf zu starten, um den Herrn Professor zumindest mit den lebensnotwendigsten aller Pflegeprodukte auszustatten … und ein Lebensvorrat Boxershorts, die Feinrippschande könnte sie in null Komma Nix in einem Ölfass im Hinterhof verbrennen. Nein, sein Leben. Er war ein erwachsener Mann und schien auch gut ohne all den Luxus klar zu kommen. Außerdem konnte man ihm viel nachsagen, aber nicht, dass er unsauber war. Das permanent fettige Haar vermittelte auf den ersten Blick den falschen Eindruck, denn dies war keinerlei Indiz für mangelnde Körperhygiene. Zumindest soweit sie es bisher bewerten konnte.      Mit einem tiefen, missmutigen Seufzer betrat sie letztendlich die Dusche. Das Stück Seife ließ sie an Ort und Stelle liegen.      Nach einer fünfminütigen Katzenwäsche zog sie sich ihr Kleid über (das am Rückenteil von einer dunklen Blutspur vollkommen versaut war – sie musste unbedingt daran denken, Mrs Weasley bei der nächsten Gelegenheit um einen ihrer effektiven Haushaltszaubersprüche zu bitten) und lief darauf wieder Richtung Schlafzimmer, als ihr Blick an dem Bücherregal hängen blieb, das eine gesamte Wand des Wohnraums einnahm. Ein schwarzer Buchrücken mit einem eingestanzten, goldenen Kreuz war derart unverkennbar, dass Luciana eigentlich nicht hätte auf Nummer sicher gehen müssen, aber gerade Professor Snape mit einer derartigen Literatur in Verbindung zu bringen, ließ sie die Sache näher inspizieren.      Die Bibel war nicht sonderlich alt, zumindest nicht im Maßstab der Ausgaben, die sie von Rennocs Bibliothek kannte, doch ihr fiel der außergewöhnlich stark verschlissene Einband als erstes ins Auge, nachdem sie das Buch aus dem Regal gezogen hatte. Die Seiten waren über und über mit winzigen Notizen versehen, es tat sich kaum ein Blatt auf, welches keine unterstrichene Textzeile aufwies. Lucianas Brauen hatten sich mittlerweile zusammengezogen, auf ihrem Gesicht hatte sich der Ausdruck totaler Verwirrung breit gemacht. Und dann, auf der Suche nach dem Druckjahr der Ausgabe, sprang ihr ein Name entgegen, der links oben auf der Innenseite des Einbands notiert stand: Tobias Snape. Irgendetwas klingelte bei diesem Namen in ihrem Hinterstübchen und nachdem sie noch weitere Sekunden auf die Zeilen gestarrt hatte, fiel es ihr wie Schuppen vor die Augen – Sir Rennoc hatte letztes Jahr, in einem Brief, erwähnt, dass Snapes Vater diesen Namen trug.      Das Buch war im Jahr neunzehnhundertzweiundfünfzig gedruckt worden, zudem hatte die Handschrift zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit der ihres Professors, aber es waren trotzdem zu viele Unterschiede vorhanden, um dieselbe zu sein. Sie verstaute die Bibel wieder an seinen Platz, gleich neben einer kleinen Uhr, die in einem Glassockel –      HALB ZEHN??? Luciana beeilte sich zurück ins Schlafzimmer zu kommen, warf sich den Cardigan über, schlüpfte in ihre Schuhe – verdammt, sie wusste nicht einmal wo sie sich genau in London aufhielt, wie sollte sie da innerhalb von einer halben Stunde am Grimmauldplatz sein (Gabriel hatte sich geweigert den Kamin länger als auch nur fünf Minuten für einen ‚zwielichtigen‘ Ort wie den Tropfenden Kessel offen zu halten und da sie dies für ein wirklich zu knappes Zeitfenster gehalten hatte, war ein Kompromiss für eine Viertelstunde für das Hauptquartier des Ordens zustande gekommen)? Eilends griff sie ihre Handtasche, drehte sich noch einmal um die eigene Achse um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich nichts vergessen hatte und –      Ihr Herz machte einen gewaltigen Hüpfer. Von der unangenehmen Sorte, die in Richtung ‚Lass-das-bitte-nicht-Realität-sein‘. Ein paar Sekunden stand sie wie angewurzelt auf der Stelle, die Augen mit geschocktem Blick auf das kleine Nachttischchen neben dem Bett gerichtet. Eine kleine Stimme in ihrem Kopf bat sie inständig, einfach auf dem Absatz kehrt zu machen und die Wohnung zu verlassen, immerhin könnte sie sich vielleicht so einreden, dass sie gar nichts gesehen habe. Doch dazu war Luciana dann wohl eine Spur zu masochistisch veranlagt und so trat sie mit langsamen Schritten auf den Nachttisch zu. Natürlich hatten ihre Sinne ihr keinen Streich gespielt – die Hamsterbacken von John Houblon sprangen ihr in Form eines rot abgedruckten Kupferstichs höhnisch entgegen, kein Zweifel. Snape hatte ihr eine fünfzig Pfund Note ans Bett gelegt. Im nächsten Moment hatte Luciana Schwierigkeiten zu atmen, oben auf verschwamm ihr Blickfeld durch eine Menge überflüssiger Feuchtigkeit, die sich in ihren Augen angesammelt hatte – wenigstens musste sie somit nicht mehr Houblons Gesicht ertragen. Der Schockzustand wich schnell einem reichlich angepissten (das war auch leichter hinzunehmen, als der penetrante Stichschmerz in ihrer linken Brustregion). Mit einer energischen Bewegungen wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln, dachte nicht mal eine Millisekunde darüber nach das Geld auch nur mit einer Fingerspitze zu berühren und stapfte dann stinksauer aus der Wohnung, inklusive lautem Türscheppern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)